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Full text of "Aus Aachens Vorzeit [microform]"

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S  MCllIS  TOl^llf. 

mmHÜNGl  DES  VEREINS  FÜR  ME  DER  AACHENER  VORZEIT 

IM  AUFTRAG  DES  VEREINS  HERAUSGEGEBEN 

HEINRICH  SCHNOCK. 

ACHTER  JAHRGANG. 


AACHEN. 

Kommissions-Vbklag  der  ('kembb'schen  Buchhandlung  (C.  Cazin). 
189.1. 


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INHÄLT. 


8«ite 

1.  Baugeschichte  des  Hauses  Friesheim.    Von  J.  Bachkremer.    .    .    .      1 

2.  Kleinere  Mittheilungen: 

1.  Die  Servielsburg  als  Eorrektionshatie.    Von  M.  Schollen    .    .    .  16 

2.  Die  Neubedachong  des  Marschierthores.    Von  H.  Schnock.    .    .  16 

3.  Reinard  von  Schönan,  der  erste  Herr  von  Schönforst.  Von  H.  J.  Gross  17 

4.  Der  Reliqnienbehälter  des  hl.  Anastasios  im  Aachener  Dom.    Von 

B.  M.  Lersch       76 

5.  Abbrach  der  Hftuser  des  Josephinischen  Instituts  und  des  Waisenhauses 

in  der  Pontstrasse.    Von  J.  Buchkremer 91 

6.  Kleinere  Mittheilungen: 

1.  Freilegung  des  Chores  der  Nikolauskirche  in  Aachen.    Von 

J.  Buchkremer 92 

2.  Spottgedicht  auf  die  Franzosen  aus  dem  Jahre  1793.  Von  C.  Wacker  94 

7.  Die  Familie  von  Friesheim  in  Aachen  im  17.  und  18.  Jahrhundert.    Von 
Franz  Oppenhoff 97 

8.  Der  ehemalige  malerische  und  plastische  Wandschmuck  im  karolingischen 
Theüe  des  Aachener  Münsters.    Von  C.  Rhoen 113 

9.  Bericht  über  das  Vereinsjahr  1894^95 124 

10.  Mitgliederrerzcicliniss 126 


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Anm  Äm@&im@  ¥@f;iili 


Jikhrtich  8  Niiramcrii  Koinmissifms-Vei'Iaf;  . 

II   1   Bngcu  Rny.ll  .Olilav.  ''*'' 

( 'reuicr'sc'Uen  ßuclihniKlluiig 
Trcis  (ip^  .luhrsaiiss  ,(,  c„,„ 

4  Uark.  in  Aachen. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit, 

Im  Auftrage  ien  Vereins  berausgegebeD  tou  H.  Sohnook. 

Nr.  1.  Achter  Jahrgang.  1895. 


Inhalt:  J.  Bnclikremer,  BauKesohicht«  des  Hanscs  Friesheim.  ~  K.  Wacker,  Ein  merk- 
würdiger Fnnd.  —  Kleinere  Mitllieilunfien:    1.  Die  Serriclsbiirg  als  Korruktiimsliaus. 
2.  Die  Neabedachaii^  des  Marschiert liorc». 


Baugeschichte  des  Hauses  Friesheim 

(seit  1717  Armenhaus).  —  Aachen,  Bergdrisch  Xr.  2. 
Von  .1.  Bochkremer. 

H<enii  drei  Blatt  Alibildaugen. 

Im  ,Tuni  de-i  vorigen  Jahres  hat  Aachen  wiedenim  ein  selir  merk- 
würdiges altes  Bauwerk  verleren.  In  Folge  von  Strassenerweitening  an 
der  Stelle,  wo  sich  Bergdrisch  und  Seilgraben  vereinigen  und  zur  Zeit 
nur  die  geringe  Strassenbreite  von  4—5  Meter  bestand,  musste  das  Haus  ■ 
Bergdiisch  Nr.  2,  das  sogen.  Friesheimsche  Haus  mit  seiner  nächsten 
Umgehung  abgetragen  werden,  üie  neue  Strassenflucht,  deren  Lage  zu 
den  alten  Gebäulichkeiten  au»  der  punktirten  Linie  im  Grundrisse  Fig.  2 
auf  Blatt  1  zu  erselien  ist,  liegt  an  der  engsten  Stelle  13  Meter  weiter 
zurück  als  die  frühere  Flucht  und  schnitt  dadurch  fast  zwei  Drittel  von  der 
alten  Baumasse  weg,  sodass  eine  sonst  vielleicht  ■  mögliche  theihveise 
Erhaltung  des  interessanten  Hauses  und  eine  Wiedevanfrichtung  der  alten 
Fassade,  der  neuen  Strassenflucht  entsprechend,  ganz  ausgeschlossen  war. 

Alle,  die  sich  für  Aachens  Vergangenheit  interessiren,  werden  den  Ver- 
lust dieses  Denkmals  tief  beklagt  haben,  ganz  besonders  aber  diejenigen, 
die  dieses  Haua  genauer  gekannt  und  ausser  der  Strassenansicht  auch  die 
malerische  Hofanlage  und   das  Innere  mit  eignen  Augen  gesehen    haben. 

Es  ist  aber  dafür  Sorge  getragen  worden,  dass  durch  zeichnerische 
und  photographische  Aufnahmen  das  Bild  des  Friesheimscben  Hauses  unter 
uns  fortleben  wird.  In  Folge  eines  Beschlusses  des  städtischen  Ausschusses 


9    — 

zur  Erhaltung  der  liistorischen  Bauwerke  hat  das  hiesige  Stadtbauanit 
die  Grundrisse  des  Hauses  aufgenommen  und  von  der  Strassenansicht  eine 
Photographie  anfertigen  lassen'.  Ausserdem  hat  der  Verfasser  vorliegender 
Arbeit  die  Hofansicht  und   einige  Einzelheiten   des  Innern   aufgezeichnet. 

In  Folgendem  ist  eine  Beschreibung  des  Friesheimschen  Hauses  und 
der  mit  ihm  von  1717  an  zusammenhängenden  Bauten  gegeben,  die  durch 
drei  Tafeln  erläutert  wird.  — 

Im  Laufe  der  Zeiten  hat  das  Haus  mannigfache  Umänderungen  erfahren 
und  neue  Anbauten  erhalten;  seine  Baugeschichte  wird  im  18.  Jahrhundert 
noch  dadurch  besonders  reichhaltig,  dass  das  städtische  Armenhaus  hierhin 
verlegt  wurde.  Dadurch  mussten  nämlich  mehrere  nach  dem  Seilgraben 
zu  liegende  Bauten,  die  für  das  Armenhaus  gebaut  worden  waren,  mit  dem 
Hause  Friesheim  verbunden  werden. 

Bevor  wir  mit  der  Beschreibung  beginnen,  mögen  einige  kurze  Mit- 
theilungen über  die  Familie  von  Friesheim  (auch  Freisheim),  soweit  solche  für 
die  Baugeschichte  dieses  Hauses  von  Werth  sein  können,  hier  Platz  finden. 

Die  Familie  von  Friesheim  ^  kam  um  die  Wende  des  16.  Jahrhunderts 
nach  Aachen.  Sie  führte  im  Herzschilde  ihres  Wappens  einen  Adler;  das 
Wappen  selbst  ist  quadrirt  und  zeigt  im  1.  und  4.  Felde  einen  Baum,  im 
2.  und  3.  Felde  eine  Lilie.  —  1683  wird  der  letzte  von  Friesheim  geboren  ^  — 

Die  Tradition  hat  das  Haus  Bergdrisch  Nr.  2  stets  das  Friesheimsche 
genannt;  es  geht  aber  auch  aus  dem  Umstände,  dass  auf  dem  Kamine  der 
Haupthalle  dieses  Hauses  sich  unter  anderem  das  oben  angegebene  Wappen 
der  Familie  von  Friesheim  fand,  unzweifelhaft  hervor,  dass  genanntes 
Haus  dieser  Familie  gehörte.  Wenn  es  aber  richtig  ist,  dass  die  Friesheim 
erst  um  die  Wende  des  16.  Jahrhunderts  nach  Aachen  gekommen  sind,  so 
haben  sie  das  ursprüngliche  Haus  nicht  selbst  gebaut,  da  dasselbe  in  seinen 
ältesten  Theilen  aus  dem  frühesten  Anfange  des  16.  Jahrhunderts  stammt. 

Erste  Bauperiode.     Anfang  des  16.  Jahrhunderts. 

Wir  gehen  nun  zu  der  eigentlichen  Beschreibung  und  Baugeschichte 
über.  Zunächst  sei  der  noch  in  Aller  Erinnerung  stehenden  schönen  Fassade 
gedacht*.  Es  war  dieses  so  ziemlich  die  letzte  bedeutendere  Fassade,  die 
uns  eine  Vorstellung  von  der  heimischen  Bauweise  des  15.  und  16.  Jahr- 
hunderts geben  konnte.  Mannigfachen  Unbilden  hat  sie  lange  Zeit  getrotzt 
und  sich  in  ziemlich  ursprünglicher  Form   und   in   noch  verhältnissmässig 

^)  Diese  Originalaufnahmen  und  eine  Phothograpbie  befinden  sich  im  hiesigen 
stÄdtischen  Archiv.  Ausserdem  werden  in  dem  Suermondtmuseum  4  Phothographien  und 
einzelne  Reste  des  Hauptgesimses  der  Fassade  sowie  Theile  der  Kamine  aufbewahrt. 

*)  Macco,  Beiträge  zur  Genealogie  rheinischer  Adels-  und  Patrizierfamilien  Bd.  II, 
Aachen  1887,  S.  35. 

^)  Eine  der  nächsten  Nummern  dieses  Jahrgangs  wird  eingehendere  Mittheilungen 
ilber  die  Familie  von  Friesheim  und  ihre  Beziehungen  zu  Aachen  bringen.  (Anmerkung 
der  Redaktion.) 

*)  Auf  der  Lichtdrucktafel  Blatt  Nr.  2  ist  dieselbe  dargesteUt,  wie  sie  vor  dem 
Abbruche  noch  bestand.  Die  Detailzeichnung  eines  Theiles  der  Vorderfassade  ist  auf 
Blatt  Nr.  1  der  Abbildungen  unter  Fig.  3  mitgetheilt. 


—  3  — 

gutem  Zustande  bis  in  unsere  Tage  hinübergerettet.  —  Sie  war  durchweg 
aus  wohlbearbeiteten  grossen  Blausteinquadern  aufgebaut,  und  wirkte 
dadurch  trotz  der  einfachen  Architekturformen  sehr  monumental. 

Die  Fassade  bildete  im  Gnmdrisse  keine  geradlinige  Flucht,  sondern 
bestand  aus  zwei  Theilen,  die  dem  Strassenlaufe  folgend  einen  stumpfen 
Winkel  unter  sich  bildeten.  Der  linke  Theil  hatte  eine  Länge  von  11,5  Meter, 
der  rechte  eine  solche  von  10.8  Meter.  Das  Haus  besass  ausser  dem  Erd- 
geschosse  und  Dachboden  nur  noch  ein  Obergeschoss  und  war  grössten- 
theils  nicht  unterkellert.  Daher  hatte  die  Fassade,  die  mit  einem  horizontalen 
Hauptgesimse  abscliloss  und  nach  der  Strasse  zu  keine  Giebel  zeigte, 
nur  die  geringe  Höhe  von  durchschnittlich  8,5  Meter. 

Sie  erhielt  ihre  Haupttheilung  durch  die  beiden  Fensterreihen  des 
Erdgeschosses  und  des  obern  Stockwerkes.  Im  Erdgeschosse  hatte  nur 
der  linke  Fassadentheil  Fensteröfinungen,  während  der  rechte  in  früherer 
Zeit  nur  das  bis  zum  Abbruche  vermauerte  Thor  enthielt,  im  obern  Geschosse 
hatten  dagegen  beide  Fassadentheile  Fenster.  Diese  waren,  je  nach  der 
Grösse  der  dahinter  liegenden  Zimmer  bald  zu  zweien,  bald  zu  dreien 
gruppenweise  zusammengefasst.  Die  Fenster  des  obern  Stockwerkes  waren 
oben  und  unten  durch  zwei  kleine  gothische  Gesimse,  bestehend  aus  ein- 
facher Schräge  mit  Hohlkehle^  begrenzt,  von  denen  das  obere  als  Bekrönung 
und  das  untere  als  Fensterbank  diente.  Diese  Gesimse  setzten  sich  über 
die  ganze  Länge  der  Fassade  fort.  Bei  den  Fenstern  des  Erdgeschosses 
fehlte  indessen  das  Fenstersockelbankgesimse  ganz;  statt  dessen  war  dicht 
über  der  Strassenhöhe  ein  kleiner  Sockel  angeordnet,  der  mit  einfacher 
Schräge  abschloss  und  dem  Gefälle  der  Strasse  entsprechend  bei  dem 
rechten  Fassadentheil  um  60  Centimeter  tiefer  stand  als  bei  dem  linken  Theile. 

Was  die  Ausbildung  der  Fensteröffnungen  selbst  anbelangt,  so  bildete 
jedes  Fenster  ein  stehendes  Rechteck,  das  durch  ein  miteingemauertes 
Steinkreuz  in  vier  unter  sich  fast  gleiche  Theile  zejfiel.  Die  Gewände 
(die  die  Fenster  seitlich  begrenzenden  Steine)  sowie  der  Mittelpfosten 
zeigten  über  den  horizontalen  Kreuzbalken  als  Profilirung  nur  eine  kleine 
Abschrägung;  an  dem  untern  Theile  der  Fenster  zeigten  sie  dagegen 
einen  kleinen  viereckigen  Falz,  worin  sich  die  hölzernen  Fensterläden  legten, 
wenn  diese  geschlossen  wurden.  Auffallend  ist  hierbei,  dass  eben  nur  die 
untern  Fenstertheile  einer  jeden  Fenstergruppe  solche  Läden  erhielten; 
eine  Anordnung,  die  sich   übrigens  bei  allen  Fenstern  dieser  Art  zeigte 

Die  hölzernen  Fensterläden  des  Friesheimschen  Hauses  hatten  zierlich 
ornamentirten  Eisenbeschlag,  bestehend  aus  zwei  sich  verästelnden  Stäben, 

^)  Diese  Anordnung  findet  man  bei  allen  alten  Aachener  Häusern,  und  zwar  an  den 
Fenstern  aller  Stockwerke.  Bei  vielen  Fenstern  wurden  im  18.  Jahrhundert  die  Stein' 
kreuze  herausgenommen,  um  dadurch  grössere  Fenster  zu  (erhalten.  Bei  diesen  wird  man 
noch  jetzt  durch  den  oben  erwähnton  Falz,  der  sich  nur  in  dem  untern  Theil  der  (Tcwände 
zeigt,  an  das  Vorhandcnseiu  der  ursprünglichen  Kreuzforra  und  an  jene  oben  erwähnte 
Eigeuthümlichkeit  erinnert.  Worin  diese  ihre  Begründung  findet,  ist  schwer  zu  sagen,  es 
ist  aber  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  Schwierigkeit,  die  Fensterläden  der  oberen  Fenster 
bequem  erreichbar  zu  machen,  zumal  diese  meistens  nicht  geöffnet  werden  konnten, 
allmählich  es  überall  dahin  brachte,  dass  nur  die  unteren  Fenster  solche  Läden  erhielten. 


—  4  — 

die  an   ihren  Ausläufen  Lilien   zeigten.     Einer  dieser  Fensterläden   war 
noch  mit  seinem  ursprünglichen  Beschlag  erhalten. 

Den  Hauptschmuck  der  ganzen  Ansicht  bildete  das  schöne  Haupt- 
gesimse. Die  noch  erhaltenen  Theile  desselben  bildeten  einen  spätgothischeu 
auf  Consolen  ruhenden  Bogenfries,  der  als  Maasswerk  mit  stark  ausgezogenen 
Nasen  ausgebildet  und  ziemlich  plastisch  profilirt  war. 

Die  Anwendung  und  Ausbildung  der  Consolen  lässt  bereits  den  Ein- 
fluss  der  Renaissance  erkennen  und  darauf  schliessen,  dass  die  Fassade 
gleich  nach  1500  errichtet  wurde.  Der  oberste  Abschluss  des  Haupt- 
gesimses bestand  zur  Zeit  nicht  mehr,  sondern  war  durch  einige  Schichten 
Ziegelsteinmauerwerk  ersetzt  worden.  Wir  haben  uns  denselben  als  ein- 
fache Gesimsleiste  zu  denken,  aus  Schräge  und  Hohlkehle  bestehend,  worauf 
dann  unmittelbar  das  steile  Dach  ansetzte.  Der  linke  Theil  der  Fassade 
zeigte  16  von  den  oben  beschriebenen  Maasswerkbögen  im  Hauptgesimse. 
Das  ganze  Gesimse  des  rechten  Theiles  dagegen,  die  Consolen  mit  ein- 
begriffen, bestand  zur  Zeit  nicht  mehr;  es  war  nach  dem  Aachener  Brande 
durch  einfaches  Ziegelmauerwerk  ersetzt  worden. 

Einen  weiteren  Schmuck  erhielt  die  Fassade  noch  durch  die  schmiede- 
eisernen Anker,  von  denen  in  beiden  Geschossen  zusammen  20  Stück  an- 
gebracht  waren.  Dieselben  waren  aus  Rundeisen  hergestellt;  ihre  Form  sowie 
die  der  eben  erwähnten  Fensterlädenbeschläge  ist  aus  der  Darstellung  eines 
Theiles  der  Fassade  auf  Blatt  1  der  Abbildungen  unter  Fig.  3  zu  ersehen. 
Diese  Zeichnung  zeigt  auch  die  Form  des  Hauptgesimses,  diejenige  der 
Fenster  und  die  Behandlung  der  Mauerflächen  über  diesen  in  Form  von 
sogen,  scheitrechten  Bögen,  die  zur  Entlastung  der  das  Fenster  ab- 
schliessenden Gesimsquader  angeordnet  waren  ^ 

Bis  zum  Jahre  1859  waren  an  den  Fenstern,  die  der  grossen  Halle  0 
(siehe  Grundriss  Fig.  1)  des  Erdgeschosses  entsprachen,  sechs  kleine  reich 
und  sehr  kunstvoll  geschmiedete  Korbgitter  angebracht,  die  etwa  40  Centi- 
meter  vorstanden,  aber  nicht  wie  gewöhnlich  die  ganze  Höhe  des  Fensters 
einnahmen,  sondern  nur  80  Centimeter  hoch  und  nach  oben  hin  offen  waren  '^. 

Wie  bereits  oben  erwähnt,  befand  sich  in  dem  rechten  Theile  der 
Fassade,  an  der  im  Ginindrisse  Fig.  1  zwischen  3  und  4  bezeichneten 
Stelle,  ursprünglich  das  Eingangsthor  ^    Dasselbe  war  2,7  Meter  breit  und 

*)  An  jedem  grösseren  Steine  bemerkte  man  in  der  Mitte  ein  rundes  Loch,  das 
nach  früherer  Bauweise  zum  Aufziehen  der  Steine  gedient  hat  Im  Kittelalter  wurden 
die  schweren  Hausteine  mit  Hülfe  eiserner  Zangen  aufgezogen.  Zu  dem  Zwecke  musste 
jeder  Stein  2  Löcher  erhalten,  worin  die  Eisenspitzen  eingreifen  konnten.  Diese  Löcher 
brachte  man  nun  nicht  in  den  unsichtbaren  vermauerten  Seitenflächen,  sondern  in  der 
bearbeiteten  Vorderseite  und  Rückseite  dos  Steines  an,  damit  der  Stein,  noch  in  der  Zange 
hängend,  leicht  versetzt  werden  konnte.  Daher  zeigen  die  meisten  alten  Bauten  in  der 
Mitte  der  Quader  durch  Putz  verstrichene  Löcher. 

*)  1859  wurden  diese  Korbgitter  auf  Wunsch  des  Bewohners,  dem  allerhand  Belästigung 
daraus  entstand,  entfernt  und  wahrscheinlich  in  das  Grashaus  gebracht.  Ueber  den 
Verbleib  derselben  ist  nichts  Weiteros  bekannt  geworden. 

')  Bei  der  nun  folgenden  Beschreibung  des  Grundrisses  sei  auf  die  Grundriss- 
zeiehnungen  auf  Blatt  1  der  Abbildungen  hingewiesen.    Fig.  1  enthält  nur  den  Grund- 


—  5  — 

sclllo^5S  in  Form  eines  Halbkreises  ab.  In  späterer  Zeit  ist  dasselbe  ver- 
mauert worden,  und  war  daher  nur  dem  Aufmerksamen  noch  sichtbar.  Bei 
dieser  Vermauerung  sind  nämlich  auch  die  dasselbe  einfassenden  Gewände- 
steine sogar  im  Bogen  entfernt  worden;  wahrscheinlich  weil  diese  Gewände 
sehr  plastisch  pofilirt  waren  und  dadurch  bei  der  Vermauerung  eine  glatte 
Fläche  sonst  nicht  hätte  erzielt  werden  können.  Dieses  Portal  haben  wir 
uns  in  der  formalen  Ausbildung  ähnlich  demjenigen  an  dem  etwas  jüngeren 
Gebäude  der  Polizeidirektion  in  der  Pontstrasse  zu  denken. 

Dieses  ursprüngliche  Thor  führte  in  die  Vorhalle  A,  der  sich  rechts 
ein  kleiner  Eaum  B  anschloss,  der  einzige  des  ganzen  Hauses,  der  unter- 
kellert war.  Aus  dieser  Vorhalle  gelangte  man  nach  Durchschreitung  eines 
zweiten  Thores  (in  der  Mauer  7 — 8),  das  dem  Hauptthore  an  Ausdehnung 
und  Form  entsprach  und  noch  bis  zum  Abbruche  des  Hauses  in  der  ursprüng- 
lichen Weise  erhalten  war,  in  den  Hofraum.  Gleich  links  in  der  Mauer 
8 — 9  befand  sich  die  malerische  Eingangsthür  zum  Innern  des  Hauses 
selbst.  Die  Mauern  der  Hoffassaden  waren  in  der  ersten  Bauperiode  wie 
die  der  Strassenfassade  aus  glatt  bearbeiteten  grossen  Blausteinen  her- 
gestellt. Die  Profiliruug  des  eben  erwähnten  Hofthores  und  eines  dicht 
daneben  liegenden  kleinen  Fensters  bestand  aus  einer  kleinen  Hohlkehle. 
Reicher  war  die  zum  Wohnhause  führende  Eingangsthür  ausgebildet.  Diese 
hatte  ebenso  wie  das  zuletzt  erwähnte  Fenster  neben  dem  Hofthor  keinen 
horizontalen  Sturz,  sondern  einen  oberen  Abschluss  in  Form  eines  flachen 
Korbbogens.  Das  Gewändeprofil  bestand  hier  aus  zwei  Hohlkehlen,  die 
durch  eine  grade  Fläche  von  einander  getrennt  waren.  Diese  Thür  hatte 
ein  Oberlicht  in  Form  zweier  kleiner  Fenster,  die  denen  der  Strassenfassade 
entsprachen  und  eine  einfache  schmiedeeiserne  Vergitterung  zeigten.  An 
dem  Stürzquader  dieser  Fenster  war  ein  kleiner  50  Centimeter  vorstehender 
schmiedeeiserner  Anker  angebracht,  der  wahrscheinlich  zum  Anhängen 
einer  Laterne  diente.  Die  ganze  Gruppirung  der  Hot'anlage,  die  in  den 
Theilen  des  Erdgeschosses  noch  bis  zum  Abbruche  ganz  der  ursprüng- 
lichen Anlage  entsprach,  wirkte  ausserordentlich  malerisch.  In  dem  Licht- 
druckbilde auf  Blatt  H  der  Abbildungen  ist  die  eben  beschriebene  alte  Hof- 
anlage noch  zu  erkennen '. 

Trat  man  durch  die  zuletzt  erwähnte  Thür  in  das  Innere  ein,  so 
gelangte  man  in  die  grosse  Halle  (-  (siehe  den  Gi'undriss  Fig.  1),  die  den 
Hauptwohnranm  ursprünglich  bildet-e.  Die  Wand  8 — 18  wurde  später 
eingebaut.  Diese  Halle  hatte  in  ihrer  ehemaligen  Grösse  die  Ausdehnung, 
die  im  Grundriss  durch  die  Zahlen  3 — 9—10 — 2  begrenzt  wird  und  war 
10,6  Meter  lang  und  0,2  Meter  breit.  In  der  Mitte  der  der  Thür  gegenüber- 
liegenden Längswand  (2 — 10)  befand  sich  ein  grosser  Kamin.  (Schon  aus 
der  Lage  dieses  Kamines  geiit  hervor,  dass  die  Wand  8 — 13  später  ein- 
gebaut sein  muss.)    Zwei  auf  einfachen  Oonsolen   ruhende  schwere  Unter- 

riss  des  eigentlichen  Kriesbeimselicn  Hauses,  während  Fig.  2  auch  die  Umgebung  des 
Hauses  zeigt.  Durch  verschiedene  Behandlung  der  Mauern  sind  die  einzelnen  Bauperiodeu 
kenntlich  gemacht. 

*)  Diese  Hofansicht  ist  von  dem  Punkte  Z  (siehe  Grundriss  Fig.  2  Blatt  1)  aufgenommen. 


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zugbalken  trugen  die  kleinen  Balken  der  Decke.    In  der  Nähe  der  Fenster- 
wand lag  in  dieser  Halle  ein  grosser  Brunnen. 

Das  Erdgeschoss  der  ersten  Anlage  hatte  ausser  diesem  Hauptraum 
noch  einen  weiteren  D,  der  7  Meter  lang  und  5,2  Meter  breit  war,  und 
von  einem  dritten  Räume  E  aus  zugänglich  war.  In  dem  letzten  Räume 
wird  wahrscheinlich  auch  früher  schon  die  zur  Zeit  nicht  mehr  erhaltene 
alte  Treppe  gelegen  haben. 

Wir  hätten  damit  die  alte  ursprüngliche  Grundrissanlage,  die  durch  die 
Zahlen  1 — 12  umgrenzt  wird,  besprochen.  Dass  im  Vergleich  zu  den  noch 
sonst  vorhandenen  Wänden,  die  hierbei  berücksichtigten  als  die  ursprüng- 
lichen bezeichnet  werden  müssen,  beweist  sich  durch  die  Materialien, 
woraus  die  einzelnen  Mauern  hergestellt  waren,  und  aus  dem  Verband  der 
verschiedenen  Mauern  miteinander.  Die  alten  Mauern  waren  in  Bruchstein 
aufgeführt,  während  die  der  spätem  Bauten  verschiedenartiges  Ziegelstein- 
material zeigten.  Nun  ist  aber  grade  die  Wand  8 — 9  und  9—10  aus  Bruch- 
steinen errichtet,  während  die  an  dieser  Stelle  zur  Zeit  des  Abbruches 
vorhandenen  andern  Mauern  aus  Ziegelsteinen  und  ohne  Verband  an  die 
alten  Wände  angesetzt  waren.  Es  kann  somit  der  ursprüngliche  Grund- 
riss  nur  so  gewesen  sein,  wie  er  oben  besprochen  wurdet 

Die  Eintheilung  des  oberen  Geschosses  der  ersten  Anlage  wird  der- 
jenigen des  unteren  entsprochen  haben;  es  kamen  hier  aber  noch  die  beiden 
Zimmer  über  A  und  B  hinzu.  Diese  waren  von  der  über  C  gelegenen 
Halle  durch  einen  ausgekragten  und  in  Holzfachwerk  gebildeten  Gang  F 
zugänglich  gemacht,  der  die  ganze  Wandlänge  von  6—8  einnahm  und  bei 
8  mit  der  oberen  Halle  in  Verbindung  stand.  Dieser  1,30  Meter  weite 
ausgekragte  Gang  ruhte  auf  drei  schweren  Balken,  die  frei,  ohne  Consol- 
unterstützung  auskragten.  (Die  ursprüngliche  Ausbildung  war  niclit  mehr 
erhalten.)  Diese  Balken  gingen  bis  zur  Strassenfassade  durch  und  waren 
hier  mit  den  entsprechenden  Zierankern  verbunden. 

Die  im  Vorhergehenden  beschriebene  iVrm  und  Ausdehnung  des 
Hauses  ist  diejenige  der  ersten  Anlage.  Die  Strassenfassade,  sowie  die  des 
Hofes  geben  uns  den  einzigen  Anhalt  für  die  Bestimmung  der  Entstehungs- 
zeit. Zieht  man  hierbei  die  formale  Gestaltung  des  Hauptgesimses  mit 
seinen  bereits  in  Renaissanceformen  gebildeten  Consolen,  sowie  die  Behand- 
lung der  Hofthüre,  die  Anwendung  der  scheitrechten  Bögen  über  den 
Fenstern  und  die  Form  der  Anker  in  Betracht,  so  müssen  wir  die  erste 
Bauzeit  in  den  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  verlegen. 

Zweite  Bauperiode. 

Im  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  wurde  das  Haus  Friesheim  im 
Innern,  dem  Geschmacke  der  Zeit  entsprechend  in  einfachen  Renaissance- 
fonnen,  neu  eingerichtet.  In  den  Räumen  C  und  D  des  Erdgeschosses 
sowie  in  dem  über  D  gelegenen  Räume  des  oberen  Geschosses  befanden 

•)  In  dem  vom  Stadtbauamte  gezeichneten  Grundrisse  ist  irrthüralicb  nur  der  Bau- 
theil  1--2--3— 4— 5— 7  -8—13-12  als  alter  Bau  angegeben,  indem  die  Mauer  8—13  als 
urspningliche  angesehen  wurde. 


—  7  — 

sich  noch  bis  in  unsere  Tage  drei  ziemlich  reich  ausgebildete  Kamine, 
die  nicht  aus  der  ersten  Bauanlage  stammten.  Diese  Kamine  zeigten  die 
Formen  der  entwickelten  Renaissance  und  sind  nach  diesen  zu  urtheilen 
in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  ausgeführt  worden.  Es  ist 
nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  Hei*stellung  dieser  Kamine  und  die  gleich- 
zeitige Neueinrichtung  des  Hauses  überhaupt  mit  der  Erwerbung  des 
Hauses  durch  die  Familie  von  Friesheim  zusammenfallt,  oder  vielleicht 
bei  Gelegenheit  der  Vermählung  des  Freiherrn  Gottfried  von  Friesheim 
mit  Katharina  Amya,  die  1G29  stattfand,  erfolgte,  zumal  da  der  Kamin  in 
der  Haupthalle  C  das  Wappen  der  Familie  von  Friesheim  zeigt. 

Der  Kamin  in  der  Halle  (\  der  grösste  von  allen  ^,  hatte  als  seitliche 
Begrenzung  der  Feuerstelle  zwei  nackte  Figuren,  eine  männliche  und  eine 
weibliche,  die  je  einen  Wappenschild  trugen.  Wappenbilder  waren  hierauf 
ausser  der  Quadrirung  nicht  zu  erkennen.  Diese  beiden  Figuren  trugen 
weit  ausladende  Steinconsolen,  Avorauf  der  eigentliche,  aus  Ziegelstein  auf- 
gemauerte Rauchfang  ruhte.  Dieser  wurde  an  seinem  unteren  Rande  durch 
ein  Gesimse  aus  Haustein  eingefasst,  das  aus  einem  schmalen  Architrav, 
einem  breiten  Friese  und  einer  weit  ausladenden  Gesimsleiste  bestand. 
Dieser  Fries  enthielt  in  der  Mitte  eine  zierliche  Kartusche,  in  der  Form 
des  Schrifttäfelchens  oben  auf  Blatt  1  der  Abbildungen.  Es  befand  sich 
darauffolgende  Inschrift: 

Psalm  102. 

Darum!)  o  Herr  hoere  meyn  Gebet  und 

Laes  mein  Schreyen  zu  Dir  komen.  ^ 

Verbirg  Dein  Angesicht  nicht  fun 

Mir.     Wen  ich  Dich  anrufe  so 

erhoere  mir  baldt. 

Seitlich  von  dieser  Schrifttafel  waren  auf  diesem  Friese  zwei  Wappen 
angebracht.  Links  befand  sich  das  Wappen  der  Familie  vim  Friesheim. 
Die  Form  des  vSchildes  war  eine  einfache  Kartusche;  sie  ist  auf  Blatt  3 
neben  dem  Spruchbande  angegeben.  Das  rechts  von  der  Schrifttafel 
angebrachte  Wappen  zeigte  einen  Balken,  über  demselben  zwei  und  unter 
demselben  ein  Hermelinschwänzchen.  Dieses  Wappen  ist  bis  jetzt  noch 
nicht  entziffert  worden:  wenn  die  oben  ausgesprochene  Vermuthung  zutrifft, 
würde  es  das  Wappen  der  Familie  Amya  sein. 

Dieser  Hauptkamin  wirkte  durch  seine  schönen  Verhältnisse,  durch 
das  mächtige  Rauchfanggesinise,  worauf  grosse  Gegenstände  zur  Dekoration 
aufgestellt  werden  konnten  luul  besonders  dadurch,  dass  die  beiden  Unter- 
zugbalken der  Decke  sich  symmetrisch  zu  dem  Kamine  anordneten,  überaus 
günstig  und  harmonisch  mit  dem  Räume  zusammen. 

Der  zw^eite  Kamin  befand  sich  in  dem  Räume  D  des  Erdgeschosses. 
Dieser  zeigte  an  den  beiden  Seiten  zwei  Karyatiden,  deren  Gesammtform 
aus  zwei   übereinander  stehenden  Tonsolen   bestand,   von   denen  die  obere 

0  Vergleiche  hierzu  die  Abbildimg  auf  Blatt  3,  welche  dio  Gesammtform  dieses 
Kamines  und  die  Details  der  beiden  später  besprochenen  enthält. 


—  8  — 

den  Kopf  eines  Kriegers  trug  und  au  dereu  vordereu  Seite  i>ic!i  eiu  Akauthus- 
blatt  befand;  die  untere  Console  war  durch  Fruchtgehänge  geschmückt. 
Diese  beiden  Karyatideu  schlössen  durch  jonische  Kapitelle  nach  oben 
hin  ab,  worauf  ohne  Consolen  der  senkrecht  ansteigende  Rauchfang  ansetzte. 
Eine  flache  Eisenschiene,  die  sich  in  entsprechende  Vertiefungen  dieser 
beiden  Kapitelle  legte,  diente  als  Auflager  für  den  aus  Ziegelsteinen  auf- 
gemauerten Rauchfang.  Das  Gesimse  an  dem  unteren  Rande  desselben 
bestand  bei  diesem  Kamine  aus  Holz,  das  sich  um  den  steinernen  Kern 
herumlegte. 

Sehr  interessant  hinsichtlich  der  formalen  Ausbildung  war  der  dritte 
Kamin  im  Obergeschoss,  in  dem  über  D  gelegenen  Räume.  Die  Seiten- 
stücke desselben  zeigten  hier  zwei  liegende  schön  modellirte  Löweu^  die 
in  den  ausgestreckten  Vordertatzen  einen  in  Kar  tuschenformen  ausgebildeten 
Wappenschild  hielten.  Der  untere  Theil  der  Seitentheile  wurde  durch 
jonische  Säulchen  gebildet,  die  auf  kleinen  quadratischen  mit  Rosetten  ver- 
zierten Postamenten  standen.  Auch  bei  diesem  Kamine  war  das  Rauchfang- 
gesimse bloss  in  Holz,  ähnlich  dem  des  zuletzt  beschriebenen  Kamines,  aus- 
gebildet. Die  über  dem  Gesimse  verbleibende  geputzte  Fläche  des  Rauch- 
fanges enthielt  einen  viereckigen  profilirten  Rahmen,  der  wahrscheinlich 
für  ein  Bild  bestimmt  war. 

Dritte  Bauperiode. 

Der  grosse  Aachener  Stadtbrand  vom  Jahre  1656  hat  auch  das  Fries- 
heimsche  H^us  zu  einem  grossen  Theile  zerstört.  Von  der  Strassenfassade 
musste  die  oberste  Gesimsleiste,  sowie  das  ganze  Hauptgesimse  des  rechten 
Theiles  derselben  in  Folge  des  Brandschadens  abgetragen  werden.  Diese 
Stücke  wurden  nicht  mehr  durch  entsprechende  neue  ersetzt;  es  wurde 
vielmehr  bei  der  Wiederherstellung  des  Hauses  die  fehlende  Höhe  durch 
Backsteinmauerwerk  wieder  ausgeglichen.  Die  oberen  Theile  der  Mauern 
8 — 9  und  9 — 11  sind  bei  diesem  Brande  eingestürzt;  der  ausgekragte 
Gang  des  Obergeschosses  bei  F  mit  seiner  hölzernen  Fachwand  wurde 
ebenfalls  vernichtet.  Aber  auch  das  Innere  und  besonders  die  Kamine 
hatten  grossen  Schaden  genommen. 

Der  sofort  in  Angriff  genommene  Umbau  beschränkte  sich  aber  nicht 
auf  die  Wiederherstellung  des  Hauses  in  seinem  früheren  Umfange,  sondern 
wurde  auch  zu  einem  Erweiterungsbau.  Alle  diese  Arbeiten  sind  mit  fast 
übertriebener  Eile  bewerkstelligt  worden;  bereits  im  folgenden  Jahre  waren 
dieselben  erledigt. 

Der  Grundriss  wurde  nunmehr  vergrössert  (siehe  Blatt  1  Fig.  1)  und 
erhielt  statt  der  alten  Grenze  9—10 — 11  nun  noch  die  Erweiterung  G, 
die  durch  die  Zahlen  9—14 — 15 — 11  begrenzt  wird.  Im  Uebrigen  blieb 
wahrscheinlich  die  Anlage  der  Zimmer  genau  dieselbe;  auch  wurde  der 
alte  ausgekragte  Gang  mit  seiner  Fachwand,  wenn  auch  in  sehr  einfacher, 
fast  roher  Weise,  wieder  neu  aufgerichtet.  Dieser  Gang  wurde  nach  dem 
Hofe  zu  als  offene  Laube  ausgebildet  und  nicht  durch  Fenster  geschlossen. 


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l>ie  Gosanimtöffnung  dieser  Halle  wurde  von  aussen  durch  zierliclio«  Holz- 
werk eingerahmt:  unten  durch  eine  Brüstungsleiste,  oben  durch  ein  regel- 
rechtes Gesimse  mit  Architrav  und  Fries.  Zwei  Gruppen  von  je  drei 
gedrehten  Säulchen  mit  einfachem  geschnitzten  Kapitell  theilten  diese  ganze 
Oeffnung  in  drei  gleiche  fast  quadratische  Theile.  In  späterer  Zeit  hat 
man  diese  Säulchen  mit  Brettern  vernagelt  und  die  dazwischen  verbleibenden 
Oeffnungen  durch  Glasfenster  geschlossen.  Erst  bei  dem  Abbruche  dieses 
Theiles  kam  die  oben  beschriebene  Anordnung  der  offenen  Laube  wieder 
zum  Vorschein. 

Das  sichtbare  Fachwerk  dieses  ausgekragten  Ganges  war  gut  gezimmert, 
aber  ganz  ohne  Kunstformen  aus  unbearbeiteten  Holzstämmen  hergestellt. 
Die  Ausmauerung  der  einzelnen  Gefache  bestand  aus  unverputztem  Ziegel- 
mauerwerk, dessen  Steine  durch  kreuzweises  Gegeneinanderstellen  einfache 
geometrische  Muster  bildeten. 

Bei  diesem  Umbau  im  Jahre  1657  erhielt  das  ganze  Haus  auch  den 
noch  zur  Zeit  erhaltenen  Dachstuhl.    Da  ein  einheitliches  Dach  über  dem 
alten  Hause  und  dem  neuen  Querbau  G  zu  hoch  geworden  wäre,  so  erhielt 
der  neue  Theil  zwei   kleine  Dächer,  die  iu  das  grosse  Dach   des  Hauses 
einschnitten.    Es  wurde  daher  die  neue  Fassade  14 — 15  durch  zwei  Giebel 
bekrönt,  die  jenen  beiden  kleinen  Dächern  entsprachen.  Die  damals  getroffene 
Anordnung  ist  aus  dem  Lichtdruckbilde  auf  Blatt  3  der  Abbildungen  zu 
ersehen.    Die  neuen  Mauern  9 — 14  und  14 — 15  etc.,  sowie  die  Ergänzung 
der  alten  beim  Brand  schadhaft  gewH)rdenen  Mauern  fand  in  gutem  Ziegel- 
steinmauerwerk statt.    Die  Eingangsthür  zu  der  Haupthalle,  die  mit  ihren 
beiden  Oberlichtfenstern  erhalten  war,  erhielt  einen  neuen  korbbogenförmigen 
Entlastungsbogen   und  eine  neue  Holzthtire,  die,  in  Rahmen  und  Füllung 
kleine  Quadrate  bildend,  sich  sehr  gut  ausnahm  und  noch  bis  zum  Abbruche 
erhalten    war.     Die  Fenster    der   neuen    Hoffassaden    wurden   denen   der 
Strassenansicht  ähnlich    ausgebildet,    als   Kreuzfenster,  jedoch  war,   dem 
Geschmacke   der   Zeit  entsprechend,   der   horizontale  Kreuzbalken   etwas 
höher  gelegt,  so  dass  der  untere  Fenstertheil  erheblich  grösser  wurde  als 
der  obere. 

Die  überstehenden  Dächer  der  beiden  eben  erwähnten  Giebel  erhielten 
an  der  vorderen  Giebelkante  jene  für  diese  Zeit  in  Aachen  charakteristische 
Ausbildung  in  Form  von  zierlichen  Freibindern,  die  auf  den  äussersten 
Sparren  aufgenagelt  wurden.  Die  reich  geschnitzten  Schrägbalken  dieser 
Freibinder  waren  etwa  zwei  Meter  unter  der  Spitze  durch  je  einen  horizon- 
talen Balken  verbunden.  Die  Kanten  dieser  Hölzer  waren  nach  einem 
rythmisch  wiederkehrenden  Muster  ausgeschnitten,  die  verbleibende  Fläche 
war  vertieft  und  durch  zahnschnittähnliche  Verzierungen  belebt.  Auf  den 
beiden  horizontalen  Querbalken  stand,  entsprecliend  auf  beiden  vertheilt^, 

Anno  —  1  05  7. 

')  In  der  stuf  dem  stiidtischeu  Archiv  befindlichea  Aufnahme  vum  Stadibauamte 
stellt  1637;  der  Irrthum  wurde  durch  Vergleich  mit  dem  nach  dem  Abbruche  wieder  auf- 
gefundeneu Original  berichtigt. 


—   10  — 

An  ihrem  untern  Ende  ruhten  diese  Freibinder  auf  reich  ausgeschnittenen 
Holzconsolen,  wie  wir  solche  noch  oft  in  Aachen  sehen  können  ^ 

Bei  dem  grossen  Brande  hatte  natürlich  auch  das  Innere  des  Hauses 
sehr  stark  gelitten,  und  musste  daher  wieder  neu  ausgebaut  werden.  Die 
Kamine  und  auch  die  Mauern  worin  sich  dieselben  befanden,  müssen  nicht 
mehr  standfest  gewesen  sein;  denn  bei  dieser  Instandsetzung  wurden  an 
allen  Kaminen  seitlich  von  den  Steinkonsolen  Verstärkungen  vorgemauert. 
Diese  sind  im  Grundrisse  Fig.  1  auf  Blatt  1  zu  erkennen.  Sie  verdeckten 
zum  Theile  die  Ornamente  und  Figuren  der  seitlichen  Theile,  sodass  der 
gesammte  Aufbau  der  Kamine  in  der  Wirkung  dadurch  sehr  beeinträchtigt 
wurde.  In  diesen  Mauervorlagen  brachte  man  bei  den  beiden  Kaminen  im 
Räume  D  und  darüber  an  jeder  Seite  des  Kamines  je  zwei  kleine,  dicht 
übereinanderliegende,  tiefe  Wandschränkchen  an,  von  denen  das  unterste 
etwas  über  Tischhöhe  begann.  Während  die  eben  erwähnten  Mauer- 
verstärkungen aus  Ziegelstein  bestanden,  waren  diese  Schranknischen  in 
denselben  durch  Blausteinquader  eingefasst.  Durch  zierliche  Holzthürchen 
waren  diese  Schränkchen  abgeschlossen.  ^ 

Die  Decken  in  den  einzelnen  Zimmern  wurden  durch  schwere  schräg 
abgefaste  Unterzugbalken,  die  auf  einfachen  Consolen  ruhten,  getragen. 
Auch  bei  den  verbleibenden  Theilen  der  Decke  blieben  die  Balken  in  ihrer 
ganzen  Stärke  sichtbar,  indem  der  Verputz  um  dieselben  herumgeführt 
wurde.  An  den  Enden  wurden  sie  durcli  den  entsprechend  aufgetragenen 
Putz  halbkreisförmig  mit  einander  verbunden.  Diese  malerische  und  sehr 
wirkungsvolle  Anordnung  ist  auf  dem  einen  Lichtdruckbilde  auf  Blatt  3 
zu  erkennen. 

'  Bei  diesem  neuen  Ausbaue  des  Hauses  wurden  wahrscheinlich  auch 
die  vorher  bei  Beschreibung  der  Strassenfassade  erwähnten  schmiede- 
eisernen Korbgitter  an  den  Fenstern  der  grossen  Halle  ausgeführt.  —  So 
blieb  das  Haus  Friesheim  bis  zum  Beginne  des  folgenden  Jahrhunderts, 
Avo  es  von  den  von  Friesheim,  die  in  Aachen  um  diese  Zeit  ausstarben, 
verkauft  wurde. 

')  Es  wäre  sehr  zu  wünschen,  dass  für  die  Erhaltiinf?  der  noch  bestehenden  Giebel- 
vcrzierungen  dieser  Art  allseitig  gesorgt  werde.  Die  hübschen  stets  wechselnden  Ver- 
zierungen an  diesen  vStellen  bieten  viele  schönen  Motive.  Wie  bei  dem  oben  beschriebeneu 
Beispiele,  so  ist  fast  immer  auf  dem  horizontalen  Querbalken  dicht  unter  der  Spitze  die 
Jahreszahl  der  Ausführung  angebracht.  Ein  weiteres  für  Aachen  kennzeichnendes  Motiv 
bei  dieser  Anordnung  besteht  darin,  dass  die  meisten  (Hebel  dieser  Art  als  oberste  Bekrönung 
eine  kleine  runde  Stange  zeigen,  die  aus  den  verzierten  Hölzern  herauswächst  und  mit  einer 
kleinen  Kugel  abschliesst;  dicht  unter  dieser  Kugel  sind  zwei  kreuzweise  zu  einander 
stehende  doppelköpHge  Adler  angeordnet.  Diese  Adler,  aus  zwei  gleichen  Hälften  bestehend, 
sind  aus  diinnem  flachen  MetaUblech  ausgeschnitten  und  sitzen  wie  die  Blätter  einer 
gothischen  Kreuzblume  an  der  eben  erwähnten  Stange.  Die  weitaus  meisten  Bekrönungen 
dieser  Art  sind  verschwunden,  auch  da,  wo  der  Giebel  selbst  noch  erhalten  ist.  Zu  sehen 
ist  die  originelle  und  schöne  Anordnung  noch  an  zwei  Stellen:  1.  an  dem  Hause  Markt  und 
Ecke  Klost^rgasse,  und  2.  Romaneygasse  5  (Htthnermarktj. 


—  u  — 

Die  Einriclitung  des  Friesheinisclien   Hauses  und  seiner 

Umgebun^^  als  Armenhaus. 

Im  Jahre  1716  oder  1717  wurde  das  Friesheimsche  Haus  von  der 
Armenverwaltung  der  Stadt  Aachen  aus  den  Erträgen  einer  für  die  Grün- 
dung eines  Waisenhauses  veranstalteten  Lotterie  angekauft.  Es  geht  dieses 
aus  der  am  30.  März  1718  gethätigten  Dotationsurkunde  hervor  ^ 

Für  das  hierselbst  am  Bergdrisch  zu  errichtende  Armenhaus  wurden 
um  das  Friesheimsche  Haus  herum  umfangreiche  Neubauten  gemacht, 
ausserdem  erfuhr  aber  auch  das  Haus  selbst  im  Innern  einige  Umänderungen. 

Aus  dem  auf  Blatt  1  Fig.  2  mitgetheilten  Grundrisse  ist  diese  Bau- 
thätigkeit  zu  ersehen  und  in  der  angegebenen  Weise  durch  verschiedene 
Schraffirung  der  einzelnen  Mauern  kenntlich  gemacht.  Es  handelt  sich 
zunächst  um  die  Neubauten  H,  I,  K  und  L.  Der  Bautheil  H  erstreckte 
sich  bis  an  die  Giebelmauer  5 — 0  des  alten  Friesheimschen  Hauses  heran, 
und  war  von  dem  Bautheile  I  in  dem  Erdgeschosse  durch  eine  Einfahrt, 
die  den  Haupteingang  zum  Armenhaus  bildete,  getrennt.  Der  Bautheil  I 
enthielt  die  Kirche;  das  östliche  Ende  des  150  qm  grossen  Kirchen- 
raumes enthielt  den  quadratischen  Chor  und  rechts  und  links  von  dem- 
selben kleine  Sakristeiräume,  von  denen  der  eine  direkt  von  der  Strasse 
aus  zugänglich  war. 

Der  Eingang  zur  Kirche  fand  nur  von  der  Anstalt  selbst  aus  statt 
und  zwar  vom  Hofe  aus,  an  der  damals  noch  nicht  bebauten  Längswand 
bei  R  und  S. 

Der  ebenfalls  um  diese  Zeit  neuerbaute  Theil  K  war  zur  Aufnahme 
der  armen  Mädchen,  derjenige  bei  L  für  die  Knaben  bestimmt.  Bei  Q 
befand  sich  der  ziemlich  ausgedehnte  (5 tuten  des  Armenhauses. 

Was  die  Umänderungen  an  dem  früheren  Friesheimschen  Hause 
selbst  betrifft,  so  wurde  zunächst  der  alte  Eingang  in  der  Mauer  3—4 
in  der  oben  beschriebenen  Weise  vermauert.  Die  neuen  Zugänge  zu  der 
Anstalt  befanden  sich  bei  M  und  N.  Ausserdem  wurden  die  Wände  8 — 13, 
16 — 17,  10 — 17,  18—19  und  20 — 21  neu  eingebaut,  und  damit  eine  Ver- 
bindung des  alten  Hauses  mit  dem  neuen  Bautheile  K  hergestellt. 

So  blieb  der  bauliche  Bestand  bis  zum  Jahre  1771.  Als  1768  in 
Folge  eines  Testamentes  vom  23.  März  der  verstorbenen  Anna  Herwartz- 
in  dieses  Waisenhaus  auch  Hausarme  aufgenommen  werden  sollten,  waren 
die  bestehenden  Räumlichkeiten  nicht  mehr  gross  genug.  Es  wurde  eine 
Erweiterung  durch  den  Neubau  eines  Querhauses  0  pr(>jektirt  und  nach 
vielen  Vorschlägen  in  der  auf  Grundriss  Fig.  2  bei  0  angegebenen  Weise 
ausgeführt.  Mit  dieser  Erweiterung  wurde  der  damalige  Stadtarchitekt 
und  Sekretär  Jakob  ('ouven  beauftragt.    Couven  arbeitete  im  Ganzen  vier 

')  Vgl.  Salm,  Histor.  Darstenuiij;  des  Armciiwesens  der  Stadt  Aachen,  1870,  S.  55  und 
die  Chronik  des  Aachener  Notars  Johann  Adam  Weinandts :  Zeitschrift  des  Aachener  (loschichts- 
vereius  XVI,  S.    164;  hiernach  wurde  das   Haus  für  ,,3000  spcc.  Pattacons"  anj^ekanft. 

*)  Salm  a.  a.  0.  S.  58  und  139. 


—   12  — 

verscliietUjiio  rrojektc  aiiji.  Aus  den  dazu  gemachten  noch  erhaltenen 
Zeichnungen  lässt  sich  auch  der  bauliche  Zustand  der  übrigen  zum  Armen- 
haus gehörigen  Gebäude,  wie  sie  seit  1717  entstanden,  genau  ersehen. 
Die  ersten  Projekte  Couvens  waren  bedeutend  umfangreicher,  als  die 
späteren.  Anfangs  sollte  der  ältere  Bau  L  ganz  fallen  und  der  Neubau 
die  ganze  Länge  von  R  bis  L  einnehmen  und  auch  noch  in  der  Richtung 
nach  T  bis  zur  Grenze  seine  Fortsetzung  finden.  Der  schliesslich  nach 
1771  zur  Ausführung  kommende  und  1774  fertige  Bau  umfasste  den  durch 
0  bezeichneten  Theil.  Derselbe  enthielt  bei  R  den  grossen  Speisesaal,  der 
direkt  mit  der  daneben  liegenden  Kirche  durch  eine  grosse  Oeffnung  in 
Verbindung  stand. 

In  Folge  des  stetigen  Anwachsens  der  aufzunehmenden  Zöglinge  und 
durch  die  Verbindung  des  Waisen-Kinderhauses  in  der  Wirichs- 
bongardstrasse  mit  dem  in  Rede  stehenden  Armenhause  am  Bergdrisch 
wurden  nach  1807  von  Neuem  Erweiterungen  und  Umbauten  nöthig.  Diese 
erstreckten  sich  auf  die  Bautheile  H,  I  und  K. 

Die  alte  Kirche  war  zu  klein  geworden  und  wurde  daher  in  fast 
doppelter  Ausdehnung  neu  errichtet.  Der  Neubau  nahm  fast  dieselbe  Stelle 
wie  die  alte  Kirche  ein,  und  war  begrenzt  durch  die  Buchstaben  U,  V, 
W,  X.    Er  erhielt  eine  halbkreisförmige  Apsis  (N)  als  Chor. 

Der  Bautheil  K  wurde  in  der  im  Grundriss  angegebenen  Weise  ver- 
grössert  und  dadurch  mit  L  verbunden. 

Der  Bautheil  Hi  wurde  theilweise  niedergelegt  und  nun  hierhin  der 
Haupteingang  mit  den  Zimmern  des  Pförtners  verlegt.  Es  war  dieses  das 
Thor,  das  noch  zur  Zeit  bestand  und  den  Zugang  zu  dem  alten  Fries- 
h^imschen  Hause  vermittelte. 

Die  Zahl  der  Pflegebefohlenen  vermehrte  sich  aber  so  sehr,  dass  in 
den  vierziger  Jahren  an  eine  Verlegung  des  Armenhauses  behufs  mög- 
lichster Vergrösserung  gedacht  werden  musste.  1844  kaufte  daher  die 
Armenverwajtung  das  alte  Emundtsehe  Haus  in  der  Pontstrassc  oberhalb 
des  Josephinischen  Instituts,  und  richtete  dieses  als  Waisenhaus  ein^ 

Das  alte  Waisenhaus  am  Bergdrisch  mit  seiner  Umgebung  wurde 
nun  zu  Schulzwecken  für  die  Schulen  der  Pfarre  St.  Nikolaus  umgebaut. 
Das  alte  eigentliche  Friesheimsche  Haus-  und  der  1774  gebaute  Theil  O 
wurden  als  Lehrervvohnung  eingerichtet,  während  die  übrigen  Bauten, 
speziell  auch  die  Kirche,  durch  Einbauen  entsprechender  Zwischenwände 
zu  Schulräumen  umgebaut  wurden. 

Der  alte  Kirchenraum  wurde  bei  diesem  Umbau  zweigeschossig,  durch 
Einlage  einer  neuen  Zwischendecke.    Das  neue  Obergeschoss  wurde  durch 

')  Im  Monat  August  und  September  des  vergangenen  Jahres  ist  auch  dieses  inter- 
essante Haus  gleichzeitig  mit  den  anderen  Häusern  des  Josephinischen  Instituts,  die  nach 
der  Strasse  zu  lagen,  abgerissen  worden. 

^)  Der  Kaum  ('  (2  -H— 8  13)  blieb  noch  bis  IS*)!)  als  ArmenkUche  bestehen.  Hier 
konnten  die  Armen  gegen  Karti'n  Suppe  erhalten,  die  ihnen  durch  ein  in  der  Wand  3  8 
angebrachtes  Fensterchen  gereicht  wurde.  Mit  dem  Kamin  in  diesem  Räume  war  bis  zu 
diesei  Zeit  ein  grosser  Kessel  fest  vermauert. 


—   13  — 

eine  Wendeltreppe,  die  man  in  die  runde  Chornische  X  verlebte,  zn<ränff- 
lich  gemacht.  Die  Anlage  der  früheren  Kirche  mit  dieser  runden  Chor- 
apsis  war  noch  bis  zum  Abbniche  deutlich  zu  erkennen  *. 

Heute  ist  der  ganze  Baukoraplex  bereits  dem  Boden  gleichgemacht. 
Wenn  auch  die  zuletzt  besprochenen  Neubauten  um  das  alte  Friesheimsche 
Haus  herum  keinen  kunstgeschichtlichen  Werth  besassen,  indem  dieselben 
in  einfachster  Weise  in  Ziegelsteinmauerwerk  nur  als  Nutzbauten  herge- 
richtet waren,  so  gilt  dies  doch  nicht  von  dem  Friesheimsclien  Hause  selbst. 
Dieses  alte  Patrizierhaus  bot  noch  in  unsern  Tagen,  trotz  seiner  vielfachen 
Verstünmielung  durch  unschöne  Einbauten  und  trotz  des  eiufiirmigen 
Anstriches  der  Hoffassaden  einen  höchst  malerischen  und  anheimelnden 
Gesammteindruck. 

War  es  schon  die  stattliche  noch  ziemlich  gut  erhaltene  Strassen- 
fassade,  die  auch  die  Aufmerksamkeit  des  Laien  noch  auf  sich  zog.  so 
steigerte  sich  die  Freude  und  Ueberraschung  des  Beschauers,  wenn  er  den 
malerischen  Hof  und  das  Innere  des  Hauses  betrat.  Hier  boten  sich  ihm 
eine  Menge  schöner  Eindrücke.  Wer  unseren  Beschreibungen  gefolgt  ist, 
wird  sich  danach  schon  selbst  ausgemalt  haben,  wie  schön  in  früheren 
Zeiten  dieses  Haus  gewesen  ist,  wer  aber  an  Ort  und  Stelle  das  Haus 
gesehen  hat  und  genauer  zu  sehen  vermochte,  wer  die  allenthalben  ange- 
brachten modernen  Zuthaten  sich  hinwegdachte  und  die  allgemeine  weisse 
Tünche  der  inneren  Fassaden  sich  in  Gedanken  mit  den  lebhaften  Farben 
der  Materialien,  des  weisslichen  Blausteins,  der  dunkelrothen  Ziegelsteine 
und  der  saftig  braunen  Holztöne  zu  vertauschen  verstand,  dem  entstand 
auch  bei  dem  jetzigen  Zustande  des  Hauses  noch  ein  sehr  malerisches 
stinmiungsvolles  Bild,  das  wohl  geeignet  war,  eine  Vorstellung  von  der 
Bauweise  längst  vergangener  Zeiten  zu  geben. 

Die  auf  dem  Lichtdrnckbilde  Blatt  3  mitgetheilte  Hofansicht  entspricht 
genau  dem  letzten  Zustande.  Dasselbe  gilt  von  der  darüber  angebrachten 
Zimmeransicht,  worin  die  grosse  Halle  C  zur  Darstellung  gekommen  ist. 
Und  nicht  zum  wenigsten  waren  es  eben  diese  Innenräume,  die  auch  zuletzt 
noch  einen  sehr  einladenden  malerischen  Eindruck  machten.  Die  plastischen 
freilich  stark  verbauten  Kamine  mit  ihren  weit  vorstehenden  und  zur  Auf- 
stellung der  verschiedensten  Gegenständen  einladenden  Gesimsen,  dann 
die  durch  die  schweren  Unterzugbalken  getragenen  Decken,  deren  sichtbar 
gelassene  Balken  einen  lebhaften  Wechsel  zwischen  Licht  und  Schatten 
hervorriefen,  und  schliesslich  die  malerischen  Kreuzfenster  mit  ihren  kleinen 
viereckigen  grünlichen  Scheiben,  die  ein  stimmungsvolles  Licht  durch  den 
ganzen  Raum  verbreiteten,  —  alles  dies  wirkte  trotz  der  Einfachheit  des 
Einzelnen  zu  einem  sehr  harmonischen  Gesammtbilde  zusammen,  das  wir 
in  unsern  modernen  Wohnräumen  bei  allem  Formenluxus  so  oft  vermissen. 

Zum  Schlüsse  möchten  wir  noch  einen  Wunsch  aussprechen.  Mögen 
Alle  für  die  Erhaltung  der  alten  Baudenkmale  mit  ganzen  Kräften  zur 

^)  Beim  Abbruche  dieser  Bauten  fanden  sich  in  dem  runden  Treppenhause  (dem 
früheren  Chor)  noch  Reste  von  Malerei. 


—  14  — 

rechten  Zeit  eintreten.  Auch  die  einfachsten,  scheinbar  werthlosen  Werke 
müssen  wir  beachten.  Nichts  ist  so  verderblich,  als  die  oft  in  solchen 
Fällen  vertretene  Ansicht,  dass  nur  Werke  von  entschieden  künstlerischem 
Werthe  der  Erhaltung  und  Beachtung  würdig  seien.  Grade  aus  der  Summe 
vieler,  scheinbar  nutzloser  und  einfacher  Einzelgegenstände  kann  sich  ein 
Gesanuntbild  erzeugen,  dessen  Werth  von  Niemanden  mehr  bestritten 
werden  wird. 

Wo  aber  die  P^rhaltung  selbst  unthunlich  oder  unmöglich  ist,  da  muss 
zeitig  dafür  gesorgt  werden,  dass  durch  eine  eingehende  alles  umfassende 
Beschreibung  und  bildliche  Darstellung  wenigstens  das  Bild  des  betreffenden 
Denkmals  der  Nachwelt  erhalten  bleibe. 


Ein  merkwürdiger  Fund. 

(Briefe  Davouts  an  Napoleon  I.) 

Von  K.  Wacker. 

Ein  seltsamer  Zufall  hat  in  Aachen  zur  Entdeckung  von  Schriften 
geführt,  deren  Inhalt  für  die  Geschichte  des  Kriegsjahres  1813  nicht  ohne 
Bedeutung  ist.  Herr  Gewerbeschul-Direktor  Spennrath  hatte  seit  Jahren 
eine  fast  unbeachtet  gelassene,  in  Berlin  i.  J.  1802  erschienene  Duodez- 
Ausgabe  der  „Jungfrau  von  Orleans"  in  seiner  Bibliothek.  Wann  und 
wo  er  dieselbe  gekauft  hat,  weiss  er  nicht  mehr  anzugeben;  soviel  jedoch 
kann  er  feststellen,  dass  er  sie  erworben  hat  seit  seiner  i.  J.  1875  erfolgten 
Niederlassung  in  Aachen.  Das  Büchlein  war  in  Halbfranz  gebunden  und 
hatte  ziemlich  starke,  aus  Pappe  gearbeitete  Einbanddeckel.  Als  es  eines 
Tages,  auf  der  Fensterbank  liegend,  vom  Regen  durchnässt  und  darauf 
wieder  getrocknet  wurde,  brach  das  der  innern  Seite  einer  Einbanddecke 
aufgeklebte  weisse  Papier  auf  und  aus  dem  Riss  traten  eng. beschriebene 
Papierstücke  zum  Vorschein.  Als  man  nun  auch  die  andere  noch  nicht 
aufgerissene  Einbanddecke  aufbrach,  fand  man  hier  gleiche  Schriftstücke: 
im  ganzen  waren  es  fünf  Briefe,  drei  fast  ganz  chiffrierte,  zwei  in  gewöhn- 
licher Cursivschrift.  —  Ihrem  Inhalte  nach  enthalten  die  gefundenen  Blätter 
einen  Bericht  Davouts,  des  Herzogs  von  Auerstaedt,  Fürsten  von  Eckmülil, 
an  Napoleon  I.  aus  Hamburg  vom  4.  Dezember  1813,  als  Beilagen  dazu 
die  Duplikate  zweier  älterer  Berichte  vom  16.  und  19.  November  1813 
und  eines  undatierten  Briefes,  sowie  die  Abschrift  eines  Schreibens  des 
französischen  Gesandten  in  Copenhagen,  des  Barons  d'Alquier,  an  Davout 
vom  30.  November  1813. 

Der  Marschall  Davout  wurde  nach  Ablauf  des  zehnwöcheutlichen 
Waffenstillstandes  im  August  1813  von  seinem  kaiserlichen  Herrn  beauf- 
tragt, die  von  der  grossen  Napoleonischen  Armee  gegen  Berlin  zu  unter- 
nehmenden kriegerischen  Operationen  von  Norden  her  auf  das  kräftigste 
zu  unterstützen.  Er  brach  am  17.  August  von  Hamburg  auf  und  rückte 
ins  Mecklenburgische  vor,  wo  ihm  eine  feindliche  Heeresabteilung  unter 
Wallmoden- Gimborn  gegenüberstand.     Zu  grösseren  Unternehmungen  kam 


—  15  — 

es  auf  diesem  Teile  des  Kriegsschauplatzes  nicht.  Oudinot  unterlag  bei 
Grossbeeren  (22.  August)  seinen  Gegnern  und  Davout  begann  am  2.  Sep- 
tember den  Rückzug  auf  die  Stecknitz,  wo  er  unthätig  verharrte,  bis  ihn  nach 
Zertrümmerung  des  französischen  Hauptheeres  bei  Leipzig  am  9.  November 
ein  Befehl  seines  kaiserlichen  Herrn  erreiclite,  —  es  war  der  erste  seit 
dem  18.  August  —  demgemäss  er  sich  auf  Holland  zurückziehen  oder, 
wenn  dies  nicht  mehr  ausführbar  sei,  auf  Hamburg  zu  manövrieren  sollte. 
Ersteres  schien  ihm  unmöglich.  So  rückte  er  denn  unter  Räumung  der 
an  der  Stecknitz  eingenommenen  Stellung  auf  Hamburg  los,  wo  er  am 
3.  Dezember  nach  fast  viennonatlicher  Abwesenheit  wieder  anlangte. 

Tags  darauf  berichtete  er  seinem  Kaiser  in  einem  längeren  Schreiben 
über  die  jüngsten  kriegerischen  Ereignisse.  Drei  ältere  Berichte,  von  denen 
zwei  ausdrücklich  als  „Duplicata^  bezeichnet  sind,  fügte  er  bei  und  unter- 
zeichnete eigenhändig  mit  „Prince  d'Eckmuhl'*.  Diese  Schriftstücke  erhielten 
mit  der  Kopie  eines  Alquierschen  Briefes  ein  klug  erdachtes  Versteck  im 
Einband  eines  Buches.  Dem  Geschick  der  meisten  früheren  Brijofe  Davouts 
sollten  auch  sie  nicht  entgehen  —  sie  gelangten  nicht  ans  Ziel.  Achtzig  Jahre 
in  ihrem  Versteck  verborgen  sind  sie  in  Aachen  wieder  ans  Licht  gezogen. 

Der  Inhalt  der  Briefe  hat  natürlich  mit  der  Geschichte  Aachens  nichts 
zu  thuen.  Sie  enthalten  in  ihren  nicht  chiffrierten  Teilen  N?ichrichten  über 
Ereignisse  auf  dem  nördlichen  Kriegsschauplatze  und  die  Operationen  in 
und  um  Hamburg.  Hieraus  lässt  sich  der  Inhalt  der  chiflFrierten  Teile 
ungefähr  vermuten.  Ich  habe  die  verschiedensten  Wejge  eingeschlagen, 
um  zur  EntziflFerung  der  Briefe  zu  gelangen  —  leider  vergeblich.  Das 
erste  Heft  des  laufenden  Jahrgangs  der  historischen  Zeitschrift  der  Görres- 
Gesellschaft  enthält  einen  aus  meiner  Feder  stammenden  Aufsatz  über  den 
Fund  mit  einem  Abdruck  der  entdeckten  Briefe  und  mit  näherem  Bericht 
über  die  von  mir  zum  Zwecke  der  Entzifferung  geth(inen  Schritte. 

Das  Schicksal  des  Überbringers  sich  auszumalon  mag  der  Phantasie 
eines  jeden  überlassen  sein.  Ist  Davouts  Vertrauensmann  erkannt,  ver- 
haftet, durch  die  Feinde  oder  durch  ein  Unglück  pms  Leben  gekommen? 
Ist  er  vor  oder  nach  der  Besetzung  Aachens  durch  die  Verbündeten  dort 
angelangt?  Hat  er  in  letzterem  Falle  daran  verzweifelt,  durch  die  Kriegs- 
linie der  Alliierten  hindurchkommen  zu  können?  Hat  sich  seine  Reise  in 
jenen  kriegerischen  Zeiten  so  sehr  verzögert,  dass  er  in  Aachen  von  den 
Niederlagen  Napoleons  im  Februar  und  März  1814  oder  gar  von  seiner 
Absetzung  hörte?  War  der  Überbringer  so  wenig  neugierig,  dass  er  die 
Briefe  nicht  lesen  wollte,  als  er  den  Entschluss  gefasst  hatte,  seinen  Weg 
nicht  weiter  zu  verfolgen?  Wusste  er  vielleicht  selbst  nicht,  was  das 
Buch  enthielt?  Letztere  Annahmen  sind  nur  wenig  wahrscheinlich,  und 
wenn  es  mir  gestattet  ist,  eine  Vermutimg  auszusprechen,  so  ist  es  die 
dass  der  Überbringer  in  Aachen  seinen  Tod  gefunden  und  das  Geheimnis 
in  sein  Grab  mitgenommen  hat. 

Herr  Direktor  Spennrath  hat  die  Briefe  samt  dem  Buche,  in  dem 
sie  so  lange  geborgen  waren,  dem  Aachener  Stadtarchiv  geschenkt. 


—  16  — 

Kleinere  Mittheilungen. 

Die  Servielsburg  als  Korrektionshaus. 

Die  Servielsburg,  von  der  Nopp  (Aaeher  Chronick,  Ausg.  von  1643,  S.  75)  berichtet, 
(iass  der  Rath  sie  „jetzo  zu  Behafif  deren,  so  mit  der  abschewlichen  Kranckheit  der  Pesti- 
lentz  behaiftet,  auff  gegenwärtige  Form  gebawet"  \  wurde  im  Anfange  des  18.  Jahrhunderts 
als  Korrektions  haus  zur  Vollziehung  solcher  Disciplinarstrafen  verwendet,  welche  gegen 
die  im  Armenhaus  untergebrachten  Personen  verhängt  wurden,  die  den  Anordnungen  des 
Raths  nicht  nachlebten.  Dieses  besagt  eine  Verordnung  vom  24.  April  1719,  welche  in  den 
Beamten-Protokollen  mitgetheilt  wird  und  also  lautet:  „Dan  sollen  die  armen,  so  eines 
ehrbaren  raths  Verordnungen  zu  geborgen  unwillig,  auf  die  also  genante  Seruilsburg  auss 
ihrer  im  arraenhauß  genießender  gelt  allmoß  in  Waßer  und  brod  zur  correction  gebracht 
und  alMa  aufbehalten  werden." 

Aftchen.  Schollen. 


Die  Neubedachnng  des  Marschierthores. 

Die  vor  wenigen  Jahren  seitens  der  Vorstände  der  beiden  hierorts  bestehenden 
Geschichtsvereiuc  an  die  Stadtverwaltung  gerichtete  Bitte  um  Wiederherstellung  der 
beiden  mittelalterlichen  Thorburgen  Marschierthor  und  Pontthor  in  ihren  ursprünglichen 
Zustand  ist  bezüglich  der  Aussen-Restauration  des  Marschierthores  bereits  erfüllt  worden. 
Nachdem  schon  früher  die  gewaltigen  Umfassungsmauern  neu  ausgefugt  worden  waren, 
hat  man  im  vorigen  Jahre  die  Neubedachung  des  Thores  in  Angriff  genommen  und  nach 
den  Plänen  des  Stadtbauamtes  stilgerecht  ausgeführt.  Der  aus  massiven  Etchenstämmen 
gezimmerte  Dachstuhl,  welcher  den  grossen  Stadtbrand  vom  Jahre  1656  überdauert  hatte, 
bedurfte  nur  einer  verhältnissmässig  geringen  Reparatur;  dagegen  war  die  Bedachung 
selbst  im  Laufe  der  Zeit  äusserst  defekt  geworden  und  zudem  ihres  ornamentalen  Schmuckes 
gänzlich  verlustig  gegangen.  Der  zierliche  Dachreiter  und  die  Fensterlueken,  welche  uns 
auf  alten  Stadtansichten  noch  erhalten  sind,  waren  völlig  verschwunden.  Glücklicherweise 
war  in  dem  Dachstuhl  der  sechsseitige  Ansatz  des  ehemaligen  Thürrachens  noch  vor- 
handen und  damit  die  primitive  Wiederherstellung  wesentlich  erleichtert.  Ferner  fanden 
sich  auf  der  Seite  des  Dachstuhls,  welche  der  Stadt  zugekehrt  ist,  noch  Spuren  einer  ehe- 
dem dort  angebrachten  Hebevorrichtung,  die  ebenfalls  rekonstruirt  worden  ist  und  leicht 
praktischen  Zwecken  dienstbar  gemacht  werden  kann.  Und  so  ist  es  uns  heut^  wieder 
vergönnt,  das  Marschierthor  wenigstens  seinem  Hauptbestandtheile  nach  in  jener  ursprüng- 
lichen imponirenden  Gestalt  zu  schauen,  welche  ihm  das  ausgehende  vierzehnte  Jahrhundert 
gegeben  und  welche  sich  unversehrt  erhalten  hatte  bis  zu  den  Tagen  des  grossen  Stadt- 
brandes um  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts.  Möchte  nun  auch  ])ald  dor  andere  Zeuge  der 
grossen  Vergangenheit  unserer  Vaterstadt,  das  Pontthor,  an  die  Reihe  kommen  und  in 
seiner  ursprünglichen  Gestalt  und  Schönheit  vor  unsern  Augen  erstehen. 

Aachen.  Schnöd'. 

>)  Uober  die  Verweiiduug  dfi*  Servielsburj^  als  Spital  vgl.  Qu  ix,  Histor.-topogr.  BesclireiUun^ 
d.  St.  Aachen  S.  71 ;  H  aagi'  n ,  Geschieht«*  Achon«  J,  S.  271,  Anm.  und  Zeitschrift  des  Aachener  Qcschichts- 
vereins  I,  S.  50. 

Verlag  der  Cremer'schen  Bnchhandlung  (C.  Cazin)  in  Aachen. 

Leben  und  Werke  des  Aachener  (Jescliiclitssetireibei^  (liristian  (}ui.\. 

Von  Dr.  C.  WACKEK. 

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4  Mark.  in  Aachen. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Im  Auftrage  des  Vereins  heransgegebea  von  H.  Sohnoek. 

Nr.  2/4.  Achter  Jahrgang.  1895. 


'.  J.  OrosB,  Reinard  von  Schünau,  der  erste  Herr  v 


Keinard  von  Schönau,  der  erste  Herr  von  Schönforst. 

Von  H.  J.  Gros«. 

Der  Mann,  dessen  Lebensbild  auf  den  folgenden  Blättern  gczeiclinet 
werden  soll,  ist  eine  der  interessantesten  Erscheinungen  des  14.  .Jahr- 
hunderts im  Gebiete  der  Maas  und  des  Niederrheins. 

Adel  der  Geburt  vereinigt  sich  bei  ihm  mit  wissenschaftlicher  Bildung, 
ritterliche  Tapferkeit  mit  kaufmännischer  Gewandtheit,  staatsmäniiische 
Klugheit  mit  beispiellosem  Glücke. 

Scharfen  Blickes  die  günstige  Gelegenheit  erspähend,  kräftigen  Griffes 
sie  fassend,  bringt  Keinard  sich  vorwärts.  Wenn  er  als  Jüngling  nicht  genug 
besass  um  ein  Pferd  halten  zu  können,  so  verfügt  er  als  Mann  über  reichen 
Besitz  und  vermag  hohe  Würden,  ja  selbst  die  Königskrone  dem  zu  ver- 
schaffen, der  die  Leitung  der  Geschäfte  in  seine  geschickten  Hände  legt. 

Nachdem  Keinard  Jahrzehnte  lang  eine  grosse  Rolle  in  der  Welt 
gespielt,  auf  geistliche  und  weltliche  Fürsten  mächtigen  Eiufluss  ausgeübt, 
sich  unter  die  Grossen  des  Reiches  aufgeschwungen,  ein  ungeheueres  Ver- 
mögen gesammelt  und  zu  alledem  reiches  FamilienglUck  genossen  hat:  da 
wendet  das  launische  Glück  auch  ihm,  dem  verhätschelten  Schosskinde, 
den  Röcken.  Was  die  Welt  ihm  geboten  an  Ehre  und  Macht  zerrinnt 
seiner  flüchtigen  Natur  nach  in  Reinards  Händen;  ^binc  apicem  rapax 
Fortuna  cum  Stridore  acuto  Sustulit."  Aber  die  Religion  reicht  dem  ge- 
stürzten Günstlinge  so  vieler  Fürsten  die  rettende  Rechte;  der  Glaube  des 
Christen,  vielleicht  eine  Zeit  lang  begraben  unter  dem  AVuste  zeitlicher 
Sorgen  und  Erfolge,  ersteht  in  voller  Stärke  und  wahrt  Reinard  vor  Ver- 
zweiflung. Der  weltmüde  Greis  flieht  nach  Rhodus  um  dort  seine  letzten 
Lebenstage  dem  höchsten  Herrn  zu  weihen  und  „faire  p^nitencc  de  ses 
pfichez",  wie  Hemricourt  sehr  schön  sagt. 


—  18  — 

So  ist  Reinard  von  Schönau  eine  Persönlichkeit  gewesen,  welche  die 
Aufmerksamkeit  der  Zeitgenossen  in  hohem  Masse  erregte;  davon  legt 
Hemricourts  „Miroir  des  nobles  de  Hasbaye"  ^  sprechendes  Zeugniss  ab. 

Lange  war  Reinard  vergessen,  die  Neuzeit  hat  sich  wieder  mit  ihm 
beschäftigt.  Damberger  erwähnt  ihn,  vermuthet  aber  in  ihm  einen  gewöhn- 
lichen Wechsler  ^  Dr.  Hansen  machte  unter  Hinweisung  auf  Lacomblet 
und  andere  Schriftsteller  auf  Reinard  aufmerksam  ^  Franquinet  brachte 
in  seinem  Schriftchen  „Les  Schoonvorst**  *,  dessen  grösster  Theil  Reinard 
gewidmet  ist,  sehr  wichtige  Urkunden  über  ihn.  Aber  dieser  Schriftsteller 
und  ebenso  der  neueste  Biograph  Reinards,  Baron  J.  de  Chestret  de  Haneflfe^, 
haben  sich  meines  Erachtens  zu  sehr  von  Hemricourts  leichtgläubiger  Er- 
zählung beeinflussen  lassen  und  darum  den  Charakter  Reinards  in  zu 
ungünstiges  Licht  gestellt.  Das  ist  der  Hauptgrund,  der  mich  bestimmte, 
der  Persönlichkeit  dieses  Mannes,  den  ich  sonst  in  der  Geschichte  Schönaus 
nur  nebenher  berührt  haben  würde,  eine  besondere  Abhandlung  zu  widmen. 
Ich  glaubte  meinem  quasi  Landsmanne  wenigstens  den  Versuch  einer  Ehren- 
rettung schuldig  zu  sein. 

Die  Schrift  des  Herrn  de  Chestret,  welche  reiches  Material  enthält, 
sowie  den  Reinard  betreffenden  Bogen  aus  dem  Werke  des  Herrn  Chevalier 
de  Borman  „Les  echövins  de  la  sou veraine  justice  de  Liöge**  verdanke  ich 
der  freundlichen  Vermittelung  des  Herrn  Baron  L6on  de  Pitteurs,  Mitglied 
des  belgischen  Senats. 

Herr  Stadtarchivar  Dr.  Hansen  hat  durch  gütige  Mittheilungen  und 
Zusendungen  aus  dem  Kölner  Stadtarchive  vorliegende  Arbeit  wesentlich 
unterstützt,  Herr  Geheimer  Archivrath  Dr.  Harless  die  bezüglichen  Urkunden 
und  Litteralien  des  Düsseldorfer  Staatsarchivs  freundlichst  zur  Benutzung 
bereit  gestellt. 

Diesen  Herren  sowie  allen,  welche  mir  irgendwie  behülflich  gewesen 
sind,  spreche  ich  hiermit  herzlichsten  Dank  aus. 

Andere  Werke,  welche  ich  benutzt  habe,  ergeben  sich  aus  dem  Texte. 

L    Reinards  Abstammung  und  Jugend. 

Reinard  führt  seinen  Familiennamen  von  dem  bei  Richterich  in  der 
Nähe  Aachens  gelegenen  uralten  herrschaftlichen  Sitze  Schönau.  Die  Burg 
war,  wie  in  der  Geschichte  derselben  gezeigt  werden  soll,  der  Sal-  oder 
Herrenhof  des  praedium  Richterich,  eines  AUodialbesitzes  der  Aachener 
Pfalzgrafen.  Während  das  praedium  seinen  allodialen  Charakter  mit  dem 
Aussterben  des  pfalzgräflichen  Geschlechtes  bereits  im  Jahre  1140  verlor 
und   nach   mannigfachen   Schicksalen    schliesslich    zur  jülichschen   Unter- 


*)  Ich  benutzte  vor  Jahren  ein  altes  Exemplar  der  Aachener  Stadtbibliothek;  Ort 
und  Jahr  des  Dioickes  habe  ich  leider  nicht  yermerkt. 
*)  Synchronist.  Gesch.  XIV,  S.  840. 

')  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  VI,  S.  96,  Anm.  2. 
*)  Rurcmunde,  J.  J.  Komen.     1874. 
*)  Rcuard  de  Schönau,  sire  de  Schooiivorst,  Hruxelk's,  F.  Hnycz.     1802. 


—  19  — 

herrschaft  Heiden  wurde  \  behauptete  der  Herrenhof  seine  Selbständigkeit 
mit  einer  Zähigkeit,  die  einer  wichtigem  Sache  würdig  gewesen  wäre. 

Haus  Schönau  gab  einer  Familie  den  Namen,  welche  nach  Hemricourt 
aus  der  Hazedalschen  Linie  der  Limburger  stammte  und  deren  Ahnherr 
Heyneman  d'Aix  (um  1240)  gewesen  sein  soll.  Ob  dem  so  ist  und  nament- 
lich ob  dieser  Heyneman  dem  Geschlechte  jeuer  d'Aix  (Aquenses)  angehört 
hat,  welche  im  12.  und  13.  Jahrliundert  eine  grosse  Rolle  als  kaiserliche 
Beamte  auch  in  Aachen  gespielt  haben  2,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Bis  zur  Aufhellung  der  durchaus  unklaren  ältesten  Geschichte  der 
Schönauer  muss  man  sich  mit  dem  begnügen,  was  heute  als  geschichtlich 
feststehend  angenommen  wird.  Danach  hatte  der  genannte  Heyneman* 
mit  seiner  Frau,  der  Dame  von  Bretonbour-Warfus6e,  drei  Söhne:  Heinrich, 
Easo  I.  und  Arnold.  Von  Raso  I.  stammen  Raso  IL,  Gerard,  Johann  und 
Adelheid.  Der  Erstgenannte  war  Herr  zu  Schönau  und  Uelpich;  seine 
Frau,  welche  Hemricourt  als  eine  Schwester  Gerards  du  Jardin  bezeichnet, 
stammte  aus  dem  Geschlechte  der  Bongart,  welche  den  Sparren  im  Wappen 
führen*.  Der  Ehe  entsprossen  sechs  Söhne  und  zwei  Töchter:  Johann, 
später  Herr  von  Uelpich,  Amelius  Mascereil,  in  der  Folge  Abt  von  St.  Trond 


*)  Vgl.  Zeitscbrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  V,  S.  112. 

*)  Loersch,  Achener  Rechts-Denkmälcr  S.  273  f. 

')  Hemricourt  gibt  demselben  bereits  den  Zunamen  „Schönforsf*.  Das  ist  unrichtig. 
Heyneman  kann  sich  gar  nicht  Schön for st  sondern  nur  SchOnau  genannt  haben,  denn 
erstere  Herrschaft  ist,  wie  wir  sehen  werden,  erst  unter  unserm  Reinard  entstanden. 
Wahrscheinlich  hat  Hemricourt  diesen  Titel,  den  Reinard  nach  1348  gewöhnlich  führte, 
irrthilmlich  schon  auf  dessen  Urgrossvater  über  tragen. 

*)  Diese  Ansicht,  welche  schon  v.  Oidtman  (Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts- 
vereins VIII,  S.  210,  Anm.  1)  ausgesprochen  hat,  wird  bewiesen  durch  die  Thatsache,  dass 
Reinard  in  seinem  ersten  Siegel  (siehe  die  Wappentafel  bei  de  Chestret)  als  Nebenabzeichen 
den  Bongartschen  Sparren  ftlhrt.  Dieses  Siegel  ist  sehr  bedeutsam.  Dasselbe  ist  halbirt 
und  zeigt  rechts  zwei  übereinanderstchcnde,  mit  dem  Kinn  sich  berührende  bärtige  Masken, 
deren  obere  ein  Stirnband  mit  herabhängenden  Enden  trägt.  Darunter  steht  in  besonderem 
kleinen  Schilde  der  Sparren  der  Bongart.  Links  stehen  die  Hazedalschen  neun  Kugeln, 
von  denen  aber  wegen  der  Halbirung  nur  fünf  (2,  2,  1)  sichtbar  sind.  Dieses  Wappen 
erklärt  den  sonderbaren  Beinamen,  den  Reinard  nach  seinem  Vater  und  Grossvater  getragen 
hat.  Derselbe  kommt  in  zwei  Urkunden,  von  Weihnachten  1343  und  vom  13.  März  1344 
(de  Chestret  S.  16),  sowie  in  einer  unten  anzuführenden  Stelle  einer  alten  Chronik  vor. 
Man  nannte  Rcinard  und  seine  Vorfahren  nach  jenem  auffälligen  Abzeichen  „Mashereit, 
Maskeret**  —  den  Maskirtcn.  Reinard  liess  Zeichen  wie  Namen  später  fallen,  während 
die  Herren  von  Winandsrade,  welche  von  Arnold  von  Bretonbour,  dem  dritten  Sohne 
Hejnemans  abstammen,  den  Spitznamen  noch  bis  ins  16.  Jahrhundert  hinein  beibehielten. 
(Vgl.  Heusch,  Nomina  Canonicorum  Reg.  Eccl.  Beatae  Mariae  Virginis  Aquisgranensis 
S.  12,  Sp.  2;  Annalen  für  die  Geschichte  des  Niederrheins  Heft  57,  S.  252.)  Reinard 
siegelte  mit  dem  beschriebenen  Wappen  noch  1349.  (Urk.  im  Kölner  Stadtarchive  Nr.  1946.) 
Später  nahm  er  andere  Abzeichen  an.  Als  Herr  von  Schönforst  führte  er  bald  die  neun 
Kugeln  (3,  8,  2,  1,  so  in  der  Wappentafel  bei  de  Chestret),  bald  den  einfachen  Reichs- 
adler (Kölner  Stadtarchiv);  als  Herr  von  Falkcnburg  den  Reichsadler  mit  aufgelegten 
Kugeln  (de  Chestret),  häufiger  jedoch  einen  von  zwei  Blumen  begleiteten  Hehn,  mit 
Blume  oder  Pfauenfederbusch  als  Helmzierde  (Kölner  Stadtarchiv).  Hier  findet  sich  auch 
das  letztere  Abzeichen  ohne  Blumen  als  Siegel  Reinards  II,  der  sich  1374  dominus  in 
Schoenenvorst  nennt,  weil  damals  noch  Reinard  I.  der  rechtliche  Herr  dieser  Herrschaft 

^ 


—  20  — 

(1330—1350),  Gerard,  Jan  Ha^re,  Raso  Mascharel  III.,  Herr  vou  Schünan, 
Reinard  ^    Die  Töchter  lassen  wir  hier  bei  Seite. 

Der  Menge  der  Kinder  entsprach  nicht  der  Besitz,  den  Raso  Mascharel  II. 
sein  eigen  nannte.  Schönau  und  üelpich  waren,  wie  eine  Ucrsfelderin  des 
17.  Jahrhunderts  in  ähnlicher  Lage  sich  kräftig  ausdrückte,  ein  zu  kleines 
Brotschrank  für  eine  so  zahlreidie  Familie.  Ein  Glück  für  die  Nach- 
kommen Rasos,  dass  der  zweite  Sohn,  Amelius,  sich  dem  geistlichen  Stande 
widmete  und  Abt  des  bedeutenden  Klosters  St.  Trond  in  Brabant  wurde. 
Dieser,  den  Hemricourt  als  einen  der  tüchtigsten,  angesehensten  und  einfluss- 
reichsten Geistlichen  seiner  Zeit  l)ezeichnet%  nahm  sich  der  Erziehung 
seiner  Brüder  an.  Zwei  derselben  folgten  ihm  in  der  Berufswahl:  Gerard 
wurde  Kanonikus  an  St.  Lambert  und  an  St.  PauH  in  Lüttich  sowie  am 
Liebfrauenstifte  zu  Aachen^.  In  letzterer  Kirche  bekleidete  er  auch  die 
Würde  des  Sängers,  als  welcher  er  1338 '•  vorkommt.  Er  machte  Stiftungen 
zur  Erhöhung  kirchlicher  Feierlichkeiten'^  und  starb  am  2.  Juni^  Jan 
Hage  erhielt  ebenfalls  ein  Kanonikat  am  Aachener  Münster;  er  starb  im 
August  und  vermachte  dem  Kapitel  20  Mark**. 

Da  nun  der  älteste  Sohn  Johann  vom  Vater  Uelpich,  der  fünfte, 
Raso  Mascharel  III.,  Schönau  erbte,  so  waren  alle  versorgt  ausser  unserm 
Reinard:  aber  was  blieb  ihm?  Nicht  viel  oder  gar  nichts.  Er  hatte  nach 
Hemricourt  nicht  so  viel  von  seinen  Eltern  geerbt,  dass  er  ein  Pferd  hätte 
halten  können^,  aber  grade  er  wurde  „der  vom  Glück  am  meisten  be- 
günstigte Cavalier,  der  in  hundert  Jahren  zwischen  Maas  und  Rhein  gelebt 
hat"  ^^  Die  Erziehung,  welche  der  spätere  Abt  von  St.  Trond  seinem 
jüngsten  Bruder  angedeihen  liess,  hat  den  Grund  zu  diesem  Glücke  gelegt; 
sie  entwickelte  die  reichen  körperlichen  und  geistigen  Anlagen  des  Jüng- 
lings und  befähigte  denselben  zu  einer  so  vielseitigen  Wirksamkeit,  wie 
man  sie  nicht  oft  findet. 

n.    Reinard  und   die  Abteien   von   St.   Servatius   und   St,   Trond. 

Abt  Amelius  hatte  nicht  blos  für  die  Ausbildung  sondern  auch  für 
den  Unterhalt  seines  mittellosen  Bruders  gesorgt.  Er  verschaffte  ihm  nämlich 
ein  Kanonikat  an  der  Stiftskirche  von   St.   Servatius   in   Mast  rieht,  wozu 


*)  Vgl.  die  Abstammungstafel  bei  de  Chc.strct  S.  8  und  9. 

')  nly  pl^  wailbans  clers,  qui  il  son  temps  portaist  co rönne  et  de  plus  haultre 
honeur  et  de  meilheur  6stat  selont  sa  puissancc". 

3)  Franquinet  S.  3. 

*)  Ob  er  auch  jener  Gerardus  de  Scbouauwe,  dccanus  ccclosio  s.  Scrvatii  Trajectensis 
ist,  den  Johann  XXII  am  24.  Jan.  1329  auf  drei  .Tabre  von  oineni  Tbeil  dor  Rosidenz- 
pflicbt  bezüglich  aller  Bcnefizien  entband y  V^l.  Zeitschrift  des  Aachener  (Jeschichts- 
vereins  XIV,  S.  222. 

8)  Quix,  Schönau  S.  U. 

*)  „Eal.  Jan. ...  ex  parte  dni.  Gerardi  cantoris  de  Srlioiiiuwen  VIII  nir.  IVstum 
triplex,**     üngedrucktes  Necrologium. 

^)  Das. 

«)  Das. 

•)  „ilh  n^aroit  nul  patrimoine  de  peirc  vt  de  meine,  dont  üb  ]»ou\vi>t  on  chcval  nourir.** 

*^)  „ly  miez  fortuneis  chevalier,  quy  puis  100  ans  fuist   entro  Mouze  et  le  Kbins." 


—  21  — 

ja  nach  der  I'iisitte  jener  Zeit  eine  höhere  Weilie  niclit  gefordert  wurde. 
Wahrscheinlicli  ist  die  Verleihung  der  Pfründe  während  der  Studienjahre 
Reinards  erfolgt,  wo  noch  Hoffnung  vorhanden  war,  dass  er  sich  nach 
dem  Beispiele  seiner  drei  altern  Brüder  dein  Kirchendienste  widmen  werde. 
Als  canonicus  praebendatus,  wie  er  sicli  in  einer  Urkunde  nennt,  lebte 
Reiuard  sparsam,  denn  er  war  imstande,  dem  von  Schulden  gedrückten 
Kapitel  am  27.  Juli  1338  die  Summe  von  32  Pfund  turnoser  Groschen  vor- 
zuschiessen,  wofür  ihm  eine  Kente  von  jährlich  4  Pfund  zugesichert  wurde, 
die  nach  einem  spätem  Abkonnnen  mit  80  kleinen  Goldgulden  sollte  abgelöst 
werden  können.  Der  Schuldtitel  des  Kapitels  zeigt  uns  ßeinard  als  einen 
sehr  vorsichtigen  Geldmann;  er  Hess  sich  nämlich  zur  Sicherung  seiner  ßente 
nicht  blos  die  Güter  der  Kirche  verschreiben  sondern  übernahm  auch  die  Rent- 
meisterstelle, damit  er  der  Zahlung  desto  gewisser  sei.  Als  solcher  erhob 
er  die  Einkünfte  des  Stiftes  und  quittirte  über  dieselben  ^ 

Wie  lange  Reinard  das  Kanonikat  an  St.  Servatius  behalten  hat, 
lässt  sich  nicht  genau  bestimmen.  Wahrscheinlich  hat  er  dasselbe  nieder- 
gelegt als  er  die  Ritterwürde  empfing  und  damit  endgültig  in  den  welt- 
lichen Stand  zurücktrat.  Die  Verzichtleistung  geschah  zu  gunsten  seines 
Verwandten  Johann  von  Schönau,  der  sich  1354  auch  im  Besitze  der  Kurie 
Reinards  in  Mastricht  befindet^.  Auf  ihn  übertrug  Reinard  am  15.  Oktober 
1360  ebenfalls  die  Rente  von  4  Pfund  Turnosen,  welche  das  Kapitel  nun- 
mehr an  Johann  bis  zu  dessen  Tode  zahlen  solltet  Reinard  bediente  sich 
dieses  Johann  häufiger  in  (icschäften  und  schenkte  ihm  grosses  Vertrauen. 
Das  ergibt  sich  aus  Folgendem.  Nach  dem  Tode  Reinards  strengte  sein 
Sohn  Konrad  eine  Khige  gegen  das  Kapitel  von  St.  Servatius  an  und  zwar 
auf  Herausgabe  einer  Kiste  voll  Geld  und  Kleinodien  von  hohem  Werthe, 
welche  sein  seliger  Vater  den  Schatzmeistern  des  Stiftes  zur  Aufbewahrung 
übergeben  liabe*.  Die  Untersuchung  ergab,  dass  allerdings  ein  solcher 
Schrein  durch  den  verstorbenen  Johann  dem  Schatze  anvertraut,  aber  auf 
dessen  Befehl  auch  wieder  herausgegeben  worden  sei\ 

Noch  einmal  trat  Reinard  im  Jahre  1361  mit  dem  St.  Servatiusstifte 
in  Verbindung,  als  er  nämlich  den  Herzog  von  Brabant  als  CoUator  der 
Propstei  bewog,  diese  reich  dotirte  Stelle  seinem  zweiten  Sohne  Johann, 
dem  spätem  Burggrafen  von  Jlontjoie,  zu  übertragend 

Was  St.  Trond  betrifft,  so  leistete  Reinard  dieser  Stadt,  in  welcher 
sein  Bruder  Amelius  als  Abt  die  halbe  Herrschaft  besass,  einen  wesent- 
lichen Dienst.  Nach  der  Schlacht  bei  Tourinne,  in  welcher  Bischof 
Engelbert  von  Lüttich  mit  Hülfe  des  Herzogs  von  Brabant  den  Lüttichern 
eine  entscheidende  Niederlage  beigebracht  hatte,  ritt  Reinard  stracks  vom 
Kauipfplatze  weg  nach  St.  Trond  und  meldete,  dass  der  Herzog  aus  altem 

M  Franqiiinct,  aimexc  I,  8.  63  f. 

-)  de  ehest  rot  S.  7. 

*)  Franquinet,  annexe  IV,  S.  70  f. 

*)  Waren  das  etwa  die  Schätze,  welche*  Keiuard  mit  nach  Khodus  genommen  hatV 

^)  de  (?h»^strot  S.  7,  Anm.  1. 

«)  Das.  S.  4»i. 


—  22  — 

Grolle  die  Stadt  zerstören  wolle.  Die  gewarnten  Bürger  ergriffen  geeignete 
Massregeln  um  den  Herrn  zu  versöhnen:  sie  erkannten  den  Herzog  als 
Obervogt  an  und  nalimen  ihn  in  die  Stadt  auf^ 

Später  waren  die  Beziehungen  Reinards  zur  Abtei  recht  unerfreulich. 
Abt  Amelius  hatte  ihm  Besitzungen  des  Klosters,  welche  zu  Helchteren 
in  der  Campine  lagen  auf  Zeit  übertragen:  wahrscheinlich  —  da  der  Sühne- 
vertrag von  einer  Entschädigung  für  gemachte  Auslagen  redet  —  wegen 
empfangener  Darlehen.  Reinard  hätte  zwar  lieber  die  Besitzung  gegen 
einen  jährlichen  Zins  auf  Lebenszeit  genommen,  darauf  Hessen  sich  aber 
die  Mitglieder  der  Abtei  nicht  ein.  Man  mochte  wohl  bittere  Erfahrungen 
mit  solchen  Gütern  gemacht  haben.  Und  weil  er  selbst  nach  dem  Tode 
seines  Bruders  die  Herausgabe  verweigerte,  betrachtete  ihn  die  Kloster- 
gemeinde als  unrechtmässigen  Besitzer.  Am  28.  Dezember  1354  kam  es 
dann  zu  einem  Vergleiche,  wonach  Reinard  zur  Schadloshaltung  noch  vier 
Jahre  im  Besitze  bleiben  und  dann  das  Gut  gegen  1000  Florentiner  Gulden 
abtreten  sollte.  Mittlerweile  machte  jedoch  Walram  von  Born  seine  Ansprüche 
auf  die  Herrschaft  Falkenburg,  welche  Reinard  erworben  hatte,  mit  Waffen- 
gewalt geltend.  Die  Gefahr  lag  nahe,  dass  derselbe  sich  auch  an  Helchteren 
vergreifen  würde.  Darum  gab  Reinard  die  Besitzung  schon  1356  zurück 
und  erhielt  ausser  der  bedungenen  Summe  einen  Ersatz  von  120  Gulden 
für  jedes  der  noch  übrigen  Vertragsjahre  ^ 

Der  Chronist  von  St.  Trond  klagt  bitter  über  erlittenes  Unrecht. 
Da  uns  nichts  über  die  Gründe  der  Verpfändung  von  Helchteren  oder  über 
die  Abmachungen  zwischen  Amelius  und  Reinard  bekannt  ist,  so  lässt  sich 
nicht  beurtheilen,  ob  wirklich  ein  solches  vorlag.  Es  wäre  aber  jedenfalls 
edler  gewesen,  wenn  Reinard  schon  mit  Rücksicht  auf  den  Abt  Amelius, 
seinen  Bruder  und  Wohlthäter,  nicht  so  streng  auf  seinem  Schein  bestanden 
hätte. 

III.   Reinard  als  Kriegsmann. 

Der  Kanonikus  von  St.  Servatius  kam  als  Verwandter  der  Bongart 
in  Gunst  und  Vertrauen  bei  Wilhelm  V.,  Markgrafen  von  Jülich.  Mit 
diesem  Fürsten  zog  er  auch  ins  Feld,  als  es  galt  dessen  Schwager  Eduard 
von  England  gegen  Frankreich  zu  unterstützen.  Reinard  nahm  Theil  an 
der  Belagerung  von  Cambrai  (September  1339)  sowie  an  der  von  Tournai 
(Juli — September  1340).  Hier  leistete  er  ein  Reiterstückchen,  welches 
Froissart  der  Nachwelt  überliefert  hat. 

Einige  Herren  aus  dem  Jülichschen  und  Geldrischen  beriethen  sich, 
wie  sie  mit  den  Franzosen  etwas  Scharmützeln  und  eine  Schlappe  der 
Hennegauer  auswetzen  könnten.  In  der  Nacht  brachen  sie  mit  ihren 
Leuten  auf  und  zogen  bei  Tagesanbruch,  etwa  300  an  der  Zahl,  über  die 
Brücke  von  Tressin.  Während  der  Herr  (Ludwig)  von  Randerath  und 
Arnold,  sein  Sohn^  mit  ihren  Reisigen  vorrückten,   blieb  Reinard  nebst 

»)  de  Chrestet  S.  21. 
«)  Das.  S.  36  f. 

^)  Vgl.  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  l,  S.  199  f.  Annalen,  Heft  55, 
8.  146,  176. 


—  23  — 

den  übrigen  an  der  Brücke  zurück,  um  jenen  den  Rücken  und  den  Rück- 
zug zu  decken.  Randerath  stürmte  in  daß  französiclie  Lager,  hieb  Seile 
und  Pfiihle  entzwei,  warf  Zelte  und  Pavillone  nieder  und  richtete  eine 
grosse  Zerstörung  an.  Die  Herren  Karl  von  Montmorency  *  und  von  St.  Sauf- 
lieu,  welche  grade  die  Wache  hatten,  hörten  den  Lärm  und  eilten  herbei, 
worauf  sich  Randerath  langsam  zurückzog.  Aber  die  stolzen  Franzosen 
wollten  den  Schimpf  nicht  ungerächt  lassen;  sie  stürmten  nach  und  riefen: 
„Ha,  ihr  Herren,  so  werdet  ihr  hier  nicht  wegkommen!"  Als  sie  jedoch 
an  der  Brücke  den  Haufen  sahen,  der  zu  ihrem  Empfange  bereit  war, 
stutzten  sie;  der  bedächtige  Herr  von  St.  Sauf-lieu  wendete  sein  Banner 
und  kehrte  ins  Lager  zurück.  Montmorency  jedoch  ritt  vorwärts.  Da 
ersah  Reinard  die  Gelegenheit,  er  sprengte  unter  die  Franzosen,  drängte 
sich  an  die  Seite  ihres  Anführers,  ergriff  mit  der  linken  Hand  dessen  Ross 
am  Zügel,  spornte  den  eigenen  Streithengst  und  riss  so  den  Herrn  aus 
den  Reihen  der  Franzosen  heraus.  Mochte  der  Mann  auch  noch  so  kräftig 
drauf  loshauen,  Reinards  Rüstung  war  gut  und  hielt  die  Hiebe  aus.  Er 
brachte  Montmorency  ins  deutsche  Lager,  wo  er  wegen  dieser  That  gar 
sehr  gefeiert  wurde.  Natürlich  mussten  die  Gefangenen,  deren  ausser  dem 
Anführer  wohl  noch  achtzig  waren,  ein  hohes  Lösegeld  zahlen*. 

Reinard  war  aber  auch  ein  kundiger  Krieger,  wie  hätte  ihn  sonst 
Bischof  Adolf  von  Lüttich  zu  seinem  Marschall  ernannt?  Und  als  solcher 
unterschreibt  der  Schönauer,  noch  bevor  er  die  Ritterwürde  erlangt  hatte, 
zwei  Urkunden  vom  13.  März  und  24.  September  1344  ^.  Auch  dem  Nachfolger 
Adolfs,  Bischof  Engelbert,  leistete  Reinard  als  Marschall  gute  Dienste  gegen 
die  Lütticher.  Es  handelte  sich  damals  um  die  Grafschaft  Looz,  welche 
zum  Fürstenthum  Lüttich  gehörte  aber  von  Dietrich  von  Heinsberg  —  aus 
Jülicher  Blut  —  in  Besitz  genommen  war.  Die  Bürgerschaft  wollte  die- 
selbe zurück  haben,  die  Bischöfe  Adolf  und  Engelbert,  beide  Verwandte 
des  Heinsbergers,  wünschten  sie  diesem  zu  belassen.  Darum  empörte  sich 
die  Stadt  gegen  den  Bischof,  und  es  kam  zu  erbitterten  Kämpfen.  Vor 
der  Schlacht  bei  Wothem  (Vottem)  am  19.  Juli*  1346  wurde  Reinard  zum 
Ritter  geschlagen  und  warf  zugleich  sein  Banner  auf,  d.  h.  er  zog  gleich 
mit  einer  eigenen  Schaar  in  den  Kämpft  Der  Erfolg  entschied  gegen 
den  Bischof;  er  wurde  geschlagen  und  viele  seiner  Reisigen,  Herren  wie 
Knechte  flohen  selbst  bis  nach  Aachen*'.  Ln  folgenden  Jahre  gelang  es 
ihm  besser.  In  der  Schlacht  bei  Tourinne  am  21.  Juli  1347,  in  der 
Reinard  ebenfalls  mitfocht,  erlitten  die  Lütticher  eine  so  fürchterliche 
Niederlage,  dass  ihrer  10,000  das  Schlachtfeld  bedeckten.  Wir  dürfen 
unserm  Reinard  wohl  einen  entscheidenden  Antheil  am  Siege  zuschreiben. 

^)  Der  spätere  MarschaU  von  Frankreich.  Yg\.  Feller,  Dictionnaire  HistoriqueIV,S.619. 

»)  de  ehest ret  S.  13. 

3)  Das.  S.  16. 

*)  So  de  Chestret  8.  19.  Andere  setzen  den  Tag  auf  den  10.  oder  20.  Juli  an. 
Vgl.  Villenfagne,  Rccherches  sur  Thistoire  ....  de  Li^ge  I,  S.  175,  und  Anm.  a. 

*)  Dazu  gehörten  wenigstens  10  Ritter  mit  je  zwei  Knappen.  Vgl.  Zeitschrift  des 
Aachener  Geschichtsvereins  IX,  S.  63,  Anm. 

'')  Lau  reut,  Stadtrechnungen  S.  181,  Z.  35  ff. 


—  24  — 

Herr  de  Chestret^  theilt  nämlich  folgende  Stelle  aus  einer  alten  Chronik 
mit.  „Im  Jahre  1347  ist  nach  dem  Berichte  des  Herrn  von  Havelanges 
Herr  Keinard  von  Dickenberg  (!)  genannt  der  Massureit^,  welcher  damals 
Feldmarschall  des  Bischofs  Engelbert  von  Lüttich  war  und  den  Kriegsruf 
der  Lütticher  erfahren  hatte,  in  deren  Lager  eingedrungen  und  hat  das- 
selbe angezündet/  Hieraus  erklärt  sich  auch  die  grosse  Anzahl  der 
Gebliebenen.  Die  geschlagenen  Lütticher  hatten  keine  Zuflucht  mehr, 
wohin  sie  sich  hätten  zurückziehen  können.  Das  schreckliche  Ereigniss 
hatte  übrigens  dank  der  Mässigung  des  Bischofs  dauernden  Frieden  zwischen 
ihm  und  der  Stadt  zur  Folge*. 

Auch  in  kleinern  kriegerischen  Unternehmungen  zeigte  Reinard  seine 
Tapferkeit.  So  schreibt  man  ihm  einen  Antheil  an  der  Eroberung  und 
Zerstörung  des  Eaubnestes  Gripekoven  zu,  welche  1354  durch  den  Land- 
friedensbund erfolgte.  Die  Lage  dieser  Burg  ist  aus  der  Chronik  von 
Erkelenz  nachgewiesen.  Letztere  Stadt  hatte  grossen  Schaden  von  der 
Gripekovener  Raubritterbande  erlitten,  darum  wurden  ihr  die  Steine  des 
zerstörten  Schlosses  geschenkt,  um  damit  den  Thurm  des  inneren  Stadt- 
thores  aufzubauen*. 

Im  Jahre  1362  finden  wir  Reinard  mit  dem  Herzoge  von  Jülich  vor 
Merode.  Dieses  Schloss  gehörte  damals  zwei  Brüdern,  von  denen  der 
jüngere,  Konrad,  den  älteren,  Richard,  zu  verdrängen  suchte.  Der  Herzog 
kam  seinem  Vasallen  zu  Hülfe,  eroberte  die  Burg  und  verkaufte  Konrads 
Hälfte  an  der  Herrschaft  dem  Richard  für  6000  Goldschilde  ^ 

Weit  bedeutender  und  interessanter  als  diese  kleinen  Kriegszüge  ist 
die  Theilnahme  Reinards  an  den  Unternehmungen  des  Herzogs  Wenzel  von 
Brabant  gegen  Löwen.  Hier  eröffnen  sich  allgemeinere  Gesichtspunkte, 
welche  zugleich  die  Stellung  des  Schönauers  zu  den  sozial-politischen 
Bestrebungen  des  14.  Jahrhunderts  beleuchten.  Zwar  hat  ein  gewisses 
VorurtheiP  gegen  den  Geldmann  Reinard  dazu  geführt,  dass  man  auch 
hier  ihm  Habsucht  als  Beweggrund  seiner  Handlungen  unterschoben  hat^; 
mit  welchem  Rechte,  mag  der  Leser  selbst  beurtheilen. 

*)  S.  21,  Anm.  2. 

*)  Vgl.  oben  S.  19,  Anm.  4. 

8)  Vgl.  Villenfagne,  a.  a.  0.  S.  176. 

*)  Laurent,  Stadtrechnungen  S.  49.  Annalen,  Heft  45,  S.  179,  Anm.  2. 

*)  Richardson,  Gesch.  der  Merode  I,  S.  27. 

^  Woher  dieses  Vorurtheil  kommt,  soll  unten  gezeigt  werden. 

^  „Renaud,  toujours  avide  de  pßcher  en  eau  trouble  encourageait  secrftte- 
ment  les  mönees  (de  Pierre  Cottrel)  .  .  .  II  est  ä  supposer  que  Renaud,  qui  n'avait 
pas  r^ussi  jusqne  lä  k  tirer  un  pro  fit  mat^^riel  de  cett«  r^volntion  communale,  a  en 
encore  la  main  dans  les  agissements  de  Cottrel  ..."  So  schreibt  Franquinet  (S.  17),  von 
dem  de  Chestret  (S.  30,  Anm.  5)  allerdings  sagt  „que  ia  Chronologie  et  les  faits  en 
g6n6ral  ont  6t6  asscz  maltrait^s  par  Phistorien  des  Schoonvorst**.  Aber  de  Chestret  spricht 
ebenfalls  von  Reinards  „conseils  probablement  intöress^s**  (S.  44)  und  lässt  ihn  sich 
mit  dem  Herzog  und  Coutereel  in  den  Raub  theilen,  der  den  Patriziern  abgenommen 
wurde.  Er  macht  sich  die  Worte  eines  andern  Schriftstellers  zu  eigen:  „Rien  ne  peut 
justifier  Wenceslas  et  Schoonvorst  si,  selon  toutes  les  vraiscmblances,  ils  se  fircnt 
paycr  par  Coutereel  Icur  connivence"  (S.  45);  also  „probablement",  „selon  toutes  les  vraisem- 
'lances",  —  aber  Gewissheit  hat  man  nicht! 


—  25  — 

Das  14.  Jahrhundert  war  bekanntlich  eine  Zeit  der  heftigsten  sozialen 
Wirren.  In  den  gewerbreichen  Städten,  wo  Kunst,  Handwerk,  Handel 
gleichmässig  blühten,  erhoben  sich  die  Zünfte,  der  dritte  Stand,  gegen  die 
patrizischen  Geschlechter,  weil  sie  mit  diesen  nicht  blos  die  Pflichten  und 
Lasten  des  Gemeinwesens  tragen,  sondern  auch  die  Eechte  an  der  Kegierung 
und  Verwaltung  der  Gemeinde  theilen  wollten.  Die  Landesherren  haben 
wohl  diesen  Kämpfen  mit  gemischten  Gefühlen  zugeschaut:  wenn  es  ihnen 
einerseits  angenehm  sein  mochte,  dass  die  Macht  der  stolzen  Geschlechter 
geschwächt  wurde,  so  duiften  sie  doch  anderseits  nicht  zugeben,  dass  die 
Gemeine  allzuviel  Gewalt  gewann. 

Zur  Zeit,  wo  Reinard  grossen,  ja  tiberwiegenden  Einfluss  im  ßathe 
des  Herzogs  von  Brabant  hatte,  kamen  auch  in  der  Stadt  Löwen  solche 
Unruhen  vor.  In  diesen  Kämpfen  zwischen  den  Löwener  Geschlechtern ' 
und  der  Gemeine  oder  den  Zünften  hatte  sich  Peter  Coutereel  ^,  der  Mayer 
oder  oberste  Beamte  des  Herzogs,  auf  die  Seite  der  letzteren  gestellt.  Weil 
nun  Reinard  ebenfalls  die  Gemeine  begünstigte,  spricht  man  von  einem 
geheimen  Einverständnisse  zwischen  ihm  und  dem  Mayer.  Es  ist  aber 
doch  wohl  selbstverständlich,  dass  Coutereel  zum  Nutzen  seines  Herrn  zu 
handeln  meinte;  warum  soll  er  denn  nicht  im  geheimen  Einverständnisse 
mit  dem  Herzoge  selbst  seine  Massregeln  getroffen  haben?  Hierfür  spricht 
auch  das  Verhalten  Wenzels.  Dass  er  nicht  offen  auf  die  Seite  der  Ge- 
meine treten  durfte,  wenn  er  nicht  den  Adel  des  Landes  gegen  sich  haben 
wollte,  ist  ja  klar;  zu  einem  solchen  Wagniss  ist  aber  Wenzel  nie  mächtig 
genug  gewesen. 

Eine  Meinungsverschiedenheit  zwischen  den  Schöffen  und  dem  Mayer 
über  dessen  Amtsbefugnisse  führte  dahin,  dass  jene  diesen  für  unfähig 
erklärten,  sein  Amt  zu  verwalten;  m.  a.  W.:  die  Schöffen  setzten  ihren 
Mayer  ab.  Coutereel  begab  sich  sofort  nach  Tervueren,  um  Wenzel  dieses 
Verfahren  zu  klagen,  „welches  trotz  den  Privilegien  Löwens  der  herzog- 
lichen Würde  zuwider  zu  sein  scheinen  konnte",  sagt  de  Chestret^.  So 
gewunden  hat  sich  Reinard  nicht  ausgedrückt.  Er  war  allein  mit  dem 
Herzoge,  als  Coutereel  seine  Beschwerde  vorbrachte.  Empört  über  die 
Anmassung  der  Geschlechter  rief  er  aus:  „Herr  Herzog,  Ihr  werdet  nie 
Herr  in  Löwen  sein,  wenn  Ihr  nicht  ein  Mittel  findet  das  Volk  zu  erhöhen 
und  diese  hochmüthigen  Patrizier  zu  beugen."  So  musste  auch  Wenzel 
denken,  de  Chestret  sagt  selbst '*,  dass  die  unabhängige  Handlungsweise 
der  lignages  dem  Landesherrn  unerträglich  schien.  Jetzt  nun  hatten  die 
Patrizier  sich  sogar  herausgenommen,  den  obersten  fürstlichen  Beamten  in 
ihrer  Stadt  abzusetzen.  Wenn  ihre  Privilegien  wirklich  so  weit  gingen, 
dann  hatte  ja  Reinard  den  Nagel  auf  den  Kopf  getroffen,  als  er  erklärte, 
die  fürstliche  Gewalt  in  Löwen  sei  bioser  Schein,  wenn  die  Macht  der 

')  Familles  patricicnnes  oa  lignages  nennt  sie  de  Chestret. 

*)  Die  Coutereel  gehörten  zu  den  Löwener  Schölfenfamilicn.  Vgl.  Annalcn,  Heft  55, 
S.  80. 

«)  de  Chestret  S.  44. 
♦)  Das. 


—  26  — 

Geschleclitcr  nicht  beschnitten  würde.  Wäre  Wenzel  anderer  Meinnnö: 
f^ewesen,  so  hätte  er  seinen  Rath  in  Gegenwart  Coutereels  zurechtweisen 
müssen.  Aber  „er  antwortete  nicht,  sondern  sprach  von  andern  Dingen". 
Nun  ging  Coutereel,  „durch  die  Worte,  die  er  gehört^,  ermuthigt  und  der 
Straflosigkeit  sicher",  nach  Löwen  zurück,  bemächtigte  sich  an  der  Spitze 
der  Zünfte  des  Rathhauses,  setzte  viele  Patrizier  gefangen  und  änderte 
die  Verfassung  dahin,  dass  die  obrigkeitliche  Gewalt  in  der  Stadt  zwischen 
den  Geschlechtem  und  den  Zünften  getheilt  wurde. 

Reinard  soll  Wenzel  den  Rath  gegeben  haben,  durch  die  Finger  zu 
sehen,  wenn  man  ihm,  dem  Herzoge,  den  Löwenantheil  an  der  den  ge- 
fangenen Patriziern  abgepressten  Lösungssumme  lasse.  Das  sei  geschehen, 
Reinard  und  Coutereel  hätten  dann  den  Rest  getheilt.  Freilich  ein  schmutziges 
Verfahren.  Doch  vergessen  wir  nicht:  es  liegt  keiu  Beweis  vor,  man 
schildert  das  so  „selon  toutes  les  vraisemblances".  Auch  wird  nicht  an- 
gegeben, wie  viel  Reinard  erhalten  habe.  Ist  sein  „profit  mat^riel"  dies- 
mal nicht  grösser  gewesen  als  nachher,  dann  ist  die  Sache  kaum  der  Rede 
werth. 

Die  Dinge  gingen  in  Löwen  bald  über  die  Grenze  hinaus,  in  der 
Wenzel  sie  gehalten  wünschte.  Die  Zünfte  missbrauchten  ihren  Sieg;  sie 
wollten  die  meisten  Patrizier  nicht  einmal  mehr  in  die  Stadt  aufnehmen. 
Da  schritt  der  Herzog  ein.  Er  belagerte  die  Stadt,  welche  jedoch  keinen 
Widerstand  entgegensetzte.  Im  herzoglichen  Heerbanne  befand  sich  auch 
Reinard;  er  unterzeichnete  mit  Herzog  Wilhelm  von  Jülich,  Robert  von 
Namür,  Graf  Johann  von  Salm,  mit  Arnold  von  Rümmen  und  andern  Räthen 
von  Brabant  den  Friedensvertrag  vom  19.  Oktober  1861,  der,  wohlgemerkt, 
an  den  durch  die  Revolution  zu  gunsten  der  Gemeine  getroifenen  neuen 
städtischen  Einrichtungen  nichts  änderte.  Der  Herzog  war  demnach  mit 
\  der  Schwächung  der  patrizischen  Gewalt  einverstanden.  Nicht  so  natür- 
lich die  Geschlechter:  sie  wollten  sich  nicht  fügen.  Andrerseits  strebten 
die  Zünfte  nach  Erringung  noch  grösserer  Macht  und  nach  gänzlicher  Ver- 
drängung der  lignages.  Coutereel  vertrieb  denn  auch  die  Patrizier  zum 
zweiten  Mal.  Herzog  Wenzel  liess  die  Herren  zappeln;  erst  als  sie  ihre 
Bereitwilligkeit  erklärten,  sich  dem  Oktobervertrage  von  1361  zu  unter- 
werfen, zog  er  trotz  den  Vorstellungen  Reinards  abermals  vor  die 
Stadt,  die  sich  wiederum  nicht  vertheidigte.  Man  versprach,  jene  Satzungen 
allerseits  getreu  zu  beobachten,  gab  die  Geiseln  heraus  und  zahlte  an 
Wenzel  28000,  an  den  Herzog  von  Jülich  3000,  an  den  Herrn  von  Berge  op 
Zoom  1000  und  an  Reinard  —  nach  Franquinet  600,  nach  de  Chestret 
gar  nur  300  moutons  d'or*.  Da  der  Schönauer  sich  zweimal  zum  Kriege 
gegen  Löwen  hat  rüsten  müssen,  da  er  jedenfalls  dem  Mayer  für  die 
Bewegung  Vorschüsse  geleistet  hat,  so  wird  er  mit  dieser  und  der  oben 
erwähnten  Entschädigung  eben  auf  seine  Kosten  gekommen  sein.  Wo 
bleibt  denn  da  der  „profit  materiel",  nach  dem  Franquinet  ihn  jagen,  wo 

»)  Öo  de  Chestret  S.  45.    Man  könnte  treffender  sagen :  ermuthigt  durch  das  wohl 
verstandene  Schweigen  des  Herzogs. 

^)  So  genannt  nach  dem  aufgeprägten  Agnus  Dei. 


—  27  — 

sind  die  „conseils  probablement  int^ress^s",  die  de  Cliestret  ihn  geben  lässt? 
Was  den  Nutzen  angeht,  da  sind  der  Herzog  und  die  anderen  Herren,  ja 
selbst  Coutereel  weit  besser  gefahren,  als  Reinard  ^  Der  Mayer  hatte 
nämlich  schon  1362  „zur  Belohnung  für  seine  Dienste*'  vom  Herzoge  die 
Herrschaft  Asten  erhalten  ^,  nach  der  zweiten  Belagerung  verliess  er  Löwen 
und  zog  sich  auf  seine  Besitzung  zurück.  Man  wittert  allerdings  auch 
hinter  dieser  Handlung  Wenzels  wiederum  Reinard,  obschon  der  Verlauf  der 
Dinge  klar  zeigt,  dass  Coutereel  nur  im  Interesse  des  Herzogs  gearbeitet 
hat,  eine  Belohnung  demnach  von  dem  freien  unbeeinflussten  Entschlüsse 
seines  Landesherrn  wohl  erwarten  durfte. 

Ueber  die  Politik  Reinards  in  der  Löwener  Angelegenheit  darf  ich 
mir  kein  Urtheil  erlauben,  weil  dazu  eine  genaue  Kenntniss  der  damaligen 
brabantischen  und  Löwener  Verfassungsverhältnisse  gehört.  Aber  ich 
nehme  den  Schönauer  in  Schutz  gegen  den  Vorwurf  gewissenloser  Hab- 
sucht, die  wegen  einer  elenden  Summe  Geldes  Revolution  und  Krieg  über 
Stadt  und  Land  bringt.  Will  man  jedoch  Reinard  einen  Beweggrund  zu 
seinem  Verhalten  in  diesem  Handel  unterschieben,  warum  fasst  man  die 
Sache  nicht  höher?  Warum  bleibt  man  beim  niedrigsten  Motive  stehen? 
Könnte  nicht  etwa  Reinard  ^sage  et  subtil"  wie  er  nach  Hemricourt  war, 
weiter  gesehen  haben  als  der  Herzog  und  seine  Räthe,  könnte  er  nicht 
erkannt  haben,  dass  die  einmal  begonnene  gewaltige  Bewegung  des  dritten 
Standes  nicht  mehr  aufzuhalten  und  dass  es  besser  sei,  dieselbe  radikal 
durchzuführen  ^  statt  durch  halbe  Massregeln  die  Gesellschaft  auf  unbe- 
rechenbare Zeit  hinaus  in  Gährung  zu  erhalten?  Eine  solche  Auffassung 
würde  wenigstens  dem  „g6nie  diplomatique  de  cet  homme  extraordinaire**  ^ 
besser  entsprechen  als  jene,  die  überall  nur  Habsucht  sieht.  Wenn  wir 
jedoch  auch  nicht  so  weit  gehen,  so  sollte  doch  das  anerkannt  werden: 
Reinard  hat  bei  der  Löwener  Frage  im  Interesse  seines  Fürsten,  wie  er 
es  verstand  und  auffasste,  nicht  aber  zum  Nutzen  des  eigenen  Geldbeutels 
gehandelt! 

In  den  Streit  der  beiden  Brüder  Reinald  III.  und  Eduard  um  das 
Herzogthum  Geldern  war  Reinard  zwar  auch  verwickelt,  aber  ob  er  thätigen 
Antheil  am  Kriege  genommen  habe,  lässt  sich  aus  dem  vorliegenden  Material 
nicht  ersehen.  Seine  sonstige  Thätigkeit  in  diesem  Lande  wird  unten  im 
Abschnitt  V  berührt  werden. 

Auf  dem  Schlachtfelde  war  Reinards  Stern  aufgegangen,  auf  dem 
Schlachtfelde  sollte  er  untergehen.  Nicht  als  wenn  der  Schönauer  auf  der 
Wahlstatt  gefallen  wäre:  er  verlor  —  was  dem  hochgestiegenen  Manne  härter 
war  —  Ehre  und  Ansehen.     Das  geschah   in  der  berühmten  Schlacht  bei 

*)  Eine  hand:^chriftliche  Aachener  Chronik  im  B«'.Hitze  dfH  Herrn  Dr.  Adara  Bock 
erzählt  nach  Haraeus,  die  Löwener  hätten  ihrem  Oubemator  Keinard  von  Schönfornt  we^eu 
seiner  trcaen  Mühewaltung  beim  FriedcnaschlnsHe  3000  (ioldHtücke  verehrt.  Den 
Haraeus  Anuales  dacum  .  .  .  Brabuntiae  galten  für  die  be»te  Oedchichte  Brabants.  Vgl. 
Feller,  Dictionnaire  III,  S.  408. 

*)  de  Chestret  8.  46,  Anm.  1. 

')  Daher  denn  auch  sein  Widerstand  gegen  den  zweiten  Löweuer  Zug  den  Herzogs. 

*)  de  Chcötret  S.  42. 


—  28  — 

Baesweiler  am  22.  Ausfust  1371.     Herzog  Wenzel   von   Brabant  war  als 
Reichsvikar  seines  Bruders  Karl  IV.  und  als  Haupt  des  Ijandfriedensbundes 
verpflichtet,  für  die  Sicherheit  der  Strassen  und  der  auf  ihnen  Fahrenden 
zu   sorgen.     Nun   hatten   einige   Raubritter    im   Jülichschen   brabantische 
Kaufleute  geschätzt;  Herzog  Wilhelm  aber  weigerte  sich,  die  Schuldigen 
zu    bestrafen    und    Schadenersatz    zu    leisten.     Da    keinerlei    Anmahnung 
fruchtete,  grilY  Wenzel  gemäss  den  Satzungen  des  Landfriedens  zum  Schwerte. 
Wilhelm  verbündete  sich  dagegen  mit  dem  Herzoge  Eduard  von  Geldern 
und  deui  Grafen  von  Berg.     Die  brabantische  Armee   zog  von  Mastricht 
über  Falkenburg   uud    Herzogenrath    ins   Jülicherland;    zwei   bedeutende 
HeiTcn  aus  der  nähern  Umgebung  Aachens  kommandirten  in  ihren  Reihen. 
Reinard   befehligte   die  48.^,  Johann   von   Gronsfeld   die   52.  Rotte-;   der 
erstere  führte   Brabanter,   der  andere  Limburger.     Bei  Baesweiler  trafen 
sich  die  Gegner.     Da  die  Versuche  einer  friedli^'hen  Tjiisung  fehlschlugen, 
hielt  der  Herzog  von  Brabant  Kriegsrath,  was  zu  thuen  sei.    Einige  riethen, 
man  möge  die   französischen  Hülfstruppen  abwarten,   welche  unter  Jakob 
von  Bourbt)n  heranrückten.    Da  soll  Reinard  ausgerufen  haben,  der  Herzog 
würde  sich  mit  Schmach  bedecken,  wenn  er  zögere;  seine  Macht  sei  stark 
genug  zum  Angriff";  die  Ehre  gebiete,  den  Kampf  zu  beginnen.    Die  Jlehr- 
heit  stimmte  zu  und  die  Schlacht  wurde  auf  den  folgenden  Morgen  fest- 
gesetzt.   Auch  den  Truppen  waren  diese  Worte  Reinards  aus  dem  Herzen 
gesprochen.    Als  die  Brabanter  früh  morgens  iliren  Herzog  sahen,  welcher 
der  h.  Messe  beiwohnen  wollte,  riefen  sie  ihm  zu:  .,IIerr,  da  sind  die  Feinde, 
den  Helm  auf  im  Namen  (?ottes  und  des  h.  Georg!"*    Anfauirs  war  das  Glück 
dem  Herzog  Wenzel  günstig,  die  Jülicher  wichen,  Eduard  von  Geldern  fiel 
und  selbst  Wilhelm  soll  sich  einen  Augenblick  in  der  (Jewalt  s(»iner  Gegner 
befunden  haben.    Dann  erfolgte  der  Gegenstoss  und  die  Brabanter  erlitten 
eine  furchtbare  Niederlage.    Der  Adel  Brabants  und  Limburgs  fiel  entweder 
oder  wurde   mit  seinem   Herzoge  gefangen;   auch  Reinards  ältester  Sohn 
verlor  «lie  Freiheit.     Nur  wenitre  retteten   sich   durch   die  Flucht,   unter 
diesen  Reinard  selbst:  er  entkam  nach  Mastricht.     Hier  harrte  seiner  ein 
böser  Empfang.     Die   Mitflüchtigen   werden   nicht   ermangelt   haben,   die 
ganze  Verantwortung  für  des  Herzogs  und  des  Landes  Unglück  auf  seinen 
unglücklichen  Rath  zu  wälzen.     Die  blinde  Volkswuth,  immer  froh,  wenn 
sie  einen  Sündenbock  findet,  an  dem  sie  sich  auslassen  kann,  wendete  sich 
gegen  Reinard;  man  that  ihm   in  Mastricht   ^groete  smaet,  confusie  ende 
schade''   an.     Dass   die   Misshandlung  keine   ueringfüirige   war,   geht  ans 
dem  Umstände  hervor,  dass  sich  hieiaus  eine  Fehde  zwi.srhen  den  Söhnen 
und  Verwandten  Reinards  einer-  und  der  Stadi  Mastricht  andrerseits  ent- 
spann, welclie  erst  im  Jahre  1405  gesühnt  wurdet 

Auch  seiner  Fürsten  Gunst  verlor  Reinard  durch  den  Unglückstag 
von  Baesweiler.  Zwar  that  er  was  in  seinen  Kräften  stand,  um  den  Herzog 
Wenzel   der  harten  (Tcfiingenschaft  auf  dem   Schlosse   Nideggeu   zu   ent- 

»)  de  (Uicstret  S.  oS. 

^)  Ernst,  Tli.stoive  du  Liinbour«;  V,  S.   i:rj. 

^)  Frau  quin  et,  anncxe  XVHl,  S.  04. 


—  29  — 

ledigen.  Er  übernahm  mit  Joliann  von  Saffenber»i:  eine  vSendun«^  des  Kaisers 
an  die  Städte  Lütticli,  Huy,  Tongern,  üinant  und  St.  Trond,  um  deren 
Hülfe  in  Anspruch  zu  nelimen  K  Die  konnte  jedoch  der  Hartnäckigkeit 
Wilhehns  gegenüber  nicht  viel  nutzen:  es  bedurfte  des  schärfsten  Ein- 
greifens des  Kaisers,  der  die  Reichsacht  gegen  Wilhelm  aussprach,  weil 
er  den  Reichsvikar  gefangen  halte,  um  dem  Herzoge  im  Juni  1372  die 
Freiheit  zu  verschaifen -. 

Wir  finden  Reinard  noch  auf  dem  Brabanter  Ständetage  von  1372 
und  in  einer  Urkunde  für  Löwen  von  1373^,  jedoch  nur  mehr  unter  den 
Vasallen. 

Seine  glänzende  einflussreiche  Stellung  war  dahin,  seine  Rolle  unter 
den  Grossen  dieser  Erde  ausgespielt! 

IV.    Reinard  der  Geldmann.     Seine  Besitzungen. 

Mit  Recht  darf  der  Leser  fragen:  Wie  kam  dieser  Mann  aus  dem 
niedern  Adel,  der  jüngste  Sohn  eines  kleinen  Grundbesitzers  zu  den  Mitteln, 
um  eine  solche  Stellung  einzunehmen,  eine  solche  Rolle  durchzuführen? 
Hat  er  Einfluss  und  Macht  bloss  geistigen  Eigenschaften  zu  verdanken: 
seiner  Bildung,  seiner  ritterlichen  Tapferkeit  und  kriegerischen  Tüchtigkeit? 
Gewiss  hat  dieses  und  noch  anderes  Gute  an  ihm  mitgeholfen,  aber  die 
eigentliche  Grundlage  seiner  Erfolge  war  doch  das  Geld  und  sein  grosser 
Besitz.    Und  wie  er  dazu  gekommen,  soll  dieser  Abschnitt  zeigen. 

Hier  müssen  wir  auf  den  englisch-französischen  Krieg  zurückgreifen. 
Nach  der  Aufhebung  der  Belagerung  von  Tournai  im  September  1340 
schlössen  die  kriegführenden  Mächte  Waffenstillstand.  Der  Markgraf  von 
Jülich  schickte  den  Herrn  Gerard  im  Bart  und  unsern  Reinard  nach  Eng- 
land, um  die  versprochenen  Kriegsgelder  zu  erheben.  Aber  der  königliche 
Schatz  war  leer  und  die  Gesandten  kehrten  mit  der  Vertröstung  auf  bessere 
Zeit  nach  Hause  zurück.  Als  die  gestellte  Frist  abgelaufen  war,  ging 
Reinard  allein  nach  London.  König  Eduard  hatte  auch  jetzt  kein  Geld 
aber  einen  grossen  Vorrath  an  Wolle,  denn  vom  Parlamente  war  ihm  die 
halbe  Wollschur  für  die  Kriegskosten  zur  Verfügung  gestellt  worden*. 
Reinard  nahm  mit  der  Waare  vorlieb ;  er  Hess  sich  vom  Könige  einen 
Geleitsschein  ausstellen,  der  freie  Ausfuhr  gewährte  und  brachte  seine 
Ladung  nach  Brügge.  Weil  während  des  Krieges  eine  Einfuhr  dieses 
Artikels  in  Flandern  nicht  hatte  stattfinden  können,  gab  es  bei  dem  dort 
blühenden  Tuchmachergcwcrbe  grosse  Nachfrage  nach  dem  nöthigen  Roh- 
stofte,  und  die  Brügger  Kaufherren  mussten  schon  hohe  Preise  bewilligen. 
So  gewann  Reinard  ein  Drittel   mehr,   als  der  Markgraf  von  Eduard   zu 

^)  de  Chestrot  S.  59. 

*)  Die  Aussöhnung  zwischen  dem  Kaiser  und  Ilorzo^  Wilhelm  erfolgte  auf  dem 
Reichstage  zu  Aachen.    Vgl.  ileyer,  Aach.  Gesch.  S.  342. 

^)  de  Cheatret  S.  59.  Die  Erbitterun jr  der  Herzogin  Johanna  gegen  Reinard  ging 
anch  auf  dessen  Kinder  über.     Vgl.  Frau (xu inet,  annexe  XV  und  XVI. 

*)  Weiss,  Weltgeschichte  VI,  S.  400. 


—  30  — 

fordern  hatte,  und  das  betrug  6000  Königstlialer  ^  Doch  selbst  mit  diesem 
grossen  Gewinne  soll  ßeinard  noch  nicht  zufrieden  gewesen  sein.  Er  ging  — 
so  sagt  man  —  zum  Markgrafen,  erzählte  wie  es  ihm  in  London  ergangen 
und  fügte  bei,  die  Brügger  hätten  ihm  bedeutend  weniger  für  die  eng- 
lischen Wollen  geboten,  als  König  Eduard  dieselben  geschätzt  habe.  Er 
müsse  es  nun  dem  Markgrafen  überlassen,  ob  er  zu  dem  niedrigem  An- 
gebote losschlagen  wolle.  Wilhelm,  des  Geldes  höchst  bedürftig,  willigte 
wohl  oder  übel  ein.  Eeinard  kelirte  nach  Brügge  zurück,  erhob  die  letzten 
Katen  für  die  verkaufte  Wolle  und  gewann  auf  diese  Weise  noch  einmal 
2000  Königsthaler  *.  So  erzählen  Franquinet^  und  de  Chestret*  getreu 
nach  Hemricourt.  Ich  hebe  nachdrücklich  hervor,  dass  das  Vorurtheil 
über  Reinards  Habsucht,  dass  uns  schon  aufgestossen  ist,  auf  dieser  Er- 
zählung beruht. 

Woher  hat  nun  Hemricourt  all  diese  Einzelheiten?  Vom  Knappen 
des  Herrn  Gerard  im  Barte! 

Bei  aller  Achtung  vor  dem  alten  Memoirenschreiber  kommt  mir  der 
letzte  Theil  seiner  Erzählung  doch  arg  unglaublich  vor,  und  ich  wundere 
mich,  wie  man  die  Räubergeschichte  so  unbesehen  hat  nachschreiben  können. 
Da  wird  einem  Manne,  den  die  trefflichsten  Eigenschaften  zieren,  eine 
ganz  gemeine  Gaunerei  vorgeworfen:  er  soll  aus  unersättlicher  Habgier 
einen  Fürsten  betrügen,  der  sein  Gönner  ist,  der  ihn  mit  seinem  unbe- 
schränkten Vertrauen  beehrt,  und  diese  abscheuliche  Handlung  soll  er 
begehen  in  einem  Zeitpunkte,  wo  sein  Herr  sich  selbst  in  Noth  und  Geld- 
klemme befindet.  Ein  solches  Verfahren  setzt  doch  einen  ganz  verkommenen 
Charakter  voraus.  Wo  hat  sich  denn  Reinard  als  einen  solchen  gezeigt? 
Man  weise  nicht  hin  auf  seine  Geschäftsgewandtheit.  Gewiss,  Reinard 
war  sage  et  subtil,  klug  und  scharfsinnig:  aber  das  ist  doch  weit  entfernt 
von  Betrug  und  Gaunerei.  Diese  hässlichen  Dinge  laufen  rasch  zu  Ende, 
—  Reinard  hat  sich  während  seines  ganzen  Lebens  des  Vertrauens  seiner 
Fürsten  wie  seiner  Standesgenossen  auch  in  den  wichtigsten  Angelegen- 
heiten zu  erfreuen  gehabt. 

Sodann:  welche  Beweise  bringt  Hemricourt  für  diese  schwere  Be- 
schuldigung vor?  Er  hat  allerdings  einen  Zeugen,  aber  auch  nur  einen, 
der  zudem  durchaus  nicht  einwandfrei  ist.  Hemricourt  beruft  sich  auf 
den  Knappen  Gerards  im  Barte.  Gerard  war  aber  nicht  mehr  dabei,  als 
Reinard  den  Wollhandel  machte.  Fehlte  der  Herr,  so  war  wohl  auch  der 
Knappe  nicht  anwesend.  Abgesehen  davon,  dass  wir  gar  nichts  von  diesem 
Knappen  wissen  und  keinerlei  Beweis  für  seine  Glaubwürdigkeit  haben, 
macht  schon  der  Umstand   sein  Zeugniss  verdächtig,   dass  er  nicht  als 


*)  de  Chestret  berechnet  den  Thaler  auf  H^j  Franken  (S.  14,  Anm.  1)  und  den 
damaligen  Geldwerth  auf  das  Siebenfache  des  jetzigen  (S.  15,  Anm.  2).  Danach  sind  6000 
royaux  =  69  000  bzw.  487  200  Reichsmark. 

')  Der  ganze  Gewinn  aus  diesem  einen  Geschäfte  hätte  also  649  600  Mark  nach 
dem  heutigen  Geldwerthe  betragen. 

»)  S.  5. 

*)  S.  14  f. 


—  31  — 

Augenzeuge  berichten  kann.  Woher  hatte  er  denn  Kenntuiss  von  den 
Schlichen  Reinards?  Soll  der  ^kluge  und  geriebene**  Schönauer  seine 
Gaunereien  einem  fremden  Knappen  anvertraut  haben?  Beschleicht  uns 
nicht  das  Gefühl,  als  handle  es  sich  um  ein  Geschwätz  aus  der  Bedienten- 
stube, wie  es  von  Leuten  geführt  wird,  die  sich  gerne  den  Anschein  geben, 
als  wüssten  sie  mehr  denn  andere  Menschen,  weil  sie  in  der  Umgebung 
grosser  Herren  sind?  Vielleicht  steckt  auch  nichts  anderes  hinter  dem 
ganzen  Gerede  als  der  Neid  der  Klatschbasen  des  14.  Jahrhunderts  gegen 
den  Emporkömmling,  der  so  rasch  zu  Geld  und  Macht  gelangte.  Was  ist 
gewöhnlicher,  als  dass  die  Welt  bei  schnell  erlangtem  Reichthum  an  unred- 
liche Mittel  denkt? 

Und  endlich:  das  Benehmen  Reinards  gegen  den  Markgrafen,  wie 
Hemricourt  es  darstellt,  ist  eine  Gaunerei.  Und  die  sollte  sich  dieser 
Fürst  so  ruhig  haben  gefallen  lassen?  Er  hätte  sich  von  einem  Vertrauten 
um  eine  grosse  Summe  beschwindeln  lassen,  während  er  selbst  sich  in 
Verlegenheit  befand?  Das  sieht  den  Herren  von  Jülich  nicht  ähnlich.  — 
Aber  der  Markgraf  hat  von  dem  Betrüge  nichts  gewusst!  Nun,  was  der 
Knappe  des  Herrn  Gerard  wusste,  das  war  diesem  Herrn  doch  auch  niclit 
verborgen,  das  musste  auch  zur  Kenntniss  anderer  Höflinge  des  Markgrafen 
kommen.  Und  die  hätten  eine  solche  Spitzbüberei  des  Emporkömmlings 
ihrem  Herrn  verschwiegen?  Dann  wären  sie  keine  treuen  Diener  und  erst 
recht  keine  —  Höflinge  gewesen.  Jedenfalls  musste  dieses  schmutzige 
Verfahren  früher  oder  später  an  den  Tag  kommen,  und  dann  wäre  es 
sicher  um  Reinards  Stellung  am  Jülicher  Hofe  geschehen  gewesen.  Wir 
werden  aber  sehen,  dass  der  Schönauer  noch  lange  Zeit  der  Vertraute 
dieses  Fürstenhauses  geblieben  ist  und  dass  er  mit  den  Mitgliedern  des- 
selben Geldgeschäfte  gemacht  hat,  gegen  welche  der  Wollhandel  ganz 
unbedeutend  erscheint.  Aus  diesen  Gründen  verwerfe  ich  die  Erzählung 
jenes  Knappen  und  behaupte,  dass  Reinard  seinen  ersten  grossen  Erfolg 
im  Geldwesen,  die  Grundlage  seines  spätem  kolossalen  Reichthums,  auf 
ehrliche  Weise  und  im  Einverständnisse  mit  seinem  Herrn  errungen  hat. 

Und  um  keinen  Einwand  gegen  diese  Auffassung  unberücksichtigt  zu 
lassen,  sei  noch  erwähnt,  dass  Herr  de  Chestret  (S.  61  f.)  eine  Bestimmung 
des  Reinardschen  Testamentes,  wonach  dem  Herzoge  von  Jülich  bei  der 
Einlösung  Montjoies  10000  Goldschilde  nachgelassen  werden  sollten,  als 
eine  Wiedererstattung  für  die  beim  Wollhandel  abgeschwindelte  Summe 
auffassen  zu  können  glaubt.  Warum  nicht  lieber  als  Restitution  für  Ueber- 
vortheilungen  bei  den  späteren  viel  grossartigeren  Käufen  und  Verkäufen  ? 
Denn  was  den  Wollhandel  angeht,  so  würde  auch  der  strengste  Moralist 
einen  Betrug,  der  zum  Schadenersatz  verpflichtet,  nur  dann  feststellen 
können,  wenn  Reinard  dem  Markgrafen  einen  Theil  von  dessen  Kriegs- 
entschädigung vorenthalten  hätte.  Für  diese  Annahme  ist  aber  kein  Grund 
vorhanden  als  das  unglaubhafte  Gerede  des  Knappen.  Hat  dagegen  Reinard 
dem  Jülicher  die  zwischen  diesem  und  Eduard  von  England  verabredete 
Summe  voll  ausbezahlt,  dann  hatte  der  Markgraf  weiter  nichts  zu  fordern. 
Was  über  diese  Summe  hinaus  erzielt  wurde,   war  rechtmässiges  Eigen- 


—  32  — 

thum  Reinards,  weil  er  es  durch  kluge  Benutzung  der  Umstände,  durch 
eigene  Arbeit  und  Bemühung  erworben  hatte.  Die  6000  Thaler  also,  welche 
er  an  der  Wolle  verdiente,  kann  niemand  dem  Schönauer  streitig  machen. 
Wie  ist  es  aber  mit  den  andern  2000  Thalern,  die  Hemricourt  als  den 
eigentlichen  Betrugsgegenstand  anzusehen  scheint?  In  dieser  Summe  mögen 
manche  Posten  enthalten  sein,  welche  Eeinard  ebenfalls  rechtmässig  zu- 
kamen. Zunächst  die  ersparten  Zölle:  die  hatte  er  durch  den  königlichen 
Geleitsschein,  der  übrigens  schwerlich  umsonst  ausgestellt  worden  ist,  ehr- 
lich erworben.  Dann  sämmtliche  Unkosten,  besonders  auch  die  Ausrüstung 
Reinards  zum  Kriege,  die  gewiss  viel  Geld  gekostet  hat.  Und  wenn  noch 
etwas  übrig  war,  so  hindert  nichts  anzunehmen,  dass  der  Markgraf  seinen 
Dank  für  die  glückliche  Abwickelung  des  wichtigen  Geldgeschäfts  auch 
in  klingender  Münze  abgestattet  hat. 

Bei  der  Testamentsklausel  braucht  also  durchaus  nicht  an  eine  Resti- 
tution aus  dem  Wollhandel  gedacht  zu  werden.  Aber  wie  soll  man  sie 
denn  erklären?  Reinard  hat  sich  in  seinem  ganzen  Leben  als  einen  treuen 
und  anhänglichen  Diener  seiner  Fürsten  erwiesen.  Als  er  aus  dem  Lehens- 
verhältnisse zum  Herzoge  von  Jülich  ausgeschieden  war  und  nur  noch  in 
engern  Beziehungen  zu  Brabant  stand,  hat  er  allerdings  sogar  die  Waffen 
gegen  das  Haus  getragen,  welches  sein  Glück  begründet  und  ihm  Gelegenheit 
gegeben  hatte,  sich  aus  der  Dunkelheit  herauszuarbeiten.  Das  war  jedoch 
seinerseits  nicht  freie  Wahl,  sondern  Erfüllung  der  Vasallenpflicht  gegen 
Wenzel.  Als  er  aber  in  Rhodus,  frei  von  allen  irdischen  Verpflichtungen, 
sein  Ende  herannahen  fühlte,  da  hat  er  sich  dankbar  jener  Familie  erinnert, 
und  das  Zeichen  seiner  Dankbarkeit  war  die  erwähnte  Bestimmung  im 
Testament.  Eine  Restitution  kann  um  so  weniger  hierin  gefunden  werden, 
als  diese  bei  vorhandenen  Mitteln  —  und  die  waren  vorhanden  —  gleich 
geleistet  werden  muss,  während  Reinard  als  genauer  Kenner  der  jtilich- 
schen  Finanzen  recht  wohl  wusste,  dass  noch  viele  Jahre  verlaufen  könnten, 
ehe  Montjoie  eingelöst  würde.  Thatsächlich  quittirte  erst  die  Wittwe 
Johanns  11.  von  Schönforst  im  Jahre  1439  über  die  Pfandgelder  ^ 

Indessen,  das  ist  eine  Erklärung,  die  ich  nur  als  Gegensatz  zu  der 
Meinung  des  Herrn  de  Chestret  von  der  „Restitution"  aufstelle.  Es  soll 
damit  nur  gesagt  sein,  dass  der  Erlass  jener  grossen  Summe  in  einem 
Sinne  gedeutet  werden  kann,  der  für  Reinard  durchaus  unverfänglich  ist. 
Wahrscheinlich  liegt  die  Sache  aber  ganz  anders.  Fahne,  auf  den  sich 
Herr  de  Chestret  beruft,  schreibt  allerdings  in  der  Geschichte  der  Köl- 
nischen, Jülichschen  und  Bergischen  Geschlechter  II,  133:  „1393  bezeugt 
Statz  von  Bongart,  dass  gemäss  dem  Testamente  des  Herrn  von  Schönforst 
dem  Herzog  von  Jülich,  wenn  er  das  Land  Montjoie  einlöse,  10000  Schilde 
erlassen  seien.**  Man  sieht,  das  Testament  lag  nicht  vor,  sonst  hätte 
es  eines  Zeugnisses  des  Herrn  von  Bongart  gar  nicht  bedurft;  Herr  Statz 
hat  demnach  nach  seiner  Erinnerung  ausgesagt.  Nun  kommt  hier  alles 
auf  den  Ausdruck  „erlassen**  an.  Hat  das  wirklich  so  nude  et  crude  im 
Testamente  gestanden?    Es  liegen  17  Jahre  zwischen  der  Zeit,  wo  der 


')  Annalen,  Heft  6,  S.  17. 


—  33  — 

letzte  Wille  Reinards  in  Deutschland  eintraf  und  dem  Jahre,  wo  Statz 
von  Bongart  sein  Zeugniss  ablegte.  Ob  ihm  da  der  Wortlaut  noch  klar 
und  deutlich  gegenwärtig  war?  Strange  sagt  in  den  Beiträgen  zur  Ge- 
schichte der  adeligen  Geschlechter  (VI,  63),  man  müsse  bei  der  Benutzung 
alter  Zeugenverhöre  sehr  vorsichtig  sein,  da  sie  wenig  hisirorischen  Werth 
hätten  und  in  der  Regel  ein  grobes  Lügengewebe  seien.  Es  liegt  mir 
fenie,  Herrn  Statz  der  bewussten  Unwahrheit  zu  zeihen,  aber  ein  Irrthum 
könnt«  ihm  bei  der  Länge  der  Zeit  doch  untergelaufen  sein,  er  könnte 
einen  unrichtigen  Ausdruck  gebraucht  haben.  Im  Testamente  Reinards 
wird  wohl  von  jener  Summe  in  Verbindung  mit  der  Einlösung  Montjoies 
durch  den  Herzog  von  Jülich  Rede  gewesen  sein,  aber  in  einem  ganz 
andern  Zusammenhange  und  Sinne,  als  der  Wortlaut  des  Regests  bei  Fahne 
nahelegt.  Wie  nämlich  aus  der  gleich  folgenden  Darstellung  des  Falken- 
burg-Montjoier  Geschäftes  erhellt,  schuldete  der  Herzog  von  Jülich  dem 
Schönauer  zwei  grössere  Summen,  eine  von  46000,  die  andere  von  10000 
Schilden.  Für  erstere  bekam  Reinard  Montjoie,  für  die  zweite  Korneli- 
münster  in  Pfandschaft.  Beide  Geschäfte  werden  1361  in  Einer  Urkunde 
besprochen  und  es  ist  leicht  möglich,  dass  sich  Reinard  bei  der  Abwickelung 
seiner  Geschäfte,  bevor  er  nach  Rhodus  ging,  über  l>eide  Summen  einen 
Gesammtschuldschein  hat  ausstellen  lassen.  Dann  hiesse  die  Test-jiments- 
bestimmung  anders  nichts  als:  Wenn  der  Herzog  Montjoie  einlöst,  dann 
sind  die  10000  Schilde  für  Kornelimünster  in  Abzug  zu  bringen. 

Endlich  mag  hier  noch  ein  Punkt  hervorgehoben  werden,  der  ent- 
schieden für  Reinards  Ehrlichkeit  spricht.  Als  derselbe  im  Jahre  1369, 
wo  er  selbst  noch  mitten  im  Geschäftsleben  stand,  seinen  beiden  ältesten 
Söhnen  einen  Theil  seiner  Besitzungen  abtrat,  legte  er  ihnen  ausdrü(jklich 
die  Verpflichtung  auf,  auch  wenn  sie  Lust  dazu  verspürten,  dennoch  keine 
„vuere**  und  keine  „commanschaft  van  der  vuere"  zu  halten,  (das  hcisst 
wohl;  weder  selbst  ein  Handelsgeschäft  zu  betreiben  noch  sich  an  einem 
solchen  zu  betheiligen,)  damit  niemand  durch  sie  betrogen  werde. 
Man  sollte  doch  meinen,  ein  Mann,  der  selbst  durch  unredliche  Mittel  ein 
grosses  Vermögen  erworben  hätte,  würde  seinen  Söhnen  auch  selbst  die 
Möglichkeit  eines  Betruges  nicht  so  gründlich  abgeschnitten  haben. 

Einen  Theil  des  nach  unserer  Auffassung  rechtmässig  erworbenen 
Geldes  legte  Reinard  in  Grundbesitz  an.  Er  hätte  ja  auch  in  der  Schlacht 
bei  Wothem  *  nicht  als  Bannerherr  auftreten  können,  wenn  ihm  keine 
Vasallen  gefolgt  wären  und  dazu  gehörten  ausgedehnte  Ländereien.  Einige 
dieser  Besitzungen  lernen  wir  aus  einer  Urkunde  vom  12.  Juli  1347  kennen, 
in  der  sich  Reinard  gegen  eine  Summe  von  10000  kleinen  Florenzer  Gold- 
gulden* als  Vasall  des  Erzbischofs  von  Köln,  Walrani  aus  dem  Hause 
Jülich,  erklärt  und  seinerseits  der  Kölner  Kirche  folgende  Allode  überträgt, 
die  er  als  Lehen  wieder  zurückerhielt:  Die  Herrlichkeiten  von  Berge  ^  und 

0  Vgl.  oben  S.  23. 
*)  Etwa  96000  Reichsmark. 

•)  Laurenzberg  bei  Jülich.  Vgl.  Höhl  bäum,  MittheUungeu  aus  dem  Kölner  Stadt- 
archiy  XIV,  S.  43,  44,  45. 


—  34  — 

Mertzene  ^  zwei  Höfe,  den  einen  in  Berg,  den  andern  in  Merz,  die  Mühle 
in  Berg  sowie  einen  Antheil  an  der  Herrschaft  Lanciaire  ^.  Ausser  Reinard 
unterzeichneten  die  Urkunde  sein  Bruder  Raso  Mascherei  und  sein  Ver- 
wandter Johann  von  Schönau,  Herr  von  Fays^,  beide  Ritter. 

Ganz  andere  Früchte  brachte  dem  klugen  und  scharfsinnigen  Manne 
die  Summe,  welche  er  zu  Geldgeschäften  verwendete.  Bei  der  unglaublich 
raschen  Vermehrung  des  Goldes  in  den  Händen  Reinards  dürfen  wir  nicht 
vergessen,   wie  rar  damals  das  Geld  und  wie  hoch  die  Zinsen   waren  ^. 

Zunächst  verpflichtete  sich  Reinard  den  Bischof  Adolf  von  Lüttich. 
In  einer  Urkunde  von  1346  quittirt  der  Schönauer  über  alle  Forderungen, 
welche  er  an  Adolf  zu  stellen  gehabt,  mit  Ausnahme  einer  Summe  von 
1600  Königsthaler  ^'^  und  der  Ansprüche,  welche  ihm  auf  die  beweglichen 
Güter  des  damals  bereits  verstorbenen  Bischofs  zustanden". 

Nach  dem  Tode  Adolfs  (1344)  spielte  Reinard  den  Unterhändler  um 
das  Bisthum  Lüttich  für  den  Neffen  des  Verstorbenen,  Engelbert  von  der 
Mark.  Bei  diesem  Handel  kamen  für  Reinard  nicht  blos  finanzielle,  sondern 
auch  verwandtschaftliche  Rücksichten  in's  Spiel.  Bischof  Adolf  hatte  näm- 
lich die  Heirath  zwischen  seiner  Nichte  Catharina  von  Wildenberg,  Wittwe 
des  Herrn  Otto  von  Born,  und  Reinard  vermittelt.  Catharina  war  die 
Base  des  Bischofs  Engelbert^,  somit  Reinard  dessen  Vetter  durch  Schwäger- 
schaft. Aus  dieser  Ehe  leitet  sich  auch  wohl  die  Schwägerschaft  Reinards 
mit  dem  Hause  Jülich  her.  Nachdem  Engelbert  das  Bisthum  Lüttich 
erlangt  hatte,  trug  er  nicht  blos  Sorge,  dass  dem  Vetter  die  Schulden 
des  Oheims  Adolf  bezahlt  wurden,  er  ernannte  ihn  auch  zu  seinem  Mar- 
schall, wie  es  bereits  der  Vorgänger  gethan®  und  verschaffte  ihm  die 
Stelle  eines  Lütticher  Schöffen,  einen  damals  sehr  gesuchten  Posten.  Reinard 
hat  denselben  allerdings  nicht  lange  bekleidet;  er  trat  ihn  noch  im  selben 
Jahre  (1345)  an  den  Ritter  Arnold  von  Charneux  ab^. 

*)  Niedermerz.   Vgl.  Zeitschrift  des  Aacliener  Geschieh ts -Vereins  XIV,  S.  284. 

*)  Langweiler.  Noch  heute  heisst  dieser  Ort  im  Volksmimde  Lankler.  (Die  Urkunde 
bei  Lacomblet,  Urkundenbuch  III,  Nr.  443,  S.  358.) 

*)  Vielleicht  ist  dieser  Johann  der  Vater  der  unehelichen  Maria,  Frau  des  Erkin 
Ingbrant  von  Montjoie,  für  welche  Rcinard  am  30.  April  1870  sorgte,  indem  er  ihr  den 
Pachthof  Opdenberg  bei  Montjoie  und  den  Steinthurm  am  Roerthore  der  Stadt  überwies 
anter  der  Bedingung,  dass  sie  den  Thurm  bewohne,  sorgfältig  instandhaltc,  das  mit 
demselben  verbundene  Wachtrecht  ausübe  und  die  Liegenschaften  als  Afterleheu  von 
Montjoie  betrachte,  (de  Chestret  S.  57.) 

*)  Der  Codex  Moeno - Francof .  von  Böhmer  enthält  auf  S.  553  Urkunden,  aus 
denen  hervorgeht,  dass  der  Frankfurter  Rath  1338  Zinsen  bis  zur  Hohe  von  SS'/a— 43^8 
Prozent  festsetzte.  (Mittheilung  des  Herrn  Archivar  Dr.  Han^^en.)  Dass  10  Prozent  der 
gewöhnliche  Zinsfuss  war,  erhellt  aus  manchen  in  dieser  Abhandlung  vorkommenden  That- 
sachen.  Da  begreift  sich  leicht  der  Widerspruch  der  Kirche  gegen  das  Erheben  solcher 
Zinsen. 

*)  Etwa  18560  Mark,  die  nach  dem  heutigen  Geldwerthe  129920  Mark  ausmachen. 

*)  de  Chestret  S.  18,  Anm. 

')  Siehe  die  Stammtafel  bei  de  Chestret  S.  17. 

8)  Vgl.  oben  S.  23. 

•)  de  Borman  S.  194  f.  Vgl.  für  Arnold  von  Charneux  Annalen  Heft  55, 
8.  78,  98,  112. 


—  35  — 

Schwer  verschuldet  war  dem  Schönauer  Walram  von  Jülich,  Erss- 
bischof  von  Köln.  Am  30.  März  1345  schwor  Reinard  als  Amtmann  zu 
Bonn  und  Brühl  mit  seinen  Kollegen  im  Erzstifte  dem  Domkapitel  Gehorsam 
für  den  Fall,  dass  der  Erzbischof  sein  Versprechen  bezüglich  des  Zolles 
zu  Rheinberg  und  der  Einkünfte  zu  Köln,  welche  dem  Kapitel  verpfändet 
waren,  nicht  haltet  AVie  ist  nun  Reinard  an  diese  Amtmannschaften 
gekommen?  Offenbar  zur  Sicherung  eines  grossen  Guthabens.  Nun  hören 
wir,  dass  Johann,  König  von  Böhmen  und  Graf  von  Luxemburg,  am 
15.  Juni  1346  dem  Erzbischof  AValram  die  Zusicherung  gibt,  er  werde 
dem  Gläubiger  desselben,  Reinard  von  Schöuau,  folgende  Summen  aus- 
zahlen, wenn  Wali*am  dem  Sohne  des  Königs,  dem  spätem  Kaiser  Karl  IV., 
seine  Stimme  bei  der  deutschen  Königswahl  gebe:  zunächst  60000  Riolen 
in  drei  gleichen  Raten,  sodann  4000  Riolen  für  die  Räthe  des  Erzbischofs, 
endlich  4500  Goldschilde  wegen  des  Markgrafen  von  Jülich.  Für  die 
letzte  Rate  stellte  Johann  Burg,  Stadt  und  Land  Durbey  (Durbuy)  in 
Luxemburg  mit  sämmtlichem  Zubehör  zur  Sicherheit.  Ferner  bekannte 
der  König,  dass  er  ausserdem  noch  dem  Reinard  und  dessen  Erben  11000 
Goldgulden  schulde,  die  er  am  nächsten  (Jhristtage  zahlen  werde.  Die 
Verschreibung  über  diese  Summen  sollte  dem  Schönauer  übergeben  werden, 
sobald  derselbe  dem  Propste  von  Soest,  dem  Kölner  Kanonikus  Wilhelm  von 
der  Schieiden  und  dem  Herrn  Johann  von  Reifersclieid  eine  Bescheinigung 
Walrams  vorlege,  dass  er  Karl  zum  römischen  Könige  gewählt  habe  oder 
wählen  wolle.  Der  Stimraenkauf  wird  mit  dem  Hinweise  begründet,  dass 
den  Kurfürsten  durch  die  Walil  grosse  Kosten  erwüchsen,  besonders  dein 
Kölner,  der  den  Gewählten  auch  noch  krönen  müsse*. 

Was  Johann  von  Böhmen  hier  an  Reinard  versclireibt,  macht  nach 
unserm  Gelde  940800  Mark  und  nach  dem  heutigen  Geldwertho  (1585  600 
Mark  aus. 

Ehe  der  König  seinen  Verpflichtnngen  nachkommen  konnte,  veHor  er 
sein  Leben  in  der  Schlacht  von  Crecy  am  26.  August  1346,  und  Keinard 
blieb  im  Besitze  der  Pfandschaften  Durbuy  und  Laroche  im  Lnxenibnrgischen. 
Letztere  Grafschaft  nahm  Balduin  von  Luxemburg,  Erzbischof  von  Trier, 
an  sich;  dagegen  bekannte  sich  Karl  IV.  selbst  als  Schuldner  Ueinards 
für  10000  Königsthaler  und  gab  ihm  ausser  Durbuy  noch  das  Schhms 
Reuland  sowie  die  Vogteien  vcm  Stablo  und  Malmc(ly  als  Unterpfand. 
Schliesslich  löste  der  Erzbischof  auch  diese  Pfandstücke  ein,  weil  hIc  Erb- 
gut seiner  Familie  waren  ^ 

Wir  kommen  nun  an  dasjenige  Geschäft  Reinards,  in  welchem  er  sich 
als  Geldmann  ebenso  kühn  und  klu^»*  zeigt,  wie  bei  Tournai  als  Soldat. 
Es  handelt  sich  um  die  Erwerbung  der  Herrschaften  Falkenbnrg  nnd  Montjoie. 

1352  starb  Johann,  der  letzte  Herr  dieser  Besitzungen.  Er  hinter- 
liess  keine  Kinder  aber  viele  Schulden.    Sein  Eigenthum  zu  Montjoie  und 


*>  Lacomblet  III,  8.  383,  ürk.  422. 
*)  Lacomblet  III,  S.  344.  Urk.  4:»2. 
*)  de  Chidtret  S.  23.  Vgl.  Dominif^UH,  BalJewin  von  LUtzelburg  S.  490. 


—  36  — 

Bütgenbach,  zu  Euskirchen  und  Rüdeslieim  ^  war  an  verschiedene  Gläubiger 
verpfändet.  Fünf  Schwestern  Johanns  waren  erbberechtigt:  Philippa, 
Beatrix,  welche  mit  Dieterich  von  Brederode  verheirathet  war,  Margaretha 
die  Wittwe  Hartrads  von  Schöneck,  Maria  Äbtissin  von  Maubeuge  und 
eine  unbenannte,  welche  als  Kanonissin  zu  Reichenstein  bei  Montjoie  lebte. 
Philippa  setzte  sich  sofort  nach  dem  Tode  ihres  Bruders  in  den  Besitz 
beider  Herrschaften  ^  und  heirathete  noch  in  demselben  Jahre  Heinrich 
von  Flandern,  Herrn  von  Ninove.  Diese  Verbindung  schaffte  ihr  jedoch 
nicht  das  nöthige  Geld  um  die  Gläubiger  zu  befriedigen  und  die  verpfändeten 
Güter  an  sich  zu  bringen.  Die  Eheleute  wendeten  sich  an  Reinard,  der 
ihnen  zwar  15000  alte  Goldschilde  vorstreckte,  dafür  aber  auch  6000 
Schilde,  d.  h.  40®/o  an  Zinsen  und  Kosten  berechnetet  Mit  diesen  Kosten 
war  die  Schuld  auf  21000  Goldschilde,  d.  h.  auf  etwa  188000  Mark  oder 
nach  dem  heutigen  Geldwerthe  auf  1 321  600  Mark  angelaufen.  Natürlich  musste 
für  die  grosse  Summe  eine  entsprechende  Sicherheit  geboten  werden.  Am 
4.  Februar  1353  ertheilten  denn  auch  Heinrich  und  Philippa  dem  Reinard 
Vollmacht,  in  ihrem  Namen  Bütgenbach,  St.  Vith  und  Euskirchen  in  Besitz 
zu  nehmen,  Amtmänner  ein-  und  abzusetzen,  die  Schlösser  bestens  zu  verwahren, 
die  Einkünfte  zu  verwalten  und  mit  ihren  Schwestern,  der  Äbtissin  von 
Maubeuge,  der  Frau  von  Brederode,  der  Frau  von  Schöneck  und  der  Frau 
(Kanonissin)  von  Reichenstein  ein  Abkommen  zu  treffen  *.  Diese  Verhand- 
lungen hatten  insofern  Erfolg,  als  die  Wittwe  von  Schöneck  ihr  Drittel  an  der 
Erbschaft  in  Falkenburg,  Montjoie,  Bütgenbach,  St.  Vith  und  Euskirchen 
für  11000  alte  Goldschilde  verkaufte^.  Die  Zahlung  wurde  in  der  Art 
festgesetzt,  dass  man  der  Schöneck  3000  Schilde  baar  auszahlte,  6000  auf 
die  Herrschaft  Euskirchen  anwies  und  für  den  Rest  der  2000  eine  jähr- 
liche Rente  von  200  Goldschilden  aus  den  Einkünften  von  St.  Vith  und 
Bütgenbach  ihr  gutschrieb^.  Montjoie  Hess  Reinard  demnach  nicht  belast.en. 
Die  Gewähr,  welche  durch  den  Akt  vom  4.  Februar  1353  gegeben 
worden  war,  muss  dem  vorsichtigen  Schönauer  wohl  nicht  ausreichend 
erschienen  sein.  Am  14.  April  desselben  Jahres  liess  er  sich  nämlich  durch 
Heinrich  als  „Mombar*'  (mamburnus)  von  Falkenburg,  Euskirchen,  St.  Vith 
und  Heerlen  einsetzen  und  zwar  auf  so  lange,  bis  die  ganze  Schuld  bezahlt 

')  bei  Easkirchen. 

^)  Die  Belehnung  datirt  vom  24.  Aug.  1852.    de  Chestret  8.  28,  Anm.  1. 

")  Das  riecht  aUerdings  nach  greulichem  Wucher.  Um  aber  gerecht  zu  urtheilen, 
vergesse  man  nicht,  wie  hoch  damals  die  Zinsen  waren  (vgl.  oben  S.  34,  Anm.  4),  wie 
gewagt  in  diesem  Falle  das  Qescbäft  war  und  wie  kostspielig  in  folge  der  Verhandlungen 
mit  den  vielen  Gläubigem  und  Erbberechtigten. 

*)  Lacomblet  III,  S.  419,  Anm. 

')  Lacomblet  III,  Nr.  519,  S.  423  und  Anm.  Aus  dem  Drittel  schliessen  Franquinet 
(S.  11)  und  de  Chestret  (S.  28),  dass  nicht  mehr  alle  Schwestern  Johanus  am  Erbe  berechtigt, 
gewesen  seien.  VieUeicht  hat  die  Frau  von  Schöneck  für  die  Äbtissin  und  die  damals 
wohl  schon  geisteskranke  Kanonissin  mit  abgeschlossen.  Letztere,  die  Franquinet  irrthilmlich 
nach  Köln  versetzt,  geberderte  sich  als  Herrin  von  Falkenburg  und  liess  sich  dort  nieder. 
Man  Hess  sie  bis  zu  ihrem  Tode  (1359)  ruhig  auf  der  Burg  wohnen.  Franquinet  S.  12; 
de  Chestret  S.  31. 

•)  Franquinet  S.  11. 


—  37  — 

sein  würdet  Dadurch  kam  der  Herr  von  Ninove  in  eine  so  abhängige 
Stellung  zu  Reinard,  dass  er  ohne  dessen  Zustimmung  keine  rechtskräftige 
Handlung  bezüglich  dieser  Besitzungen  vollziehen  konnte.  Er  musste  sogar 
seinen  Beitritt  zum  Landfriedensbunde  für  die  genannten  Gebiete  durch 
Reinard  bestätigen  lassen*.  Das  war  ein  Zustand,  den  Heinrich  auf  die 
Dauer  nicht  ertragen  konnte.  Das  einfachste  und  radikalste  Mittel,  dem- 
selben ein  Ende  zu  machen,  lag  im  Verkaufe  der  Herrschaften,  die  den 
Eheleuten  von  Ninove  so  viele  Sorgen  verursachten,  an  den  geldmächtigen 
Gläubiger.  Der  Handel  ist  bald  abgeschlossen  worden.  Am  11.  März  1354 
erklärt  Johann  III.  Herzog  von  Brabant:  „dat  here  Reijnard,  here  van 
Monjouwe  van  Valkenburch  ende  van  Scoinvoirst  onse  lieve  man  van  ons 
ontfaen  heeft  te  leeue  ...  die  bourch  te  Monyouwe  ende  al  dat  dair  toe 
behoirende  es,  die  bourch  te  Butghenbach  .  .  .  den  hof  tot  Rttdesheim  .  .  . 
dat  huys  te  Berghe  .  .  .  den  hof  tot  Busslaer^ ...  die  stat  tot  Zittert  . .  . 
den  toi  tot  Heistert  ende  tot  Gülpen  dat  wilnere  was  ende  biet  dat  gheleyde* 
van  Gressenich,  den  hof  tot  Esde^  .  .  .  dat  vierdeel  van  Heerle*  mitten 
gerichten  ende  mitten  vieftenne  mannen'',  die  heiecht*  van  Mechlen  bi 
Gulpen  ende  den  toi  van  Lynne  ^,  van  welken  .  .  .  golden,  die  rurende  syn 
van  onsen  hertochrike  van  Limborg  her  Reinart  onse  man  worden  is  ..." 

Ausser  diesen  Limburger  Lehen  empfing  Reinard  zugleich  noch  ein 
brabantisches:  „Item  heeft  die  vurschreven  her  Reynart  .  .  .  van  ons  ont- 
faen te  leene  vyftich  pont  goits  gelts  ane  den  toi  tot  Trichte^^  ende  van 
desen  vyftich  ponden  es  her  Reynard  . .  .  oec  onse  man  worden,  die  rureüde 
sin  van  onsen  hertochrike  van  Brabant.  Dairom  ontbeden  wy  . . .  allen  den 
ghenen,  die  Jioire  leeue  wirt  (sie)  van  den  heirschapen  van  Monyouwe  ende 
van  Valkenbourch  haudende  syn,  dat  sy  die  leene  wirt  van  heren  Reynard 
ontfangen  ^K^ 

Da  Falkenburg  ein  Reichslehen  war,  so  erbat  Reinard  die  Belehnung 
mit  demselben  von  Karl  IV.;  sie  wurde  ihm  am  4.  April  1354  von  Toul 
aus  zn  theil*^ 

Am  20.  April  (des  neysten  sundagis  na  paischen)  desselben  Jahres 
erklärt  Heinrich  von  Flandern,  er  habe  mit  der  Frau  von  Schöneck  einen 

*)  Lacomblet  III,  S.  423,  Anm. 

*)  Meyer,  Aach.  Gesch.  S.  326.  Meyer  übersetzt  den  Ausdruck  mambur  (er  schreibt 
mnmbur  nach  der  Yolksaussprache  momber)  richtig  mit  Vormund;  Heinrich  war  in  bezng 
auf  diese  Besitzungen  entmündigt. 

^)  Vgl.  Zeitschrift  des  Aachener  Gcschichtsvereios  II,  S.  298. 

*)  Das  Schutzrecht  auf  den  Strassen,  wofftr  eine  Abgabe  entrichtet  wurde. 

*)  Eysden. 

^)  Heerlen  im  Limbnrgischen. 

^)  Lehenlenten. 

*)  Fahne,  (Gesch.  der  Köln.  Geschlechter)  und  nach  ihm  de  Chcstret  übersetzen 
,,Uälfte,  moiti^^.  Ich  kann  das  Wort  nicht  finden,  glaube  aber,  dass  es  ein  Provinzialismus 
für  helheit  =  das  (ianze  ist. 

*)  Linnen  auf  dem  rechten  Maasufer  oberhalb  Ruremonde. 

«<»)  Mastricht. 

*')  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  A.  I.  562. 

")  de  Chestret  S.  30  und  Anm.  5. 


—  38  — 

Vertrag  geschlossen  über  den  dritten  Theil,  der  ihr  nacli  ihrer  Meinung 
an  der  Erbschaft  ihres  Bruders  Johann  zustehe.  Unterdessen  habe  er  „die 
bürgen  heirheyde  van  Monyou,  van  Valkenburch,  van  Butgenbach,  van  sent 
Vyt,  van  Euskirgen  mit  ihren  z&belioerin"  dem  Herrn  Keinard  von  Schön- 
forst verkauft  und  setze  darum  denselben  in  alle  Rechte  ein,  die  er  von 
der  Frau  von  Schöneck  erworben,  umsomehr  weil  dieser  der  Inhaber  der 
Verkaufsurknnde  seitens  der  Frau  von  Schöneck  sei  und  das  Kaufgeld 
theils  bezahlt  habe,  theils  noch  bezahlen  werde  ^  An  demselben  Tage 
bekundet  Heinrich  „dem  edelen  vursten  unsem  beirren  heren  Weutzelyn 
dem  herzogen  van  Lutzelenburch",  dass  er  dem  Herrn  Keinard  die  Herr- 
schaften von  Montjoie  und  Falkenburg  mit  ihrem  Zubehör  sowie  alles,  was 
er  mit  Frau  Philippa  „genomen",  verkauft  habe  und  bittet  den  Herzog, 
Reinard  mit  „der  burch,  stat  inde  ampte  van  sent  Vyt,  die  wir  van  uch 
haldende  waren",  belehnen  zu  wollend 

Aber  die  Rose,  welche  Reinard  sich  da  gepflückt  hatte,  war  nicht  ohne 
Dornen.  Johann  von  Falkenburg,  Herr  von  Born  und  Sittard,  war  im  Besitz 
dieser  Stadt,  und  wahrscheinlich  hat  Reinard  dieselbe  nie  thatsächlich  besessen  ^ 
Eines  andern  Theiles  der  Falkenburger  Errungenschaft  entäusserte  der 
Schönauer  sich  freiwillig:  er  vertauschte  Euskirchen*  und  Rüdesheim, 
welche  Besitzungen  ihm  zu  entlegen  waren,  an  den  Markgrafen  von  Jülich 
gegen  die  Herrschaft  Zetrud-Lumay  oder  Zittard,  südlich  von  Tirleraont, 
die  dem  Markgrafen  aus  dem  Erbe  seiner  Mutter  Elisabeth  von  Brabant 
zugefallen  war.  Da  aber  Euskirchen  grösseren  Werth  hatte  als  Zetrud, 
so  übernahm  Wilhelm  auch  die  Zahlung  der  8000  Goldschilde,  welche  der 
Frau  von  Schöneck  im  Vertrage  von  1353  auf  Euskirchen  und  St.  Vith 
angewiesen  worden  waren.  In  der  Abmachung  zwischen  Wilhelm  und 
Reinard  vom  12.  März  1355  werden  die  Tauschgegenstände  folgender- 
massen  beschrieben:  Wilhelm  erhält  „die  veste  ind  stat  zu  Eustkirch  mit 
der  heerheid  ind  met  den  gerichtcn  hoge  ind  neder,  bennen  ind  buissen 
Eustkirch  gelegin,  die  zu  Eustkirch  gehorint,  vort  mit  den  mannen,  borch- 
mannen,  dienstraannen,  scheffenen,  scheflfenstulen,  mit  den  eigendom,  mit 
allen  reuten  id  si  corengelde,  penniggelt*,  hoenre,  capune,  curmeden,  mulen, 
erfgemal,  benden,  busche,  velt,  wasser,  weide,  vischereyen,  opval,  nederval, 
mit  allen  notz  ind  urber,  die  zu  Eustkirch  gehorint, . . .  mit  der  kirchengicht  ^, 
mit  den  clockenslage  ind  mit  dem  hove  zu  Rudesheim  mit  allen  iren  zubehorin". 


»)  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  A.  I.  574.  Lacomblet  III,  S.  423.  Urk.  519  und 
Anm.  Es  siegeln  Heinrich  in  rothem  Wachs:  gekrönter  Löwe  mit  Schrägbalken,  Gerart 
van  Reysecken,  Ritter:  derselbe  Löwe  ohne  Balken,  Arnold  von  Marken,  Ritter:  doppelt- 
geschwänzter Löwe,  und  Gerard  Busch,  Knappe:  3  Kugeln  (2.  1.) 

*)  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  A.  I.  575.  Siegel  wie  oben;  Arnolds  und  Gerards 
Siegel  abgefallen. 

«)  de  Chestret  S.  31,  Anm.  2. 

*)  Büsching,  Erdbeschreibung  VI.  Theil  S.  131,  sagt:  „37.  Das  Amt  Euskirchen 
oder  Vemich  hat  112G  Morgen,  gibt  von  jedem  26  Albus,  überhaupt  366  Thaler  70  Albus, 
wenn  das  Land  100000  Thaler  erlegt". 

^)  Korn-  und  Goldrenten. 

ö)  Patronat. 


—  89  ~ 

Reinard  erhielt  ^Zyttart  in  Brabanl  prelegin  mit  alle  syme  ziibehorin, 
mit  der  lieerlieid,  mit  den  mannen,  mit  den  scheifeuen,  scheffenstulen, 
mit  dem  gericlite,  mit  allen  renten,  mit  penniggelde,  mit  corengelde, 
mit  einsen,  mit  hoenren,  mit  capunen,  mit  curmeden,  mit  mulen,  mit  erf- 
gemale,  mit  pechten,  mit  buschen,  mit  velden,  mit  wasser,  mit  weiden, 
mit  benden,  mit  bruchgin  \  mit  vischereyen,  mit  opval,  mit  nederval,  mit 
allen  notz  ind  urber,  die  zu  Zyttart  ind  zu  der  heerheid  van  Zyttart 
behorinde  siin^".  Zetrud  war  jedoch  ein  Lehen  der  Grafen  von  Namür 
und  noch  im  Jahre  1358  hatte  Reinard  die  Belehnung  mit  dieser  Herrschaft 
nicht  erlangt^. 

Wir  hörten  bereits*,  dass  Walram,  der  Sohn  Johanns  von  Born,  seine 
Ansprüche  auf  Falkenburg  mit  Waffengewalt  geltend  zu  machen  suchte. 
Das  mag  Reinard  wohl  veranlasst  haben,  sich  ganz  aus  dem  verdriesslichen 
Handel  zu  ziehen.  In  der  letzten  Hälfte  des  August  1356  verkaufte  er 
Falkenburg  und  Montjoie  an  den  Markgrafen  von  Jülich.  Vom  30.  dieses 
Monats  datirt  nämlich  die  Urkunde  ^  worin  Markgraf  Wilhelm  gelobt,  er 
wolle  die  Schlösser  beider  Herrschaften  nicht  in  Besitz  nehmen,  bevor  er 
seinem  Schwager^  Reinard  von  Schönau  die  Briefe  überliefert,  welche 
Heinrich  von  Flandern  von  demselben  in  Händen  habe,  ihm  die  Belehnung 
mit  Zetrud  verschafft  und  ihm  alle  Mundvorräthe  an  Wein,  Korn  und 
allen  andern  Dingen,  seine  Kriegsgeräthe  an  Armbrüsten,  Nothstellen  ^, 
Pfeilen  sowie  seinen  Hausrath  an  Betten,  Schlaflaken,  überhaupt  alles, 
was  Reinard  auf  die  Burgen  geschafft  hatte,  auf  das  Haus  zu  Caster, 
in  die  Stadt  Mastricht  oder  nach  Aachen,  wohin  Reinard  wolle,  abge- 
liefert habe.  Damals  war  also  der  Verkauf  abgeschlossen  und  Caster  als 
Pfandstück  bereits  abgetreten,  jedoch  verzögerte  sich  die  Uebergabe  der 
Burgen  noch,  weil  der  vorsichtige  Reinard  vorher  alle  Schriftstücke  in 
Händen  haben  wollte,  die  ihn  bezüglich  jener  Herrschaften  belasteten.  Auch 
sollte  durch  die  Zögerung  ein  Druck  auf  den  Markgrafen  ausgeübt  werden, 
damit  er  den  Grafen  von  Namür  bewege,  Reinard  endlich  mit  Zetrud  zu 
belehnen. 

Eine  Urkunde  vom  25.  Juni  1361  gibt  weitere  Aufschlüsse.  Wilhelm, 
dieses  Namens  der  zweite  Herzog  von  Jülich,  erklärt  darin,  zur  Zeit  seines 
Vaters  habe  Reinard  den  Ritter  Heinrich  von  Barmen  mit  6240  alten  Gold- 
schilden abgefunden,  ihm  selbst  dann  eine  Schuld  von  3760  Schilden 
berechnet,  so  dass  diese  beiden  Posten  eine  Summe  von  10  000  Goldschilden 
ausmachten  ®.  Ausserdem  stehe  demselben  Reinard  nach  einer  Verschreibung 
vom  Vater   und   Bruder   des    Herzogs    noch    eine   Forderung    von    46000 

*)  Brucheil. 

*)  Fr  an  q  11  inet,  annexe  II,  8.  B5  ff. 
»)  de  Cbestret  S.  33. 
*)  Siehe  oben  S.  22. 
*)  Lacomblet  III,  8.  469,  Nr.  5H1. 
«)  Vgl.  oben  S.  34. 

^)  Wnrfinaschinon.  Verl.  Rboen,  Refestigun^sworke  S.  132  f.  lieber  ihre  AnfortigUDg 
vgl.  (He  Amb'Utuntreii  hn  l.aurent,  Sr:i*Urochnunu;en  8.  184  f. 

*)  128  000  Mark  nach  dem  iunern  oder  89«  000  Mark  nach  dem  jetzigen  Goldwerthe. 


—  40  — 

Goldschilden  zu  ^  Die  Höhe  dieser  Ziffer  beweist,  dass  Herzog  Wilhelm  I. 
von  Reinard  einen  grössern  Landbesitz  erworben  hat,  und  das  kann  nur 
Falkenburg-Montjoie  gewesen  sein.  Wir  kennen  demnach  auch  den  Preis, 
den  Wilhelm  für  beide  Herrschaften  zahlte.  Indessen  hatte  der  Herzog  die 
Summe  nicht  ausgezahlt,  sondern  dafür  dem  Reinard  Burg,  Stadt  und  Land 
von  Caster  *  an  der  Erft  als  erbliches  Eigenthum  übergeben.  Der  Schönauer 
habe  jedoch,  so  fährt  Willielm  II.  in  seiner  Urkunde  fort,  zu  des  Herzogs 
gunsten  auf  die  Erblichkeit  verzichtet  und  ihm  Caster  wieder  anheim- 
gestellt. Darum  verpfände  er,  Wilhelm  IL,  nunmehr  an  Reinard  Burg, 
Schloss  und  das  ganze  Land  von  Montjoie  mit  den  dazu  gehörenden  Dörfern 
und  Kirchspielen,  nämlich:  den  Berg  genannt- Höve^,  Mechernich,  Merode^, 
Kalterherberg,  Mützenich,  Lo verscheid  ^,  die  beiden  Menzerath,  Imgenbroich, 
Conzen,  Fronrath,  Lamberscheid ^,  Puistenbach ',  Sementrot®,  Nieder-  und 
Oberrolsbroich  ^,  Kesternich  und  im  Lande  Ueberruhr:  Wolfseifen,  Kalten- 
born,  Wardenberg,  Morsberg  ^®,  Hetzingen  und  die  Eschauel". 

Für  die  obenerwähnte  Schuld  von  10000  Goldgulden  erhielt  Reinard 
als  Unterpfand  das  Forstamt  von  Montjoie  sowie  die  Dörfer  und  Gerichte 
von  Comelimünster:  Roleflf,  Freund,  Ki'authausen,  Dorpe^^,  Busbach,  Breide- 
nich  ^^,  Haide  ^^,  Venwegen,  Hahn,  Friesenrath,  Walheim,  Pinsheim  ^^  Net- 
heim ^*^,  Schleckheim,  Ober-  und  Niederforstbach,  Gressenich,  Mausbach, 
Krähwinkel,  Eilendorf  und  die  Haar*^ 

Endlich  gewährleistete  der  Herzog  dem  Reinard  und  seinen  Erben 
sowie  seinem  Bruder  Mascherei  und  ihrer  Schwägerin,  der  Frau  von  Uelpich, 
auf  ihren  Gütern  im  Kirchspiele  Richterich  das  Recht  mit  ihren  Laten  zu 
richten  und  zu  dingen,  so  lange  die  Pfandschaft  dauere.  Nur  das  Blut- 
gericht behielt  der  Herzog  sich  vor^®. 

Mit  der  Rückzalilung  jener  Summen  hatte  es  indessen  eben  so  gute 
Wege  wie  mit  Erfüllung  der  andern  Verpflichtungen,  welche  der  Herzog 
Reinard  gegenüber  eingegangen  war.  Der  Schönauer  bestand  jedoch  nicht 
allzu  hartnäckig  auf  den  Bedingungen.  Er  trat  wenigstens  Falkenburg  schon 
bald  ab.  Am  25.  März  1357  bekundet  Herzog  Wilhelm,  dass  sein  Schwager 
Reinard  ihm  dieses  Schloss  überliefert  habe,  und  dass  darum  die  wegen 
Falkenburg  und  Montjoie  eingegangenen  Verpflichtungen  nur  noch  auf  Mont- 
joie haften  sollten  ^^ 

Hemricourt  erzählt  den  Hergang  wie  folgt.  Reinard  erwarb  von 
Heinrich  von  Flandern  Falkenburg.   Als  er  merkte,  dass  er  die  Herrschaft 

»)  Mark  736  000  bzw.  4  233  600. 

*)  Caster  zählte  später  9  Gerichte  (Zeitschrift  des  Aachener  Geschieh tsvercins  ni, 
S.  305  und  Anm.)  und  60  Ortschaften  (mündUche  Mittheilung).  Während  die  Burg  seit 
der  Zerstörung  durch  die  Hessen  im  Jahre  1642  elend  in  Trümmern  liegt,  hat  das  Städtchen 
noch  zwei  Thore,  einen  Theil  der  Ringmauern,  die  Vogtei,  Kellnerei  (es  war  „die  beste  du 
pais**,  Annalen,  Heft  28,  S.  305)  nebst  einigen  alten  Häusern  bewahrt. 

^)  Höven.  *)  Rütgen.  '^)  Lauscheid  V  0)  Lammersdorf.  ^)  Paustenbach.  ^)  Simmerath. 
•)  Rollcsbroich  in  der  Pfarre  Simmerath.  *®)  Morsbach.  '*)  Eschweide?  oder  Eschanel  in 
der  Pfarre  Schmidt?  Vgl.  über  die  Namen  Annalen,  Heft  6,  S.  24.  *«)  Dorf.  ")  Breinich. 
»)  Breinicher  Haide.  '^)  Verschwunden.  »«)  Nöthcira,  Nutten.  ")  Die  Haarhöfe?  »«)  Lacom- 
blet  III,  S.  521.  Urk.  261.     "»)  Das.  S.  477.  Urk.  570. 


—  41   — 

nicht  werde  halten  können,  vertauschte  er  dieselbe  gegen  Caster  an  den  Her- 
zog von  Jülich.  Um  baares  Geld  erwarb  er  dann  von  letztenn  Montjoie.  Weil 
nun  diese  Besitzung  ganz  von  jülichschem  Gebiete  umgeben  war  und 
Reinard  fürchtete,  der  Herzog  möchte  es  ihn  dort  entgelten  lassen,  wenn 
es  wegen  Falkenburg  Späne  setze,  bewog  er  denselben  zu  einem  zweiten 
Tausche  und  nahm  für  Montjoie  die  Herrschaft  Sichern  bei  Diest*.  Das 
hört  sich  an,  als  wenn  der  Herzog  eine  Marionette  in  der  Hand  Reinards 
gewesen  wäre.  Die  obige,  auf  Lacomblets  Urkunden  gegründete  Darstellung 
zeigt  deutlicli  die  Unrichtigkeit  der  Hemricourtschen  Erzählung.  Hier 
lässt  sich  an  einem  schlagenden  Beispiele  nachweisen,  dass  man  Hemricourt 
doch  nicht  alles  aufs  Wort  glauben  darf. 

Auffallen  mag  es  aber  doch,  dass  Reinard  das  fruchtbare  Land  Caster 
gegen  das  rauhe  Montjoie  eingetauscht  hat.  Um  den  Beweggrund  kennen 
zu  lernen,  müssen  wir  einige  Jahre  zurückgreifen.  In  einer  Urkunde  vom 
•6.  Mai  1348  bezeichnet  sich  Reinard,  der  bis  dahin  stets  den  Titel  von 
Schönau  führte,  zum  erstenmal  als  Herr  von  Schönforst,  eine  Benennung, 
die  er  seitdem  immer  gebrauchte  und  die  nach  de  Chestrets  Bemerkung 
erst  mit  ihm  in  den  Urkunden  auftritt.  Reinard  hat  also  ein  Gebiet  erworben, 
dort  eine  Burg  angelegt  und  derselben  von  ihrer  Lage  im  Walde  den 
Namen  Schönforst  gegeben,  damit  zugleich  anspielend  auf  den  Stammsitz 
seiner  Familie  Schönau.  In  der  Urkunde,  durch  welche'  Reinard  II.  am 
Andreastage  1387  die  Hälfte  von  Schönforst  an  den  Erzbischof  Friedrich 
von  Köln  verpfändet,  wird  die  Burg  beschrieben  als  versehen  mit  „turnen, 
graven,  muiren,  vurburgen  ind  vesteningen" ;  der  Erzbischof  soll  sie  mit 
Amtleuten,  Thurmknechten,  Pförtnern  und  Wächtern  besetzen  dürfen*.  Es 
war  demnach  ein  stattlicher,  fester  Sitz.  Von  wem  aber  hat  Reinard 
jenen  Bezirk  erhalten?  Jedenfalls  von  seinem  Gönner  Karl  IV.  Denn  in 
der  angeführten  Verpßlndung  erklärt  Reinard  IL,  Schönforst  sei  Reichs- 
lehen, darum  müsse  er  die  Genehmigung  des  römischen  Königs  einholen. 

Nun  ist  wohl  klar,  warum  Reinard  I.  sich  grade  Montjoie  und  Corneli- 
münster  vom  Herzoge  von  Jülich  verpfänden  Hess.  Das  waren  ja  die 
Herrschaften,  welche  seiner  neugegründeten  Stammburg  zunächst  lagen 
und  in  ihrem  Zusammenhange  ein  schönes  Gebiet  bildeten.  Ihr  Werth 
erhöhte  sich  bedeutend  durch  die  mitverpfSndete  Waldgrafschaft.  Reinard 
hat  es  genau  so  gemacht,  wie  später  der  Herr  von  Bongart,  der  sich  im 
Jahre  1361  das  rings  um  seine  Burg  Heiden  liegende  ehedem  pfalzgräf- 
liche Allod  Richterich  von  Herzog  Wilhelm  zur  Sicherung  seines  Guthabens 
anweisen  liess.  Nach  einem  andern  Beweggrunde  zu  suchen  ist  demnach 
überflüssig.  Dass  übrigens  Reinard  diesen  Plan  schon  längere  Zeit  im 
Sinne  führte,  scheint  mir  daraus  hervorzugehen,  dass  er  bei  den  oben 
erwähnten  Verhandlungen  wegen  der  Falkenburger  Güter  jede  Belastung 
Montjoies  vermied  und  die  Verpflichtungen  auf  diejenigen  Gebietstheile 
ablud,  welche  er  an  den  Herzog  von  Jülich  verkaufte. 


^)  Uebcr  Sichern  werden  wir  ^l<»ich  das  Richtige  bringen. 

')  Lehn-  und  Mannbuch  des  Erzstifts  Köln  I,  Nr.  505.  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf. 


—  42  — 

Wie  verhält  es  sich  nun  mit  dem  von  Heniricourt  erwähnten  Besitze 
in  Sichern?  Reinard  hat  diese  Herrschaft  nicht  durch  Tausch  sondern 
durcli  Kauf  erworben.  Am  29.  August  1358  überli essen  ihm  nämlich 
Herzog  Wilhelm  II.  und  dessen  ältester  Sohn  Gerard  zwei  Besitzungen, 
welche  wie  Zetrud  aus  dem  Nachlasse  der  Elisabeth  von  Brabant  herkamen, 
nämlich  Sichem  bei  Diest  und  St.  Agathenrode  (Achtenrode,  südlich  von 
Löwen)  für  70  000  alte  Goldschilde.  Das  machte  896  000  Mark  aus,  heute 
wären  es  6272000  Mark.  Vorsichtig  wie  immer  begnügte  sich  Reinard 
nicht  mit  den  Unterschriften  Wilhelms  und  Gerards,  auch  des  Herzogs 
zweiter  Sohn  Wilhelm  musste  seine  Zustimmung  zum  Verkaufe  geben  und 
auf  alle  Anspräche  verzichten  (28.  Aug.  1359)*.  Reinard  trat  am  7.  Mai 
1371  Sichem  an  seinen  ältesten  Sohn  Reinard II.  ab*;  St.  Agathenrode  kam 
an  den  zweiten,   Johann^. 

Nach  Hemricourt  hätte  Reinard  noch  grosse  Kosten  und  viele 
Mühen  aufwenden  müssen,  um  vom  Herzog  von  Brabant  die  Belehnung 
mit  diesen  grossen  Herrschaften  zu  erlangen,  weil  Wenzel  einen  Herzog 
von  Jülich  nicht  mit  einem  Herrn  von  Schönforst  als  Lehnsmann 
vertauschen  wollte.  Dynter*  gibt  einen  realem  Grund  an:  der  Jülicher 
wollte  sich  der  Wiedervergeltung  von  Seiten  des  Brabanters  wegen 
der  Beraubungen  entziehen,  denen  des  Letzteren  Unterthanen  im  Lande 
von  Jülich  ausgesetzt  waren;  da  ist  es  begreiflich,  dass  Wenzel  zögerte, 
sich  die  bequemste  Gelegenheit  zur  Ahndung  der  Unbilden  entreissen  zu 
lassen.  Wenn  er  trotzdem  seine  Einwilligung  gab,  so  sehen  wir  hierin 
den  besten  Beweis  für  den  Einfluss  und  die  Werthschätzung,  deren  sich 
Reinard  damals  am  Brabanter  Hofe  erfreute.  Wir  fügen  gleich  einen 
zweiten  bei.  1364  März  16.  erklären  Herzog  Wenzel  und  seine  Gemahlin 
Johanna,  sie  hätten  zwar  die  Rechte  der  Philippa  von  Falkenburg,  des 
Herrn  von  Brederode  und  der  Äbtissin  von  Maubeuge  auf  die  Herrschaft 
Montjoie  an  sich  gebracht,  wollten  aber  doch  den  Reinard  von  Schönau, 
der  ihr  Rath,  Ritter  und  Mann  sei,  so  lange  in  ruhigem  Besitze  belassen, 
bis  der  Herzog  von  Jülich  denselben  bezahlt  habe^. 

Gelegentlich  des  Ankaufs  von  Sichem  und  St.  Agathenrode  Hess 
sicli  Reinard  auch  den  Zoll  zu  Kaiserswerth  bestätigen.  Hiermit  hatte  es 
folgende  Bewandtniss.  Gerard,  der  älteste  Sohn  Wilhelms  von  Jülich, 
hatte  Margarethe  von  Berg  geheirathet  und  mit  ihr  1346  die  Grafschaft 
Ravensberg  und  1348  die  Grafschaft  Berg  geerbt.  Der  dem  Hause  Jülich 
gehörende  ^  Rheinzoll  zu  Kaiserswerth  wurde  ihm  jedoch  streitig  gemacht. 
Durch  gesciiickte  Verhandlungen  erreichte  Reinard,   dass  der  Graf  zum 


M  de  Chestret  S.  41. 

2)  Das.  S.  57. 

8)  Vgl.  das.  S.  61  und  Anm.  2. 

*)  Ohroniquc  des  ducs  de  Brabant  III,  S.  59.  Dyntcr  (f  1448)  war  Sekretär  bei 
vier  Herzogen  von  Burgund-Brabant  (Feiler,  Dlctionaire  Historique  II,  579),  er  ist  also 
gewiss  ein  bcmfener  Zcnge  und  glaubwürdiger  als  Hemriconrt. 

»)  Lac om biet  III,  S.  550.  Urk.  (552. 

•)  Zeitscbrift  des  Aachener  Geschichtsverein  XllI,  S.  141,  148.  Annalen,  Heft  9,  S.  85. 


—  43  — 

rascheren  Besitze  desselben  gelangte.  Dafür  gaben  ihm  Gerard  und  Marga- 
rethe  einen  Antheil  am  Zolle  bis  zum  Ertiuge  von  12000  alten  Schilden  (1358 
Aug.  16.).  Dieser  Antheil  ist  unter  dem  Zolle  von  Kaiserswerth  in  der  Ur- 
kunde vom  29.  August  zu  verstehen.  Interessant  sind  die  im  Verleihungs- 
briefe angeführten  Zollsätze.  Vom  Fuder  Wein,  vom  Centner  Hafer,  von  der 
Last  Häringe,  von  drei  Mühlsteinen  und  von  drei  Fass  Stahl  sollte  Reinard 
je  zwei,  von  der  Last  gesalzener  Fische  je  einen,  vom  Centner  Hartkorn 
je  vier  Turnoser  Groschen  erhalten,  gleichviel  ob  die  Schiffe  zu  Berg  oder 
zu  Thal  fuhren  K  Mit  diesem  Zolle  stattete  Reinard  seine  Tochter  Adelheid 
aus,  als  sie  1363  den  Herrn  Conrad  zur  Dyck  heirathete^ 

Oben  ^  haben  wir  bereits  gehört,  dass  auch  ein  Antheil  am  Mastrichter 
Zolle  Reinard  gehörte,  ausserdem  war  er  noch  an  zwei  anderen  betheiligt: 
an  dem  zu  Lobith  zur  Hälfte,  an  dem  zu  Nimwegen  mit  einem  Ertrage 
von  4  Groschen  (gros)'*.  Letztern  vererbte  er  auf  seinen  ältesten  Sohn; 
der  Zoll  zu  Lobith,  wo  Reinard  den  Städten  Arnheim,  Nimwegen.  Ztitphen 
und  Roermond  Zollfreiheit  bewilligte,  war  wohl  eine  Entschädigung  für 
die  dem  Herzoge  Eduard  von  Geldern  geleisteten  Vorschüsse.  Als  Johann 
von  Mors  die  Schuld  des  Herzogs  mit  8405  Brügger  Thaler  zurückgezahlt 
hatte,  ging  der  Zoll  auf  ihn  über^.  (1363). 

Reinards  Gemahlin  hatte  aus  ihrer  ersten  Ehe  mit  Otto  von  Born 
einen  gleichnamigen  Sohn,  der  von  seinem  Vater  die  Herrschaft  Elslo  ererbt 
hatte  und  mit  Johanna  von  Breidenbend  verheirathet  war.  Da  die  Ehe 
kinderlos  blieb,  sicherte  sich  Reinard  die  Güter  seines  Stiefsohnes  dadurch, 
dass  er  für  3000  alte  Goldschilde  eine  jährliche  Rente  von  300  Schilden 
auf  „burch,  laut  ind  heerlichheid  van  Eilslo,  van  Bicht  ^  ind  van  Catsop"  ^ 
kaufte.  Zu  grösserer  Sicherheit  verschrieb  Otto  noch  die  „beede"  und 
„schetzinge"  ®  von  Bocholt  und  Brogel,  zwei  Enklaven  in  der  Grafschaft 
Looz,  welche  vom  Herzog  von  Jülich  zu  Lehen  gingen.  Auch  versprachen 
Otto  und  seine  Frau,  dass  letztere,  wenn  ihr  Mann  vor  ihr  stürbe,  sich 
mit  ihrer  „liifzucht,  medegave  ind  douarie"  begnügen  und  dem  Herrn  von 
Sqhönforst  die  Burg  von  Elslo  tibergeben  werde;  die  Güter,  welche  sie 
selbst  mit  in  die  Ehe  gebracht,  sollten  vom  Versatz  ausgesclilossen  sein. 
Den  Brief  unterschrieben  als  Zeugen  Bischof  Engelbert,  der  Herzog  von 
Jülich  „want  men  dat  vurburge  van  der  burch  mit  den  dorpe  van  Elslo 
ind  dat  dorpe  van  Bijclit  van  uns  zu  leen  haldende  is"  ^,  Everard  von  der 

*)  Lacomblet  III,  S.  487.  ürk.  582. 

«)  do  Chestret  S.  41. 

»)  Siehe  S.  37. 

*)  Hier  steht  ein  Theil  für  das  Ganze.  So  heisst  es  auch  in  einer  Urkunde  bei 
Lacomblet  III,  Nr.  684,  vom  Jahre  1368,  wo  Herzog  Wilhelm  von  Jülich  nebst  Frau, 
Mutter  und  Schwester  den  Kaiserswerther  Zoll  an  Pfalzgraf  Ruprecht  von  Baiern  ver- 
pfändete, vom  Antheile  Reinards  und  Reiferscheids,  dass  „der  van  Ryfferscheit  ind  der  van 
Schoenvorst  in  yren  vier  groissen  an  dem  vurgen.  zolle  Werde  bliven  sitzen". 

*)  de  Chestret  S.  43. 

®)  Grevenbicht. 

')  Weiler  von  Elslo. 

•)  do  Chestret  übersetzt  ^les  aides**  (Verbrauchssteuern) und  „tailles**  (Grundsteueni). 

•)  Vgl.  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvercins  XIII,  S.  138. 


—  44  — 

Mark,  Herr  von  Arenberg*  und  Neuenburg,  Werner  von  Breidenbend  und 
Werner  von  Bruehhausen,  Herr  von  Wickrath.  1361  K  Im  Oktober  des- 
selben Jahres  gab  dann  Otto  aus  Wohlwollen  gegen  seine  Stiefbrüder,  „die 
onse  vrouwe  ende  müder  nu  ter  tiet  hebt  van  den*  here  van  Scoenvorst 
of  nomoels  van  horae  mach  verengen",  die  Zusicherung,  dass  nach  seinem 
kinderlosen  Absterben  Burg,  Land  und  Herrlichkeit  von  Elslo,  Bicht  und 
Gatsop  jenen  erblich  anerfallen  und  gehören  solle.  In  diesem  Akte  wird 
die  Leibzucht  und  Nutzniessung  (douarie)  der  Frau  Johanna  an  Brogel 
und  Kessenich  (zwischen  Maaseyck  und  Boermond)*  vorbehalten.  Zeugen 
sind  der  Bischof  von  Lüttich,  der  Herzog  Eduard  von  Geldern  und  Zütphen, 
der  Herzog  von  Jülich  ^.  Die  Herrschaft  Elslo  kam  hernach  an  den  dritten 
Sohn  Reinards,  Conrad,  der  sich  nach  derselben  nannte.  Da  Conrad  in 
seinem  Heirathsver trage*  mit  Catharina  von  Argenteau  vom  10.  September 
1372  nur  von  Schönforst  genannt  ist,  so  erhellt,  dass  er  erst  nach  diesem 
Akt«  in  den  Besitz  von  Elslo  kam.  Das  Testament  seines  Vaters  bedachte 
ihn  noch  mit  den  Dörfern  Zetrud,  Lümmen  und  Onderdenl)erg  ^  In  den 
Registern  des  Lehenhofes  von  Brabant  erscheint  Reinard  als  Besitzer 
folgender  Lehen:  des  Hofes  von  Hartart  (Hartert,  Hartelstein,  nördlich 
von  Mastricht  bei  Borg-Haren,  später  im  Besitze  Engelberts  von  Schöuforst), 
mit  Land,  Benden,  Büschen,  mit  der  Fischerei  und  einer  Insel  in  der 
Maas,  mit  dem  Zinse  und  dem  Korngelde  in  der  Umgegend;  des  Gutes 
und  der  Herrlichkeit  zu  Heerlen  mit  Korngeld  und  Kapaunen  „dat  hi 
vercreech  jegen  Herman  van  Vervych*';  endlich  der  Herrlichkeit  Kessenich^. 

Als  Limburger  Lehen  Reinards  verzeichnet  de  Chestref  Burg  und 
Dorf  Walravensberg  an  der  lüde,  heute  Nothberg. 

Nach  einer  gefalligen  Mittheilung  des  Herrn  Geheimen  Archivraths 
Dr.  Harless  in  Düsseldorf  hat  sich  „über  Lehen,  welche  Reinard  von 
Schönau,  Herr  zu  Schönforst,  von  dem  Markgrafen  bezw.  Herzog  von  Jülich 
empfangen,  weder  in  den  Urkunden  und  Litteralien,  noch  in  den  Lehens- 
registem  des  Herzogthums  Jülich  etwas"  ermitteln  lassen.  „Das  älteste 
Jülichsche  Lehnscopiar  ist  nicht  mehr  vorhanden,  doch  hat  sich  ein  alpha- 
betischer Index  (S.  XVI.)  der  seitens  der  Landesherrn  von  1288  erfolgten 
Belehnungen  erhalten,  in  dem  sich  bezüglich  jenes  Reinard  nur  folgendes 
Regest  findet:  „Die  Heid^  belangend  hait  Reynart  von  Schonauen  .  .  . 
bekentniss  von  sich  gegeven,  das  er  ontfangen  have  von  dem  marggreven 
von  Gulich  einen  .  .  .  brief  .  . .  das  Goedert  van  der  Heiden  ritter  bekent, 
das  er  syn  huys  zur  Heiden  mit  sym  vorborg  und  mit  den  graven,  so  wie 
sy  beid  gelegen  syn  bynnen  irem  cingell,  mit  alle  den  vestongen,  die  da 


*)  Franquinet,  annexe  V,  S.  72  flP. 
*)  Vgl  de  Chestret  S.  26,  Anm.  3. 
')  Franquinet,  annexe  VI,  S.  78  f. 
*)  Das.  annexe  VIII,  S.  80  f.    Vgl.  unten  XI:  Conrad. 
*)  Franquinet,  annexe  IX,  S.  82. 
«)  de  Chestret,  S.  51  und  Anm.  1,  S.  26. 

')  Das.  8.  26.  In  Zeitschrift  des  Aachener  Oeschichtsvereins  VI,  S.  115  wird  Nothberg 
als  JüHchcr  Lehen  aufgeführt. 

®)  Das  Haus  zur  Heiden.    Vgl.  oben  8.  41. 


—  45  — 

synt  oder  gemacht  werden,  entfangen  und  offenhuys  gemacht  haflf  des  marg- 
greven  von  Gulich  .  .  .  widder  aller  mallich  on  eynen  bischofFen  von 
Collen.  Datum  des  bekentniss  1352".  Hat  etwa  Reinard  auch  dem  Bongart 
Geld  geliehen  und  Heiden  als  Pfand  erhalten? 

Eine  Verfügung  Reinards  zu  gunsten  seiner  beiden  ältesten  Söhne 
vom  2.  August  1369,  welche  wir  unten  näher  besprechen  Verden,  erwälint 
noch  folgende  Besitzungen  des  Herrn  von  Schönforst:  den  Hof  auf  dem 
Berlich  zu  Köln,  den  Hof  zu  Rehoven  *,  den  Hof  zu  Richterich,  den  Hof 
in  der  St.  Jakobstrasse  zu  Aaclien,  die  Herrlichkeit  von  Marchienne-au- 
Pont  mit  der  Vogtei  von  Thuin,  die  herrschaftlichen  Häuser  in  Brüssel, 
St.  Trond  und  Lüttich.  üeber  die  Besitzung  auf  dem  Berlich  berichten 
Zinsverzeichnisse  der  Johannitercommende  zu  St.  Johann  und  St.  Oordula*. 
Reinard  besass  ein  Haus  in  der  genannten  Strasse,  welches  auf  St.  Clara 
zu  gelegen  war  und  früher  dem  Heinrich  de  varia  penna  (van  der  bonten 
vederen)  gehört  hatte.  Am  11.  März  1361  kaufte  bezw.  nahm  er  in  Erb- 
pacht gegen  einen  jährlichen  Zins  von  6  Mark  kölnisch  eine  den  Johannitern 
gehörende,  an  sein  Eigenthum  anstossende  und  dem  „Freudenthal"  gegenüber- 
liegende Behausung  (mansio)^  oflfenbar  um  seine  ursprüngliche  Wohnung  zu 
vergrössern.  Der  Erbzins  sollte  dazu  dienen,  den  Mitgliedern  des  Convent<< 
am  Ostertage  im  Refektorium  eine  „pictantia",  d.  h.  eine  aussergewöhnliche 
Erfrischung  zu  bereiten.  Das  Original  des  Kaufaktes  lag  im  Schrein 
Columba.  Die  Liegenschaft  hiess  noch  im  17.  Jahrhundert  Schönforster 
Hof,  curia  Schoneforst. 

Reinards  Aachener  Besitzung,  welche  ebenso  den  Namen  behalten 
hatte,  ist  erst  in  neuester  Zeit  verschwunden.  Sie  lag  an  der  Stelle,  wo 
jetzt  die  Paulusstrasse  in  die  Jakobstrasse  mündet  und  kam  mit  der  Herr- 
schaft Schönforst  in  den  Besitz  der  Herzoge  von  Jülich.  Die  Herrlichkeit 
Marchienne  mit  Thuin  kam  her  von  Heinrich  VI.,  Graf  von  Salm  in  den 
Ardennen,  dem  Schwiegervater  von  Reinards  Tochter  Philippine.  Wahrschein- 
lich war  sie  an  Reinard  verpfändet^. 

Das  Haus  in  Lüttich  kaufte  Reinard  vom  Nachfolger  seines  Brudei*s 
in  St.  Trond,  dem  Abte  Robert  von  Crenwick.  Johann  von  Schönau  liess 
den  Kaufakt  am  20.  August  1367  in  die  Realisationsbücher  in  Lüttich  ein- 
tragen*; auf  ihn  tibertrugen  auch  die  Söhne  Reinards  ihre  Antheile  nach 
dem  Tode  des  Vaters.  Heute  befindet  sich  dasselbe  im  Besitze  des  Lütticher 
Männer-Gesang- Vereins  La  Legia. 


*)  de  Chcstret,  (S.  55,  Anm.  2)  denkt  an  Reckhoven  in  der  Orafschaft  Looz,  der 
Hof  lag  aber  in  der  Herrlichkeit  Schönforst.  Reinard  II.,  sein  Schwiegersohn  Gerard  von 
Endelsdorf  und  seine  Tochter  Catharina  verkauften  denselben  1395  an  den  Abt  von 
Comelimünster,  Pawijn  Boyme  von  Merzenhausen,  für  300  rhein.  Gulden,  wobei  „wie 
gewöhnlich*^  dem  Pfluge  sein  Recht  gewahrt  wurde.  Endelsdorf  siegelt  mit  Horizontal- 
balken, in  der  oberu  Schildhälfte  ein  wachsender  Löwe.  Sonntag  nach  Lichtmesseu.  (7.  Febr.) 
Staatsarchiv  zu  Düsseldorf.  Orig.-Urk.:  Comelimünster.  Für  Gerard  vgl.  Strange,  Bei- 
träge zur  Genealogie  ...  I,  S.  8,  Anm.  1. 

*)  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf,  Faszikel  53,  Nr.  60. 

^  de  Chestret  S.  55  und  Anm.  4. 

*)  Das.  S.  51  und  Anm.  2. 


—  46  — 

V.    Reinard  der  Diplomat.    Seine  Beziehungen  zu  den  Fürsten. 
Seine  Thätigkeit  als  Vermittler  und  in  den  Landfriedensbünden. 

Wir  haben  uns  im  Vorhergehenden  mehrfach  gegen  die  durch  Hemricourt 
aufgebrachte,  von  Franquinet  und  de  Chestret  angenommene  und  weiter 
ausgeführte  Ansicht  wenden  müssen,  als  sei  Reinard  ein  besonders  hab- 
süchtiger Mensch  gewesen,  der  zur  Befriedigung  seines  Eigennutzes  selbst 
die  verwei'flichsten  Mittel  nicht  gescheut  habe.  Wen  die  bisherigen  Aus- 
führungen noch  nicht  von  der  Falschheit  dieser  Auffassung  überzeugten, 
dem  werden  hoffentlicli  die  nunmclir  zu  erzählenden  Thatsachen  auch  den 
letzten  Zweifel  an  Reinards  Redlichkeit  benehmen.  In  der  That,  wie 
verkommen  hätten  jene  Bischöfe,  Kurfürsten  und  Landesherren  bis  zum 
Kaiser  hinauf  sein  müssen,  um  einen  Wucherer  und  Gaunei-  zu  ihrem 
Rath,  Geschäftsträger,  ja  zu  ihrem  Vertrauten  in  schwierigen  Familien- 
angelegenheiten zu  machen  bezw.  ihn  selbst  in  ihre  Familien  aufzunehmen! 
Doch  lassen  wir  die  Urkunden  reden  und  den  Leser  urtheilcn. 

Es  ist  schon  erzählt  worden,  mit  welchem  Vertrauen  Bischof  Adolf  von 
Lüttich  —  und  zwar  gleich  nach  dem  verrufenen  Wollgeschäft  —  Reinard 
beehrte,  wie  er  ihn  zu  seinem  Marschall  machte  und  ihm  gar  die  eigene 
Nichte  zur  Frau  gab.  Gleichen  Zutrauens  erfreut«  sich  der  Schönauer 
bei  Adolfs  Neffen  und  Nachfolger,  Engelbert  von  der  Mark,  der  es  haupt- 
sächlich der  Gewandtheit  desselben  zu  verdanken  hatte,  dass  er  Bischof 
von  Lüttich  wurde.  Und  Engelbert  war  ein  tüchtiger  Fürst,  der  Strenge 
und  Milde  wohl  zu  vereinen  wusste. 

Dem  Erzbischof  von  Köln,  Walram,  leistete  Reinard  grosse  Vorschüsse 
und  treue  Dienste.  Wir  hörten  auch,  dass  Walram  eine  bedeutende  Summe 
aufwendete,  um  sich  den  Schönauer  durch  das  Band  der  Vasallenschaft 
enger  zu  verbinden.  Das  geschah  1347,  nachdem  Reinard  im  Jahre  vorher 
den  grossen  Handel  mit  König  Johann  von  Böhmen  abgeschlossen  hatte, 
wonach  der  Böhme  des  Erzbischofs  Schulden  an  Reinard  abtragen,  Walram 
dagegen  dem  Sohne  Johanns,  Karl  IV.,  der  sich  wider  Ludwig  den  Baier 
als  Gegenkönig  aufwarf,  seine  Stimme  bei  der  Wahl  geben  sollte.  Es  ist 
wohl  sicher,  dass  Walram  das  unwürdige  aber  nicht  mehr  ungewöhnliche  ^ 
Geschäft  nur  mit  Widerstreben,  nur  auf  das  Drängen  des  blinden  Königs 
und  getrieben  durch  die  eigene  Geldnoth  abgeschlossen  hat.  jedoch  geholfen 
hat  es  ihm  nicht.  Schon  wenige  Jahre  nachher  begab  er  sich,  von  Schulden 
fast  erdrückt,  nach  Paris  um  dort  zu  sterben.  Vor  seiner  Abreise  gab 
er  dem  Herrn  von  Schönforst  einen  letzten  Beweis  seines  Vertrauens:  er 
ernannte  ihn  zu  seinem  „gemeinen  vickeris  in  werblichen  sachcn**,  d.  h.  zu 
seinem  Generalvikar  oder  Stellvertreter  in  der  weltlichen  Verwaltung  des  Erz- 
stiftes, und  als  solcher  stellt  Reinard  am  3.  März  1349  eine  Urkunde  aus  2. 

Walram  starb  zu  Paris  am  14.  August  desselben  Jahres.  Des  Kaisers 
Kanzler,  Propst  Nikolaus  von  Prag,   machte  sich  Hoffnung  auf  die  Nach- 


*)  Schon  bei  [der  Wahl  Friedrieh  des   Schönen   war   Aehnhches  geschehen.    Vgl. 
Weiss,  Weltgesch.  VI,  S.  365. 

«)  Lacomblet  III,  S.  381.  Urk.  474. 


—  47  — 

folge.  Vierzehn  Tage  nach  dem  Ableben  Walrams  traf  er  bereits  eine 
Verabredung  mit  Graf  Gerard  von  Berg:  wenn  er  Erzbischof  werde,  wollten 
beide  je  zwei  Herren  ihres  Rathes  mit  der  Schlichtung  aller  Streitfragen 
betrauen;  könnten  diese  sich  nicht  einigen,  so  sollten  sie  den  Herrn  von 
Schönforst  zu  einem  „Obermeister"  nehmen  und  sich  nach  dessen  Ausspruch 
richtend  Die  Stellung,  welche  Reinard  hier  zugedacht  wurde,  erforderte 
gewiss  einen  nicht  blos  kundigen  und  klugen,  sondern  vor  allen  Dingen 
ehrlichen  und  unparteiischen  Mann:  welch  ehrenvolles  Zeugniss  für  Reinard, 
dass  man  grade  ihn  dazu  ausersah.  Nun  könnte  man  etwa  denken, 
Nikolaus  und  Gerard  hätten  den  Schönauer  durch  diese  Auszeichnung  ver- 
anlassen wollen,  seinen  P^influss  zu  gunsten  des  Prager  Propstes  zu  ver- 
wenden. Dann  haben  sich  aber  beide  Herren  getäuscht.  Reinard  soll 
zwar  —  nach  Hemricourt  —  in  dieser  Angelegenheit  gearbeitet  haben,  aber 
nicht  für  Nikolaus  sondern  für  Wilhelm  von  Gennep  ^  den  Propst  zu  Soest, 
der  ihn  auch  „reichlich  belohnt*^  habe.  Wenn  wirklich  Wilhelm  den  Herrn 
von  Schönforst  zu  seinem  Geschäftsträger  gemacht,  ihm  die  entstandenen 
Unkosten  reichlich  veigütet  und  vielleicht  auch  sonst  noch  seine  Dankbar- 
keit bezeugt  hat:  so  musste  auch  die  Erzdiözese  Reinard  dankbar  sein 
für  seine  Bemühungen,  denn  Wilhelm  war  wie  Engelbert  von  Lüttich  ein 
vortrefflicher  Bischof.  Er  liebte  und  bewahrte  den  Frieden,  soweit  das 
in  jenen  aufgeregten  Zeiten  möglich  war,  befreite  das  Erzstift  von  seinen 
Schulden  und  sorgte  gewissenhaft  auch  für  das  geistige  Wohl  der  ihm 
anvertrauten  Heerde.  Wären  etwa  simonistische  Umtriebe  bei  dieser  Wahl 
vorgekommen,  so  müsste  man  diese  auf  das  schärfste  veiiirtheilen ;  sonst 
aber  lässt  sich  der  Wunsch  nicht  unterdrücken,  es  möchten  alle  Bischofs- 
wahlen jener  Zeit  so  gut  ausgefallen  sein  wie  die  beiden,  bei  denen  Reinard 
seine  Hände  im  Spiele  gehabt  haben  soll. 

Betrachten  wir  Reinards  Stellung  zu  den  weltlichen  Fürsten,  zunächst 
des  Hauses  Jülich,  so  haben  wir  zu  dem  bereits  Gesagten  nicht  mehr 
viele  aber  für  das  in  ihn  gesetzte  Vertrauen  dieser  Herren  bedeutsame 
Thatsachen  anzuführen. 

1347  vermittelte  Ritter  Reinard  von  Schönau  in  Gemeinschaft  mit 
dem  Markgrafen  von  Jülich  einen  Vergleich  zwischen  dem  Erzbischof  Walram 
und  dem  Grafen  Engelbert  von  der  Mark;  1849  erfolgte  ein  zweiter 
Spruch  zwischen  denselben  Parteien  ^ 

Böse  Dinge  waren  um  diese  Zeit  im  Hause  Jülich  vor  sich  gegangen. 
Die  Söhne  Wilhelms  hatten  sich  gegen  den  Vater  empört  und  ihn  sogar 
ins  Geföngniss  geworfen.  Der  Grund  zum  Frevel  ist  nicht  aufgeklärt. 
Damberger  schreibt*:  „Der  kriegerische  Sinn  des  Markgrafen  hatte  Schulden 


M  Lacomblct  III,  S.  389.  Urk.  487. 

*)  1349  gibt  „Reinher  v.  Scboinhovon,  Herr  zu  Scbonenforst",  neben  drei  andern 
Herren  namens  des  Erzbischofs  Wilhehn  der  Stadt  Andernach  gewisse  Znsicherungen, 
wogegen  die  Stadt  den  Erzbischof  günstlich  empfangen  und  ihm  willig  dienen  sone. 
Annalen  .  .  .  Heft  59,  S.  79. 

«)  Laconiblet  III,  S.  361.  Urk.  450. 

*)  Synchron.  Gesch.  XV,  S.  92. 


—  48  — 

auf  Schulden  gehäuft  und  doch  nichts  ausgerichtet,  worüber  selbst  die 
Söhne  erbosten  und  vielleicht  noch  wegen  anderer  Sachen.  Sie  thürmten 
ihn  sogar  ein,  doch  wie  scheint  erst  im  Spätjahr  1349.**  Da  der  Aachener 
Rath  unmittelbar  vor  der  Krönung  Karls  IV.,  die  am  25.  Juli  stattfand, 
mehrfach  Boten  an  den  Markgrafen  nach  Düren  und  Vogelsang  scliickte* 
und  Wilhelm  selbst  der  Krönung  beiwohnte^,  so  dürfte  die  Zeitangabe 
stimmen.  Die  Aachener  Stadtrechnung  erwähnt  das  Ereigniss  auch,  gibt 
aber  weder  Zeit  noch  Grund  an.  Es  heisst  nur,  dem  Grafen  von  Berg  seien 
100  Mark  gegeben  worden,  als  er  zum  erstenmal  „post  captivitatem"  ^ 
seines  Vaters  nach  Aachen  kam.  Bevor  die  Gewaltthat  erfolgte,  versuchten 
die  Freunde  des  Hauses,  darunter  auch  Reinard,  eine  Vermittelung.  Letzterer 
verabredet  am  1.  Juli  1349  eine  Zusammenkunft  zur  Sühnung  des  Mark- 
gi'afen  mit  seinen  Söhnen*;  leider  waren  die  Bemühungen  ohne  Erfolg. 
Reinard  blieb  jedoch  in  seiner  Verstrauensstellung. 

Am  7.  Februar  1357  erscheint  er  neben  Godart  von  der  Heiden  als 
Bürge  des  Herzogs  für  den  Ehevertrag  zwischen  dessen  Tochter  Philippa 
mit  dem  Herrn  von  Heinsberg^,  und  1367  vermittelt  er  zwischen  dem 
Herzoge  und  dem  Grafen  von  Wied  wegen  der  Aussteuer  der  verstorbenen 
Gemahlin  des  letzteren,  einer  Schwester  Wilhelms  II.  Es  handelte  sich 
um  eine  Geldrente  von  1000  Schilden.  Für  den  Betrag  von  700  Schilden 
Rente  erhielt  der  Graf  die  Amtmannschaft  von  Sinzig  und  Breisig,  für 
die  übrigen  300  das  Haus  Vernich^. 

Nun  zu  Brabant.  Als  Herzog  Johann  III.  1355  starb,  gingen  die 
beiden  Herzogthümer  Brabant  und  Limburg  auf  die  Tochter  Johanna  über, 
welche  mit  Wenzel  von  Luxemburg,  dem  Bruder  Karls  IV.,  vermählt  war. 
Reinard  stand  auch  bei  diesem  Fürstenpaare  in  hohem  Ansehen;  die  erste 
Gunstbezeugung  war  die  Bestätigung  aller  Privilegien  und  Briefe,  die  er 
über  Falkenburg  und  Montjoie  von  Johann  III.  und  Heinrich  von  Flandern 
in  Besitz  hatte.  Dieselbe  erfolgte  unter  Berufung  auf  die  Fürbitte  des 
Kaisers  selbst  zum  Danke  für  die  Dienste,  Liebe  und  Treue,  welche  Reiuard 
dem  herzoglichen  Paare,  dem  Bruder  Kaiser  Karl  und  dem  verstorbenen 
Vater  erwiesen  habe,  am  3.  Mai  1356  ^  Reinard  fand  bald  Gelegenheit, 
seine  Treue  zu  beweisen.  Graf  Ludwig  von  Flandern,  der  Gemahl  einer 
Schwester  Johannas,  machte  namens  seiner  Frau  Ansprüche  auf  die  Stadt 
Mecheln.  Man  war  im  Begriffe  zu  den  Waffen  zu  greifen,  da  schlug 
Reinard  eine  Konferenz  von  brabantischen  und  flämischen  Bevollmächtigten 
vor,  welche  die  Angelegenheit  auf  friedlichem  Wege  schlichten  sollten. 
Die  Fürsten  gingen  darauf  ein.  Die  Kommissare  Wenzels,  <larunter  auch 
Reinard,  schienen  nicht  abgeneigt,  dem  Verlangen  Ludwigs  zu  entsprechen; 

^)  Laurent,  Stadtrechnungen  S.  204,  Z.  5,  10,  13,  15,  37. 
')  Das.  S.  208,  Z.  11. 

^)  Heisst  das  nach  der  Gefangennahme  oder  nach  der  Gefangen  schaff?  Laurent 
a.  a  0.  S.  208,  Z.  12  «f. 

*)  Lacomblet  HI,  S.  885.  ürk.  480. 

*)  Bas.  S.  474.  IJrk.  567. 

«)  Das. 

0  Staatsarchiv  zu  Düsseldorf  A.  I.  Nr.  605. 


—  49  — 

die  Bürger  von  Brüssel  jedoch  widersetzten  sich  und  warfen  einige  der 
Herren  ins  Gelangniss.  Daraulhin  kam  es  zum  Kampfe.  Wenzel  wurde 
geschlagen  und  ganz  Brabant  unterwarf  sich  in  kurzer  Zeit  dem  Sieger  ^ 
Eeinard  gehörte  zu  den  wenigen  Lehenträgern,  welche  dem  unterlegenen 
Fürsten  treu  blieben  und  dem  siegreichen  Gegner  absagten,  de  Chestret 
meint,  der  Absagebrief  Reinards  sei  mehr  im  Tone  des  Diplomaten  als 
des  Soldaten  gehalten,  weil  der  Schreiber  sich  nicht  für  immer  mit  dem 
hochmächtigen  Grafen  von  Flandern  habe  überwerfen  wollen.  Man  könnte 
ebensogut  sagen,  das  Schreiben  sei  freilich  in  einem  anständigen,  aber 
einem  hohen  Herrn  gegenüber  auffallend  knappen  Tone  gehalten.  Der 
Brief  lautet:  „An  synen  harde  hooghen  ende  edelen,  den  greve  van 
Vlanderen.  Heirre,  ir  wist  wie  dat  ein  orloghe  is  tuschen  mine  beere 
van  Lucemburch  ende  van  Brabant,  ende  Uch,  wellich  mich  mit  herten 
leyt  is,  ende  ic  mus  blieven  bij  minen  beere  van  Brabant  vourscreven  ind 
dair  mit  will  ich  intghein  uch  verwaert  zijn.  Reynaert,  here  van  Monoye, 
van  Valkenburch  ende  van  Scoinvorst^." 

Das  ist  die  Form,  in  welcher  man  derartige  Schreiben  abzufassen 
pflegte,  wenn  man  sich  nicht  gradezu  einer  rohen  Sprache  befleissigen 
wollte.  Das  Aachener  Stadtarchiv  bewahrt  eine  Menge  Fehdebriefe  aus 
dem  14.  Jahrhundert  ^\  welche  ganz  ähnlich  lauten,  obwohl  die  Absender 
derselben  gewiss  keine  Diplomaten  waren  und  wahrscheinlich  auch  nicht 
auf  dem  Bildungsstandpunkte  Reinards  standen.  Haben  andere  Brabanter 
Edelleute  bei  dieser  Gelegenheit  sich  dem  Grafen  gegenüber  in  roher  Form^ 
ausgesprochen,  so  mag  das  eben*  ihr  Geschmack  gewesen  sein,  man  brauclit 
aber  deswegen  in  dem  einfachen,  sachgemässen  Schreiben  Reinards  keine 
selbstsüchtigen  Hintergedanken  zu  suchen. 

Sonst  finden  wir  bei  de  Chestret  noch  einige  Regesten,  in  denen 
Reinard  als  Lehenmann  oder  Rath  von  Brabant  erscheint.  Am  wichtigsten 
ist  die  Urkunde  vom  6.  November  1362,  in  welcher  er  und  andere  Räthe 
dafür  gutstellen,  dass  Wenzel  und  Johanna  deren  Verzicht  (auf  weitere 
ausserordentliche  Beihülfe  von  seiten  der  Brabanter)  genehmigen  werden ''. 

Wie  in  Lütt  ich  und  Köln,  in  Jülich  und  Brabant,  war  Reinard  in 
Geldern  ein  angesehener  Herr.  Er  blieb  auch  hier  dem  Fürsten  treu,  dem 
er  sich  einmal  angeschlossen  hatte.  Um  Eduards  willen  widersagte  er 
dem  Grafen  von  Kleve  und  gab  demselben  sein  Lehen  zurück,  wofür  Eduard 
ihm  allerdings  Schadloshaltung  versprach  (1362,  Juni  24.)*^. 

Die  Erwähnung  Gelderns  leitet  über  zur  Schilderung  der  Stellung, 
welche  Reinard  in  den  Verbänden  zur  Aufrechthaltung  des  Friedens  und 
der  Sicherheit  des  Verkehrs  einnahm.  Wir  finden  hier  neue  starke  Beweise 
für  das  Vertrauen,  welches  der  Herr  von  Schönforst  überall  genoss. 

')  Vgl.  Ernst,  histoire  du  Limbourg  V,  S.  97  ff.;  de  CheHtret  S.  34  f. 

*)  de  Chestret  S.  35,  Anm.  4. 

^)  Siehe  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  IX,  S.  03  ff. 

*)  dans  un  mde  langage,  sagt  de  Chestret  S.  35. 

»)  Das.  S.  40  f. 

'^)  Pranquinet,  annexe  Vil,  S.  80. 


—  50  — 

Der  Streit  der  Brüder  Reinald  und  Eduard  um  den  Besitz  Gelderns 
hatte  dieses  Land  in  grosse  Unsicherlieit  gestürzt.  Darum  schlössen  Adel 
und  Städte  von  Geldern  und  Kleve  am  25.  Januar  1359  einen  Landfriedens- 
bund. Zum  Obmanne  wählten  sie  unsern  Reinard  und  zollten  durch  diese 
Wahl,  wie  de  Chestret  hervorhebt*,  dem  staatsmännischeu  Geiste  des 
aussergewöhnlichen  Manlies  glänzende  Anerkennung.  Aber  auch,  möchte  ich 
hinzufügen,  seiner  Rechtlichkeit  und  Ehrenhaftigkeit. 

Das  Vorbild  für  diese  Geldrisch-Klevische  Vereinigung  war  der  durch 
Herzog  Johann  IIL  von  Brabant  am  13.  Mai  1351  mit  dem  Erzbischofe 
von  Köln  sowie  den  Städten  Aachen  und  Köln  geschlossene  Landfriedens- 
bund, dem  nachher  der  Markgraf  von  Jülich  und  andere  Herren  beitraten. 
Vor  zwölf  Geschworenen  des  Bundes  sollten  alle  Klagen  wegen  Strassen- 
schändung  oder  Friedensbruch  verhandelt  werden;  einer  der  brabantischen 
Geschworenen  war  Reinard  ^.  Bei  der  Erneuerung  des  Bundes  im  Jahre 
1364  gibt  ihm  Herzog  Wenzel  die  erste  Stelle  unter  seinen  Amtsgenossen ^. 
In  dieser  Eigenschaft  wohnte  Reinard  der  Ausschwörung  der  Urfehde 
durch  Goswin  von  Here  bei,  den  der  Bund  1364  gefangen  und  eine  Zeit- 
lang in  Aachen  festgehalten  hatte;  ob  er  sich  an  der  Zerstörung  der  Burg 
Vurendahl  betheiligt  hat,  welche  dem  Raubritter  Johann  von  Hoen  gehörte, 
lässt  sich  aus  Meyers  Erzählung  nicht  ersehen  "*. 

Dass  man  dem  lierrn  von  Schönforst  auch  in  dieser  seiner  Tliätig- 
keit  das  ehrendste  Vertrauen  entgegenbrachte,  beweist  der  Vorfall  mit 
Zülpich.  Der  Erzbischof  von  Köln  hatte  dem  Herzoge  von  Jülich  diese 
Stadt  um  5000  Mark  verpfändet.  Als  die  Pfandsumme  ausgezahlt  werden 
sollte,  verweigerte  der  Herzog  die  Annahme,  weil  er  Zülpich  gerne  behalten 
hätte.  Es  kam  zu  Reibereien,  in  folge  derer  der  Landfriedensbund  die 
Sache  in  die  Hand  nahm.  Am  26.  Oktober  1366  übergaben  die  Geschworenen 
die  Stadt  unserm  Reinard  mit  der  Weisung,  dieselbe  dem  Erzbischof  einzu- 
räumen, wenn  die  Pftmdgelder  bis  zum  nächsten  Lichtmesstage  erlegt 
würden.    Die  Zahlung  erfolgte  denn  auch  am  2.  Februar  1367  \ 

Auch  bei  geringern  Anlässen  sehen  wir  Reinard  im  Dienste  des  Bundes 
thätig.  Am  7.  Okiober  des  letztgenannten  Jahres  entschuldigte  sich  die  Stadt 
Köln  bei  ihm,  dass  sie  auf  sein  Schreiben  noch  nicht  geantwortet,  sie  habe 
ihre  Geschworenen  zum  Landfrieden  von  allem  in  Kenntuiss  gesetzt,  die 
ihm  auf  dem  nächsten  Bundestage  „da  sy  by  uch  koment"  genauen  Bericht 
erstatten  würden  ^  Es  handelte  sich  um  den  Ritter  Emund  Birkelin,  der 
ohne  Absage  Kölns  Feind  geworden  war.  Die  Stadt  bat  um  Hülfe  behn 
Herzoge  von  Brabant  und  beim  Landfriedensbunde,  beschwerte  sich  beim 
Aachener  Rath,   dass   er   den   Birkelin    unbehelligt   habe   ziehen   lassen^. 


')  Franquinet  S.  42. 

*)  Lacomblet  III,  S.  402.  ürk.  49G. 

»)  Ernst  a.  a.  0.  V,  S.  124. 

*)  Aach.  Gesch.  S.  334  £f. 

*)  Lacomblet  III,  S.  571,  Anm.  2. 

•)  Hohl  bäum,  Mittbeilungrn  u.  s.  w.  I,  S.  09. 

^)  Das. 


—  51   — 

ersuchte  1368,  Februar  1.,  denselben  Ratli,  sich  für  die  Freilassung  der 
von  Emund  gefangenen  Kölner  zu  verwenden,  gab  unter  dem  19.  Juli 
1368  und  16.  Juli  1369  dem  Birkelin  Sicherheit^  und  sühnte  sich  endlich 
mit  ihm  am  24.  Januar  1371  *. 

Seinen  Standesgenossen  half  Keinard  ebenfalls  gerne  in  ihren  Zwistig- 
keiten.  So  wählten  1367  Johann  von  Gronsfeld  und  Wilhelm  von  Goer 
ihn  zum  Obmann  bei  ihrem  Streite  mit  der  Familie  von  Husen'. 

Wir  dürfen  diesen  Abschnitt  nicht  schliessen,  ohne  an  Reinards  Ver- 
hältniss  zum  Reichsoberhaupte  zu  erinnern.  Auch  Karl  IV.  schenkte  dem 
Schönauer  volles  Zutrauen  und  verwendete  ihn  zu  mancherlei  Geschäften. 
Persönlich  mag  sich  Reinard  dem  Kaiser,  zu  dessen  Königswahl  er  ja 
entscheidend  mitgewirkt  hatte,  bereits  bei  der  ersten  Krönung  durch  Erz- 
bischof Walram  in  Bonn  am  26.  November  1346  vorgestellt  haben,  sicher 
war  er  bei  der  zweiten  Krönung,  25.  Juli  1349,  in  Aachen  anwesend. 
Karl  übertrug  Reinard  das  Reichslehen  in  der  Nähe  Aachens  und  bot  ihm 
dadurch  die  Möglichkeit,  sich  eine  eigene  Herrschaft  zu  gründen,  die  freilich 
nicht  lange  bestanden  liat.  Selbst  der  Umstand,  dass  der  Herr  von  Schön- 
forst dazu  beitrug,  den  Plan  des  kaiserlichen  Kanzlers  in  bezug  auf  Köln 
zu  durchkreuzen,  hat  des  Kaisers  Wohlwollen  nicht  geschwächt.  In 
geringem  wie  in  sehr  wichtigen  Angelegenheiten  wendet  er  sich  an 
Reinard.  Während  er  ihm  z.  B.  im  Jahre  1354  die  Untersuchung  in 
einem  Prozesse  überträgt,  den  Ritter  Louis  de  Saive  gegen  die  zwölf 
Geschlechter  von  Lüttich  führte*,  ernennt  er  ihn  am  22.  September  1357 
zu  seinem  Generalbevollmächtigten  mit  der  Gewalt  „alle  Bündnisse,  Ver- 
brüderungen, Verbindungen,  Versprechen,  Eide,  Verpflichtungen  und  Ver- 
pfändungen*', welche  Herzog  Wenzel  von  Brabant  mit  dem  Könige  von 
England  eingehen  werde,  im  Namen  von  Kaiser  und  Reich  zu  bestätigen 
und  zu  beki äftigen  *.  In  dieser  Urkunde  führt  Reinard  zum  erstenmal 
den  Titel  eines  kaiserlichen  Marschalls;  „nostre  am6  mareshal*'  nennt  ihn 
Karl.  Und  1359  ermächtigt  Karl  IV.  den  Erzbischof  Wilhelm  von  Köln, 
den  Grafen  Ludwig  mit  Flandern  und  den  übrigen  Reichslehen  zu  belehnen, 
wenn  er  von  dem  edlen  Reinard  von  Schönforst,  dem  Marschall  des  kaiser- 
lichen Hofes,  nähern  Bescheid  erhalten  habe*^.  Marschall,  Gesandter, 
Geschäftsträger  des  Kaisers  —  welche  Stellung  für  einen  Mann,  der  in 
seiner  Jugend  nicht  soviel  hatte,  um  ein  Pferd  halten  zu  können! 

Von  einer  ganz  besondern  Gunst  des  Kaisers  Karl  gegen  Reinard 
meldet  dieser  selbst  in  einer  Urkunde  vom  Blasiustage '  1359.  Er  erklärt, 
der    Kaiser   habe   ihm    die    Ermächtigung   ertheilt,    an    einem    beliebigen 


^)  Höhl  bau  ra,  Mittbtulungoii  n.  s.  w.  I,  S.  72. 

«)  Da?.  S.  73. 

8)  de  Chestret  S.  52. 

*)  de  Chestret  S.  32. 

»)  Das.  S.  39  f. 

•)  Lacomblet  III,  S.  497.  Urk.  572. 

')  Also  vom  3.  nicht  8.  Fobrufir,  wio  Frnnqninet  sagt,  der  S.  111  f.  die  Urkundt« 
mittheilt. 


—  r>2  — 

Punkte  im  Lande  von  Geldern  einen  neuen  Zoll  auf  den  Rhein  zu  legen; 
er  seinerseits  wolle  den  Bürgern  von  Roerniond  aus  besonderer  Freund- 
schaft völlige  Freiheit  von  allen  Abgaben  bei  dieser  neuen  Zollstätte 
bewilligen,  gleichviel  wo  er  dieselbe  jetzt  oder  später  anlegen  werde. 
Unmöglich  ist  die  Sache  nicht;  aber  Reinard  würde  schwerlich  einen 
Landesherrn  am  Rhein  gefunden  haben,  der  mit  dieser  Zollanlage  zufrieden 
und  einverstanden  gewesen  wäre^  Er  hat  von  der  Erlaubniss  auch  nie 
Gebrauch  gemacht. 

Dass  der  Kaiser  noch  1371,  nach  der  Schlacht  von  Baesweiler, 
Reinards  Dienste  für  die  Befreiung  Wenzels  aus  der  Jülicher  Gefangen- 
schaft in  Anspruch  nahm,  ist  bereits  oben  S.  29  erzählt  worden. 

VL  Reinard  in  seinem  Verhältnisse  zu  den  Städten 

Aachen  und  Köln. 

Eine  Schilderung  des  öffentlichen  Lebens  Reinards  muss  auch  sein 
Verhältniss  zu  den  Städten,  den  Mittelpunkten  des  Volkslebens,  erwähnen, 
die  ja  im  Mittelalter  neben  den  Fürsten  die  bedeutendste  Stellung  einnahmen, 
in  denen  sich  die  grossen  Gedanken,  welche  die  Menschen  jener  Zeit 
bewegten,  am  nachdrücklichsten  geltend  machten,  deren  Zustände  der 
sicherste  Gradmesser  für  den  Fortschritt  oder  Rückschritt  der  Kultur  sind. 
In  den  vorhergehenden  Abschnitten  hat  sich  mehrfach  Gelegenheit  geboten, 
Reinards  Beziehungen  zu  den  braban tischen  Städten  darzulegen;  besonders 
lehrreich  war  seine  Stellung  zu  den  Kämpfen  in  Löwen  und  die  Förderung, 
welche  er  den  Handelsstädten  am  Niederrhein  durch  die  Bewilligung  der 
Zollfreiheit  zu  Theil  werden  Hess.  Es  erübrigt  nur  noch  mitzutheilen, 
was  die  Urkunden  über  seine  Stellung  zu  den  rheinischen  Stüdten  besonders 
zu  Aachen  und  Köln  berichten. 

In  Aachen  finden  wir  Reinard  zuerst  im  Jahre  1338,  als  auch  die 
Kaiserin  Margarethe,  Kaiser  Ludwigs  Gemahlin,  mit  ihren  beiden  Söhnen 
dort  war.  Den  Schönauer  hat  wohl  die  Neugierde  und  der  Wunsch,  sich 
die  Festlichkeiten  anzusehen,  welche  die  Stadt  der  Kaiserin  zu  Ehren 
veranstaltete,  mit  seinen  Genossen  nach  Aachen  getrieben;  der  Rath  ehrte 
den  Nachbarn  und  canonicus  praebendatus  von  St.  Servatius  durch  einen 
zweimaligen  Ehrentrunk,  den  man  ihm  und  seiner  Gesellschaft  das  erste- 
mal mit  4  Sextaren  =  24  Flaschen,  das  anderemal  mit  2  Sextaren  über- 
reichte*. Im  Jahre  1344  verzeichnet  die  Rechnung  wiederum  einen  zwei- 
maligen Ehrentnmk  von  je  2  Sextaren  für  ihn^;  das  letztemal  war  er  mit 
seinem  Bruder  Mascherei  zusammen.  In  beiden  Jahren  besuchte  auch 
der  Herr  Gerard  im  Barte  (cum  barba)  die  Stadt  ^;  es  ist  aber  nicht  zu 
ersehen,  ob  seine  Anwesenheit  mit  der  Reinards,  seines  Genossen  auf  der 
ersten  Londoner  Reise,  zusammenfallt. 

^)  Ueber  die  Zölle,  besonders  auch  zur  Zeit  Karls  IV.  vgl.  Westdeutscho  Zeit- 
schrift XI,  S.  109  ff. 

*)  Laurent,  Stadtrechnungen  S.  134,  Z.  22  f. 
»)  Das.  S.  161,  Z.  29;  S.  162,  Z.  13,  14. 
*)  S.  134,  Z.  35;  S.  162,  Z.   18  f. 


—  53  — 

184(>  niiiss  sich  Reinard  läu*,^erc  Zeit  in  Schünau  oder  in  Aachen 
selbst  aufgebalten  haben,  denn  die  Rechnung  fuhrt  —  und  zwar  ziemlich 
kurz  hintereinander  —  nicht  weniger  als  neun  Geschenke  an  Wein  für 
ihn  auf*.  Zwar  schreibt  der  Rentmeister  in  dieser  Rechnung  immer  nur 
dnc).  R.  de  Schoynawen  —  in  den  beiden  früheren  aus  den  Jahren  1338 
und  1344,  wo  Reinard  noch  nicht  Ritter  war,  heisst  es  gar  nur  R.  de 
Schoynawen  — ,  dass  aber  unter  diesem  R.  unser  Reinard  und  nicht  etwa 
sein  Bruder  Raso  zu  verstehen  ist,  geht  daraus  hervor,  dass  letzterer 
immer  als  Mascherei  bezeichnet  und  besonders  angeführt  wird.  Sehr 
wichtig  ist  diese  Rechnung  für  die  Geschichte  Reinards  deswegen,  weil 
in  derselben  auch  seine  Frau  angeführt  ist.  „Item*',  Jieisst  es  „dno.  R. 
de  Schoynawen.  4  (sextaria).  Item  cidem  dno.  R.  4.  Item  uxori  sue  2*.** 
Damit  ist  erwiesen,  dass  Reinard  bereits  1346  verheirathet  war.  Offenbar 
hängt  der  damalige  Aufenthalt  der  Eheleute  mit  der  zweiten  Anwesenheit 
der  Kaiserin  Margarethe  und  den  politischen  Wirren  zusammen.  Die 
Kaiserin  ist  nicht  um  des  Vergnügens  willen  nach  Aachen  gekonunen. 
Von  Lanzenstechen  u.  dergl.,  wie  bei  dem  ersten  Besuche  der  hohen  Frau 
im  Jahre  1338  ist  denn  auch  in  der  Rechnung  von  1346  keine  Rede,  ja 
nicht  einmal  von  besondern  Geschenken:  man  gab  nur  den  herkömmlichen 
Wein.  Die  Sorge  um  ihren  Gemahl,  über  dessen  Haupt  sich  damals  schwere 
Wolken  zusammengezogen,  hatte  Margarethe  nach  Aachen  geführt;  sie 
wollte  die  Stadt  in  der  Treue  gegen  den  Kaiser  erhalten.  Die  Haltung 
Aachens  war  ausschlaggebend,  denn  hier  war  die  rechte  Krönungsstätte: 
wer  am  Grabe  des  grossen  Karl  die  Knme  empfangen,  wer  auf  seinem 
Throne  gesessen  hatte,  war  der  rechtmässige  König.  Nun  fallen  grade 
ins  Jahr  1346  die  Unterhandlungen  Johanns  von  Böhmen  zu  gunsten  seines 
Sohnes  Karl  mit  dem  Erzbischofe  von  Köln,  dem  die  Weihe  des  Königs 
oblag;  der  Blinde  hatte  Walram  entweder  bereits  für  den  neuen  Thron- 
bewerber gewonnen  oder  doch  stark  umgarnt:  Grund  genug  für  Ludwig, 
alles  aufzubieten,  um  sich  wenigstens  die  Krönungsstadt  zu  sichern.  Andrer- 
seits war  Reinard,  dessen  Vermögen  ja  auch  zum  Theile  auf  dem  Spiele 
stand,  der  Hauptagent  Karls  am  Niederrhein,  und  wir  sehen  ihn  damals  in 
Aachen,  um  die  Kaiserin  zu  tiberwachen  und  ihr  möglichst  entgegenzuarbeiten. 
Margarethe  hat  übrigens  ihren  Zweck  erreicht,  Aachen  setzte  sich  in 
Vertheidigungszustand  und  Karl  hat  auch  nach  seiner  Wahl  die  Stadt  nicht 
angegriffen.  Erst  als  Ludwig  gestorben  war,  verstand  sich  der  Rath  zu 
Unterhandlungen  mit  dem  neuen  Könige,  welche  hauptsächlich  durch  den 
Markgi'afeu  von  Jülich  geführt  wurden^. 

Auch  in  städtischen  Angelegenheiten  machte  sich  Reinard  damals 
nützlich.  Die  Stadt  war  in  einen  misslichen  Handel  verwickelt  wegen 
eines  gewissen  Golinus.  Anscheinend  war  derselbe  Mitglied  einer  Raub- 
ritterbande (etwa  der  in  der  Rechnung  erwähnten  vom  Valenpferde  *),  in 


')  Das.  S.  193,  Z.  17,  28,  29,  12,  18,  39;  S.  194,  Z.  16. 

»)  Das.  S.   193,  Z.  29,  30. 

^)  Vgl.  Laurent,  Stadtrechnungen  8.  24  ff. 

*)  d.  h.  vom  Hengste.     Das.  S.  178,  Z.  33  f. 


—  54  — 

seinem  Gewerbe  von  den  Aachenern  aufgegritfen  und  in  der  Stadt  enthauptet 
worden'.  Das  setzte  dann  Wirren  mit  den  Genossen  des  Räubers  ab, 
deren  Anführer  Herr  Schinman  gewesen  zu  sein  scheint,  denn  von  diesem 
ging  das  Gerücht,  er  stehe  mit  seinen  Gesellen  bei  Freialdenhoven  unter 
den  Waffen  ^  Der  Rath  hegte  Besorgniss  wegen  der  Aachener  Kaufleute, 
die  von  Frankfurt  kamen  ^  und  verhandelte  in  Bergheim,  Sayn  und  Wester- 
burg  wegen  des  Geleites  derselben  ^.  Ueberhaupt  gab  die  Sache  zu  vielem 
Schreiben,  Hin-  und  Hersenden  und  Verhandeln  Anlass.  Auch  an  Reinard 
schickte  der  Rath  zweimal  einen  Boten  nach  Köln^;  wahrscheinlich  hat 
man  ihn  ebenfalls  um  seine  Vemiittelung  angegangen.  Die  Kosten  eines 
zweimaligen  Aufenthaltes  Reinards  zu  Aachen  in  derselben  Angelegenheit 
bestritt  der  Rath  mit  12  bezw.  9  Mark®.  Da  die  Aachener  Mark 
damals  etwa  5^2  Reichsmark  galt^,  betrug  die  Gesammtsunmie  115,50  Mark, 
was  heutzutage  über  800  Mark  ausmachen  würde. 

Die  Rechnung  von  1349  meldet,  ein  Herr  Snft.  ^  habe  für  Herrn 
R.  de  Schoynforst  50  Mark  erhoben^,  gibt  aber  den  Grund  nicht  an, 
warum  die  Zahlung  erfolgte.  In  demselben  Jahre  schickte  der  Rath  einen 
Boten  an  den  Grafen  von  Berg  und  an  Herrn  R.  de  Schoinawen  wegen 
eines  Herman  von  Lievendal,  der  Gerard  von  Weienberg  und  andere 
Aachener  Bürger  gefangen  hatte  *^  Nachdem  die  Sühne  mit  Herman 
gelungen  war,  machte  dessen  Oheim  Schellart  noch  Anstände.  Der  edle 
Ritter  hatte  einem  Aachener  Kaufmanne  Mantelman  Wolle  geraubt.  Darum 
ritten  drei  Rathsherrn,  Goswin  von  Pont,  Conrad  von  Eichhorn  und  Alexander 
nach  Köln  zum  Grafen  von  Berg,  und  ein  Diener  des  Herrn  Reinard 
gab  ihnen  das  Geleite,  wofür  er  18  Schillinge**  erhielt*^.  Hiernach  zu 
urtheilen  besass  Reinard  grössere  Gewalt  zur  Sicherung  der  Heerstrassen, 
als  die  Reichsstadt  Aachen,  welche  damals  auf  der  Höhe  ihrer  Macht  stand. 
Als  ein  andermal  Heinrich  Krügelchen  nebst  andern  Aachenern  in  Limburg 
gefangen  lag,  schickte  der  Rath  ebenfalls  an  den  Schönforster  *^.  Endlich 
wendete  sich  die  Stadt  noch  in  diesem  Jahre  an  Reinard  wegen  einer 
Kölner  Jahrrente,  d.  h.  wohl  eine  solche,  welche  man  Kölner  Bürgern 
schuldete.  Die  Sache  muss  wichtig  und  verwickelt  gewesen  sein,  denn 
nicht  weniger  als  fünf  Gesandtschaften  gingen  von  Aachen  nach  Köln  um 
wegen  dieser  Rente  zu  verhandeln,  und  dreimal  wanderten  Boten  an  den 
Herrn  Renardum  de  Schoynvorst  **.  Gehen  wir  mit,  um  uns  über  die 
Stellung  Reinards  zu  dieser  Stadt  zu  erkundigen. 

Bereits  1346  bedient<i  sich  Köln  der  Vermittelung  des  Herrn  voi> 
Schönforst  im  Streite  mit  dem  Grafen  von  Virnenburg  und  dessen  Söhnen 
wegen  des  Gutes  Keldenich;  der  Vergleich  erfolgte  am  31.  Oktober  des 
genannten  Jahres  *^ 

Seit  1347  stand  Reinard  mit  Köln  in  einem  sogenannten  Bürgerschafts- 
vertrage (concivilitas)  *^,  d.  h.  „er  erhielt  von  der  Stadt  eine  jährliche  Rente, 

M  Das.  S.  177,  Z.  31  f.  «)  Das.  S.  178,  Z.  22  ff.  »)  Das.  Z.  14  f.  *)  Das.  Z.  20. 
*)  Das.  S.  178,  Z.  33;  S.  179,  Z.  5.  •)  Das.  S.  178,  Z.  36  f.  0  I>as-  S.  2.  «)  Der  Name 
ist  abgekürzt.  »)  Das.  S.  199,  Z.  30.  »°)  Das.  S.  209,  Z.  12.  ")  Die  Mark  hatte  zwölf 
Schillinge,  '^j  Das.  8.  LMO,  Z.  27,  29  ff.  '»)  Das.  S.  213,  Z.  6.  »<)  Das.  S.  214.  »)  Höhl- 
^  *^um,  Mittheilungcu  VI,  S.  58.     »«}  Das.  VI,  S.  64  ff;  VII,  S.  6  ff. 


—    ;),) 


welche  Bürj^crlelH),  Bürccerrente,  Rontlelien,  Jahrrente,  Leibrente  *  hiess, 
wogegen  er  Bürger  der  Stadt  mit  folgenden  Verpflichtungen  wurde:  1.  er 
musste  die  Kölner  Bürger,  welche  seine  Besitzungen  passii'ten,  schützen 
und  2.  wenn  die  Stadt  Köln  angegriflen  wurde,  dorthin  ziehen  und  entweder 
allein  oder  mit  seinen  Leuten  der  Stadt  helfen.  Letztere  Verpflichtung 
regelte  sich  nach  der  Höhe  der  Rente.  So  musste  ein  Ritter,  der  10  Mark 
Jahrrente  bezog  allein,  einer  der  50  Mark  erhielt,  mit  5  Rittern  und  10 
Knappen,  wer  gar  100  Mark  empfing,  mit  10  Rittern  und  15  Knappen  der 
Stadt  zu  Hülfe  kommen.  Reinard  bezog,  wie  sich  aus  seinen  Quittungen 
ergibt,  jährlich  am  11.  November  40  Mark,  er  wird  demnach  die  Ver- 
pflichtung gehabt  haben,  mit  4  Rittern  und  etwa  8  Knappen  zu  erscheinen. 
Diese  Verträge,  welche  seit  etwa  1300  in  Köln  häufig  werden,  schloss 
man  nicht  auf  eine  bestimmte  Zeit.  Jeder  Theil,  die  Stadt  wie  der  Ritter, 
hatte  ohne  Zweifel  Kündigungsrecht,  wenn  auch  in  den  betreffenden  Urkunden 
nichts  davon  gesagt  wird.*' 

Ganz  ungestört  scheint  das  Bttrgerschaftsverhältniss  auch  bei  Reinard 
nicht  geblieben  zu  sein.  Am  20.  Juli  1360  stellte  er  die  Quittung  über 
die  am  11.  November  1359  verfallene  Rente  aus*.  Dann  muss  wohl  eine 
Irrung  zwischen  ihm  und  der  Stadt  vorgekommen  sein,  denn  die  Urkunden 
schweigen  von  ihm  bis  zum  26.  September  1368,  wo  bekundet  wird,  dass 
er  seinen  Bürgerschaftsvertrag  erneuert  habe^  Am  31.  Juli  1369  vollzog 
er  dann  eine  Generalquittung  über  rückständige  Jahrreuten  im  Betrage 
von  400  Mark  ^;  man  hat  also  nach  Erneuenmg  des  Vertrages  die  Lehen  von 
1360 — 1369  nachträglich  ausbezahlt  und  in  der  Generalquittung  sind  die 
Gelder  von  1368  und  1369  eingeschlossen. 

Zweimal  liess  Reinard  seine  Rente  durch  Andere  erheben:  1349  durch 
Johann  von  Achen  und  Johann  von  Starkenburg  •'^,  1354  durch  den  Aachener 
Kanonikus  Wilhelm  de  Aquis^  Am  21.  September  1375  erhob  Reinard 
seine  kölnische  Jahrrente  zum  letztenmal. 

• 
VII.    Reinard  als  Familienvater. 

Nachdem  wir  die  öfl'entliche  Wirksamkeit  des  bedeutendsten  Schönauers 
an  der  Hand  der  Urkunden  dargestellt  haben,  erübrigt  noch  ein  Blick  auf 
sein  Privatleben,.  Hier  hat  Reinard  allerdings  der  Verkommenheit  seiner 
Zeit,  von  der  Damberger  in  wenigen  Zeilen  ein  abschreckendes  Bild  ent- 
wirft, wenig  ehrenvollen  Tribut  gezollt.  Jener  Geschichtschreiber  sagt: 
• 

')  AUiJ  diese  Ausdrücke  siud  ua<'h  Herrn  Stadtarcbivar  Dr.  Hansen,  dem  ich  diese 
AufklüruDgen  verdanke,  gleichbedeutend. 

")  Höhl  bäum,  Mittheihingen  VII,  S.  28. 

•'•)  Das.  S.  48. 

*)  Das.  8.  50. 

*)  Das.  S.  H8.  Jo'iann  von  Sturkenbnrj?  war  im  Jahre  1370  Geschworener  der 
Stadt  Köln  beim  Landfriedensbunde  an  SteUe  des  Schöffen  Gcrard  von  Benassys.  Meyer, 
Aach.  Gesch.  S.  340. 

^)  Höhlbuum  a.  a.  0.  VII,  8.  14.  Wilhelm  kommt  bei  Heusch,  nomina  etc- 
unter  den  Kanonikern  de.-^  LieMrauenstlltcs  nicht  vor;  vielleicht  war  er  Kanonikus  an 
St.  Adalbert. 


—  56  — 

„Den  tiefsten  Aerger  erregte  im  Oliristentlium  die  schamlose  Freschheit, 
dass  es  gleichsam  Gesetz  der  Mode  für  jede  Dame  wurde,  wenigstens  einen 
erklärten  Anbeter  zu  haben,  während  die  Herren  ganz  imgescheut  ihren 
ehebrecherischen  Liebschaften  nachgingen  ^,"'  Ein  solches  Verhältniss  braucht 
man  nun  nicht  grade  bei  Reinard  anzunehmen;  seine  natürliche  Tochter 
Elisabeth,  welche  1867  bereits  verheirathet  war,  kann  auch  einer  Verirrung 
des  Junggesellen  ilir  Dasein  verdanken,  aber  dieser  Flecken  bleibt  auf 
Reinard  haften.  Elisabeth  hatte  einen  Herrn  von  Mondersdorp  zur  Ehe. 
Reinard  sorgte  für  sie,  indem  er  am  23.  September  1367  durch  Johann 
von  Schönau  zu  ihren  gunsten  eine  Rente  von  200  Goldthaler  auf  des 
Herren  von  Rümmen  Güter  am  Lehenhofe  der  Grafschaft  Looz  erheben 
Hess  ^ 

Reinard  heirathete  im  Jahre  1344  oder  1345  Katharina  von  Wilden- 
burg, eine  Nichte  des  Bischofs  Adolf  und  Base  des  Bischofs  Engelbert  von 
Lüttich  ^:  sie  verband  den  Schönauer  nicht  blos  mit  der  edlen  Familie  von 
der  Mark  sondern  auch  mit  dem  Hause  Jülich,  und  hieraus  erklärt  sich 
der  Titel  Schwager- Verschwägerter,  den  Herzog  Wilhelm  unserm  Reinard 
beilegt.  Katharina  war  in  erster  Ehe  dem  Herrn  Otto  von  Elslo  angetraut 
gewesen,  dessen  gleichnamigen  Sohn  wir  bereits  kennen  lernten^.  Sonst 
sagen  uns  die  Urkunden  über  sie  nichts,  als  dass  sie  von  der  Stadt  Löwen 
eine  jährliche  Rente  von  400  Goldschilden  bezogen  habe,  am  25.  April 
1368  auf  der  Burg  zu  Montjoie  gestorben  und  in  der  Abteikirche  zu  Burt- 
scheid  begraben  worden  sei^  Herr  de  Chestret  erklärt  die  Thatsache,^ 
dass  die  Urkunden  des  Jahres  1368  fast  ganz  von  Reinard  schweigen,  aus 
der  tiefen  Trauer,  in  welche  der  Tod  seiner  Frau  den  Wittwer  versenkt 
habe.  Nach  allem,  was  sich  schliessen  lässt,  muss  man  allerdings  annehmen, 
dass  Katharina  eine  vortreifliche  Frau  war,  auf  welche  die  oben  angefülirten 
Worte  Dambergers  keine  Anwendung  finden,  dass  sie  ihre  Kinder  gut  erzog 
und  in  der  reich  gesegneten  Ehe  ihren  Mann  recht  glücklich  gemacht  hat. 

Schon  die  oben  erwähnten  Verfügungen  Ottos  von  Elslo  zu  gunsten 
seiner  Stiefbrüder  beweisen,  dass  ein  schönes  Verhältniss  im  Hause  Reinards 
geherrscht  haben  muss.  Das  war  aber  zimi  weitaus  grössten  Tlieile  das 
Verdienst  der  Mutter;  der  Vater  war  ja  nach  Ausweis  der  Urkunden  die 
meiste  Zeit  draussen:  wie  sich  das  übrigens  bei  einem  so  vielbeschäftigten 
Manne  auch  von  selbst  versteht.  Dass  Reinards  eigene  Kinder  ebenfalls 
Liebe  und  Hochachtung  gegen  den  Vater  hegten,  werden  wir  gleich  sehen, 
obwohl  Hemricourt  auch   in  dieser  Beziehung  allerlei  zu  erzählen  weiss. 

Ungefähr  Vj^  Jahr  nach  dem  Tode  Katharinens,  am  2.  August  1369, 
trat  Reinard  einen  Theil  seiner  Besitzungen  an  seine  beiden  ältesten  Söhne 
ab.    Die  Urkunde^  zeigt  uns  Reinard  als  einen  Mann,  der  inmitten  der 


»)  Synchron.  Gesch.  XV,  8.  53. 

*)  de  Chestret  S.  57. 

^)  Vgl.  die  Stammtafel  bei  de  Chestret  S.  17. 

*)  Vgl.  oben  S.  43. 

»)  de  Chestret  S.  53,  Anm.  1. 

ö)  Lacorablet  111,  S.  592.     Crk.  690. 


—  57  — 

weltlichen  Geschäfte  das  Seelenlieil  nicht  aus  den  Augen  verliert  sowie 
als  umsichtigen  Vater,  der  seinen  Söhnen  zwar  Selbständigkeit,  keineswegs 
aber  zügellose  Freiheit  gestattet. 

Ritter  Reinard  (IE)  und  Johann,  Propst  zu  Mastricht  und  Burggraf 
zu  Montjoie,  erklären,  dass  ihr  lieber  Herr  und  Vater  Reinard,  Hen*  zu 
Schönforst,  ihnen  folgende  Güter  übergeben  habe,  die  sie  weder  versetzen 
noch  verkaufen  dürfen^:  Reinard  dem  ältesten  die  Burg  und  Herrlichkeit 
Schönforst  mit  den  Dörfern  Cornelimünster,  Forst,  Rötgen,  Hitfeld.  Eilen- 
dorf, Linter,  Hamm  (Mederhem),  Brand,  Haar,  Roleff,  Freund,  Krauthausen, 
Breinig  (Breidinch),  Heiden,  Venwegeu,  Nöthen  (Nutten),  Ober-  und  Nieder- 
forstbach, Schleckheim,  Pinsheim  und  Slusen  (Schiuser  Mühle).  Hiervon 
behielt  sich  der  Vater  vor  15  Morgen  Bend  auf  der  Bever  und  das  „Keris- 
gut,  dat  hew  darinzulegen",  ausserdem  6  Mud  Roggen  jährlich  von  der 
Mühle  zu  Burtscheid,  welche  er  für  sein  und  der  Seinigen  Seelenheil  ver- 
wenden wollte. 

Johann  erhält  Burg,  Stadt,  Land  und  Herrlichkeit  Montjoie  mit  den 
Dörfern  Mützenich,  Lou verscheid,  Gross-  und  Klein -Menzerath,  Imgen- 
broich,  Luterbach,  Fronrath,  Meisenbroich,  Rusenroth,  Sementroth,  Bicke- 
rath,  Kesternich  und  Hetzingen;  ausserdem  den  Hof  auf  dem  Berlich  zu 
Köln.  Der  Vater  soll  aus  diesen  Gütern  die  in  der  Vorburg  zu  Montjoie 
neu  erbaute  Kapelle  beliebig  berenten. 

Die  Söhne  erklären  sich  damit  einverstanden,  dass  ihr  Vater  den 
Hof  zu  Rehoven,  den  Hof  zu  Richterich  und  den  Hof  in  der  Jakobstrasse 
zu  Aachen  2  zur  Ehre  Gottes  verwende.  Die  übertragenen  Besitzungen 
werden  als  Lehen  bezeichnet,  um  deretwillen  die  Söhne  des  Vaters  Mannen 
sein  und  bleiben  sollend 

Ueber  die  Güter  jenseits  der  Maas  in  Brabant,  namentlich  über  Schloss 
und  Herrlichkeit  Sichem,  St.  Agathenrode,  Zetrüd,  Marchienne-au-Pont 
nebst  der  HeiTlichkeit  Thuwyn,  über  die  Höfe  und  Wohnungen  zu  Brüssel, 
Lüttich  und  St.  Trond  kann  der  Vater  nach  Belieben  verfügen.  Noch 
legte  Reinard  seinen  Söhnen  folgende  Verpflichtungen  auf:  sie  durften  sich 
über  ihr  Vermögen  für  niemand  vergeiselen  oder  verbürgen,  ohne  des 
Vaters  Rath  und  Znstimunmg  keine  öffentliche  oder  geheime  Ehe  eingehen, 
mit  keinem  Ritter,  Geistlichen,  Laien  —  gross  oder  klein  —  verkehren,  auch 
keinen  Diener  bei  sich  behalten,  der  dem  Vater  nicht  gefällt,  kein  Würfel- 
oder anderes  Spiel  treiben,  bei  dem  sie  mehr  als  10  Gulden  monatlich  ver- 
lieren könnten,  wenn  immer  es  sie  gelüstet  zu  „vueren**,  so  dürfen  sie 

*)  M.  a.  W.:  Die  Söhue  erhielten  nur  ein  beschränktes  Nutzniessungsrecht,  (las 
Eigenthumsrecht  verblieb  dem  Vater. 

■^)  Hier  erbaute  Rcinard  eine  Kapelle,  welche  1370  eingeweiht  wurde.  Er  dotirte 
sie  mit  einer  Rente  von  44  Mud  halb  Roggen  halb  Hafer,  welche  er  für  740  (lüldgulden 
gekauft  hatte.    Qu  ix,  Karmelitcnkloster  8.  174.     Urk.  43. 

*)  Dass  Reinard  der  eigentliche  Herr  blieb,  geht  auch  daraus  hervor,  dass  er  noch 
1370  Lehen  aus  dem  Ländchen  (\)rnelimünster  wie  ans  dem  Gebiete  von  Montjoie  verlieh, 
de  Ohestret  S,  56,  Anm. 


—  58   — 

weder  „vuere**  noch  „cominaiiscliaf  van  der  vnoro**  *  haUeii,  Mainit  niemand 
durcli  sie  betrogen  werde.  Liegen  sie  irgendwo  zu  lange  stille  und  glaubt 
der  Vater,  dass  das  für  sie  nicht  ehrenhaft  oder  nützlich  sei,  so  müssen 
sie  auf  sein  Ersuchen  sofort  abreiten.  Aus  ihren  Wäldern  und  Büschen 
dürfen  sie  ohne  des  Vaters  Bewilligung  keine  Eichen  weggeben;  besonders 
soll  Johann  in  den  Montjoier  Waldungen  weder  roden  noch  Kohlen  brennen. 
Der  Vater  dagegen  daif  nach  Belieben  Bau-  und  Brandholz  schlagen  und 
holen  lassen.  Stirbt  einer  der  Brüder  kinderlos,  so  fallt  sein  Gut  an  den 
Vater  zurück. 

Die  Urkunde  ist  unterzeichnet  von  den  „Verwandten  und  Freunden** 
Rembod  von  Vlodorp,  Dechant  zu  Aachen  und  den  Rittern  Ooedert  zur 
Heiden,  Bernard  zu  Kinzweiler  und  Goedert  von  dem  Bongart. 

VIII.    Reinards  Ende. 

Sonderbar:  als  wenn  Reinard  von  Schönau,  die  merkwürdigste  Er- 
scheinung zwischen  Maas  und  Rhein  im  ganzen  14.  Jahrhundert,  eine 
sagenhafte  Persönlichkeit  wäre,  verlassen  uns  vom  21.  September  1375  ab 
alle  sicheren  Nachrichten  über  ihn  und  wir  sind  wieder  auf  Hemricoui't 
angewiesen,  dem  man  doch  nur  soweit  trauen  darf,  als  die  Urkunden  seine 
Erzählungen  bestätigend  Er  berichtet  Folgendes:  Nach  dem  Tode  seiner 
ersten  Frau  wollte  Reinard  sein  Glück  nochmals  in  der  Ehe  versuchen 
und  wählte  wiederum  eine  junge  Wittwe  Elisabeth  von  Hamal,  zur  Lebens- 
gefährtin. —  Elisabeth  von  Hanuil  hatte  schon  zwei  Männer  gehabt: 
Engelbert  den  Jungen,  Sohn  des  Grafen  Everard  von  der  Mark  aus  zweiter 
Ehe,  dann  Walter  von  Binckem.  Ist  dem  so,  dann  war  die  Dame  die 
Schwägerin  des  Bischofs  Adolf,  die  Tante  des  Bischofs  Engelbert^:  es  ist  dann 
aber  kaum  zu  begreifen,  wie  sie  noch  eine  Junge"  Wittwe  sein  konnte. 

Hcmricourt  erzählt  weiter,  die  Kinder  Reinards  seien  ob  dieser  Heirath 
ausser  sich  gerathen,  sie  hätten  ihren  Vater  verfolgt,  für  verrückt  erklärt, 
seine  Besitzungen  geplündert  und  an  sich  gerissen;  die  Feinde  Reinards, 
besonders  der  Herr  von  Brederode,  hätten  ihnen  geholfen,  sodass  zuletzt 
der  arme  Mann  nicht  mehr  wusste,  wohin  sich  wenden.  Da  habe  er 
denn  alles,  was  er  noch  an  Geld  besessen,  zusammengerafft  und  sei  mit 
zwei  Dienern  nach  Rhodus  geflohen,  um  dort  „faire  p^nitence  de  ses  pechez**. 
Dort  sei  er  auch  gestorben  und  höchst  ehrenvoll  begraben  worden,  während 
die  Junge  Wittwe"  ihr  Leben  als  Keklnse  in  Köln  zugebraclit  habe. 

Auch  dieser  Erzählung  bringen  wir  Misstrau(Mi  entgegen,  habdn  jedocli 
die  Genugthuung,  dass  diesmal  selbst  diejenigen  beitreten,  welche  Hemricourt 
sonst   nur  zu   leicht  glauben,   Franquinet*   und   de   ('hestret^     Letzterer 


')  Uierübcr  habe  icli  keinen  Aufschluss  fiuden  köiiueü.  8oU  es  Hamlel,  Kaut'manu- 
schaft,  Aus-  und  Einfuhrgeschäft  heissen? 

-)  Um  jedoch  II.  nicht  zu  nahe  zu  treten,  sei  bemerkt,  dass  wir  sein  Werk  nur 
mehr  veistümmelt  vor  uns  haben.    Vgl.  Villen fagne,  Uecherchos  ...  II,  S.  452  ff. 

^)  Vgl.  die  ;>tammtafcl  bei  de  Chestret  S.  17. 

*)  S.  28. 

-')  .S.  60. 


—  59  — 

macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  Söhne  Reinards  dem  Testamente  ihres 
verstorbenen  Vaters  in  respektvollster  Weise  gehorchten,  wofür  Franquinct, 
der  die  Erzählung  Hemricourts  mit  den  Urkunden  nicht  in  Einklang  bringen 
kann,  die  Beweise  liefert  ^  Da  sehen  wir  in  der  That,  wie  die  Söhne 
auf  grund  des  väterlichen  Testamentes  Güter  abgeben,  welche  sie  bereits 
in  Besitz  haben.  Wenn  sie  den  Vater  wegen  der  zweiten  Heirath  für 
verrückt  erklärt  und  sogar  thätlich  angegriffen  hätten,  wie  in  aller  Welt 
würden  sie  den  letzten  Willen  des  Verrückten  anerkannt  und  sich  dadurch 
aus  ihrem  Besitze  haben  treiben  lassen?  Und  wenn  sie  sich  mit  seinen 
Feinden  verbündeten,  wie  kommt  es,  dass  sie  um  des  Vaters  willen  eine 
erbitterte  Fehde  mit  Mastricht  aufrecht  halten,  die  erst  im  Jahre  1405 
gesühnt  wird*?  Es  gibt  demnach  auch  hier  so  viel  Unwahrscheinliches, 
dass  man  gezwungen  ist,  andere  Gründe  für  die  Auswanderung  Reinards 
zu  suchen.  Und  der  wahre  Beweggrund,  der  Reinard  zu  seinem  auffallenden 
Entschlüsse  brachte,  ist  das  Unglück  bei  Baesweiler.  Er  hatte  den  vor- 
schnellen Rath  gegeben,  sofort  anzugreifen  und  denselben  in  einer  Weise 
begründet,  die  den  tapferen  und  stolzen  Herzog  moralisch  nöthigte,  zuzu- 
stimmend Mochte  Reinard  die  Mehrheit  des  Kriegsraths,  die  Masse  des 
Heeres,  vielleicht  den  Herzog  selbst  für  sich  haben:  nachdem  der  Erfolg 
gegen  ihn  entschieden  hatte,  musste  er  die  ganze  Verantwortung  tragen. 
Die  Folge  war  der  Verlust  seiner  angesehenen  Stellung  am  Hofe  wie  unter 
den  Standesgenossen  und  die  Erbitterung  des  Volkes,  welche  sich  zu 
Mastricht  in  massloser  Weise  Luft  machte.  Das  war  gewiss  hinreichend 
um  einen  bis  dahin  vom  Glücke  verhätschelten  Mann  zu  dem  Entschlüsse 
zu  bringen,  dem  ganzen  irdischen  Treiben  zu  entsagen.  Es  lag  ja  auch  im 
Charakter  der  Zeit,  dass  man  am  Abende  eines  sehr  bewegten  Lebens  die 
Stille  des  Klosters  aufsuchte,  um  sich  auf  den  Tod  vorzubereiten.  Dass 
aber  Reinard  grade  zu  den  Johannitern  ging,  mag  darin  seinen  Grund 
haben,  weil  er  mit  diesen  schon  von  Köln  her  in  Verbindung  stand*.  Zu 
alle  dem  kommt  dann  noch  das  entscheidende  Zeugniss  des  Sohnes  und 
der  Enkel  Reinards  in  der  Urkunde  von  1405,  welche  ausdrücklich  erklären, 
ihr  Vater  bezw.  Gross vater  sei  „butenlendich"  geworden  wegen  der  „groete 
smaet  confusie  ende  schade*",  die  man  ihm  in  Folge  der  Schlacht  bei 
Baesweiler  zu  Mastricht  angethan  habe.  Wenn  es  immerhin  noch  vier 
Jahre  gedauert  hat.  ehe  Reinard  sich  zurückzog,  so  ist  das  nicht  befremdend. 
Vielleicht  hat  er  anfangs  noch  gehofft  den  Sturm  zu  beschwören  und  seinen 
verlorenen  Einfluss  wieder  zu  erringen,  vielleicht  hat  er  wirklicli  daran 
gedacht  in  einer  zweiten  Ehe  Trost  und  Ersatz  für  das  entschwundene 
Weltglück  am  häuslichen  Herde  zu  suchen,  vielleicht  hat  ihn  die  Sorge 
für  seine  Kinder  noch  zurückgehalten:  jedenfalls  konnte  ein  Mann  mit  Reinards 
ausgedehnten  imd  vielseitigen  Geschäftsverbindungen  einen  solchen  Ent- 
schluss  erst  nach  längerer  Vorbereitung  ausfüliren. 


*)  Franqninet,  annexe  IX,  S.  82. 

*)  VgL  das.  annexe  XVIII,  S.  94. 

*>  ,r>iv  Ehre  srobietet  ilen  soforti^ren  Anirriff*. 


*}  Vgl.  oben  ^5.  4j. 


—  60  — 

Von  Hemriconrts  Erzälihnjg  bleibt  meine^s  P>achtens  nur  übrig",  dass 
Reinard  nach  Rliodus  g^egangeu  ist.  Dort  machte  er  sein  Testament,  Hess 
es  von  anderen  Ordensrittern  bezeugen  und  besiegclen  ^  und  starb  —  hoffent- 
lich eines  seligen  Todes  —  im  Jahre  1376. 

IX.  Reinards  Kindei. 

De  (liestret*^  zählt  8  Kinder  Reinards  aus  seiner  Ehe  mit  der  Dame 
von  Wildenberg  auf,  vier  Söhne  und  vier  Töchter.  Die  Söhne  hiessen: 
Reinard  IL,  Johann,  Conrad,  Engelbert;  die  Töchter:  Alide,  Philippine, 
welche  bald  Johanna,  bald  Adelheid  genannt  sein  soll,  Mechtilde  —  nicht 
Maria  —  und  Elisabeth.  Dazu  kommt  dann  noch  die  uneheliche  Tochter 
Elisabeth,  welche  bereits  oben  erwähnt  worden  ist. 

a.  Reinard  II.  war  verheirathet  mit  Johanna,  Tochter  Ottos  von  Arkel 
und  der  Isabella  von  Bar^.  Er  erscheint  als  Herr  von  Schönforst  und 
Sichern,  der  grossen  Waldungen  von  Meerdael,  südlich  von  Löwen,  und 
von  Berquyt  sowie  der  Herrschaft  Archennes  an  der  Dyle,  welche  in  der 
Theilung  der  Reinard'schen  Besitzungen  von  St.  Agathenrode  abgetrennt 
worden  war^.    Seine  Töchter  hiessen:  Johanna  und  Catharina;  Söhne  hatte 

■ 

er  nicht. 

Wie  wir  oben  S.  28  hörten,  war  Reinard  in  der  Schlacht  von  Baes- 
weiler 1371  gefangen  worden,  doch  hat  seine  Gefangenschaft  nicht  lange 
gedauert.  Schon  im  folgenden  Jahre  war  er  in  einen  Streit  mit  der  Stadt 
Köln  verwickelt,  der  am  11.  September  beigelegt  war.  An  diesem  Tage 
dankt  der  Rath  „dem  ältesten  Sohne  des  Herrn  Reinard  von  Schönforst", 
weil  er  die  gefangenen  Kölner  Bürger  frei  gelassen  habe  und  schwört  ihm 
wegen  des  Vorgefallenen  Urfehde,  d.  h.  Verzicht  auf  alle  Rachel 

Ausser  seinem  Antheilc  an  den  väterlichen  Liegenschaften  hatte 
Reinard  auch  die  Forderungen  an  Wenzel  und  Johanna  von  Brabant  geerbt, 
die  sich  auf  2311  halbe  Vilvorder  Goldstücke  beliefen.  Zur  Deckung  dieser 
Schuld  ernannten  ihn  die  Fürsten  am  7.  Dezember  1376  zum  Burggrafen 
von  Schloss,  Stadt  und  Land  Dalhem  (Dolhain)  und  sicherten  ihm  die 
Stelle  bis  zur  Abzahlung  jener  Summe  zu.  Dagegen  verpflichtete  sich 
Reinard,  den  Bezirk  auf  eigene  Kosten  zu  wahren,  zu  verwalten  und  zu 
vertheidigen,  nur  soviel  Holz  im  Dalhemer  Walde  zu  schlagen  als  zur 
Instandhaltung  der  Schlossgebäude  nöthig  war  und  aus  den  Einkünften 
jährlich  am  St.  Andreastage  200  schwere  Gulden  an  die  herzogliche  Kammer 
zu  zahlen.  Am  20.  Mai  1377  erhielt  er  sodann  diese  Burggrafschaft  auf 
Lebenszeit  und  quittirte  dafür  alle  Ansprüche,  die  er  vom  Vater  her  an 

>)  de  Chestret  S.  61. 

»)  S.  62  ff. 

^)  Franquinet  S.  45. 

*)  de  Chestret  S.  62  und  Anin.  5  und  7. 

*)  Höhlbaum,  MitthcUungen  I,  S.  74.  Dass  er  den  Vollbesitz  der  Herrschaft 
Schönforst  angetreten,  scheint  Reinard  dem  Aachener  Rathe  durch  besondern  Boten 
angezeigt  zu  haben;  die  Septemberrechnnng  des  Jahres  1376  verzeichnet  ein  Ehrengeschenk 
von  zwei  Quart  Wein  an  den  „Schönforster  Herold**.     Laurent  S.  261,  Z.  22. 


—  61  — 

Johanna  habe*.  Reinard  U.  lieh  aber  auch  selbst  Geld  an  die  Brabanter 
Fürsten.  In  der  Urkunde  vom  15.  Februar  1386,  durch  welche  Johanna 
verschiedene  Gebiete  an  Karl  den  Kühnen  von  Burgund,  den  Gemahl  ihrer 
Nichte  Margarethe,  abtrat,  heisst  es  nämlich,  Dolhain  sei  dem  Herrn  von 
Schönforst  für  3000  moutons  verpfändet^,  und  am  10.  Mai  1382  erklärte 
Eeinard,  er  habe  an  Wenzel  und  Johanna  2000  alte  Goldschilde  geliehen, 
wofür  ihm  Burg  und  Land  von  Kerpen  unter  gewissen  Bedingungen  übergeben 
worden  sei^  Diese  Schuld  war  im  Jahre  1386  auf  6000  alte  Schilde* 
angewachsen,  also  hatten  die  Brabanter  auf  Kerpen  neue  Summen  auf- 
genommen. 

Franquinet^  erzählt,  Reinard  IT.  habe  die  Rente  von  vier  alten 
Groschen  am  Zolle  von  Nimwegen,  welche  ihm  aus  dem  Nachlasse  seines 
Vaters  ebenfalls  zugefallen  war,  1376  an  Herman  von  Goch  gegen  eine 
jährliche  Rente  von  25  Gulden  abgegeben,  jedoch  im  folgenden  Jahre 
andere  Güter  als  Unterpfand  gestellt,  weil  er  auf  den  Zoll  in  folge  eines 
Vertrages  seines  Bruders  Johann  mit  dem  Herzoge  von  Geldern  habe  ver- 
zichten müssen.  Nach  einem  Regest  in  den  Mittheilungen  aus  dem  Kölner 
StadtÄrchiv  *^  erhob  Reinard  am  7.  März  1384  ein  Leib-Mannlehen  an 
diesem  Zolle  für  den  genannten  Herman.  —  Hier  möge  erwähnt  werden, 
dass  Reinard  IL,  nicht  sein  Vater,  wie  Graf  v.  Mirbach  meint,  im  Jahre 
1379  den  Hof  Boslar  an  Arnold  von  Randerath  verpfändetet 

In  der  Fehde  zwischen  Erzbischof  Friedrich  ITI.  von  Köln  und  (4raf 
Engelbert  von  der  Mark  im  Jahre  1384  hatte  Reinard  auf  Seite  des 
Letztern  gestanden,  wobei  das  (Tcbiet  von  Schönforst  und  Montjoie  arg 
mitgenommen  worden  war^  Nach  dem  Friedensschlüsse  stellten  Friedrich 
und  Engelbert  am  29.  Oktober  ihm  eine  Frist  von  einem  Monat,  iimer- 
halb  der  er  sich  erklären  sollte,  ob  er  der  Sühne  beitrete  oder  nicht*. 
Reinard  war  bereit,  aber  er  konnte  einen  seinen  Helfer,  Gerard  von  Blanken- 
heim,  nicht  zum  Beitritte  bewegen.  Dieser  gab  die  Gefangenen,  die  er 
gemacht  hatte,  nicht  frei  und  deswegen  verfiel  Reinard  dem  Erzbischof 
in  eine  Busse  von  4500  Gulden.  Für  diese  Summe  verpfändete  er  dem- 
selben am  Andreastage  1387  die  Hälfte  seines  Schlosses  Schönforst,  ver- 
sprach Oflfen Haltung  der  Burgen  Montjoie  und  Kerpen  und  erklärte  auch 
das  Schloss  Wachtendonk  nicht  eher  an  den  Jungherrn,  dessen  Oheim  und 
Vormund  Reinard  war,  übergeben  zu  wollen,  bis  dem  Erzbischofe  wegen 
aller  Verschreibungen  Genüge  geleistet  sei,  die  letzterer  darüber  in  Händen 
habe.  Von  dieser  Sühne  mit  Friedrich  sollte  ausgeschlossen  sein  „der  van 
Gronsfeld  ind  syne  partye,  mit  der  ich  (Reinard)  in  veden  sitze";  warum. 


')  Ernst,  histoire  du  Limbourg  V,  S.  119,  Anm.  2. 

•)  Das.  S.  154,  Anm.  1. 

3)  Das.  S.  119,  Anm.  1. 

*)  Das.  S.  154,  Aura.  1. 

^)  S.  32. 

«)  Vn,  S.  35. 

')  Zeitschrift  des  Aachener  Oeschichtsvoreins  II,  S.  298. 

')  Meyer,  Aach.  Gesch.  S.  353. 

*)  Lohn-  und  Mani.buch  dos  Erzstifta  Köln  I,  Nr.  304.    Staiitsaicbiv  zu  Düsseldorf. 


—  62  — 

werden  wir  noch  hören  K  In  einer  andern  Urkunde  von  demselben  Tage 
wird  Näheres  darüber  festgestellt,  wie  es  mit  Schönfort  gehalten  werden 
solle.  Ausser  den  bereits  oben  S.  41  mitgetheilten  Bestinimungen,  dass 
die  Burg  mit  „turnen,  graven,  miüren,  vurburgen,  ind  vesteningen"  tiber- 
geben werden  und  der  Erzbischof  dieselbe  mit  Amtleuten,  Thurmknechten, 
Wächtern,  Pförtnern  solle  besetzen  dürfen,  wurde  noch  abgemacht:  Reinard 
müsse  für  den  Unterhalt  dieser  erzbischöflichen  Beamten  und  Reisigen 
jährlich  100  Gulden  aus  den  Einkünften  von  Schönforst  anweisen;  der 
Erzbischof  dürfe  sich  der  Burg  gegen  jedermann,  nur  nicht  gegen  König 
Wenzel  und  die  Herzogin  Johanna  bedienen.  Endlich  wird  gesagt,  dass 
Schönforst  ein  Reichslehen  und  einer  Tochter  Reinards  als  Mitgift  gegeben 
worden  sei:  „Vort,  want  dat  vurschreven  sloss  Schone vorst  rurende  is  zu 
lehen  van  deme  ryche  ind  ich  Reynart .  .  dat  selve  sloss  gegeven  hain  zu 
hilige  deme  .  .  .  Bernard  van  Fleckenstein  mit  Johannen  mynre  dochter  . .  so 
hain  ich  ind  .  .  .  myn  eidom  .  .  .  myme  heren  van  Colne  geloift  .  .  .  dat 
wir  binnen  jaire  ind  dage  na  datum  dis  briefs  .  .  .  werven  solen  an  unsme 
gnedigen  heren  dem  romschen  kunyng,  dat  he  synen  willen  ind  consens 
zu  der  versetzinge  ind  pantschaft  der  .  .  halfscheit  des  slosses  geve  ind 
due  .  .  /  Es  siegelten  mit  Reinard  dessen  Eidam,  sodann  Heinrich  von 
Hüchelhoven,  Schultheiss  zu  Eschweiler;  Heinrich  von  Dadenberg;  Statz 
von  dem  Bungard^ 

Wir  hörten  oben,  dass  Reinard  sich  auch  verpflichtet  habe,  Burg 
Wachtendonk  nicht  eher  an  seinen  damals  noch  minderjährigen  Neffen 
abgeben  zu  wollen,  bis  des  Erzbischofs  Forderungen  befriedigt  seien. 
1391  (ohne  Tag  und  Monat)  quittirte  Friedrich  III.  dem  Reinard  von 
Schönforst  und  Sichem  über  eine  Summe  von  2400  Gulden,  welche  Arnold 
von  Wachtendonk  für  die  Oeffnung  dieses  Schlosses  erhalten  solle  und 
die  an  den  4500  Gulden,  welche  Reinard  schuldete,  abgezogen  wurden  ^ 
Ob  Friedrich  den  Rest  jemals  erhalten  hat?  Wenige  Jahre  nachher  verlor 
Reinard  seine  Stammburg  für  immer,  doch  erst  am  31.  Januar  1404  erklärte 
der  Erzbischof,  sein  Rath  Reinard  von  Schönforst  und  Sichem  habe  die 
Amtmannschaft  von  Zülpich  und  zu  der  Hart,  die  derselbe  eine  Zeit 
lang  besessen,  wieder  an  ihm  abgetreten,  wogegen  er,  der  Erzbischof,  auf  alle 
Ansprüche  an  Reinard  verzichte,  dessen  Lehenspflichten  jedoch  vorbehalten  \ 
und  an  demselben  Tage  verzichtete  Reinard  seinerseits  auf  alle  Forderungen, 
welche  er,  auch  wegen  der  verpfändeten  Hälfte  von  Schönforst,  noch  an 
Friedrich  habe  ^  Damit  waren  alle  Schulden  auf  beiden  Seiten  getilgt. 
Wenige  Jahre  nachher  hat  Reinard  wieder  etwas  zu  fordern,  nämlich  eine 
jährliche  Rente  von  100  Gulden,  die  ihm  auf  den  Zoll  zu  Bonn  angewiesen 
war  und  die  der  Erzbischof  1408  mit  500  rheinischen  Gulden  ablöste. 
Jedoch  machte  Reinard   einen  Vorbehalt  zu  gunsten  des  Herrn  Heinrich 


')  Das.  Nr.  504,  Lacomblet  III,  S.  780.  Urk.  885. 
*)  Das.  Nr.  505,  Lacomblet  III,  S.  780,  Anm.  2. 
»)  Das.  Nr.  502. 
*)  Das.  Nr.  790. 
6)  Das.  Nr.  791. 


—  C3  — 

von  Diulenbcrtr  wejren  de^  Hauses  und  Gutes  zu  Mfinddiausen  ,as  \'u»e 
dat  verschreven  is*  K  Nach  einer  Anmerkung  bei  Lacorablet  ITT,  S.  262, 
war  Munchhaasen  dem  Reinard  1404  auf  Lebenszeit  übertragen  wonlen; 
wahrscheinlich  ist  das  Gut  von  ihm  an  die  Dadenberger  gekommen. 

Obschon  Gerard  von  Blankenheim  durch  seine  Weigerung,  die  kölnischen 
Gefangenen  loszugehen,  Beinard  in  grosse  Verlegenheit  gebracht  und  selbst 
zur  Verpfändung  seiner  Burg  Schönforst  genöthigt  hatte,  scheint  das  gute 
Verhältniss  zwischen  beiden  dadurch  nicht  gestört  worden  zu  sein.  Als 
sich  nämlich  der  Landfriedensbund  1385  aufmachte,  um  das  Raubnest 
Reiferscheid  bei  Schieiden  zu  belagern,  wo  sich  ^alle  die  boisewichter  die 
vurziits  oper  stroisen  plogen  zu  schedigeu"  ^  versammelt  hatten,  schloss 
sich  Reinai*d  zwar  dem  Bunde  an  und  versprach,  gegen  das  Schloss  und 
dessen  Vertheidiger  zu  fechten,  nahm  jedoch  seinen  Oheim  Gmf  Arnold 
und  den  Heim  Gerard  von  Blankenheim  aus^  Im  Lager  vor  Reiferscheid 
erschien  Reinard  wie  die  anderen  grossen  Herren  mit  seinen  „pufferen***. 
Franquinet^  erzählt  sogar,  man  habe  ihn  zum  Befehlshaber  über  das 
Belagerungskorps  gewählt;  aber  diese  Angabe  wird  wohl  ebenso  irrig  sein 
wie  die  anderen,  die  Einschliessung  habe  nur  einige  Tage  gedauert  und 
man  habe  die  Burg  mit  stürmender  Hand  genommen.  Die  Verbündeten 
lagen  vielmehr  vom  11.  August  bis  zum  11.  Oktober  vor  Reiferscheid,  an 
welch'  letzterm  Tage  die  Uebergabe  der  Burg  durch  Vertrag  erfolgte  ^  Im 
Sühnebriefe  unterzeichnet  Reinard  allerdings  gleich  hinter  dem  Herzoge 
von  Jülich';  er  hat  also  immerhin  eine  angesehene  Stellung  im  Bunde 
eingenommen. 

Als  Reinard  sich  mit  dem  Erzbischofe  Friedrich  verständigte,  schloss 
er  ausdrücklich  den  Heinrich  von  Gronsfeld  und  dessen  Partei  aus  der  Sühne 
aus.  Die  Fehde  zwischen  Schönforst  und  Gronsfeld  war  duir.h  ein  nichts- 
würdiges Verbrechen  hervorgerufen  worden,  an  dem  Reinard  leider  hervor- 
ragenden •  Antlieil  genommen  hatte:  durch  die  Ermordung  des  wackeren 
Johann  von  Gronsfeld,  Heinrichs  Bruder.  Franquinet  hat  einen  Brief 
Conrads  von  Elslo,  des  dritten  Sohnes  Reinards  I,  veröffentlicht ^  worin 
derselbe  den  Verlauf  der  Blutthat  in  lebendiger  Weise  schildert,  ohne 
jedoch  über  die  Beweggründe  zu  derselben  Aufscliluss  zu  geben.  In  dieser 
Beziehung  sind  wir  demnach  auf  Vermuthungcn  angewiesen.  Ich  möchte 
jedoch  hierin  lieber  Franquinet  beistimmen,  der  den  Mord  auf  pei^önliche 
Reibei*eien  zurückführt,  als  dem  Chronisten  Froissart,  welcher  den  Herzog 

')  Das.  Nr.  901. 

')  Lauront,  Stadt rccbimngon  S.  57. 

••)  Mt'yer,  Aach.  Gesch.  S.  854. 

*•)  Laurent.  S.  290,  Z.  12.  Die  Stadt  schenkte  denselben  2  Gulden.  Die  „puffere 
van  Schoinvorst,  van  Wacht  endunk  und  van  der  Dick"  erhielten  im  Januar  1392  ein 
Geschenk  von  6^4  Mark,  die  Schönfor.ster  Pfeifer  1394  um  dieselbe  Zeit  5^/4  Mark.  (Das. 
S.  377,  Z.  13;  S.  394,  Z.  20). 

»)  S.  33. 

•)  Laurent,  Stadtrechnungen  S.  62,  66. 

^  Hiihlbaum,  Mittheilungen  VIT,  S.  41. 

«)  Annexe  XTTI,  S.  86. 


—  64  — 

von  Geldern  der  Urheberschaft  bezichtigt  ^  Auf  persönliche  Zwistigkeiten 
deutet  auch  Conrad  selbst  hin,  wenn  er  seinen  Bruder  ßeinard  den  Herrn 
von  Gronsfeld  zu  einer  Zusammenkunft  in  Aachen  einladen  lässt,  um  dem- 
selben beweisen  zu  können,  dass  er  weder  mit  Rath  noch  mit  That  zu 
der  Feindschaft  zwischen  Johann  Wilde  und  den  Kindern  des  Füchschens  ^ 
einer-  und  Gronsfeld  andrerseits  beigetragen  habe.  Von  Misshelligkeiten 
zwischen  ßeinard  und  Johann  ist  sonst  nichts  bekannt;  wohl  aber  wissen 
wir,  dass  Statz  von  Bongart  jahrelang  in  bitterer  Feindscliaft  mit  dem 
Gronsfelder  lebte.  Johann  beklagte  sich,  dass  Statz  ihn  während  seiner 
Kriegsgefangenschaft  in  folge  der  Schlacht  bei  Baesweiler  auf  das  schmäh- 
lichste verleumdet  habe  und  forderte  seinen  Gegner  zum  Zweikampf  auf 
Leben  und  Tod.  Dieser  Statz  ist  wohl  der  Anstifter  des  Greuels  gewesen, 
wie  ihn  auch  Conrad  der  Ausführung  des  Mordes  bezichtigt;  Reinard  hat 
jedoch  seinem  Freunde  Statz  die  Gelegenheit  geboten  und  das  Opfer  in 
die  Falle  gelockt.    Man  höre  Conrad. 

Statz  von  Bongart  und  der  Herr  von  Schönforst  verhandelten  eines 
Tages  wegen  der  Gronsfelder  Angelegenheit.  In  Folge  davon  ersuchten 
sie  (/onrad^  er  möge  den  Herrn  von  Gronsfeld  nach  Aachen  einladen,  da 
wolle  Reinard  seine  völlige  Unschuld  ihm  gegenüber  darthun.  Gronsfeld 
erschien.  Statz  von  Bongart,  Slabbart  von  Kinzweiler,  Conrad  selbst  und 
Johann  von  Heimbach  trugen  ihm  die  Gründe  für  Reinards  Schuldlosigkeit 
vor  und  verhandelten  mit  ihm  über  eine  Zusammenkunft  mit  Reinard  in 
einem  Hause,  welches  letzterem  zugehörte  und  von  Johann  von  Necken 
(Ecken)  bewohnt  wurde.  Gronsfeld  war  einverstanden.  Dann  begab  sich 
der  Herr  von  Schönforst  in  die  Behausung  des  Herrn  Arnold  von  Riismoelen, 
wo  Conrad  und  Slabbart  wohnten,  weckte  beide  und  ersuchte  sie,  den  Grons- 
felder zu  ihm  in  das  genannte  Haus  zu  führen.  Jene  suchten  Johann  in 
seiner  Wohnung^  auf,  wo  auch  er  im  Schlummer  lag,  und  geleiteten  ihn 
zu  Reinard.  Beide  Herren  grüssten  sich  höflich  unter  Abnehmen  der 
Kopfbedeckung,  wobei  Gronsfeld  noch  scherzend  spracli:  „Gott  helf,  Herr 
V(m  Schönforst,  es  ist  mir  lieb,  dass  Ihr  eben  so  grau  werdet,  wie  ich  bin*'. 
Damit  gingen  sie  Arm  in  Arm  in  ein  Nebenzimmer  und  bespraclien  die 
Sache  wegen  der  Kinder  des  Füchscliens  und  Gerken  Falkners.  Unter- 
dessen erschien  Statz  von  Bongart  und  nach  ihm  Engelbert  von  Schönforst, 
der  jüngste  Bruder  Reinards,  mit  zwei  Knechten.  Statz  trat  in  das 
Zimmer  Reinards,  der  ihn  mit  den  Worten  empfing:  „Warum  kommt  ihr 
jetzt?**  Statz  entschuldigte  sich:  „Ich  meinte,  Ihr  hättet  uns  gerufen."  In 
demselben  Augenblicke  drang  auch  Engelbert  ein.  Er  hal)e  lange  genug 
gewartet,  rief  er  und  zog  das  Schwert.  Nun  merkte  Conrad  die  Falle, 
in  welche  er  unvorsichtigerweise  den  Gronsfelder  geführt  hatte.    Er  unter- 

0  Vgl.  Franquinet  S.  33;  S.  34,  Anm.  1;  S.  35. 

*)  Franquinet  schreibt  im  Texte  zwar  Vaesken,  in  der  Urkunde  jedoch  Vueskeu. 

^)  Vgl.  unten  bei:  Conrad. 

*)  1385,  wo  er  fast  jeden  Monat  in  Aachen  war,  wohnte  Johann  einmal  „in  heren 
Johans  huis"  (Laurent  S.  303,  Z.  8),  dann  auch  in  „Luibsheren"  oder  „Luibshuis"  (das. 
S.  830,  Z.  2,  S.  333,  Z.  25).  Letzterer  Name  wird  wohl  „heren  Lupenhuis  vur  den  sal" 
(das.  S.  383,  Z.  23)  bedeuten. 


—  65  — 

lief  den  Degen  Engelberts,  umschlang  den  Bruder  und  schrie  ihn  an: 
^Mörder,  was  willst  Du  thun?**  Dem  Bruder  Reinard  rief  er  zu:  ^Schön- 
forst,  Du  böser  Verräther,  wirst  Du  dulden,  dass  dieser  Mann  hier  ermordet 
werde,  den  ich  auf  dein  Wort  hergebracht  habe?"  Aber  Statz  von  Bongart 
griff  den  Herrn  von  Gronsfeld  und  that  ihm  den  Tod  an.  Der  Lärm  rief 
noch  andere  herbei.  Goedert  von  Schönau  zftckte  sein  Messer  und  schrie 
Conrad  zu:  ^Ergib  dich,  oder  ich  steche  dir  den  Hals  ab**,  und  Arnold, 
der  Rentmeister  von  Schönforst,  rief:  „Herr  von  Elslo,  Ihr  könnt  nicht 
hinaus.**  Gerard  von  der  Dick,  der  Neflfe  der  Schönforster,  Goedert  von 
Bongart  und  sein  gleichnamiger  Sohn  traten  in  die  Kammer,  sahen  den 
Ermordeten  imd  gingen  hinweg.    Der  Mord  erfolgte  am  25.  August  1386. 

Conrad  betheuerte  seine  Unschuld  mit  einem  Eide  und  schwor,  dass 
er  sich  an  keiner  Fehde  betheiligen  werde,  welche  aus  dem  Morde  ent- 
stehen könne. 

Obwohl  nach  dem  Berichte  Conrads,  der  —  wie  Franquinet  hervor- 
hebt —  nur  neun  Tage  nach  der  Blutthat,  also  noch  unter  dem  ersten 
frischen  Eindrucke  derselben  geschrieben  wurde,  Statz  von  Bongart  als 
der  eigentliche  Mörder  anzusehen  ist,  so  scheint  doch  in  der  öffentlichen 
Meinung  Reinard  als  der  Hauptschuldige  gegolten  zu  haben,  sei  es  nun, 
weil  es  sich  damals  wirklich  zunächst  um  seine  Zwistigkeiten  mit  Grons- 
feld gehandelt  hatte,  oder  weil  er  in  der  spätem  Fehde  als  Hauptmann 
seiner  Partei  aufgetreten  ist.  Aus  dem  Eingange  des  vorliegenden  Berichtes 
geht  unzweifelhaft  hervor,  dass  Reinard  dieses  Spiel  mit  Statz  abgekartet 
hat.  Die  Zeitgenossen  betrachteten,  wie  gesagt,  den  Schönforster  als 
Hauptübelthäter.  Die  Herzogin  Johanna  gab  ihrer  Entrüstung  über  die 
Ermordung  ihres  treuen  Dieners  u.  a.  auch  dadurch  Ausdruck,  dass  sie 
am  6.  Juli  1387  der  Stadt  Mastricht,  welche  schon  längere  Zeit  wegen 
der  daselbst  Reinard  I.  wiederfahrenen  Unbilden  mit  dem  Hause  Schönforst 
in  Fehde  lag,  die  Zusicherung  gab,  sie  werde  sich  in  dieser  Sache  von 
ihren  Bürgern  zu  Mastricht  nicht  trennen,  auch  weder  Genugthuung  noch 
Sühne  von  den  Schönforstern  annehmen,  bis  die  Stadt  sich  mit  denselben 
verglichen  habe^  Selbst  diejenigen,  welche  den  Herzog  von  Geldern  als 
Anstifter  des  Mordes  ausgeben,  bezeichnen  Reinard  als  das  von  ihm  ge- 
wählte Werkzeug  *,  und  die  handschriftliche,  im  Besitze  des  Herrn  Dr.  Adam 
Bock  befindliche  Aachener  Chronik  sagt  gradezu:  „Zum  Jahre  1386  be- 
richtet das  Manuskript,  dass  der  Herp  von  Schönforst  im  campus  Marianus  ^ 
zu  Aachen  den  Herrn  von  Gronsfeld  umgebracht  habe.** 

Die  Voraussicht  Conrads,  dass  dem  Morde  eine  Fehde  folgen  werde, 
ist  in  Erfüllung  gegangen.  Drei  Jahre  lang  tobte  ein  erbitterter  Kampf 
zwischen  den  beiden  Parteien,  an  dem  „fast  alle  Herren  der  Umgegend 
und  viele  Bewohner  der  Städte  Mastricht  und  Aachen  theilnahmen".  Reinard 
verbrannte   „die  Dörfer  Oupey,  welches  den  Gronsfeld  gehörte,  Walhorn 


*)  Franquinet,  annexe  XIV,  S.  90. 
•)  Vgl.  Ernst  a.  a.  0.  V,  S.  158  f.,  Anm.  1. 

*)  Nach  der  bei  Qu  ix,  Karmcliterkloster  S.  86,  abgedruckton  kleinen  Chronik  lag 
das  Mordhaus  „uf  dem  kloster'*  d.  h.  dem  Klosterplatz. 


—  66  — 

und  andere  liniburgische  Ortschaften"  ^;  seinen  eigenen  Besitzungen  wird 
es  nicht  besser  ergangen  sein.  Endlich  gelang  es  dem  Erzbischof  Friedrich 
von  Köln  dem  unseligen  Treiben  ein  Ende  zu  machen.  Er  verurtheilte 
1389  die  Theilnehmer  an  dem  Morde  zur  Stiftung  von  zwei  Sühnealtären; 
Reinard  und  Statz  errichteten  einen  in  der  Kapelle  des  Schönforster  Hofes 
in  Aachen^  Goedert  von  Bongart  den  anderen  in  der  Kapelle  zu  Bocholz  bei 
Simpelveld.  Aber  damit  war  die  Blutschuld  nicht  gesühnt;  seit  dem  Jahre 
1386  ist  das  Glück  von  Reinard  gewichen:  bald  erstand  dem  ermordeten 
Gronsfeld   ein   scharfer  Rächer  in   der  Person  des  Herzogs   von  Jülich. 

1387  begannen  die  Verhandlungen  zwischen  Johanna  von  Brabant 
und  dem  Herzoge  Karl  dem  Kühnen  von  Burgund,  welche  dahin  führten, 
dass  zunächst  und  zwar  1396  das  Herzogthum  Limburg  mit  seinen  An- 
hängseln an  Karl  abgetreten  wurde  *^.  Dazu  gehörten  auch  die  Burgen 
und  Herrschaften  von  Dolhain  und  Kerpen,  deren  Pfandherr  und  Burggraf 
Reinard  II.  war.  Höhlbaum  ^  gibt  den  Inhalt  einer  Urkunde,  wonach 
Reinard  unter  dem  22.  Juli  1389  den  Ritter  Gerard  von  Widdenau  auf 
ein  Jahr  zum  Amtmann  von  Kerpen  bestellte  mit  der  Weisung,  die  Burg 
gegebenenfalls  an  Carsilius  von  Palant,  den  Schwager  von  Reinards  Bruder 
Engelbert  zu  übergeben. 

Im  Jahre  1392  finden  wir  Reinard  als  Helfer  der  Stadt  Köln,  welche 
wieder  einmal  im  Streite  mit  ihrem  Erzbischofe  lag.  Durch  Urkunde  vom 
23.  Juli  öffnete  er  der  Stadt  alle  seine  Schlösser,  auch  Kerpen,  gegen 
Jedermann,  den  Herzog  von  Burgund,  die  Herzogin  von  Biubant  und  den 
Herzog  von  Jülich  ausgenommen,  dafür  zahlte  ihm  die  Stadt  eine  Summe 
von  2000  Gulden,  worüber  Reinard  am  7.  August  quittirte*.  Die  oben 
erwähnte  handschriftliche  Aachener  Chronik  erzählt,  die  Herren  von  Schön- 
forst (Schoenvorstiani  dynastae)  hätten  mit  Hülfe  des  Herrn  von  Heinsberg 
und  des  Kölner  Rathes  die  benachbarten  Gegenden  wie  Räuber  (latro- 
cinantium  more)  misshandelt. 

Am  19.  Februar  1394  trat  Reinard  in  ein  Schutz-  und  Trutzbündniss 
mit  dem  Herzoge  von  Geldern.  Wilhelm  versprach,  Reinard  nebst  seinen 
Besitzungen  und  Leuten  zu  beschützen  und  zu  vertheidigen,  öffnete  ihm 
die  festen  Plätze  in  Geldern,  Jülich  und  Zütphen,  Reinard  dagegen  gelobte 
dem  Herzoge  und  dessen  Leuten  Unterstützung  und  Hülfe  in  jeder  Ange- 
legenheit und  Offenhaltung  seiner  Burgen  Schönforst,  Montjoie  und  Kerpen 
—  so  lange  er  letzteres  in  Besitz  habe  —  gegen  jeden,  den  Herzog  von 
Burgund  und  die  Herzogin  von  Brabant  ausgenommen  ^.  Es  fällt  auf,  dass 
in  dieser  Urkunde  ebensowenig  wie  in  der  von  1392  Rede  von  König 
Wenzel  ist,  den  doch  die  Versclireibung  von  1387  noch  erwähnt;  man 
scheint  am  Rheine  wenig  Rücksicht  melir  auf  diese  Majestät  genommen 
zu  haben.     Schönforst  war  doch  Reichslehen!    Unklar  ist  auch  Reinards 

')  Franqninet  S.  38;  39,  Anin.  1. 
*)  Ernst  a.  a.  0.  V,  S.  170. 
»)  Mittheilungen  .  .  .  VII,  S.  57. 
*)  Das.  S.  74,  84. 
'')  Franquiuet  S.  40. 


—  67  — 

Stellung  zu  Montjoie.  Franquinct  denkt  an  eine  Verpfändung;  ich  möchte 
eher  glauben,  dass  der  Schönforster  als  Vormund  des  Sohnes  und  Sach- 
walter der  Wittwe  seines  damals  bereits  verstorbenen  Bruders  Johann  die 
Verwahrung  und  Verwaltung  dieser  Herrschaft  gehabt  und  bis  zu  seinem 
Lebensende  behalten  habe.    (Vgl.  de  Chestret  S.  63,  Anm.  6.) 

Die  enge  Verbindung  mit  dem  Hause  Jülich  hinderte  nicht,  dass 
Reinard  noch  in  demselben  Jahre*  mit  einem  Mitgliede  dieser  Familie, 
Reinard  von  Jülich,  dem  Bruder  des  Grafen  von  Geldern,  in  heftige  Fehde 
gerieth.  Weil  der  Jtilicher  nebst  dem  Grafen  von  Sayn  Helfer  des  Johann 
von  Reiferscheid  war,  mit  dem  der  Zwist  begonnen  hatte,  glaubt  Franquinet 
die  Ursache  des  Streites  in  der  Belagerung  Reiferscheids  vom  Jahre  1385 
suchen  zu  dürfen.  Das  wäre  immerhin  möglich,  denn  mit  1393  waren  die 
acht  Jahre  abgelaufen,  binnen  welchen  der  Reiferscheider  Ruhe  zu  halten 
versprochen  hatte.  Dann  ist  jedoch  der  Racheversuch  arg  missglückt. 
Der  Schönforster,  unterstützt  durch  den  Herrn  von  Heinsberg  und  die 
Stadt  Köln,  behielt  den  Sieg,  verwüstete  das  Jülicher  Land  und  nahm 
selbst  seine  beiden  Hauptgegner,  den  von  Reiferscheid  und  Reinard  von 
Jülich  gefangen.  Er  erpresste  ein  grosses  Lösegeld,  welches  der  Herzog 
für  seinen  Verwandten  erlegte.  Da  der  Schönforster  um  eben  diese  Zeit  die 
Herrschaften  Tielt  und  Tielt-St.  Martin  ankaufte  -,  so  liegt  die  Vermuthung 
nahe,  dass  der  Kaufpreis  aus  diesen  Lösegeldern  bezahlt  worden  ist. 

Aber  Reinard  hat  sich  seines  Erfolges  nicht  lange  erfreut.  Die 
Stunde  der  Vergeltung  für  die  Gronsfelder  Blutschuld  und  manch  andere 
Gewaltthat  war  da.  Die  mehrfach  erwähnte  Aachener  Chronik  erzählt 
nach  Pontanus:  „Reinard  von  Schönforst,  Herr  in  Montjoie,  der  mehr  als 
einmal  feindselig  ins  Jülichsche  eingefallen  war,  hatte  Reinald,  den  Bruder 
des  Herzogs,  sowie  den  Herrn  von  Reiferscheid  gefangen  und  ein  sehr 
grosses  (ingens)  Lösegeld  von  ihnen  erpresst.  Darum  (unde)  belagerte 
Herzog  Wilhelm  das  Schloss  Schönforst  .  .  ."  Bütkens  meint,  der  Streit 
zwisclien  dem  Herzoge  und  Reinard  schreibe  sich  noch  von  dem  Verkaufe 
der  Herrschaften  Falkenburg  und  Montjoie  durch  Reinard  I.  her.  Das  ist 
unwahrscheinlich.  Der  Grund  hätte  doch  auch  schon  1394  bestanden,  wo 
Reinard  und  Wilhelm  Waffenbrüderschaft  eingingen.  Auch  hätte  in  diesem 
Falle  der  Herzog  nach  der  vollständigen  Niederlage  Reinards  den  Schön- 
forstem  sicherlich  Montjoie  abgenommen  und  sich  nicht  mit  Schönforst 
begnügt.  Montjoie  ist  aber  erst  1439  durch  Jülich  regelrecht  eingelöst 
worden. 

Der  Verlauf  des  Kampfes  war  für  Reinard  höchst  traurig.  Der 
Herzog,  unterstützt  durch  die  Herren  von  Kuilenburg,  von  Abcoude,  von 
Vianen,   von  Asperen   und  besonders  durch  die  Stadt  Aachen^  mit  ihren 

')  Meyer,  Aach.  Gesch.  S.  358,  setzt  die  Fehde  mit  Berufung  auf  die  Kölner 
Chronik  in  das  Jahr  1392.     Vgl.  jedoch  S.  66. 

*)  Franquinet  S.  41. 

*)  Reinards  Vcrhältniss  zu  Aachen  ist  nicht  ganz  klar.  Er  soll  Vogt  gewesen 
sein.  Die  Stadtrechnungen  erwähnen  ihn  häufig;  1385  ist  er  fast  jeden  Monat  in  der  Stadt 
gewesen  nnd  zwar  mit  dem  Gronsfelder.  1387  im  Mai  schickt  ihm  der  Rath  einen  Boten 
nach  Luxemburg  und  Sichem   (Laur,  8.  342,  Z.  20)  und  schenkt  ihm  —  wie  schon  1383, 


—  68  — 

vorzüglichen  Belaperungsniaschinen  zog  vor  Schönforst  und  schloss  die 
Burg  ein.  Zwar  versuchte  Reinard  durch  die  Verwüstung  Jülichschen 
Gebietes  den  Herzog  von  der  Belagerung  abzuziehen,  zwar  wehrten  sich 
die  Belagerten  verzweifelt  und  .schlugen  den  Ansturm  der  Feinde  mehr 
als  einmal  ab:  als  der  Hauptthurm ^  unter  den  Geschossen  zusammenbrach, 
musste  die  Besatzung  nach  einer  Belagerung  von  sieben  Wochen  Schön- 
forst übergeben,  21.  September  1396.  Der  Herzog  fand  dort  nach  dem 
Zeugnisse  eines  gleichzeitigen  limburgischen  Schriftstellers,  auf  den  sich 
die  mehrerwähnte  Aachener  Chronik  beruft,  grosse  Mengen  von  Wein, 
Getreide  und  anderen  Vorräthen;  er  stellte  das  Schloss  her  und  behielt 
dasselbe. 

Von  da  ab  bildete  Schönforst  unter  dem  Titel  „Vogtei**  einen  Theil 
des  Jülicher  Gebiets.  Büsching  beschreibt  es  folgendermassen :  „Die  Vogtei 
Schönforst,  in  welcher  das  landesfürstliche  Schloss  desselben  Namens  ist, 
hat  1160  Morgen,  gibt  von  jedem  26  Albus,  also  von  allen  221  Thaler 
15  Albus,  wenn  das  Land  100000  Thaler  aufbringt** ». 

Reinard  verlor  aber  nicht  bloss  seine  Stammburg,  auch  Schloss 
Wilhelmstein  mit  der  Amtmannschaft,  das  er  bis  dahin  als  Pfandstück 
inne  gehabt,  wurde  ihm  abgenommen.  Der  Herzog  zog  von  Schönforst 
dorthin  und  vertrieb  die  Mannen  Reinards  nach  Htägiger  Belagerung. 
Wilhelmstein  war  viel  bedeutender  als  Schönforst.  Nach  Büsching  hatte 
dieses  Amt  „5941  Morgen,  gibt  von  jedem  30  Albus,  überhaupt  2227  Thaler 
70  Albus,  wenn  das  Land  100000  Thaler  erlegt**». 

Endlich  büsste  Reinard  bei  dieser  Gelegenheit  die  Aachener  Vogtei 
ein,  welche  ihm  ebenso  wie  Wilhehnstein  von  Jülich  in  Pfandschaft  ge- 
geben war. 

Welch  starkes  Selbstbewusstsein,  welch  verwegene  Kampfeslust  beseelte 
doch  damals  den  deutschen  Adel,  als  dessen  Typus  der  blinde  König 
Johann  bei  Crecy  erscheint!  Jener  Herzog  von  Geldern  fürchtete  sich 
nicht,  selbst  dem  Könige  von  Frankreich  den  Fehdehandschuh  hinzuweifen 
und  liess  sich  nur  dadurch  von  der  Aufnahme  des  ungleichen  Kampfes  abhalten, 
dass  sein  Vater  ihm  mit  dem  Ausschlüsse  von  der  Erbfolge  in  Jülich 
drohte*,  und  ein  kleiner  Dynast  wie  der  Schönforster  nahm  es  mit  dem 
Herrn  von  zwei  mächtigen  Herzogthümern  auf!  Welch  gebietende  Stellung 
würde  das  Reich  eingenommen  haben,  wenn  die  Kaiser  diese  übersprudelnde 
Kraft  nach  aussen  hätten  verwenden  können,  wenn  die  Sonderbestrebungen 


das.  S.  272,  Z.  4  ~  ein  Ohm  Meth  (das.  S.  345,  Z.  26).  Ebenso  1890  (S.  372,  Z.  18)  und 
1392  (S.  381,  Z.  7).  1386  und  1394  ist  er  Mann  der  Stadt,  wofür  er  jährlich  100 
Gulden  erhielt  (das.  S.  354,  Z.  14;  S.  399,  Z.  32).  1391  kürzte  man  seinetwegen  fast 
9  Mark  an  den  städtischen  Accisen  (das.  S.  371,  Z.  22). 

*)  Der  letzte  Rest  des  gewaltigen  Donjons  ist  heuer  —  nach  500  Jahren  — • 
zusammengestürzt. 

»)  Erdbeschreibnng  VI.  Theil,  S.  130. 

')  Das.  S.  32.  Zum  Vergleiche  geben  wir  auch  die  Ziffern  für  Montjoie.  Dieses 
Amt  hatte  7500  Morgen  und  gab  in  dem  angeführten  Land^chat«  von  jedem  Morgen  27  Vj 
Albus,  überhaupt  2587  Thaler  40  Albus. 

*)  Ernst  a.  a.  0.  V,  S.  163. 


—  69  — 

der  Fürsten  und  Herrn  nicht  damals  schon  des  Kaisers  Krone,  Scepter 
und  Schwert  zu  einem  Puttenspiele  herabgewürdigt  hätten,  wie  die  Kunst 
einer  spätem  Zeit  in  unbewusstem  Spott  durch  die  Stuckverzierungen  des 
Frankfurter  Römers  zum  Ausdruck  gebracht  hat! 

Schwer  empfand  der  Schönforster  den  harten  Schlag,  welchen  der 
Hei-zog  von  Jülich  ihm  versetzt  hatte.  Er  griff  zu  verzweifelten  Mitteln 
um  sich  zu  rächen  und  die  Niederlage  wettzumachen.  Bei  der  Spannung, 
welche  zwischen  Brabant  und  Geldern  bestand,  wird  es  ihm  keine  grosse 
Mühe  gekostet  haben,  die  Herzogin  Johanna  zum  Kriege  gegen  Wilhelm 
zu  reizen,  aber  um  ihr  Bundesgenossen  zu  werben,  soll  er  sich  nicht 
gescheut  haben,  selbst  seine  Ritterwürde  bioszustellen.  Er  ging  wie  Meyer  * 
nach  Fisen  erzählt,  in  die  Stadt  Lüttich,  liess  sich  dort  in  die  Fleischerzunft 
aufnehmen  und  verkaufte  seine  Waare  auf  offenem  Markte.  Dadurch  gewann 
er  die  Zuneigung  der  Zünfte  und  bewog  sie,  sich  dem  Zuge  der  Brabanter 
gegen  Geldern  anzuschliessen.  In  diesem  Kriege  verwüsteten  letztere 
unter  Anführung  des  Grafen  von  St.  Paul,  bei  dem  Reinard  sich  als  Unter- 
befehlshaber befunden  haben  soll,  Linnich  und  Aldenhoven.  Nach  der 
handschriftlichen  Aachener  Chronik  wäre  St.  Paul  selbst  vor  Jülich  gezogen, 
hätte  viele  flüchtigen  Einwohner  der  Stadt  gefangen  und  als  Brandschatzung 
3000  Gulden  erhoben.  Auch  Aachen  wurde  in  Mitleidenschaft  gezogen. 
Weil  die  Stadt  den  Brabantem  keine  Lebensmittel  verkaufen  wollte,  wozu 
sie  nach  einem  Vertrage  von  1 360  verpflichtet  war  *,  liess  St.  Paul  mehrere 
Dörfer  im  Reich  „bis  an  den  Salvatorberg**  in  Brand  stecken'.  Vielleicht 
hat  Reinard  durch  diese  Brandstiftung  den  Aachenern  die  Quittung  für 
die  Beihülfe  zui-  Eroberung  von  Schönforst  und  Wilhelmstein  ausgestellt. 
Nutzen  hat  dem  Schönforster  auch  dieser  Feldzug  nicht  gebracht,  viel- 
mehr neuen  Schaden.  Ausser  Schönforst,  dass  ihm  bereits  genommen 
war,  hatte  er  von  seinem  Vater  noch  die  schöne  Herrschaft  Sichern  geerbt, 
nach  der  er  sich  ebenfalls  nannte;  nun  ging  auch  diese  verloren.  Aus 
dem  Umstände,  dass  er  sich  einmal  in  einer  Urkunde  vom  3.  April  1378 
als  Herr  von  Schönforst  und  Schöneck  bezeichnet*,  schliesst  de  Chestret^, 
Reinard  habe  Sichem  für  einige  Zeit  gegen  Schöneck  abgegeben.  Jetzt 
aber  versetzten  ihn  die  grossen  Unkosten  der  Umtriebe  gegen  den  Herzog 
von  Geldern  in  die  Nothwendigkeit,  Sichem  gegen  eine  Rente  von  1800 
Gulden  an  den  Herrn  von  Diest  zu  verkaufen  oder  doch  zu  verptänden. 
Die  Herzogin  Johanna  genehmigte  die  Uebertragung  noch   in  demselben 

»)  Aach.  Gesch.  S.  358. 

■)  Herzog  Wilhelm  erkannte  später  diese  Verpflichtung  selbst  an.  Vgl.  Nopplus, 
Chronick  III,  Nr.  XVII,  S.  274. 

')  Die  Kölner  Chronik  fügt  bei,  er  habe  anch  „die  wyu**  verheeren  lassen,  ein  Aus- 
druck, den  Meyer  (Aach.  Gesch.  S.  359)  mit  „Weingewächs"  wiedergibt  Ich  halte  „die 
wyn**  für  das  Dorf  Weiden,  welches  im  Volksmuude  „Wije,  eu  der  Wije"  heisst,  bemerke 
jedoch,  das  die  handschriftliche  Chronik  daraus  einen  Aachener  Wald  Vinna  macht.  Der 
Aachener  Wald  dehnte  sich  allerdings  noch  im  14.  Jahrhundert  bis  in  die  Gegend  von 
Haaren  ans.  Vgl.  Laurent,  Stadtrechnnngen  S.  137,  Z.  16. 

*)  Franquinet,  annexe  X,  S.  83. 

»)  S.  62. 


—  70  — 

Jahre  1398.  Auch  dieses  Geschäft  gab  wieder  Anlass  zu  neuen  Ver- 
wickelungen, die  ebenfalls  zu  einer  Fehde  geführt  hätten,  wenn  der  Aus- 
bruch nicht  durch  Freunde  Reinards  verhindert  worden  wäre.  Nach 
Franquinet  ^,  der  sich  auf  Bütkens  beruft,  ist  der  Verkauf  von  Sichern  erst 
1413  rechtskräftig  geworden.  Unsere  oftbenutzte  Chronik  erzählt  den 
Handel  nach  Haraeus^  wie  folgt.  „Zu  derselben  Zeit  (1399)  brach  ein 
Sturm  im  Lande  Overmaas  zwischen  Heinrich  (Thomas)  von  Diest  und 
Reinard  von  Schönforst  und  Sichern  aus.  Reinard  war  Befehlshaber  der 
Burg  von  Löwen  und  drängte  den  Heinrich,  der  ihm  viel  Geld  schuldig 
war,  aber  nicht  zahlte,  zur  Stellung  von  Bürgen.  Es  ärgerte  den  Diester, 
dass  Reinard  ihn  wie  einen  böswilligen  Schuldner  behandelte.  Man  griff 
beiderseits  zu  den  Waffen,  aber  der  Herzog  von  Geldern  (!  ?),  der  Graf 
von  Blankenheim  und  der  Abt  von  Prüm  ^  schrieben  an  die  Löwener,  deren 
Mitbürger  Heinrich  war  und  die  deswegen  denselben  leicht  zur  Erfüllung 
seiner  Schuldigkeit  anhalten  konnten.  Durch  deren  Vermittelung  kam  es 
zum  Waffenstillstände  und  die  Sache  wurde  bald  freundschaftlich  erledigt". 

Zu  air  diesem  Missgeschick  gesellte  sich  für  Reinard  noch  grosses 
Unglück  in  der  Familie.  1403  wurde  sein  Bruder  Conrad  zu  Löwen 
meuchlings  ermordert,  in  demselben  Jahre  gerieth  sein  Schwager  Johann 
von  Arkel  in  Streit  mit  Albert  von  Baiern,  Graf  von  Holland.  Zwar 
gelang  es  Reinard  durch  den  Sohn  des  Grafen,  der  zum  Bischof  von 
Lüttich  erwählt  war,  einen  Frieden  zustande  zu  bringen;  aber  schon  im 
folgenden  Jahre  brach  der  Krieg  wieder  aus  und  endete  diesmal  mit  der 
vollständigen  Niederlage  des  Arkel.  Johann  verlor  seine  Besitzungen  und 
selbst  seine  Freiheit;  zehn  Jahre  lang  schmachtete  er  in  der  Gefangenschaft*. 

Dr.  Baersch  scjireibt  in  den  „Nachrichten  über  die  Abteien  Malmedy 
und  Stablo**^  vom  Abte  Walram  von  Schieiden:  „Die  Regierung  dieses 
Abtes  war  sehr  unruhig.  Er  gerieth  in  Fehde  mit  dem  kriegerischen 
Reinard  IL  von  Schönforst,  Herrn  von  Montjoie.  Die  Einwohner  von 
Stablo  fielen  1409  in  das  Gebiet  von  Montjoie  ein,  plünderten  und  brand- 
schatzten darin;  da  eilten  die  Einwohner  von  Contzen  den  von  Montjoie 
zu  Hülfe,  schlugen  die  von  Stablo  und  tödteten  den  grössten  Theil  der- 
selben. Zum  Andenken  an  die  Gefallenen  wurde  eine  Kapelle  neben  der 
Kirche  zu  Contzen  erbaut.  Die  Gefangenen  musste  der  Abt  mit  der  damals 
sehr  bedeutenden  Summe  von  12000  (!)  rheinischen  Gulden  einlösen  und 
deshalb  mehrere  Klostergüter  verpfönden.*' 

Tu  den  Urkunden  jener  Zeit  bezeichnet  sich  stets  Johann  (TL)  als 
Burggraf  von  Montjoie.  Wenn  also  hier  kein  Irrthum  im  Namen  vorliegt, 
so  muss  man  annehmen,  dass  Reinard  nach  dem  Tode  seines  Bruders 
Johann  (L),  d.  h.  nach   dem  Jahre  1381,  als  Chef  des  Hauses  Schönforst 


')  Franquinet  S.  44. 

*)  Aimales  ducum  Brabantiae  .  .   1623.    Haraeus  war  Kanonikus  in   Löwen  und 
starb  1632.    Y^].  Fe  11  er,  Dictionnaire  Historiquc  III,  S.  407. 

^)  Walrara  von  Schieiden.    Wir  finden  ihn  gleich  in  Fehde  mit  Reinard. 
*)  Franquinet  S.  45. 
^)  Annalen,  Heft  8,  S.  53. 


—  71  — 

auch  in  Montjoie  gewisse  Rechte  ausgeübt  hat  und  nach   aussen  als  Herr 
daselbst  aufgetreten  ist. 

ßeinard  11.  beschloss  im  Jahre  1419  ein  Leben,  welches  dem  seines 
Vaters  an  ruheloser  Thätigkeit  nicht  nachsteht.  Aber  diese  Thätigkeit 
sammelte  und  erbaute  nicht,  sie  zerstreute  und  zerstörte.  Die  Schönauer 
waren  glänzende  Meteore,  die  einen  aussergewöhnlichen  Anlauf  nehmen, 
einen  Augenblick  Staunen  oder  gar  Furcht  erregen,  dann  aber  bald  zer- 
platzen.   Ein  ungleich  ruhigeres  Leben  war  Reinards  Bruder 

b.  Johann  (L)  beschieden.  Als  kaum  elfjähriger  Knabe  erhielt  er  auf 
Vermittelung  seines  Vaters  vom  Herzog  Wenzel  die  reiche  Propstei  von 
St.  Servatius  zu  Mastricht  (1361)^  und  behielt  dieselbe  bis  zum  Jahre 
1370*.  Da  Johann  1369  die  Burggrafschaft  Montjoie  antrat  und  sein 
Bruder  Engelbert  nach  ihm  als  Propst  von  St.  Servatius  erscheint,  so  ist 
anzunehmen,  dass  er  auf  Wunsch  Reinards  I.  oder  bei  der  Verheirathung 
mit  Margarethe  Schelfert  von  Merode-Hemmersbach  ^  auf  jene  Pfründe  zu 
gunsten  Engelberts  verzichtet  hat.  Auch  das  Eanonikat  an  St.  Lambert 
in  Lüttich,  welches  Johann  innehatte,  befindet  sich  später  im  Besitze 
Engelberts*.  Gott  sei  Dank,  dass  die  Zeit  dieser  Pröpste  und  Kanoniker 
vorüber  ist!  Wahrscheinlich  noch  bei  Lebzeiten  des  Vaters  empfing  Johann 
die  Herrschaft  St.  Agathenrode,  wodurch  ihm  der  Verzicht  auf  die  Propstei 
noch  leichter  gemacht  wurde  ^;  ausserdem  besass  er  die  Herrschaften 
Clabbeke,  Neerpoorten,  Ottenburg  und  den  Zoll  zu  Wavre^  Johann  starb 
bereits  1381,  also  im  Alter  von  etwa  31  Jahren.  Er  hinterliess  zwei 
Kinder:  Katharina,  welche  in  erster  Ehe  den  Grafen  Wilhelm  von  Sayn 
(1392)  und  1432  den  Grafen  von  Linange  und  Dachsburg  heirathete.  Sie 
starb  ohne  Erben  und  ihre  Mitgift  St.  Agathenrode  kam  an  ihren  Vetter 
Conrad  IL  von  Elslo^  Johanns  Sohn,  Johann  IL  von  Schönforst,  Herr 
von  Montjoie,  wurde  durch  Heirath  mit  Johanna  von  Rochefort  Besitzer 
von  Walhain  und  Flamengerie,  kaufte  Cranendonk,  Diepenbeck,  Eindhoven 
und  gründete  in  der  Nähe  der  letztgenannten  Besitzung  das  Kloster 
Haegen.  Er  starb  kinderlos  am  1.  Februar  1433.  Johann  IL  wird  hier 
noch  erwähnt,  weil  er  den  langandauernden  Streit  des  Hauses  Schönforst 
mit  der  Stadt  Mastricht  1405  beilegte  und  1411  das  Ländchen  Corneli- 
münster  gegen  die  10000  Goldschilde,  für  die  es  verpfändet  war,  an  den 
Herzog  Reinald  von  Geldern  und  Jülich  zurückgab  ^  Seine  Frau,  welche 
bis  1444  lebte,  empfing  am  13.  Mai  1439  von  Gerard,  Herzog  zu  Jülich 


^)  Franquinct  S.  23.    Johann  wäre  demnach  um  1350  geboren. 

«)  de  Chcstret  S.  63. 

*)  1376  war  Johann  mit  Frau  und  Töchtern  gelegentlich  der  Krönnng  Wenzels  in 
Aachen;  1385  traf  die  Frau  von  Montjoie  am  Fronleichnamstage  mit  ihren  Schwägern 
Heinard,  Engelbert  und  Conrad,  sowie  mit  den  Frauen  der  beiden  erstgenannten  in  der 
Stadt  zusammen.  Laurent  S.  243,  Z.  23;  8.  255,  Z.  23;  S.  298,  Z.  21,  32,  34;  S.  299,  Z.  7,  8. 

♦)  de  Chestrct  S.  63,  64. 

»)  Vgl.  oben  S.  42. 

«)  Franquinet  S.  46,  de  Chestret  S.  63. 

')  Franquinet  S.  47. 

«)  Das.  S.  47  ff. 


—  72  — 

und  Berg,  die  Pfandsumme  für  Montjoie  und  trat  die  Herrschaft  an 
diesen  ab^ 

c.  Conrad  nannte  sich  nach  der  Herrschaft  seines  Stiefbruders  Otto, 
die  ihm  zugefallen  war,  Herr  von  Elslo.  Sein  Heirathsvertrag  mit  Katharina 
von  Argenteau  datirt  vom  10.  September  1372.  Katharina  war  die  Tochter 
Johanns  von  Argenteau  und  der  Katharina  von  Gronsfeld,  diese  hinwiederum 
eine  Tochter  Heinrichs  und  eine  Nichte  Johanns  von  Gronsfeld.  Die  Frau 
Conrads  war  demnach  die  Enkelin  des  Heinrich  und  die  Grossnichte 
Johanns.  Conrad  trat  also  durch  diese  Heirath  mit  beiden  in  Affinität;  daraus 
erklärt  sich,  warum  man  ihn  wählte,  um  Johann  nach  Aachen  und  in  das 
Haus  Reinards  zu  locken,  und  warum  Conrad  sowohl  den  Erschlagenen  wie 
Heinrich  in  dem  Briefe  an  letzteren  seinen  „lieben  Schwager*  nennte 
Es  ergibt  sich  ferner,  dass  um  jene  Zeit  jeder  durch  Schwägerschaft 
Verwandte,  ganz  abgesehen  vom  Grade  der  Affinität,  einfach  „Schwager" 
genannt  wurde. 

Weil  der  Vater  der  Braut  verstorben  und  die  Mutter  in  zweiter 
Ehe  mit  Dietrich  von  Welkenhusen  lebte,  wurde  der  Vertrag  für  Katharina 
von  den  Grosseltern  Heinrich  von  Gronsfeld  und  Mechtild  von  der  Heiden, 
von  der  Mutter  und  dem  Stiefvater,  von  dem  Grossoheim  Johann  von 
Gronsfeld  und  Frambach  von  Broich  unterzeich uet.  Katharina  erhielt  als 
Mitgift  den  Pfandhof  zu  Tengys,  der  jährlich  63  Mtid  Spelz  aufbrachte, 
und  50  Mtid  Spelz  aus  den  Renten  und  Einkünften,  welche  ihrem  Vater 
in  Harve^  und  Umgegend  zugestanden  hatten.  Diese  50  Mtid  gab  die 
Mutter,  weil  sie  sich  das  Haus  auf  Walhorn  ftir  ihre  Lebenszeit  vor- 
behielt; erst  nach  ihrem  Tode  sollte  dasselbe  an  Conrad  und  seine  Frau 
kommen  *. 

üeber  andere  Besitzungen  Conrads  haben  wir  S.  44,  über  seinen 
Streit  mit  dem  Kapitel  zu  St.  Servatius  wegen  der  Schätze  Reinards  I. 
S.  21,  über  seine  Verwickelung  in  die  Ermordung  des  Gronsfelders  S.  64  f. 
berichtete  Conrad  selbst  starb  ebenfalls  eines  gewaltsamen  Todes.  Er 
gerieth  in  Zwist  mit  zwei  Löwener  Patrizierfamilien,  den  Eveloge  und 
Witteman.  Drei  Herren  von  Eveloge  und  zwei  Herren  von  Witteman 
schlichen  sich  in  der  Nacht  des  7.  März  1403  in  das  Zimmer,  welches 
Conrad  im  Hause  des  Schöffen  und  Rathsherrn  Johann  von  HüflSe  bewohnte 
und  ermordeten  ihn  in  seinem  Bette.  Einer  der  Mörder,  Heinrich  von 
Eveloge  wurde  in  Löwen  auf  dem  Markte  hingerichtet,  die  anderen  ent- 
kamen. Reinhard  und  Johann,  die  Brüder,  sowie  Heinrich  von  Viel-Salm,  der 
Schwager  Conrads,  sammelten  Reisige,  um  die  Stadt  Löwen  wegen  des 
Mordes  zu  befehden,  es  gelang  aber  dem  Gesandten  der  Stadt  und  der 
Herzogin  Johanna,  sie  zu  besänftigend 

')  Frauquinet  und  Annalen,  Heft  6,  S.  17. 
*)  Franqninet,  anuexe  XIU,  S.  86  ff. 

*)  So  steht  in  der  Urkunde;  im  Texte  hat  Franquinet  „WaUiom''. 
*)  Franquinet,  annexe  VIII,  S.  80. 

')  Die  Aachener  Stadtrechnongen  erwähnen  Conrad  häufig;   1394  im  Mai  empfängt 
sein  Knecht  9  schwere  Gulden  für  das  Pferd  eiuos  Gefangenen.   Laurent  S.  396,  Z.  34. 
«)  Franquinet  8.  52  ff. 


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wmiaBions -Verlag 

der 
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in  AocbeD. 


MittheiluDgen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Im  Auftrngc  lU-s  Vereins  lierausgegeben  von  E.  Schnock. 


Np.  5/6. 


Achter  Jahrgang. 


1895. 


Inlinlt:  H.  -T.  Ctiis»,  Keiniird  vün  Si;hünan,  der  rrste  Herr  von  Si-hOufurst.  (Schlaas.)  — 
B.  M.  Lersch.  Der  Ruliqaiun- Behälter  des  hl.  Anastusiiis  im  Aachener  Dom.  —  J.  Uuch- 
kreiner,  Abbnicli  der  Häuser  des  Jusephinischcn  Inatitnia  und  des  Waisenhauses  in  der 
Pontstra^e.  —  Kleinere  Mittbeilungen :  Freilcgung  des  Chores  der  Nikolaiiskircbe  su 
Aachen.  —  Spottgedicht  auf  die  Franzosen  aus  dem  Jahre  179ä. 


Reinard  von  Schönau,  der  erste  Herr  von  Schönforst. 

Von  H.  J,  (iroas.  (Schhiss.) 

tl.  Engelbert  von  Schönforst  legte  1376  seine  Wüiile  als  Propst  von 
St.  Servatiiis  nieder.  Als  Herr  von  Hartelstein  und  Arken  heiriitliete  er 
1381  Agnes  von  Palivnt,  Scliwester  des  Carueüs,  Herrn  zn  Rreidenbend. 
Wegen  einer  Scliiild  von  5000  (iolddcnaren  imisste  er  1385  einigen  Löwener 
Bürgern  erklären,  dass  alle  seine  Güter  deren  Eigenthum  und  er  selbst 
nur  ihr  gemietlieter  Diener  znr  treuen  Verwaltung  derselben  sei'!  Den 
Hof  Batenberg,  der  zu  Hartelstein*  gehörte,  löste  Engelberts  Schwester, 
EHsalieth  von  Wedergraet,  mit  900  Gulden  von  ihrem  Ncftcn  Reinard  von 
Berg,  wieder  ein^;  die  Herrschaft  Arken,  welche  ein  brabantisches  Lehen 
war,  entzog  tlie  Herzogin  Johanna  dem  Engelbert  wegen  Felonie  und  gab 
sie  dem  Wilhelm  von  Sayn,  den  Gemahl  seiner  Nichte  Katllarina^  Engelbert 
starb  kinderlos. 

e,  Alide  von  Schonforst  heirathete  im  September  1363  zn  Aachen 
Onrad  von  der  Dyck,  Nach  dessen  Tod  ging  sie  eine  zweite  Ehe  mit 
Arnold  von  Waclitendonk  ein*. 


')  Frtinqninet,  anncxe  Xll,  H.  06. 

•)  Vgl.  (iWii  8.  41. 

■)  Fraoquinet.  anncxe  XV,  S.  91. 

*)  Das.  snnesc  XVI,  3.  92. 

')  dft  Chestrol   S.  84.    Sic  bcjiog    1.^73  c 

ne  Jabrreute    von   200   H.irk:   von 

Stadt   Linz;   die    Uvutv    rllhrte   von    ihrer  Muhm., 

vüu    Wiulerbur^'    her.     Auualen 

Heft  59,  S.  231. 

—  74  — 

f.  Philippine  von  Schönforst,  Gemahlin  Heinrichs  VII.  Graf  von  Viel- 
Salm  (1365)  starb  1399. 

g.  Mechtilde  von  Schönforst  vermählte  sich  vor  1373  mit  Peter  von 
Dollendorf,  Herrn  von  Cronenburg  in  der  Eifel  und  Neuerburg.  Sie  starb 
um  1389. 

h.  Elisabeth  von  Schönforst  lebte  um  1376  in  erster  Ehe  mit  Otto 
von  Trazegnies,  Herrn  von  Wedergraet  oder  Contrecoeur,  nach  1387  in 
zweiter  Ehe  mit  Johann  von  Diest.    Sie  starb  nach  1393. 


Der  Eeliquien-Behälter  des  hl.  Anastasius  im  Aachener  Dom. 

Von  B.  M.  Lersch. 

(Mit  einer  Tafol.) 

Ehe  das  Heilige  Land  unter  die  Botmässigkeit  der  Sarazenen  kam, 
wurde  es  von  den  Persern  zu  wiederholten  Malen  verwüstet.  Im  Juli  des 
Jahres  614  zündeten  sie  die  Grabeskirche  des  Herrn,  die  Konstautinisclie 
Basilika  an,  raubten  unzählige  heilige  Gefässe  und  schleppten  auch  das 
heilige  Kreuz  mit  sich,  nachdem  sie  alle  sonstigen  christlichen  Denkmale 
zerstört  hatten.  Die  Zahl  der  Kleriker,  Mönche  und  Nonnen,  welche  von 
ihnen  damals  getödtet  wurden,  ist  fast  unglaublich.  Von  den  ermordeten 
14  Tausend  Anachoreten  sind  noch  viele  Hundert  Schädel  im  Wüstenkloster 
Mar  Saba  aufgeschichtet,  unter  ihnen  drei,  denen  vorzugsweise  Verehrung 
gezollt  wird.  Auch  die  Heiligen-Kammer  unseres  Aachener  Domes  bewahrt 
in  einem  Schnmckgefösse  den  Schädel  eines  berühmten  Martyi-ers,  der  auf 
Befehl  desselben  Tyrannen  den  Tod  erlitt,  wie  jene.  Es  ist  dies  das  Haupt 
des  hl.  Anastasius. 

üeber  das  Leben  dieses  Heiligen  haben  wir  zuverlässige  Nachrichten  ^ 
Als  Sohn  eines  persischen  Magiers  Namens  Hau  wurde  Anastasius,  damals 
noch  Magundat  genannt,  in  den  Künsten  der  Magie  unterrichtet.  Noch 
im  Jahre  617  diente  er  mit  seinem  Bruder  Sain  als  höherer  Offizier  beim 
persischen  Heere  und  am  Hofe  Choroes  kam  ihm  die  Kunde  von  der  Er- 
oberung Jerusalems  und  der  Entführung  des  hl.  Kreuzes.  Dadurch  auf 
das  Christentum  aufmerksam  gemacht,  trat  er  aus  dem  Heere  aus  und 
ging  nach  Hierapolis,  wo  er  zu  einem  persischen  christlichen  Silberschnnede 
in  die  Lehre  kam  und  die  ersten  Keime  der  christlichen  Lehre  in  sich 
aufnahm.  Besonders  waren  es  die  Gemälde,  welche  Märtyrer  vorstellten, 
die  sein  Geraüth  anregten.   Entschlossen,  Christ  zu  werden,  ging  er  dann 


*)  Am  ausführlichsten  und  mit  vielen  gelehrten  Bemerkungen  versehen  ist  das  Lehen 
des  hl.  Anastasius  beschrieben  in  den  Acta  Sanctorum  Bollaudi  edit.  Carnandet,  Brux., 
vol.  ni,  1863,  35—54,  wobei  die  Verfasser  Gladbacher  und  Trierer  Manuskripte  der  akon 
Akten  benutzten.  Jüngst  erschien:  Herrn.  Uscner,  Acta  martyris  Anastasii  Persae,  graece 
primum  edidit,  1894,  Bonnae,  F.  Cohen,  als  Programm,  nach  zwei  jetzt  in  Berlin  befind- 
lichen Manuskiipteu,  hinsichtlich  der  Wundergeschichten  etwas  vollständiger  als  die  Ueber- 
setzungen  bei  Bollandus,  nicht  ohne  einen  hämischen  Seitenhieb  gegen  die  Dunkelmänner 
der  Jetztzeit. 


—  75  — 

nach  Jerusalem;  hier  führte  ihn  sein  neuer  christlicher  Meister,  ein  Münz- 
präger,  zu  einem  Geistlichen  der  Anastasis-Kirche,  Elias  genannt,  welcher 
ihn  aber  zur  fernem  Unterweisung  an  Modestus  verwies.  Modestus  ver- 
trat damals  Patriarchenstelle.  Von  diesem  getauft,  kam  er  im  Jahre  620 
zum  Kloster  des  Abtes  Justinus  oder  Anastasius,  in  der  Nähe  Jerusalems, 
wo  er  7  Jahre  dem  Gebete  und  der  klösterlichen  Arbeit  oblag.  In  der 
Ueberfülle  seiner  Frömmigkeit  entschloss  er  sich,  als  Glaubensbote  und 
Eiferer  gegen  das  Treiben  der  Magier  unter  die  Heiden  zu  gehen,  in  der 
sichern  Aussicht,  die  sehnlichst  gewünschte  Martyrerkrone  zu  erreichen; 
aber  auf  der  Reise  wurde  er  von  den  Persern  ergriffen  und  blieb  dann 
längere  Zeit  gefangen.  Er  musste  jetzt,  an  einen  andern  Gefangenen  mit 
einer  Kette  zusammengeschmiedet,  Steine  brechen  und  tragen.  Am  Feste 
der  Kreuzerhöhung,  dem  14.  September,  wurde  ihm  die  Begünstigung,  eine 
christliche  Kirche  besuchen  zu  dürfen.  Chosroe  hätte  viel  darum  gegeben, 
dass  Anastasius  dem  Christentume  abtrünnig  geworden  und  schrieb  in 
dieser  Angelegenheit  wiederholt  an  den  Präfekten,  liess  dem  Heiligen  Geld 
und  Ehrenstellen  versprechen,  wenn  er  wieder  die  Landesreligion  annehmen 
wolle.  Als  dies  nichts  half,  sandte  er  einen  eigenen  Richter,  um  ihm  das 
Todesurtheil  zu  spiechen.  Anastasius  wurde  dann  mit  70  andern  Christen 
erdrosselt.  Nach  dem  griechischen  Menologium  beim  15.  Januar  wurde  dem 
Heiligen  vor  der  Enthauptung  ein  Strick  um  den  Hals  gelegt  und  dieser 
zugezogen  bis  zur  Erstickung.  Das  abgeschlagene  Haupt  wurde  an  Chosroö 
geschickt  ^ 

Anastasius  wurde  am  22.  Januar  628  enthauptete 

Zwei  der  Mordscene  Entronnene  brachten  die  Kunde  seines  Todes 
nach  Jerusalem.  In  ganz  Palästina  erregte  diese  Nachricht  Trauer  und 
Entsetzen,  da  er  ungemein  beliebt  war.  Hatten  die  Christen  ihn  schon  auf 
der  Reise  zahlreich  begleitet,  und  als  er  noch  im  Kerker  gehalten  wurde, 
seine  Ketten  geküsst  und  einen  Wachsabdruck  davon  angefertigt,  um  ihn  als 
Andenken  an  den  Bekenner  aufzubewahren,  so  musste  sein  Tod  die  Ver- 
ehrung, die  sie  für  ihn  hegten,  noch  steigern  und  den  Wunsch  erwecken, 
die  Ueberbleibsel  des  Heiligen  zu  besitzen.  Besonders  strebten  auch  seine 
Klosterbrüder,  wovon  zwei  ihm  nach  Persien  nachgefolgt  waren,  nach 
diesen  für  sie  so  theueren  Reliquien.  Das  Mönchskleid,  welches  der  Heilige 
so  schätzte,  dass  er  davon  sagte:  „Dies  Kleid  ist  mein  Ruhm**,  mochte 
leicht  zu  erlangen  sein;  ein  Mönch  brachte  es  nach  Cäsarea.  Den  Körper 


*)  Es  scheint  in  damaligen  Zeiten  bei  den  Persern  gebräuchlich  gewesen  zu  sein, 
den  Kopf  eines  vornehmen  Getodteten  dem  Könige  als  Trophäe  zuzusenden;  z.  B.  lesen 
wir,  dass  Chosroe  der  Jüngere  sich  (Iber  die  Ankunft  des  Kopfes  des  Zadespra  freute 
(Evagr.  VI,  20),  gleichwie  ein  anderes  Mal  die  vom  Perserkönige  Eingekerkerten,  die  sich 
empört  hatten,  den  Kopf  des  Merusa  nach  Konstantinopel  schickten  (Holland.  23.  Jan. 
p.  508).  Wahrscheinlich  wurde  in  derartigen  Fällen  der  Kopf  mit  Salz  conservirt.  (Vergl. 
Coustantini  Or.  c.  24.) 

^)  An  diesem  Monatstage  wird  sowohl  von  den  lateinischen  als  den  griechischen 
Menologien  sein  Andenken  gefeiert  (Paghi).  Hermannus  contractus  setzt  mit  Unrecht  den 
Tod  des  Heiligen,  den  er  Persa  nobilis  nennt,  auf  613,  Ado  Vienn.  auf  604,  Marian. 
Scotus  auf  617,  Sigebert  auf  620. 


—  76  — 

aber  wollten  die  Kerkerwärter  nicht  folgen  lassen,  obwohl  der  Kerker- 
meister, selbst  Christ,  keine  Schwierigkeit  machte.  Aber  die  Söline  eines 
am  Orte  ansässigen  Christen,  die  dem  Heiligen  schon  in  der  Gefangen- 
schaft Dienste  geleistet,  erkauften  den  Leichnam  mit  schwerem  Gelde,  um 
ihn  in  ein  benachbartes  Kloster  zu  bringen,  von  wo  er  dann  später  (man 
weiss  nicht  wann)  nach  Konstantinopel,  hernach  aufGeheiss  des  Heraklius 
aber  nach  Rom  gebracht  wurde.  Da  nur  Anastasius  von  jenen  Siebenzig 
enthauptet  worden,  war  es  leicht,  seinen  Leichnam  zu  erkennen.  Hatte 
man  schon  in  der  Gefangenschaft  Anastasius  mit  zwei  andern  Gefangenen 
durch  ein  angehängtes  Täfelchen  kenntlich  gemacht,  so  versäumte  auch 
sein  letzter  Richter  es  nicht,  auf  den  Kopf,  den  er  Chosroe  zusandte,  ein 
Siegel  zu  setzen. 

Als  wenige  Wochen  nachher  Chosroe  ermordet  wurde,  suchte  sein 
Nachfolger  mit  Heraklius  Frieden  zu  schliessen.  Der  schon  gegen  Pfingsten 
desselben  Jahres  abgeschlossene  Frieden,  wobei  das  von  den  Persern  sorg- 
faltig aufbewahrte  Kreuz  Christi  zurückgegeben  wurde,  bot  wohl  die 
Gelegenheit,  sich  auch  das  Haupt  des  vor  wenigen  Monaten  getödteten 
Märtyrers  zu  erbittend  Ehe  am  14.  September  das  Kreuz  im  Triumph- 
zuge zurückgeführt  wurde,  mag  jenes  schon  in  den  Händen  der  Christen 
gewesen  sein.  Dass  diese  den  Kopf  eines  Heiligen  verehrungsvoll  auf- 
bewahrten, sehen  wir  aus  dem  Berichte  des  Evagrius,  in  dem  er  das  Aus- 
sehen des  Kopfes  des  hl.  Simon  Stylites  beschreibt.  Fehlen  uns  freilich 
genaue  Nachrichten  über  die  Uebergabe  des  Kopfes,  so  verknüpft  doch 
ein  Name,  der  auf  dem  Reliquien-Behälter  steht,  worin  das  Haupt  ruht, 
jene  Uebergabe  mit  dem  Friedensschlüsse,  wie  wir  später  sehen  werden. 
Diejenigen,  welche  die  Reliquien  des  Heiligen  zurückführten,  scheinen  damit 
lange  von  Ort  zu  Ort  gezogen  zu  sein;  überall  verehrte  man  diese  ehr- 
würdigen Ueberbleibsel,  besonders  aber  zollten  die  Einwohner  von  Cäsarea 
dem  Märtyrer,  der  bei  ihnen  bleiben  sollte,  grosse  Verehrung  und  zogen  ihm 
prozessionsweise  entgegen  unter  dem  Klange  der  angeschlagenen  Hölzer 
(sacra  ligna  percutientes),  die  damals,  wie  jetzt  noch  im  Oriente,  die  Stelle 
unserer  Glocken  vertraten  ^  Sie  erbauten  dafür  ein  Oratorium  in  Mitte  der 
Stadt,  wo  sie  auch  das  Bild  des  Heiligen  hinbrachten.  Der  Ort,  wo  diese 
Kapelle  stand,  aber  auch  der  Bau  selbst,  hiess  Vierthor  (Tetrapylon), 
sodass  die  Annahme  nahe  liegt,  der  Platz  habe  seinen  Namen  vom  Gebäude 


*)  Vielleicht  kam  bei  dieser  Golegcnheit  aucb  die  im  Schatze  zu  St.  Denis  aufbewahrte 
Sassaniden-Schüssel  Chosroea  I.  (531 — 570)  in  den  Besitz  von  Heraklius,  von  da  später 
nach  Rom  und  dann  in  Karls  Hände. 

■)  In  Mingrelien,  Georgien,  sowie  im  ganzen  Oriente  bedient  man  sich  noch  des 
Tones  des  heiligen  Brettes  an  Stelle  der  Glocken.  Ora  beschreibt  es  als  ein  dünnes  Brett, 
etwa  eine  Hand  breit,  fünf  Hand  lang.  Selbst  wo  es  Glocken  gibt,  schlägt  man  vor  dem 
Läuten  mit  dem  Brette  an  und  soll  das  Anschlagen  des  Holzes  an  das  Kreuzesholz 
erinnern  (Reise  n.  Pers.  1780).  Die  Griechen  in  der  Türkei  benutzen  ein  etwa  vier 
Finger  breites,  zwei  Finger  dickes,  etliche  Schuh  langes  hölzernes  zierlich  gehauenes 
Instrument,  das  einen  nicht  unangenehmen  Ton  beim  Anschlagen  gibt,  statt  der  Glocken. 
(Haug,  Alterth.  d.  Christ.  209.)  In  armen  Gegenden  Russlands  schlägt  man  noch  mit 
hölzernen  Hämmern  auf  ein  hangendes  Brett,  um  die  Leute  zur  Kirche  zu  rufen. 


—  77  — 

erhalten  ^  Damals  war  hier  neben  dem  Bilde  auch  der  Kopf  des  Heiligen 
ausgestellt  -. 

Wie  lange  diese  Reliquien  in  Cäsarea  blieben,  wissen  wir  nicht  genau; 
wahrscheinlich  nur  einige  Jahre.  Vermuthlich  hat  das  siegreiche  Vordringen 
der  Sarazenen  im  Jahre  686  die  nächste  Veranlassung  gegeben,  die  Kirchen- 
schätze vor  der  Wuth  der  Araber  zu  sichern.  Ein  Theil  der  geschlagenen 
Eöraer  nahm  ja  eben  über  Cäsarea  ihren  Rückzug;  gewiss  schloss  sich 
ihnen  eine  grosse  Zahl  Christen  aus  den  preisgegebenen  Orten  an.  Mög- 
lich, dass  sie  die  meisten  Kirchenschätze  nach  Konstantinopel  flüchteten. 
Denselben  Weg  dürften  die  Ueberbleibsel  unseres  Heiligen  genommen  haben. 

Von  der  Aufbewahrung  dieser  Reliquien  in  Konstantinopel  finden  sich 
einige  Nachrichten  in  den  Exuviae  sacrae  Coristant.  II,  Gen.  1878,  p.  226: 
In  ecclesia  s.  Lucae  servatur  truncus  s.  Anastasii,  nam  Caput  furto  ab- 
latum  est;  ferner  p.  262:  post  6.  annum  Heraclius  cum  victor  Constan- 
tinopolin  rediens  detulit  secum  corpus  Anastasii  Perse  (!)  .  .  .  sub  Henrico 
Dandalo  duce  delatum  est  Venetiis  .  .  .  Auch  p.  261  wird  erwähnt,  dass 
nach  der  Einnahme  Konstantinopels  durch  die  Venetianer  der  Körper  nach 
Venedig  gebracht  worden  sei. 

Die  bald  darauf  entbrannten  religiösen  Streitigkeiten  in  der  Haupt- 
stadt des  oströmischeu  Reiches  über  die  Natur  des  Gottmenschen  werden 
den  Anlass  gegeben  haben,  jene  nach  Italien  zu  flüchten.  Man  weiss  näm- 
lich, dass  griechische,  von  den  Schismatikern  aus  dem  Oriente  vertriebene 
Mönche,  kurz  nach  dem  Einfalle  der  Araber  in  eben  demjenigen  Kloster 
eine  neue  Heiraath  gründeten,  wo  nachweislich  im  Jahre  713  sich  der  Kopf 
des  Heiligen  und  sein  Bihl  befanden^,  und  dessen  Marienkirche  wohl  von 
jeuer  Zeit  an  den  hl.  Anastasius  als  Nebenpatron  hatte,  in  der  spätem 
Basilika  des  hl.  Anastasius  ad  aquas  Salvias,  einer  Annexkirche  von 
St.  Paul*.  Es  dürfte  diese  Uebertragung  der  Ueberlieferung  entsprechend 

')  „Constructo  venerabili  Tetrapylo,  uoinine  sancti  raartyris  et  jain  perfecto,  cum 
translatio  fieret  reliqiiiarum'*  n.igt  die  Leejondo. 

"*)  ^Serraoues,  quos  locuta  ent  adveröus  caput  siium;  .  .  .  adfert  imaginem  et  ad  caput 
ejus  ooHocat." 

")  „L'oa  (cclfbia  .sanctat;  Dei  j^enitricis  Mariae,  ubi  sancti  Anastasii  reliquiae  cum 
imagine  ejus  asservabatur,  dens  uuus  scti.  Anastasii  .  .  .  xVbbas  scti.  martyris  caput  et 
imaginem  super  alt^iro  protVrt.'*  L(»tztores  goscliah  bei  einem  Exoreismus.  Das  römische 
Martyrologium  (22.  Januar)  sagt:  „Romae  ad  Aquas  Salvias  .  .  .  ejus  caput  liomam  delatum 
est."  Dasselbe  bei  Heda.  Baronius  bemerkt  zum  22.  Januar:  „S.  Anastasii  Persae  .  .  . 
Metaphrastes  ejus  ac  sociorum  acta  descripsit;  habet  ea  Lipoma  t.  V  et  8ur.  t.  I.  Habe- 
mus in  nostra  bibliotheca  ejusdem  res  gestas  a  (Iregorio  quodam  clerico  e  Oraecis  Latiuc 
redditiis  .  .  .  Habetur  illic  insupc^r  elegaus  historia  de  arreptia  jjuella  virtute  martyris 
liberata  Komae  in  ecclesia  s.  Mariae  ad  Aquas  Salvias;  eo  nomine  olim  ea  ecclesia  dice- 
batur,  quac  postea  ab  illata  illuc  sanctornm  piguora  Viucentii  et  Anastasii  illorum 
nomine  dicta  est.** 

*)  ^Tunc  tomporis  plurimi  tum  ex  Oriente  tum  ex  Africa  Monachi  a  Monothelitis 
vexatione  in  urbem  conii'nigraverunt  sibique  assignatam  a  poutitice  occupabant  ecclesiam. 
Ab  eo  tempore  :i  nioiiacbis  (iraccis  incoli  coepit  basilica  scti.  Anastasii  ad  Aquas  Salvias, 
quem  locum  (he^^'orius  Magnus  basilicae  sancti  PauH  attribuerat.**  Mabillon,  Ann.  I. 
Nach  einem  Hrieir  ili  s  hl.  ilernard  (Litt.  11,  7)  war  zu  Rom  seit  alter  Zeit  eine  Kirche, 
deren  Patron  der  hl.  Anastasius  war. 


—  78  — 

noch  zu  Lebzeiten  von  Heraklius  (t  641)  geschehen  sein^  Nach  Pancirol 
wurde  nämlich  auf  Befehl  des  Kaisers  der  Rumpf  und  das  Haupt  zu 
diesem  Kloster  gebracht.  Zur  Zeit  des  Konzils  von  Nicäa  (787)  waren 
Kopf  und  Bild  noch  in  der  Kirche  ad  aquas  Salvias.  Dies  lesen  wir  in 
den  Akten  jenes  Konzils.  Als  dort  nämlich  die  Verehrung  der  Heiligen- 
bilder zur  Sprache  kam  und  zur  Bestätigung  derselben  der  Legat  des 
Papstes  Hadrian  einen  Theil  der  Wundergeschichten,  wie  er  noch  wörtlich 
in  der  alten  Lebensbeschreibung  unseres  Heiligen  steht,  vorlas,  geschah 
auch  Erwähnung  des  Ortes,  wo  jene  aufbewahrt  wurden.  Die  grosse  Ver- 
ehrung, worin  der  Heilige  stand,  erklärt  es,  dass  nach  und  nach  mehrere 
Anastasius-Kirchen  in  Rom  entstanden.  In  Ravenna  war  ehemals  auch 
eine  Kirche  des  hl.  Anastasius.  (Ughelli  Ital.  sacra  II,  354,  859.) 

Eine  griechische  Lebensbeschreibung  machte  den  Glaubenszeugen 
im  Oriente  bekannt  und  berühmt;  vielleicht  gab  es  davon  lateinische  Ueber- 
setzungen,  ehe  Beda  eine  solche  für  den  Occident  besorgte.  Häufig  mögen 
Reliquien  des  Heiligen  begehrt  und  gegeben  worden  sein.  Ein  Herzog  von 
Sachsen  erhielt  vom  Papste  Sergius  Reliquien  der  Aebte  Anastasius  und 
Innocenz.  (Mabill.  III,  873.)  Bereits  im  Anfange  des  9.  Jahrhunderts  finden 
wir  unter  andern  auch  Reliquien  des  hl.  Anastasius  als  zu  Aachen  vor- 
handen in  der  Angilbert'schen  Urkunde  kurz  erwähnt;  vermuthlich  war 
dies  schon  das  erwähnte  Haupt. 

Die  Uebertragung  des  Kopfes  des  Heiligen  von  Rom  nach  Aachen 
dürfte  unter  Karl  dem  Grossen  geschehen  sein.  Dieser  als  unermüdlicher 
Sammler  der  Reliciuien  der  Heiligen^  bekannte  fromme  Kaiser  hatte  zur 
Erlangung  dieses  Kopfes  im  Jahre  801  die  beste  Gelegenheit.  Wie  ich 
nämlich  fand,  besteht  eine  Legende  oder  vielmehr  ein  Schriftstück,  wonach 
Papst  Leo  und  Karl  (eben  Diejenigen,  welche  der  Tradition  nach  eine 
Anastasius-Kirche  erbaut  haben  sollen)  in  der  Belagerung  von  Ansidonia, 
einem  Hafenorte  im  Toskanischen.  Hülfe  durch  die  Fürbitte  des  Heiligen 
erfuhren.  Nachdem  sie  das  Haupt  des  Heiligen  hatten  herbeiholen  lassen, 
soll  ein  Erdbeben  gekommen  sein,  welches  die  Mauern  der  Stadt  nieder- 
warf und  die  Belagerten  in  ihre  Hände  gab.  Sei  es  mit  diesem  wunder- 
baren p]rdbeben,  wie  es  wolle,  Thatsache  ist,  dass  die  genommene  Stadt 
Eigentum  des  Klosters  wurde,  welches  der  Hüter  dieser  Reliquien  war^. 

*)  Marianus  Scotus,  der  aber  auch  den  Tod  des  Heiligen  11  Jahre  zu  früh  an- 
gibt, setzt  die  Uobertraguiig  schon  auf  626,  dem  15.  Jahre  des  Kaisers  Heraklius.  In 
einer  Chronik  (Sigeberts?)  wird  die  Uebertragunc:  der  Gebeine  des  Heiligen  schon  aufs 
Jahr  620  gesetzt:  „S.  Anastasii  martyris  ossa  miraculis  praefulgcntia  Roraam  delata  sedera 
ad  aquas  Salvias  tenueruut,"  Chronologisch  genauer  mag  die  weitere  Bemerkung  des 
Chronisten  sein:  „638  Johannes  pontifex  .  .  .  reliquias  sanctoriim  martyrum  Anastasii, 
Venantii  et  Mauri,  ne  a  barbaris  incumbentibus  dissiparentur,  e  Dalmatia  llomam  traduxit, 
atque  ad  fontem  Lateranensem  aede  condita  collocavit." 

2)  Weil  dios  in  Deutschland  wenig  bekannt  ist,  erinnere  ich  hier  in  einer  kleinen 
Abschweifung  von  unserm  Gegenstande  an  den  von  Karl  dem  Orosscn  dem  Kloster  von 
Argenteuil  geschenkten  „Heiligen  Rock"  (la  sainto  Tunique  nach  Guerin),  den  er  durch 
die  Kaiserin  Irene  erhalten  hatte.  (Mislin,  Heil.  Orte  II,  286.) 

^)  „Ad  illud  tempus  quo  res  Italiae  Carolus  Augustus  ordinabat,  Cointius  rofert 
victoriam,   quam  Leo  et  Carolus   ad  Ansidoniam  urbem  Tusciae  de  suis   hostibus  insigni 


—  79  — 

Diese  Legende  war  ehemals  in  der  Abtei  der  hh.  Vincentius  und 
Anastasius  ad  aquas  Salvias  (jetzt  alle  Tre  Fontane)  auch  bildlich  dar- 
gestellt. Die  betreffenden  jetzt  verschwundenen  Gemälde,  welche  wohl  dem 
IL,  wenn  nicht  einem  frühern  Jahrhunderte  angehörten,  waren  im  Portikus 
der  Kirche;  wir  haben  davon  Zeichnungen  aus  dem  Jahre  1630,  welche 
Seroux  d'Agincourt  in  seine  Sammlung  von  Denkmälern  (Malerei,  Taf.  97 
u.  98)  aufgenommen  hat.  Die  im  Gewölbe  des  Hauptthors  befindlichen 
Bilder*  in  Halbkreisforra  werden  uns  durch  den  obigen  Bericht  über  die 
Belagerung  Ansidonias  verständlich.  Auf  einem  dieser  Bilder  sieht  man 
ein  bemanntes  Schifft  und  viele  Zelte  bei  der  belagerten  Stadt.  Karl  mit 
Krone  und  Sonnenschirm  sitzt  zur  Rechten  des  Papstes,  zu  welchem,  unter 
Vortragung  des  Kreuzes,  der  Klerus  hinkommt.  Der  Heilige  steht  bei 
einem  Schlafenden,  dem  ein  Engel  zuflüstert,  man  möge  das  Haupt  des 
hl.  Anastasius  von  Rom  kommen  lassen.  Der  hier  dem  Kaiser  eingegebene 
Rath  wird  an  der  andern  Seite  vom  Engel  dem  Papste  im  Schlafe  vor- 
gehalten. Die  zugesetzten  Worte  sind  in  dieser  Hinsicht  deutlich  genug; 
sie  lauten :  Karolus  imperator.  Exercitus  eins.  Ansidonia.  Populus  Romanus. 
Leo  Pr  (Pater?)  IIL  (R())mam  cu(m)  sur(re)xeris  mitte.  Porta.  Roma  ad  aquam 
Salviam.  Das  zweite  Rundgemälde  zeigt  eine  Anzahl  burgähnlicher  benannter 
Gebäude  (Umgebungen  oder  Besitztümer  des  Klosters?  von  Karl  dem 
Kloster  geschenkte  Güter?);  in  der  obern  Abtheilung,  worunter  noch:  rol 
imperator  zu  erkennen  ist,  die  Figur  Karls,  vor  ihm  ein  Engel  mit  dem 
auf  einem  Tuche  ruhenden  Kopfe  des  Heiligen;  in  der  mittlem  Abtheilung 
ausser  Thorbogen,  die  den  theils  eingestürzten  Ort  vorstellen,  und  den 
Papst,  der  den  Kopf  des  Heiligen  trägt  (es  ist  der  Einzug  der  Sieger  in 
die  von  der  Landseite  und  von  der  See  aus  angegriffene  Stadt);  an  der 
andern  Seite  ist  die  Uebergabe  eines  Diploms  durch  den  Papst  dargestellt. 
Die  Unterschriften  unter  den  Zeichnungen  sind:  Karolus  imperator.  acclia 
(ccclesia)  s.  Anaiistasii.  abas.  monachi  conversi  (d.  i.  Mönche).  In  der 
mittlem  Abtheihing  rechts  ist  die  Uebergabe  der  Insel  Giglio  (Gilgo)  und 
in  der  untern  Abtheilung  links  die  von  Argentario  und  Orbello  angedeutet, 
alle  durch  Wellenlinien  als  an  der  See  gelegene  Orte  bezeichnet  und  jeden- 
falls vorher  dem  nahen  Ansidonia  gehörend.  Die  andern  in  der  untern 
Abtheilung  rechts  gezeichneten  Orte  heissen:  Altricoste,  Asianus  (Asciano 


miraculo  reportanmt,  et  ex  conim  patet  diplomate  nee  non  ex  alio  quod  in  ejusdem  postca 
conünnationem  Alexander  Papa  IV  emiisit,  quod  utramquo  recitat  Ughellus  in  Ostion- 
siiini  episcopornni  catalogo  in  epist.  XI.  Leo  III  et  CaroluH  Imp.  in  suo  Diplomate  sie 
loquuntur:  Dominus  nostcr  .1.  Chr.  per  angelum  suum  in  visione  nobis  videri  fccit,  ut  caput 
praedicti  martyris  [Anastasii  sc.]  ad  ejus  pngnam,  quam  nos  ad  pracfatam  civitatem 
[Ansidoniam]  habebamus,  cum  Dei  laudibus  advcniret;  nostris  vero  inimicis  dicebat,  ut 
vincebamus.  et  nos  ita  talia  fecimus;  et  nunc  auxiliante  Deo  et  isto  praefato  martyrc, 
advcniente  ejus  capite  [quod  ex  Monasterio  propc  Ilomam  ad  Aquas  Salvias  sito  delatum 
est]  terrae  motus  vonit  super  nostris  inimicis  et  tcrror  apprebendit  eos  et  parietes  irru- 
emnt;  inimici  vero  uostri  in  nostris  manibns  devencrunt"  etc.  Aus  Pagbi  Crltica  in 
Aunales  Baronii  a.  801. 

')  Sie  sind  iii  »l  r  beiüigenden  L  i  cb  td  ruck  taf el  reproducirt. 

*)  Ansitlonia  liegt  au  einem  kleinen  Meerbusen  mit  drei  Inseln. 


—  80  — 

südöstlich  von  Siena),  Aquila  (nordöstlich  von  Rom?),  Acapite,  Serpena, 
Monsacutus  (Montalto?). 

Von  den  andern  Darstellungen,  welche  die  Martern  des  hl.  Vincentius 
und  des  hl.  Anastasius  vor  Augen  führen,  ohne  dass  sich  bei  jeder  fest- 
stellen Hesse,  auf  welchen  von  Beiden  sich  das  Bild  beziehe,  übergehen 
wir  zwei,  auf  unsern  Heiligen  wohl  mit  Unrecht  bezogen,  da  sie  nicht 
der  Legende  entsprechen  K  Zutreffender  könnte  ein  drittes  Bild  erscheinen, 
wo  von  zwei  Jünglingen  ein  Heiligen-Leib,  dessen  Seele  in  Kindesgestalt 
ein  Engel  aufwärts  hebt,  zu  einem  kapellenartigen,  scheinbar  sechseckigen 
Gebäude  gebracht  wird,  dessen  Dach  einige  Aehnlichkeit  mit  der  Kuppel 
des  Behälters  zeigt,  worin  zu  Aachen  das  Haupt  des  Heiligen  liegt.  Ein 
anderes  Gemälde'^  stellt  Leo  mit  einigen  Kardinälen  dar,  daneben  Karl 
mit  den  traditionellen  edlen  Gesichtszügen  des  Kaisers. 

Das  bedeutsamste  Bild  für  uns  ist  aber  die  Uebergabe  des  Hauptes 
des  Heiligen  durch  den  Abt  und  die  Brüder  des  Klosters,  mit  den  nicht 
zu  verkennenden  traurigen  Gesichtszügen  als  Verlierende  kenntlich,  an  die 
auf  einem  mit  Kriegern  besetzten  Schiffe  Befindlichen,  von  denen  einer 
die  Hände  zum  Annehmen  ausstreckt.  Das  Haupt  wird  ohne  Behälter  auf 
einem  Tuche  ruhend  getragen.  Natürlich  hatte  es  einen  solchen,  aber  es 
lag  dem  Maler  nahe,  diesen  der  Deutlichkeit  wegen  fortzulassen. 

Damals  besass  dasselbe  Kloster  noch  den  Leib  des  Heiligen.  Er  soll 
erst  gegen  841,  nachdem  er  200  Jahre  dort  geruht,  zur  Salvatorskirche 
ad  scalas  sanctas  gekommen  sein.  Durfte  der  Papst  den  Brüdern  zumuthen, 
dass  sie  den  Kopf,  dessen  Wunderkraft  eben  erprobt  worden,  dem  Kaiser 
für  seinen  neuen  Dom  schenkten? 

Ohne  Zweifel  hat  Karl  dem  Kloster  dafür  bedeutende  Gegengeschenke 
gemacht.  Er  hielt  zu  Aachen  eine  eigene  Versammlung  ab,  bei  welchei' 
er  dem  Kloster  des  hl.  Paulus  vor  dem  Ostiensischen  Thore  Kinns,  dessen 
Bau  und  Ausstattung  auf  der  Tagesordnung  stand,  und  speziell  der  Kirche 
S.  Vincenzo  ed  Anastasio  bedeutende  Besitzungen  in  den  toskanischen 
Mareyinen  anwies.  (Annal.  S.  Amandi  IL  Pertz,  Monum.  I,  14;  Reumont, 
Gesch.  der  Stadt  Rom  II,  267.)  Nachweislich  war  Ansidonia  ein  Bcsitz- 
thum  des  Klosters,  worüber  Paghi  weitere  Auskunft  gibt:  „Alexander  IV 
(1254 — 1261)  in  suis  ad  abbatem  fratresque  monasterii  S.  Anastasii  literis 
confirmat  ecclesiae  eorum  civitatem  Ansidoniae  cum  omnibus  ecclesiis  et 
pertinentiis  suis,  olim  ab  infidelibus  et  iniquis  honünibus  possessis,  sed 
praeterea  a  memorato  (7arolo  Imperatorc  una  cum  pracfato  Leone  Praede- 
cessore  nostri  meritis  et  auxiliis  B.  Anastasii  martyris  eiusdemque  capitis 
ostensione  devictam  et  destructam,  propter  quam  victoriam  ecclesiae  supra- 
dicti  martyris  praefatas  possessiones  donavit.*' 

Im  Jahre   1138   gründete  lunocenz   an   der  Kirche   S.  Anastasii   ad 


*)  Auf  einem  derselben  ist  die  Ertränkunjy  eines  Heilij^on  dargestellt,  was  wohl  auf 
einem  Missverständiiiss  der  Akten  beruht,  in  welchen  von  Erwürj^unpj  Kede  ist;  doch 
erinnert  der  am  Fasse  hangende  Stein  an  die  mehrstündige  Marter,  welche  Anastasius 
erlitt,  als  man  ihn  an  der  Hand  aufhing  und  den  Fuss  mit  einem  schweren  Stein  beschwerte. 

*)  Auf  unserer  Tafel  links  reproducirt. 


—  81  — 

aquas  Salvias  ein  Kloster,  dotirte  es  reichlich  und  setzte  dahin  einen 
Pisaner  als  Vorstand  einiger  von  Claravallis  erhaltenen  Mönche.  Die  grösste 
unter  den  drei  Kirchen,  die  heute  noch  im  Hofe  der  Abtei  delle  Tre 
Fontane  stehen,  ist  die  Kirche  S.  Vincenzo  ed  Anastasio,  sie  ist  von 
Honorius  I.  im  Stile  einer  Pfeiler-Basilika  erbaut  worden. 

Die  Anwesenlieit  des  Schädels  des  hl.  Anastasius  in  Aachen  in  der 
zweiten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  ist  konstatirt.  Man  weiss  nämlich, 
dass  Heinrich  IV.  von  da  denselben  im  Jahre  1072  zur  Harzburg  ent- 
führte. Bei  der  Zerstörung,  welche  diese  Feste  im  nächsten  Jahre  erlitt, 
wurde  er  aber  vom  Abte  eines  benachbarten  Klosters  gerettet  und  ver- 
muthlich  alsbald  wieder  dem  rechtmässigen  Eigentümer  zurückgegeben. 
Im  Jahre  1192  war  er  wenigstens  wieder  in  Aachen,  wie  nachgewiesen 
werden  kann.  Jetzt  bezeichnet  ihn  eine  beiliegende  mittelalterliche  Inschrift 
als  Haupt  des  hl.  Anastasius. 

Nach  einer  von  Prof.  Schaaffhausen  im  Jahre  1874  angestellten 
Untersuchung  hat  der  Schädel  folgende  Verhältnisse.  Länge  187,  Breite 
141  Millimeter;  Breitenindex  also  70,5.  Entfernung  .der  Stimhöcker  65. 
Stirnbreite  am  Ende  des  Wangenbeinfortsatzes  105,  am  tiefsten  Ausschnitte 
der  linea  temporalis  gemessen  98  (95?).  Stirnbein  lang  121,  Scheitelbein  119, 
Hinterhauptschuppe  mit  dem  Zwickelbein  72.  Scheitelhöckerbreite  115.  Den 
kommunizirenden  Stirnhöhlen  entspricht  eine  gleichlaufende  Erhebung  der 
Augenbrauenbogen,  die  aber  nur  massig  entwickelt  sind.  Die  Knochen  der 
Schädeldecke  sind  massig  dick.  Alle  Nähte  sind  offen,  innen  geschlossen. 
Die  Nähte  haben  eine  mittlere  Länge  der  Zacken.  Hinterhauptschuppe  ein 
wenig  abgesetzt.  Die  linea  nuchae  bildet  eine  Querleiste.  „Der  Schädel 
hat  eine  besonders  schöne  Stirnbildung  und  alle  seine  Merkmale  deuten 
auf  einen  intelligenten  Menschen  kaukasischer  Rasse  ^*' 

Es  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass  wir  noch  das  wahre  Haupt  des 
persischen  Märtyrers  besitzen.  Der  dunkle,  rauhe,  filzartige  Stoff,  womit 
der  Kopf  umhüllt  ist,  scheint  in  der  Form  mit  der  Kutte,  die  wir  auf 
dem  Bilde  sehen,  übereinzustimmen.  Der  hl.  Maxinlus  erwähnt  die  dunkel- 
farbigen Kleider  (atras  et  subfuscas  vestes)  der  damaligen  Mönche.  Auf- 
fallend könnte  der  beiliegende  44  Centimeter  breite  üeberrest  von  feinstem 
Byssusgewebe  sein,  welcher  mit  Goldstreifen  und  verschiedenen  Farben 
gemustert  ist.  Die  Kostbarkeit  des  Stoffes  lässt  vermuthen,  dass  ein  reicher 
Orientale  damit  das  verehrte  Haupt  umgab,  gleichwie  der  Senator  Astyrius 
den  Leib  eines  andern  Martyi'ers  in  ein  magnificum  et  sumptuosum  linteum 
hüllte.  (Euseb.  VII,  14.)  An  den  Goldfäden  nehme  man  keinen  Anstoss. 
Ovid  und  Claudian  sprechen  schon  von  eingewebten  Goldfäden.  Vgl.  auch 
Kreutzer:  Paulus  des  Silentiariers  Beschreibung  der  Hagia  Sophia,  1874, 
65.  Uebrigens  ist  schon  in  den  Akten  bemerkt,  dass  man  den  Leib,   ehe 

')  Wenn  im  Kloster  ad  aquas  Salvias  angeblich  das  Haupt  des  hl.  Anastasius  noch 
vorhanden  sein  soll,  worüber  ich  trotz  mehrfacher  Bemühungen  keine  Auskunft  erhalten 
konnte,  so  wird  diese  Nachricht  sich  nur  auf  den  hier  fehlenden  untern  Theil  des  Schädels 
beziehen.  Da  es  aber  mehrere  HeilijL^e  dieses  Namens  gibt,  kann  die  Nachricht  auch  auf 
einer  falschen  Deutung  des  in  Kum  vorhandenen  ^Köpfchens"  beruhen. 


er  im  Kloster  des  hl,  SergiHs  beigesetzt  wurde,   mit  kostbarer  Leinwand 
umhüllte. 

Schon  bei  der  Uebertragung  der  Reliquien  des  hl.  Anastasius  nach 
Jerasalem  war  ein  Bild  desselben  vorhanden,  das  bei  der  Ueberbringung  der 
Reliquien  aus  Persien  nach  Cäsarea  und  bei  der  Heilung  einer  Dämonisclien  in 
Askalon  erwähnt  wird.  (Usener,  üSb  1,  p.  27b  16.)  Sehr  früh  ist  ein  solches 
ins  Kloster  ad  aquas  Salvias  zu  Rom  gekommen.  Auf  dem  zweiten  Nicae- 
nischen  Konzil  (787)  gegen  die  Ikonoklasten  wird  dieses  mit  dem  Schädel 
des  Heiligen   zur    damaligen  Zeit    dort    aufbewahrte  wunderthätige,    bei 
Exorcismen  zu  Hülfe  genommene  Bild  als  Beweis  für  die  Rechtmässigkeit 
und  den  Nutzen  der  Bilderverehrung  erwähnt.  Es  gibt  wohl  4  verschiedene 
kleine  Kupferstiche,   welche  das  Haupt  des  Märtyrers  darstellen,   deren 
Vorbild  das  römische  Gemälde  sein 
dürfte.  Kin  solches  mir  vorliegendes 
Blatt  mit  dem  Namen  des  Würzburger 
Stechers  Joh.  Salver  (1695—1724) 
trägt  die  Unterschrift:  Vera  cffigics 
S.  Anastasii  Mart.  Ord.  Carmclitarum, 
cujus  aspectu  fugari  dacminies  nior- 
bosque  curari  Acta  2.''  Ooncilii  Nicaeni 
testantur.  Die  liier  erwähnten  Kar- 
meliter sind  nicht  die  einzigen,  die 
den  hl.  Anastasius  als  ihrem  Orden 
angeliörig  ansehen.  Der  Kopf  ist  licht- 
umstrahlt, was  daran  erinnert,  dass 
nach     der    Lebensbeschreibung    die 
Kerkergenüssen    deu    Heiligen    von 
einem    immensen    Lichte    umSosscn 
sahen.     Die  am   Kopfe  gezeichnete 
Wunde,   wovon  in    den  Akten   sich 
keine  Andeutung  findet,  ist  wohl  als 
irrtümüclie   Auflassung    des  Siegels 
zn  nehmen,  welches  dem  Kopfe,  ehe   man   ihn  an  Chnsroe  sandte,  aufge- 
drückt wurde. 

Dies  Martyrerhaupt  liegt  wenigstens  seit  Jahrhunderten,  wahrscheinlich, 
so  lange  es  in  Aachen  ist,  in  einem  silbernen,  vergoldeten  kunstreichen 
Behälter,  dessen  ganze  Hohe  (ohne  die  untergesetzten  Füsschen)  27,2  Centi- 
meter  beträgt,  und  welcher  sich  in  einen  mit  Holz  innen  ausgekleideten 
kubischen  Untersatz  und  eine  von  vierzehn  nicdern  Säulchen  getragene 
Kuppel  eintheilt.  Der  untere  Theil  ist  jedoch  nicht  ganz  so  breit  (20  Centi- 
meter),  als  er  hoch  ist  (21,2),  was  weniger  in  der  verschiedenen  Breite  der 
Bandverzierungen,  als  in  der  Ungleichheit  der  Seiten  (15,1  :  16,8)  der  ein- 
gefügten Innern  Wandplatten  liegt.  Der  grösstc  Raum  dieser  vier  Recht- 
ecke wird  auf  drei  Seiten  von  leicht  zu  öffnenden  Doppelthüren  und  einer 
breiten  verzierten  Einfassung  derselben  eingenommen.  Jede  fast  8  Centi- 
meter  breite  Duppcltliüre  trägt  auf  jedem  ihrer  Flügel  zuerst  zwei  erhabene 


—  83  — 

Kreuze  in  der  Form  ih^s  Andreaskreuzes  (auf  drei  Tliüren  also  zwölf  Kreuze), 
dann  noch  ein  grosses  in  Doppellinieu  eingegrabenes  Kreuz  von  merk- 
würdiger Kolben-FoiTO  seiner  vier  Aeste  (sechs  solche  Kreuze  auf  den  drei 
Thüren).  Eine  Seite  des  Kubus  hat  statt  der  Thüre  einen  auf  fast  halb- 
kreisförmiger Unterlage  erkerartig  vorspringenden  Anbau  (Breite  10  Cen- 
timeter,  Radius  5Va  Centimeter,  Höhe  18  Centimeter),  der  einem  Kapellchen 
ähnlich  ist.  Der  Untertheil,  dessen  Boden  etwas  höher  liegt,  als  der  des 
Kubus,  ist  seitlich  vorzugsweise  durch  drei  nebeneinander  stehende  Bogen 
hergestellt.  Die  zwischen  den  Bogen  liegenden  jetzt  spitzbogig  aus- 
geschnittenen Fensterchen  sollen  der  Tradition  nach  ursprünglich  nicht 
vorhanden  gewesen  sein,  sondern  die  Stelle  von  Silberplättchen,  die  mit 
einem  Patriarchalkreuz  verziert  waren,  einnehmen.  Dem  etwa  10,5  Centi- 
meter hohen  Unterbau  des  KapellcJiens  ist  eine  in  sechs  Felder  abgetheilte 
Halbkuppel  aufgesetzt.  Auf  dem  Kubus  ruht  ein  etwa  13,5  Centimeter 
breiter,  15  Centimeter  etwa  hoher  Rundbau,  getragen  von  vierzehn  Rund- 
bogen. Die  Decke  dieses  Rundbaus  sowie  der  Halbkuppel  und  die  Um- 
randung der  Thüren  sind  mit  schwarz  eingelegten  Arabesken  in  Niello 
verziert. 

Auf  jeder  der  vier  Seiten  der  Kuppel  steht  eine  Inschrift  in  griechischen 
Kapital -Buchstilben.  Drei  dieser  Inschriften  sind  Stellen  aus  den 
Psalmen  86  und  131,  während  die  vierte  die  Herstellung  und  Widmung  des 
Kunstwerkes  betritft.  Diese  heisst  in  Uebersetzung:  „Herr  hilf  Deinem 
Diener  Eustathius,  Prokonsul,  Patrizier  und  Statthalter  (Strategen,  Ober- 
befehlshaber) von  Antiochien  und  Likaidus.**  Lassen  wir  die  Frage  un- 
erörtert,  wo  dieser  Ort  Likaidos  (Lykandus?)  lag.  Vielleicht  ist  gar  Likai 
dou  (le),  d.  i.  Lyke,  Deine  Dienerin,  gemeint;  nach  anderer  Meinung  ist 
Lykaidos  der  Name  des  Künstlers.  Wer  ist  aber  Eustathius P  Archivar 
Käntzeler  (1853)  erkannte  darin  Jenen  wieder,  den  Heraklius  an  den 
Gesandten  von  Persien  schickte,  um  den  Frieden  zu  schliessen.  Im  kaiser- 
lichen Schreiben,  das  uns  aufbewahrt  ist,  heisst  dieser  Eustathius  der  hoch- 
ansehnliche Tabularius;  man  hat  dies  mit  Finanzminister  oder  Finanzrath 
übersetzt;  vielleicht  wäre  Hof-Archivar  richtiger.  Es  könnte  aber  derselbe 
sein,  den  Theophanes  ad  a.  620  einen  Neapolitaner  nennt,  wobei  Neapolis 
in  Palästina  (Sichern)  gemeint  ist,  und  in  dessen  Haus  zu  Tiberias  der 
König  einen  Juden  taufte.  Möglichenfalls  ist  einer  dieser  beiden,  wenn 
sie  verschiedene  Personen  waren,  Prokonsul  und  Statthalter  gewesen  und 
hat  das  Geld  zu  diesem  Reliquiarium  gegeben.  In  jedem  Fall  müsste  dies 
dann  vor  dem  Jahre  635  geschehen  sein,  ehe  die  griechische  Statthalter- 
schaft mit  dem  Anfange  der  muhammedanischen  Herrschaft  erlosch.  Ist  es 
derjenige  Eustathius,  der  den  Frieden  vermittelte,  so  liegt  es  nahe  zu  glauben, 
dass  dieser  aucli  den  Kopf  des  Heiligen  aus  Persien  zurückerhielt  und  für 
denselben  diesen  kleinen  Kunstschrein  herstellen  liess.  Wann  und  wo  soll 
es  nachher  einen  Prokonsul  von  Antiochien  gegeben  haben,  dem  man  die 
Verfertigung  dieses  Reliquiars  verdanken  könnte?  Sollte  es  im  spätem 
Mittelalter  nacli  Aachen  gekommen  sein,  würden  wir  (larüber  wohl  eine 
Nachricht  haben.   Diese  fehlt  aber  gänzlich. 


—  84  — 

Es  bleibt  daher  wahrscheinlich,  dass  der  Schrein  kurz  nach  dem  Tode 
des  Heiligen  im  Oriente  entstand,  etwa  unter  den  Händen  eines  in  Kon- 
stantinopel oder  in  Persien  gebildeten  Künstlers.  Wie  verträgt  sich  aber, 
wirft  man  uns  ein,  mit  dieser  frühen  Entstehungszeit  die  Art  der  Ver- 
zierung mit  Arabesken?  Die  Form  der  fast  in  gothischer  Weise  spitz 
gewölbten  Thüren?  Die  ganze  Bauart  des  Gefässes? 

Die  Entstehungszeit  der  Arabesken  liegt  viel  weiter  zurück,  als  die 
Zeit  ihres  Aufkommens  im  Occidente.  Man  sehe  nur  die  Verzierungen  des 
Schwertes,  welches  Karl  der  Grosse  aus  dem  Oriente  erhielt.  Die  an 
unserm  Reliquiar  vorkommende  eingegrabene  und  dann  mit  anderm  Stoff 
eingelegte  Linienverzierung  ist  ihrer  Form  nach  selbst  antik  zu  nennen; 
eine  ihr  sehr  ähnliche  findet  sich  bereits  an  einem  Kapital  des  Theseus- 
tempels.  (Lübke,  Kunstgesch.  1873,  S.  91.) 

In  Ritters  Erdkunde  (Thl.  XI,  447)  wird  eine  oktogonale  uralte  christ- 
liche Kapelle  aus  der  Ruinenstadt  Ani  im  Euphratsystem  beschrieben,  mit 
reich  dekorirtem  Aeussern,  deren  Fenster  unter  den  Chornischen  von  tief 
eingegrabenen  gewundenen  und  verzweigten  Verzierungen  umgeben  sind. 
Daran  stösst  eine  andere  Kapelle,  deren  Wände  das  schönste  Skulptur- 
werk in  Arabesken  zeigen,  darin  das  lateinische  Kreuz  häufig  als  Ornament 
vorkonunt;  das  Dach  wird  von  Rundbogen  getragen.  Hamilton  meint,  in 
diesen  Ruinen  von  Ani  sei  sehr  wahrscheinlich  der  Ursprung  des  reichen 
sarazenischen  und  gothischen  Stiles  am  vollständigsten  zu  studiren,  in  all 
seinen  Theilen,  in  Bogen,  Kapitalen,  Ornamenten  aller  Art  von  der  ein- 
fachsten bis  zur  mannigfaltigsten  Zusammensetzung. 

Die  Kunst,  Ornamente  in  Metall  einzulegen,  scheint  der  byzantinischen 
Technik  keineswegs  fremd  gewesen  zu  sein. 

Gab  es  denn  auch  Spitzbogen  in  jener  Zeit?  Ja,  auch  der  Spitzbogen 
findet  sich,  wenn  auch  nicht  systematisch  angewendet,  im  Oriente  viel 
früher  als  im  Abendlande.  Das  Thor  von  Masada,  wovon  Sepp  eine  Ab- 
bildung gibt  (Jerus.  I,  827),  liefert  den  Beweis,  dass  bereits  vor  unserer 
Zeitrechnung  in  Palästina  der  Spitzbogen  einheimisch  war.  Sepp  fand  ihn 
auch  an  den  Herodesgi-äbern  und  am  Thore  von  Samos  und  Thorikos. 
Uebrigens  handelt  es  sich  hier  nicht  um  einen  eigentlichen  Spitzbogen, 
sondern  nur  um  eine  spitzbogenartig  auslaufende  Thürform,  die  zudem  der 
Kuppel  entsprechend  geformt  ist,  ohne  architektonische  Grundlage. 

Die  vielen  Kreuze,  welche  unser  Kunstwerk  bedecken,  werden  für  die 
Zeit  passend  erscheinen,  in  welcher  Heraklius  das  Kreuz  als  Siegeszeichen 
auf  die  Münzen  setzen  liess.  Die  Form  derselben  kommt,  abgesehen  von 
der  Breite,  mit  der  Gestalt  jenes  Kreuzes  überein,  welche  auf  einer 
Münze  der  christlichen  Kaiserzeit  erscheint,  deren  eine  Seite  ein  Christus- 
haupt, die  andere  die  Abbildung  der  Anastasis-Kapelle  vorstellt,  und 
weicht  nui'  durch  die  knaufformigen  Ansätze  von  der  Form  ab,  wie  ein 
Ravennatisches  Kapital  sie  zeigt.  (Lübke  1.  c.  p.  240.)  J 

Die  ganze  Form  des  Kunstwerkes  hat  einen  orientalischen  Charakter. 
Offenbar  haben  wir  hier  das  Bild  einer  kleinen  Kirche  vor  uns,  sei 
es  als  Nachbildung  einer  bestehenden  Kirche  oder  einer  nur  in  der  Phantasie 


,; 


;,^ 


—  85  — 

des  Künstlers  vorhandenen.  Es  gleicht  einem  Wohnhause  aus  Jerusalem 
hinsichtlich  der  quadratischen  Unterlage  und  in  etwa  auch  der  Kuppel- 
decke, wie  wir  sie  noch  jetzt  in  einem  Theile  des  hl.  Landes  finden.  Aus 
der  Form  des  Wohnhauses,  worin  das  Viereck  den  Wohnraum,  die  Kuppel 
das  Himmelsgewölbe  bezeichnet,  ging  die  Form  der  Kirche  hervor.  Die 
kubusförmige  Form,  die  ihr  Vorbild  im  Oratorium  des  Salomonischen 
Tempels  hatte,  war  auch  in  den  ersten  Jahrhunderten,  als  das  Christen- 
tum in  die  Oeffentlichkeit  trat,  keine  ungewöhnliche  Bauweise  fiir  kleinere 
kirchliche  Gebäude  oder  den  Haupttheil  grösserer  Prachtbauten.  Die  dem 
hl.  Anastasius  zu  Ehren  zu  Cäsarea  erbaute  Kapelle  ist  ja  durch  das 
Wort  Tetrapylon  bezeichnet  und  war  wohl  ein  nach  vier  Seiten  durch 
Thüren  verschliessbarer  Betplatz.  Das  Sanktuarium  der  schönen  Kii'che 
in  Tyrus  war  viereckig  (locus  sanctuarii  in  speciem  quadrati  sublimibus 
est  u^dique  circumseptus  columnis),  während  die  von  Konstantin  zu  Anti- 
ochien  errichtete  Patriarchalkirche  ein  sanctuarium  forma  solii  octangularis 
enthielt.  (Euseb.  de  laud.  Constant.)  Das  Oktogon  ist  eine  Weiterbildung 
der  Quadratform.  Wir  finden  es  an  San  Vitale  (526  begonnen,  547  geweiht) 
zu  Ravenna,  dem  Vorbilde  unseres  Aachener  Doms,  welchem  wieder  die 
Rotunde  zu  Ottmarshausen  im  Elsass  fast  genau  nachgebildet  wurde.  Die 
Kirchen  von  Aachen  und  Ottmarshausen  hatten  eine  viereckige  Absis  als 
Chörchen;  bei  keiner  war  diese  ganz  quadratisch.  Die  zu  Aachen  war  im 
Längendurchmesser  ausgedehnter,  die  von  Ottmarshausen  ist  es  mehr  in 
der  Breite.  Seroug's  Tafel  25  zeigt,  dass  jene  mit  zwei  seitlichen  Hemi- 
cyklen  (als  Sakristeien?)  versehen  war  und  an  der  hintern  Wand  einen 
Durchlass  hatte,  also  auch  gewissermassen  ein  Tetrapylon  war. 

Das  Anschreiben  von  passenden  Inschriften  auf  christliche  Kirchen 
dürfte  nichts  Ungewöhnliches  gewesen  sein,  sodass  auch  in  dieser  Hin- 
sicht die  Parallele  bestehen  bleiben  kann.  Eine  Kirche  in  Etshmiadzin 
im  Euphratsystem  von  quadratischer  Form  mit  Kuppelbau,  ein  ehrwürdiges 
Denkmal  des  christlichen  Altertums,  trägt  eine  griechische  Inschrift,  welche 
in  einem  Gebete  mit  Namensunterschrift  besteht. 

Es  erübrigt  uns,  die  drei  noch  nicht  erwähnten  Inschriften  unseres 
Reliquiars  zu  besprechen.  Vielleicht  geben  sie  eine  Andeutung,  welche 
Kirche  darin  nachgebildet  ist. 

Nehmen  wir  an,  der  Haupteingang  liege,  wie  bei  der  Basilika  des 
hl.  Grabes  und  beim  hl.  Grabe  selbst,  an  der  Ostseite,  die  Absis  an  der 
Westseite,  so  stehen  auf  der  Südseite  die  Worte:  „Preiswürdiges  wird 
von  dir  gesagt,  Stadt  unseres  Gottes",  auf  der  Nordseite  aber:  „Der  Herr 
hat  Sion  erwäh  ^at  es  sich  zur  Wohnung  erkoren".  Diese  beiden  Stellen 
deuten  doch  wohi  hinlänglich  an,  dass  wir  hier  eine  Nachbildung  einer 
Kirche  zu  Jerusalem  vor  uns  haben.  Dass  sie  nicht  blos  von  der  allgemeinen 
christlichen   Kirche   zu  verstehen   seien  ^,   dürfte    die   concrete   Unterlage 


')  Wie  in  einer  Stelle  bei  Euscbius  (X,  4):  „In  qua  tandcm  civitateP  num  quid  in 
hac,  quae  nuper  a  Deo  exstrueta  et  fabricata  est,  quae  est  ecclesia  Dei  vivcutis,  columna 
et  firmamcntura  veritatis?  de  qua  sie  ctiam  aliud  divinum  oraculum  annuntiat:  Gloriosa 
dicta  sunt  de  te  civitas  Dei.** 


—  86  — 

eines  kirchlichen  Gebäudes  beweisen,  aber  auch  die  Inschrift  der  dritten 
Seite:  „Stehe  auf  Herr  zu  Deiner  Ruhe,  Du  und  die  Lade  Deines  Heilig- 
tums".  Dies  deute  ich  auf  die  Auferstehungskirche. 

Ist  es  wahrscheinlich,  dass  unser  ßeliquiar  der  ursprüngliche  Be- 
hälter für  den  Kopf  des  hl.  Anastasius  war,  und  wissen  wir,  dass  dieser 
mit  einem  Kleriker  der  Anastasiskirche  Umgang  hatte,  dass  er  von  Modestus, 
dem  spätem  Wiedererbauer  dieser  Kirche  getauft  wurde,  und  werden  wir 
finden,  dass  eine  Aehnlichkeit  zwischen  der  Anastasiskirche  und  der  Form 
unseres  Reliquiars  besteht,  so  kann  diese  Deutung  des  Wortes  AvaaxrjS-r]  ^ 
wohl  nicht  als  zu  kühn  angesehen  werden.  Lag  es  nicht  nahe,  dass  seine 
frühern  Freunde,  wovon  einer  Bischof  war,  im  Vereine  mit  dem  reichen 
Eustathius  eine  Nachbildung  jener  Kapelle  zur  Ruhestätte  des  Märtyrers 
erwählten,  die  ein  sinnreiches  Bild  seiner  glorreichen  Auferstehung  sein 
sollte?  Wenigstens  konnte  von  den  Kirchen  Jerusalems  sich  keine  besser 
dazu  eignen,  als  Schmuckkästchen  nachgeformt  zu  werden,  als  sie,  welche 
die  Andacht  der  Gläubigen  mit  Schmuck  überladen  hatte  %  Nur  diese 
niedrige  Kapelle,  bei  welcher  die  Thüren  zugleich  Fenster  waren,  kann 
hier  dargestellt  sein.  Auf  keine  andere  passen  die  Worte  des  Psalmes: 
„Stehe  auf  Herr  zu  Deiner  Ruhe^  (womit  gleichzeitig  die  Auferstehung 
und  die  Grabesruhe  angedeutet  werden),  „Du  und  die  Lade  Deines  Heilig- 
tumes**  besser  als  auf  sie. 

Um  diese  Hypothese  als  sicher  auszugeben,  müsste  man  freilich  die 
Form  der  Anastasis-Kapelle  nach  ihrer  Wiederherstellung  besser  kennen, 
als  dies  der  Fall  ist.  Wir  kennen  sie  aber  eher  in  ihrer  ältesten  klassischen 
Form,  wovon  die  neue  Kirche  wohl  nicht  wesentlich  abwich.  Von  der 
ältesten  Gestalt  der  Grabkapelle  aus  den  Tagen  der  hl.  Helena  haben 
wir  nämlich  höchst  wahrscheinlich  eine  Nachbildung  in  einem  Elfenbein- 
Relief,  das  aus  dem  Bamberger  Domschatze  stammt,  von  dem  man  mit 
Sepp  glauben  möchte,  es  selbst  oder  sein  Original  sei  auf  Befehl  der  hl. 
Helena  gefertigt  worden,  obwohl  der  vollendete  Kunststil  eher  dem  Zeit- 
alter Justinians  entspricht.  „Es  spiegelt  sich  darin  der  Bau  in  seiner 
Ursprünglichkeit.  Die  aedicula  zeigt  auffallend  dieselbe  Bogenform  mit 
zwischengestellten  Doppelsäulen,  wie  die  Hinunelfahrtskirche  am  Oelberge. 
jenes  Bauwerk  der  Helena.  Zwölf  Säulchen,  je  zwei  sich  fast  berührend, 
wovon  nur  die  Hälfte  sichtbar,  tragen  sechs  Halbkreisbogen  im  aufsteigen- 
den Tambour,  wovon  eines  auf  jeder  Seite  zum  Fenster  dient."  Die  um- 
gebenden Personen,  welche  die  der  Auferstehungsscene  sind,  zeigen  an, 
dass  hier  die  Auferstehungskapelle  in  ihrer  klassischen  Urform  dargestellt 
ist.  Sie  war  jedenfalls  niedrig;  wenn  wir  annehmen,  dass  die  Statue  Lebens- 
grösse  hatte,  dürfte  sie  etwa  zwölf  Fuss  Höhe  bei  gleicher  Breite  gehabt 
haben.  Der  Patriarch  nennt  die  Grabkapelle  xtjßov,  einen  Würfelbau  ^ 

*)  Das  Wort  'AvdoTa  kommt  auch  öfters  bei  den  Erscheinungen  des  Heiligen  in  den 
Akten  vor. 

*)  Antonin,  der  vor  ihrer  Zerstörung  im  Jahre  570  dort  war,  sagt,  das  Kirchlcin  sei 
mit  Süber  bedeckt  gewesen. 

^)  Die  eigentümliche  Art,  wie  hior  die  PtTson  dos  Auferstandenen  dargestellt  ist, 
dürfte  sehr  beachtenswerth  sein.  Gleicht  die  Auferstehung  nicht  einer  Himmelfahrt?  „Der 


—  87  — 

Man  braucht  nur  die  Abbildung  unseres  Anastasius-Behälters  damit 
zu  vergleichen,  um  die  Vermuthung  zu  rechtfertigen,  er  solle  auch  eine, 
wenngleich  unvollkommene  Nachbildung  der  Anastasis-Kapelle  vorstellen. 
Freilich  ist  es  nicht  mehr  die  unversehrte  klassische  Form,  die  mit  Stand- 
und  Relief-Bildern  der  Kaiser  versehene  Schmuckkapelle,  welche  von  den 
Persern  und  Juden  zerstört  worden,  sondern  gewissermassen  eine  degene- 
rirte,  der  damaligen  Kunstrichtung  entsprechende  architektonische  Bildung, 
Das  klassische  Gebäude  hat  rektanguläre,  nicht  quadratische  Seiten,  in- 
dem der  unter  die  Thürschwelle  fallende  Fuss  in  den  Boden  versenkt 
erscheint.  Der. Rundbau  ist  noch  etwas  höher  als  der  quadratische  Unter- 
bau im  Gegensatze  zur  gedrückteren  Form  des  vielfensterigen  Neubaus. 
Eine  Absis  fehlt  dem  konstantinischen  Gebäude  oder  liegt  verborgen.  Aber 
dennoch  bleibt  eine  grosse  Aehnlichkeit,  die  sich  auch  darin  ausspricht, 
dass  ein  Theil  der  Fensterchen  offen,  ein  anderer  Theil  blind  erscheint.  Es 
ist  mir   daher   sehr  wahrscheinlich,    dass   unser  Reliquiar   entweder   eine 

Künstler  ringt  mit  dem  Gedanken,  die  Auferstehung  bildlich  zu  fassen,  wofilr  damals  noch 
kein  bestimmter  Typus  bestand.  Die  Darstellung  ist  mithin  auf  den  ersten  Blick  eine  alt- 
christliche, ja  im  Geiste  der  Antike  entworfen  .  .  .  Der  Menschensohn  schreitet  in  jugend- 
licher Gestalt,  nicht  kümmerlich  wie  in  den  Katakomben,  mit  wallendem  Haar,  übrigens 
bartlos  ...  die  Felshöhle  hinan,  wo  die  Rechte  des  Vaters  hinter  Wolken  oder  einem 
Vorhänge  .  .  .  Ihn  emporzieht,  als  g^lte  es  Uerständc  und  Auffahrt  in  einem  Bilde  zu 
vereinen  .  .  .  Das  Motiv  mit  der  aus  den  Wolken  dargestreckten  Hand  Gottes  erhält  sich 
bis  ins  12.  Jahrhundert.  Der  Christuskopf  ist  noch  nicht  typisch  ausgebildet  und  trägt 
.  .  .  wie  auf  Katakombenbildern  die  Rolle  des  neuen  Bundes  .  .  .  Christus  trägt  allein 
den  Glorienreif  .  .  .  Dies  erinnert  zugleieh,  dass  325  das  Konzil  von  Nicäa  die  Gottheit 
Christi  gegen  die  Arianor  feststellte  und  der  Bau  der  Auferstehungskirche  diente  eben 
zur  Bekräftigung  des  unwiderruflichen  Dogmas."  Sepp.  Diese  Darstellungs weise  wird  noch 
verständlicher,  wenn  man  sie  zugleich  als  Apotheose  Konstantins  auffasst.  Der  Kaiser 
starb  in  der  Pfingstzoit.  Die  sieben  Wochen  zwischen  Ostern  und  Pfingsten  fasste  man,  was 
auch  in  diplomatischer  Hinsicht  bekannt  ist,  als  Einen  Festtag  auf,  an  welchem  gewisser- 
massen die  Auferstehung  mit  der  Himmelfahrt  zusammenfiel.  „Haec  consummata  cele- 
britate  pentecostes,  quae  7  continuas  hebdomadas  omnibus  houoribus  decorata  ad  extremum 
unitatis  numero  consignata  est,  quo  tempore  .  .  .  nostri  Servatoris  in  coelos  ascensum,  et 
sancti  ad  homines  spiritus  descensum  accidisse.  Huius  in  celebritatis  extreme  fere  die 
imperator  ad  Deum  suum  assumptus  est*^  (Euseb.  de  vita  Const.  c.  64.)  So  lag  es  nahe, 
des  Kaisers  Himmelfahrt  mit  der  Auferstehung  des  Erlösers  zu  verbinden;  als  zum  Himmel 
fahrend  zeigen  den  seligen  Kaiser  die  nach  seinem  Tode  geprägten  Münzen  „quadrigis 
instar  aurigae  insedentem,  demissa  Uli  coelitus  manu  dextra  exceptum^.  (Eus.  ib. 
c.  73.)  Fehlt  hier  auch  das  Viergespann,  so  ist  doch  die  rechte  Hand,  die  ihn  zum  Himmel 
aufnimmt,  sehr  charakteristisch.  Der  Baum  mit  pickenden  Vögeln  ist  nach  Sepp  ein 
Motiv  der  antiken  Kunst,  das  hundertfältig  au  Sarkophagen  wiederkehrt,  um  den  Untergang 
der  Leiblichkeit  und  die  Aufnahme  in  einen  höhern  Organismus  zu  bezeichnen.  Es  ist  hier  wohl 
der  dem  Senfkörnlein  entsprungene  Baum,  dessen  Zweige  zum  Himmel  reichen  und  in  dessen 
Schatten  die  Vögel  wohnen.  Mau  malte  Konstantin  auch,  wie  er  in  der  Bläue  des  Himmels 
ruhte  (cum  coeli  effigiem  in  tabella  propriis  coloribus  expressissent,  depingunt  eum  super 
coelestes  orbes  in  aethereo  coetu  requiescentem.  Eus.  de  vita  69).  Der  Kaiser  trägt  das 
Haar  halblang,  wie  wir  es  auf  den  Münzen  finden,  was  vorher  weniger  üblich  war.  Die 
Gesichtszüge  sind  verjüngt;  es  hält  nicht  schwer,  in  ihnen  das  Abbild  seines  Neffen 
Hannibalianus  wiederzuerkennen,  wie  wir  es  auf  Münzen  finden.  (Lee  Roman.  Imper. 
Profiles,  1874.)  Dieser  ward  im  Jahre  335  König  von  Pontus,  Cappadocien  und  Armenien, 
fand  aber  837   einen   gewaltsamen  frühen  Tod.    Mau  pflegte,  so  scheiuts,  den  Kaiser  in 


—  88  — 

nicht  ganz  getreue  Abformung  der  konstantinischen  Basilika  ist  (die 
Künstler  erlauben  sich  ja  in  solchen  Fällen  häufig  Abweichungen  vom 
Originale),  oder  dass  einst  die  Anastasis-Kapelle  in  dieser  Form  eine  Zeit 
lang  bestand.  Könnte  es  die  Form  sein,  wie  Modestus  die  Kapelle  wieder 
herstellte?  Schon  vor  der  Bekehrung  des  hl.  Anastasius  wurde  Modestus 
vom  Pa^triarchen  von  Jerusalem,  Johann  dem  Almosengeber  (605 — 616), 
an  die  heiligen  Orte  geschickt  mit  grossen  Spenden  von  Geld  und  Frucht, 
angeblich  auch  mit  zahlreichen  Arbeitern  zur  Wiederherstellung  des  Ver- 
wüsteten, und  schon  nach  der  Gefangennehmung  des  Patriarchen,  die  gleich- 
zeitig mit  der  Zerstörung  der  Grabeskirche  war,  begab  sich  Modestus, 
damals  Abt  des  Theodosiusklosters  ostwärts  von  Bethlehem  in  Syrien  und 
Aegypten  auf  die  Sammlung,  um  die  verwüsteten  Kirchen  wieder  auf- 
bauen zu  können.  Wenn  die  Beschreibung  eines  Pilgers,  der  etwa  54  Jahre 
später  die  hl.  Orte  besuchte,  massgebend  ist,  nahm  die  Kapelle  jetzt  eine 
andere  Gestalt  an.    Der  neue  Patriarch  baute  in  den  Jahren  616  bis  626 


GeseUschaft  seiner  Söhne  abzubilden.  {Is  ter  bcatus  per  trium  liberorum  successionem, 
pro  uno  multiplex  redditus  est,  ita  ut  in  imaginibus  et  picturis  apud  omncs  gentes,  una 
cum  liberis  suis  cundem  honorem  adeptus  sit.  Eus.  IV,  72.)  Umgeben  hier  nicht  die  drei 
Söhne  trauernd  das  Grab,  zwei  in  ihren  Gesichtszügen  den  Schmerz  verrathend,  der  dritte 
das  Antlitz  verbergend?  Der  Engel  am  Grabe  scheint  Porträt  von  Konstantins  II. 
(ibid.  Taf.  147  A.)  Die  Anführerin  der  Frauen  hat,  wie  ich  meine,  durch  die  gebogene 
Nase  und  die  Haartracht  einige  Aehnlichkeit  mit  der  Helena.  Schon  Sepp  vermuthete, 
dass  hier  das  Porträt  derselben  gegeben  sei.  Dass  das  Gebäude  selbst  wohl  zunächst 
die  Auferstehungskirche  darsteUen  soll,  dürfte  nicht  zu  bezweifeln  scän ;  aber  die  Zuthaten 
erinnern  an  die  Kirche,  welche  sich  der  Kaiser  zu  Konstantinopel  zur  (^rabcsstätte  aus- 
ersehen hatte,  die  den  Aposteln  gewidmete  Kathedrale,  was  hier  durch  eine  Statue  des 
Apostelfttrsten  Petrus  angedeutet  ist.  Zwölf  Säulen  sollten  hier  sein  Grab  umstehen  (quare 
cappas  illic  duodecim  quasi  sacras  quasdam  columnas  ad  Apostolici  collegii  honorem 
memoriamque  attoUens,  medium  inter  ipsos  condimentum  suum  locabat,  quud  utrinque 
seni  claudebant  Apostel i.  Eus.  IV,  CO).  Aehnlich  umstanden  zwölf  Säulen  die  runde  Grab- 
kapeUe  in  Jerusalem.  Euseb.  III,  37.  Die  dem  Kubus  aufgesetzte  Kuppel  erscheint  darum 
von  zwölf  Säulchen  getragen,  wovon  sechs  sichtbar  sind;  obwohl  rund,  nähert  sie  sich 
dem  Sechseck,  obgleich  mit  der  quadratischen  Grundlage  besser  ein  Achteck  harmoniren 
würde.  Die  Säulchen  der  Kuppel,  wenn  wirklich  nur  zwölf  statt  sechszehn,  sind  vieüeicht 
nur  die  Wiederholung  der  untern  zwölf  Säulen.  Die  Medaillons  der  Kaiser  passen  zur 
Buhestätte  des  kaiserlichen  Erbauers.  In  griechischen  und  lateinischen  Kalendern  steht 
das  Fest  Konstantins  und  der  hl.  Helena  angemerkt  meist  unter  dem  Titel:  Memoria 
sanctomm  gloriosorum  a  Deo  coronatorum  atque  Apostolis  aequalium  Imperatorum  Constantini 
et  Helenae;  von  Gott  gekrönt  werden  sie  genannt,  wie  überhaupt  die  Griechen  ihre  Kaiser 
O-eooTiTCxoug  nannten,  ein  Ausdruck,  dessen  Analogon  in  Karolingische  Diplome  übergegangen 
ist;  einem  Apostel  ähnlich  hiess  Konstantin  in  den  Menäen  der  Griechen.  Der  Festtag 
Konstantins  wurde  selbst  im  Occidente  am  21.  Mai  begangen  und  wird  es  auch  heute 
noch  an  gewissen  Orten  von  Russland,  Böhmen,  Flandern.  Siehe  AI.  Aur.  Pelliccia  de 
ehr.  eccl.  politia  1829. 

Die  Elfenbeintafel  des  Mnnchener  Nationalmuseums  ist  nachgeahmt 
in  einer  aus  Bamberg  stammenden,  ums  Jahr  1000  geschnittenen  Tafel 
des  Museums  zu  Liverpool,  abgebildet  in  Gesch.  d.  deutsch.  Plast.  1885, 
19,  und  von  dieser  stammt  die  Bamberger  Tafel  eines  Missales,  die  in 
Cahiers  Melanges  p.  4  und  in  Försters  Denkmalen  I,  1  zu  S.  9  abgebildet 
ist.  Das  Tempelchen  stimmt  mit  dem  Siegel  der  Kanoniker  am  hl.  Grabe 
vom  Jahre  1125  überein,  das  hier  photographisch  reproducirt  ist. 


—  So- 
das Halbrund  um  die  Anastasis  durch  griechische  Architekten  zur  byzanti- 
nischen Rotunde  mit  zweifachem  Umgange.  Wo  früher  die  Säulen  im 
Halbkreise  um  die  Anastasis-Kapelle  standen,  kamen  jetzt  Mauern.  Eine 
dreifache  Mauer  in  Kreisform,  welche  weite  Gänge  umgab,  umschloss  jetzt 
zur  grössern  Sicherheit  gegen  feindliche  Einfälle  den  Ort  der  Auferstehung. 
Die  Mitte  bildete  ein  rundes  Kirchlein  (rotunda  ecclesia,  quae  et  anastasis. 
h.  e.  resurrectio  vocitatur,  quae  in  loco  dominicae  resurrectionis  fabricata 
est).  Die  an  zwei  Stellen  durchbrochene  dreifache  Mauer  und  Kirche 
hatte  zweimal  vier  Durchgänge  (gegen  Nord-  und  Südost?  quatuor  ad 
eurum,  quatuor  ad  vulturnum).  Die  eigentliche  Kapelle  war  so  niedrig, 
dass  man  mit  der  Hand  an  die  Decke  reichen  konnte.  Im  Innern,  wo  nur 
neun  Mann  Platz  zum  Stehen  hatten,  stand  das  in  den  Felsen  ausgehauene 
Grab  mit  dem  Eingange  von  Osten.  Es  war  etwa  drei  Palmen  über  den 
Boden  erhaben.  Zwölf  Säulen  trugen  den  Bau  (die  Kuppel?  rotunda  ecclesia 
a  tribus  aucta  parietibus  duodecim  columnis  sustentatur).  Aussen  war  die 
(innere?)  Kirche  bis  zur  Spitze  mit  Marmor  bedeckt,  auf  der  vergoldeten 
Spitze  aber  stand  ein  grosses  goldenes  Kreuz.  Rechts  von  der  Kapelle 
lag  die  viereckige  Muttergotteskirche.  (Adamanni  de  loc.  sanct.,  Bedae  Opp.) 

Ein  Elfenbein-Relief  aus  Mailand  angeblich  aus  dem  8.  Jahrhundert, 
zeigt  auch  die  Anastasis-Kapelle  rund,  mit  einem  schmälern  Aufbau,  der 
noch  an  die  klassische  Form  erinnert. 

Später  hat  die  Grabeskirche  sehr  verschiedene  Gestaltungen  ange- 
nommen. Nach  der  Beschreibung  des  fränkischen  Mönches  Bernard,  der 
gegen  das  Jahr  870  Jerusalem  besucht  hat,  umstanden  das  Grab  neun  Säulen, 
deren  Zwischenräume  mit  vorzüglichen  Steinen  ausgemauert  waren.  Von 
diesen  neun  Säulen  standen,  so  heisst  es,  vier  vor  dem  Gral)e  und  umschlossen 
mit  ihnen  den  Grabesstein,  was  ich  mir  so  vorstelle,  dass  eigentlich  sieben 
in  der  Aussenmauer  war^n,  wovon  zwei  durch  eine  Quermauer  mit  zwei 
mittleren  Säulen  in  Form  einer  Sehne  verbunden  waren;  hinter  dieser  Mauer 
lag  dann  das  Grab,  hinter  diesem  waren  zwei  der  sieben  Säulen  an  der  Mauer. 
(Tertia  ecclesia  ad  occidentem,  in  cuius  medio  est  sepulchrum  Domini  habens 
9  columnas  in  circiiitu  sui,  inter  quas  consistunt  parietes  ex  optimis  lapi- 
dibus,  ex  quibus  9  columnis  4  sunt  ante  fiiciem  ipsius  monumenti,  quae 
cum  suis  parietibus  claudunt  lapidem  coram  sepulchro  positum,  quem  angelus 
revolvit  Bernardus  ao.  870.)  Vielleicht  standen  auch  die  vier  Säulen  nicht 
alle  vor  dem  Grabesstein,  sondern  herum,  mit  den  Mauerfüllungen  ein  Vier- 
eck bildend,  sodass  nur  fünf  Säuleu  für  die  Aussenwand  blieben. 

Es  wäre  von  grossem  Interesse,  die  Formen  der  alten  hl.  Grabkirchen, 
wie  sie  in  verschiedenen  Städten  vom  5. — 9.  Jahrhundert  erbaut  wurden, 
zu  vergleichen.  Die  angeblich  dem  5.  Jahrhundert  angehörende  Heilig- 
grabkirche zu  Bologna,  eine  weite  ovale  Rotunde,  erinnert  im  Mittelschiffe 
mit  den  über  zwölf  Säulen  gespannten  Bogen  an  die  zwölf  Säulen,  welche 
als  Repräsentanten  der  Apostel  um  die  Anastasis  standen. 

lu  den  Oktogonkirchen  von  Aachen  und  Ottmarshausen  stellt  wohl 
die  quadratische  Absis  die  Auferstehungskapelle  vor.  Der  obere  der  Auf- 
erstehung Christi  geweihte   Altar  des  alten  Domes  zu  Aachen  (superius 


—  90  — 

altare  in  eadem  capella)  dürfte  in  der  obern  Abtheiliing  der  Absis  gesümden 
haben.  Es  ist  auch  merkwürdig,  dass  in  der  Zeichnung  der  Absis,  die 
man  Ciampini  verdankt,  hinter  dem  Hauptaltare  drei  unter  einem  grossem 
Bogen  gestellte  Bogen  ersichtlich  sind,  sehr  ähnlich  denen  auf  dem  Heilig- 
grab-Siegel  der  Tempelherren.  Dies  Siegel  soll  das  Bild  der  Auferstehungs- 
kapelle im  12.  Jahrhundert  darstellen.  Es  erinnert  noch  immer  an  die 
klassische  Form;  quadratische  Unterlage,  hohe  Eingangsthüren,  Absis  mit 
drei  Fenstern,  Kuppel  mit  sechs  Fenstern,  auf  der  Spitze  das  Kreuz. 

Es  wäre  ein  interessantes  Thema  für  einen  Architekten,  die  Grabes- 
kirchen der  früheren  Jahrhunderte  näher  zu  beschreiben. 

Das  hl.  Grab  zu  Görlitz,  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts 
erbaut,  hat  IOV2  Elle  in  der  Länge,  6^/3  Ellen  in  der  Breite  und  ebenviel 
in  der  Höhe.  In  der  Mitte  des  Daches  erhebt  sich  eine  5  Ellen  hohe 
Kuppel,  die  auf  sechs  Säulen  ruhet.  Von  aussen  soll  das  Gebäude  läng- 
lich rund  erscheinen,  das  Innere  bildet  aber  ein  in  zwei  Abtheilungen 
durch  eine  Wand  gesondertes  Viereck.  Einer  dieser  Theile  ist  das  Vor- 
gemach und  wird  durch  zwei  süd-  und  nordwärts  angebrachte  Fenster 
erleuchtet,  während  der  Eingang  gegen  Osten  sieht.  In  der  Trennungs- 
wand ist  links  ein  ^^/g  Elle  hohes  Thürchen,  das  den  Eingang  zu  der 
zweiten  Abtheiluug  gestattet,  die  vP/«  Elle  lang  und  breit  und  6V4  Elle 
hocli  ist.  An  diesem  Eingange  ist  der  Stein,  welcher  jenen  Stein  vorstellt, 
auf  dem  der  Engel  sass,  von  dem  uns  auch  die  Beschreibungen  der  alten 
Grabeskapelle  berichten. 

Im  Vorstehenden  ist  die  Form  des  Anastasius-Kasten  mit  der  Gestalt 
der  ursprünglichen  Grabeskirclie  in  nahe  Vcri)indung  gebracht  worden. 
Eine  andere  Ansicht  geht  dahin,  dass  derselbe  ein  Gefäss  gewesen,  worin 
das  heilige  Brod  aufbewahrt  wurde,  wie  ein  ähnlich  gestaltetes  in  den 
russischen  Kirchen  vorkomme.  Wenn  dies  richtig  ist,  so  bleibt  doch  nicht 
ausgeschlossen,  dass  auch  diese  Gefässe  ursprünglich  Nachbildungen  der 
Grabeskirche  gewesen.  Schliesslich  sei  bemerkt,  dass  die  oben  erwähnten 
griechischen  Inschriften  in  Kessels  (icschiclitliclien  Mittlieihingen  über  die 
Heiligthümer  vollständig  mitgetheilt  sind. 


Abbruch  der  Häuser  des  Josephinischen  Instituts  und  des 

Waisenhauses  in  der  Pontstrasse. 

Von  Jos.  Biichkremer. 

Mit  einer  AbbililuiiR;. 

Tn  dem  mittleren  Theile  der  Pontsti-asse  ist  im  Laufe  des  Jahres 
1894  durch  den  Abbrncli  der  obei'halb  der  Kirche  des  Josephinischen 
Instituts  liegenden  beiden  Gebäude  der  Armenverwaltung  ein  altes  aachener 
Städtebild  wesentlich  geändert  worden.  Hier  reihten  sich  noch  eine  grosse 
Anzahl  älterer  Bauten  dicht  zusammen,  sodass  die  Strasse,  namentlich 
auch  durch  die  frei  geschwu^igenon  Fluclitlinien  und  durch  die  Verengung 
derselben  nach   den   beiden   Enden   zu  ein  zwar   wenig  modernes,  aber 


—  91  — 

fiir  den  Liebhaber  und  Kenner  alter  Städtebilder  sehr  anziehendes  male- 
risches Bild  bot. 

Von  der  Neupforte  kommend,  erblickte  man,  gleich  nachdem  man  an 
den  weit  in  die  Flucht  vorspringenden  Häusern  des  sogen.  Beguinen- 
winkels  vorüber  ist,  jene  platzartige  Erweiterung  der  Pontstrasse. 
Das  Bild  wird  rechts  begrenzt  durch  die  malerischen  Umrisse  des  aus 
dem  17.  Jahrhundert  stammenden  Hauses  Nr.  74  mit  seinem  mächtigen 
Consolhauptgesimse  und  der  grossen  Giebeldachlucke,  während  weiter 
hinauf  der  Rest  eines  gothischen  Fensters  uns  an  die  alte  Kirche  des 
hl.  Aegidius  erinnert.  Auf  der  andern  linken  Seite  wird  das  Bild  durch 
die  grossen  einfachen  Linien  der  Kirche  des  Josephinischen  Instituts  ein- 
gerahmt und  weiter  hinauf  erhoben  sich  hier  früher  die  beiden  Fassaden 
der  diesem  Institut  zugehörenden  Häuser,  wozu  auch  das  alte  Haus  des 
Bürgermeisters  Emundts  gehörte.  Und  auch  das  dann  weiter  hinauf 
folgende  Haus,  das  zur  Zeit  als  Gesellenhaus  eingerichtet  ist,  passt  in 
das  alte  Städtebild  vorzüglich  hinein.  Denkt  man  sich  in  die  Fenster 
desselben  wieder  die  alten  Kreuze  hineingestellt,  und  die  sonstigen  mo- 
dernen Zuthaten  hinweggenommen,  so  ist  das  alte  Bild  fertig,  das  würdig 
in  dem  nach  oben  nun  folgenden  Hause,  dem  ehemaligen  Lombard  seinen 
Schluss  findet. 

Wenngleich  auch  die  beiden  eben  erwähnten  Fassaden  der  Häuser  des 
Josephinischen  Instituts  für  sich  genommen,  keinen  hervorragenden  Kunst- 
werth  beanspruchen  konnten,  so  wirkten  sie  dennoch  als  Theile  des  eben 
geschilderten  Strassenbildes  vorzüglich  mit.  Durch  den  nunmehr  im 
September  des  Jahres  1894  erfolgten  Abbruch  dieser  Häuser  ist  dieses 
schöne  Bild  verschwunden.  Von  den  beiden  in  Rede  stehenden  Häusern 
hatte  namentlich  das  obere,  das  frühere  Emundtssche  Haus  eine  eigen- 
artige Fassade. 

Dieselbe  hatte  eine  Breite  von  ca.  15  Meter,  war  dreigeschossig  und 
13  Meter  hoch.  Die  Haupttheilung  derselben  bestand  aus  sechs  Pfeilern, 
die  mit  Ausnahme  der  beiden  über  dem  Portal  stehenden  die  ganze  Höhe 
der  Fassade  einnahmen.  Der  Sockel  der  ganzen  Fassade  und  das  Basis- 
profil der  Pfeiler  derselben  bestand  aus  Blaustein,  während  die  Schäfte 
der  Pfeiler  aus  Ziegelsteinmauerwerk  aufgerichtet  waren.  Die  reichen 
Kapitelle  *  zeigten  eine  Verbindung  der  jonischen  und  korinthischen  Ordnung, 
und  waren  merkwürdigerweise  aus  Eichenholz  hergestellt.  Ein  einfaches 
aus  einem  Architrav  und  grosser  Holzleiste  bestehendes  Hauptgesims  schloss 
die  Fassade  nach  oben  hin  ab.  Das  in  guten  architektonischen  Verhält- 
nissen ausgeführte  Portal  war  ganz  aus  Haustein  gebaut,  und  bestand  aus 
einer  halbkreisförmig  abschliessenden  Oeffnung,  die  durch  zwei  Pilaster 
eingerahmt  wurde.  Das  das  Portal  abschliessende  Hauptgosims  war  über 
den  Pilastern  und  dem  verzierten  Schlussstein  verkröpft.  —  Die  Fenster- 
öffnungen waren  durch  unverzierte  Gewändesteine  eingefasst,  die  sich  dicht 
zwischen  die  grossen  Pfeiler  legten;  während  die  Fenster  des  Erdgeschosses 

*)  Diese  Kapitelle  suwie  die  weiter  unten  erwähnten  lleliefs  werden  im  hiesigen 
Museum  aufbewahrt. 


—  92  — 

und  des  ersten  Stockwerkes  beträgliche  Höhenverhältnisse  zeigten,  waren 
diejenigen  des  2.  Stockwerkes  fast  quadratisch.  —  Einen  eigenthünilichen 
schönen  Schmuck  erhielt  die  Fassade  noch  durch  neun  Reliefs,  die  in 
den  aus  Ziegelsteinen  bestehenden  Flächen  über  den  Fenstern  des  Erd- 
geschosses und  des  ersten  Stockwerkes  angebracht  waren.  Auch  von 
diesen  Reliefs  war  eines  aus  Holz  geschnitzt. 

Diese  Reliefs,  deren  Grundform  viereckig  war,  enthielten  in  einer 
eiförmigen  Vertiefung  die  Darstellung  römischer  Kaiserporträts.  Die  aussen 
verbleibenden  Zwickel  und  die  Umrahmung  dieser  Ellypse  war  durch  kar- 
tuschenartige Ornamente  oder  durch  Akanthusblätter  und  Masken  verziert. 

Die  Köpfe  selbst  waren  alle  neun  verschieden,  sehr  decorativ  auf- 
gefasst  und  derb  plastisch  behandelt.  Durch  den  mannigfaltigen  Schmuck 
dieser  Figuren  mit  reich  ornamentirten  Helmen,  mit  einfachen  Reifen- 
kronen, oder  mit  dem  lorbeerdurchflochtenen  Haar  wirkten  dieselben  trotz 
der  etwas  schematischen  Gesichtsformen  sehr  günstig  auf  den  Beschauer  ein. 

Die  ursprünglich  durch  den  Wechsel  in  der  Farbe  zwischen  dem 
Blaustein-  und  dem  Ziegclsteinmauerwerk  sehr  malerisch  wirkende  Fassade 
sah  bei  dem  einförmigen  Oelfarbenanstrich  natürlich  weniger  günstig  aus. 

Das  Innere  des  Gebäudes,  das  nach  den  Formen  der  Fassade  zu 
urtheilen  aus  dem  Schlüsse  des  17.  Jahrhunderts  oder  dem  Anfange  des 
18.  Jahrhunderts  herrührte,  enthielt,  abgesehen  von  einem  hübschen 
Treppenpfosten  zur  Zeit  nichts  mehr,  was  ein  kunsthistorisches  Interesse 
hätte  in  Anspruch  nehmen  können. 


Kleinere  Mittheilungen. 

Freilegung  des  Chores  der  Nikolauskirche  zu  Aachen. 

Durch  die  im  Anfange  des  Jahres  1804  ausgeführte  Neuanlage  einer  Strasse  zwischen 
der  Grosskölnstrasse  und  dem  Seilgraben,  die  den  Namen  Mi noriten Strasse  fuhrt,  ist  der 
bis  dahin  verbaute  Chor  der  St.  Nikolauskirche  freigelegt  worden.  Die  dadurch  in  Weg- 
fall gekommenen  Bauten  waren  1.  ein  im  vorigen  Jahrhundert  gebautes  (leschäftshaus 
von  keiner  weiteren  Bedeutung,  2.  die  Loretokapelle  der  eben  genannten  Kirche,  die  in 
der  Breite  des  sitdlichen  Seitenschiffes  sich  neben  den  Chor  nach  der  Grosskölnstrasse  zu 
legte  und  8.  ein  weiteres  kleines  Haus,  das  zwischen  den  beiden  genannten  Bauten  lag 
und  um  das  in  seiner  Fassade  stehende  alte  Kreuz  herumgebaut  war. 

Die  im  Jahre  1703  von  dem  damaligen  Baumeister  Mefferdatis  erbaute  Loretokapelle 
bot  nur  geringes  kunsthistorisches  Interesse.  Sie  musste  wegen  vollst Ȋndiger  Baulallig- 
keit  abgetragen  werden.  Ihr  Grundriss  war  rechteckig,  sie  hatte  eine  Thür  zur  Strasse 
und  zum  Chor,  wurde  durch  zwei  rundbogige  Fensler  erleuchtet  und  durch  ein  Tonnen- 
gewölbe überdt^ckt.  Das  gänzlich  schmucklose  Aeussere  wurde  durch  ein  S-förmig  gebogenes 
Walradach  abgeschlossen  und  bekrönt  durch  einen  aus  Kupfer  getriebenen  profilirten 
Knauf,  der  eine  länglichovale  vertikale  3Ietallplatte  trug,  worauf  ein  Madonnenbild  gemalt 
war.  Das  Innere  der  Kapelle  schmückte  ein  prachtvoller  Altar  im  reiclisten  Kococcostil, 
der  nach  den  Entwürfen  des  Architekten  J.  J.  Couven  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahr- 
hundert^s  ausgeführt  wurde.     Ueber  der  einfachen  Mensa  erhob  sich  ein  zierliches  Tabcr- 

vT» 

nakel  (nur  Repositorium),  zu  dessen  beiden  Seiten,  mit  der  Predella  und  den  Leuchter- 
bänken verbunden,  sich  kleine  Räume  zur  Aufnahme  von  Reliquien  befanden.  Der  Altar 
war  au  beiden  Seiten   durch   reich   geschnitzte  Thüreu   architektonisch   mit  den  Wänden 


—  93  — 

der  Kapelle  verbunden.  Der  Altar  stand  einen  Meter  vor  der  Rückwand.  Dieser  hintere 
Raum  wurde  durch  die  beiden  Thüren  zngÄnglich.  An  der  Rückwand  war  eine  sehr 
zierlich  ausgebildete  reich  umrahmte  Nische  angebracht,  worin  sich  ursprünglich  eine 
Madonnenstatue  befand.  Diese  ganze  Nische  war  so  hoch  angebracht,  dass  man  von  der 
Kapelle  aus,  vor  dem  Altare  stehend,  auch  den  Sockel  derselben  noch  sehen  konnte.  Die 
Wirkung  des  Ganzen  war  ausserordentlich  schön  und  plastisch,  da  die  eben  erwähnte 
Nische  einheitlich  mit  dem  eigentlichen  Altare  zusammenwirk'te,  obgleich  sie  räumlich 
nicht  mit  demselben  verbunden  war. 

Die  farbige  Behandlung  des  ganz  in  Holz  hergestellten  Altar  werke«  war  sehr 
wirkungsvoll.  Die  ornameutirten  Theile  sowie  die  beiden  Engelfigurcn,  die  die  seitlichen 
Thüren  bekrönten,  und  alle  Profilleisten  und  (resimse  waren  vergoldet,  während  die  ver- 
bleibenden Flächen  als  grüner  Marmor  behandelt  und  durch  kleine  goldene  in  regelmässigen 
Abstanden  aufgemalte  Flammen  belebt  waren  ^ 

Das  eben  erwähnte  Kreuz,  gleich  unterhalb  der  Loretokapelle,  stand  ursprünglich 
noch  tiefer  und  bildete  bis  1763  einen  Theil  der  den  Hof  des  damaligen  Franziskaner- 
klosters nach  der  Grosskölnstrasse  zu  abschliessenden  Mauer.  1763  erhielt  es  den  Stand, 
den  es  beim  Abbruche  noch  hatte,  und  wurde  damals  mit  dem  sogen.  Minderbrüderpiefchen 
verbunden,  das  vordem  vor  dem  Eckhause  zwischen  Gross-  und  Kleinkölns trasse,  dem 
sogen.  Gapstock,  stiind.  Die  sehr  barocken  Figuren  der  durch  eine  architektonisch  einfach 
ausgebildete  Nische  eingerahmten  Kreuzgruppe  waren  keine  bedeutenden  Kunstleistungen; 
sie  zeigten  eine  übertriebene  realistische  Darstellung  und  eine  überaus  theatralische  Auf- 
fassung in  ihrer  Gruppiruug.  Das  hiesige  Suermondt-Museum  bewahrt  eine  Photographie, 
die  die  oben  erwähnten  nun  abgerissenen  Bauten  und  auch  die  Anlage  dieser  Kreuzgruppe 
darstellt. 

Im  Anfange  des  laufenden  Jahres  musste  auch  die  an  der  Nordseite  des  Chores 
gelegene  Sakristei  wegen  Baufälligkeit  niedergelegt  werden.  Dieselbe  war  nach  dem 
Aachener  Brande  zum  Theil  mit  Bauresten  der  bis  dahin  erhaltenen  ursprünglichen 
Sakristei  errichtet  worden  und  würde  schon  längst  wegen  der  mangelhaften  Bauweise 
eingestürzt  sein,  wenn  nicht  schwere  Eiseuanker  die  Mauern  zusammengehalten  hätten. 

Der  jetzt  niedergelegte  Sakristeibau  bot  nur  geringes  architektonisches  Interesse 
und  war  ganz  unorganisch  mit  dem  Chor  der  Kirche  verbunden.  Dennoch  wirkte  die 
gesaramte  Gruppe  der  Sakristei  mit  ihren  kleinen  Anbauten  von  der  neuen  Minoritenstrasse 
aus  gesehen,  sehr  malerisch.  Auch  von  dieser  Anlage  bewahrt  das  Museum  eine  Photo- 
graphie auf. 

Das  Innere  der  Sakristeibauten  war  nur  hinsichtlich  des  Mobiliars  von  einiger 
Bedeutung.  Die  grossen  Sakristeischränko  zur  Aufbewahrung  der  Paramente  und  der 
heiligen  Gefässe  waren  einfache  aber  geschmackvolle  Arbeiten;  durch  verzierte  Lisenen 
und  vielfach  verkröpfte  Rahmenproftle  und  die  schön  ornamentirteu  Eisenbeschläge  und 
Schlösser  machten  dieselben  einen  sehr  gediegenen  Eindruck. 

Durch  den  Abbruch  dieser  Sakristeibauten  haben  sich  manc^he  Anhaltspunkte  für 
die  Gestalt  der  vor  dem  aachener  Brande  bestehenden  ursprünglichen  Sakristei  ergeben. 
Dieselbe  stand  an  der  gleichen  Stelle,  hatte  dieselbe  Länge  wie  die  jetzt  abgerissene 
Sakristei,  aber  nur  eine  Breite  gleich  der  der  Seitenschiffe,  so  dass  die  nördliche  Seiten- 
schiffwand in  ihrer  Verlängerung  mit  der  Sakristeimauer  dieser  Seite  zusammenfiel.  Das 
Innere  war  durch  Kreuzgewölbe  überspannt,  deren  Schildbögen  an  der  nördlichen  Chorwand 
noch  sichtbar  sind.  Unter  der  Bauraasse  der  abgerissenen  Sakristei  fanden  sich  eine 
grosse  Anzahl  von  (Tcwölberippen,  Maasswerkstäben,  Schlusssteinen,  Thürgewänden  etc. 
der  ursprünglichen  Sakristei  auf.  Besonders  interessant  sind  die  Gewölberippen  und  die 
sehr  reich  mit  feinem  Blattwerk  verzierten  Sehlusssteine.  Die  Ornamente  an  denselben 
sind  von  grosser  Schönheit  und  merkwürdigerweise  auch  an  den  Stellen  der  Schlusssteine 
angebracht,  die  dem  Beschauer  gänzlich  unsichtbar  bleiben  mussten.  Diese  Baureste  sind 
f^r  Aachen  besonders  beachtenswerth,  weil  sie  die  einzigen  sind,  die  uns  aus  jener  Zeit,  dem 
Anfange  des   13.  Jahrhunderts,   erhalten   sind.     Es   ist  Sorge   dafür  getragen,   dass   alle 

*j  Vgl.  die  AhbiUlung. 


—  94  — 

anfgefandenen  Bautheile  an  geeigucter  Stelle  in  den  unteren  Räumen  der  neuen  Sakristei 
aufbewahrt  werden. 

Die  an  den  erwähnten  Fundstücken  noch  theil weise  erhaltene  Malerei  stammt 
grösstentheils  aus  dem  15.  Jahrhundert.  Danach  sind  die  Gewölberippen  in  Zonen  getheilt, 
wovon  die  eine  wechselseitig  weiss  und  roth  und  die  andere  schachbrettförmig  bemalt  ist 
und  zwar  in  den  Farben  weiss,  gelb,  blau  und  roth.  Die  Ornamente  der  Schlusssteine 
sind  naturalistisch,  die  Blätter  grün  und  die  Rosen  roth,  bemalt.  Die  Wandflächen  waren 
mit  einem  dunkelrothen  Thon  angestrichen. 

Im  Bauschutte  fanden  sich  ausserdem  noch  eine  grosse  Anzahl  interessanter  Boden- 
belegsteine aus  gebranntem  Thon,  die  ornamentale  Verzierungen  und  Wappen  enthalten. 
Diese  Bodenfliesen  gehören  dem  Schlüsse  des  15.  Jahrhunderts  an. 

Durch  den  Abbruch  der  Sakristei  ist  auch  die  untere  Endigung  des  Treppenthürm- 
chens,  das  den  Zugang  zum  Dachboden  der  Kirche  vermittelt  und  in  der  Ecke  zwischen 
Chor  und  nördlichem  Seitcnschifib  liegt,  frei  geworden.  Dieser  Bautheil  ist  im  Laufe  der 
Zeit  oft  umgebaut  worden  und  es  ist  daher  schwierig,  den  ursprünglichen  Zustand  zu 
erkennen.  Der  Zugang  zu  diesem  Treppen thürmchen  wurde  durch  eine  kleine  Thür 
in  der  östlichen  Abschlusswand  des  nördlichen  Seitenschiffes  vermittelt.  Diese  Thür 
begann  erst  in  einer  Höhe  von  1  Meter  über  dem  Fussboden  der  Sakristei,  sodass  ursprüng- 
lich noch  eine  Freitreppe  davor  angebracht  sein  musste  um  dieselbe  zugänglich  zu  machen. 
Bei  dem  jetzigen  Neubau  der  Sakristeiräume  wird  dieser  Bautheil  wieder  in  der  vermuth- 
lich  alten  Weise  hergestellt  werden.  Dasselbe  gilt  von  dem  kleinen  kreisrunden  Fenster, 
das  oberhalb  der  vorhin  erwähnten  ThÜr  aufgefunden  wurde.  Dieses  Fenster  wird  im 
Innern  der  Kirche  durch  den  Marienaltar  verdeckt  und  bildete  die  Fortsetzung  der  Kreuz- 
gangfenster des  nördlichen  Seitenschiffes,  die  das  obere  Stockwerk  des  Kreuzganges  mit 
der  Kirche  verbanden. 

Bei  der  nunmehr  bereits  theilweise  erfolgten  Wiederherstellung  der  äusseren 
Ghorfassaden  hat  es  sich  gezeigt,  dass  der  Chor  ursprünglich  weniger  lang  als  zur  Zeit 
war.  Der  ursprüngliche,  gleichzeitig  mit  der  noch  jetzt  stehenden  Kirche  errichtete  Chor, 
hatte  ein  ganzes  Gewölbejoch  weniger.  Der  erste  1327  consecrirte  Bau '  wurde  1333  durch 
den  Brand  beschädigt.  Bei  der  folgenden  Wiederherstellung  ist  wahrscheinlich  der  Chor 
in  dem  jetzt  bestehenden  Umfange  vergrössert  worden  ^  1390  wurde  derselbe  fertig- 
gestellt. Dass  der  Chor  ursprünglich  um  ein  Gewölbejoch  kleiner  war,  folgt  aus  dem 
Unterschied  der  architektonischen  Verhältnisse  und  des  Mauerwerks  zwischen  den  altem 
und  jungem  Chortheilen.  Die  Fenster  des  neuem  Thciles  beginnen  tiefer  als  die  des 
altem  Theiles;  jene  sind  dreitheilig,  diese  zweitheilig;  die  Gewölbejoche  des  altern  Theiles 
haben  profilirteSchildbögcn,  während  die  des  jungem  Theiles  solche  überhaupt  nicht 
haben.  Schliesslich  stellte  es  sich  bei  der  jetzigen  Restauration  auch  heraus,  dass  die 
Strebepfeiler  an  der  Stelle,  wo  die  beiden  Theile  sich  vereinigen,  hier  ohne  Verband  nach- 
träglich angesetzt  worden  waren. 

Aachen.  J.  Buchkremer. 

Spottgedicht  auf  die  Franzosen  aus  dem  Jahre  1793. 

[Nnch  eiuem  m  der  hiesigen  Stadtbibliothek  (Mise.  tom.  VI  Nr.  27)  vorhandenen  Flngblutt.] 

Das  nachstehende  Gedicht  vordankt  seine  Entstehung  der  grossen  Freude  der  links- 
rheinischen Bevölkerung  Über  den  Sieg  der  Ocstcrreicher  unter  dem  Prinzen  von  Koburg 
über  die  Franzosen  unter  Dumouriez  bei  Aldenhoven.  (1.  März  1703.)  Infolge  dieser 
Niederlage  mussteu  bekanntlich  die  Franzosen  das  seit  Dezember  17U2  besetzt  gehaltene 
deutsche  Gebiet  räumen.  Die  tiefe  Abneigung  gegen  die  Franzosen  und  die  von  ihnen 
vertretenen   Grundsätze,   sowie  die   Freude   über  das  Ende  der  Fremdherrschaft  und  die 

*)  Dieser  Altar  wurde  sorgfHltig  abgebrochen  und  wird  höchst  wabi-scheinlich  nn  einer  älin- 
lichen  Stelle  wieder  sur  Verwendung  kommen. 

*)  Neu,  Zur  Geschichte  des  Fransiskanerklosters  etc.,  Aachen  1881,  S.  14. 

»)  Cfr.  Qu  ix,  Beiträge  zur  CJeschichte  der  Stadt  Ajichen,  II  {lriH\,  S.  13S:  „Am  9.  Mai  1390  wurde 
der  nunmehr  fertig  gewordene  neue  Chor  der  Kirche  v«»n  dem  WtihJiischof  zu  Lüttich,  ArnoUl, 
Bischof  von  CapitoHaue  mit  8  Altären  geweiht."  —  Nou  a.  a.  O.  S.  17  nimmt  hierbei  nur  eine 
Bestauration  an. 


—  95  — 

Dankbarkeit  gegenüber  dem  Sieger  kommen  in  dem  Gedichte  in  gleicher  Weise  zum  Aus- 
druck. Jedenfalls  ist  das  Gedicht,  dessen  Verfasser  sich  am  Schlüsse  selbst  als  „Schröders, 
Küster  zu  Puffendorf  im  Gülischen  Amt  Aldenhoven**  bezeichnet,  nicht  lange  nach  der 
Schlacht  entstanden.  Wie  einige  im  Gedicht  (vgl.  u.  a.  6  und  8)  befindliche  Andeutungen 
schliessen  lassen,  ist  dasselbe  vor  der  am  4.  April  1793  erfolgten  Flucht  des  Generals 
Dumouriez  zu  den  Oesterreiehem  verfasst. 

Ludovicus  XVI 
Innocens  Mortuus 

den  21ten  Januarii. 

Ludwig  König  der  Franken,  ist  Mord- 

weis  gestorben,  Wem  wundert's:  wenn  solcli' 
ganz  Reich  nunmehro  verdorben? 


Wird  in  ein  neu  Liedchen  entworfen,  unter  der  Melodie: 

Wunderschön  prächtig. 

I.  Vers. 
Französisch'  Nati(m!  Wo  ist  dein  Köuigsthronr* 
O  du  elendes  Volk  in  Babilon! 

Du  schändest  deiner  Krön,  auch  spürest  jetzt  dein  Lohn, 
Merke,  wir  singen  dir*s,  aus  frohem  Thon; 
Du  darfs  zwar  wagen,  die  wir's  beklagen, 
Zu  plündern  die  Länder,  mit  schändlicher  3Iacht, 
Bis  dich  der  Kaiser  zum  Schinder  jetzt  jagt. 

2. 

National-Konvent!  schrie  auch  dein  Präsident! 

Werden  wohl  billig  Blut-Igel  genennt; 

Du  sprachst  ein  Urtheil,  dies  bringt  dir  viel  Unheil, 

Da  du  dein  König  bringst  in  Henkers  Hand. 

Himmel  schick  Rache,  donnere  und  krache, 

Segne  den  Säbel  in  Koburg  sein  Hand, 

Dass  Er  die  Mörder  würg  im  eignen  Land. 

3. 
Gibt  dir*s  noch  Wunder?  Merk  insbesonder. 
Wenn  du  zum  Feind  jetzt  hast  die  ganze  Welt; 
Ein  Volk  olm  Gesetz,  Freiheit  ihr  Geschwätz, 
Gleichheit  und  Bruderlieb,  wie  man  es  zählt. 
Keines  von  beiden  wollen  wir  leiden. 
Wir  glauben  und  halten  die  römische  Lehr, 
Suchen  und  rächen  des  Kaisers  sein  Ehr. 

4. 
Wer  hat  die  Welt  gemacht?  und  dich  darauf  gebracht? 
Begreifs  du  dies  Wunder,  so  meld*  es  nur  bald, 
War's  nicht  der  Himmel?  Thörichter  Lümmel! 
Erkenne  die  Wahrheit,  sie  ist  gar  zu  alt; 
Ob  dich  empörest,  doch  nichts  zerstörest. 
Würdest  du  rasend,  ein  Lucifer  gleich, 
So  bleibt  das  Wort  gelten  aus  göttlichem  Reich. 

5. 
Du  pralllest  dein(?r  Macht,  man  dich  darzu  auslacht, 
Sehe  ein  David  mit  Goliath  im  Streit, 


—  96  — 

Wer  auf  Gott  vertraut,  der  hat  wohl  gehaut. 
Gedeon  mit  wenigen  schlagt  weit  und  "breit, 
Du  Volk  der  Franken,  gehst  aus  den  Schranken, 
Fluchest  des  Himmels  und  alles,  was  recht, 
Wie  die  Barbaren  und  solches  CJcschlecht. 

6. 
Du  prahlst  dein  3Ieistcrstiick  und  grosses  KriegesglUck, 
Seh,  wie  der  Vogel  dir  jetzt  fliegt  aus  der  Hand, 
Komm  auf  das  Kriegsfeld,  wo  Koburg  jener  Held, 
Mit  hundert  jagt  tausendeu  aus  dem  Land; 
Ohne  die  Leichen,  die  Todes  verbleichen. 
Wir  haben  am  Ruhrfluss  viel  tausend  an  Hand, 
Denen  der  Pulver  von  der  Pfanne  gcbranudt. 

7. 
Du  bringst  zwar  schön  Geschütz,  uns  aber  ist  es  Nütz, 
Dir  kocht  man  hier  Suppen  aus  eigenem  Döppcn, 
Du  hast  den  Freiheitsbaum  hier  gepflanzet  kaum, 
Du  machest  dein  Gräber  hier  mit  eigenen  Schuppen; 
Und  auch  dein  rothe  Kapp,  0  dummer  Narrenlapp, 
Brauche  in  Zukunft  zu  ein'  Ehrenkranz, 
Wenn  dich  noch  lüstern  soll  dergleichen  Tanz. 

8. 
Dein  oberster  Feldherr  General  Dumouriez 
Ein  echter  Würgengel,  wie  Holofer, 
Geister  voller  Hofart  und  von  gar  schlechter  Art, 
Michael  der  Held  stürzt  solch'  Lucifer; 
So  faule  Glieder  plotzen  jetzt  nieder. 
Laufen  als  Mörder  und  Böß wicht  ins  Grab, 
Man  würgt  ihn'  die  Gurgel  nicht  schändlich  gnug  ab. 

9. 
Koburg  du  teurer  Held,  Heil  sei  dir  in  der  Welt, 
Wir  streuen  dir  Palmen  zum  Lorbeerkranz. 
Du  hast  uns  Heil  gebracht,  die  Franken  fortgejagt,       *• 
Unsterblicher  Lohn  sei  ewig  dein  Glanz. 
Dies  wenig  Lieder,  ich  lege  nieder, 
L;h  singe  mit  Jubel  und  freudigen  Thon, 
Gott  reiche  auf  Ewig  dem  Helden  sein  Lohn. 

10. 
Sub  umbra  Alarum,  0  Lux  Musarum! 
Majestätischer  Adler  des  Ocsterreicher  Haus, 
Ich  bin  dein  Unterthan  und  reich  dir  diesen  Plan; 
So  lang  mein  Blut  weget,  reiss  ich  nicht  aus. 
Mein  Leib,  und  Leben,  will  ich  dran  geben, 
Sehe,  ich  schreib  dirs  mit  eigener  Hand 
Schröders  mit  Namen,  so  bin  ich  genannt. 

Küster  zu  Puffendorf  im  Gülischen  Amt  Aldenhoven. 

Princeps  Saxokoburg  Generalissimus! 
Venit  Vidit  Vicit. 

Koburg  unter  göttlich-starkem  Schutz, 
Ist  den  Patrioten  jetzt  zum  Trutz. 

Äacheit.  C.    Wackev. 


Druck  von  UicKiiANN  K.kki/.vm  in  /Vachkj». 


Mmm  -Ea@li©xis  ¥oxÄ0li 


Jshrljch  S  Numnicni  Kummiiu<iiinii-Vi>rlim 

k  I  Bögen  Rojiil  Oktay.  '''^' 

t  'rnuierVlii'n  Itiii'liUnu'llniiK 
Preis  des  Jahrgang»  ,5  j„,„ 

4  Hark.  in  Aniilji'ti. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Im  Auftrage  des  Vereios  lierauHKegi'ben  von  B.  Bobnock. 


Achter  JahrKanff.  1H05. 


Inhalt:  Franz  OpiieobofT,  Die  famiUc  von  FticBbcim  in  Ani-huti  im  IT.  und  IE).  JobrhuDtliirt. 


Die  Familie  von  Friesheim  in  Aachen  im  17.  und  18.  Jahrhundert. 

Von  Franx  Oppenhoff. 

Die  erste  Nammer  des  laufenden  Jahrgangs  dieser  Zeitschrift  bra^'lite 
aus  der  Feder  des  Herrn  J.  Bachkremer  die  eingehende,  durch  H  Tafeln 
erläuterte,  hochinteressante  Baugeschichte  des  Friesheimschen  Hauses  auf 
dem  Bergdrisch.  Ist  der  Name  dieser  Familie  eben  durch  ihr  prftchtigCB 
Heim  den  meisten  Aachenern  auch  bekannt  geblieben,  so  durfte  doch  kaum 
mehr  als  der  Name  der  ehemaligen  Besitzer  des  jetzt  niedcrgelcf^n  Kchönen 
Gebäudes  sich  in  der  lokalen  Erinnerung  erhalten  haben.  Und  duch  liegt 
die  VermutDng  nahe,  dass  diejenigen,  die  ein.  besonders  für  jene  Zeiten, 
80  ansehnliches  Wohngebäude  ihr  eigen  nannten,  auch  im  öffcntlidien 
Leben  Aachens  hervorgetreten  seien. 

Der  Wunsch,  fiber  die  ehemaligen  Besitzer  des  Frie»^heimHche[l  IfauMiii 
genauere  Nachrichten  zu  erhalten,  hat  zu  den  nathütehcnden  Audführungen 
den  er-<ten  Anst/j>ä  gegeben.  Dieselben  machen  cn  hich  ;<ur  Auf^lM;,  die 
Beziehr.r.gen  der  Familie  von  Frie»>heim  zum  öffentlichen  Uiben  Aaehcnii 
im  17.  Jahrhundert  und  im  Anfange  des  iH.  unter  Au^wJiIus^h  de«  min^ler 
Wich'.:;/i:n  kurz  darzulegen.  Der  Verfa-SKer  hofft  damit  zur  Kenntuih  der 
GescLi.iite  Aachen-^  io  d<:r  trüt^n  Zeit,  die  i;n  17.  Jahrhundert  über  Dculvib- 
U-d  hereinbrach,  einen  klehien  Beitrag  zo  li<;f':ni,  wenn  er  -lich  atich  nicht 
TCTh^iiiL  da-3  noch  vieles  der  Aufklärung'  ttezw.  Krpänz'Jii::  Wlarf. 

AU  Qnei:en  kommen  vor  aüem  in  Be'.r-yJjt  die  Ilut--  und  l'AmxuV-.h- 
pr>ju4.-:üe  der  ätadi  Aachen:  leMer  reichen  «ie  wir  b;-.  ia  da»  Jahr  det 
gnwiMD  .Staii'.braiile!  ilOö*!;  L;:.ii/.  AL-ierer  r"^.!','-.':;i':.'j  ArchiTaHer)  wird 
■Lten  Yj^kL-vWi  g-^-Lehen.  A'.f  Gnid  vo-'j  .\:*-£.<,jt:u  aj*  A/i/:!-*;f.*;r 
EirtbeBll^Lera  t^i  Mao»  ia  IL  BaL'le  »*:;L*:r  ,&:i'.ra:^e  z^r  0':Lea^/g:e 


u  1 


—  98  — 

rheinischer  Adels-  und  Patrizierfamilien"  auch  über  die  Familie  von  Friesheim 
genealogische  Mitteilungen  gegeben,  die  der  nachstehenden  Arbeit  viel- 
fach sehr  von  Nutzen  gewesen  sind. 

Es  bleibt  noch  aufzuklären,  woher  die  Familie  stammt.  Mit  der 
Uradelfamilie  von  Friesheim,  welche  die  erbliche  Vogtei  im  Dorfe  Friesheim 
bei  Euskirchen  besass  und  bereits  1171  urkundlich  vorkommt,  hat  die 
Aachener  Familie  nichts  gemein.  Das  beweist  die  Verschiedenheit  der 
Wappen  ^  Der  Name  der  Aachener  Familie  wird  bald  Friesheim,  Friessheim, 
Vriessem,  meist  aber  Freis(s)heim  geschrieben.  Sie  gehörte  der  deutsch- 
reformirten  Kirche  an  und  ist  vielleicht  in  Folge  ihrer  Verwandtschaft 
mit  den  Familien  Amya,  Blantsche  u.  a.  nach  Aachen  gekommen.  Nach 
Macco  werden  die  Friesheim  in  den  Aachener  Kirchenbüchern  nicht  vor 
der  Wende  des  16.  Jahrhunderts  genannt^;  allen  Mitgliedern  der  Familie 
kommt  im  17.  Jahrhundert  das  Adelsprädikat  zu,  einige,  so  der  Oberst 
Gottfried  von  Friesheim  und  seine  Söhne,  waren  Freiherren.  Gleichwohl 
finden  sich  in  den  meist  benutzten  Adelslexiken  keine  Nachrichten  über 
die  Familie  von  Friesheim,  nur  das  Zedlersche  Universallexikon  ^  gedenkt 
derselben  als  eines  freiherrlichen  Geschlechtes,  dem  der  General  der  Infanterie 
der  Generalstaaten  in  Holland,  Johann  Theodor  (f  1733)  entsprossen  sei*. 

Im  17.  Jahrhundert  gab  es  in  Aachen  zwei  Linien  der  Familie  von 
Friesheim,  von  denen  die  eine,  deren  Hauptvertreter  Albrecht  von  Friesheim  ^ 
war,  das  prächtige  Haus  auf  dem  Bergdrisch  bewohnte,  während  die  andere, 
welcher  der  schon  genannte  Oberst  Gottfried,  Freiherr  von  Friesheim  ange- 
hörte, an  der  Ecke  „des  Duppengrabens**  und  „der  Missierstrasse"  ihr  Heim 
hatte  ^.    Beide  Zweige  der  Familie  zählten,  wie  das  auch  die  vornehme 

^)  Gütige,  Mitteilung  des  Herrn  E.  von  Oidtman.  Bezüglich  der  Wappen  vgl. 
von  Oidtman  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins,  Bd.  VII,  S.  315,  Anm.  1, 
Hensch,  ebenda  S.  297,  Anm.  1  und  Macco,  Bd.  II,  S.  35. 

*)  Am  2.  Februar  1677  bescheinigen  Bürgermeister,  Schöfifen  und  Rat  der  Stadt 
Aachen,  „dass  der  wohlgeborener  Godefridus  von  Friessheim  freyherr  und  oberster  in 
ihrer  kayserlicher  mayestätt  dienst  und  dieser  unserer  statt  eingeborener  bürger  und 
einwohner  ist,  wie  auch  seine  voreitern  selige  bürger  und  einwohnere 
gewesen  seyn**.  (Amtliche  Zeugnisse  auf  dem  städtischen  Archive.)  Gottfried  von 
Friesheim  war  geboren  1602  oder  1603. 

^)  Bd.  IX  (aus  dem  Jahre  1735)  unter  Friesheim ;  auch  Macco  führt  die  Familie  als 
Freiherren  von  Friesheim  auf. 

*)  Ueber  ihn  s.  unten  S.  108  ff. 

^)  Ein  Sohn  Albrechts,  Hans  Peter,  war  wahrscheinlich  Inhaber  einer  Kupferfabrik; 
er  wird  1677  unter  denjenigen  genannt,  die  aus  dem  städtischen  „Kelmyn  Berg"  Galmei 
geliefert  erhielten.  (Verzeichniss  von  E.  E.  Kahts  Kelmyn  Bergs,  1676—1677,  auf  dem 
städtischen  Archive). 

*)  Das  Eckhaus  Alexianergraben-Franzstrasse,  in  dem  Oberst  Gottfried  Freiherr 
von  Friesheim  wohnte,  dürfte  im  Laufe  der  Zeit  wohl  manche  Veränderungen  erfahren 
haben;  doch  machen  besonders  die  den  Hof  räum  umgebenden  Gebäudeteile  —  eine 
photographische  Abbildung  befindet  sich  im  städtischen  Museum  —  noch  heute  einen 
imposanten  Eindruck.  —  Dass  Gottfried  von  Friesheim  in  dem  genannten  Hause  wohnte, 
ergiebt  sich  aus  einem  Erlasse  des  Kats  vom  31.  Juli  1663,  der  demjenigen  eine  Belohnung 
von  100  Keichsthalem  zusichert,  der  den  „leichtfertigen  Bosswicht"  namhaft  machen  könne, 
der  am  27.  Juli  Nachts  zwischen  10  und  11  Uhr  in  der  „Wohnbehausung  des  Herrn 
Obristen  von  Freissheirab  am  Eck  des  Duppengrabens"  nach  der  Seite  „von  Missierstrasse" 


—  99  — 

Einrichtung  des  Hauses  auf  dem  Bergdrisch  und  die  Beziehungen  der  von 
Friesheira  zu  anderen  angesehenen  und  wohlhabenden  Familien  der  Stadt 
(Amya,  Römer,  Hessel  von  Dinteren  u.  s.  w.  ^)  wahrscheinlich  machen,  zu 
den  reicheren  Bärgerfamilien  Aachens.  Der  Name  Albrecht  von  Friesheims 
(Freisheims)  erscheint  überaus  oft  in  den  städtischen  Rats-  und  Beamten- 
protokollen. Er  war,  wahrscheinlich  seit  dem  1.  Februar  1651  ^  Gläubiger 
der  Stadt,  und  eine  lange  Reihe  von  Jahren  hindurch  beschäftigen  die 
„Freissheimschen  Gelder"  die  städtischen  Behörden;  trotz  wiederholter 
Umlagen  (Schatz,  Schätzung^)  und  strenger  Eintreibung  bezw.  Bestrafung 
der  „Hinderstendigen"  wollte  es  Jahrzehnte  hindurch  nicht  gelingen,  die 
Schuld  zurückzuzahlen.  Nach  der  amtlichen  Festsetzung  durch  den  Magistrat 
betrug  die  Schuld  am  6.  März  1659  6451  Reichsthaler;  die  Interessen  dieser 
Summe  seien  für  die  Zeit  vom  1.  September  1655  bis  6.  März  1659  zuzurech- 
nen. Ausserdem  sollten  dem  Gläubiger  „wegen  gehabter  Mühe**  300  Tfialer 
zugelegt  werden*.  1662  beträgt  die  Schuld  noch  3284  Reichsthaler ^  und 
am  29.  Januar  1665  beschliesst  der  Rat,  „damit  der  Wittiben  von  Herrn 
Alberten  von  Freissheim  ihrer  hinderstendigen  Capital  und  Interessen  halber 
dermahleinst  verholffen  werden  möge",  solle  „der  bürger  und  einwohnender 
sowoU  als  der  Auswendiger  darahn  pro  quota  bezahlen"  und  mit  dem 
Empfange,  der  bereits  begonnen  hatte,  fortgefahren  werden*.  1669  beträgt  die 
Friesheimsche  Forderung  noch  2846^4  Reichsthaler,  wozu  aber  noch  ungefähr 
700  Reichsthaler  rückständige  Zinsen  kamen '.  Noch  im  Jahre  1684  befassen 


dorch  ein  Glasfenstcr  einen  „Grobstein  in  ein  Gemach  geworfen",  das  die  Herren  Abgesandten 
der  Generalstaaten  der  Vereinigten  Niederlande  innegehabt  hätten,  und  in  dem  sie  damals 
beisammen  gewesen  wären.  Vgl.  auch  RatsprotokoU  von  Dienstag,  81.  Juli  1663  (Eats- 
protokolle,  Bd.  IV,  S.  153).  Der  bezügliche  Erlass  des  Eats  wurde  „durch  öffentlichen 
Trommelschlag"  verkündigt.  —  In  einer  notariellen  Urkunde  vom  24.  Juli  1659  (in  den 
Prozessakten  Freissheim/Sicss  auf  dem  städtischen  Archive)  wird  die  Wohnung  des 
Herrn  Obristen  Gottfried  von  Freissheim  als  auf  der  Marschierstrasse  belegen  angegeben, 
womit  zweifellos  ebenfalls  das  Eckhaus  Marschierstrasse-Duppengraben  gemeint  ist.  Dass 
der  Oberst  vor  1659  auf  dem  Bergdrisch  gewohnt  hat,  ist  wohl  kaum  anzunehmen.  Somit 
dürfte  die  von  J.  Buchkremer  in  dem  eingangs  genannten  Aufsatze  (S.  7  des  laufenden 
Jahrgangs  dieser  Zeitschrift)  ausgesprochene  Vermutung,  dass  das  bisher  noch  nicht  ent- 
zifferte Wappen  auf  dem  prächtigen  Kamine  der  Haupthalle  des  Hauses  auf  dem  Berg- 
drisch dasjenige  der  Familie  Amya  sei,  nicht  zutreffen. 

*)  Vgl.. die  Namen  der  Taufpaten  bei  Macco  a.  a.  0.,  11,  S.  36. 

*)  An  diesem  Tage  wurden  bei  Albrecht  von  Friesheim  seitens  der  Stadt  „Friedens- 
oder Satisfaktionsgelder  aufgehoben".  —  Aachen  hatte  zu  der  den  Schweden  nach  den  Be- 
stimmungen des  Westfälischen  Friedens  zu  zahlenden  Kriegsentschädigung  von  5  Millionen 
Thulern  für  seinen  Anteil  27,234  Flor,  beizusteuern.  Vgl.  Meyer,  Aach.  Gesch.,  Bd.  I, 
S.  646  und  Haagen,  Gesch.  Achens,  Bd.  II,  S.  258. 

')  Unter  dem  „Frei^sheimschen  Schatze"  ist  eine  Umlage  zu  verstehen,  aus  deren 
Ertrag  die  von  der  Stadt  an  Freissheim  geschuldete  Summe  („die  Freisshei raschen  Gelder") 
bezahlt  werden  sollte.  Ueber  den  Ausdruck  Schatz,  Schätzung  vgl.  man,  was  Haagen, 
Gesch.  Achens,  Bd.  II,  S.  250  über  die  Hatzfeldsche  Schätzung  sagt,  und  Gross,  Zur 
Geschichte  des  Aachener  Reichs,  in  dieser  Zeitschrift,  Jahrgang  VI,  1893,  S.  72. 

*)  Beamtenprotokolle,  Bd.  XXXIX,  S.  99. 

*)  Ratsprotokolle,  Bd.  III,  S.  48. 

•)  Ratsprotokolle,  Bd.  VI,  S.  10. 

^)  Ratsprotokolle,  Bd.  X,  S.  289. 


—  100  — 

sich  Magistrat  und  Rat  mit  der  alten  Schuldforderung  der  Erben  „weiland 
Alberten  von  Freissheira*',  mit  denen  ein  Vergleich  geschlossen  wird  \ 
wodurch  die  Angelegenheit  ihr  Ende  erreicht  haben  dürfte. 

Dass  sich  die  Bezahlung  einer  verhältnismässig  doch  nicht  grossen 
Summe  so  lange  hinziehen  konnte,  dass  die  Stadtkasse  häufig  nicht  in  der 
Lage  war,  die  fälligen  Zinsen  zu  zahlen,  erklärt  sich  aus  der  so  überaus 
trostlosen  finanziellen  Lage  der  Stadt  im  17.  Jahrhundert.  Schon  in  der 
zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  war  der  allgemeine  Wohlstand  infolge 
der  vielen  Beunruhigungen  durch  Kriege  sehr  erschüttert  worden^;  vollends 
vernichtet  wurde  er  im  17.  Jahrhundert.  Mehr  als  der  grosse  Stadtbrand 
des  Jahres  1656  haben  die  unaufhörlichen  Kriegsdrangsale  die  völlige  Ver- 
armung des  grössten  Teils  der  Bürgerschaft  herbeigeführt*.  Die  damalige 
Kriegführung  ging  nicht  so  sehr  darauf  aus,  durch  grosse  Schlachten 
eine  schnelle  Entscheidung  herbeizuführen,  als  den  Gegner  durch  Hin-  und 
Herzüge  zu  ermüden  und  durch  Verheerungen  des  Landes  der  Mittel  zur 
Kriegführung  zu  berauben.  Nur  in  den  Sommer-  und  Herbstmonaten  stan- 
den die  Truppen  im  Felde,  im  Winter  fielen  sie  den  unglücklichen  Be- 
wohnern des  Landes,  das  gerade  den  Kriegsschauplatz  bildete,  zur  Last. 
Die  Heerführer  erhoben  nicht  selten  die  unerhörtesten  Forderungen,  für 
sich  selbst  wie  für  ihre  Offiziere  und  Mannschaften,  und  wenn  sie  nicht 
befriedigt  wurden,  so  plünderten  und  raubten  sie,  bis  sie  ihren  Willen 
durchgesetzt  hatten.  Es  machte  dabei  keinen  Unterschied,  ob  das  Reich 
bezw.  die  Stadt  zu  den  kriegführenden  Parteien  gehörte  oder  nicht.  Meist 
handelte  es  sich  darum,  die  Stadt  zu  zwingen,  entweder  die  Truppen  in 
ihr  Gebiet  aufzunehmen  und  dort  zu  verpflegen  oder  aber  für  die  Ver- 
schonung  eine  Abfindungssumme  zu  zahlen.  Die  Heere  der  eigenen  Nation 
machten  es  kaum  besser  als  die  fremder,  und  ein  kaiserlicher  Schutzbrief 
nutzte  in  den  seltensten  Fällen,  da  er  von  den  Generalen,  sei  es  unter 
dem  Drucke  der  Kriegsereignisse,  sei  es  aus  Habsucht,  nicht  geachtet 
wurde;  ebensowenig  halfen  spätere  Eeklamationen. 

Als  Deputirter  der  Stadt  und  Vermittler  fremden  Heerführern  gegen- 
über war  während  des  Dreissigjährigen  Krieges  zu  wiederholten  Malen 
thätig  der  schon  mehrfach  genannte  Freiherr  Gottfried  von  Friesheim ;  sein 
Sohn  zwang  1702  während  des  spanischen  Erbfolgekrieges,  an  der  Spitze 
holländischer  Truppen,  die  Stadt,  seine  Leute  in  ihre  Mauern  aufzunehmen 
und  ihnen  mehrere  Monate  lang  Quartier  zu  geben! 

Freiherr  Gottfried  von  Friesheim  war  seiner  Zeit  ohne  Zweifel  einer 
der  wohlhabendsten  und  einflussreichsten  Bürger  Aachens.  Er  war  Offizier 
im  Dienste  des  Kaisers,  in  welchem  er  —  nachweislich  seit  1647  —  den 
Rang  eines  Obersten  bekleidete*.   Er  lebte  wenigstens  in  späteren  Jahren 

»)  EatsprotokoHe,  Bd.  XIV,  S.  143. 

•)  Vgl.  Hansen,  Kriegsdrangsale  Aachens  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahr- 
hunderts, in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins,  Bd.  VII,  S.  65  ff. 

•)  Vgl.  Haagen,  Gesch.  Achens,  Bd.  11,  S.  244  ff.  (259),  und  Aus  Aachens  Vor- 
zeit, Jahrgang  III,  S.  113/14. 

*)  In  amtlichen  Zeugnissen  des  Aachener  Magistrats  (im  städtischen  Archive)  aus 
'en  Jahren  1660  und  1675  wird  er  als  sacrae  Cacsareae  maiestatis  colonclus  bezeichnet; 


—  101  — 

ständig  in  Aachen  und  war  ein  Geldmann  mit  den  ausgedehntesten  per- 
sönlichen und  geschäftlichen  Verbindungen.  Wir  lernen  ihn  kennen  als 
Ankäufer  mehrerer  Häuser  bezw.  Höfe^  und  als  Inhaber  einer  „von  der  Stadt 
gekauften"  Mühle*,  besonders  aber  als  einen  in  Zeiten  der  Not  von  der  Stadt 
oft  in  Anspruch  genommenen  Vermittler  in  Geldangelegenheiten;  an  den 
mannigfachen  Truppenwerbungen  in  jenen  kiiegerischen  Zeiten  war  er 
finanziell  beteiligt,  zu  mehreren  ausländischen  Höfen  hatte  er  die  engsten 
Beziehungen. 

Gottfried  von  Friesheim  wurde  geboren  zu  Aachen  1602  oder  1603^ 
und  vermählte  sich  am'29.  November  1629  mit  Katharina  Amya,  mit  der  er 
acht  Kinder  hatte.  Im  Jahre  1642  war  er  Eittmeister  und  hatte  seinen 
Wohnsitz  innerhalb  des  Aachener  Reichs.  Als  nämlich  nach  dem  Siege  des 
französischen  Marschalls  de  Gu^briand  über  den  kaiserlichen  General  von 
Lamboy  auf  der  Husener  Heide  bei  Uerdingen  am  17.  Januar  1642  der  Gene- 
ral ßeinhold  von  Rosen,  der,  einem  livländischen  Geschlechte  entsprossen, 
mit  Gustav  Adolf  nach  Deutschland  gekommen  und  nach  Bernhard  von 
Weimars  Tode  1639  mit  dessen  Armee  in  französische  Dienste  getreten 
war,  das  Aachener  Reich  brandschatzte,  kamen  am  6.  April  1642  Graf 
von  Merode  de  Holfalize  zu  Frankenberg,  der  Rittmeister  Gottfried  von 
Friesheim  und  Arnoldus  Schmitz,  Pastor  zu  Haaren,  einerseits  und  ßein- 
hold von  Rosen  andererseits  zu  Düren  zusammen,  um  wegen  einer  an  den 
letzteren  zu  zahlenden  Summe  zu  verhandeln,  wodurch  der  Plünderung 
und  Verheerung  des  Aachener  Reichs  durch  die  Rosenschen  Truppen  ein 
Ende  gemacht  werden   sollte.    Die  Stadt  Aachen  hatte  sich  nämlich  zu 

in  einem  solchen  yom  26.  August  1675  heisst  er  sacrae  Caesareae  maiestatis  quondam 
colonelhis,  während  er  in  einem  Zeugnis  vom  2.  Februar  1677  „oberster  in  ihrer  kayser- 
hrher  mayestätt  dienst  und  dieser  unserer  statt  eingeborener  bürger  und  einwohner" 
genannt  wird  (vgl.  S.  98,  Anm.  2). 

*)  So  kaufte  er  im  Jahre  1637  (?)  das  bekannte  Gut  Oberfrohnrath  bei  Horbach, 
welches  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  aus  den  Händen  der  Familie  von  Friesheim 
durch  Kauf  (für  25000  holländische  Gulden)  an  den  Bürgerhauptmann  Johann  von  Thenen 
überging,  bei  dessen  Familie  es  bis  heute  geblieben  ist.  S.  Hon  seh  in  der  Zeitschrift 
des  Aachener  Geschichtsvereins,  Bd.  VIT,  8.  296/97.  —  Ueber  die  Erwerbung  eines  „auf 
der  Paunelle**  am  Stadtwall  gelegenen  Hauses  durch  Gottfried  von  Friesheim  berichtet 
eine  Urkunde  vom  27.  Oktober  1635,  die  bei  Pick,  Aus  Aachens  Vergangenheit,  Aachen 
1895,  S.  481  mitgeteilt  wird. 

^  Wo  diese  Mühle  lag,  konnte  nicht  genau  festgestellt  werden.  Einen  Anhaltspunkt 
bietet  eine  Notiz  in  dem  Beamtenprotokoll  vom  19.  Juni  1668  (Bd.  XXXX,  S.  270):  „Den 
Supplicirenden  Lambert  Lamberts,  Jacob  Moess  und  Consorten  haben  herm  Bürger- 
meistere und  beambten  auf  ihre  gcthane  praesentation,  dass  die  bottergass  uf  ihre 
eigene  Kosten  bestendigh  repariren  und  12  ihar  langh  also  unterhalten  wollen  mitt  dieser 
condition  daz  von  dess  h.  Vögten  heyendalss  erb  ahn  biss  ahn  dess  h.  obr.  von 
freissheimbs  Müll  solches  thun  sollen,  gegen  einnehmungh  dess  Weggelts  ahn  St. 
Albertspfortz  uf  12  ihar  langh  dergestalt  wie  in  ihrer  Supplication  mitt  mehreren  Vermelt 
ihr  begeren  eingewilligt  .  .  .**  u.  s.  w.  Die  Buttergasse,  in  welcher  demnach  die  Mühle 
lag,  war  eine  Querstrasse  des  Adalbertsteinwegs  und  schnitt  diesen  auf  der  Strecke 
zwischen  der  heutigen  Elsass-  und  Viktoriastrasse. 

*)  Es  heisst  nämlich  in  einem  vom  Aachener  Magistrat  am  4.  April  1675  aus- 
gestellten amtlichen  Zeugnisse:  ilhistris  et  generosus  dominus  Godefridus  baro  de  Freisheim, 
aetatis  septuaginta  duorum  annorum  .  .  , 


—  102  — 

einem  Vergleiche  mit  von  Rosen  d.  h.  zur  Zahlung  einer  Abfindungssumme 
an  diesen  General  nicht  verstehen  wollen,  was  zur  nächsten  Folge  die 
Brandschatzung  des  Aachener  Reichs  gehabt  hatte.  Die  oben  genannten 
drei  Abgesandten  des  Reichs,  die  „ohne  Zuthun  der  Stadt"  im  Namen  der 
Eingesessenen  des  Reichs  die  Verhandlungen  führten,  kamen  mit  von  Rosen 
dahin  äberein,  „dass  das  Reich  von  allen  Hostilitäten,  als  Raub,  Plünde- 
rung, Morden  und  Brennen  frei  sein  solle,  wenn  es  ein  für  alle  Mal  diesen 
alhier  logirenden  Regimentern  zum  besten  4000  Reichsthaler  innerhalb  8 
Tage  zahlte**.  Die  Stadt  Aachen  wurde  ausdrücklich  von  diesem  Abkommen 
ausgeschlossen  ^  In  den  Jahren  1647  und  1648  w&r  der  Oberst  Gottfried 
Freiherr  von  Friesheim  Kommandant  zu  Eschweiler  ^.  Als  solcher  hatte  er 
den  Auftrag,  die  von  der  Stadt  Aachen,  deren  Waffenfabrikation  vor  dem 
Stadtbrande  in  hoher  Blüte  stand  ^,  zum  Dienst  der  kaiserlichen  Heere  auf 
das  Schloss  zu  Eschweiler  gelieferten  Waffen,  inbesondere  Pistolen,  den 
einzelnen  Truppenkörpern  gegen  Quittung  auszuteilen*. 

Wie  1642,  so  hat  Oberst  von  Friesheim  im  Laufe  des  30jährigen 
Krieges  mehrmals  im  Interesse  Aachens  mit  den  Führern  der  Aachen  oder 
dessen  Gebiet  berührenden  Armeen  verhandelt,  öfter  auch  das  zur  Befrie- 
digung der  Generale  nötige  Geld  vorgeschossen.  Er  selbst  weist  hin  auf 
seine  Bemühungen  und  Verdienste  um  die  Stadt  in  einem  Schreiben  an 
diese  vom  Oktober  1660,  in  welchem  es  heisst:  „Was  nuhn  anbelangt,  das 
mit  Hern  Haubttman  Boogardt  vor  diesem  von  E.  E.  Rahtt  auff  Euss- 
kirchen,  Kessenich  und  der  ents  wegen  Abwendung  der  6  Lottringschen 
Regimenter  deputirt  gewesen,  auff  welcher  reysen  dan  ich  alle  Zehrungs- 
und andere  Unkosten  verwandt  und  bezalldtt,  und  mir  grosse  obligationes 
von  denselben  Obristen  und  ihren  nachgesetzten  Officieren  über  den  Halss 
gezogen,  will  mich  ahn  gemeltes  Hern  Haubttmans  advis  und  raport  refe- 
rirt  haben,  und  stelle  eins  mit  dem  anderen  zu  meiner  hooch-  und  villge- 
ehrter  Heren  Burgermeister  und  Heren  Beambten  grossgunstiger  Discretion/ 
In  demselben  Briefe  wird  an  einer  anderen  Stelle  ausgeführt:  (Die  Herren 
Bürgermeister  und  Beamten  mögen  erwägen,  dass)  „mir  derzeit  in  a°  1636 
wie  ich  auff  einstendigh  anhalten  des  Hern  Burgermeister  Berchems,  Hern 
Doctor  Nuttens  und  Hern  Balthasaro  Munstero  als  damohllen  E.  E.  Rahtts 
abgesanten  undt  Deputirten,  zu  Dienst  der  ganzer  Statt  und  gemeinem 
Besten  innerhalb  drey  ad  4  dagen:  Rixdl.  28  400  content  formirte  und  dahr- 
schoss,  und  in  a"*  1640  denovo,  auff  Begehren  E.  E.  Rahtts,  an  Picolomini 
und  General  Commissario  Boehmer,  voor  dem  Burgermeister  Buittbach  baar 


*)  Dass  es  bei  der  Zahlung  von  4000  Reichsthalern  nicht  verblieb,  geht  aus  dem 
unten  S.  103  auszüglich  mitgeteilten  Briefe  des  Obersten  Gottfried  von  Friesheim  an 
die  Stadt  Aachen  vom  Oktober  1660,  wo  der  Schreiber  angibt,  dass  er  „a*  1642  zu 
Manutinentz  des  Reichs  an  Generalmajor  Koose  5000  Reichsthaler  und  dan  10  000  Reichs- 
thaler** bezahlt  habe,  klar  hervor.  —  S.  Anhang. 

»)  Seit  dem  11.  Mai  1648  erscheint  Kapitänlieutenant  Promb  als  Kommandant  in 
Eschweiler. 

•)  Vgl.  Haagen,  Gesch.  Achens,  Bd.  IT,  S.  250. 

*)  Mehrere  dieser  Quittungen  mit  anderen  diese  Angelegenheit  betr.  Papieren  be- 
finden sich  auf  dem  städtischen  Archive. 


—   103  — 

zahllete  Rxdl.  12  000  und  deu  24.  May  selbiges  Jahrs  7000  ßxdl.  und 
dan  in  a**  1642  zu  Manutinentz  des  Reichs  an  den  Generalmayor  Roose 
5000  Rxdl.  und  dan  10  000  Rxdl.  So  van  den  ersten  Rxdl.  28400  durch 
meine  Dexteritiet,  dem  deuffel  aus  dem  Rachen  zu  Collen  gehoolt,  davon 
ohne  mich  E.  E.  Rahtt  woU  nit  eines  Hellers  Wehrt  wurde  becommen 
haben,  versprochen  wahrt  axinsbefreyung  und  andere  prävilegien  mehr  vor 
meine  Lebzeitt ..." 

Bezüglich  der  erwähnten  Kriegsdrangsale  sei  auf  die  Darstellung  des 
betr.  Zeitabschnittes  bei  Meyer  und  Haagen  (II,  S.  244  S.)  verwiesen. 
Im  Jahre  1636  quartierte  der  kaiserliche  Oberst  von  Bredau  seine  12 
Kompagnieen  zu  Pferd  und  5  zu  Fuss  mit  Gewalt  in  Aachen  und  der 
nächsten  Umgebung  ein  und  blieb  dort  vom  12.  Februar  bis  zum  8.  Juni 
(Meyer,  I,  S.  623/4);  1640  musste  die  Stadt  die  Befreiung  von  den  Winter- 
quartieren, die  der  kaiserliche  General  von  Hatzfeld  in  Aachen  zu  nehmen 
drohte,  sehr  teuer  erkaufen  (Haagen,  II,  S.  250);  über  die  Plünderungen 
im  Aachener  Reich  durch  General  Rosen  1642  s.  oben  S.  101/2  und  Anhang 
zu  S.  102.  Im  einzelnen  lassen  sich  die  Vorgänge,  auf  die  der  Schreiber 
des  Briefes  *  hinweist,  wohl  kaum  nachweisen. 

Es  fehlte  Gottfried  von  Friesheim  nicht  an  mächtigen  ausländischen 
Verbindungen,  die  wohl  geeignet  waren,  seinen  Einfluss  in  der  Stadt  zu 
stärken;  von  besonderer  Bedeutung  sind  seine  Beziehungen  zum  englischen 
Hofe  und  diejenigen  zum  Hause  Oranien.  Karl  II.,  der  Sohn  und  Nachfolger 
des  unglücklichen,  am  30.  Januar  1649  hingerichteten  Königs  Karl  I.  von 
England,  war  nach  der  vollständigen  Niederlage  bei  Worcester  (1651)  von 
Cromwell  eifrigst  verfolgt  unter  wunderbaren  Abenteuern  aus  England 
geflohen  und  hatte  seitdem  auf  dem  Festlande  in  gezwungener  Unthätig- 
keit  abgewartet,  bis  die  Zeiten  sich  der  Wiederaufrichtung  der  Monarchie 
und  seiner  Wiedereinsetzung  in  die  königlichen  Rechte  günstiger  gestalteten. 
1660  beriefen  ihn  seine  Unterthanen  zurück,  und  ergriff  er  von  dem  an- 
gestammten Throne  Besitz.  Das  tragische  Geschick  seines  Hauses  und 
die  eigenen  wechselvollen  Erlebnisse  Karls  IL,  der  wie  wenige  die  Ungunst 
und  die  Gunst  des  Schicksals  erfahren  hatte,   erweckten  diesem  Fürsten 


^)  Das  Schreiben,  dem  die  oben  mitgeteilten  Auszüge  entnommen  sind,  betrifft  eine 
dem  Obersten  von  Friesheim  von  der  Stadt  zugegangene  Rechnung  von  11636  Mark,  „die 
noch  von  Wein  und  Bier  Accinssen  restiren  sollten".  Diese  Rechnung  will  der  Oberst 
nicht  anerkennen  nuter  Berufung  darauf,  dass  ihm  für  seine  der  Stadt  geleisteten  Dienste 
Accinsbefreiung  versprochen  sei.  Am  Schlüsse  des  Briefes  spricht  er  die  Hoffnung  aus, 
dass  seine  „villfaltige  gethane  treuwe  diensten  und  Mühewaltungen  noch  in  etwas  werden 
consideriret  werden  und  meine  hoch-  und  villgeehrte  Heren  mir  dahrin  nit  zu  hartt  fallen, 
angesehen  ein  gantze  gemeinden  besser  etwas  entrahten  kann  als  ein  particuller;  sonderlich 
der  es  ohne  Raum  zu  melten  mit  trewen  Diensten  meritirt  hatf*.  Die  Bürgermeister 
und  Beamten  lehnten  die  Bitte  des  Obersten  um  Niederschlagung  der  genannten  Forderung 
nicht  völlig  ab,  sondern  „machten  diesen  Durchschlag,  dass  dem  Herrn  Obersten  in 
Absehlag  und  Quittirung  aller  und  jeder  seiner  Praetensionen"  die  Hälfte  der  betr. 
Summe  nachgelassen  werden,  dass  er  aber  „den  übrigen  Rest  entrichten  und  inskünftig 
gleich  anderen  damit  gehalten  werden  solle**.  (Beamtenprotokolle  Bd.  XXXIX,  S.  177.) 
Das  Schreiben  des  Obersten,  welches  kein  Datum  tiägt,  war  bei  der  städtischen  Ver- 
waltung am  20.  Oktober  1660  eingegangen. 


lU*    — 


eine  aussergewöhnliche  Teilnahme  auch  ausserhalb  Englands,  namentlich 
an  den  Orten,  an  denen  er  während  seiner  Verbannung  geweilt  hatte.  Zu 
diesen  Städten  gehörte  auch  Aachen ;  auch  Aachens  Bürger  hatten  den  nur 
allzu  schwachen,  aber  mit  der  Gabe  einer  seltenen  persönlichen  Liebens- 
würdigkeit ausgestatteten  Fürsten  in  seinem  Unglücke  im  Jahre  1655  in 
den  Mauern  ihrer  Stadt  kennen  gelernt;  als  er  endlich  auf  den  Thron 
seiner  Väter  zurückgeführt  wurde,  erweckte  die  Kunde  hiervon  auch  in 
Aachen  lebhaften  Widerhall,  der  in  einem  herzlichen  Glückwunschschreiben 
der  Stadt  seinen  Ausdruck  fand^  In  demselben  Jahre  (1660),  in  dem  Karl 
nach  England  zurückkehrte,  ernannte  er  den  Obersten  Gottfried,  Preiherrn 
von  Friesheim  zu  seinem  Residenten  in  Aachen.  Die  Ernennungsurkunde 
(aus  Westminster  vom  2.  Dezember  1660^)  rühmt  seine  reife  Einsicht  und 
seine  Verdienste,  sowie  seine  nicht  gewöhnliche  Ergebenheit  für  den  König 
und  seine  Sache;  „anderswo  habe  er  hiervon  öfters  Proben  abgelegt". 
Wahrscheinlich  hatte  der  König  während  seines  Aachener  Aufenthalts  den 
Obersten  kennen  gelernt  und  mit  ihm  Verkehr  gepflogen.  —  Gottfried  von 
Friesheim  war  als  „Magnae  Brittanniae  et  Hyberniae  regis  hac  in  urbe 
residens",  wenn  die  Stadt  Veranlassung  hatte  zur  englischen  Regierung 
oder  diese  zur  Stadt  in  Beziehung  zu  treten,  der  Vermittler.  Ein  solcher 
Fall  trat  ein  1668,  dem  Jahre  des  Aachener  Friedenskongresses.  Der 
englische  Gesandte  zum  Kongresse,  Ritter  Temple,  kündete  seine  bevor- 
stehende Ankunft  dem  Obristen  Gottfried  von  Friesheim  an,  damit  dieser  der 
Stadtverwaltung  wegen  des  bei  solchen  Gelegenheiten  üblichen  Ceremoniells 
Mitteilung  mache.  Der  Gesandte  hatte  dem  Wunsche  Ausdruck  gegeben, 
„ab  incognito  einzukommen".  In  diesem  Sinne  benachrichtigte  die  Stadt 
den  Meyer,  den  Pfalz-Neuburgischen  Obristlieutnant,  Freiherm  von  Kolff, 
dem  als  Vertreter  seines  Herrn  das  Recht  zustand,  den  Gesandten  das 
militärische  Ehrengeleit  zu  geben.  Nachträglich  aber  berichtete  der  Haupt- 
mann Bogardt,  den  die  Stadt  eigens  zu  dem  Zwecke  dem  Ritter  Temple 
entgegengeschickt  hatte,  um  von  ihm  zu  erfahren,  ob  er  feierlich  em- 
pfangen werden  wolle,  dass  der  Gesandte  erklärt  habe,  „ex  rationibus" 
wünsche  er  ebenso  wie  die  anderen  Gesandten  eingeholt  zu  werden.  Als 
nun  dem  Herrn  von  Kolff,  der  inzwischen  „die  fürstlichen  Völker"  hatte 
abziehen  lassen,  die  Mitteilung  von  der  Sinnesänderung  des  Gesandten 
gemacht  wurde,  „formalisirte  er  sich  höchlichst  darüber**  in  der  Meinung, 
die  Stadt  Aachen  habe  ihn  absichtlich  getäuscht,  um  ihn  in  der  Ausübung 
des  Geleitsrechtes  „zu  retardieren".  Er  drohte,  dass  hierdurch  der  Ver- 
4xag  zwischen  seinem  Herrn  und  der  Stadt  „interrumpirt"  werden  solle. 
In  dieser  Verlegenheit  beschlossen  Bürgermeister  und  Rat  („zu  Entfliehung 
aller  Misshelligkeiten,  so  bei  diesem  Zustand  zu  befahren")  die  feierliche 
Einholung  durch  die  Herren  Bürgermeister  für  dieses  Mal  zu  unterlassen, 
dem  Herrn  Gesandten  aber  die  Herren  Hauptmann  Bogardt  und  Oberst 
von  Friesheim  entgegen  zu  schicken,  die  die  Stadt  „aufs  beste  excusiren" 


>)  S.  Meyer,  Aach.  Gesch.,  S.  663;  Haagen,  Geschichte  Achens,  Bd.  n,  S.  274. 
•)  S.  Anhang. 


—  105  — 

sollten,  übrigens  „wolbemelten  herrn,  wie  anderen  hcrren  beschehen,  mit 
kanon  und  kammerschuss  zu  verehren"  ^ 

Wie  zu  dem  königlichen  Hause  von  England,  so  hatte  Gottfried  von 
Friesheira  auch  sehr  nahe  Beziehungen  zum  Hause  Oranien,  das  durch 
Heiraten*  mit  dem  Hause  Stuart  eng  verknüpft  war.  Im  September  1681 
erhielt  Oberst  von  Friesheim  in  seiner  Wohnung  auf  dem  Alexianergraben 
den  Besuch  der  Prinzessin  von  Oranien.  Bürgermeister  und  Beamte  be- 
schäftigen sich  am  5.  August  1681  mit  den  Empfangsfeierlichkeiten  für 
den  hohen  Gast  und  beschlossen:  ,,dass  beym  einziehen  der  Königlichen 
Princesse  von  Oranien  die  bürgerschaflft  von  Cölner-Pfortz  ab  bis  ahn  des 
herrn  Obristen  von  freissheimb  behausung  in  armis  und  parade  stehen, 
der  weg  durch  gross  Cölnerstrass  über  Closter  (so  hiess  früher  Kloster- 
gasse und  Klosterplatz;  vgl.  Pick,  Aus  Aachens  Vergangenheit,  S.  223) 
und  Parfiss  genohmen  und  ohne  einich  schiessen  mit  wehr  beschehen, 
sondeni  nur  mitt  Canon  und  Cammer  dass  salut  geben  werden  solte*^. 

üeber  den  Besuch  der  Prinzessin  von  Oranien  berichtet  ganz  kurz 
auch  die  kleine  sogenannte  Schricksche  Chronik  oder  „Verzeichnuss  Wass 
sich  alhier  Binnen  dieser  Stadt  Aachen  Innerhalb  23  Jahren  Zugetragen 
hatt,  als  anfangent  1666  bis  1689  adi".  Hier  heisst  es  zum  Jahre  1681: 
„5  Sept.  Kam  die  Princess  von  Oranien  hierin  ....  12  dito  Marschirte 
die  Princessin  von  Oranien  hinweg"*.  Der  Name  der  Prinzessin  von 
Oranien  ist  weder  in  dem  Beamtenprotokoll  noch  in  der  Schrickschen 
Chronik  angegeben;  man  hat  wohl  an  die  Gemahlin  Wilhelms  in.,  Maria, 
die  Tochter  König  Jakobs  II.  von  England,  welche  nachmals  Königin  von 
England  wurde,  zu  denken  ^ 

Oberst  Gottfried  Freiherr  von  Friesheim  starb  in  hohem  Alter  im 
Juli  1683,  nachdem  ihm  seine  Gemahlin  im  August  1682  im  Tode  vorauf- 


>)  Beamtenprot.  vom  27.  April  1668  (Bd.  XXXX,  S.  261  ff.).  —  Eine  Notiz  in 
dem  Beamtenprotokoll  vom  T.November  1668  (Bd.  XXXX,  S.  280)  lautet:  -Dem  Herrn 
Obristen  von  freissheimb  sollen  wegen  des  Englischen  Ambassadorn  Tempels  von  gebrawenen 
weissen  Bier  guctgethan  [werden]  sechssig  gl.  aix.  —  Nach  dem  Beamtenprotokoll  vom 
22.  Februar  1691  (Bd.  XXXXTTT,  S.  287)  wurde  dem  Syndikus  Lipman  aufgegeben  „ein 
höffliches  schreiben  an  Ihre  Majestät  König  in  Engellandt,  wie  weniger  nit  ahn  h.  Obristen 
von  freisheim  einzurichten  gestalt  derselbe  sich  gefallen  lassen  wolle  ersagtes  schreiben 
behorig  orthss  zu  adressiren".  Der  hier  genannte  Oberst  von  Freisheim  ist  zweifelsohne 
der  Sohn  des  Obersten  Gottfried,  Johann  Theodor  von  Freisheim,  welcher  in  den  Dienst 
des  Prinzen  Wilhelm  in.  von  Oranien,  Erbstatthalters  von  Holland,  der  im  Jahre  1668 
auf  den  königlichen  Thron  von  England  erhoben  wurde,  getreten  war.  üeber  ihn  s.  unten 
S.  108  ff. 

*)  Karls  II.  Schwester  Maria  war  die  Gemahlin  Wilhelms  n.,  Prinzen  von  Oranien, 
und  der  ans  dieser  Ehe  hervorgegangene  Sohn,  Wilhelm  III.  von  Oranien,  heiratete  1677 
Maria,  die  älteste  Tochter  Jakobs  II.  von  England,  des  Bruders  und  Nachfolgers  Karls  11. 

*)  Beamtenprot.,  Bd.  XXXXII,  S.  138. 

*)  von  Fürth,  Beiträge  und  Material  zur  Geschichte  der  Aachener  Patrizierfamilien, 
Bd.  U,  8.  Abteilung,  2.  Anhang,  S.  181. 

*)  Wenige  Tage  nach  dem  Besuch  der  Prinzessin  von  Oranien  wurde  dem  Oberst 
Gottfried  von  Friesheim  eine  Enkelin  geboren,  zu  deren  Taufe  als  Patin  geladen  war 
und  persönlich  erschien:  „Charlotte,  Ihre  Durchlaucht  die  Verwlttibte  Frau  ChurfUrstin 
zur  Pfalz".    S.  Macco  a.  a.  0.,  Bd.  n,  S.  85,  Anm.  2. 


—   106  — 

gegangen  war^  Die  Söhne  wandten  sich  wie  der  Vater  der  militärischen 
Laufbahn  zu  und  brachten  es  hier  zu  hohen  Stellungen.  Der  älteste  von 
ihnen,  Johann,  geboren  20.  Dezember  1630,  der  im  Jahre  1658  den  Rang 
eines  Obristwachtmeisters  im  Regimente  des  Obersten  Georg  Friedrich  von 
Sparr^  im  Dienste  Kaiser  Leopolds  bekleidete,  weilte  im  Mai  genannten 
Jahres  in  Aachen,  um  Mannschaften  für  sein  Regiment  anzuwerben.  Ob- 
gleich Leopold  ihn  mit  einem  Empfehlungsschreiben^  an  Bürgermeister 
und  Rat  der  Stadt  Aachen  ausgerüstet,  und  sein  Minister  von  Lamboy 
in  demselben  Sinne  an  die  Stadt  geschrieben  hatte,  wurde  die  Werbung 
Anlass  eines  ernstlichen  Konfliktes.  Die  Ursache  ist  nicht  völlig  aufgeklärt, 
doch  scheint  es,  dass  ein  Aachener,  Zander  Cornelissen,  seines  Zeichens 
ein  Zimmermann,  unter  Schmähreden  gegen  Leopold  die  in  seinem  Namen 
veranstaltete  Werbung  verächtlich  zu  machen  suchte  und  dadurch  den 
Zorn  des  Oberstwachtmeisters  Johann  von  Friesheim  so  gewaltig  reizte, 
dass  er  gegen  ihn  den  Degen  zog,  den  Fliehenden  verfolgte  und  ihn  in 
dem  Hause  „zur  Maus"  auf  dem  Münsterplatze  niederstiess.  Bürgermeister 
und  Rat  der  Stadt  wollten  diese  Rechtsverletzung  nicht  ungeahndet 
lassen,  sondern  thaten  Schritte  zur  Ergreifung  Johann  von  Friesheims  und 
suchten  zu  hindern,  dass  er  mit  den  bereits  angeworbenen  Truppen  die 
Stadt  verlasse.  Der  Vorfall  hatte  sich  am  4.  Mai  zugetragen;  am  6.  Mai 
protestirte  Oberst  Gottfried  von  Friesheim  Namens  seines  Sohnes  in  Gegen- 
wart dreier  Offiziere  des  von  Sparrschen  Regiments  auf  dem  Rathause  gegen 
die  Massnahmen  der  städtischen  Behörde  und  verlangte  freies  Geleit  für 
seinen  Sohn  zur  Abführung  der  angeworbenen  Truppen.  An  demselben  Tage 
fassten  die  Bürgermeister  und  Beamten  folgenden  Beschluss: 

1658,  Mai  6.  Obwohl  der  Obrister  Freissheimb  sich   heut  dato  vor 
herren  Burgermeist^ren  und  Beambten  angeben  und   namens  seines  sohus 


*)  Nach  den  Begräbnisregistern  der  Alexianerbrüder,  die  auf  dem  Aachener  Standes- 
amte aufbewahrt  werden,  wurde  Oberst  von  Friesheim  am  9.  Juli  1683,  seine  Gemahlin 
am  1.  September  1682  begraben. 

*)  Georg  Friedrich  von  Sparr  gehörte  einer  angesehenen,  wahrscheinlich  aus 
Schweden  stammenden  Familie  an,  aus  der  im  17.  Jahrhundert  mehrere  tüchtige  Generale 
hervorgingen,  so  Ernst  Georg,  Graf  von  Sparr,  Kaiserlicher  General-Feldzeugraeister,  der 
unter  den  verschiedensten  Fahnen  sich  kriegerische  Lorbeeren  errungen  hat,  und  inbesondere 
Otto  Christoph,  Freiherr  von  Sparr,  Kurfürstlich-braudenburgischer  Generalfeldmarschall, 
der  als  tüchtiger,  zuverlässiger,  namentlich  im  Geschützwesen  erfahrener  Führer  von  dem 
grossen  Kurfürsten  mit  Recht  sehr  hochgeschätzt  wurde.  (S.  Allgemeine  Deutsche  Biographie, 
unter  Sparr.)  —  ücber  Georg  Friedrich  von  Sparr  s.  auch  S.  108,  Anm.  1. 

^)  In  diesem  Schreiben,  welches  das  Datum,  Pilsen  den  5.  Februar  1658,  trägt,  heisst  es: 
„Demnach  wür  zu  mehrer  Versterckhung  unserer  armada  unseren  under  den  sparischen 
Regiment  Obristen  Wachtmeisteren  Johann  von  freissheimb  eine  gewisse  Werbung  zu 
fuess  aufgetragen  haben,  Alss  ersuchen  wür  Euch  hiemit  freund tgnediglich,  Ihr  wollet 
gedachten  Obristwachtmeisteren  Johann  von  freissheimb  oder  seine  dessentwegen  aus- 
schickenden officier  nicht  allein  die  freye  Werbung  verstatten,  sondern  auch  darzue  allen 
gueten  Vorschub  und  hilifliche  Handt  biethen. .  ."  Die  Unterschrift  lautet:  Leopold,  König 
von  Böhmen  und  Ungarn  und  Erzherzog  zu  Oesterreich.  (Leopold  I.  wurde  erst  am  18.  Juli 
1658  zum  Kaiser  erwählt  und  am  5.  August  gekrönt;  König  in  Ungarn  war  er  bereits  seit 
1655.)  Lamboys  Brief  ist  aus  Prag  vom  12.  Februar  1658  datirt.  Beide  Briefe  be- 
finden sich  auf  dem  städtischen  Archive. 


—  107  — 

dess  Obrii^ten  Wachtmeisters  Johanssen  von  Freissheimb  (welclier  vorgisteren 
nachmittags  in  der  Mauss  in  eines  Burgers  hauss  einen  Zimmerman  nieder- 
gestochen) frey  gleidt  zu  abfuhrung  seiner  Volker  zu  Behuef  Ihrer 
Konigen  in  Ungarn  zu  ertheilen  begert,  zugleich  auch  protestirt,  dass  man 
zu  ergreiffung  wohlgemeltes  seines  sohns  die  haxschalen  (?)  in  seinem  hauss 
geschicket  hette.  So  haben  herren  Beambten,  den  Pralen  punctum  wegen 
des  gleidts  weilen  dieser  actus  zumal  exorbitant  und  der  Statt  und  Bürger- 
lichen Privilegien  zuwieder  lauft,  zu  Einem  Ehrbarn  Raht  verwiesen, 
sonsten  sich  erklert,  dass  sie  erleiden  mögten,  dass  die  geworbene  Volker 
durch  den  officiren  stündlich  abgefürt  würden,  welches  dem  Obristen  Freiss- 
heim  per  Secretarium  also  angezeigt  worden.  Wie  nun  derselb  mit  dieser 
der  herren  Beambten  Erklehrung  nicht  zufrieden  sondern  umb  ferner  per- 
sohnlich  gleidt  seines  sohns  angestanden,  ist  es  bey  vorigen  antwort  ver- 
plieben,  wargegen  bemelter  Obrist  protestirt  und  verlauten  lassen,  wan 
bey  so  beschaffen  Sachen,  einige  fernere  Soldaten  verloren  gehen  werden, 
dass  er  und  sein  söhn  den  abgang  an  die  Verursachere  zu  suchen  bedacht 
were,  dass  er  sonsten  viele  gehessige  Leut  dahie  hette,  solches  wiesse  der 
effectus  auss^ 

Der  Bat  trat  der  Auffassung  des  Magistrats  bei  und  beschloss  am 
8.  Mai  1658:  „Ein  Erbar  Kahtt  last  es  bey  der  hh.  Bürgermeister  und 
Beambten  Schluss  wegen  des  wieder  den  Obristen  Wachtmeister  Johann 
von  freissheimb  abgeschlagenen  gleides,  noch  zur  Zeitt  bewenden*'*.  Jetzt 
griff  Oberst  Georg  Friedrich  von  Sparr  zu  Gunsten  seines  Oberstwacht- 
meisters ein;  er  eilte  von  Köln  nach  Aachen  und  richtete  am  14.  Mai  ein 
Schreiben  ^  an  die  Bürgermeister,  in  dem  er  kategorisch  sowohl  freien  Ab- 
zug für  seinen  Oberstwachtmeister  und  seine  Kompagnie  samt  Bagage  und 
Zubehör  als  auch  Bestrafung  des  oben  genannten  Zimmermanns  verlangte. 
Am  Schlüsse  seines  Briefes  erklärt  Oberst  von  Sparr,  er  erwarte  schleu- 
nigste Antwort,  da  er  im  Begriffe  stehe,  „zu  Pferde  zu  sitzen";  die  Bürger- 
meister würden,  indem  sie  seinen  Wünschen  Folge  gäben,  sich  selbst 
und  ihm  „viele  Weitläufigkeiten  abschneiden".  Diesem  so  bestimmt  ausge- 
sprochenen Ersuchen  hat  der  Magistrat  wohl  entsprechen  müssen;  war 
doch  in  jenen  kriegerischen  Zeiten  bei  den  trostlosen  Zuständen  im  deut- 
schen Reiche  die  bürgerliche  Gewalt  der  militärischen  gegenüber  machtlos. 
Aber  man  verlangte  doch  eine  Entschädigung  des  verwundeten  Zimmer- 
manns, und  zwar  hielt  man  sich  an  den  Vater  des  inzwischen  abgezogenen 
Oberstwachtmeisters.  —  „In  Sachen"  —  heisst  es  in  dem  Beamtenprotokoll 
vom  12.  Juli  1658*  —  Zandern  Cornelissen  und  den  herrn  Obristen  God- 
darten  von  freisslieimb  eines  und  andern  Theilss  haben  hh.  Bürgermeister 
und  Beambten  über  vorigen  ertheilten  mündlichen  Bescheideren  |  :  dass 
Er  nemblich  den  durch  söhn  h.  Johannen  von  freissheimb  verwundeten 
Cornellischen    befriedigen    solle:  |   die    Execution    erkandt    und    solle 


^)  BeamtonprotokoUe  Bd.  XXXIX,  S.  79. 

»)  Ratspro tükolle,  Bd.  I,  S.  156. 

*)  Dasselbe  befindet  sich  im  städtischen  Archive. 

*)  Beamtcnprotokolle  Bd.  XXXIX,  S.  85. 


—   108  — 

Ein  herr  Ein  lierr  sein  und  den  Ungehorsamen  zum  Gehorsam 
pringen". 

Zehn  Jahre  später  nahm  Johann  von  Friesheim,  der  inzwischen  zum 
Generalwachtmeister  aufgerückt  war,  im  Dienste  der  Republik  Venedig 
auf  Kreta  an  den  Kriegen  gegen  die  Türken  teil,  in  denen  Angehörige 
aller  Nationen  auf  das  heldenmütigste,  aber  dennoch  ohne  Erfolg,  für  den 
christlichen  Glauben  und  christliche  Kultur  und  Gesittung  kämpften.  Zwei 
Brüder  Johann  von  Friesheims,  Wilhelm  Heinrich  und  Johann  Theodor, 
hatten  Kompagnieen  in  dem  Regimen te  Johanns,  doch  hat  Johann  Theodor 
an  dem  Feldzuge  wohl  kaum  teilgenommen ;  an  seiner  Statt  führte  ein  Haupt- 
mannsverwalter (Laurentio  Bartholomaei)  die  Kompagnie  ^  20  Jahre  lang 
hatten  die  Türken  auf  Kreta  Krieg  geführt,  4  Jahre  lang  dauerte  die 
förmliche  Belagerung  Kandias,  des  am  stärksten  befestigten  Platzes  und 
letzten  Stützpunktes  der  venetianischen  Macht  auf  der  Insel,  bis  endlich 
am  7.  (17.)  September  1669  nach  hartnäckigster  Verteidigung  der  Rest 
der  christlichen  Besatzung  in  ehienvoller  üebergabe  die  Stadt  räumen 
musste.  Schon  einige  Monate  vorher  war  in  den  heissen  Kämpfen  um  das 
Fort  St.  Andreae  Johann  von  Friesheim  gefallen  ^, 

Der  jüngste  Sohn  Gottfried  von  Friesheims,  Johann  Theodor^,  geb. 
7.  Oktober  1642,  dessen  oben  bereits  mehrfach  gedacht  worden  ist,  trat  in  den 


*)  Prozessakten  Buirssgen/Freisheira  (Stadt.  Archiv).  S.  auch  die  folgende  Anm.  — 
Die  „ausländischen  Völker**  im  Dienste  der  Republik  Venedig  standen  unter  dem  Befehle 
des  früheren  Obersten  Johann  v.  Friesheims,  des  Generals  Georg  Friedrich  von  Sparr,  der  bei 
der  Belagerung  Kandias  neunmal  verwundet  und  späterhin  zum  Kaiserlichen  General- 
Feldmarschall-Lieutenant  erhoben  wurde  (S.  Zedier,  Universallexicon  unter  Sparr). 

^)  Auf  Ersuchen  Gottfrieds  von  Friesheim,  des  Vaters  Johanns  und  auf  dienst- 
eidliche Versicherung  des  Schöffen  Johann  Wilhelm  von  Berchem  und  des  städtischen 
Artilleriehauptmanns  Jakob  Savelsberg  bescheinigen  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rat 
am  6.  April  1669,  dass  der  „illustris  et  generosus  dominus  Joannes  baro  a  Freisheim 
piae  memoriae,  quondam  sacrae  Caesareae  majestatis  colonellus  et  generalis  vigiliarum, 
qui  nuper  in  servitio  serenissimae  Venetorum  reipublicae  in  praesidio 
Candiae  contra  hostem  Christiani  nomiuis  militando  occubuif,  ein  ehelicher 
Sohn  des  Gesuchstelle rs  und  seiner  Frau  Katharina  Amia  sei.  Wenige  Tage  später  (am 
13.  April  1669)  bescheinigen  dieselben  Behörden  gleichfalls  auf  Ersuchen  Gottfried  von 
Friesheims,  dass  in  Aachen  und  Umgegend  keine  ansteckende  Krankheit  herrsche.  Dieser 
Bescheinigung  bedurfte  der  Antragsteller,  da  er  mit  seinem  Sohne  Johann  Theodor  — 
offenbar  aus  Anlass  des  Todes  Johann  von  Friesheims  —  nach  Italien  zu  reisen  beab- 
sichtigte. Gottfried  von  Friesheim  selbst  war  bei  den  grossen  Werbungen  der  Republik 
Venedig  finanziell  beteiligt  (S.  auch  Prozessakten  Bürssgen/Freisheim  auf  dem  städtischen 
Archive)  und  hatte  noch  im  Jahre  1675  einen  Geschäftsführer  in  Venedig.  Am  26.  August 
dieses  Jahres  nämlich  erklärte  Gottfried  von  Friesheim  vor  den  Bürgermeistern,  Schöffen 
und  Rat,  dass  sein  Mandatar  und  Geschäftsführer  zu  Venedig,  Abraham  von  Colin, 
jüngst  verstorben,  und  damit  das  diesem  am  9.  Februar  1675  vor  dem  hiesigen  Magistrat 
ausgestellte  „mandatum  ad  recipiendum  a  serenissima  republica  Venetiana  ipsi  domino 
comparenti  adhuc  restantia  debita"  erloschen  sei,  und  ernannte  zugleich  zu  neuen  Bevoll- 
mächtigten Laurenz  und  Simon  Charles. 

^)  Bei  Macco  a.  a.  0.  Johann  Die  der  ich  genannt;  Taufpaten  waren:  Johann 
Diederich,  Graf  von  Merode  (S.  Anhang  zu  S.  102),  Daniel  Amya,  Johann  von  Bour, 
Baro  de  Frankenberg,  Paulus  Roemer  doctor,  die  Edelgeborene  Anna  von  Stein-Kallen- 
fels,  Maria  Seulain  und  Susanne  de  Beurre. 


—  109  — 

Heerdienst  der  Generalstaaten  in  Holland  ein  und  bekleidete  im  Jahre  1680 
den  Rang  eines  „capitains  onder  die  guarde  von  syn  hocheyt"  K  Im  zweiten 
Jahre  des  spanischen  Erbfolgekrieges,  am  7.  November  1702,  zog  er,  der  mitt- 
lerweile Generalmajor  geworden  war,  an  der  Spitze  holländischer  Truppen 
in  das  Aachener  Gebiet  ein,  um  sehr  gegen  den  Willen  der  Bürger  und 
der  derzeitigen  städtischen  Behörden  in  der  Stadt  Winterquartier  zu  nehmen. 
Wie  in  so  vielen  Fällen,  weigerte  sich  die  Stadt  erfolglos,  die  holländischen 
Truppen,  denen  bald  noch  preussische  folgten,  aufzunehmen.  Im  Einzelnen 
berichtet  über  diese  Vorgänge  ausführlich  die  Chronik  des  Bürger- 
meisterei-Dieners Janssen,  wo  es  zum  Jahre  1702  heisst:  „Den  7'®°  9^*^^* 
ist  der  general  freissheim  von  die  staeten  mit  3000  man  Reuter  und  fusser  in 
reich  von  Aachen  (eingerückt)  und  heilt  sich  8  tag  darein  auff  und  thäte 
grossen  schaden,  und  den  14  9"'^*''  komt  dieses  folck  bis  an  pont  Pfortz 
und  wolte  parfors  in  der  statt  sein,  die  h  h™  hielten  die  thor  verslossen 
konten  aber  dass  accordt  nitt  einig  werden,  da  bleib  dass  folck  vor  Pont 
pfortz  liegen,  des  nachts  und  haben  groossen  Schaden  in  die  benten,  an 
Haagen,  bäum  alles  abgehauwen  und  feur  davon  gemacht  dai-auff  dan  des 
aben  alle  burgerschaft  in  gewähr  und  auff  die  wäll  gute  wacht  gehalten, 
und  diese  habens  halt  nit  besser  gemacht,  dan  sie  nahmen  auch  dass  holtz 
und  bonestecken  auss  die  gartens  und  Machten  auch  feur  davon,  darüber 
komt  der  Kayserl.  Commissarius  von  luttich  in  der  Nacht  durch  dass  Volck 
nach  sandtkoul  pfortz  zu,  so  unterreden  sich  unsere  h  h*"  mit  ihm  und  seindt 
dess  accordts  einig  worden,  und  das  volck  komt  den  15.  9^^**  zur  statt 
hinein  und  blieben  hier  in  winter  garnisonn,  dan  sie  hatten  im  Nahmen 
des  Kaysers  ihre  function  wohl  gedahn"  *.  Es  ist  nur  zu  begreiflich,  wenn 
die  Stadt  sich  mit  allen  Mitteln  sträubte,  Trappen,  auch  wenn  sie,  wie  in 
diesem  Falle,  einer  befreundeten  Macht  angehörten,  für  den  Winter  in  ihre 
Mauern  aufzunehmen.  Denn  abgesehen  davon,  dass  die  Anwesenheit  der 
Soldaten  mannigfache  Belästigungen  für  die  Bürger  mit  sich  bringen 
musste,  so  waren  auch  stets  grosse  Geldopfer  für  die  Stadt  mit  den  Ein- 
quartierungen verbunden.  So  auch  im  Winter  1702/3.  Von  manchen  Miss- 
helligkeiten und  Streitigkeiten  über  die  beiderseitigen  Verpflichtungen 
berichten  die  städtischen  Beamtenprotokolle  ^;  Interesse  dürfte  auch  folgende 
Notiz  erwecken,  die  dem  Protokoll  vom  8.  Januar  1703^  entnommen  ist, 
„ferner  sint  h.  Rhentmeister  Heidtgens  und  h.  Weinmeister  von  Eschweiler 
deputirt  worden,  gestalt  dem  h.  Generalmaior  freiherrn  von  freissheimb 
ahnstatt  Eines  neuen  Jhars  100  Ducaten  zu  praesentiren,  wie  dan  auch 
dem  Maior  de  la  place  2  souverainen zu  verehren".  Solche  Ehren- 
gaben wurden  nach  Ausweis  der  Beamtenprotokolle  in  jenen  Zeiten  hoch- 
stehenden Persönlichkeiten  sehr  oft  dargebracht;  sie  entsprangen  in  den 
weitaus  meisten  Fällen  gewiss  nicht  dem  freien,  unbeeinflussten  Willen  des 


*)  Nämlich  des  Prinzen  von  Oranien.    (Amtliche  Zeugnisse  des  Aachener  Magistrats 
auf  dem  städtischen  Archive;  Macco  a.  a.  0.,  II,  S.  35;  vgl.  auch  oben  S.  105,  Aum.  1.) 
')  y.  Fürth,  Beitr.  und  Material  z.  Gesch.  der  Aachener  Patrizierfamilien,  III,  S.  26. 
«)  Bd.  XXXXV,  S.  121,  126,  135,  137,  188,  146. 
*)  Beamtenprotokolle,  Bd.  XXXXV,  S.  182. 


—  110  — 

Gebers,  sondern  waren  vielmehr  eine  Unsitte,  eine  drückende  Verpflichtung, 
der  die  städtische  Behörde,  ohne  Nachteile  für  die  Stadt  fürchten  zu 
müssen,  sich  nicht  entziehen  konnte^. 

Im  Frühjahr  1703  zog  General  Johann  Theodor  von  Friesheim  mit 
seinen  Truppen  gegen  Bonn,  die  Residenz  des  mit  Frankreich  verbündeten 
Kurfürsten  und  Erzbischofs  von  Köln,  Joseph  Klemens,  und  nahm  teil  an 
der  Belagening  dieser  Stadt,  die  am  14.  Mai  nach  vorausgegangenen  Ver- 
handlungen mit  dem  französischen  Kommandanten  Marquis  d'Alegre  von  den 
Holländern  besetzt  wurde. 

Auch  in  den  folgenden  Jahren  des  spanischen  Erbfolgekrieges  nahmen 
vielfach  Truppen  der  kriegführenden  Mächte  in  Aachen  Winterquartiere; 
wiederholt  gingen  zu  Beginn  des  Winters  Deputirte  der  Stadt  zur  Haupt- 
armee, um  mit  den  Generalen  persönlich  zu  verhandeln  und  Befreiung  von 
der  Last  der  Winterquartiere  zu  erlangen  —  meist  vergeblich.  In  einigen 
Fällen  wurde  den  Deputirten  aufgegeben,  sich  u.  a.  auch  an  den  General- 
major von  Friesheim  zu  wendend  ' 


*)  Wie  1703  Herrn  Generalmajor  von  Friesheim,  so  wurden  1704  dem  Grafen  von 
Dobna,  dem  Befehlshaber  der  in  diesem  Jahre  in  Aachen  im  Winterquartier  liegenden 
Truppen,  seitens  der  Stadt  ein  Neujahrsgeschenk  von  100  Dukaten  gemacht.  Am 
5.  Januar  1704  beschlossen  Bürgermeister  und  Beamte,  „dass  hiesigem  herm  Comman- 
dant^n,  dem  Grafen  von  Dohna  mit  einer  Recognition  von  100  Ducaten  in  Golt  als  wie 
dem  Herrn  Generalmaior  von  Freissheimb  beschehen  ahn  Handt  gangen  auch  demselben 
sein  hier  frey  zu  brauen  vcrstatlet  werden  solle".  (Beamtenprotokolle,  Bd.  XXXXV,  S.  190.) 
—  Ein  ebenfalls  recht  ansehnliches  Geldgeschenk,  1000  Eeichsthaler,  dazu  noch  ein  Fuder 
Wein,  erhielt  1689  von  der  Stadt  der  brandenburgische  Generalmajor  Friedrich  von 
Heyden,  der  mit  seinen  Truppen  am  10.  November  1689  in  Aachen  Winterquartiere  bezog. 
Zugleich  beschloss  der  Magistrat,  der  Gemahlin  desselben  einen  Spiegel  oder  ein  Stück 
Silberwerks  zu  verehren.  (Pick,  Aus  Aachens  Vergangenheit,  S.  589.)  —  Denn  nicht  nur 
bares  Geld,  sondern  auch  Waffen  (Pistolen),  Pokale,  „Drankgeschirre",  Geräte  aus  Kupfer 
(z.  B.  Kronleuchter)  oder  Silber  (z.  B.  Lampetschüssel)  und  vor  allem  Wein  wurden  als 
Geschenke  an  hohe  Personen  gegeben.  Die  Wein  Verehrungen  aus  den  Jahren  1662—1779 
hat  Pauls,  Zur  Geschichte  des  Weinbaues  in  der  Aachener  Gegend,  (Zeitschrift  des 
Aachener  Geschichtsvereins,  Bd.  VII,  S.  270  if.),  auf  Grund  von  Auszügen  aus  den 
Beamtenprotokollen  zusammengestellt.  Daselbst  heisst  es,  dass  am  30.  Januar  1703,  in 
demselben  Jahre,  in  welchem  dem  General  von  Freisheim  „anstatt  eines  neuen  Jahrs"  100 
Dukaten  verehrt  wurden,  die  Herren  Weinmeister  deputirt  wurden,  dem  „Brigadier  Major 
von  Zobell  ein  Vässgen  Wein  anstatt  eines  neuen  Jahrs,  Frantzen  Wein  auszusuchen",  und 
4  Tage  nachher,  am  3.  Februar  1703,  wurde  beschlossen,  dass  durch  den  Kapitän  Bogart 
„hundert  Bouteillen  wissen,  fünfzig  Champagner  und  fünfzig  Borgongsche  Weins  dem 
H.  von  Zobel  praesentirt  werden  sollen".  —  Ein  Älal  hören  wir  auch  von  der  Ablehnung  eines 
angebotenen  Geldgeschenks.  Die  betreffende  Stelle  in  den  Beamtenprotokollen  (Bd.  L)  lautet: 
„Sambstag  den  9**^"  7^*"''  1758  (Kleins  Raths)  ist  beschlossen,  dass  dem  frantzosischen  Commis- 
sario  h.  De  la  saal,  welcher  von  seiner  Excellence  h.  Marschall  De  Contades  am  24***"  jüngst 
(umb  sich  mit  dem  hannoverischen  Commissario  wegen  sicheren  Geschäften  zu  Unterreden) 
hiehin  geschickt  worden,  sich  dahier  ettwan  6  wochen  auifgehalten  hatt,  Undt  übermorgen  ab- 
reysen  wirdt,  wegen  einigen  den  herm  burgermeisteren  Undt  beambten  insbesonders  bekanten 
Ursachen,  Ein  hundert  güldene  Ducaten  durch  Regierenden  h.  burgermeistem  von  Oliva 
selbst  zum  present  gemacht  werden  solln  —  non  voluit  acceptare  —  nur  allein  ein 
klein  präsentgen  von  thee  Undt  Nehnadeln  ahngenohmen. 

«)  Beamtenprotokolle,  Bd.  XXXXV,  S.  164,  230. 


—  111  — 

Johann  Theodor  von  Friesheim  scheint  später  seinen.  Aufenthalt 
dauernd  in  Holland  genommen  zu  haben;  er  starb  als  General  der  Infanterie 
der  Generalstaaten,  91  Jahre  alt,  im  Jahre  1733  ^ 


Anhang. 

Zu  Seite  102. 

Der  Dürener  „Vergleich"  lautet  nach  der  auf  dem  städtischen  Archive  befindlichen 
Ausfertigung  vollständig  so: 

Demnach  Sich  die  Statt  Aachen  wieder  alle  hoflfnung  biss  anhero  nicht  accomodiren, 
und  zu  einem  Nachbarlichen  Vergleich  verstehen  wollen,  under  dessen  aber  dem  Landt 
und  Reich  von  Aachen  mit  Blunderungh,  Raub,  Mordt  und  Brandt  nicht  geringer  Schade 
zugefuegt  worden.  Dahero  gedachtes  Reichs  von  Aach  Eingehorrige  ohne  Zuthucn  der 
Statt  ursach  genohmen  zu  vcrhuetung  ferneren  und  groesseren  Ruins  die  hochwollgeborenen 
Edlen  und  Ehrwürdigen  Graven  und  herren  herm  von  Merode  de  Hoffalize  herrn  zu 
franckenburgh  h.  Gottfrid  von  freissheim,  Rittmeistern  und  Johannes  Schmidtz  pastom 
in  hären  zu  »mir  anhero  mit  genügsamer  Volmacht  abzufertigen  umb  in  ihren  und  dess 
reichs  von  Aach  nahmen  Einen  gewissen  vergleich,  und  zu  erhalttung  guter  Nachbar- 
schaft mit  mir  zu  treffen,  Also  und  dergcstaltt  dass  die  eingehorrigcn  dess  Reichs  von 
Aach  bey  hauss  und  hoff  auch  ufifm  feldt,  und  wo  Sie  sunsten  zu  verrichten  haben 
wurden  Jedesmahlss  geruhigh  und  unperturbirt  gelassen  und  aller  orten  und  enden  frey 
sicher  und  ungehindert  passirt  werden  mögen,  Massen  dann  Endtlich  nach  langer  ünder- 
redungh  dahin  verglichen  worden,  da  die  herren  Abgeordneten  Crafft  habender  Volmacht 
in  Nahmen  dess  Reichss  von  Aachen  Eingehorrige  (Warunder  aber  die  Statt  Aachen 
durchauss,  noch  dero  Burgerschafft  nit  begriffen  Sonderen  aussgeschlossen  und  zu  Ihr  Excell. 
dess  herm  General  Lieutnants  Graven  von  Guebriants  Respect  mit  derselben  zu  tractiren 
vorbehalttcn  sein  soll;  zu  erhalttungh  gutter  Nachbarschaft,  Ein  vor  alle  mahll  diessen 
alhier  logirenden  Regimentern  zum  besten  Vier  Tausendt  Reichssthaller  Innerhalb  acht 
Tagen  gewiss  und  unfhelbar  zu  entrichten  vcrwi lüget,  Mitt  diesser  Gegenversicherung 
dass  von  Jetzt  ahn,  und  hinführe  keine  ferneren  ansprach  oder  forderungen  an  dass  reich 
von  Aachen  gethan.  Sonderen  alles  unheil,  und  biss  anhero  vergangene  Hostilitäten  Alss 
Blunderen,  Rauben,  Morden  und  Brennen,  von  den  Eingehörigen  abgeschaffet,  und  also 
in  allem  gute  Nachbarschaft  gepflogen  werden  solle,  über  dass  weillen  auch  die  Under- 
thanen  in  treibungh  ihres  gewerbs,  So  woll  auss-  alss  Innerhalb  dess  Reichs  zu  schaffen 
haben,  So  soll  dennen  zu  Wittem  und  Wilhelmstein  liegenden  officiren  Ernstlich  anbevohlenn 
werden,  dass  Sie  alle  und  iede  dess  Reichss  von  Aachen  Underthanen  Jedesmahlss  aller 
orten  und  enden  frey,  sicher  und  unangefochten  passiren  und  repassiren.  Auch  alle 
freundtschaft  mitt  crtheilungh  pass,  und  anderen  dha  Sie  dessen  von  Noethen  haben 
wurdenn,  widderfahren  lassen  sollen.  Und  nachdeme  vor  diessem  getroffenen  vergleich  von 
dem  Reich  Aachen  underscheidtliche  gefangene  hinwegh  gefuhrt  worden;  So  Ist  auch  dess 
fhalss  abgeredt  und  beschlossen,  dass  Solche,  gegen  eine  Leidentliche  Rantzion  widerumb 
frey,  ledig,  und  loss  werden  sollen  Und  Im  fhall  sich  auch  zutragen  wurde,  dass  ahn 
Einen  und  anderen  dess  Reichs  Aachen  ortt,  oder  underthanen  Ettwass  gewalttsames 
verübet  werden  soltte.  So  Soll  dasselbe  Nicht  allein  reraedyrt:  Sonderen  auch  die  Thätter 
zu  gebührender  Straff  getzogen  werden,  dass  nun  diesses  wie  obstehet  desto  besser  und 
vester  gehaltten  werden  möge,  Ist  diesser  vergleich  doppelt,  und  Eines  lauts  aussge- 
fertiget,  und  von  beiden  Theilen  underschrieben  worden,  Signatum  Deuren  den  6.  Aprilis 
a«»  1642. 

Unterschriften:  Reinholdt  von  Rosen,  v.  Merode  de  Hoffalyze  Frankenburg,  Gode- 
frid  von  freisheim,  Arnoldus  Schmitz,  Pastor  in  haaren.  (Die  drei  Erstgenannten  haben 
ihrer  Unterschrift  ihr  Siegel  hinzugefügt.) 


*)  Zedlers  Universallexikon,  Bd.  IX  unter  Friesheim. 


—  112  — 

Arnold n,s  Schmitz  war  der  dritte  in  der  Reihe  der  Haarener  Pfarrer  und  verwaltete 
die  Pfarrstelle  von  1635  bis  8.  Dezember  1648.  (Im  Texte  der  Urkunde  wird,  abweichend 
von  der  Unterschrift,  dem  Haarener  Pfarrer  der  Vorname  Johannes  gegeben.  Die  Haarener 
Bjrchenbücher  kennen  nur  den  Vornamen  Arnold:  Arnoldus  Faber  sive  Schmitz.)  Er  war 
ein  geborener  Haarener.  Als  dritter  unter  den  von  seiten  des  Reichs  mit  dem  General 
von  Rosen  zu  Düren  verhandelnden  Notabein  wird  oben  der  „Graf  und  Herr  von  Me- 
rode  de  Hoifalize  zu  Franckenburg"  genannt.  Herr  zu  Frankenberg  war  seit  dem  21. 
März  1633  Johann  Diederich  von  Merode-Hoffalize,  der  im  Jahre  1645  starb.  Er  begann 
im  Jahre  1637  den  Wiederaufbau  des  völlig  verfallenen  Schlosses.  In  demselben  Jahre 
1642,  wo  zu  Düren  das  Abkommen  zwischen  Rosen  und  den  genannten  Vertretern  des 
Aachener  Reichs  getroffen  wurde,  wurde  wahrscheinlich  das  herrschaftliche  Gebäude 
zu  Frankenberg  fertiggestellt:  oberhalb  der  Eingangsthüre  ist  das  Familienwappen  mit 
der  Jahreszahl  1642  angebracht.  (S.  Quix,  Die  Frankenburg.  .  Aachen  1829,  S.  4,  16  ff., 
75.)  Johann  Diederich  von  Merode  de  Hoifalize  und  Gottfried  von  Friesheim  waren  be- 
freundet; als  in  demselben  Jahre  1642  dem  letzteren  ein  Sohn  geboren  wurde,  vrurde  der 
erstere  Pate,  und  nach  ihm  erhielt  das  Kind  auch  die  Vornamen  Johann  DiedericL  (S.  108, 
Anm.  3.)  —  Eine  kurze  Notiz  über  die  Plünderungen  der  Rosenschen  Truppen  findet 
sich  in  dem  Begräbnisregister  der  Alexianerbrüder,  das  auf  dem  Aachener  Standesamte 
aufbewahrt  wird,  zum  März  1642:  „Anno  1642,  den  letzten  Martii  ist  der  Oberst  Rosen 
mitt  ctwau  15hundert  Pferden  in  dit  reich  kommen  und  hatt  den  1.  Aprill  in  der  nacht 
etzliche  Meullen  und  heuser  auff  Collesteinwech  in  brandt  gestochen,  darunder  S.  Tomas 
(-hof:  unleserlich)  item  Dennewartzmeull,  den  huntzkirchhoff,  die  Fellmeullen  des  Abends 
zwischen  7  und  8  Uhren".  (Die  Dennewaltsmühle  lag  „gegen  das  Elunckartshäuschen 
über"  [Mühlenregister  auf  dem  städtischen  Archive] ;  Hundskirchhof  [„Die  Hundtskirfßger 
Müll":  Mühlenregister]  ist  noch  heute  der  Name  des  gleichfalls  auf  dem  Eölnsteinweg 
gelegenen  Gutes.) 

Zu  Seite  104. 

Die  Urkunde,  durch  welche  Karl  II.  von  England  den  Obersten  Gottfried  Frei- 
herrn von  Freisheim  zu  seinem  Residenten  in  Aachen  ernennt,  hat  folgenden  Wortlaut: 

(L.  S.)    Carolus  Del  gratia  Angliae,  Scotiae,  Franciae  et  Hybemiae  Rex,  Fidei 

Defensor  etc.  Omnibus  ad  quos  praesentes  iiterae  venerint,  Salutem.  Cum  Nos  perpensis 

serio  verum  momentis  aequum  censuerimus,  ut  in  malus  Nostri  commodum  et  utilitatem 

aliquis  a  Nobis  constituatur,  qui  rebus  Nostris  prout  vel  occasio  tulerit,  vel  Nostra  exi- 

gerint  Mandata,  Aquisgrani  sedulus  invigilet:  Sciatis  quod  Nos  perspecta  diu  habent^s 

tum  maturam  Nobilis  et  dilecti  Nobis  viri  Gothofredi  Baronis  de  Freisheim  prudentiam 

et  merita,  tum  afifectum  in  Nos  et  Nostra  non  vulgarem  [cujus  utriusque   saepius   alibi 

in  Nos  edidit  specimina]  Eundem  Baronem  de  Freisheim  nominaverimus  et  constituerimus, 

et  literis  hisce  Nostris  nominamus  et  constituimus   Ablegatum  Nostrum  Residentem  in 

praedicta  urbe  Aquisgranensi.    Eidemqne  pleuam  protestatem  authoritatemquc  facimus  et 

concedimus   praedicto   Residentis   munere   fungendi,    nee  non    privilegijs,    honoribus    et 

immunitatibus  omnibus  quae  ad  idem  pertinent,  quocunque  nomine  aut  appellatione  enun- 

cientnr,  aequo  plane  iure  cum  alijs  quibusque  Residentibus  fruendi.  Volumusque  insuper 

et  edicimus  omnibus  Fidelibus  subditis  Nostris,  Amicos  vero  et  Confederatos  quoscunque 

Nostros  rogamus  et  pro  Amicitiae  iure  exoramus,  ut  praedictum  Baronem  de  Freisheim 

eo  porro  loco  et  honore  dignentur,  quam  fas  est  sibi  vendicare  Nostrum  Residentem. 

Datum  in   Palatio   Nostro  Westmonasteriensi  die  Decembris  2.  A"  Dni  1660  regnique 

nostri  Duodecimo. 

Carolus  R. 

Ad  Mandatum  Seren™*  Dni  Regis 

FA.  Nicholas. 

Eine  Abschrift  der  Urkunde  befindet  sich  im  städtischen  Archive. 


DULCK  VON  IIkIUIANN  KaATZKU  in  V^JMUlUi, 


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Jährlich  8  Nummern  Kommissions -Verlag 

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Cremcr'^chcn  Buch  handhing 

Preis  des  Jahrgangs  K  j^jj^l 

4  Hark.  iu  Aachen. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Im  Auftrage  des  Vereins  heraasgegcben  von  B.  Sohnook. 


Ächter  Jahrgang. 


Inhalt:  C.  Rbntti,  Di^r  liheinatigu  malerische  Wandschmuck  im  karuIingiäehcQ  Tbeile  des 
Aachener  Münsters,  —  Bericht  über  das  Vereinsjahr  1B94— 05.  —  Vorzeichniss  der  Mitglieder. 


Der  ehemalige  malerische  und  plastische  Wandschmuck  im 
karolingischen  Theile  des  Aachener  Münsters. 


Von  Anfang  ari  hat  die  Kirche  die  Kunst,  (He  Dante  so  schön  und 
wahr  eine  Enkelin  Gottes  nennt,  in  den  Dienst  ihres  Kultus  gestellt.  Zeugen 
dessen  sind  die  bis  ins  zweite,  ja  erste  Jahrhundert  nach  Christus  hinauf- 
reichenden Ueberrcste  all  christlicher  Malerei  und  Skulptur  in  den  Kata- 
komben. Doch  zur  vollen  und  reichen  Entfaltung  konnte  die  Kunstthätigkeit 
in  der  Kirche  erst  gelangen,  als  dieselbe  durch  das  Toleranzedikt  KoDstantiuä 
des  Grossen  im  Jahre  313  aus  der  unwürdigen  Lage  einer  rechtlosen 
Sklavin  in  die  einer  freigeborenen  Himnielstorhtor  gebührende  Stellung 
erhoben  wurde.  Nun  bedeckte  sich  gar  bald  der  Boden  der  christlich  ge- 
wordenen Welt  mit  herrlichen  Basiliken,  deren  Altären  und  liturgischen 
Geräthen  und  Gewändern  der  Stempel  der  Kunst  aufgedrückt  war,  deren 
Kuppeln,  Wände  und  Fussböden  in  vielfarbigem  niuaivischem  Schmucke 
erglänzten.  Dass  auch  das  weithin  berühmte  Liebfrauenmünster  iu  Aachen 
einer  solchen  Mnsaikverzierung  nicht  entbehrt  hat,  ist  wohl  unter  den 
obwaltenden  Verhältnissen,  auch  wenn  keine  Kunde  davon  bis  zu  uns 
gedrungen  wäre,  anzunciimcn.  Ob  aber  sclion  Karl  der  Grosse  oder  erst 
sein  Sohn  und  Nachfolger  Ludwig  der  Fromme  das  Münster  in  dieser 
Weise  ausgestattet  hat,  ist  eine  nicht  völlig  aufgeklärte  Frage.  Einliard, 
der  begeisterte  Biograph  Karls,  der  in  seiner  vita  Caroli,  Alles  aufzuzählen 
pflegt,  was  seinem  kaiserlichen  Herrn  zum  Ruhme  gereicht,  berichtet  im 
26.  Kapitel  wohl,  dass  Karl  seine  Lieblingsschöpfung  „auro  et  argento  et 


—  114  — 

luminaribus  atque  ex  aere  solido  cancellis  et  januis"  geziert,  und  Säulen 
wie  Marmor  aus  Rom  und  Ravenna  habe  kommen  lassen,  erwähnt  aber 
nirgendwo  einer  musivischen  Wandbekleidung.  Wenn  dann  aber  weiter  in 
dem  Briefe  Hadrians^  an  Karl,  unter  den  aus  dem  Palast  zu  Ravenna 
geschenkten  Gegenständen  die  „musiva"  ausdrücklich  genannt  werden,  so 
dürfte  aus  dem  Schweigen  Einhards  hierüber  geschlossen  werden  können, 
dass  die  „musiva"  erst  unter  Ludwig  dem  Frommen  an  Ort  und  Stelle 
angebracht  worden  sind.  Die  üeberlieferung,  dass  ein  italienischer  Mönch 
die  Mosaiken  ausgeführt  habe,  gewinnt  an  Wahrscheinlichkeit  bei  der 
Erwägung,  dass  in  Italien  zu  jener  Zeit  diese  Kunst  wenn  auch  bereits 
im  Sinken  begrilien,  noch  vielfach  geübt  wurde,  und  dass  die  unter  Karl 
dem  Grossen  angeknüpfte  Verbindung  mit  dem  päpstlichen  Hofe  auch  unter 
Ludwig  dem  Frommen  noch  rege  fortbestand  und  die  Ueberlassung  italienischer 
Künstler  erleichterte. 

Die  Frage,  welche  nun  zunächst  der  Lösung  harrt,  ist  die  nach  den 
Theilen  des  Münsters,  die  im  9.  Jahrhundert  mit  Mosaik  verziert  worden 
sind.  Der  ehemalige  Kanonikus  an  der  Münsterkirche  und  Geschichtsschreiber 
Aachens  Peter  &  Beeck  erzählt  in  seinem  „Aquisgranum",  dass  zu  seiner 
Zeit  (1620)  die  Mosaiken  noch  dunkel  an  dem  Gewölbe  des  Eingangs  der 
Kirche  an  der  Wolfsthür,  deutlicher  an  einigen  Fensternischen,  am  voll- 
kommensten aber  an  der  Kuppel  und  dem  Innern  Hauptgewölbe  des  Central- 
baues,  das  über  der  Hängekrone  in  der  Mitte  der  Kirche  ist,  zu  sehen 
gewesen  wären.  Wir  werden  wohl  nicht  fehl  greifen  in  der  Annahme,  dass 
auch  in  dem  zu  ä  Beecks  Zeiten  längst  verschwundenen  karolingischen 
Chorbau  die  Mosaiken  nicht  gefehlt  haben.  Man  hat  zwar,  gestützt  auf 
die  dehnbare  Bemerkung  k  Beecks,  „die  Kirche  sei  im  Innern  mit  Malereien 
von  Mosaikarbeit  in  buntfarbigen  Bildern,  welche  Geschichten  aus  dem 
alten  und  neuen  Bunde  darstellten,  ehemals  allenthalben  bekleidet  und 
bedeckt  gewesen"  *  angenommen,  dass  die  Innern  Wände  des  Oktogons 
ebenfalls  musivisch  ausgestattet  gewesen  seien. 

Dagegen  spricht  der  Umstand,  dass  man  im  Gegensatz  zu  den  Fenster- 
laibungen auf  den  innem  Wänden  keine  Spur  von  Mosaik  entdeckt  hat, 
während  derselbe  doch  hier  sich  leichter  und  besser  als  dort  erhalten  haben 
würde.  Ferner  muss  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  dass  die  Innern 
Wandflächen  beim  Bau  des  Oktogons  sofort  ausgefugt  worden  sind,  was 
wohl  niclit  geschehen  wäre,  wenn  sie  zur  Aufnahme  von  Mosaiken  bestimmt 
gewesen  wären.  In  Italien  war  es  Sitte  die  Mosaikbilder  an  besonders 
lichtvollen  Stellen  wie  z.  B.  den  Fensterlaibungen  in  Medaillonsform  anzu- 
bringen; dasselbe  düifte  auch  hier  der  Fall  gewesen  sein.  Während  wir 
über  die  bildlichon  Darstellungen  der  Mosaiken  im  Gewölbe  der  Vorhalle, 
in  den  Fensterlaibungen  und  im  alten  karolingischen  Cliore  absolut  keine 
Nachrichten  haben,  besitzen  wir  von  dem  Kuppelbild  ausser  der  Beschreibung 
ä  Beecks  eine  Zeiclinung  Ciampinis,  die  von  Aachen  aus  an  ihn  nach  Rom 
gesandt  wurde,  und  welche  dieser  Gelehrte  in  seinem  grossen  Werke  über 

*)  Epist.  36  apud  Dom.  Boquet  et  Baronius. 

*)  Aqiiisicraiinin.     Ucbersetzuug  vou  Käntzelcr  S.  78. 


—  115  — 

Kirchen  und  Mosaiken,  in  Kupfer  gestochen,  veröffentlicht  hat.  Die  Zeichnung 
stellt  die  auf  dem  Throne  sitzende  majestas  Domini  dar,  der  die  Aeltesten, 
welche  sich  von  ihren  Stühlen  erhoben  haben,  ihre  Krone  darreichen. 
Die  Darstellung  ist  durchaus  mangelhaft  und  fehlerhaft,  was  unschwer 
nachzuweisen  ist. 

Ciampini,  durch  die  Zeichnung  irre  geführt,  nimmt  an,  dass  in  der 
Kuppel  statt  der  24  Aeltesten  der  Apocalypse  nur  12  zur  Darstellung  gelangt 
seien,  ja  er  beweist  sogar  in  weitschweifiger  Weise,  dass  dies  in  wahrer 
Würdigung  der  symbolischen  Bedeutung  der  Zwölfzahl  gar  nicht  anders 
hätte  geschehen  können.  Und  doch  zeigt  ein  Blick  auf  das  Bild,  dass  in 
Wirklichkeit  nicht  12,  sondern  der  hl.  Schrift  entsprechend  24  Aelteste 
angebracht  waren.  Hätte  der  Zeichner  den  Krcisbogentheil,  welcher  dem 
mittleren  zunächst  liegt,  bis  zum  horizontalen  unteren  Randstrich  der 
Zeichnung  herabgezogen,  so  würde  er  auch  in  diesem  Felde  noch  Raum  für 
den  dritten  Aeltesten  gefunden  haben,  da  .  er  aber  diesen  Bogen  in  dem 
Seitenrandstrich  der  Zeichnung  aufliören  lässt,  so  wurde  der  Raum  für  den 
dritten  Aeltesten  abgeschnitten.  Ciampini  hat  dies  nicht  gefunden,  und 
da  er  in  den  beiden  Nebenfeldern  nur  zwei  Aelteste  stehen  sah,  hat  er 
daraus  gefolgert,  dass  in  der  Kuppel  nur  12  Aelteste  sich  vorgefunden 
haben,  was  unrichtig  ist.  ä  Beeck  sagt  S.  51  deutlich,  dass  24  Aelteste 
vorhanden  waren,  die  sich  von  ihren  Sitzen  erhoben  und  dem  auf  dem 
Throne  Sitzenden  ihre  Krone  darboten  ^ 

Eine  fernere  Abweichung  in  der  Zeichnung  des  Ciampini  von  der 
traditionellen  Darstellungsweise  der  Aeltesten  ist  darin  zu  erblicken,  dass 
er  die  Aeltesten  ihre  Kronen  mit  unverhüllten  Händen  dem  Heiland  darbieten 
lässt.  In  Wirklichkeit  aber  ist  das  Aachener  Bild  von  der  überlieferten 
Form  nicht  abgewichen;  denn  die  Zeichnung,  welche  sich  1873  nach  Ent- 
fernung des  Stucks  aus  dem  Gewölbe  des  Oktogons  unter  den  karolingischen 
Mosaikpasten  vorfand,  und  welche  jedenfalls  als  Vorlage  für  die  Anbringung 
der  Pasten  gedient  hatte,  zeigte,  so  defekt  sie  auch  sonst  gewesen  sein 
mag,  deutlich  genug,  dass  die  Hände  der  Aeltesten,  welche  die  Kronen 
darreichten,  verhüllt  dargestellt  waren.  Auch  die  Anbringung  der  Engel, 
am  Throne  der  Majestas  in  der  Ciampinischen  Zeichnung  muss  auf  einem 
Irrthum  beruhen,  da  der  Augenzeuge  ä  Beeck  in  üebereinstimmung  mit 
den  Traditionen  der  Ikonographie  ausdrücklich  hervorhebt,  dass  um  den 
Thron  die  vier  apocalyptischen  Thiere  gestanden  hätten. 

Die  Sterne,  welche  sich  in  dem  Mosaikbilde  der  Kuppel  befanden, 
scheinen  aus  Metall  hergestellt  gewesen  zu  sein.  Als  die  Stuckaturen  der 
Kuppel  abgehauen  wurden,  fanden  sich,  in  den  Stein  des  Gewölbes  ein- 
gehauen, kreisrunde  Vertiefungen  von  etwa  30  cm  Durchmesser  und  3  cm 
Tiefe  vor,  welche  unregelmässig  über  die  Kuppelfläche  in  der  Art  vertheilt 
waren,  dass  dieselben  immer  auf  der  Stelle  angebracht  waren,  wo  nach  dem 
Bilde  der  Himmel  dargestellt  war.    Für  die  Mosaiken  selbst  hatten  diese 


*)  Vgl.  H.  Barbier  de  Montault,  Die  Mosaiken  im  Münster  zu  Aachen;  au3  dem 
Französischen  übersetzt  von  Andr.  Hub.  Körner  S.  9. 


—  116  — 

Vertiefungen  keinen  Zweck,  vielleicht  haben  sie  dazu  gedient,  Platten  auf- 
zunehen,  auf  welchen  die  Sterne  im  Hochrelief  angebracht  waren. 

Die   karolingischen   Mosaikbilder   nahmen   bedeutende   Flächen   ein. 
So  cntliielten: 

die  Kuppel       282,00  qm 

die  Vorhalle 70,00    „ 

die  Fenster 59,00    „ 

und  das  Chor 39,00    „ 

mithin  eine  Gesammtfläche  von  rot 550,00  qm. 

Es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  diese  grosse  Bildfläche,  wie  die 
Aachener  Tradition  sagt,  durch  einen  einzigen  Mann  ausgeführt  worden 
ist.  Angenommen,  dass  bei  der  Sorgfalt,  mit  welcher  in  jener  Zeit  die 
Mosaiken  ausgeführt  wurden,  ein  Mann  durchschnittlich  15  Tage  bedurfte 
um  1  qm  Mosaik  fertig  zu  stellen,  so  ergeben  sich  8250  Tage  oder  —  das 
Jahr,  bei  den  vielen  Feiertagen,  die  in  jener  Zeit  beobachtet  wurden,  zu 
250  Tage  gerechnet,  —  33  Jahre  Arbeitszeit.  Es  ist  wahrscheinlicher,  dass 
die  Bilder  durch  mehrere  Künstler,  die  unter  der  Leitung  eines  Mönchs 
standen,  ausgeführt  worden  sind.  Dass  damals  hinreichend  Leute  vorhanden 
waren,  welche  mit  den  musivischen  Arbeiten  vertraut  waren,  bezeugen 
die  zur  Zeit  Karls  des  Grossen  und  Ludwigs  des  Frommen  in  Rom  erbauten 
Kirchen,  in  welchen  Mosaikbilder  sich  befanden;  so  das  durch  Leo  IIL 
im  Lateran  erbaute  Triclinium,  Sta.  Praxede,  St.  Nereus  et  Achilleus  und 
viele  andere.  (Vgl.  Platner  und  Bunsen,  Rom).  Wir  können  daher  mit 
einer  gewissen  Sicherheit  annehmen,  dass  mehrere  Mosaikkünstler  bei  der 
Ausführung  der  Aachener  Mosaiken  beschäftigt  waren. 

Die  Ausführung  der  Mosaikarbeiten  vollzog  sich  in  folgender 
Weise:  Zunächst  wurde  ein  in  Farben  gemaltes  Vorbild  hergestellt, 
von  welchem  eine  Zeichnung  auf  die  Mauer  aufgetragen  wurde.  So- 
dann wurde  mit  einem  hackmesserähnlichen  Instrumente  den  farbigen 
Pasten  die  der  Zeichnung  entsprechende  Form  gegeben.  Die  Pasten  wurden 
hierauf  zu  kleinen,  vielleicht  handgrossen  Flächen  zwecks  Beurtheilung  der 
Richtigkeit  der  Farben  und  Zeichnung  provisorisch  zusanunengestellt,  deren 
Rückseite  mit  Mastik  oder  Mörtel  belegt  und  jede  Paste  an  die  für  sie 
bestimmte  Stelle  der  präparirten  Wand  eingedrückt.  Der  Mastik  bestand 
aus  einer  Mischung  gebrannten  Kalks  und  pulverisirten  Marmors,  mit 
Olivenöl  zu  einer  teigartigen  Masse  angemengt,  die  in  wenigen  Monaten 
steinhart  wurde.  Eine  Bekleidung  der  Wände  des  Oktogons  mit  Marraor- 
tafeln  ist  zwar  vielfach  angenommen  worden,  aber  ohne  alle  Ursache;  denn 
auch  nicht  eine  Spur  von  Eisenhaken,  mit  denen  dieselben  in  der  Mauer 
hätten  befestigt  werden  müssen,  hat  sich  vorgefunden. 

Weitere  Nachrichten  über  die  polychrome  Ausstattung  des  Münstei*s 
erhalten  wir  erst  nach  fast  200  Jahren  durch  den  anonymen  Biographen 
des  um  1018  verstorbenen  Lütticher  Bischofs  Balderich  11.^  Dessen  Mit- 
theilung lautet  in  der  von  Käntzeler  besorgten  Uebersetzung  des  Aquis- 

')  Vitn  Baldcrici  Eimsc.  Anonym.  1053.     Pcrtz,  Mouuin.  S.  IV,  794. 


—  117  — 

granum  von  ä  Beeck  (S.  143):  „Mit  Recht  liat  auch  Kaiser  Otto  III.,  als 
er  einst  im  königlichen  Palaste,  dem  königlichen  Sitze  und  dem  Staats- 
Wohnsitze  seinen  Aufenthalt  hatte  und  dabei  bemerkte,  dass  die  dortige 
Kapelle  noch  nicht  mit  Malerei  genug  geschmückt  sei,  aus  Eifer  für  des 
Gotteshauses  Zier  den  ehrenwerthen  Mann  Johannes,  von  Geburt  und 
Sprache  Italiener,  einen  überaus  geschickten  Maler  aus  Italien  zu  sich 
gerufen  und  ihm  aufgetragen,  an  dieses  Geschäft  seine  geschickte  Hand 
zu  legen.  Er  folgte  seinem  Befehle  und  hat  ein  besonderes  Kunstwerk 
in  Aachen  zu  Stande  gebracht,  obgleich  es  durch  die  Länge  der  Zeit,  wie 
alle  Dinge,  vergangen  ist."  Ueberall,  wo  diese  Mittheiluug  verwerthet 
w^rd,  wird  sie  auf  die  Restauration  der  karoüngischen  Mosaiken  bezogen; 
allein  in  derselben  ist  ausdrücklich  die  Rede  von  einer  weitern  maleri- 
schen Ausschmückung  des  nicht  hinreichend  mit  Malerei  versehenen  Münsters 
und  dementsprechend  haben  sich  denn  auch  in  jüngerer  Zeit  anlässlich  der 
im  Münster  vorgenommenen  Restaurationsarbeiten  Reste  der  Malereien  des 
italienischen  Meisters  unter  der  Pliesterung  des  Gewölbes  im  Glockenthurm 
auf  dem  Hochmünster,  auf  den  Wänden  des  letztern,  in  dem  zugemauerten 
Fenster  oberhalb  der  vom  Hochmünster  zur  Gallerie  der  Kreuzkapelle 
führenden  Thüre  und  in  der  Treppe  im  nördlichen  Treppenthurme  vor- 
gefunden. 

Dieselben  zeigen  durchweg  einen  ornamentalen  Charakter,  was  jedoch 
nicht  ausschliesst,  dass  auch  Figurenmalereien  vorhanden  gewesen  sind. 
Wir  wollen  versuchen,  eine  kurze  Beschreibung  der  Malereien  zu  geben, 
wenngleich  dieselbe  ohne  Beigabe  von  Abbildungen  mangelhaft  bleiben  muss. 

Der  grössere  Theil  der  üeberreste  dieser  Malerei  befindet  sich  im 
Glockenthurm  auf  dem  Hochmünster.  An  der  Unterfläche  des  Gewölbes 
erkennt  man  noch  jetzt  die  Reste  von  zwei  grösseren  Kreisen,  welche 
durch  einen  rothen  und  einen  weissen  Streifen  umrahmt  sind.  Allem  An- 
scheine nach  befanden  sich  an  diesem  Gewölbe  sechs  solcher  Kreise,  welche 
durch  ein  etwa  0,70  m  breites  Band  eingefasst  waren.  Dieses  Band  wies 
drei  Reihen  in  rother  Farbe  dargestellter  Quadrate  auf,  und  befanden  sich 
an  den  Enden  wieder  in  rother  Farbe  hergestellte  Kreise.  Das  Innere  der 
sämmtlichen  Kreise  war  weiss.  Ob  dasselbe  zur  Ausfüllung  mit  figürlichen 
Darstellungen  bestimmt  war,  Hess  sich  nicht  mehr  feststellen.  Auch  die 
das  Glockenhaus  gegen  AVesten  abscliliessende  Mauer  enthält  noch  Reste 
von  Malereien,  deren  Gegenstand  jedoch  nicht  mehr  zu  erkennen  ist.  Besser 
erkennbar  ist  die  Malerei  der  Unteransicht  der  Gurtbogen  im  Glockenthurm. 
Die  Malerei  des  an  der  Westmauer  anliegenden  Gurtbogens  besteht  aus 
drei  Reihen  von  aneinanderliegenden  Quadraten,  welche  durch  rothe  Streifen 
gebildet  sind,  und  deren  Fond  zwischen  Leichtroth  und  Gelb  abwechselt. 
Im  Innern  dieser  Quadrate  befindet  sich  ein  kleiner  rother  Kreis.  Der 
gegen  Osten  befindliche  Bogen  des  Glockenthurmes  zeigt  an  seiner  Unter- 
ansicht ein  aus  vier  geraden,  kurzen  Linien  gebildetes  Zickzackrauster, 
welches  sich  in  weisser  Farbe  von  gelbem  Grunde  abhebt.  Dieses  Zickzack- 
muster wird  durcli  einen  rothen  Streifen  am  Rande  des  Bogens  eingefasst; 
der  Streifen  zieht  sich  auch  der  Stirnseite  des  Bogens  entlang.   Die  Unter- 


—  118  — 

ansieht  der  Reste  der  drei  kleinen  Bogen,  welche  ehemals  von  den  daselbst 
stehenden  Marmorsäulen,  die  zwischen  dem  Glockenthurm  und  dem  Hoch- 
münster sich  befanden,  getragen  wurden,  zeigt  einen  gelben  Fond  von 
einem  inneren  weissen  und  äusseren  rothen  Streifen  eingefasst;  der  letztere 
läuft  wiederum  der  Stirnseite  des  Bogens  entlang  und  setzt  sich  fort  da- 
selbst am  Anfange  des  Bogens,  sowie  an  der  Stelle,  wo  das  Mauerwerk 
des  Bogens  an  die  Mauer  anstösst.  Diesem  rothen  Streifen  zunächst  be- 
findet sich  im  Bogenzwickel  ein  gelber,  welchem  sich  ein  grauer  anschliesst, 
der  den  gelben  Fond  unifasst. 

Entlang  der  Gewölberundung,  welche  sich  über  das  westliche  Quadrat 
des  RundschiflFes  spannt,  befand  sich  eine  fortlaufende  geometrische  Ver- 
zierung dicht  an  der  Stelle,  wo  dies  Gewölbe  an  die  Säulenstellung,  welche 
das  Glockenhaus  vom  RundschiflF  trennt,  anstösst.  Die  Zeichnung  war 
braun  auf  gelbem  Fond,  welcher  an  der  Seite  durch  braune  Linien  ein- 
gefasst war.  Neben  diesem  geometrischen  Muster,  dem  Oktogon  zu,  befand 
sich  eine  weitere  in  rother  Farbe  ausgeführte  Verzierung,  deren  geringe 
Ueberbleibsel  jedoch  die  ursprüngliche  Darstellung  nicht  mehr  erkennen 
lassen.  Reste  eines  breiten  Streifens  in  schwarzer,  gelber  und  rother  Farbe 
befinden  sich  am  westlichen  Bogen  des  Oktogons,  an  der  Seite  des  Krönungs- 
stuhles. 

Die  Grundform  der  Verzierung  in  der  Laibung  des  Fensters  über  der 
Thür,  welche  vom  Hochmünster  zur  Gallerie  der  Kreuzkapelle  führt,  bildet 
ein  Quadrat,  in  welches  ein  Kreis  in  gelber  Farbe  eingezeichnet  ist,  dessen 
Peripherie  die  Seiten  des  Quadrats  berührt.  Die  liierdurch  gebildeten  vier 
Zwickel  sind  in  grauer  Farbe  gehalten.  Die  vier  Seiten  des  Quadrats 
bilden  die  Durchmesser  von  ebensovielen  Halbkreisen,  von  welchen  der 
obere  in  schwarzer,  der  untere  in  brauner  und  die  beiden  an  den  Seiten 
in  weisser  Farbe  hergestellt  sind.  Durch  diese  Zeichnung  wird  die  Form 
eines  griechischen  Kreuzes  mit  abgerundeten  Kreuzbalken  hervorgebracht, 
welche  sich  berührend  übereinander  stehen  und  sich  wiederholend  das  ein- 
fassende Band  bilden.  Dicht  an  die  Querbalken  des  Kreuzes  anschliessend 
läuft  an  der  ehemals  der  Verglasung  des  Fensters  zugekehrten  Seite  ein 
schwarzer  Streifen,  neben  welchem  sich  ein  gelber  befindet,  der,  dem  Glase 
zu,  durch  einen  Perlstab  begrenzt  ist.  An  der  anderen  Seite  sind  die 
Kreuze  ebenfalls  durch  einen  schwarzen  Streifen  berührt,  welcher  die  Kante, 
die  das  Mauerwerk  zwischen  der  Fensterlaibung  und  der  Stirnmauer  bildet, 
einfasst,  und  in  der  letzteren  den  Bogen  entlang  sich  fortzieht.  Der  Fond 
zwischen  den  Kreuzen  und  den  dieselben  einfassenden  Streifen  ist  ein  leichtes 
Rosaroth. 

In  der  Laibung  der  im  Rundbogen  überwölbten,  jetzt  durch  ein  Gitter 
verschlossenen  Thür,  die  sich  in  der  nördlichen  Wendeltreppe  vorfindet, 
sind  ebenfalls  noch  Reste  von  Malereien  aus  der  ottonischen  Zeit  vorhanden, 
jedoch  auch  in  sehr  defektem  Zustande.  Erkennbar  ist  nur  noch  eine  der 
Wölbung  des  Bogens  entlang  laufende,  auf  gelbem  Fond  in  rothen  Linien 
ausgeführte  Reihe  vierblätteriger  Blumen,  die,  etwa  zehn  Centimeter  von 
einander  entfernt,  sich  wiederholen.   Die  einzelnen  Blumen  sind  durch  rothe 


—   110  — 

striche  zu  einem  fortlaufenden  Ornament  verbunden,  welches  an  der  einen 
Seite  durch  einen  dunkelgrünen,  an  der  anderen  Seite  durch  einen  rothen 
Streifen  eingefasst  war.  Neben  dem  letzteren  Streifen,  nach  aussen  hin, 
war  die  Unteransicht  des  Thürbogens  noch  mit  Malereien  bedeckt,  die  sich 
aber  in  so  schlechtem  Zustande  befinden,  dass  schwerlich  mehr  das  ursprüng- 
liche Bild  zu  enträthseln  sein  wird. 

Es  ist  dies  Alles,  was  von  jenen  Malereien  bis  jetzt  aufgefunden 
worden  ist. 

Die  teclinische  Ausführung  dieser  Malerei  scheint  in  einer  Art  al 
fresco  geschelien  zu  sein,  wobei  die  Farben  in  die  noch  feuchte  oder 
angefeuchtete  Pliesterung  mit  dem  Pinsel  etwas  eingedrückt  wurden.  Für 
das  hohe  Alter  von  fast  900  Jahren  sind  die  Farben  noch  gut  erhalten, 
und  dürfte  ein  grosser  Theil  der  jetzigen  Abblassung  derselben  darauf 
zurück  zu  führen  sein,  dass  später,  doch  nach  dem  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts, über  der  Malerei  eine  neue  Pliesterung  angebracht  worden  ist, 
wodurch  die  Farben  nothwendig  schwer  leiden  mussten.  Die  Farben  in  der 
Fensterlaibung  über  der  Thür  zur  Kreuzkapelle,  welche  nicht  überpliestert 
worden  sind,  haben  sich  viel  besser  erhalten  als  die  überpliesterten  im 
Glockenhause.  Es  ist  anzunehmen,  dass  zur  Zeit  als  dieses  Fenster  zuge- 
mauert wurde,  die  Malerei  des  Hochmünsters  im  Allgemeinen  noch  die 
Erhaltung  zeigte  wie  die  dieses  Fensters. 

Der  Gepflogenheit  der  mittelalterlichen  Künstler,  ihren  Namen  der 

Nachwelt  zu  erhalten,  ist  auch  der  Maler  Johannes  treu  geblieben.    Nur 

zwei  Verse  sind  von  der  Zeit  und  Werth  seines  Werkes  in  nicht  gerade 

bescheiden  zu  nennender  Weise  verewigenden  Inschrift  übrig  geblieben. 

Sie  lauten: 

A  patriae  nido  rapuit  me  tertius  Otto 

Ciaret  Aquis,  sane  tua  qua  valeat  manus  arte^ 

Zum  Lohne  für  diese  Arbeit  beschenkte  derselbe  Otto  den  Johannes 
mit  der  bischöflichen  Würde  in  Italien;  doch  durcli  den  Herzog  der  Provinz, 
worin  der  Bischofssitz  lag,  abgehalten,  weil  dieser  den  an  Sitten  und 
Frömmigkeit  ausgezeichneten  Mann  lieber  durch  die  Heirath  mit  seiner 
Tochter  erheben  wollte  als  durch  die  bischöfliche  Würde,  verliess  Johannes 
aus  Liebe  zur  Keuschheit  Italien  und  stellte  sich  bei  dem  Kaiser  wieder 
ein.  Endlich  ist  er  zu  Lüttich  zur  Zeit  Bischofs  Balderich  den  Weg  alles 
Fleisches  gegangen  und  ruhet  dort  in  der  Kirche  des  hl.  Jakobus  in  der 
Nähe  des  Altars  des  hl.  Märtyrers  Lambertus^ 

Man  setzte  ihm  folgende  Grabschrift: 

Sta,  lege,  quod  spectas,  in  me  pia  viscera  flectas. 
Quod  sum,  fert  tumulus,  quod  fuerim  titulus 

Italiae  natus  — 

Qua  probat  arte  nuinum,  dat  Aquis,  dat  cemere  planum 
Picta  domus  Caroli,  rara  sub  axe  poli^ 

')  Vita  Balderici  Episoopi,  Anonym.  1053,  in  Pertz,  Monuin.  S.  IV,  724. 
"^)  Aquisgranum.     Deutsche  Uebersetzung  von  Käutzelcr  S.  144. 
*)  Chapeavillo,  Gesta  pontif.  Leod.     Tom.  I,  p.  230. 


—   120  — 

Wir  wissen  nicht,  wie  lange  die  Schöpfung  des  Malers  Johannes  intakt 
geblieben  ist,  doch  steht  fest,  dass  sie  gegen  Ende  des  15.  Jahrhundeils 
auf  dem  Hochmünster  noch  vorhanden  war. 

Zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  wurden  die  letzten  Mosaiken  in  der 
Kuppel  des  Münsters,  wahrscheinlich  weil  sie  schadhaft  geworden  waren, 
abgenommen.  Das  Stiftskapitel  beschloss,  die  Wände  und  die  Kuppel  dem 
Zeitgeist  entsprechend,  mit  plastischen  Darstellungen  in  Gyps  zu  schmücken. 
Mit  dieser  Aufgabe  betraute  dasselbe  nach  den  Angaben  von  Quix  und 
Käntzeler  den  italienischen  Künstler  Altari.  Er  begann  seine  Arbeit  im 
Jahre  1719.     Hierauf  dürfte  sich  auch  das  Chronogramm: 

saLVe  o  pla,  o  DVLCIs  VIrgo  Maria 
beziehen,  welches  an  der  westlichen  Stirnseite  des  Bogens  stand,  der  das 
Chor  vom  RundschiflF  treimt. 

Die  Arbeiten  Altaris  sollen  nach  Käntzeler'  sich  bis  zum  Jahre  1730 
hingezogen  haben.  Es  mag  dies  richtig  sein,  da  zu  einer  soleheu  umfassenden 
Arbeit  ein  Zeitraum  von  10  bis  11  Jahren  nicht  zu  lang  erscheint.  Die 
weitere  Nachricht  Käntzelers,  dass  1729  die  Kuppel  des  Münsters  ein- 
gestürzt sei,  muss  auf  einem  Irrthum  beruhen,  da  die  ursprüngliche  karo- 
lingische  Kuppel  heute  noch  unversehrt  besteht.  Wenn  auch  die  stilwidrige 
Stuckverzierung  vom  Standpunkte  der  Kunst  aufs  tiefste  beklagt  werden 
muss,  so  lässt  sich  doch  nicht  verkennen,  dass  Altari  in  seinem  Fache  ein 
hervorragender  Meister  war.  Der  konstruktive  Anfang  der  Kuppel  liegt 
in  der  Höhe  des  Bogenansatzes  der  Fenster  des  Oktogons;  der  dekorative 
Anfang  der  Altarischen  Stuckarbeit  ging  höher  hinauf,  er  setzte  erst  0,76  m 
über  den  Fenstern  des  Oktogons  an. 

Nach  der  Darstellung  Altaris  schien  die  Kuppel  von  16  Engelu 
getragen,  welche  zu  je  zwei  auf  den  Ausläufern  der  acht  Pfeiler  des  Oktogons 
standen.  Die  Kuppel  war  in  Ai*t  einer  leichten  Calottc  behandelt,  deren 
acht  Felder  durch  nach  oben  sich  verjüngenden  Medaillons  mit  Blatt- 
umrahmung belebt  waren.  Das  Innere  der  Medaillons  war  in  blauem  mit 
Gold  durchsetzten  Tone  gehalten.  Da,  wo  die  Galotte  die  acht  Mauer- 
flächen berührte,  befanden  sich  halbrunde  Ausschnitte,  unter  denen  auf 
schwerem  Gesimse  Moses  und  sieben  andere  Propheten  sassen,  auf  besonderen 
Spruch  tafeln  die  entsprechenden,  von  ihnen  gemachten  messianischen  Weis- 
sagungen tragend.  Sowohl  die  Engel  wie  die  Propheten  waren  in  mehr 
als  Lebensgrösse,  als  Vollfiguren,  letztere  in  sitzender  Stellung  ausgeführt. 
Die  Figuren  wurden  durch  im  Innern  derselben  angebiaclite  Eisenstangen 
zusammengehalten. 

Die  Fenster  sowie  deren  Laibungen  erhielten  ebenfolls  Verzierung. 
An  die  einfassende  Umrahmung  schloss  sich  die  Verzierung  der  Laibung 
an,  in  welcher,  als  Reminiscenz  ihres  früheren  Schmuckes,  Mosaikpasten 
auf  Blumenblättern  angebracht  waren.  In  dem  Fenster  des  Oktogons,  welches 
die  Durchsicht  zum  Chor  bietet,  war  ein  gekrönter  Doppeladler  angebracht, 
unter  welchem  Nachbildungen  von  Türkentrophäen,  Fahnen,  Rossschweife 
u.  s.  w.  sich  befanden. 


')  ti  Beeck,  Aquisgranum ;  Deutsche  Uebersetzung  S.  358. 


—  121  — 

Auf  (1.  r  Höhe  des  Anfanges  der  drei  von  den  Marmorsäulen  getragenen 
kleinen  Bogen  lag  ein  durchgehender  Kämpfer,  welcher  in  den  einspringenden 
Ecken  Konsolen  bildete,  die  durch  je  einen  geflügelten  Engelskopf  getragen 
wurden.  Auf  jeder  dieser  Konsolen  stand  eine  lebensgrosse  Statue,  und 
zwar  gegen  Osten  Jesus  mit  dem  Kreuz  und  Maria  mit  dem  Jesuskinde; 
gegen  Süden  Johannes  mit  dem  Lamm  und  Paulus  mit  dem  Schwert;  gegen 
Westen  Leo  IIL  mit  dem  Kreuz  und  Karl  d.  Gr.  in  voller  Rüstung  und 
Kaisermantel,  mit  dem  Scepter  in  der  Rechten,  und  gegen  Norden  der 
hl.  Joseph  und  die  hl.  Anna,  die  letztere  ein  Kind,  die  hl.  Jungfrau,  auf 
dem  Arm  tragend.  Diese  Statuen  waren  von  vorzüglicher  Arbeit;  nur  die 
Leos  IIL  und  Karls  d.  Gr.  waren  äusserst  mangelhaft.  Dieselben  rührten 
auch  nicht  von  Altari  her,  sondern  waren  im  Jahre  1825  von  einem  hiesigen 
Bildhauer  gefertigt  worden. 

Unterhalb  des  durchgehenden  Kämpfers  und  der  von  Engelsköpfen 
getragenen  Konsolen  befanden  sich  auf  jedem  Pfeiler  zwei  dicht  neben- 
einander stehende  Paneele,  welche  bis  zur  Höhe  des  Fussbodens  des  Ober- 
geschosses hinabreichten  und  auf  dem  grossen  Gesims,  welches  in  dieser 
Höhe  ringsum  im  Innern  des  Oktogons  sich  hinzog,  standen.  In  jedem 
dieser  Paneele  hing  von  oben  herab  ein  Bandstreifen,  an  welchem  in  ver- 
schiedenen Bindungen  die  sämmtlichen  in  der  Kirche  gebräuchlichen  Geräthe, 
wie  Kelche,  Leuchter,  Weihwasserwedel,  Schlüssel,  Bischofsstäbe,  musi- 
kalische Instrumente,  dann  Kirchenpararaente,  wie  Kasel,  Stolen,  Alben, 
auch  Weihrauchlasser,  ja  sogar  ein  Blasebalg  um  das  Feuer  in  letzteren 
anzublasen,  Vortrag-  und  andere  Kreuze  etc  etc.  hingen.  Etwa  in  der 
Mitte  eines  jeden  Paneels  befand  sich,  ebenfalls  durch  den  Bandstreifen 
getragen,  ein  ovales  Medaillon,  in  welchem  die  hauptsächlichsten  Reliquien- 
behälter des  Münsters  dargestellt  waren.  Diese  Medaillons  waren  oben  mit 
einer  aus  demselben  Band  kunstreich  geschlungenen  Schleife  geschmückte 
Diese  Art  der  Belebung  der  Pfeiler  machte  jedoch  einen  eigenthümlichen 
Eindruck. 

Von  ganz  besonderer  Schönheit  war  die  Ausschmückung  der  Wände 
im  Erdgeschoss.  Hier  waren  die  Rundbogen  mit  Archivolten  versehen, 
welche  sich  auf  dem  Kämpfer  zu  einer  nach  einwärts  gehenden  spiralförmigen 
Rundung  verliefen.  Ueber  dem  Schlussstein  des  Bogens  hielten  zwei  kleine 
Engel  ein  Medaillon,  von  welchem  zwei  Blumenguirlanden  herabhingen, 
welche  mit  ihrem  unteren  Ende  an  der  Archivolte  befestigt  waren.  In 
diesen  Medaillons  waren  kleine  Szenen  aus  der  heiligen  Geschichte  dargestellt. 
In  den  acht  Zwickeln  der  Bogen,  an  den  Pfeilern  waren  die  vier  Evange- 
listen und  vier  Kirchenväter,  in  vollendet  schöner  Arbeit,  dargestellt.  Die 
Evangelisten  befanden  sich  in  der  östlichen  Hälfte  des  Oktogons  und  zwar 
links  Lukas,  dann  Johannes,  dann  Mathäus  und  rechts  Markus.  Die  an  der 
Westseite  befindlichen  Kirchenväter  waren,  an  der  Südseite  beginnend.  Am- 

• 

broüius,  dann  Hieronymus,  hierauf  Augustinus  und  an  der  Nordseite  Gregorius 
der  Grosse,  alle  in  Hochrelief  gearbeitet.  Der  Fond  der  Mauern,  an  welcher 
sie  befestigt  waren,  war  abwechselnd  in  verschiedenen  Mustern  gaufriert. 

*)  In  San  Vittorino  in  Mailand  habe  ich  eine  völlig  ähnliche  Verzierung  gesehen. 


—  122  — 

Auch  die  Boorcnsoffittcn  waren  verziert.  In  einem  in  jedem  derseU»en 
angebrachten  Paneele  waren  verschiedene  Abtheilungen,  welche  durch 
Kreise,  ovale,  längliche  Sechs-  oder  Achtecke  getrennt  waren.  In  diesen 
Abtheilungen  waren  entweder  Rankenwerk,  oder  Blumenornaraente  oder 
sonstige  Verzierungen  angebracht,  während  die  trennenden  Kreise  n.  s.  w. 
meist  mit  Blumen  oder  Sonnen  gefüllt  waren.  Alle  Arbeiten  waren  plastisch 
hoch  erhaben  und  von  schöner  kräftiger  Ausführung. 

Den  Arbeiten  im  Oktogon,  welche  lediglich  in  der  Dekoration  des 
Gewölbes  bestanden,  schlössen  sich  die  des  Rundschiffes  würdig  an. 

Die  säramtlichen  Arbeiten,  welche  Altari  im  hiesigen  Münster  aus- 
führte, waren  aus  freier  Hand  gefertigt.  Keine  gegossene  Verzierung  ist 
verwandt  worden.  Zu  den  ausgeführten  Arbeiten  wurde  zuerst  das  zu 
Fertigende  im  Rohen  aufgetragen,  und  dann  der  Gyps  in  noch  halb  feuchtem 
Zustande  in  derselben  Weise  wie  Bildhauerarbeit  ausgearbeitet.  Es  war 
dieses  eine  zwar  mühsame,  aber  auch  künstlerische  Arbeit.  Jeder  einzelne 
Theil  war  originell,  keiner  gleich  dem  anderen. 

Im  Hochmünster  traten  an  Stelle  des  plastischen  Schmuckes  Gemälde, 
welche^  durch  Bemardini  —  wohl  auch  ein  Italiener  —  seit  dem  Jahre 
1730  ausgeführt  wurden.  Sie  befanden  sich  in  der  Unteransicht  der  sechs 
schrägen  Gewölbe,  welche  über  die  drei  nördlichen  und  drei  südlichen 
Quadrate  des  Rundschiffes  gespannt  sind,  und  stellten  meist  Szenen  aus 
der  biblischen  Geschichte  vor.  Die  Figuren,  mehr  als  lebensgross,  waren 
in  Oelmalerei  ausgeführt. 

Es  w^aren  gute  Bilder,  w^elche  Bernardini  gemalt  hatte,  und  besonders 
in  der  Zeichnung  waren  sie  vorzüglich.  Bernardini  war  Meister  in  der 
Zeichnung  der  perspektivischen  Verkürzung,  nell'arte  del  sotto  in  su,  wie 
der  Italiener  es  nennt,  und  hier  hatte  er  an  den  Gewölben  des  Münsters 
vollauf  Gelegenheit,  seine  Kunst  zu  zeigen,  was  er  auch  redlich  gethan 
hat.  Im  Kolorit  war  er  weniger  glücklich;  es  mag  aber  auch  sein,  dass 
seine  Farben  späterhin  durch  äusseren  Einfluss  ihre  ursprüngliche  Kraft 
verloren  haben. 

Die  von  Bernardini  gemalten  Bilder  wurden  in  den  Jahren  1824 — 25 
durch  den  Aachener  Maler  Ferdinand  Jansen  -  restaurirt.  Auch  malte  der- 
selbe in  dem  westlichen,  dem  Glockenthurm  anliegenden  Quadrate  die  Ein- 
weihung des  Münsters  durch  Leo  III.  im  Jahre  805.  In  der  unteren  Ecke 
hatte  er  in  bescheidener  Weise  sein  eigenes  Bild  angebrachte 

Durch  die  Freigebigkeit  des  Königs  Friedrich  Wilhelm  IV.  wurden 
im  Jahre  1845  die  von  den  Franzosen  im  Jahre  1794  geraubten  Marmor-, 
Granit-  und  Porphyrsäulen,  welche  Aachen  im  Jahre  1815  zurück  erhielt, 


1 


*)  Quix,  Münsterkircbe  S.  14. 

')  Jansen  war  auch  ein  sehr  geschätzter  Dichter,  der  mehrere  Bändchen  Gedichte 
in  Aachener  Mundart  herausgegeben  hat,  welche  von  1815—1821  bei  C.  A.  MüUer  in 
Aachen  erschienen  sind.  Er  wohnte  in  dem  Hause  der  Grosskölnstrasse,  welches  heute 
mit  Nr.  51  bezeichnet  ist. 

*)  Dieses  einzige  Bild  Jansens  ist  bei  der  Zerstörung  der  Bilder  des  Hochmünsters 
initzerstört  worden,  ohne  dass  von  demselben  eine  Kopie  genommen  worden  wäre. 


—  123  — 

wieder  anfg-os^ellt.  Im  Jahre  1850  begann  der  schon  1843  gegründete 
Karlsverein  zur  Restauration  des  Aachener  Münsters  seine  praktische 
Thätigkeit  durch  den  Angriff  der  Wiederherstellungsarbeiten  am  Chor. 
Das  Stiftskapitel  beschloss,  in  der  Kuppel  des  Oktogons  das  Bild  der  Majestas 
Domini,  umgeben  von  den  vierundzwanzig  Aeltesten,  in  der  Weise  wie  es 
früher  gewesen,  in  Mosaik  ausgeführt,  anbringen  zu  lassen.  Es  schickte 
auf  seine  Kosten  einen  Zeichner  nach  Italien,  der  an  dort  vorhandenen 
Mosaiken  aus  karolingischer  Zeit  die  nöthigen  Vorstudien  machen  und 
einen  Entwurf  herstellen  sollte;  dieser  Entwurf  war  bestimmt,  dem  nun 
folgenden  Konkurrenzausschreiben  als  Grundlage  zu  dienen.  Bei  diesem 
Wettbewerb  gingen  nur  zwei  Zeichnungen  ein,  eine  von  Staatskonservator 
von  Quast  und  die  andere  von  Professor  Schneider  in  Cassel.  Als  Preis- 
richter fungirten  die  Herren  von  Salzenberg,  Schmidt,  Viskonti,  Parker, 
de  Surigni  und  Bethune.  Die  Verhandlungen  dieser  Herren  über  die  ein- 
gelaufenen beiden  Pläne  führten  zu  keinem  Result>ate.  Baron  v.  Bethune 
in  Gent  erhielt  den  Auftrag,  eine  neue  Zeichnung  für  das  anzufertigende 
Mosaikbild  zu  entwerfen.  Diese  wurde  am  1.  Juli  1871  per  majora  an- 
genommen. Mit  der  Ausführung  der  Mosaiken  wurde  Salviati  in  Venedig 
betraut,  welcher  nicht  lange  vorher  eine  Werkstätte  auf  der  Insel  Murano 
eingerichtet  hatte. 

Man  begnügte  sich  nicht  damit,  vorerst  nur  Raum  für  das  Mosaik- 
bild in  der  Kuppel  des  Oktogons  zu  schaffen,  sondern  entfernte  auch  sofort 
die  übrigen  Werke  von  Altari  und  Bernardini  mit  einer  unheimlichen  Gründ- 
lichkeit. Nicht  einmal  im  Bilde  wurden  dieselben  erhalten,  obwohl  es  da- 
mals an  warnenden  Stimmen  nicht  fehlte*. 

Zum  Anbringen  der  von  Salviati  angefertigten  Mosaikpasten  musste 
die  innere  Fläche  der  Kuppel,  die  bei  der  karolingischen  Arbeit  glatt 
geblieben  war,  besonders  hergerichtet  werden.  Hierzu  wurden  über  die 
ganze  Fläche  derselben  Rinnen  von  etwa  5  cm  Breite  und  3  cm  Tiefe 
dicht  nebeneinander  eingehauen,  damit  der  Untergrund  für  die  Mosaik- 
pasten besser  halten  sollte.  Auf  diesen  wurden  die  Mosaiken  angebracht, 
doch  nicht  in  der  Weise,  wie  es  beinahe  1000  Jahre  früher  der  italienische 
Mönch  gethan  hatte,  sondern  in  einer  von  Salviati  erfundenen  Art,  die 
sich  vor  der  ersteren  wohl  durch  Billigkeit  aber  nicht  durch  Exactheit 
und  Haltbarkeit  auszeichnete.  Salviatis  Verfahren  war  folgendes:  Das 
rausivisch  darzustellende  Bild  wurde  umgekehrt  (negativ)  auf  weichem 
Papier  gezeichnet  und  dann  die  Pasten,  mit  ihrer  Aussenfläche  der  Zeich- 
nung und  den  aufzubringenden  Farben  entsprechend,  auf  das  gezeichnete 
Bild   geklebt.     Hierbei  stand   selbstverständlich  der  von  der  Mörtelmasse 

*)  Der  nachbcrige  Stadtarchivar  Käntzelcr  schreibt  im  Feuilleton  des  „Echo  der 
Gegenwart**  vom  12.  Februar  1866:  „Ich  habe  mehrmals  Herrn  Kanonikus  N.  N.  darauf 
aufmerksam  gemacht,  wie  sich  im  Oktogon  au  den  Wänden  das  ganze  ehemalige  Inventar 
des  Aachener  Schatzes,  vom  Anfange  des  18.  Jahrhunderts,  wohl  auffinden  lasse,  so  dass 
man  daraus  ersehen  könne,  was  jetzt  noch  vorhanden  sei  und  was  mangele  von  Keliquien- 
gefässen,  gottosdienstlichen  Utensilien,  Paramenten  u.  s.  w.  Bevor  es  zum  Abschlagen 
dieser  Gypsoruamente  im  Oktogon  kommen  wird,  wäre  gewiss  eine  genaue  Abzeichnung 
dieser  Gegenstände  im  Interesse  der  Alterthuinswissenschaft  angezeigt,* 


—  124  — 

aufzunehmende  Theil  der  Pasten  aufrecht,  und  wurde  dann  das  so  her- 
gestellte  Bild  an  der  ihm  zukommenden  Stelle  mit  den  Pasten  in  die  auf- 
getragene Mörtelmasse  eingedrückt  und  blieb  so  haften  bis  der  Mörtel 
erhärtet  war.  Hierauf  wurde  dann  das  das  Bild  noch  immer  bedeckende 
Papier  mit  Wasser  abgewaschen  und  jetzt  erst  trat  das  Mosaikbild  in  die 
Erscheinung.  Dieses  Verfahren  hatte  den  Uebelstand,  dass  es  bei  dem- 
selben unmöglich  war,  während  der  Anfertigung  des  Bildes  Fehler  in  dem- 
selben sehen  und  verbessern  zu  können;  jeder  Fehler  in  der  Ausführung, 
jede  Disharmonie  in  den  Farben  und  andere  Ungehörigkelten  treten  viel- 
mehr erst  dann  zu  Tage,  wenn  das  Bild  für  immer  an  seiner  Stelle  ange- 
bracht ist.  Diese  Mängel  zeigten  sich  denn  auch  bei  dem  hiesigen  Mosaik- 
bilde; die  musivische  Fläche  wies  Unebenheiten  auf  und  Lücken  zwischen 
den  einzelnen  Pasten,  welche  stellenweise  5  Millimeter  betrugen.  Der 
hierdurch  sichtbar  werdende  Mörtel  wurde  —  mirabilc  dictu  —  mit  ent- 
sprechender Farbe  angestrichen  und  so  dem  uubewatfneten  Auge  des  arg- 
losen Zuschauers  entzogen. 

Die  in  solcher  Weise  angefertigten  Mosaiken  sind  von  der  Abnahme- 
Kommission  angenommen  worden,  und  erhielt  dafür  Salviati  die  Summe 

von 58400  Mark. 

Rechnet  man  hierzu  die  Kosten  der  Vorarbeiten  mit    .     .    23  250 


so  stellen  sich  die  Gesammtkosten  der  Mosaiken  auf   .     .     81650  Mark^ 
Gegen  Ende  Juni  1881  wurde  das  Werk  vollendet. 


Vereinsangelegenheiten. 

Bericht  über  das  Vereinsjahr  1894—1895. 

Auch  in  dem  abgelaufenen  Jahre  hat  der  Verein  sich  wieder  redlich  bemüht,  der 
Aufgabe,  die  er  sich  bei  seiner  Gründung  gestellt,  einerseits  durch  Abhaltung  von  wissen- 
schaftlichen Sitzungen  und  Ausflügen  und  andererseits  durch  Herausgabe  und  Vervoll- 
kommnung des  Vercinsorgans  nach  Möglichkeit  gerecht  zu  werden.  Die  verschiedenen 
Monatsversammlungen  waren  gut  besucht  und  verliefen,  Dank  dem  unermüdlichen  Eifer 
einzelner  Vereinsmitglieder  in  Beschaffung  interessanten  lokalgeschichtlichen  Materials,  sehr 
anregend.  Wegen  der  in  den  Sommer  des  abgelaufenen  Jahres  fallenden  Heiligthumsfahrt, 
die  naturgemäss  mancherlei  Behinderung  der  Vereiusraitglicder  im  Gefolge  hatte,  fand  nur 
ein  wissenschaftlicher  Ausflug  statt.  Derselbe  hatte  zum  Zielpunkt  das  geschichtlich 
merkwürdige  Städtchen  Aldenhoven  bei  Jülich.  Herr  Pfarrer  Schnock  verbreitete  sich 
in  einem  eingehenden  Vortrage  über  die  Geschichte  dos  Ortes,  während  Herr  Direktor 
Dr.  Wacker  über  die  Schlacht  bei  Aldenhoven  sprach.  An  die  Vorträge  schloss  sich  eine 
Besichtigung  der  Pfarrkirche  und  sonstiger  sehcnswerther  ßautcu  an.  Die  satzungs- 
gemässe  Generalversammlung  fand  am  7.  Dezember  1895  statt;  in  derselben  erstattete 
der  Vorsitzende,  Herr  Dr.  Wacker,  Bericht  über  die  Lage  und  Wirksamkeit  des  Ver- 
eins in  dem  Jahre  1894—95.  Demselben  entnehmen  wir,  dass  die  Mitgliedcrzahl  leider 
nicht  unerheblich  zurückgegangen  ist;  bange  Befürchtungen  brauchen  aber  darob  doch 
nicht  Platz  zu  greifen;  „denn  wir  haben,  so  führte  der  Vorsitzende  aus,  in  unserm  Vereine 
einen  festen  Stamm  einheimischer  Mitglieder,  deren  Festhalten  am  Verein  uns  gesichert 


«)  Vgl.  Kölnische  Volkszeitung  vom  1.  Juli  1881,  Nr.  179,  vom  11.  Juli  1881,  Nr.  189 
und  vom  23.  September  1881,  Nr.  2G3. 


—  125  — 

ist,  deren  berechtigter  Lokalpatriotisiuus  ein  festes  Fundament  ist,  auf  dem  »ich  das 
Interesse  für  die  vaterstädtische  Geschichte  aufbant.  An  der  Peripherie  jedes  Vereines 
können  wir  eine  fluotuirende  Masse  bemerken,  auf  deren  Festhalten  nicht  zn  rechnen 
ist.  Aus  Gefälligkeit  gegenüber  einem  Freunde  oder  Bekannten  eingetreten,  warten  manche 
nur  auf  eine  passende  Gelegenheit  abzuschwenken.  Alle  wissenschaftliche  Vereine  der 
Stadt  klagen  über  Abnahme  der  Theilnehmer.  Lassen  wir  uns  deshalb  nicht  irre  machen 
in  der  weitem  Verfolgung  unserer  idealen  Bestrebungen;  vor  allem  wollen  wir  die  alte 
Mitgliederzahl  durch  energische  Agitation  wieder  zu  erreichen  suchen.  Mit  250  Mitgliedern 
können  wir  voll  und  ganz  die  Aufgabe  erfüllen  und  materiell  ermöglichen,  die  wir  uns 
mit  unserer  Zeitschrift  gesetzt  haben. '^  Sodann  legte  der  Schatzmeister  des  Vereins,  Herr 
Stadtverordneter  F.  Kremer  die  Jahresrechuung  vor,  die  von  zwei  Mitgliedern  geprüft 
und  für  richtig  befunden  wurde.  Dem  Schatzmeister  wurde  Entlastung  gewährt  und  der 
verdiente  Dank  für  die  sorgfältige  Kassenverwaltung  seitens  der  Generalversammlung 
ausgesprochen.    Die  Einnahmen  und  Ausgaben  stellten  sich  wie  folgt: 

Einnahmen: 

An  Kassen  bestand  aus  dem  Vorjahre M.  724.15 

211  Jahresbeiträge  für  1894 „  633.— 

2  rückständige  Jahresbeiträge  für  1893 „  6.— 

Zinsen  der  Sparkasse „  13.98 

M.  1377.13 
Ausgaben: 

Dmckkosten  der  Vereinsschrift  und  Anderes M.  933.15 

Inserate „  18.10 

Porto-Auslagen „  23.60 

Verschiedenes „  24.— 

Kassenbestand w  „  378.28 

M.  1377.13 

Nach  Erledigung  des  geschäftlichen  Theiles  der  Generalversammlung  folgte  noch  eine 
Beihe  interessanter  geschichtlicher  Mittheilungen;  u.  a.  berichtete  der  Vorsitzende  über 
das  weitere  Schicksal  der  chiffrirten  Briefe  des  französischen  Generals  Davoüts  an  Napoleon, 
deren  Entzifferung  endlich  gelungen  ist.  Das  Nähere  darüber  hat  Herr  Dr.  Wacker  in 
der  Zeitschrift  des  Görresvereins  veröffentlicht. 


—  126  — 


Verzeichniss  der  Mitglieder. 


L  Vorstand. 

Erster  Vorsitzender:  Wacker,  Dr.  K.,  Direktor  der  Lehrerinnen-Bildungs- 
anstalt in  Aachen. 

Zweiter  Vorsitzender  und  Redakteur:  Schnouk,  H.,  Strafanstalts-Pfarrer 
in  Aachen. 

Schriftführer:  Oppenhoff,  F.,  Gyranasial-Oberlehrer  in  Aachen. 

Bibliothekar:  Schollen,  M.,  Staatsanwaltschafts-Sekretär  in  Aachen. 

Kassirer:  Kremer,  F.,  Buchhändler  und  Stadtverordneter  in  Aachen. 

Beisitzer:  Rhoen,  C,  Architekt 

Menghius,  C.  W.,  Stadtverordneter. 
Spoeigen,  Dr.  J.,  Oberlehrer. 
Jardon,  Dr.  A.,  Gymnasiallehrer. 
Schaf frath,  J.,  Stadtverordneter. 
Glas  Ben,  J.,  Kaufmann. 

IL  Mitglieder. 


Adams,  Hub.,  Kgl.  Notar  in  Aachen. 
A Isters,  Dr.,  Professor  in  Aachen. 
Barth,  Apotheker  in  Aachen. 
Baurmann,  Dr.  L.,  in  Aachen. 
Becker,  J.,  Pfarrer  in  Weidesheim. 
B eissei.  Mar.  Wilh.,  Rentnerin  in  Aachen. 
Bertaut,  L.  Fabrikbesitzer  in  Aachen. 
Bibliothek  des  Landkreises  Aachen. 
Biesing,  Fritz,  Rentner  in  Aachen. 
Bock,  Dr.  Frz.,  Rentner  in  Aachen. 
Bock,  P.,  Nadelfabrikant  in  Aachen. 
Bock,  0.,  jr.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Böcke  1er,  H.,  Direktor  in  Aachen. 
Bott,  Bürgermeister  in  Forst. 
Brückner,  Dr.,  Arzt  in  Aachen. 
Brnns,  Fritz,  in  Werden  a.  d.  Ruhr. 
Buchholz,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Buchkremer,  Jos.,  Privatdozent  in  Aachen. 
Bücken,  Win.,  Uhrmacher  in  Aachen. 
Gapellmann,  R.,  Geometer  in  Aachen. 
Gazin,  Frz.,  Ingenieur  in  Denver,  Co. 

Amerika. 
Ghantraine,  Dr.  "W.,  Arzt  in  Aachen. 
Gharlier,  A.,  Restaurateur  in  Forst. 
Glar,  Dr.,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Aachen. 
G lassen,  J.  J.,  Pfarrer  in  Verlautenheide. 
G lassen,  J.,  Kaufmann  in  Aachen. 
G lassen,  Dr.  J.,  Arzt  in  Aachen. 
G lassen,  Jak.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Glassen,  M.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Gornely,  Bürgermeister  a.D.  in  Elchenrath. 
Gossmann,  Th.,  Möbelfabrikant  in  Aachen. 
Gremer,  £.,  Hauptlehrer  in  Aachen. 
Cremer,  Jos.,  Bauunternehmer  in  Aachen. 


Gremer,  M.,  Lehrer  an  der  Lehrerinnen- 
Bildungsanstalt  in  Aachen. 

Greutier,  A.,  Buchhändler  in  Aachen. 

D ahmen,  Frz.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Daverkosen,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Demeuse,  Henri,  Rentner  in  Aachen. 

Deterre,  Jos.,  Buchd rucke reibesitzer  in 
Aachen. 

Dicker,  Otto,  Rentner  in  Aachen. 

Dodenhöft,  Em.,  Lehrer  a.  d.  Viktoria- 
schule in  Burtscheid. 

Drosemann,  Dr.  0.,  Redakteur  in  Köln. 

Dujardin,  P.,  Architekt  in  Aachen.* 

Eibern,  M.,  Baumeister  in  Aachen. 

Ernstes,  Rieh.,  Kratzenfabrikant  in  Burt- 
scheid. 

Eschweiler,  Pfarrer  in  Gürzenich. 

Feld  mann,  Fritz,  Kaufmann  in  Strassburg 
im  Elsass. 

Fey,  Job.,  Landgerichts-Sekretär  in  Aachen. 

Fey,  Jos.,  Rentner  in  Aachen. 

Firmanns,  Jak.,  Juwelier  in  Aachen. 

Firmanns,  Apotheker  in  Aachen. 

Flamm,  G.  J.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Forckenbeck,  von,  Rentner  in  Aachen. 

Förster,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Fraiquin,  Lehrer  in  Aachen. 

Pranzen,  Deservitor  in  Eller. 

Geschwandner,  Dr.,  Direktor  an  der 
Viktoriaschule  in  Burtscheid. 

Genien,  Peter,  Kaufmann  in  Burtscheid. 

Geyer,  Dr.  H.,  Gymnasiallehrer  in  Wesel. 

G  Uli  am,  AI.,  Brunnenmeister  in  Aachen. 

Göbbels,  J.,  Stadtrath  in  Aachen. 


—  127  -- 


Gobi  et,  Aus:.,  Seifeufabrikaiit  in  Aachen. 

Goeckc,  Dr.,  Professor  in  Aachen. 

Greve,  Dr.  Th.,  Professor  in  Aachen. 

Grimmendahl,   Dr.   P.,  Gyiunasial-Ober- 
lebrer  in  Aachen. 

Gross,  H.  J.,  Pfarrer  in  Osterath. 

Hammels,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Ha  mm  er  3,  H.,  Photolithograph  in  Aachen. 

Hammers,  Job.,  Rentner  in  Aachen. 

Hansen,  Dr.  Jos.,  Stadtarchivar  in  Köln. 

Keinen,  Dr.  L.,  Arzt  in  Aachen. 

Heller,  Geometer  in  Aachen. 

Hentrich,  Gerichts- Aktuar  in  Aachen. 

Hermann,    Maschinenfabrikant    in    Bnrt- 
scheid. 

Her  mens,  Jos.,  Stadtrath  in  Aachen. 

Herren,  L.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Hess,  Job.,  Kaplan  in  Köln. 

Heucken,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Heasch,  A.,  Cand.  jur.  in  Aachen. 

Hoesch,  Otto,  Kaufmann  in  Aachen. 

Hoff,  von  den,  H.,  Justizrath  in  Aachen. 

Hon ne feller,  P.,  Photolithograph   in 
Aachen. 

Hube,    M.,    Geschäftsbücher-Fabrikant    in 
Aachen. 

Hüffer,Rüb.,  Maschinenfabrikant  in  Aachen. 

Hüntemann,    Jul.,    Schneidermeister     in 
Aachen. 

Jardon,  Dr.  A.,  Gymnasiallehrer  in  Esch- 
weiler. 

Jaalns,  Dr.  H.,  Rabbiner  in  Aachen. 

Jörissen,  Alb.,  8tud.  jur.  in  Aachen. 

Kaatzer,    Herm.,    Wtw.,    Buchdruckerei- 
besitzerin in  Aachen. 

Kaentzeler,  Jos.,  Privatgeistlicher  in  Bonn. 

Kahlau,  H.  J.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Kaltenbach,  J.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Kelleter,  Dr.  F.,  Gymuasial-Oberlehrer  in 
Aachen. 

Kelleter,  Dr.  H.,  Stadtarchiv-Assistentin 
Köln. 

Kickartz,  J.,  Gasraeister  in  Aachen. 

Klausener,   Bürgermeister  in   Burtscheid. 

Klevisch,  Greg.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Klinkenberg,    Dr.,   (iyranasial-Oberlehrer 
in  Köln. 

Klinkenberg,  P.  H.,  Conditur  in  Aachen. 

Koch,  H.  H.,  Dr.  theol.,  Militär-Oborpfarrer 
und  Division-^pfurrcr  in  Frankfurt  a.  M. 

Koehn,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Aachen. 

Körfer,  Herrn.,  Breunereibesitzer  in  Roth o 
Erde. 

Kremer,  Ferd.,  Stadtrath  in  Aachen. 

Krichel,  J.  31.,  Rcndant  in  Aachen. 


K  r  u  s z  e  w s k i ,  Dr.  A.,  Gymnasial-Oberlehrer 

in  Aachen. 
Kuetgens,  P.,  Stadtrath  in  Aachen. 
Lambertz,    H.,     Pianofortefabrikant     in 

Aachen. 
Lamberz,  Emil,  Ingenieur  in  Aachen. 
Lauffs,  Fr.,  Rektor  in  Satzvey. 
Lennartz,  W.,  Hof-Uhrmacher  in  Aachen. 
Lentzen,  P.  A.,  Fabrikdirektor  in  Aachen. 
Lorsch,  Dr.,  Arzt  in  Aachen. 
Lessenich,  M.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Linnartz,   Direktor   der  Pro vinzial -Taub- 
stummenanstalt in  Aachen. 
Lippmann,  Otto,  Fabrikant  in  Aachen. 
Lob,  R.,  Fabrikant  in  Burtscheid. 
Lörkens,  Dr.  J.,  Professor  der  Rechte  in 

Freiburg  i.  d.  Schweiz. 
Loersch,  Dr.  H.,  Geheim.  Justizrath,  Pro- 
fessor der  Rechte  in  Bonn. 
Lovens,    Jakob,    Pianoforte-Fabrikant    in 

Aachen. 
Lücke  rat  h,  W.,  Pfarrer  in  Waldfeucht. 
Maassen,    Arthur,    Dachdeckermeister    in 

Aachen. 
Mac  CO,  H.  F.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Mahr,  Gerb.,  Heizungsfabrikant  in  Aachen. 
Maus,  Heinr.,  Kunstgärtner  in  Aachen. 
Med  er,    Dr.   J.,    Gymnasial-Oberlehrer    in 

Aachen. 
Menghius,  0.  W.,  Stadtrath  in  Aachen. 
Messe w.  Frz.  G.,  Rentner  in  Aachen. 
Meurer,  Dr.  A.,  Realgymnasial-Obcrlehrer 

in  Aachen. 
Michels,  Jos.,  Hotelbesitzer  in  Aachen. 
Möhlich,    Job.,    Königl.    Aratsanwalt    in 

Aachen. 
Mülle nmeister,    J.,    Tuch-Fabrikant    in 

Aachen. 
Nelson,  Dr.  J.,  Professor  in  Burtscheid. 
Neu,  Frz.,  Rektor  in  Aachen. 
Nenfforge,  Th.  von,  Kaufmann  in  Aachen. 
Ncujean,  Eg.,  Maler  in  Aachen. 
Niederau,  W.,  Agent  in  Burtscheid. 
Niessen,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Noethlichs,  Gottfr.,  Lehrer  in  Aachen. 
Ochs,  Pfarrer  in  Steinfeld. 
Oidtmann,    Dr.    Heinr.,    Glasmalerei    in 

Linnich. 
Oppenhoff,    F.,   Gymnasial-Oberlehrer   in 

Aachen. 
Otten,     Heinrich,    Cigarren-Fabrikant    in 

Aachen. 
Pauls,  E.,  Rentner  in  Düsseldorf. 
Paulssen,  Frz.,  Stadtrath  in  Aachen. 
Peelcn,  Ferd.,  Pliestcnucister  in  Aachen. 


—   128  — 


Peltzer,  Gast.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Peppermülier,  Oberbibliothekar  in  Aachen. 
Pier,  von,  Hrch.,  Nadelfabrikant  in  Aachen. 
Pier,  von,  Louis,  Nadelfabrikant  in  Aachen. 
Pohl,  Wilh.,  Bildhauer  in  Aachen. 
Polis,  Peter,  Fabrikant  in  Aachen. 
Polis,  Pierre,  Fabrikant  in  Aachen. 
Pschmadt,   Realgymnasial  -  Vorschullehrer 

in  Aachen. 
POtz,  Jak.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Quadt,  Max,  Rektor  in  Aachen. 
Qu  ad  flieg,  Lehrer  in  Aachen. 
Reinartz,  Job.,  Architekt  in  Bnrtscheid. 
Rey,  van,  A.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Rhoen,  C,  Architekt  in  Aachen. 
Roo rings,  Aug.,  jr.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Rossum,  Rud.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Rüben,  J.,  Bauunternehmer  in  Aachen. 
Rtttgers,  F.  J.,  Juwelier  in  Aachen. 
Saedler,  H.,  Pfarrer  in  Derendorf. 
Savelsberg,  Dr.  H.,  Gymnasial-Oberlehrer 

in  Aachen. 
Senden,  Major  im  2.  Bad.  Feld- Artillerie- 
Regiment  Nr.  30  in  Rastatt. 
Sommer,  Dr.,  Professor  in  Aachen. 
Schaf frath,  J.,  Stadtrath  in  Aachen. 
Schervier,  Aug.,  Fabrikant  in  Aachen. 
Schiffers,Hnb.,Steinmetzmoi8terinRaeren. 
Schillings,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Schlesinger,  M.,  Redakteur  in  Aachen. 
Schmitz,  H.,  Realgymnasial-Oberlehrer  in 

Aachen. 
Schmitz,  C,  Stadtrath  in  Aachen. 
Schmitz,  P.,  Havanna-Import-Geschäft  in 

Aachen. 
Schneider,  Frz.,  Apotheker  in  Aachen. 
Schnock,  H.,  Strafanstultspfarrer  in  Aachen. 
Schnütgen,  Gymnasial-Oberlehrer  in 

Aachen. 
Schollen,  M.,  StaatsanwaltHchafts-Sekretär 

in  Aachen. 
Schulze,  Job.,  Gymnasial-Vorschullehrer  in 

Aachen. 
Schumacher,  Wilh.,  Zeichner  in  Aachen. 


Schwartzcnber^,    von,    Fr.,    Steinmetz- 

meister  in  Aachen. 
Schweitzer,  J.,  Buchhändler  in    A&chen. 
S  p  0  e  l  g  e  n ,  Dr.  J.,  Realgymnasial-Oberlehrer 

in  Aachen. 
Springsfeld,  Dr.,  Arzt  in  Aachen. 
Stanislaus,  Aug.,  Flaschenbiergeschäft  in 

Aachen. 
Steinraeister,  Carl,  Cigarrenfabrikant   in 

Aachen. 
Strom,  Frz.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Talbot,  Hugo,  Rentner  in  Aachen. 
Theissen,    Job.    Pet.,    Reg.-Sekretär     in 

Aachen. 
Theissen,  Hrch.,  Hotelbesitzer  in  Aachen. 
Thoma,  Dr.,  Arzt  in  Aachen. 
Thom6,  Ferd.,  Buchhalter  in  Aachen. 
Thyssen,  Edm.,  Architekt  in  Aachen. 
Tönissen,  Wilh.,  Pfarrer  in  Borbeck, 
ürlichs,  Barth.,  Buchdruckereibesitzer  in 

Aachen. 
Vaassen,  Dr.  B.,  Rechtsanwalt  in  A&dien. 
Valtmann,  H.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Vi  gier,  Louis,  Schirmfabrikant  in  Aachen. 
V  i  n  c  k  e  n ,  Mich.,  Oberpostdirektions-Sekret&r 

in  Aachen. 
Vogelgesang,  C,  Kaufmann  in  Aachen. 
Wacker,  Dr.  C,  Direktor  a.  d.  Lehrerinnen- 

bildungsanst^lt  in  Aachen. 
Wangemannn,  Dr.  P.,  Zahnarzt  in  Aachen. 
Weber,  Arthur,  Kaufmann  in  Aachen. 
Weber,  Alex,  Lehrer  a.  d.  Webeschule  in 

Aachen. 
Weidenhaupt,  P.,  Lehrer  in  Aachen. 
Welter,  H.,  Rechtsanwalt  in  Aachen. 
Wen  dl  and,  L.,  Pfarrer  in  Rheinbach. 
Weyers,  Rodr.,  Buchhändler  in  Aachen. 
Wieth,    Dr.    H.,    Gymnasial-Oberlehrer    in 

Colmar. 
Wings,  Fr.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Wirtz,  P.,  Reg.-Sekretär  in  Aachen. 
Zimmermann,    Bürgermeister    a.    D.    in 

Aachen. 


Verlag  der  Cremer'schen  Buclihandlung  (C.  Caziii)  in  Aachen. 

Die  Aachener  Geschichtsforschung. 

Entgegnung  auf  die  „Kritische  Studie"  des  Herrn  Dr.  LuIyös 

über 

„Die  gegenwärtigen  Geschicbtsbestrebnngen  in  Aaclien**. 

Mit  UntcrstUUuüg  Aachener  Üeschicbtsfreundc  herausgegeben  von  Dr.  C.  WSiCker. 

96  S.  gr.  8*».    Preis  JL  1.80. 


DkICK  \(»N   UkKMANN  KAAl/.hU  IN  AA(  hun. 


rs  f  011111 

MinElLÜNGEN  DES  VEREINS  FÜR  KIDE  DER  AACHENER  VORZEIT 

IM  AUFTRAG  DES  VEREINS  HERAUSGEGEBEN 

TOS 

HEINRICH  SCHNOCK. 

NEUNTER  JAHRGAN6. 


AACHEN. 

Kommissions-Vbbi.40  dkr  Obemkkschen  Büchhandldno  (C.  Cäzin). 
1S96. 


INHÄLT. 


Seite 

1.  Schönau.    Von  H.  J.  Gross 1 

2.  Christliche  Auslegung  einer  bösen  Karlssage.    Von  B.  M.  Lersch  .    .      88 

3.  Über  das  Zusammenleben  der  Stiftsgeistlichkeit  zur  Zeit  der  Karolinger. 
Von  H.  Schnock 85 

4.  Kleinere  Mitteilungen: 

1.  Handschriftliche  Aufzeichnungen  (1758—1785)  im  Stadtarchiv  zu 
Aachen.    Von  M.  Schollen 41 

2.  Theodor  Zimmers.    Von  J.  Fey 44 

8.  Die  Anwesenheit  einer  hanseatischen  Gesandtschaft  an  König 

Philipp  ni.  von  Spanien  in  Aachen  im  Dezember  1006.    Von 

F.  Oppenhoff 47 

4.  Ein  merkwürdiger  Fund.    (Briefe  Davouts  an  Napoleon  I.)   Von 
C.  Wacker 48 

5.  Schönau.    (Fortsetzung.)    Von  H.  J.  Gross 49 

6.  Kleinere  Mitteilungen: 

1.  Aktenstücke  aus  dem  Aachener  Stadtarchiv  (1795—1805).    Von 

W.  Brüning.    . 92 

2.  Veranstaltung  von  Maskenbällen  bei  festlichen  Gelegenheiten  im 
vorigen  Jahrhundert Von  M.  Schollen.      95 

8.  Zur  Geschichte  des  Kreuzherrenklosters.  .    .    „      „           „  96 

4.  Anordnung  einer  Prozession  durch  den  Bat  .    „      „           „  96 

5.  Fleischverkauf  in  der  Fastenzeit n      n            n  ^^ 

7.  Schönau.    (Fortsetzung.)    Von  H.  J.  Gross 97 

8.  Der  Maler  Johann  Adam  Eberle.    Von  J.  Fey 119 

9.  Bericht  über  das  Vereinsjahr  1895—1896 128 


•}-*®4-^- 


Jährlich  8  Nummcni  EommiBsiona -Verlag 

I  1  Bogen  Royal  OkUv.  ^^"^ 

Cremer'schen  BnchhaDdlung 
Preis  des  Jahrgangs  ^f  ,^^„ 

4  Mark.  in  Aachen. 


Mitteilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Im  Auftrage  dea  Vereins  herausgegeben  Ton  E.  Sehnaek. 


Nr.  1/3.  Nennter  Jahrgang.  1896. 


Inhalt:  E.  J.  Qross,  SchQnan.  ^  B.  H.  Lcrsch,  Christliche  Auslegang  einer  bäsen  Karlssage. 
—  H.  Schnock,  Über  das  Zusammenleben  (rita  communis)  der  Stiftsgeistlicbkeit  zur  Zeit 
der  Karolinger.  —  Kleinere  Mitteiinngen :  1.  Hand  schriftliche  Aufzeichnungen  (1753—1785) 
im  Stadtarchiv  za  Aachen.  —  2.  Theodor  Zimmers.  —  3.  Die  Anwesenheit  einer  hanseatischen 
Gesandtschaft  an  Künig  Philipp  II.  von  Spanien  in  Aachen  im  Dezemher  1606.  — 
4.  Ein  merkwürdiger  Fund. 

Schönau. 

Von  H.  J.  GroBS. 

Unter  den  vielen  Burgen,  welche  in  reichem  Kranze  die  Kaiserstadt 

Aachen  umgeben,  dürfte  kaum  eine  andere  eine  so  wechselvolle  und  lUr  die 

Sittenkunde  so  interessante  Geschichte  haben,  wie  Schönau  bei  ßichtericli. 

Wir  wollen  versuchen,  auf  den  folgenden  Blättern  dem  Leser  eine  nur  aus 

urkundlichen   und   andern  bewähiten  Quellen  geschöpfte  Darstellung  der 

Schicksale  Schönaus  und  seiner  Besitzer  zu  geben,  wobei  wir  bemerken, 

dass  alle  Nachrichten,  deren  Herkunft  nicht  besonders  angegeben  ist,  aus 

dem  ehemaligen  Schönauer  Archiv  gezogen  sind. 

I. 

Herrschaft  und  Schloss  Schönau. 

I.  Schönau  ein  „Sonnenlelien",  d.  h.  eine  freie  Herrschaft. 

Schönan  ist  nie  so  bedeutend  gewesen,  dass  seine  Besitzer  eine  Rolle 
im  Weltdrama  hätten  spielen  können,  aber  trotzdem  ist  es  jedem,  der  sich 
mit  deutscher  Eechtsgeschichte  befasst  hat,  dadurch  bekannt,  dass  es  zu 
den  wenigen  sogenannten  Sonnenlehen  zählt.  Grimm'  gibt  deren  fünf  an: 
Hennegau,  Bicholt  an  der  Maas,  Nyel  bei  Ltitticli,  Scliünau  bei  Aachen, 
Warberg  zwischen  Helmstett  und  Wolfenbüttel.  Biesen  fügt  Hansen^  noch 
folgende    bei:    Oldenburg,    Hassleben,    Elelienrode,    Heyenrode,    Bellstädt, 

■)  Deutsche  RechtsaltcrthUmcr  I,  S.  278. 

')  Zeitschrift  des  Aachener  Qesebicbts -Vereins  VI,  S.  B4,  N.  2, 


—  2  — 

UifterungeD,  Schniiedehausen,  Reckershauseii.  Auffallend  muss  es  uns  mit 
Hansen  erscheinen,  „dass  der  Ausdruck  Sonnenlehen  nur  so  selten  erscheint, 
während  noch  im  vorigen  Jahrhundert  eine  grosse  Anzahl  allodialer  Be- 
sitzungen vorhanden  war,  auf  welche  diese  Bezeichnung  nicht  angewendet 
wurde."  Weniger  auffällig  erscheint  uns  der  „Umstand,  dass  das  Mittel- 
alter in  der  Uebertragung  der  Lehnsidee  so  weit  gegangen  ist,  sich  sogar 
den  direkten  Gegensatz  des  Lehns,  denn  das  war  ja  doch  eben  das  Allod, 
im  Lehnsnexus  zu  denken".  Jene  Zeit  betrachtete  sogar  das  Recht  auf 
Arbeit,  das  doch  —  wenn  man  so  sagen  darf  —  eines  jeden  Menschen 
eigenstes  Eigen  ist,  als  ein  von  Gott  und  der  Obrigkeit  verliehenes,  und 
bezeichnete  die  Arbeit  selbst  als  ein  zum  Nutzen  des  Gemeinwesens  von 
Gott  und  der  Obrigkeit  gegebenes  Amt^  also  ebenfalls  als  Lehen:  da 
lässt  sich  doch  leicht  begreifen,  dass  sie  alle  äusseren  Güter  nur  als  Lehen 
ansah,  die  man  von  einem  Menschen  oder,  wo  das  nicht  der  Fall  war, 
direkt  von  Gott  erhalten  hatte. 

Aus  dem  Vorstehenden  ist  schon  klar,  was  wir  unter  Sonnenlehen 
verstehen.  Das  waren  allodiale  Besitzungen  des  Adels  —  wie  Hansen 
ausdrücklich  hervorhebt*  — ,  welche  zu  keinerlei  Dienstleistungen  ver- 
pflichteten, weil  sie  eben  des  Besitzers  erbliches  Eigen  waren,  das  ihm 
nicht  von  einem  andern  Menschen  gegen  irgend  welche  Verpflichtung  über- 
tragen worden  war.  Diese  Güter  hatten  sich  frei  und  unabhängig  erhalten, 
sie  waren  dem  allgemeinen  Zuge  der  Zeit  nach  Verlehenung  —  man  ge- 
statte den  Ausdruck  —  nicht  gefolgt.  Ihre  Besitzer  waren  darum  auch 
selbst  unabhängig,  keinem  andern  Herrn  unterworfen,  sie  waren  frei  von 
einem  jeden  Dienste  eines  Höheren:  ausgenommen  natürlich,  dass  sie  als 
Angehölige  des  Deutschen  Reiches  ihre  Pflicht  gegen  Kaiser  und  Reich 
erfüllen  mussten. 

Dass  die  Herren  von  Schönau  die  Bedeutung  des  Ausdruckes  Sonnen- 
lehen im  wesentlichen  ebenso  auffassten,  erhellt  aus  ihren  eigenen  Erklärungen 
in  gerichtlichen  Aktenstücken.  So  sagt  Baltasar  von  Mylendunck:  „1)  dass 
die  herlichkeit  Schonaw  mit  ihren  pertinentiis  von  unvordenklichen  zeiten 
her  in  alle  weg  anders  nicht  dan  von  der  lieben  sonne  Gottes  zu  lehen 
ist  empfangen  und  getragen  worden;  2)  dass  bemelte  herlichkeit  iederzeit 
als  eine  freie  herlichkeit  dem  heiligen  römischen  reich  ohne  mittel^  under- 
worfen  gewesen  und  iederzeit  dafür  gehalten  und  verthediget  worden." 
Dieselbe  Anschauung  gibt  sich  auch  kund  in  folgenden  Sätzen,  welche  der 
Herr  von  Blanche  in  seinen  Prozessen  häufig  anführt:  „Wie  Könige  und 
Fürsten  ihre  Reiche,  so  haben  die  Herren  von  Schönau  ihr  Schloss  mit 
allem  Zubehör  nur  von  Gott  allein  .  .  ."  und:  „Wie  im  longobardischen 
Gesetze  die  Allode  Güter  ohne  Dienstleistung  (sine  hominio)  genannt  werden, 
die  man  von  niera<and  als  von  Gott  allein  empfängt,  so  auch  jene  Burgen 


*)  Vgl.  Janssen,  Geschichte  des  deutschen  Volkes  I,  S.  315. 
^  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts-Vcreins  VI,  S.  84,  N.  1. 
^)  unmittelbar. 


—  3  — 

und  Gerichtsbarkeiten,  die  man  Sonnenleheu  nennt/  Er  beruft  sich  dabei 
auf  Trithius  und  a  Sande. 

Nach  der  Auffassung  der  Herren  selbst  war  also  das  Sonnenlehen  ^ 
nichts  anderes  als  eine  freie  reichsunmittelbare  Herrschaft,  und  als  eine 
solche  wird  Schönau  auch  von  andern  anerkannt  und  bezeichnet.  „Gedachte 
herlichkeit  ist  in  negster  gülischer  vehenden  *  für  eine  solche  reichsunmittelbar 
freie  herlichkeit  verthediget  worden,"  sagt  Baltasar  von  Mylendunck.  Eine 
andere  Aufzeichnung  nennt  Carl  V.  selbst  als  diesen  „verthediger"  und 
fügt  bei:  „Das  hat  Dieterich  von  Mylendunck  mit  eigener  band  schriftlich 
hinterlassen.** 

Als  Walter  von  Blisia  den  Maternusaltar  in  der  Nikolauskapelle  des 
Aachener  Münsterstiftes,  dessen  Sänger  er  war,  mit  vier  Malter  Roggen 
jälirlichen  Erbpacht  ausstattete,  bezeichnete  er  die  Grundstücke,  welche 
mit  der  Kornlieferung  belastet  wurden,  als  gelegen  „im  Gebiete  oder  in 
der  Herrschaft  Schönau  am  Hirsch"  ^  und  im  Jahre  1668  bezeugte  Herr 
Gothard  von  Keverberg  genannt  Meven,  der  in  der  Nähe  von  Schönau  auf 
dem  Schlosse  Rah  in  der  Sörs  seine  „adelige  residenz"  hatte,  dass  die 
Herren  von  Schönau  stets  die  Jagd  in  ihrem  Bezirke  ausgeübt,  dass  er 
selbst  oft  mitgejagt  habe,  ohne  dass  ihm  darüber  vom  Herrn  zur  Heiden* 
irgend  ein  Wort  gesagt  worden  sei,  dass  er  von  seinem  Vater  habe  sagen 
hören,  Schönau  sei  Herrlichkeit  gewesen,  ehe  das  Haus  Heiden  dazu  gelangte. 

Die  Herren  zur  Heiden  wollten  die  Reichsunmittelbarkeit  Schönaus 
nicht  anerkennen  und  bestritten  dieselbe  auch  aus  dem  Grunde,  weil  die 
Besitzer  nicht  zu  den  Reichstagen  zugezogen  würden.  Darauf  antworteten 
aber  die  Herren  von  Schönau,  es  sei  ein  unterschied  zwischen  Reichs- 
unmittelbaren und  Reichsständen.  Nur  letztere  hätten  Sitz  und  Stimme 
im  Reichstage,  erstere  dagegen  seien  solche,  die  ausser  dem  Kaiser  keinen 
Herrn  über  sich  erkennen.  Der  Reichsstand  sei  darum  auch  reichsunmittel- 
bar, nicht  aber  umgekehrt  der  Reichsunmittelbare  auch  Reichsstand. 

Wir  ersehen  auch  hieraus,  dass  die  Herren  von  Schönau  aus  der 
Eigenschaft  ihres  Besitzes  als  Sonnenlehen  keine  andern  Rechte  herleiteten 
und  beanspruchten,  als  die  den  Reichsunmittelbaren  überhaupt  zustanden. 

Woher  aber  diese  Reichsunmittelbarkeit  der  kleinen  Herrschaft?  Wir 
antworten:  Schönau  liegt  in  dem  alten  praedium  Richterich.  Dieser  Gross- 
grundbesitz war  nach  dem  Zeugnisse  der  Jahrbücher  von  Klosterrath^  ein 
Allod  der  Aachener  Pfalzgrafen,  die  aber  schon  im  12.  Jahrhundert  manche 
Teile  desselben  an  ihre  Verwandten  oder  Diener  vergabt  hatten.     Aus 

0  üeber  die  Bedeutung  und  Erklärung  der  sinnbildlichen  Bezciclinung  siehe  unten 
Nr.  5. 

*)  Im  geldrischcn  Kriege  1542—43. 

^)  „in  territoris  sive  dominio  de  Schonawen**.  Quix,  Müusterkirche,  S.  139.  AValter 
war  Kanonikus  seit  1452,  Säuger  seit  1505,  f  1512.  Vgl.  A.  Heu  seh,  Nomina  Domino rum 
Canonicorum  Reg.  Eccl.  B.  M.  V.  Aquisgranensis  S.  10,  Sp.  1*. 

*)  der  das  Jagdrecht  der  Schönauer  leugnete. 

^)  Annales  Eodenses  S.  25  u.  oft. 


—  4  — 

diesen  Absplissen  sind  die  Rittergüter  im  nachmaligen  Ländchen  von  der 
Heiden  entstanden.  Da  dessen  Geschichte  anderwärts  eingehend  dargestellt 
werden  soll,  erinnere  ich  hier  nur  daran,  dass  dasselbe  als  praedium 
Richterich  zuerst  AUod  der  Pfalzgrafen,  dann  Besitzung  der  Heinsberger, 
hierauf  königliches  Eigenthum,  danach  Reichslehen  der  Kölner  Erzbischöfe 
und  endlich  Gebiet  der  Herzoge  von  Jülich  war,  welch  letztere  eine  ünter- 
herrschaft  daraus  bildeten,  die  von  der  Burg  ihres  ersten  Herrn  den  Namen 
zur  Heiden  bekam. 

Trotz  den  Vergabungen  jedoch  blieb  vom  praedium  Richterich  noch 
ein  stattlicher  Rest  übrig,  den  ein  Verzeichniss  der  Einkünfte  des  Aachener 
Münsterstifts  aus  dem  11.  Jahrhundert^  als  Herrengut  des  Grafen  Hezelo 
bezeichnet.  Dieser  Rest  ist  eben  Schönau*.  Nahe  bei  der  Stelle,  wo  das 
jetzige  Schloss  liegt,  befand  sich  ehedem  der  Haupthof  des  ganzen  AUods, 
an  welchem  Verwaltung  und  Gerichtsbarkeit  des  praedium  hing.  Ein  An- 
zeichen dafür  findet  sich  noch  in  einem  Vergleiche  aus  dem  17.  Jahr- 
hundert, durch  den  die  Parteien  Mylendunck  und  Hillensberg  sich  ver- 
pflichteten, nichts  von  den  zu  Schönau  gehörigen  Besitzungen  zu  verkaufen, 
zu  versetzen  oder  zu  vertauschen,  auch  nicht  „den  pesch'  sammt  den 
kamerhof,  in  welcher  besirk  das  Haus  Schonaw  gelegen  ist.**  Das  Schloss 
liegt  demnach  auf  dem  Grund  und  Boden  eines  alten  Hofes,  dessen  Sohl- 
stätte noch  im  17.  Jahrhundert  den  Namen  Kammerhof  führte.  Dieser 
Ausdruck  ist  nach  der  Analogie  von  Kammerforst  u.  a.  gleichbedeutend 
mit  Herrenhof;  das  Haus  Schönau  ist  demnach  an  die  Stelle  des  pfalzgräf- 
lichen Kanuner-  oder  Herrenhofes  getreten.  Der  Besitzer  dieses  Kammer- 
hofes nun  war  im  Anfange  des  11.  Jahrhunderts  nach  dem  Zeugnisse  der 
oben  erwähnten  Urkunde  Graf  Hezelo,  der  zweite  Sohn  des  Aachener  Pfalz- 
grafen Herman*;  das  praedium  Richterich  gehörte  demnach  zur  Aus- 
stattung der  jüngeren  oder  hezelinischen  Linie  des  pfalzgräflichen  Hauses, 
welche  1045  auch  in  den  Besitz  der  Pfalzgrafen  würde  gelangte  ^  Die  vom 
Salhofe  abgetrennten  Güter  verloren  natürlich  ihren  allodialen  Charakter, 
verblieben  aber  unter  der  Grundherrlichkeit  des  Besitzers  des  ursprüng- 
lichen Haupthofes.  Den  Beweis  liefern  die  Jahrbücher  von  Klosterrath. 
Dieselben  verzeichnen  manche  Schenkungen  an  Ländereien,  welche  von 
Besitzern  der  im  praedium  Richterich  gelegenen  Gütern  an  die  Abtei  gemacht 
wurden,  melden  aber  auch  jedesmal,  dass  die  üeberweisung  der  Grundstücke 
durch  den  Pfalzgrafen  erfolgt  sei  ^.  Nachdem  das  pfalzgi'äfliche  Haus  1 1 40 
ausgestorben,  und  der  alte  Kammerhof  an  ein  minder  mächtiges  und  an- 
gesehenes Geschlecht  gekommen  war,  verlor  dieser  auch  die  Lehensherrlich- 


>)  Qu  ix,  Cod.  dipl.  aquen.  Nr.  42. 

«)  Vgl.  Hansen  a.  a.  0.  S.  88. 

*)  Wiese. 

*)  Groll  ins,  Erläuterte  Reihe  der  Pfalzgrafen  zu  Aachen,  S.  22. 

*)  G  fror  er,  Papst  Gregor  VIT.,  Band  I,  S.  81  fif. 

")  Anoales  Kodenses  S.  lö,  19,  20. 


—  5  — 

keit  über  die  abgetrennten  Güter.  Diese  kam  an  die  verschiedenen  Herren, 
denen  das  praedium  Richterich  zuteil  wurde,  bis  sie  zuletzt  den  Kölner 
Erzbischöfen  verblieb,  die  sich  das  Oberlehensrecht  bei  der  Abtretung 
Eichterichs  an  die  Grafen  von  Jülich  vorbehalten  haben  mögen. 

Der  alte  pfalzgräfliche  Kammerhof  aber  behielt  trotz  aller  Verluste 
seinen  allodialen  Charakter;  seinem  Besitzer  standen  über  die  bei  diesem 
Hofe  verbliebenen  Ländereien  und  deren  Bewohner  dieselben  Eechte  zu, 
welche  einst  die  Pfalzgrafen  über  das  ganze  Gebiet  gehabt  hatten:  also 
alle  Eechte  des  Grundherren. 

Wann  und  von  wem  der  Kammerhof  den  Namen  Schönau  erhielt,  ist 
unbekannt,  indessen  lag  die  Benennung  nahe.  Wie  man  später  Schönforst 
nach  seiner  Lage  im  Walde  benannte,  so  hat  man  dem  Kammerhof  nach 
seiner  Lage  in  der  wasserreichen,  fruchtbaren  Niederung  die  Bezeichnung 
Schönau  beigelegt. 

2.  Das  Gebiet  der  Herrschaft  Schönau. 

Die  älteste  der  mir  vorliegenden  Grenzbestimmungen  datiert  vom 
23.  Dezember  1523;  dieselbe  findet  sich  in  dem  folgenden  Vergleiche 
zwischen  Dieterich  von  Mylendunck,  Herrn  zu  Schönau  und  Werner  von 
Schönrode,  Herrn  zur  Heiden. 

„Wir  Diederich  herr  zo  Mylendunck  ind  zo  Schönawen  unde  Werner 
von  Schoenrode,  herr  zo  der  Heiden  inde  zor  Blyt  etc.  doen  kund  allen 
lüden  und  bekennen  hiemit  offenbarlich:  so  ein  herr  zo  Schönawe  Gott 
allmächtig  ind  seinere  kaiserlichen  majestät  unde  dem  hilligen  ryche  ind 
niemand  anders  vor  overheuft  kenne  inde  die  hoeuftvart^  von  des  herren 
kamer  zo  Schönawe  an  das  kaiserliche  kamergericht  gaet  ind  sulchs  von 
alders  herbracht  ist,  inde  oich  myn  Dederichs  ohme,  wilne  here  Kraft  von 
Mylendunck  ritter,  here  zo  Meiderich  ind  zo  Schönawe,  mynre  Werners 
moder  Maria  von  Merode,  frawe  zo  der  Heiden,  den  beiden  Gott  benaede, 
vur  reede  *  ind  hoeuftgericht  seinre  fürstliche  genade  zo  Guiliche  beklaigt 
hait  over  die  ingriffe,  dieselve  frawe  zo  der  Heiden  in  der  hirlicheit  von 
Schönawe  möge  gedaen  liain,  inde  darup  ein  ordeil  gesprochen  ist  op 
freidag  des  hilligen  creuz  abends'  exaltationis  in  dem  jare  uns  herren  1510, 
dat  here  Kraft  vorschreven  by  seinen  regalien,  laessen  ind  gerichten  zo 
Schönawen  ruwlich  ind  vredlich  blyven  solde,  wie  syn  alderen  ind  he  sulche 
zuvorens  gehait  ind  gebruicht  hain,  so  sein  wir,  der  herr  zo  Mylendunck 
ind  zo  Schönawe  unde  der  herr  zo  der  Heiden  vorschreven,  heude  dag 
datum  unser  gebiete  halven  bysamen  getreten  ind  haven  dieselve  regulirt 
ind  gesatz:  so  dat  der  distrikt  unde  gebiet  der  herlicheit  Schönawe  gaen 
sal  längs  dat  ryche  von  Ache  von  Vetzsen*  und  Houf*  an  uns®  up  Bers- 
berger '  gut,  ind  dar  längs  durch  dat  velt  over  Oirsvelder  *  klyf  und  längs 
Oirsvelder  gut  und  hinder  dat  huis  Oirsvelt  längs  den  meistweg^  ind  längs 


')  AppeUation.  *)  Käthe.  ')  13.  September.  *)  Vetschau.  ')  Huff  bei  Vetschau.  •)  bis. 
^)  Bcrensberg.  *)  Uersfeld.  ')  Mistweg. 


—  6  — 

Vilsberger  hof,  vort  durch  Dtistergatz^  und  Roderstrass^  uns  an  den  scheifen 
graf,  item  durch  dat  Richterger''  velt  um  dat  eitergut*  längs  künegatz  ind 
vorsterheiden  *  durch  den  vieweg  uns  do  an  dat  eitergut,  ind  davon  längs 
den  flutgraf  uns  wider  op  dat  ryche  van  Ache,  so  dat  der  here  zo  Schönawe 
op  gen  Houf,  in  den  Groenendal,  an  gen  haut,  zen  Hirtz  ind  op  Meven- 
heide,  inde  oich  zo  Richtergen  in  den  distrikt  of  gebiet  der  herlicheit 
Schönawe  gelegen  unde  over  die  laessen,  leinlude*  ind  samentliche  under- 
saessen  darinen  wohnende  zo  gebieden,  unde  ein  here  von  der  Heiden  sich 
derselben  guder,  huiser,  hotten  ind  wohnungen  noch  der  laessen,  leinlude 
ind  undersaessen  zo  Schönawe  gehoerende,  in  geinerlei  raanieren  under- 
nehmen  en  sal  nu  noch  zen  ewigen  dagen.  Ydoch  die  guder  zo  Richtergen 
in  den  Richtergen  distrikt  betreflfend,  so  einige  under  die  herlicheit  von 
der  Heiden  gehören,  over  dieselve  guder  ind  sonst  niet  aneinhangende  sal 
man  so  genge^  als  mogelich  na  unse  augenschein  of  vurbringen  unsre 
diener  beiderseitig  gebiet  in  dem  Richterger  distrikt  vorschreven  ouch 
aneinklevende  ferner  zo  goeder  vruntschaft  ind  naburschaft  regelieren  ind 
setzen  sonder  aller  argelist.  Des  zo  warer  urkund  syn  dieser  verdregen 
zwei  glychs  inhalts  ufgericht  ind  haven  unsere  siegelen  wissentlich  hie  an 
doen  hangen,  der  yder  parteie  einen  na  ime®  genomen  hait.  Gescheit  in 
dem  jaren  uns  herrn  1523  den  23  tag  im  dezember.  Dederich  her  zo 
Mylendonck  ind  zo  Schönawe.  Werner  von  Schoenrade,  her  zor  Heiden  inde 
zor  Blyt^** 

Die  Festsetzung  der  Grenze  in  Richterich  hat  nie  stattgefunden. 
Quix^®  druckt  jedoch  einen  Brief  Werners  von  1524  ab,  in  welchem  der- 
selbe seine  Zustimmung  zu  einer  Grenzbegehung  ertheilt,  welche  das 
Heidener  Gericht  gemeinschaftlich  mit  dem  Schönauer  abgehalten  hatte 
und  welche  die  oben  angegebenen  Grenzen  etwas  näher  bestimmt.  Das 
Schreiben  lautet:  „Myne  vrüntliche  grütz  —  So  myne  vogt  ind  geschworene 
mir  vorbracht  haven,  dat  ür  scholtis  ind  geschworen  die  limiten  der  herlig- 
keit  Schönawe  mit  hün  begangen,  zo  wissen  von  dem  dürrenbaum"  längs 
dat  ryche  von  Aichen  bis  up  Berensberg  gut,  item  durch  den  kohlweg 
bis  up  die  elf  trappen,  item  durch  den  byrweg''^,  vort  durch  den  rein  an 
den  Scheit  ^\  item  durch  den  veeweg,  borgass  ind  kuegass  *^  over  die  vorster- 
heid  ind  durch  den  weiweg  bis  up  den  dürrenbaum  vorschreven,  so  bin 
ich  darmit  zo  vrede  ind  en  sal  mich  der  guten  inde  lüden  binnen  den  vür- 
gemelten  limiten  der  herlichkeit  Schönawe  volgens  sigel,  breve  ind  ordel 
der  herzogen  zu  Guilich  seliger  gedechtnis  niet  annehmen;  hirintgen*^  ir 
uch  der  guten  inde  lüden  in  der  herlichkeit  van  der  Heiden  baussen  die 
limiten  der  herlichkeit  Schönawe  vorschreven  oich  nit  annehmen  en  solt; 
ydoch  die  beide  herlichkeiten  Schonawen  und  Heiden   sullen  ein  wy  die 


*)  Dttstergasse.  ')  Strasse  nach  Herzogenrath.  *)  Richterich.  *)  Altirgnt.  ')  Vorderste 
Heide.  •)  Lehenleute.  ^)  bald.  •)  an  sich.  •)  Nach  einer  späteren  Abschrift.  '®)  Geschichte 
des  Schlosses  Schönaii  S.  9.  ")  Zwischen  Vetschau  und  Horbach.  '-)  alias:  leer-  oder  Herweg. 
^')  Kohlscheid.    '*)  Vgl.  oben:  künegatz.    '*)  wohingegen. 


—  7  — 

andere  berechtigt  sein  inde  bliven  up  den  gemeinen  busch  ....    1524. 
Werner  von  Schoinrode  her  zor  Heiden  inde  zor  Blydt.** 

Im  Jahre  1754  Hess  der  Herr  von  Blanche  die  Grenzen  seines  Ge- 
bietes gegen  Aachen  durch  Statthalter  und  Schöffen  begehen  und  lud  alter 
Gewohnheit  gemäss  die  Herren  von  Aachen,  d.  h.  Bürgermeister  und  Rath, 
als  Grenznachbaren  zum  Begange  ein.  Weil  von  selten  des  Magistrats 
niemand  erschien,  nahm  Blanche  den  Leutenant  des  Quartiers  Laurensberg 
und  einen  Einwohner  des  Aachener  Reichs  mit.  Da  im  Protokolle  die 
bezüglichen  Grenzen  ganz  genau  bezeichnet  sind,  teilen  wir  dasselbe  im 
Wortlaute  mit.  Man  ging  „von  Berensberg  an  längs  dem  Achener  land- 
graben bis  am  liirsch,  sodan  dieserseits^  längs  dem  wachtthürmgen  daselbst 
bis  auf  den  hirscherweg  und  durch  diesen  hirscherweg  bis  auf  den  Berger- 
creuzweg  onweit  unser  lieber  frauen  rast^,  hiervondannen  aber  durch  den 
Gronenthaler  weg  und  durch  die  Herlenter-  ^  oder  Hufferstrass,  item  durch 
den  graberweg  bis  an  Vetschen  und  hiervondannen  durch  den  Herlenter- 
weg  bis  an  den  dürrenbaum." 

Es  sind  noch  einige  Verzeichnisse  aus  dem  vorigen  Jahrhundert  er- 
halten, welche  die  zum  Schönauer  Distrikte  gehörigen  Ortschaften,  Höfe 
und  Häuser  angeben.  Alle  zusammen  liefern  folgendes  Ergebniss.  Zur 
Herrschaft  gehörten: 

1.  Schloss  Schönau  mit  dem  Burghofe;  das  im  Vorgeburg  liegende 
Pannhaus  „an  die  Kreuzer**;  9  Häuser  und  Höfe  mit  ihrem  Zubehör  an 
Graswuchs  und  Länderei ;  2.  der  Küppershof,  welcher  dem  Aachener  Lieb- 
frauenstifte gehörte;  3.  am  Hasenwald:  14  Häuser;  4.  auf  die  Huff:  3  Häuser 
mit  Weide  und  Land;  5.  im  Grünen thal:  6  Häuser  mit  Weide  und  Land; 
6.  an  die  Hand:  5  Häuser  u.  s.  w.*;  7.  zum  Hirsch:  5  Häuser  u.  s.  w.'*; 
8.  Lind-Hofgut;  9.  Richterich:  die  Kirche,  die  daran  anstossende  Schule, 
der  Zehnthof  des  Aachener  Kapitels  und  darum  liegende  80  Häuser;  dies- 
seits der  Borgasse,  Künnegasse  und  Forsterheide  11  Häuser  u.  s.  w.^; 
10.  Wilsberg:  9  Wohnungen;  11.  Mevenheide,  die  sich  bis  auf  den  Vieh- 
weg erstreckt:  11  Häuser  und  Höfe  u.  s.  w.*;  12.  Haus  und  Hof  Uersfeld 
samt  dessen  Abspliss  Mittelürsfeld  und  6  nunmehro  (1758)  erbauten  Häus- 
chen; 13.  Forsterheid:  8  Wohnungen;  14.  diesseits  der  Bank  am  Kreuz: 
3  Häuser;  15.  Viehweg:  10  Wohnungen;  16.  Steinweg  oder  Kreuzstrass 
diesseits  am  Scheid:  59  Wohnungen;  17.  auf  Bley:  2  Wohnungen. 

Der  weitaus  grösste  Theil  dieses  Gebietes  wurde  trotz  der  Abmachungen 
von  1523  und  1524  den  Besitzern  von  Schönau  durch  die  Herren  von  Heiden 
streitig  gemacht. 


*)  auf  der  Schönauer  Seite. 

*)  Vgl.  meine  Beiträge  zur  Geschichte  des  Aachener  Reichs,  „Aus  Aachens  Vorzeit**, 
Jahrg.  V,  S.  102,  Aum.  4. 

')  Heerlen. 

*)  wie  bei  Nr.  4  und  5. 


—  8  — 

3.  Die  Rechte  der  Herren  vou  Schönau. 

Im  Jahre  1302  bestätigte  und  verbriefte  Kaiser  Albert  im  Lager 
vor  Köln  dem  Ritter  Gerard  von  Schönau  alle  Gerechtsame,  welche  letzterer 
als  Besitzer  der  Herrschaft  Schönau  auszuüben  berechtigt  war. 

Die  Urkunde  selbst  ist  nicht  mehr  vorhanden,  aber  es  gibt  eine  von 
Bürgermeister  und  Rat  der  Stadt  Aachen  beglaubigte  Abschrift.  In  einem 
Prozesse  wird  erzählt,  Balthasar  von  Mylendunck  habe  die  Urkunde  ihrer 
Wichtigkeit  wegen  auf  dem  Aachener  Rathause  hinterlegt,  und  dort  sei 
sie  bei  dem  Brande  von  1656  zu  Grunde  gegangen.  Nachdem  berufene 
Gelehrte  erklärt  haben,  dass  Inhalt  und  Form  dieser  für  die  Geschichte 
Schönaus  allerdings  sehr  wichtigen  Urkunde  keinen  Anlass  zu  Bedenken 
bieten^,  wird  man  sich  wohl  auf  dieselbe  berufen  dürfen.  Sie  lautet  mit 
der  Erklärung  des  Aachener  Magistrats  also: 

„Wir  bürgermeister,  scheffen  und  rath  des  königlichen  stuels  und 
reichsstatt  Aach  thuen  kund  hiemit  öffentlich  bezeugend,  dass  der  wohl- 
geborener herr,  herr  Baltasar  freiherr  von  Mylendonck,  herr  zu  Schönaw 
und  Warden  etc.  uns  einen  brief  uf  pergameut  geschrieben  und  mit  ihre 
röm.  königl.  majestät  Alberti  anhangenden  Siegel  zustellen  und  einhändigen 
lassen,  folgenden  wörtlichen  inhalts: 

^Albert  von  Gottes  Gnaden  Römischer  König,  allezeit  Mehrer  des 
Reichs,  entbietet  allen  des  H.  Reichs  Getreuen  seinen  Gruss.  Ihr  möget 
wissen,  dass  Wir  —  da  Uns  der  tapfere  Mann  Gerard  von  Schönau  klar 
dargethan  hat,  wie  er  und  seine  Vorfahren  Burg  und  Herrschaft  Schönau 
bei  Aachen  mit  ihrem  Zubehör:  den  Höfen,  Weilern,  Häusern,  Ländereien, 
Weiden  und  Büschen,  mit  den  Laten  und  übrigen  Einwohnern  und  Unter- 
gebenen, mit  der  hohen  und  niedern  Gerichtsbarkeit,  sowie  andern  Rechten 
und  Regalien,  nämlich  der  Erhebung  von  Auflagen  und  Steuern^,  der  Prägung 
von  Münzen,  der  Ausübung  der  Jagd,  bisher  inne  gehabt  und  ungestört 
besessen  hätten,  und  er  zugleich  demütig  und  unterthänig  bat.  Wir  möchten 
ihn,  sowie  seine  Burg  und  Herrschaft  Schönau  mit  ihrem  Zubehör  in  Unsern 
und  des  H.  Reichs  Schutz  nehmen  und  die  genannten  Rechte  und  Regalien 
bestätigen,  —  dieser  unterthänigen  Bitte  willfahrend,  den  Gerard,  seine 
Burg  und  Herrschaft  Schönau  mit  ihrem  Zubehör  in  Unsern  und  des  H.  Reichs 
besondem  Schutz  nehmen,  alle  und  jede  vorgenannten  Rechte  und  Regalien, 
deren  Gerard  und  seine  Vorfahren  in  der  Herrschaft  Schönau  genossen  und 
sich  erfreuten,  aus  der  Fülle  Unserer  Königlichen  Macht  bestätigen,  indem 
Wir  wollen,  dass  Gerard  sowie  seine  Erben  und  Nachfolger  in  besagter 
Herrschaft  Schönau  dieser  vorbezeichneten  Rechte  und  Regalien  freien 
Gebrauch  und  ungehinderten  Genuss  für  immer  haben  sollen.  Zur  Urkund 
und  Bekräftigung  haben  Wir  genanntem  Gerard  diesen  offenen  und  mit 

*)  Vgl.  Hansen,  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts-Vereins,  VI,  S.  86,  N.  1. 
*)  Ich  gebe  die  Urkunde  zur  Bequemlichkeit  der  Leser  in  genauer  deutscher  üeber- 
setzung. 

')  assissias  et  voctigalia. 


—  9  — 

üneerm  Königlichen  Siegel  bestätigten  Brief  ausgestellt.  Gegeben  im  Lager 
bei  Köln  im  Jahre  des  Herrn  1302,  am  Tage  der  h.  h.  Märtyrer  Crlspinus 
und  Crispinianus  ^  in  der  1.  Indiction  und  im  5.  Jahre  Unserer  Regierung. 

Und  hat  demnach  wohlgedachter  herr  bei  uns  fleissig  ansuchen  lassen, 
dass  wir  denselbigen  königlichen  brief  vidimiren  und  transumiren  und  ihm 
davon  ein  glaubwürdiges  vidiraus  und  transumpt  mitteilen  wollten.  Daruf 
wir  den  Originalbrief  mit  allem  fleiss  examinirt  und  gegen  dies  unser  vidi- 
mus  und  transumpt  collationirt,  und  da  wir  denselbigen  königlichen  brief 
von  wort  zu  wort  gleichen  Inhalts,  wie  selbiger  vor  inserirt  ist,  und  an 
Siegel,  Pergament  und  Schriften  unversehrt,  unradirt  und  unverletzt  und 
ganz  richtig  ohn  allen  argwöhn  befunden,  so  haben  wir  ihm  dies  unser 
vidimus  und  transumpt  —  dem  in-  und  ausserhalb  gericht  gleich  dem  ori- 
ginalbrief  vollkommener  glaub  gegeben  werden  soll,  mitgeteilt.  Urkund  der 
Wahrheit  haben  wir  unserer  statt  gemeinen  insiegel  hierauf  drucken  und 
durch  unseren  secretarium  dies  vidimus  und  transumpt  unterschreiben  lassen. 
Geschehen  Aach  am  22.  augusti  1615.    Niclaus  von  Münster.** 

Kaiser  Albert  bestätigte  demnach  dem  Ritter  Gerard  als  Herrn  von 
Schönau  folgende  Rechte:  Derselbe  durfte  die  hohe  und  niedere  Gerichtsbar- 
keit sowie  das  Jagdrecht  ausüben,  sodann  Umlagen  und  Steuern  erheben, 
endlich  Geld  prägen.  Sehen  wir  nun  zu,  ob  die  Herren  von  Schönau  diese 
Rechte  auch  thatsächlich  geübt  haben. 

a.  Nichts  ist  mit  grösserer  Heftigkeit  angegriffen  und  mit  so  aus- 
dauernder Zähigkeit  vertheidigt  worden,  als  die  Schönauer  Gerichtsbar- 
keit. Bei  allen  Kämpfen  um  die  Selbständigkeit  der  kleinen  Herrschaft 
handelte  es  sich  zunächst  um  die  Berechtigung  ihres  Gerichts. 

Es  fragt  sich  nun:  auf  welcher  Seite  stand  das  Recht?  Greifen  wir 
auf  das  zurück,  was  wir  oben  über  die  Stellung  Schönaus  zum  praedium 
Richterich  gesagt  haben,  so  dürfte  sich  die  Frage  leicht  entscheiden  lassen. 
Schönau  war  der  Haupthof  des  ganzen  praedium,  hier  war  der  Mittelpunkt 
für  die  Verwaltung  und  Rechtsprechung  des  Gesammtallods  *.  Diese  Stellung 
konnte  Schönau  nicht  mehr  behaupten,  als  der  bei  weitem  grösste  Theil 
des  praedium  Richterich  in  den  Besitz  mächtiger  Fürsten  kam,  als  Herren 
wie  die  Heinsberger,  die  Erzbischöfe  von  Köln,  die  Grafen  von  Jülich 
Grundherren  des  Gebietes  wurden  und  die  Oberherrlichkeit  über  die  ehedem 
zu  Schönau  gehörigen  Güter  in  Anspruch  nahmen.  Darum  liess  sich  Gerard 
von  Schönau  vorsichtigerweise  von  Kaiser  Albert  die  Gerechtsame  über 
das  dem  alten  Haupthofe  noch  verbliebene  territorium  oder  dominium 
verbriefen,  damit  nicht  auch  diese  im  Kampfe  des  Schwächeren  gegen  den 
Mächtigeren  verloren  gingen.  Ueber  dieses  Gebiet  und  dessen  Bewohner 
besass  demnach  der  Herr  von  Schönau  die  hohe  und  niedere  Gerichtsbar- 
keit; über  andere  Güter  des  ehemaligen  praedium  Richterich,  soweit  sie 


»)  25.  Oktober. 

*)  Vgl.  hierzu  meine  Beiträge  zur  Geschichte  des  Aachener  Reichs,  „Aus  Aachens 
Vo^zeit^  Jahrg.  VIII,  S.  17  ff. 


—  10  — 

nämlich  an  Schönau  lehenrtthrig,  kurmedig  oder  zinspflichtig  waren,  stand 
ihm  nur  noch  eine  Latengerichtsbarkeit  zu;  über  diejenigen  Güter  aber, 
welche  in  eine  andere  Grund-  und  Lehensherrlichkeit  übergegangen  waren, 
hatte  der  Schönauer  gar  nichts  mehr  zu  sagen. 

Mit  einem  Worte:  dem  pfalzgräflichen  Haupthofe  Schönau  ist  es  in 
bezug  auf  die  ihm  unterstehenden  Güter  ähnlich  ergangen,  wie  der  kaiser- 
lichen Pfalz  Aachen  mit  ihren  Nebenhöfen. 

Dass  diese  Auffassung  richtig  ist,  ergibt  sich  auch  daraus,  dass  Hansen  ^ 
aus  der  Erwägung  einer  Urkunde  des  Herzogs  Wilhelm  von  Jülich  zu  dem- 
selben Ergebnisse  gelangt.  Im  Jahre  1361  verpfändete  nämlich  besagter 
Herzog  das  ehemalige  praedium  Eichterich  mit  all  seinen  Gerechtsamen 
an  Goedert  von  Bongart,  schloss  aber  ausdrücklich  die  dem  Herrn  von 
Schönau  auf  dessen,  wie  auf  den  Gütern  seines  Bruders  Maschereil  und 
deren  Tante,  der  Frau  von  üelpich,  zustehende  Gerichtsbarkeit  von  der 
Verpßlndung  aus.  Diese  Güter  lagen  im  Kirchspiele  Richterich,  sowie  in 
den  andern^  Dörfern  und  Feldern,  die  zu  Richterich  gehörten.  Der  Vor- 
behalt zu  gunsten  des  Schönauers  sollte  jedoch  nur  so  lange  dauern,  als 
dieser'  die  Länder  Montjoie  und  Cornelimünster  vom  Herzoge  in  Pfandschaft 
besass.  Den  Blutbann  auf  diesen  Schönauer  Gütern  behielt  der  Fürst  zwar 
sich  selbst  vor,  denn  er  sagt:  „Treife  dat  gerichte  an  lyf,  dat  solen  sy 
(die  Schönauer)  oeverleveren  uns  herzogen  ind  unsen  amtluden";  jedoch 
auch  in  solchen  Fällen  erfolgte  die  Verhandlung  und  die  Findung  des 
Urteils  durch  das  Schönauer  Gericht:  „ind  danaf  sal  man  alsdan  richten, 
also  yre  (der  Schönauer)  laisen  dat  wysen  solen**. 

Hier  ist  —  und  darauf  hat  Hansen  mit  Recht  aufmerksam  gemacht 
—  von  Schönau  selbst  gar  nicht,  sondern  nur  von  denjenigen  Gütern  die 
Rede,  welche  die  Familie  von  Schönau  damals  noch  gemeinschaftlich  im 
Kirchspiele  Richterich  bezw.  Eigelshoven  besass;  die  Rechte  des  Herrn 
von  Schönau  in  der  ihm  verbliebenen  „Burg  und  Herrschaft"  werden  also 
durch  diese  Abmachung  gar  nicht  berührt. 

Es  muss  aber  auch  noch  auf  den  Umstand  hingewiesen  werden,  dass 
der  Herzog  selbst  beide  Beschränkungen,  sowohl  die,  welche  die  Dauer 
des  Vorbehalts  zu  gunsten  der  Schönauer  bis  zur  Einlösung  von  Montjoie 
und  Cornelimünster  festsetzte,  als  auch  die,  welche  sich  auf  den  Blutbann 
bezog,  in  der  erneuerten  Belehnung  Bongarts  von  1370  fallen  liess.  Es 
heisst  nämlich  da  nur  noch :  „  [nd  behalden  ouch  heren  Reinarde,  dem  heren 
van  Schoenvorst  op  deme  goede  van  Schoenawe  ind  wilne  heren  Maschriels 
sins  broders  ind  der  vrouwen  van  Uelpich  ire  moinen  irene  goede  zo  Schoenawe, 


')  A.  a.  0.  S.  89  f. 

')  Hiermit  sind  die  im  Kirchspiele  Eigelshoven  liegenden  Güter  gemeint.  Sie  ge- 
hörten demnach  zum  praedium,  nicht  aber  zur  Pfarre  Bichtcrich. 

^)  Reinard,  der  jüngste  aber  bedeutendste  der  damaligen  Schönauer.  Vgl.  über  diese 
Verhältnisse  meine  Abhandlung  über  Keinard  von  Schönau,  ^Aus  Aachens  Vorzeit", 
Jahrg.  VIII,  S.  17  ff. 


—  11  — 

dat  zo  Richtergin  binnen  deme  kirspel  inde  in  den  anderen  vorschreven 
dorperen  ind  kirspelen  mag  gelegen  syn,  ire  laessen  ind  leluden,  wie  sie 
die  alda  hant,  op  wilchen  irem  goede  van  Schoenawe  her  Reinard,  her  van 
Schoenvorst,  die  gerichte  haven  ind  halden  sal,  ind  die  vorschreven  heren 
Goedert  (von  Bongart)  noch  die  sine  sich  der  niet  annemen  en  solen". 

Hieraus  schliesse  ich,  dass  der  Herzog  sich  entweder  selbst  überzeugt 
hat,  er  sei  nicht  berechtigt,  die  Gerichtsbarkeit  der  Herren  von  Schönau 
zu  beschränken,  oder  durch  den  damals  noch  sehr  einflussreichen  Reinard 
zum  Aufgeben  der  Beschränkungen  veranlasst  worden  ist. 

üebrigens  hatte  Goedert  von  der  Heiden  bereits  im  Jahre  1361  für 
sich  und  seine  Erben  auf  jeden  Eingriff  in  die  SchÖnauer  Rechte  schrift- 
lichen Verzicht  geleistete  In  einer  andern  Urkunde  erklärte  er  sogar, 
sich  selbst  und  seine  Untergebenen  der  Gerichtsbarkeit  seines  Nachbars 
unterwerfen  zu  wollen,  wenn  er  oder  die  Seinigen  Güter  erwürben, 
welche  im  Gebiete  der  Herrschaft  von  Schönau  lägen:  „.  .  .  mar  wer  et 
Sachen,  dat  wir  of  unse  undersassen  einige  lehen  of  loesgut  kregen  mit 
recht .  .  .  under  der  vorschreven  heren  Mascherei  und  seinen  broder  God- 
dart  van  Schonawen  und  Ulpich,  die  sullen  mit  mehrder  recht  staen  end 
gefordert  werden  vor  dem  gericht  ind  herlichkeit  ind  goeder  van  Schonawe 
und  Ulpich"  ^ 

Endlich  gab  derselbe  Goedert  im  Jahre  1373  folgende  Erklärung  ab: 
„Wir  Goddart  herr  zur  Heiden  thun  kund  .  .  .  dat  wir  .  .  .  unsen  magen 
und  broderen  herrn  Johannen  Mascherei  und  Goddarten  von  Schonaw  ge- 
broderen  geloft  han  und  globen  .  .  .  ihnen  und  ihren  lüden,  laessen  und 
gerichten  ind  goederen  van  Schonaw  und  Ulpich  geine  noth,  hindernus  noch 
achter  theil  nimmer  mehr  zu  doen  .  .  /' 

Die  Herren  von  Schönau  versahen  sich  wohl  von  ihren  neuen  Nach- 
barn in  Heiden  nicht  viel  Gutes,  sonst  hätten  sie  sich  alle  diese  Ver- 
sicherungen nicht  ausstellen  lassen.  Indessen  haben  wir  auch  Reinard 
von  Schönau  als  einen  sehr  vorsichtigen  Geschäftsmann  kennen  gelernt. 

Uebereinstimmend  mit  dem,  was  uns  die  angeführten  Urkunden  über 
die  Gerechtsame  der  Herren  von  Schönau  sagen,  erklärt  Kraft  von  Mylen- 
dunck  im  Jahre  1566:  „.  .  .  Die  freie  herschaft  Schonaw  mit  aller  hohen  und 
niederen  oberkeit,  Jurisdiction,  gepot,  verpot,  huldigung,  Schätzung,  politische 
Ordnungen  zu  machen  und  was  denselben  weiters  anhengig  sein  mag,  in 
und  über  den  zugehörigen  dorferen,  eingesessenen  underthanen,  walden, 
feldern,  ackeren  und  anderen  güteren,  sowohl  in  criminal-  als  bürgerlichen 
Sachen",  wie  seine  Voreltern  seit  mehr  als  hundert  Jahren  und  weit  über 
Menschengedenken  ruhig  und  friedlich  besessen  zu  haben. 

Wie  die  Herren  die  Strafgerichtsbarkeit  geübt,  werden  wir  in  der 


M  Qu  ix,  Schönau  S.  13. 
»)  Abschrift. 

')  Abschrift  aus  dem  18.  Jahrhuudert.    Daher  die  Verschiedenheit  der  Schreibweise. 
Das  Original  beider  Stellen  legte  Max  von  Mylendunk  1079  dem  Gerichte  zur  Heiden  vor. 


—  12  ~ 

Geschichte  der  einzelnen  Besitzer  darthun;  hier  beschäftige  uns  zunächst 
das  sogenannte  Latengericht,  welches  den  Schönauern  nie  streitig  gemacht 
worden  ist.  —  Dasselbe  war  ein  Fronhofgericht,  wie  sie  von  Maurer^  be- 
schreibt. Der  Herr  konnte  selbst  oder  durch  einen  Stellvertreter  zu  Gericht 
sitzen.  Das  war  in  Schönau  der  Schultheiss,  der  wiederum  häufig  durch 
den  Statthalter,  einen  der  Schöffen,  vertreten  wurde.  Bei  Berufungen  sollte 
der  Herr  selbst  Eecht  sprechen.  Zur  Zuständigkeit  der  Fronhofgerichte 
gehörte  die  Aufnahme  von  Fremden  in  den  Hofverband,  die  Leistung  des 
Huldigungseides,  die  Veräusserung,  Vertauschung  und  Freilassung  der  hof- 
hörigen Leute,  die  Veräusserung  und  Zersplitterung  von  hofhörigen  Gütern, 
die  Wieder  Verleihung  heimgefallener  Hofgüter,  die  Konstatierung  des  her- 
gebrachten Hofrechtes  und  die  Erlassung  neuer  Verordnungen;  ausser- 
dem alle  Vergehen  der  Hörigen,  welche  nicht  zum  Blutbanne  gehört  haben. 
Aus  dieser  letzten  Zuständigkeit  lässt  es  sich  auch  erklären,  dass  sich- 
eln dem  grossen  thurn  des  Schlosses  Schönau  ein  mit  eisernen  banden  und 
schlossern  versehener  gefangenen-stock**  befand,  „worin  die  in  der  reichs- 
herrschaft  daselbst  betroffenen  missethäter  zu  gebürender  abstrafung  in- 
carcerirt  werden",  obwohl  die  Herren  von  Schönau  jederzeit  den  Stock  und 
die  in  der  Herrschaft  vorhandene  „criminalgerichtsstatt**  als  Beweise  für 
eine  vollständige  Kriminalgerichtsbarkeit  betrachteten. 

Das  Gericht  war,  wie  Baltasar  von  Mylendunck  sagt,  besetzt  mit 
Schultheiss,  (sieben)  Scheffen  oder  Laten  und  andern  Gerichtsdienern;  der 
Instanzenzug  ging  vom  Gericht  an  den  Herrn,  vom  Herrn  an  das  kaiser- 
liche ßeichskammergericht.  Eine  schriftliche  Feststellung  der  Satzungen 
und  Gebräuche  des  Gerichts  war  nicht  vorhanden;  der  alte  Late  lehrte  es 
die  jungen  —  die  neu  eintretenden  Schöffen  — ,  wie  das  ältere  Weistum 
an  einigen  Stellen  sagt.  Jedoch  erwähnt  ein  Gerichtsakt  von  1610  folgende 
Gewohnheit:  „In  dieser  herrschaft  Schönau  ist  herbracht  und  allezeit  un- 
verbrüchlich und  ernstlich  darob  gehalten,  wan  etwo  von  auslendischen 
gerichten  requisitoriales  oder  subsidiales  ertheilt,  dass  gleichwol  darauf 
nichts  exequirt  oder  fuirgestellt;  es  were  dan,  dass  die  ganze  volkomene 
acta,  darauf  solche  requisition  beschehen,  mitedirt  und  daraus  ersehen,  ob 
auch  richtig  prozedirt  oder  aber  einige  nullitates  committirt." 

Als  Hofgericht  hatte  die  Schönauer  Bank  keine  grösseren  Befugnisse 
als  die  andern  Latengerichte ;  es  war  ihre  Aufgabe,  die  Eechte  des  Herrn 
über  die  Lehengüter  zu  wahren,  Uebertragungen  der  ihr  unterstehenden 
Ländereien  vorzunehmen,  die  Berechtigten  in  dieselben  einzusetzen  und  die 
bezüglichen  Akte  in  das  Gerichtsbuch  einzutragen.  Beim  Absterben  eines 
Lehenträgers  mussten  die  Erben  binnen  sechs  Wochen  und  drei  Tagen  sich 
beim  Gerichte  angeben,  das  Lehen  mit  einem  doppelten  Pachte  erheben 
und  einen  Lehenträger  stellen,  widrigenfalls  das  Lehen  verwirkt  war.  Auch 
durfte  kein  Leheninhaber  ohne  Brief  und  Siegel  des  Herrn  sein  Gut  be- 
schweren.    Wurde  ein  Gut  geteilt,  so   mussten  die  einzelnen  Absplisse 

')  Geschichte  der  Fronhöfe  IV,  S.  86,  140,  151. 


—  13    - 

erhoben  werden.  Ueber  die  Erhebungsgebühren  wird  in  den  Protokollen 
nichts  gesagt;  es  heisst  stets:  „hat  seine  gewöhnlichen  iura  gegeben **.  Nur 
von  der  Kurmede  ist  angegeben,  dass  sie  mit  zehn  Reichsthaler  „verthediget* 
worden  sei.  Bei  Verkäufen  wird  „Lickop**  *,  Gottesheller  und  Verzichts- 
pfennig erwähnt;  der  Verzicht  geschah  „mit  mund  und  halm**.  Zuweilen 
werden  auch  Kohlenlieferungen  ausbedungen. 

Den  Protokollen  der  mir  zu  Gesicht  gekommenen  Gerichtsbücher  von 
1606 — 1666  entnehme  ich  die  folgenden  Angaben  über  Gerichtspersonen, 
Kurmeden,  Güterpreise,  Flurnamen  und  Renten. 

1606.  Stefan  von  Richterich,  Schultheiss;  Egidius  Pelser,  Huprecht 
Schröders,  Thies  Nacken,  Johan  Savelsberg,  Peter  und  Johan  Ortman, 
Kerst  von  der  Bank,  Scheffen. 

1631.  Emund  Merkelbach,  Statthalter;  Johan  Savelsberg,  Johan  Nacken, 
Werner  und  Johan  Ortman,  Kerst  von  der  Bank,  Johan  Rempkens,  Gerichts- 
personen. 

Peter  Reuland  verkauft  ein  Wohnhaus  „in  den  bär  genant,  gelegen 
am  stegbendchen**,  den  halben  Mistpfuhl  und  Bongart,  sowie  andere 
Erbgüter  (Immobilien)  im  Aachener  Reich  für  2100  Thaler  ^,  Lickop 
ländlich,  Gottesheller  V»  Reichsthaler.  Eine  Abschüttung  der  Güter 
soll  ohne  die  im  Reich  gelegenen  nicht  zulässig  sein. 

iVa  Morgen  Land  „an  den  baumsweg"  kostet  294 V2  Thaler, 
Gottesheller  ein  Blaumeuser. 

Der  Verwalter  von  Schönau,  Jakob  Ernau,  lässt  eine  Kuhkur  für 
10  Reichsthaler  „verthedigen**.  —  Ein  Gut  in  Richterich  „an  gen  end** 
zahlt  an  Schönau  jährlich  vier  Kapaune  und  vier  Schillinge  ^  —  Ein 
Morgen  Land  „boven  die  Mevenheide**  wird  verkauft  für  150  Thaler 
und  zwei  Karren  Kohlen;  Gottesheller  drei  Mark.  —  Ein  Gut  in 
Richterich  „an  dat  weinhaus**  zahlt  ein  Drittel  von  zwei  Kapaunen. 
—  Auf  Grundstücken  „an  der  Hirtz**  und  „am  Taubenberg"  lasten 
zwei  Renten  von  „ein  müd  roggen  und  zwo  mark  pfenningsgelt"  bezw. 
„zwei  müd  roggen  und  ein  capaun".  Beide  Renten  werden  „gegeben 
jetzunder  an  junker  Hoflfaliss  erbgenamen  binnen  Achen".  —  Die  Rute 
„kurmediges  land  boven  die  Mevenheide"  kostet  sechs  (Aachener) 
Gulden  weniger  eine  Mark.  —  Catharina  Vrohn  überträgt  alle  Güter 
ihren  Kindern  unter  dem  Vorbehalt,  dass  diese  sie  „mit  kost,  drank, 
kleidung  unterhalten". 

1632.  Leonard  Heidenthal,  Schultheiss;  Werner  Ortmans  und  Emund 
Merkelbach,  Gerichtspersonen. 

Panhaus  und  viertehalb  Viertel  Hofreide  „auf  die  Houff"  zahlte  an 
Schönau  jährlich  neun  Bauschen.  —  „Ein  halbes  haus  nämlich  die 
küche  mit  dem  vorhaus,  die  scheuer,  kuhestall,  backhaus,  anderthalb 


')  Weinkanf;  stets  mit  dem  Zusatz:  ländlich. 

*)  Hienmter  sind  Aachener  Thaler  &  26  Mark  —  130  alten  Pfennigen  zu  verstehen. 

')  Für  die  Beuten  vergleiche  das  folgende  Register. 


—  14  — 

viertel  hofreide,  die  platz,  da  das  haus  aufstehet,  wird  verkauft  für 
150  Thaler.  Das  Haus  gibt  an  Schönau  jährlich  Vj^  Fass  Roggen 
und  3V4  Kapaun,  an  Heiden  7  Bauschen  und  einen  Heller,  „den  grund- 
schatz  genant**.  —  „An  den  baumsweg,  die  kehr  genant".  —  „Ein  ort^ 
hauses  oder  stallung  mit  scheur,  mistpfuhl,  gerechtigkeit  des  putzes* 
und  hinterhabeudem  kohlhof  im  Grönendal  gelegen  nechst  dem  bär" 
kostet  270  Aachener  Thaler  und  einen  Wagen  Kohlen.  —  Ein  Morgen 
Graswachs  „in  den  cardian"  zahlt  jährlich  sechs  Heller.  —  Land 
„boven  das  hilligen  häusgen"  kostet  per  Ruthe  einen  Aachener  Thaler. 
—  Clara  von  Elzauen  empfangt  Güter  „an  die  gass".  —  Graswachs 
„den  kockelholz  genant  unter  dem  hirtz".  —  Ein  Haus  in  Richterich 
wird  verkauft  für  55  Thaler  und  einen  Thaler  Verzichtspfennig.  — 
Die  Ruthe  pferdskurmedigen  Landes  am  Baumsweg  kostete  sechs  Gulden 
eine  Mark.  —  Der  Bau  „am  hirtzer  poeP**  nämlich  „kuchen,  kamer 
und  keller**  wurde  für  57  Thaler  verkauft.  Anderthalb  Morgen  Land 
daselbst  kostete  131  Aachener  Thaler,  die  Rute  Graswachs  imCardians- 
bend  wurde  mit  einem  Thaler  aix  bezahlt.  —  Haus  und  Hof  im 
Grünenthal  verkaufte  der  Besitzer  für  210  Thaler.  Die  Hausfrau 
erhielt  einen  Rosenobel,  ausserdem  lieferte  der  Käufer  einen  Wagen 
und  eine  Karre  Kohlen  frei  nach  Aachen.  Die  Kosten  des  Notbaues 
an  dem  baufälligen  Häuschen  ersetzte  der  Verkäufer.  —  Die  Witwe 
des  Frambach  Lonix  „hat  dem  herrn  mit  doppeldem  pfacht  und  gold 
und  Silber  ihre  belehnung  entricht  wegen  unterschiedliche  guter,  und 
fort  den  gerichtspersonen  ihre  iura"  (1654). 

1656.  „Vor  uns  Adolf  Hillensberg  als  possessor  des  Hauses  Schönau, 
fort  Emont  Merkelbach  schultheiss  und  Peter  Theilen  gerichtspersonen". 

Am  7.  Februar  dieses  Jahres  verzeichnet  das  Gericht  den  Verkauf 
von  sieben  Viertel  und  30  Ruthen  Graswachs  „gelegen  in  den  Grönen- 
dahl . . .  mit  dem  vorheuft  ausscheissend  auf  die  Schönauer  und  Cardians- 
bende  ...  an  den  wolerwürdigen  herren  Gerardus  Schonebrot*,  canonicus 
U.  L.  F.  Stift  zu  Achen,  jede  ruth  zu  acht  gülden  aich,  und  haben 
verkeufer  los  frei  gut  verkauft,  sonder  allein  der  kirchen  zu  Richterich 
undergüldig  sein  und  pleiben  15  merk,  und  solle  diese  15  merk  an 
die  kaufpfennigen  gekürzt  und  abgezogen  werden". 

Schönbrod  vermachte  das  Land  an  die  Ciarissen  zu  Aachen.  Nach 
seinem  Tode  wurde  Herr  Engelbert  Quirini  als  „volmechtiger  und 
geistlicher  vater  der  hochwürdigen  frauen  und  dero  conventualen  des 
Clarissenklosters  zu  Achen"  damit  belehnt;   1661  verkauften  letztere 


»)  Viertel. 

^)  Braunen. 

^)  Pfuhl,  jetzt  zugeschüttet  und  zu  Garten  gemacht. 

*)  Bei  Heusch,  Nomina  ...  ist  der  Name  Schurebraedt  (S.  22  *)  und  Schurebroedt 
(S.  29  ')  geschrieben.  Er  trat  sein  Kanouikat  am  19.  März  1594  an  und  starb  als  Jubiiarins 
am  7.  November  1656. 


—  15  — 

das  Grundstück  an  Privatleute.  —  1657  verkauft  „die  ehr-  und  teug- 
same  Agnes  von  Richterieb,  wittib  herren  Goedtfreidt  von  Weisswiller 
seliger  oberrichter  Mn  gegenwart . . .  ihres  sohnes  Adames  Baltheiweins  ^ 
.  .  .  haus  und  hof  gelegen   zu  Richterich "  .  .  .  für  400  Thaler  und 
20  Obstbäume.    Das  Haus  ist  „los  frei  gut**.    Sollte  ein  „Bescheudt** 
erfolgen,   so  wird  dem  Ankäufer  alles  erstattet,  was   er  an  den  Bau 
gelegt  hat.  —  1657   belehnt  Amandus  von   Mylendunck,  (der  recht- 
mässige) Herr  zu  Schönau,  den  Johan  Heundt  mit  einem  Gute,  gelegen 
zu  Richterich  „auf  die  gass".  —  1660  .  .  .  „etliche  ruthen  landts 
ä  29  mark   aix  in   den  kaufbenden   in   den    15  morgen  ...  ist  los, 
leiber,  frei  gut".  —  1662  .  .  .  „haus  und  hof  an   das  ürsfelder  kleif 
gelegen".  —  1664.  „Erb  und  gut,  haus  und  hof,  wie  es  zu  Richterich 
an   das   end  gelegen   negst  den  herren   vom    capitel  zu  Achen  .  .  . 
5  morgen  lands,  ein  viertel  graswachs,  so  schönauer  guter  sind,  und 
noch  einige  erbschaft,  so  theils  Cortenbacher  theils  Uersf eider  lehengut". 
Ausser  den  mitgetheilten  Flurnamen  kommen  noch  vor:  am  Germich, 
Altarfeldchen,  am  Hander  Weg,  am  Hirzer  Weg,  auf  die  Fröschmisten, 
auf  die  Fröschwei,  auf  dem  Scheiben  (scheifen)  graf  ^,  auf  die  bach,  in  der 
vasseinen  (fasszeinen),  in  der  Weinstrasse,  das  Bärenlebgen,  im  Bossbart. 
1710  bekundet  J.  Cornets,  abgestandener  Schultheiss  zu  Schönau,  vom 
Herrn  von  Blanche  sechs  species  Pattakons,  womit  alle  seine  Forderungen 
befriedigt  seien,  gegen  Herausgabe  der  Protokolle,  Register  und  anderer 
Briefschaften  erhalten  zu  haben. 

Wie  wir  schon  sahen,  hatten  manche  der  lehenrührigen  Güter  ausser 
den  Lehenlasten  noch  andere  jährliche  Abgaben  an  „Erbpachten,  Renten, 
Capaunen  und  Geldzinsen"  zu  erlegen,  welche  alle  auf  Andreastag  verfielen. 
Ein  Verzeichniss  derselben  vom  Jahre  1596  enthält  die  folgenden: 

„Peter  an  gen  hirtz  4  müd  V2  ^^^ss  roggen,   1   capuin,  8  mark 
pfeuningsgelt. 

Krein^  zum  hirtz  2  müd  roggen,  4  mark  pienningsgelt. 

Jan   up   den  thiendhof*   7   vass  roggen,    11  capuin,    10  Schilling, 

9  Pfenning. 

Wilhelm  Froen  12  capuin,  12  Schilling.  —  Goddart  Nacken  1  capuin, 
13  Schilling. 

Druid^  im  weinhaus'  1   capuin,    1   Schilling.  —  Heintgens  kinder 

10  vass  roggen.  —  Gilles  up  Mevenheid  9  capuin,  15  Schilling.  — 
Der  halfman  up  dem  thiendhof  9  capuin,  9  Schilling.  Item  von  einem 
timmerplatz  beneben  seinem  hause  jarlichs  2  daler.  —  Meyen  Thomas 
1  hoen®.  —  Der  Weingartzberg  7  capuin,  1  Schilling.  —  Thomas 
hausfrau  vor  dem  thiendhof  4  capuin,  5V«  Schilling.  —  Gilles  Peltzer 
7  capuin,  2V2  Schilling,  9  penning,  2  kurmud.  —  Jan  Kemmerling 
1  müd  roggen.  —  Gört  Nacken  3  capuin,  3  Schilling,  1  malter  roggen. 

^)  Vogtmajor.  *)  Baldoin.  Welch  eine  Rechtsehreibung!  ^)  Graben.  *)  Quirin. 
&)  Zehnthof.    «)  Gertrud.    ^)  Ein  Häuserkomplex  in  Richterich.    »)  Huhn. 


—  16  — 

—  Merten  Blomen  1  malter  1  cop  roggen.  —  Gilles  Pelzer  4  vass 
roggen.  —  Carsillis  van  Merkelbach  1  malter  roggen,  7  capuin,  7 
Schilling.  —  Arnold  Nacken   1   müd  roggen.  —  Johan  Froeschs  gut 

6  capuin,  3  Schilling,  9  vass  V2  cop  roggen.  —  Gerard  von  Schonawen 
van  dat  erf  van  Oi^sfeld  2  capuin,  2  Schillinge.  —  Larabert  von  Urs- 
feld und  Theis  von  Steinstrassen  4  vass  roggen.  —  Wilhelm  int  Wein- 
baus, Thoenes  auf  dem  Bremenberg  2  vass  roggen.  —  Wilhelm  Fredericlis 
und  Palliers  kindern  16  capuin,  15  Schillinge.  —  Jan  in  die  aide  schewr 
13  capuin,  13  Schillinge.  —  Goisen  gut  7  vass  roggen,  10  capuin,  10 
Schillinge.  —  Nacken  in  dat  weinhaus  3  vass  roggen,  3  capuin,  3 
Schillinge.  —  Johan  uf  den  thiendhof  6  mark.  —  Gielis*  Krops  7  capuin, 

7  Schilling.  —  Der  beer  im  Grönendal  3  mark.  —  Meister  Lenz  *  söhn 
in  dem  beer  1  hoen.  —  Poirtgens  kinder  1  malter  roggen.  —  Leonard 
Jordens  zu  Vetschen  öVs  mark  1  Schilling.  —  Peter  von  SchirtzeF 
4  mark,  1  mass  even*.  —  Eeinart  im  panhaus  IV2  mark.  —  Hern 
Everharts  kinder  van  Haren  aus  der  teschen  zu  Aich  8  capuin.  — 
Segraz  muUen  op  den  graef  2  müd  roggen,  abgebest  bei  den  here. 

—  Der  halfen^  zu  Berrenberg,  Boendts  parteien^.  —  Johan  Broicher 
1  mttd  haver.  —  In  den  roemer  der  halfen  betaelt  1  vass  haberen. 
Thiesken  Roemers  2  vass  haberen;  lassen  kurzen  tegen  einen  brandiser, 
staende  in't  salet'  zu  Schoenaw. 

Pettr  (sie)  Milles  zu  Orsbach  2  vass  roggen,  2  capuin.  —  Der 
kleine  hof  zu  Orsbach  2  capuin,  —  Der  Schultheiss  2  capuin,  1  chur- 
mud.  Die  churmud  betalen  die  mitgedelingen  van  den  schultheiss  auf 
der  Mevenheiden. 

Funk  auf  die  Mevenheid  1  churmud.  —  Buetter*  von  Ach  nunc 
Schanternell  1  churmud.  —  Nellis  im  gronenschild  1  churmud.  —  Der 
hof  zu  Neuland  *  gibt  jarlichs  8  müd  roggen,  12  gülden,  8  capuin.  — 
Jan  Doetsmans  1  mud  haber,  4  capuin,  4  acher  merk,  1  churmud.  — 
Huegen  gut  IV2  mud  roggen,  1  churmud.  —  Henrich  Laven  gut  2 
mud  roggen,  1  churmud.  —  Offens  gut  3  vass  even,  2  capuin,  2  hennen, 
1  ziehnthoen,  10 V»  Schilling,  19  pfenning,  1  paeschbrot  ^^,  1  churmud. 

—  Die  cluiss.  Clas  Neuland  1  vass  haberen,  1  churmud.  —  Peters 
gut  an  den  putz  zu  Neuland  2  hennen,  1  ziehnthoen,  19  pfenning,  1 
paeschbrot,  1  churmud.  —  Philips  gut  von  Neuland  2  cupuin,  2  Schilling, 
1  paeschbrot,  1  churmud,  1  capuin,  1  thienthoen,  3  Schilling,  1  paesch- 
brot,  1  churmud.  —  Die  OUichsraüllen  ^^  zu  Neuland  4  acher  merk". 

Eine  Uebersicht  der  Einnahmen  liefern  die  Rentmeisterrechnungen, 
aus  denen  wir  zunächst  die  Erträge  von  den  Lehengütern  ausheben. 

1567  heisst  es  in  den  Einnahmen:  „Item  von  den  schönauischen 
underthanen  an  roggen  21  müd,  1  vass,  3  ferdeP^.  —  Item  von  den  under- 

*)  Egidius.  *)  Lorenz.  ^)  Schurzelt.  *)  Hafer.  *)  Halbwinner.  •)  Der  Zins  ist 
nicht  angegeben.  ')  Im  kleinen  Saal.  ®)  Bttttcrshaus  in  der  Soers.  *)  Uebcr  diesen  Hof 
siehe  unten.    >ö)  Osterbrot.     ")  Oelmühle.     ")  Viertel. 


—  17  — 

thaüen  3  müd  haber,  1  vass.  —  Item  geben  die  underthanen  zu  Schonawen 
jahrlichs  158^/4  capuin,  9  honer,  3  paischbrot  und  5  gülden  16  bauschen 
penuinksgelt". 

Dass  die  Kapaune  und  Hühner  aber  nicht  in  natura  abgeliefert, 
sondern  in  Geld  gezahlt  wurden,  zeigen  die  Rechnungen  von  1571  und 
1584,  in  denen  der  Posten  so  angegeben  ist:  „169  capuin  und  III  ferdel 
capuin,  geben  vur  jeden  6  albus,  facit  42  gülden,  10  albus  und  2  heller", 
und  „169  capuin  und  HE  ferdel  capuin,  jedes  stück  ad  8  albus  ^=  56  gülden 
14  albus,  9  honer  vor  jedes  3  albus"!  Man  scheint  also  die  Tiere  nach 
dem  Marktpreise  bezahlt  zu  haben,  während  nach  dem  ältesten  Laten- 
weistum  ein  Paar  Kapaune  mit  neun  Schillingen  bezahlt  wurden  „und  wat 
sy  (die  Pflichtigen)  un  me  geven,  dat  en  soulde  niet  syn  ind  werden  darby 
verunrecht". 

Von  den  Geldzinsen  sagen  die  Rechnungen:  „Item  geben  die  underthanen 
jarlichs  76  pennink  .  .  .".  Die  Zahl  der  bestehenden  Kurmeden  wird  über- 
einstimmend mit  dem  Verzeichnisse  auf  15  angegeben;  eine  verfallene  Kuh- 
kurmede  ist  mit  6  Thaler  —  13  Gulden  berechnet.  Im  17.  Jahrhundert 
wurden  dafür,  wie  oben  angegeben,  10  Reichsthaler  erhoben. 

Nach  der  Gefangennahme  der  Brüder  von  Blanche  im  Jahre  1760 
verkündete  der  Kommissar  Schlösser  ein  kuifürstliches  Dekret  folgenden 
Inhalts:  Da  der  Kurflirst  vorhabe,  das  von  den  Brü^lern  Blanche  aus  einem 
blosen  Latengericht  zu  formirende  oder  bereits  formirte  unmittelbare  iudicium 
zu  kassiren,  so  interponire  er  zum  voraus  ein  Dekret,  dass  gegen  alle 
diejenigen,  welche  von  den  Blanche  sich  zum  Statthalter,  Scheflfen,  Fiskus, 
Appellationskommissar  anstellen  liessen,  die  rechtsbehörige  Ahndung  vor- 
gekehrt werden  solle;  dass  es  aber  keineswegs  in  der  kurfürstlichen  Meinung 
liege,  der  Schoenauer  Laetbank  als  solcher  etwas  zu  entziehen,  so  dass 
die  dahin  gehörigen  Sachen,  als  wegen  Zins,  Pacht,  Ein-  und  Ausgang 
der  Kurmöden  u.  dgl.  auch  fernerhin  dort  verhandelt  werden  sollen.  Es 
dürfe  sich  aber  niemand  mehr  unterstehen  Sachen,  die  zum  gewöhnlichen 
Landgerichte  gehören,  bei  der  Schoenauer  Laetbank  einzuführen.  Vogt  und 
Scheflfen  der  Unterherrschaft  Heiden  werden  beauftragt,  jede  Zuwiderhand- 
lung sofort  zur  Anzeige  zu  bringen.  Vogt  Coomans,  Gerichtsschreiber  Hoen 
und  die  Schöffen  versprachen,  am  Gehorsam  nichts  fehlen  zu  lassen  „mit 
hinzugefügter  fast  gemeinsamer  ansprach,  dass  sie  dieses  reglements  und 
Unterscheidung  des  gewöhnlichen  gerichts  und  der  laetbank  ganz  wol  zu- 
frieden wären,  weilen  sie  bis  anhero  fast  nicht  gewusst,  wohin  sich  zu 
wenden  haben". 

Die  Genannten  waren  eben  die  Heidener  Gerichtspersonen;  von  den 
Schönauern,  die  zur  Anhörung  des  Dekrets  durch  Läutung  der  Pfarrglocke 
zusammengerufen  waren,  wird  eine  solche  Aeusserung  nicht  berichtet.  Oder 
soll  etwa  durch  das  sehr  bezeichnende  „fast**  zait  angedeutet  werden, 
dass  diese  keineswegs  „wohl  zufrieden"  waren? 

b.  Herr  Kraft  spricht  in  der  oben  angezogenen  Stelle  von  „Schätzungen", 


—  18  — 

d.  h.  vom  Rechte  des  Herrn  von  Schönau,  seine  Unterthanen  mit  Steuern 
zu  belegen.  Auch  diese  Berechtigung  spricht  Kaiser  Albert  dem  Ritter 
Gerard  zu.  Ueber  die  Art,  wie  die  Steuern  veranlagt  wurden,  ist  nichts 
bekannt;  wahrscheinlich  geschah  es  aber  wie  im  benachbarten  Heiden  durch 
das  Gericht.  Die  Erhebung  der  Steuern,  die  auch  „Schatz"  hiessen,  erfolgte 
durch  den  Rentmeister,  der  dieselben  vor  dem  Herrn  verrechnete.  Aus 
den  wenigen  vorhandenen  Bruchstücken  dieser  Rechnungen  lässt  sich  er- 
sehen, dass  der  Schatz  in  den  Jahren  1554 — 1560  im  ganzen  2164  Gulden 
14  Albus,  und  von  1609 — 1613  rund  1546  Gulden  einbrachte;  das  macht 
jährlich  in  runder  Summe  310  Gulden. 

Accisen^  wurden  in  Schönau  hauptsächlich  vom  Bier  erhoben.  „Der 
herr  zu  Schonaw**,  sagt  Kraft  von  Mylendunck,  „hat  von  onvurdenklichen 
Jahren  seine  kuirmeister  gehabt  wie  noch,  welche  in  dem  schonawischen 
gebiet  hier  und  wein  geprüft  und  auch  die  Übertreter  und  Verbrecher  mit 
gebürender  emenda  bestrafet  haben."  Die  Herren  zur  Heiden  bestritten 
den  Schönauern  dieses  Recht  ebenfalls  und  erlaubten  sich  thatsächliche 
EingriflFe  in  dasselbe.  So  forderte  zur  Zeit  des  Baltasar  von  Mylendunck 
die  Frau  zur  Heiden  die  Bieraccise  von  den  Schönauer  Brauern  und  liess 
durch  den  Feldschütz  einem  Zapfer  des  herrschaftlichen  Brauhauses  an  die 
Kreuzer  Geld  mit  Beschlag  belegen,  woraus  derselbe  28  Aachener  Gulden 
wegen  der  geforderten  Abgabe  bezahlen  musste.  Der  Brauer  beschwerte 
sich  darüber  bei  seinem  Herrn,  indem  er  angab,  das  sei  niemals  geschehen, 
die  Schönauer  Kürmeister  hätten  vielmehr  „het  hier  nach  die  werdy  auf- 
und  abgesetzt"*,  und  stets  hätte  „ein  zeitlicher  her  zu  Schonaw  auf 
schonawer  grond  die  axis  genossen  und  in  gebrauch  gehabt". 

Es  fehlte  natürlich  nicht  an  Brauern  und  Bierzapfern,  welche  sich 
der  Steuer  zu  entziehen  suchten.  Um  diesen  entgegenzutreten,  erliess 
Amandus  von  Mylendunck  folgende  Verordnung,  aus  der  wir  die  Thätigkeit 
der  Kürmeister  noch  genauer  kennen  lernen:  „Demnach  berichtet  werde, 
ob  solten  die  bierbrawers  und  zäpfern  dieser  meiner  freiherrligkeit  Schonaw 
sich  gelüsten  lassen,  der  polizeiordnung  zuwider,  meiner  angestellter  kür- 
meister  unerfordert,  das  hier  ungekürt  und  ungekerft  ausfahren  zu  lassen 
und  zu  verzapfen:  damit  aber  hinfort  solche  Unordnung  und  verschlag  der 
accinsen  verhütet  werden  möge,  wird  allen  und  jeden  braweren  bei  pfeeii 
2  goltgulden  anbefohlen,  kein  hier  ausführen  zu  lassen,  es  sei  denn  zu- 
vorderst der  angestellter  kürmeister  einer  darzu  gefordert,  gekürt  und 
gekerft;  den  zäpferen  aber  so  auswendig  hier  einlageren,  dessen  bei  pfeen 
eines  goltguldene  kein  anzustechen,  es  sei  dan  dazu  der  kürmeister  erfordert 
und  geküret.  Diewelches  der  bot^  der  gebühr^  anzukündigen  um  ihres 
Schadens  vor  zu  kommen.  So  geben  Schonaw  unter  meiner  handunterschrift 
und  pittschaft  am  22.  junii  1652.     A.  v.  Mylendunck." 


*)  Assisiae,  Abgaben  von  Lebensmittelu  uud  Waren,  also  indirekte  Steuern. 
')  (1.  h.  je  uacli  dem  Werte  auf  höhern  oder  geringern  Preis  gesetzt. 
*)  Gerichtsbote.     *)  wie  es  sich  gebürt. 


—  19  — 

Brauereien  gab  es  fünf  ia  der  Herrschaft:  das  herrschaftliche  Pann- 
baus an  die  Kreuzer,  zwei  im  Grünenthal,  wovon  eine  zum  Bär  hiess,  eine 
an  der  Huff  und  eine  am  Hirtz. 

Das  Pannhaus  „an  die  Kreuzer,  prope  cruces**  lag  „im  vorgeburg  des 
Schlosses";  es  gehörten  dazu  „haus,  hof  und  15  morgen  land**.  Dasselbe 
brachte  im  Jahre  1567  dem  Hen-n  65  Gulden  20  Albus  ein;  es  wird  aber 
nicht  gesagt,  ob  das  Geld  aus  dem  Pachte  oder  aus  der  Bieraccise  herrührte. 

Im  Jahre  1611  verpachtete  Baltasar  von  Mylendunck  das  „panhaus 
zu  Schonaw  nebst  anklebendem  bongart  und  kohlhof"  an  die  Eheleute  von 
der  Bank,  welche  ihm  in  seinen  „noeten  und  anliegen**  437^2  Thaler  ä  26 
Mark  aix  vorgestreckt  hatten,  für  70  Thaler  auf  so  lange,  bis  das  Dar- 
lehen verwohnt  wäre.  Er  behielt  sich  jedoch  das  Recht  vor,  durch  gänz- 
liche oder  teilweise  Abzahlung  der  Schuld  die  Pachtzeit  zu  kürzen  oder 
auch  die  Gläubiger  anderweitig  zu  befriedigen.  Dieser  Fall  trat  aber  nicht 
ein,  denn  Baltasar  verfügt  erst  1618  wieder  über  das  Brauhaus.  Damals 
heiratete  seine  Tochter  Agnes  den  Johann  von  Kessel.  Während  der 
Bräutigam  alles  in  die  Ehe  brachte,  was  er  von  seiner  ersten  Frau  Helene 
von  Spee  ererbt,  das,  was  er  bereits  von  seinem  Vater  Mathias  erhalten 
„als  nemlich  under  anderen  den  hof  zu  Loe  under  Kessel  gelegen  und  den 
hof  zu  Pütt**,  sowie  das,  was  er  nach  seines  Vaters  Tode  noch  zu  erwarten 
hatte,  gelobte  Baltasar  „obgedachter  juffer  Agnes  als  seiner  leiblichen 
dochter**  eine  Mitgift  von  4000  Gulden  Venloer  Währung  und  bis  zur 
Auszahlung  dieser  Summe  sechsprozentige  Zinsen.  Auch  gestattete  er  den 
Eheleuten,  dass  sie  zur  Befreiung  ihrer  anderen  Güter  im  ersten  Jahre 
tausend  Gulden  auf  seine  Besitzungen  aufnehmen  dürften;  fünf  Jahre  nach 
seinem  Tode  könnten  sie  sich  den  Rest  auszahlen  lassen.  Als  Zeugen  unter- 
schrieben Goedart  von  Beeck,  G.  Kipshoven,  Herman  Quadt.  Zur  Sicherung 
der  Zinsen  räumte  dann  Baltasar  dem  Schwiegersohne  das  Pannhaus  an 
die  Kreuzer  ein,  und  Johann  von  Kessel  sowohl  wie  dessen  Sohn  Baltasar 
bezogen  stets  die  Pachtgelder.  Baltasar  von  Kessel  war  verheiratet  mit 
Margarethe  von  Broich.  Nach  seinem  Tode  ehelichte  die  Witwe  den  Herrn 
Melchior  von  Dammerscheid.  Beide  verpachteten  1697  „das  panhaus  an 
die  kreuzer  mit  dazii  gehörigem  gehöcht,  scheuer  und  stall**  für  jährlich 
140  Thaler  ä  26  Mark  aix.  Isaak  Lambert  von  Blanche,  der  Isabella  von 
Kessel,  eine  Tochter  der  Witwe,  geheiratet  hatte,  nnterschrieb  als  Zeuge. 
Am  7.  November  1703  schenkte  dann  Margarethe  von  Broich,  Witwe 
Kessel  und  Dammerscheid,  zu  Anrath  ihrem  Sohne  Johann  Wilhelm  von 
Kessel  eine  Gerechtigkeit  am  Hoenger  Busch  sowie  die  Forderung,  wegen 
welcher  sie  das  Pannhaus  an  die  Kreuzer  in  Pfandschaft  hatte.  Als 
Johann  Wilhelm  hörte,  dass  seine  beiden  Schwäger  von  Blanche  und 
Hammes,  der  die  Anna  Maria  von  Kessel  zur  Frau  hatte,  die  Schenkung 
angreifen  wollten,  Hess  er  sich  durch  den  Kurfürsten  in  Düsseldorf  manu- 
teniren.  Aber  das  nutzte  ihm  nichts;  1712  beauftragte  Hammes  den  Notar 
Schmitz  sich  für  ihn,  seine  Frau  und  seine  Erben  in  den  Besitz  des  Pann- 


—  20  — 

hauses  zu  setzen.  Es  geschah  mit  den  üblichen  Formalitäten.  Nach  dem 
Tode  des  Harames  wurde  dessen  Witwe  von  der  Witwe  Tornako  zu  Aachen 
wegen  Schulden  vor  dem  Gerichte  des  Ländchens  zur  Heiden  belangt.  Die 
beiden  Frauen  einigten  sich  dahin,  dass  die  Hammes  der  Tornako  das 
Pannhaus  einräume,  und  dej*  Akt  wurde  1721  von  dem  Heidener  Gerichte 
approbirt,  realisirt  und  dem  Protokolle  einverleibt.  Nun  erhob  aber  Nikolaus 
Paffen,  der  Schwiegersohn  der  Witwe  Hammes,  den  die  Heidener  einen 
Köhlerknecht  nennen,  Einspruch.  Er  wollte  sein  Recht  auf  das  Pannliaus 
vor  dem  Gerichte  zu  Schönau  darthun,  während  die  Tornako  an  der 
Zuständigkeit  der  Heidener  Bank  festhielt.  Schliesslich  erkannte  letztere 
auf  Räumung  des  Pannhauses  und  Übergabe  desselben  an  die  Witwe 
Tornako.  Der  Gerichtsdiener  Deutschen  wurde  mit  der  Ausführung  des 
Beschlusses  beauftragt.  Als  derselbe  sich  mit  Heidener  Schützen  am  Pann- 
haus befand,  um  die  Immission  vorzunehmen,  erschien  plötzlich  der  Herr 
von  Schönau,  Johann  Gottfried  von  Blanche,  den  Melchior  Hammes,  der 
Sohn  der  Witwe  „schier  in  allen  wirtsheuseren  der  Stadt  Aachen  auf- 
gesucht und  herauszukommen  gebeten  hatte".  Wegen  dieser  „Verletzung 
der  schönauischen  Jurisdiktion**  erschoss  der  junge  Mensch  den  armen 
Boten,  der  nur  seine  Schuldigkeit  gethan.  Als  gerechte  Strafe  für  die 
scheussliche  Ueberschreitung  seines  Rechts,  die  er  freilich  nachher  als 
einen  Akt  der  Notwelir  darzustellen  suchte,  traf  den  Blanche  das  Geschick, 
dass  er  selber  die  ganze  Schönauer  Selbstherrlichkeit'  begraben  und  sich 
zum  Vasallen  des  Kurfürsten  schwören  musste.  Das  Pannhaus  blieb  aber 
im  Besitze  der  Witwe  Tornako. 

Als  von  Blanche  aus  der  Haft  zu  Jülich  losgekommen  war,  nahm  er 
beim  Freiherrn  von  Geyr,  der  im  letzten  Jahre  der  Gefangenschaft  Schönau 
verwaltet  hatte,  1100  Reichsthaler  auf,  um  das  Pannhaus  vom  General- 
feldzeugmeister Tornako,  dem  Sohne  der  Pfandinhaberin,  einzulösen.  Ob- 
schon  dieser  die  Kreuzer  bereits  seinem  Schwiegersohne  für  dessen  Ältesten 
übertragen  hatte,  versprach  er  doch  dem  von  Blanche  dafür  sorgen  zu 
wollen,  dass  ihm  das  Gut  für  1000  Reichsthaler  überlassen  werde.  So  kam 
das  herrschaftliche  Brauhaus  nach  fast  löOjähriger  Entfremdung  wieder 
an  Schönau,  blieb  aber  dem  Herrn  von  Geyr  zur  Hypothek  gestellt. 

Von  den  beiden  Brauereien  im  Grünenthal  wurde  die  neben  dem 
Pannhause  zum  Bär  liegende  von  den  Brüdern  Gabrielis  am  19.  März  1699 
für  600  Aachener  Thaler  ä  26  Mark  verkauft.  Der  Verzichtspfennig  betrug 
17  Reichsthaler  ä  56  Mark.  Das  Haus  lag  einerseits  neben  dem  Bär, 
anderseits  neben  von  Ottegraven. 

Viel  bedeutender  war  der  Ertrag  für  die  Brauerei  am  Hirtz.  Man 
verkaufte  dieselbe  mit  Haus,  Hof,  angehöriger  Braugerätschaft  nebst  zu- 
gehörigem Garten  und  Graswachs  im  Jahre  1744  für  1400  Reichsthaler. 
Das  Protokoll  verzeichnet  ihre  Lage  „neben  des  aachischen  wachtthurms 
erbschaft**  sowie  den  auf  derselben  lastenden  Schönauer  Erbpacht  von 
4^2  Fass  Roggen,  1  Kapaun  und  8  Mark. 


-  21  - 

Die  Bieraccise  wurde,  wie  wir  oben  schon  hörten,  von  jedem  Gebräu 
gezahlt,  denn  der  Kürmeister  musste  ja  jedesmal  gerufen  werden  um  durch 
Probe  des  Bieres  den  Wert  festzustellen  und  zu  „kerfen**,  d.  h.  den 
Betrag  der  Accise  auf  dem  Kerbholz  anzuzeichnen.  1596  hat  „Jan  in  gen 
Groenendal  gebrowen  24  gebrowe,  bis  Andreae  gerekent  en  betaelt;  Gilles 
in  gen  beer  23  gebrowe;  Huprecht  an  gen  hirtz  14  gebrowe.  Dartegen 
V,  ton  biers  vor  einen  daler,  der  rest  ist  verriebt." 

Die  Biersteuer  brachte  ein  in  den  Jahren  1554  bis  1560:  452  Gulden, 
1567:  14  Gulden,  1568:  13  Gulden,  1569  und  1570:  je  18  Gulden  12 
Albus,  1571:  16  Gulden,  1584:  7  Gulden.  In  einer  Rechnung  ohne  Datum 
ist  dieselbe  mit  4  Thaler  10  Mark  verzeichnet. 

c.  Dem  Herrn  von  Schönau  stand  es  auch  zu,  von  den  die  Herr- 
schaft Durchziehenden  für  die  Benutzung  der  Wege  eine  Abgabe  zu  er- 
heben. Dieses  „Wegegeld"  ergab  in  den  Jahren  1554 — 1560  die  Summe 
von  240  Gulden.  Der  Schlagbaum  hing  an  die  Kreuzer  und  wurde  „von 
Schönau  geschlossen  und  geöffnet**. 

d.  „Ein  Herr  von  Schönau**,  sagt  Kraft  von  Mylendunck  weiter,  „hat 
Juden  unter  seinem  gebiet  und  herrschaft  zu  vergleiten  gehabt,  welche 
jehrlichen  tribut  bezahlt  und  die  erde  zu  ihrer  begrebnuss  von  einem  herrn 
zu  Schonaw  kaufen  müssen,  wie  solches  mit  brieflichem  schein  zu  belegen.** 

Das  Recht  Juden  zu  geleiten,  d.  h.  ihnen  den  Aufenthalt  in  der 
Herrschaft  zu  gestatten,  lässt  sich  ebenfalls  aus  den  Rechnungen  nach- 
weisen. In  den  Jahren  1554 — 1560  zahlten  drei  Juden  für  den  Aufenthalt 
in  Richterich  zusammen  257  Gulden;  ein  Jude  Alexander  gab  für  seinen 
Aufenthalt  im  Weiler  an  der  Hand  36  Gulden  jährlich.  In  betreff  dieses 
letzteren  wendete  sich  der  Aachener  Rat  am  11.  Januar  1553  an  Herrn 
Kraft  von  Mylendunck  in  einem  Schreiben,  welches  klar  zeigt,  dass  auch 
Aachen  Schönau  als  eine  selbständige  Herrschaft  anerkannte.  Der  Jude 
hatte  nämlich  von  einem  Frauenzimmer  für  ein  Spottgeld  Tuch  gekauft, 
das  zwei  armen  Webern  in  der  Christnacht  vom  Rahmen  abgeschnitten 
worden  war.  Der  Rat  forderte  Herrn  Kraft  auf,  da  Alexander  „unter 
seinem  Gerichtszwang  und  Gebiet  gesessen**  sei,  den  armen  Leuten  zu 
ihrem  Tuch  oder  zu  ihrem  Geld  zu  verhelfen.  —  Im  Jahre  1666  erklärte 
eine  80jährige  Frau  vor  Notar  und  Zeugen,  dass  die  Juden  in  Richterich 
im  Weinhaus  auf  Schönauer  Gebiet  wohnten,  woher  die  Strasse  den  Namen 
Judenstrasse  führe,  und  dass  dieselben  in  der  Vorheide  oder  auch  in 
„Lysgens  grab^**  begraben  würden. 

e.  Wir  haben  oben  schon  ein  Zeugnis  aus  dem  17.  Jahrhundert  mit- 
geteilt, wonach  die  Herren  von  Schönau  stets  die  Jagd  auf  ihrem  Gebiet 
ausübten  und  auch  die  benachbarten  Edelleute  an  derselben  teilnehmen 
Hessen.  1599  gestattete  Baltasar  von  Mylendunck  dem  Junker  Wilhelm 
von  Streithagen  auf  Ürsfeld  ebenfalls  die  Mitjagd,   aber  nur  auf  Lebens- 


')  So  hiess  die  Schönauer  Richtstätte. 


—  22  — 

zeit  und  ohne  Nachteil  für  die  schönauische  Hoheit.  Isaak  Lambert  de 
Blanche,  der  in  kaiserlichen  Diensten  kreuzweis  durch  einen  Fuss  geschossen 
worden  war,  liess  in  den  Jahren  1709  und  1710,  „da  er  selbst  Ziemlicher- 
massen impotent  gewesen",  die  Jagd  durch  einen  Aachener  ausüben. 

Mit  grosser  Strenge  hielten  die  Herren  darauf,  dass  ihr  Jagdrecht 
nicht  verletzt  werde.  Es  fehlt  nicht  an  Verordnungen  besonders  gegen 
die  Hunde,  die  knüppellos  im  Felde  umherschweiften;  auch  wird  als  Akt 
der  Landeshoheit  angemerkt,  wenn  so  ein  armer  Köter  vom  gestrengen 
Herrn  erschossen  worden  war.  Natürlich  verfuhr  man  auch  gegen  zwei- 
beinige Jagdfrevler  nicht  gerade  gnädig.  1607  wurde  ein  Schönauer  „wegen 
violirter  schonawischer  Jagdgerechtigkeit"  auf  dem  Schlosse  in  Haft  gebracht 
und  erst  „auf  vorpitt  verschiedener  benachbarten  edelleuten  nach  aus- 
geschworener Urfehde  aus  gnaden  relaxirt".  Ein  Aachener  wurde  1687 
dieses  Verbrechens  wegen  sogar  in  Eisen  gelegt  und  musste  seine  Flinte 
mit  3  Thaler  auslösen.  Und  gerade  wegen  der  Jagdgerechtigkeit  führte 
der  Streit  zwischen  Heiden  und  Schönau  zu  Auftritten  von  unglaublicher 
Roheit.  Ein  Herr  von  Leerode  beorderte  als  Mitherr  zur  Heiden  einen 
Haufen  Gesindel,  darunter  „einen  salva  venia  Schweineschneider  und  einen, 
der  sich  für  einen  Tiroler  ausgibt",  um  den  jagenden  Herrn  von  Blanche 
mit  seinen  Vettern  und  einem  Landleutenant  aus  dem  Amte  Brüggen  zu 
überfallen.  Die  Herren  Hessen  sich  wirklich  von  den  Kerlen  entwaffnen, 
schlagen  und  verwunden.  Dafür  forderten  sie  aber  auch  als  Schadenersatz 
10000  bezw.  5000  und  4000  Dukaten  und  der  Landleutenant,  dem  ein 
Arm  lahm  geschlagen  worden  war,  ausserdem  eine  jährliche  Rente  von 
100  Dukaten.  Das  Gericht  in  Düsseldorf  nahm  freilich  die  Sache  nicht 
so  hoch;  es  verurteilte  Leerode  zu  50  Thaler  fiskalische  Bruch t,  100  Thaler 
Civilentschädigung  für  die  vier  Verwundeten,  zur  Tragung  aller  Kur-  und 
Prozesskosten,  sowie  zur  Erstattung  der  Flinten  und  Jagdtaschen. 

f.  Das  Münzrecht,  welches  Kaiser  Albert  dem  Ritter  Gerard  verbriefte, 
hat  —  soviel  bekannt  —  nur  einer  der  Herren  von  Schönau  ausgeübt,  nämlich 
Dietrich  von  Mylendunck,  welcher  1522  in  den  Besitz  Schönaus  gelangte. 
Kräftig  bemüht,  alle  seine  Rechte  wie  auch  sein  Gebiet  zu  wahren  und 
gegen  die  Eingriffe  der  Heidener  zu  schützen,  hat  er  wohl  auch  seine 
Münzen  nur  zu  dem  Zweck  schlagen  lassen,  damit  dieses  Recht  nicht  ver- 
gessen werde.  In  den  spätem  Latenweistümern  ist  denn  auch  häufig  Rede 
von  den  durch  Dieterich  geprägten  Geldstücken,  welche  ältere  Laten  gesehen 
zu  haben  versichern.  Ob  Kraft  von  Mylendunck  nicht  wenigstens  den 
Versuch  gemacht  hat,  Schönauer  Münze  anfertigen  zu  lassen?  Das  lässt 
sich  zwar  nicht  beweisen  aber  doch  vermuten  aus  einem  der  vielen  Klage- 
punkte, welche  Wilhelm  von  dem  Bongart  vor  dem  Herzog  von  Jülich 
gegen  ihn  vorbrachte.  Es  heisst  nämlich  in  der  Beschwerdeschrift,  Kraft 
habe  sich  auch  durch  „vergleitung  und  aufhaltung  von  falschmünzern" 
gegen  seiner  Fürstlichen  Gnaden  und  des  H.  R.  Reichs  Ordnungen  vergangen. 
Der  Mylenduncker  weist  freilicli   diese  Anschuldigung  entschieden  zurück 


—  23  — 

und  sagt,  er  habe  nur  einigen  Handwerksgesellen   die  Erlaubnis  gegeben, 
ihr  Handwerk  auszuüben  und  sich  dadurch  ehrlich  zu  ernähren. 

Sicher  aber  ist,  dass  Johann  Gottfried  von  Blanche  allen  Ernstes 
daran  dachte,  das  Schönauer  Mtinzrecht  wiederum  zur  Geltung  zu  bringen. 
Er  teilte  dem  Kurfürsten  von  Köln  als  einem  der  Direktoren  des  Nieder- 
rheinisch Westphälischen  Kreises  unter  dem  7.  Januar  1756  mit,  dass  er 
sich  zur  Aufrechthaltung  des  regalis  cudendae  monetae '  habe  entschliessen 
müssen,  einige  Münzsorten  nach  des  H.  R.  Reichs  Ordnung  und  der  benach- 
barten Mtinzherren  Fuss  prägen  zu  lassen.  Aber  bereits  am  22.  Januar 
machte  Herr  von  Reuschenberg,  der  diese  Angelegenheit  in  Bonn  betreiben 
sollte,  dem  Herrn  von  Blanche  die  Mitteilung,  einer  der  Bonner  Herren 
habe  ihm  gesagt:  „es  wäre  für  ewr.  hochwohlgeboren  zu  wünschen,  dass 
sie  solches  ius  monetandi  ^  in  jüngeren  zeiten  ausgeübt  hätten,  als  dass  sie 
solches  erst  nach  einem  so  langen  zeitverlauf  durch  alte  dokumenten  sich 
anmassen  wollen;  ich  besorge  allein,  dass  ewr.  hochwohlgeboren  dabei 
contradiktion  und  verdruss  leiden**.  Herr  von  Blanche  ging  nun  zwar 
ungesäumt  mit  der  Ausgabe  der  von  ihm  neugeprägten  Vierhellerstücke 
vor,  aber  sofort  zeigte  sich  auch  die  „contradiktion**.  Der  Aachener  Rat 
verbot  die  „schonawische  bauschen**  unter  Strafe  von  3  Goldgulden  toties 
quoties'^  und  liess  das  Verbot  sowohl  an  den  Stadtthoren  anschlagen,  als 
auch  durch  die  Pfortenwächter  in  den  Häusern  verkündigen.  Damit  war 
der  Versuch  gescheitert. 

4.  Sonstige  Rechte  und  Güter  der  Herren  von  Schönau. 

a.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  Schönau  als  ehemaliger  Haupthof 
seinen  Anteil  an  der  Almende  des  pfalzgräflichen  AUods  Richterich  hatte. 
Die  Lehenleute  und  Laten  erklärten  denn  auch  im  Jahre  1491  auf  die 
Frage  ihres  Schultheissen,  „ob  sie  einige  gerechtigkeit  auf  dem  walde* 
hätten,  wann  echer^  wüchsen,  und  ob  sie  auch  einige  seh  wein  daraufschlagen 
mögen  P:  dass  sie  von  ihrem  gedenken  alle  zeit,  wann  echer  wüchsen,  nach 
gelegenheit  ihre  schweine  aufm  walde  haben  mögen  schlagen  ohne  etwas 
davon  zu  geben,  und  ihrer  keinem  ist  kundig,  dass  sie  jemals  gehöret  oder 
von  ihren  eiteren  vernomen  noch  in  ihrem  leben  gesehen  oder  gehöret  haben, 
dass  jemand  von  alsolchen  Schweinen  gelt  oder  Schätzung  erfordert  geheischen 
oder  gegeben  hat,  dan  sie  allezeit  von  menschen  gedenken  hcro  die  freiheit 
besessen  haben  davon  nichts  zu  geben;  wiewohl  nun  in  drei  oder  vier  jähren 
die  juffer  von  der  Heiden^  jedes  schwein  geschätzet  und  in  gelt  gesetzet 
und  die  alte  gute  gewonheit  herkomen  und  unverbrüchliche  uralte  gehabte 


^)  des  Rechtes  Geld  zu  schlagen. 
*)  Hecht  der  Münzpräge. 
*)  für  jeden  einzelnen  Fall. 
*)  dem  Gemeindcbusch. 
*)  Eicheln  und  Buchecker. 
*)  Maria  von  Merode. 


—  24  — 

freiheit  der  lehenleuten  und  laten  von  Schonaweu  aufgehoben  und  gebüret^ 
hat.**  Wie  seine  Lehenleute,  so  klagte  auch  Kraft  von  Mylendunck  selbst 
1508  gegen  die  Frau  zur  Heiden  vor  dem  Herzog  von  Jülich,  dass  sie 
„nach  inne  willen  in  den  gemeinen  busch  handele  wider  recht  ind  alle 
billigheit**.  Der  Sohn  und  Nachfolger  der  Maria,  Werner  von  Schönrode, 
scheint  diese  Klageu  abgestellt  zu  haben;  sein  Schreiben  vom  Jahre  1524 
sagt  ja  ausdrücklich,  dass  „die  byde  herlichkeiten  Schonawen  und  Heiden 
suUen  ein  wie  die  andere  berechtigt  syn  inde  bliven  up  den  gemeinen  busch**  ^. 
Dass  insbesondere  der  Hof  zu  Schönau  noch  in  späterer  Zeit  an  der  ganzen 
Almende  beteiligt  war,  zeigt  eine  Erklärung  der  Halbwinnerin  vom  Jahre 
1567:  Wilhelm  von  dem  Bongart  als  Herr  zur  Heiden  habe  ihr  geboten, 
„so  hoch  der  her  zu  gebeden^**,  sich  der  Hofgüter  mit  samt  der  Gemeinde^ 
zu  enthalten,  bis  sie  ihm  die  Türkensteuer  erlegt  habe.  Obwohl  nun  bisher 
der  Herr  von  Schönau  diese  Steuer  immer  erhoben  „und  in  seinen  ver- 
ordneten legstellen  gebürt**  hatte,  gab  die  Pächterin,  „um  aller  bedrangung 
auszuweichen",  dem  Vogte  zu  Horbach  drei  bescheidene  Goldgulden,  jedoch 
unter  der  Erklärung,  dass  sie  dadurch  der  Gerichtsbarkeit  ihres  Herrn 
nichts  vergeben  wolle. 

Die  Schönauer  hielten  ihre  Berechtigung  an  der  Gemeinde  stets  auf- 
recht. Noch  im  Jahre  1758  Hess  von  Blanche  in  das  Begangprotokoll  die 
Bemerkung  aufnehmen,  „der  gemeinsame  busch  sei  von  den  Heidenern  arg 
devastirt,  fast  ruinirt**. 

b.  Inbezug  auf  den  Zehnten,  welcher  im  Ländchen  von  der  Heiden 
dem  Aachener  Münsterstifte  gehörte,  behauptete  von  Blanche,  gestützt  auf 
die  Aussage  der  Pächterin,  dass  ein  Teil  der  Länderei  im  Schönauer  Felde, 
sowie  zwei  Stücke,  „der  Lahn**  genannt,  zehntfrei  seien,  dass  von  dem 
übrigen  Lande  die  elfte  Garbe*  gezehntet  werde,  dass  10  Garben  Winter- 
frucht und  10  Garben  Hafer  den  Schönauer  Bedienten  überlassen,  Zehnt- 
stroh und  Kave  aber  dem  Hofe  zurückgegeben  werden  müssten,  während 
von  gelben  und  weissen  Rüben,  von  Klee,  Kappus,  Hanf,  Flachs,  Heu, 
sowie  von  andern  grün  abgeschnittenen  und  verfütterten  Kräutern  dem 
Kapitel  nicht  der  geringste  Zehnte  verabreicht  werde. 

c.  Im  Jahre  1737  vermass  der  Landmesser  Spiertz  folgende  zum  Hause 
Schönau  gehörige  Stücke:  1.  den  Hausweier,  der  rings  um  das  Schloss  und 
den  Vorhof  gelegen  ist;  2.  den  Mevendrischweier  (600  Ruten);  3.  den 
Leimweier  (80  R.);  4.  den  Broichweier  (400  R.);  5.  den  Baltusenweier 
(17  R.),  das  Langweierchen  (IIV2  RO1  das  runde  Pfühlchen  (2  R.),  das 
Pfützweierchen  (5  R.  4  Fuss),  den  Pfützpfuhl  (12  R.);  6.  das  Feld,  der 
Lahn  genannt,  und  die  Wiese,  Pesch  genannt  (16  Morgen  50  R.);  7.  den 


*)  an  sich  gezogen. 

2)  Qu  ix,  Schönau  S.  9. 

^)  bei  der  höchsten  Strafe,  die  er  verhängen  konnte. 

*)  Almende. 

*)  Der  Herrenhof  des  Grafen  Hezelo  gab  dagegen  sogar  doppelten  Zehnten. 


—  25  — 

Plattenbend  (8V4  M.);  8.  den  Kahlingsbend  (5  M.  weniger  1  R.),  das 
Kesselsbendchen  (177  R.);  9.  den  Jungenbusch  vor  dem  Schlosse  gelegen, 
in  dem  Eichen  und  Buchen  standen.  Die  Mylenduncker  sollen  die  Bäume 
abgehauen  und  verkauft  haben;  der  alte  Blanche  Hess  die  letzten  fällen 
und  für  den  Aufbau  des  Hauses  Schönau  zurechtmachen,  jedoch  wurde  das 
Holz  von  brandenburgischen  Volontärs  verbrannt.  Darauf  bepflanzte  man 
den  Boden  —  6  Morgen  61  Ruten  —  mit  961  Bäumen:  es  kam  also  auf 
eine  Rut^  ein  Baum. 

d.  Der  in  der  Vorburg  gelegene  Hof  von  Schönau  war  nach  den 
vorliegenden  Nachrichten  stets  verpachtet  und  zwar  lange  Zeit  an  die 
Rentmeister  bezw.  Schultheissen.  Es  wird  nicht  ohne  Interesse  sein,  das 
Urteil  zu  hören,  welches  ein  Mylendunck,  der  Herr  von  Goer  und  Fronen- 
broch,  gelegentlich  einer  Erbteilung  im  Jahre  1579  über  den  Wert  der 
Besitzung  fällte.  „Item  zu  Schonawen  ist  kalk  und  stein  ganz  wolfeiP, 
und  hette  mein  broder  herr  zu  Meiderich  bei  seinen  lebzeiten  mit  4000 
daler  an  den  zweien  orteren  so  schone  heuser  bauwen  kunnen,  als  ich  zu 
Goer  und  Fronenbroch  mit  14000  daler.  Item  zo  Schonawen  kan  man 
um  4  daler  so  viel  kalen  *  kaufen,  als  einer  von  uns  zu  seiner  haushaltung 
soll  bedürfen.  Item  die  15  morgen  lants,  so  mein  broder  seliger  der 
schultessinen  zu  Schonawen  verkauft,  jeder  for  50  Daler,  welches  mir  halb 
zukomt.  Zu  gedenken,  Schonawen  hat  ungeferlich  anderthalb  hondert 
morgen  lants  und  mag  ein  morgen  von  den  besten  75  daler  gelden:  so 
hoch  kan  das  lant  zu  Fronenbroch  nit  angeschlagen  werden,  dan  das  ist 
lehen,  Schonawen  aber  allodial.  Noch  zu  gedenken,  die  fischerei  zu  Schonawen 
ist  nit  gerechnet.  Item  den  bungart  hinder  des  Schultessen  haus,  welchen 
meine  neflfen  selbst  20  daler  werden  schetzen  jarlichs.  Item  der  acker 
zu  Schonawen  mus  auch  angezogen  werden**. 

Die  Rechnung  von  1567  verzeichnet  in  den  Einnahmen:  „von  dem 
hove  zu  Schonawen  au  roggen  60  müd,  1  müd  weiss,  6  müd  haberen";  die 
Rechnung  von  1571  fügt  noch  hinzu:  „.  .  .  item  an  schrimpkorn  1  malter 
roggen".  Wahrscheinlich  ist  hiermit  der  damalige  Pachtbetrag  in  Frucht 
angegeben.  Im  Jahre  1584  heisst  es:  „Item  gab  ich  von  dem  hof  zu 
Schonawen  geltpacht  50  daler,  jeden  ad  52  albus  facit  108  gülden  8  albus". 

Im  folgenden  gebe  ich  die  noch  vorhandenen  Pachtverträge  der 
Zeitfolge  nach.  —  1596  April  18.  verpachteten  die  Brüder  Kraft  und 
Baitasar  von  Mylendunck  den  Hof  an  Paulus  Breera  und  Idgen,  dessen 
Hausfrau,  auf  12  Jahre  (mit  beiderseitigem  halbjährigen  Kündigungsrecht 
nach  6  Jahren)  für  48  Müd  Koggen  oder  40  Müd  Roggen  und  16  Müd 
Hafer 3,  4  Müd  Weizen ^  8  Müd  Hafer,  V2  Müd  Erbsen;  diese  Frucht  ist 


')  Ganz  in  der  Nähe,  auf  dem  Vetscheter  Berge,  wurden  Steine  gebrochen  und  Kalk 
gebrannt. 

*)  Kohlen. 

')  Hafer  galt  also  nur  die  Hälfte  des  Koggens. 

*)  Es  wurde  also  viel  weniger  Weizen  als  Roggen  und  Hafer  gezogen. 


~  26  — 

in  guter,  reiner,  trockener  „marktgever"  Ware  in  Aachen  abzuliefern. 
Ferner  zahlen  die  Pächter  50  Thaler  vom  Graswachs  und  20  Thaler  „von 
dem  breiden,  vor  dem  haus  verlandten  weier"  und  geben  „vor  lieffenis" 
jährlich  6  Pfund  Zucker,  1  Pfund  Pfeffer,  1  Pfund  „genffers"  ^  6  Kapaune, 
2  gute  fette  Gänse,  2  Verken  „ausser  der  stuppelen  oder  ein  fettes  dafür 
zu  der  heiTen  chuir"*,  einen  fetten  Hammel,  ein  Lamm,  „hondert  markt- 
oder  grosse"  Pfund  Butter  —  die  im  Mai  geliefert  werden  mussten  —  30 
gute  harte  getrocknete  Käse,  10  Quart  Rttböl,  100  Eier,  auch  Milch  und 
Rüben  nach  Bedarf  der  Küche.  Ausserdem  liefert  der  Pächter  Häcksel 
und  Stroh  für  die  Pferde  der  Herren,  ßlhrt  die  nötigen  Kohlen  zu,  wofür 
er  von  jeder  Fracht  ein  Fass  Hafer  für  die  Pferde  erhält,  und  holt  das 
Heu  aus  dem  Cardiansbend.  Auf  das  gepachtete  Land  muss  er  jährlich 
20  Wagen  Mergel  und  7  Karren  Kalk  fahren;  das  beaufsichtigen  der  Herren 
Diener.  „Item  es  soll  der  halfen  schuldig  sein,  dero  hern  kalkuitschen 
hönern^  die  weide  zu  vergennen,  noch  keine  douben  der  halfen  zu  halten 
macht  haben."  Bei  Hagelschlag  und  Misswaclis  wird  der  Pächter  gehalten 
wie  andere  Halfen;  geschieht  Schade  „durch  hernkraft*",  so  wird  das 
abgeschätzt  und  trifft  die  Herren  zu  zwei,  die  Pächter  zu  einem  Drittel. 
Als  Zeugen  unterzeichneten  Goddart  von  Keverberg  genannt  Meven  und 
Johan  von  Utwich. 

Als  Adolf  von  Hillensberg  und  seine  Frau  Anna  Maria  von  Mylen- 
dunck  1663  den  Hof  wiederum  auf  12  Jahre  verpachteten,  gaben  sie  den- 
selben auf  Halbgewinn  nicht  bloss  von  den  Fruchtarten,  sondern  auch  von 
den  Kühen,  Schweinen  und  Schafen.  Ausserdem  forderten  sie  145  Thaler 
„vihezugt",  40  Thaler  als  trockenen^  Weinkauf,  für  mefrau  einen  Rosenobel 
und  zu  Neujahr  6  Pfund  Zucker,  8  Pfund  Zinn,  1  Pfund  Pfeffer,  1  Pfund 
„imber*^"  und  V2  Pfund  NägeF.  Vermutlich  haben  die  Verpächter  dem 
Halbwinner  eine  Anzahl  Vieh  in  die  Wirtschaft  gegeben,  daher  der  Halb- 
gewinn auch  am  Vieh. 

Ein  ähnlicher  Vertrag  wurde  1712  zwischen  dem  alten  Herrn  von 
Blanche  und  dem  Freiherrn  von  Reuschenberg  zu  Berensberg  geschlossen, 
aber  da  lauten  die  Bedingungen  ganz  anders.  Reuschenberg  sollte  gegen 
Vorgabe  von  drei  Morgen  die  Schönauer  Länderei  bebauen  und  besäen  und 
dann  mit  Blanche  die  Frucht  teilen.  Weil  Blanche  bereits  im  folgenden 
Jahre  durch  einen  Mylendunck  aus  dem  Besitze  von  Schönau  gesetzt  wurde, 
konnte  der  Vertrag  nicht  gehalten  werden,  und  Reuschenberg  erlitt  einen 
Schaden  von  160  Thaler.  Zum  Ersatz  überliess  man  dem  Sohne  und  Erben 
Reuschenbergs  die  Gegenstände,  welche  Blanche  beim  Abzüge  dem  Berens- 
berger  übergeben  hatte :  Kalesche,  Wagen,  Karren,  Gewehr  und  mehrere  Geräte. 
1726  August  7.  verpachtete  Johan  Gottfried  von  Blanche  „das  kaiserlich 
freie  reichshaus  Schönau  samt  gebucht,  schewr  und  stallung  wie  auch  die 


')  Ingwer.  *)  Wahl.  ^)  Truthühner.  *)  Krieg,  Fehde.  *)  Dessen  Betrag  nicht 
von  den  Parteien  verzehrt,  sondern  vom  Verpächter  hezw.  Verkäufer  zum  eigenen  Nutzen 
verwendet  wird.    •)  Ingwer.     ^)  Gewürznelken. 


—  27  — 

weide,  den  pätzdriesch  genant,  den  newen  bend,  den  Jungenbusch,  kalber> 
weid  and  die  halbscbeid  der  weide,  den  pesch  genant,  sodan  den  kalings- 
weier  mit  umliegenden  dämen,  item  das  schönauer  feld,  jedoch  die  länderei, 
so  Carl '  und  Johan  Hecker  hieraus  oben  negst  der  richtericher  beiden  jezo 
einhaben  ausgeschieden,  und  ungleichen  drei  theil  des  gartens  vor  Schonauer- 
pforten  gelegen  und  endlich  die  um  den  schönauer  weiern  liegende  däme* 
für  550  Thaler  a  26  Mark  aix.  Blanche  behielt  sich  vor  den  Sal,  den 
neuen  Bau,  den  Platz  samt  daselbst  stehendem  Gefach,  den  hintersten 
Keller,  den  vierten  Teil  des  Gartens,  das  halbe  Obst,  die  Ausfütterung 
von  jährlich  drei  Kühen  und  sechs  Schafen,  drei  Kohlenfuhren  nach  Aachen 
und  drei  nach  Schönau. 

§  14  des  Vertrages  lautet:  „Solle  pfachter  bei  exemplarischer  straf, 
so  sich  der  hen*  zu  Schönau  vorbehaltet,  keine  fruchten  in  der  heidnischen 
mühl  mahlen  lassen,  auch  dem  haus  Heiden  in  keine  wege  gehorsam  leisten/ 

Diese  Bedingung  fehlt  selbstverständlich  in  der  Verpachtung  vom 
13.  März  1760,  welche  die  beiden  Brüder  von  Blanche  während  ihrer  Haft  zu 
Jülich  thätigten.  Als  Gegenstand  der  Verpachtung  sind  genannt:  der  Pfütz- 
driesch  (Punderichs),  die  Kälberwiese,  der  oberste  und  unterste  Pesch,  der 
Kahlingsbend  und  Weier,  der  Plattebend,  der  Kessels-,  Bischofs-  und 
Pflaumenbend  zusammen  etwa  50 V»  Morgen;  sodann  das  Schönauer  Feld 
und  das  Feld  im  Lahn.  Der  Pachtpreis  betrug  350  Thaler  ä  9  Gulden 
aix.  Wenn  die  Brüder  wieder  auf  Schönau  wohnen,  muss  der  Pächter  den 
halben  Garten,  die  neue  Weide,  den  Morgen  im  Busch  abtreten,  das  halbe 
Obst  geben,  Mist  und  Brand  fahren,  zwei  Kühe  und  ein  Rind  ausfüttern, 
drei  Fass  Wintersamen,  ein  fettes  Kalb,  ein  Lamm  und  ein  Faselschwein 
liefern,  zahlt  dann  aber  nur  310  Thaler.  Am  folgenden  Tage  übernahm 
der  Pächter  noch  7  Morgen  im  Kaliugsbend,  7  Morgen  im  Richtericher 
Feld  an  der  Harburger  Dell,  7  Morgen  am  Heiligenhäuschen  (zwischen 
Richterich  und  Horbach)  und  7  Morgen  im  Hotzerfeld  für  einen  jährlichen 
Pacht  von  133  Thaler  ä  26  Mark  aix  oder  64  Reichsthaler  und  2  Mark. 
Diesen  Vertrag  unterschrieb  auch  der  Vogtmajor  Hauzeur,  der  in  den 
Jahren  1760 — 1762  kurfürstlicher  Verwalter  von  Schönau  war. 

Der  Pächter  hat  keine  guten  Geschäfte  gemacht.  1768  war  er  den 
Blanche  164  Thaler  28  Mark  2  Bauschen  Pacht  schuldig  und  musste  dafür 
dem  Herrn  vier  Kühe  im  Gesamtwert  von  80  Thaler,  ein  Pferd  ad  31  Thaler, 
einen  Branntweinskessel  ad  35  Thaler  28  Mark  2  Bauschen  und  eine  Sau 
ad  18  Thaler  überlassen. 

e.  üeber  den  Hof  Neulant,  welcher  ebenfalls  zu  Schönau  gehörte, 
muss  ich  mich  wegen  mangelnder  Nachrichten  kürzer  fassen.  Derselbe  lag 
in  der  Bank  Kirch rath,  Landes  Herzogenrath,  und  war  ein  Lathof  mit 
einer  Latenbank.  Die  Gerechtsame  desselben  bestanden  in  12  Müd  Roggen, 
3  Müd  Hafer,    17  Kapaunen,    12  Aachener  Gulden,   4  Hühnern,    3   Zehnt- 


')  ('arl  Hecker  hatte  ciuc  von  Blauche  zur  Frau. 


—  28  — 

hühnern,  3  Osterbroten  und  8  Kurmeden.  von  Blanche  berechnete  den 
Ertrag  desselben  auf  84  Thaler.  Auch  sagt  er,  es  gehöre  zu  dem  Hofe 
noch  ein  Latdistrikt,  „Schönauer  gut"  genannt,  der  zehntfrei  sei  und  dessen 
umliegende  Güter  mit  10  Schilling  species  vor  dem  Latherm  bezw.  Statt- 
halter und  zwei  Latschöffen  erhoben  werden  mtissten. 

Im  Jahre  1600  gaben  die  Brüder  Kraft  und  Baltasar  von  Mylendunck 
diesen  Hof  auf  ewige  Wiederlöse  dem  Leonard  Kanen  für  1200  Reichsthaler 
und  bevollmächtigten  den  Goedart  von  Keverberg  genannt  Meven  auf  Rath  \ 
das  Gut  dem  Kanen  vor  dem  Manngerichte  zu  Herzogenrath  zu  übertragen. 
Schon  zwei  Jahre  nachher  gab  Baltasar  Neulant  an  Andreas  Vroen  auf 
ewige  Wiederlöse  für  1600  Reichsthaler,  von  welcher  Summe  ihm  selbst  400, 
dem  Kamen  aber  1200  Reichsthaler  ausgezahlt  wurden. 

5.  Die  üebernahme  der  Herrschaft. 

Die  Besitzergreifung  der  Herrschaft  Schönau  durch  einen  neuen  Herrn 
erfolgte  unter  einer  Reihe  von  sinnbildlichen  Handlungen.  Manche  derselben 
sind  allgemein  üblich  gewesen  und  wurden  auch  beim  Antreten  bürgerlicher 
Immobilien  angewendet.  Dahin  gehören  „aufnehmung  der  erd  vom  acker 
die  lahn  genant,  ausstechung  der  watzen  in  dem  bungart  der  pützdriesch 
genant,  abbrechung  der  zweig  im  grossen  garten  der  vorm  haus  gelegen, 
Schöpfung  des  wassers  aus  dem  hausweier,  fassung  des  klöppeis  der  vordersten, 
auch  der  ersten,  zweiten,  dritten  pforte  des  vorhofs  und  des  hauses  Schönau 
und  stochung  des  feuers  auf  salert",  wozu  bei  einer  andern  Gelegenheit 
noch  „aufschürzung  und  niederlasung  des  heels^in  der  küche"  erwähnt  wird. 
Alle  diese  Handlungen  sollten  nur  andeuten,  dass  der,  welcher  sie  vornahm, 
der  wirkliche  Herr  des  Hauses  und  Hofes  war. 

Einige  andere  Gebräuche,  welche  der  neue  Besitzer  beobachtete,  hatten 
dagegen  den  Zweck,  die  Eigenschaft  Schönaus  als  eines  Sonnenlehens,  als 
einer  ganz  freien  und  unabhängigen  Herrschaft  darzuthun.  Dazu  gehört 
das  Auswerfen  von  Gold-  und  Silbermünzen  gegen  die  Sonne,  wobei  die 
linke  Hand  auf  das  Seitengewehr  gelegt  wurde. 

Die  Lehen,  besonders  auch  die  im  Ländchen  von  der  Heiden  gelegenen, 
wurden  vor  dem  Lehenhofe  mit  Gold  und  Silber  empfangen:  wenn  nun  der 
neue  Herr  von  Schönau  Gold  und  Silber  gegen  die  Sonne  wirft,  so  drückt 
er  durch  diese  Handlung  den  Gedanken  aus,  welchen  das  älteste  Schönauer 
Latenweistum  mit  den  Worten  ausspricht:  „man  en  held  die  guede  van 
niemande,  dan  van  onsen  heren  Gode  ind  siner  liever  moder**.  Gott  der 
Herr  hat  ja  nach  den  Worten  des  18.  Psalms  „in  der  Sonne  sein  Zelt  auf- 
geschlagen" und  die  Gottesmutter  Maria  kannte  das  Mittelalter  aus  dem 
12.  Kapitel  der  Geheimen  Offenbarung  als  das  „mit  der  Sonne  bekleidete 
Weib".   Und  wenn  der  Besitzergreifende  dabei  die  Hand  in  die  linke  Seite 


*)  Rahe  in  der  Soers. 

^)  Kesselhaken  über  dem  Herdfeuer. 


-  29  - 

legt,  wo  er  seine  WaflFe  trug,  so  heisst  das  nichts  anderes,  als  das«  er 
bereit  sei,  den  ihm  von  Gott  gewordenen  Besitz  gegen  jeden  Angriflf  zu 
verteidigen. 

Sodann  wurde  den  Unterthanen  der  Eid  vorgelesen.  „Ihr  X.  X.  sollt 
globen  und  schwören  zu  Gott,  dem  hoch  wohlgebor  neu  herm  X.  N.  als  herm 
hierselbst  zu  Schonaw  trew  holt  und  gewärtig  zu  sein,  ärgstes  zu  warnen 
uud  bestes  zu  fordern.*'  Der  Schwörende  erhob  die  Hand  und  sprach: 
„Was  mir  anitzo  ist  vorgelesen  worden  und  ich  wohl  verstanden  habe, 
solchem  will  ich  also  nachkommen,  so  wahr  mir  Gott  helfe  und  sein 
h.  evangelium." 

Die  Feier  fand  gewöhnlich  zu  Schönau  auf  der  grossen  Brücke  statt. 
So  befiehlt  Dietrich  von  Mylendunck  1521  seinem  Schultheissen,  dem  Gerichte 
„zo  gebeiden  der  huldonge  ind  eide  na,  sy  mir  als  urem  heren  zu  Schoenauen 
gedain  hont  op  die  groise  bruiche  .  .  .". 

Als  Gothard  von  Mylendunck  am  8.  August  1574  die  Huldigung  ent- 
gegennahm, gab  er  den  Unterthanen  ein  Ohm  Bier  und  „etlich  brod  und 
keis  darzo,  kost  zusamen  4^2  gülden  **.  Bier,  Brot  und  Käse  wai'  das 
Gericht,  welches  der  Herr  zu  Schönau  den  Unterthanen  geben  musste,  so 
oft  sie  Frondienste  für  ihn  leisteten.  Das  älteste  Weistum  sagt  dartiber: 
„Item  of  dat  herrschaf  zo  Schonowen  vyant  hedde,  so  moisseu  die  loessen, 
alle  avents  zween,  zo  Schonowen  wachen,  ein  yegelich  solde  man  geven 
ein  pott  biers,  ein  par  micken*  ind  ein  stück  kees  darup.  It^m  wer't  sach, 
dat  men  ouch  um  vyenschaf  dat  ys*  houwen  muss,  so  soulde  men  ouch  den 
laessen  kees  brot  ind  hier  geven.** 

Die  Rechnung  von  1590/91  sagt:  „Item  bei  Gillissen  im  beer  verzert 
worden  als  mynher  zu  Schönaw  gehult  worden  ...  22  gülden.**  Verglichen 
mit  der  Huldigung  von  1574,  die  nur  4^»  Gulden  kostete,  muss  das  eine 
grossartige  Feier  gewesen  sein;  man  hat  sie  wohl  im  Bär  gehalten,  um 
den  Heidenem  durch  die  That  zu  zeigen,  dass  Grünen thal,  wo  der  Bär 
lag,  zum  Schönauer  Gebiet  gehöre. 

6.  Das  Schloss  »Schönau.     Kin  Inventar. 

Über  die  baulichen  Verhältnisse  des  pfalzgrilHichen  Herrenhofes  wissen 
wir  aus  Urkunden  nichts,  wir  können  nur  vermuten,  dass  derselbe  nach 
den  Vorschriften  des  Gesetzes  über  die  Königshöle  eingerichtet  gewesen  ist. 

Gegen  Ende  des  13.  Jahrhunderts  gab  es  Hvluni  eine  Burg  Schönau; 
im  Jahre  1280  wurde  ja  da.selbst  der  bekannte  Friede  zwischen  der  Gräfin 
von  Jülich  und  der  Stadt  Aachen  abgeschlossen.  Diese  Burg  haben  wir 
uns  dann  ähnlich  vorzustellen,  wie  sich  jetzt  noch  die  in  Trümmer  liegenden 
Burgen  von  Heiden,  Wilhelmstein  und  Schöiifurst  zeigen;  auch  können  die 
ältesten  Teile  des  Soerserhauses  zum  V^irgleiche  herangezogen  werden. 
Da   war  ein    mächtiger  Turm,   der   Bergfried   oder  Donjon,   welcher    als 

*)  Wcbabrole. 
»)  Eb. 


—  30  — 

Wohnung  für  die  herrschaftliche  Familie  diente  und  au  den  sich  die 
Wohnungen  für  die  Diener  und  die  Wirtschaftsräume  anschlössen.  Das 
Ganze  umgaben  breite  Wassergräben  und  hohe  Mauern,  an  deren  Ecken 
runde  oder  eckige  Türme  die  Verteidigungsfähigkeit  erhöhten. 

Im  Jahre  1488  schloss  Kraft  von  Mylendunck  einen  Vertrag  mit  dem 
Ziramermeister  Johan  Poeghen,  laut  welchem  letzterer  auf  den  Turm  von 
Schönau  eine  neue,  60  Fuss  holie  Kappe  setzen  sollte  nebst  Erkern  an  den 
Ecken  mit  drei  oder  vier  Fenstern.  Auch  wurde  die  Scheune  auf  dem 
Hofe  wiederhergestellt.  Kraft  lieferte  das  Holz  und  die  Geräte,  gab  dem 
Meister  und  dessen  Knechten  die  Kost  beim  Halbwinner  und  zahlte,  wenn 
alles  fertig  war,  80  rheinische  Gulden  ä  6  Aachener  Mark,  3  Müd  Roggen 
und  3  Tonnen  Bier.  Beim  Abschlüsse  des  Vertrages  waren  zugegen  Wolter 
von  Bilsen,  Kanonikus  und  Vizedom  der  Liebfrauenkirche  zu  Aachen'; 
^Tohan  von  Palant,  Herr  zu  Wildenburg  und  Drost  zu  Herzogenrath  und 
Wilhelmstein;  Johan  von  Hambach,  Vogt  von  Wilhelmstein. 

Die  Wohnung  im  Donjon  mit  ihren  in  drei  oder  vier  Stockwerken 
liegenden  Räumen,  zu  denen  man  nur  auf  engen  und  steilen  Wendeltreppen 
gelangen  konnte,  wurde  den  spätem  Geschlechtern  zu  unbequem.  Die 
Schönauer  des  16.  Jahrhunderts  erbauten  sich  ein  neues  Herrenhaus.  Eine 
Rentmeisterrechnung  aus  dem  Jahre  1566  zeigt  den  Posten:  „Zu  Schonaw 
auf  das  new  haus  ein  dachdeck  er  gestuppt  2  dag.  jeden  dags  VIII  albus.* 
Und  im  folgenden  Jahre  heisst  es:  „Item  als  sich  das  new  haus  zu  Schonaw 
ein  wenig  ersezt,  hab  ich  ime  zu  steur  legen  lassen  vier  ankeren,  jeden 
XI  albus." 

Der  Wachtturm  des  Hauses  wurde  von  den  Wächtern  „Savels  Jan 
thurm"  genannt;  warum,  ist  nicht  gesagt. 

Aus  einem  Briefe  des  Baltasar  von  Mylendunck  vom  Jahre  1624  erhellt, 
dass  damals  wieder  Reparaturen  am  Hause  nötig  waren.  Er  schreibt  seiner 
Tochter,  die  Mutter  solle  auf  dem  Vetscher  Berg  drei  Wagen  Giundsteine 
bestellen,  um  die  Fundamente  am  Burghause  auszubessern,  und  einen 
Pliesterer  nehmen,  um  den  Saal  zu  pliesteren,  „dan  das  stehet  gar  zu 
schimpflich  und  zu  hesslich" ;  auch  müsste  seine  Kammer  wohl  wieder  geweisst 
werden.  Zuerst  aber  solle  man  den  Schieferdecker  das  Dach  nachsehen 
lassen,  sonst  werde  das  Pliestern  nicht  viel  nutzen.  Das  neue  „gemechsgen** 
solle  man  nicht  eher  weissen  lassen,  bis  er  da  sei,  weil  noch  ein  neuer 
Söller  darüber  müsse  gemacht  werden.  Glänzend  ist  es  demnach  mit  dem 
Hause  Schönau  damals  nicht  bestellt  gewesen. 

Bei  den  vielen  Streitigkeiten  über  den  Besitz  der  Herrschaft,  welche 
mehrmals  eine  gewaltsame  Einnahme  des  Hauses  zur  Folge  hatten,  mussten 
auch  die  Gebäude  viel  leiden.  Als  Isaak  Lambert  von  Blanche  sich  1696 
in  den  Besitz  des  Gutes  setzte,  fand  er  das  Haus  verwüstet,  „fast  zerbrochen, 
und  über  einen  häufen  gerissen''.    Kaum  hatte  er  dasselbe  durch  Zimmerer 

^)  Es  ist  der  oben  in  I.  1  erwähnte  Walter  de  Blisia;  davon,  dass  er  Vizepropst 
gewesen  sei,  findet  sich  bei  Heasch  nichts. 


—  81   — 

uod  Dachdecker  instand  setzen  lassen,  so  musste  er  wieder  riumen  und 
konnte  nachher  mit  den  HersteUnngsarbeiten  von  neuem  beginnen.  Er  hat 
sich  aber  jedesmal  auf  das  Xutwendigste  beschrinkt.  Deshalb  be^iiunn  sein 
Sohn  und  Nachfolger  im  Jahre  1782  mit  einem  vollstiindigen  Neubau,  wie 
er  sich  denn  auch  rühmt,  das  Haus  von  gmnd  auf  herrlich  aufgebaut  zu 
haben.  Sein  Werk  steht  noch  heute:  der  Baumeister  hat  mit  dem  alteu 
Gemäuer  gründlich  aufgeräumt,  den  Donjon  zum  Treppenhaus  umgewandelt 
und  die  Wohnräume  zu  beiden  Seiten  desselben  angelegt. 

Es  ist  mir  nur  ein  Vei-zeichnis  Schönauer  Mobilien  zu  Gesicht  gekommen, 
welches  zudem  aus  einer  Zeit  stammt,  in  der  es  mit  dem  Hause  am  traurigsten 
aussah«  Das  mag  die  übergrosse  Dürftigkeit  erklären.  Bedauerlich  ist, 
dass  der  Notar  über  die  vorgefundenen  Urkunden  und  Bücher  so  kurz  hinweg- 
geht: jedenfalls  hatten  diese  mehr  ,uf  sich*,  als  die  Würste  und  allen 
Lappen,  die  er  gewissenhaft  verzeichnet.    Das  Inventar  lautet: 

..Anno  1696  den  11.  mai  uf  requisition  herrn  Goddart  Kraft,  ft\Mlienn 
von  Mylendunck,  herrn  zu  Fronenbroch  etc.  hab  ich  endsunterschriebeuer 
kais.  offenbarer  uotarius  ...  die  ufin  haus  zu  Schonaw  nach  ergriffener 
possession  gefundene  mobilia  et  moventia  folgender  gestalt  trewlich  invenUag^i- 
sirt  und  verzeichnet. 

Nemlich.  Zween  füllen  von  ungefehr  ein  jähr,  drei  ackerpfent  so 
ziemlich  alt  und  zwei  fünf  ad  sechsjährige  pferd ;  28  stück  hornvieh,  worunter 
10  kühe  klein  und  gross,  das  übrige  aber  rinder  und  erwachsene  kälber, 
wovon  einige  fremden  leuten  zugehörig  sein  sollen,  nemlich  5  küh  und 
2  rinder,  item  7  kälber  klein  und  gross;  4  säw  und  2  beren  samt  14  kleine 
verklein,  7  vaselverken,  ein  erwachsene  und  ein  junge  geiss  und  ein  bock, 
und  einig  federvieh  von  schrauten,  hüner  und  tauben; 

item  10  viertel  speck,  10  haramen  und  hespen  samt  einigen  bolster- 
wurst  ad  10  stück,  15  stück  geräuchert  rindfleisch; 

an  roggen  21  malder  5  vass,  an  hanfsamen  4  vaas,  weizen  1  malder 
5  vass,  flachssam  1  vass,  wickea  1  vass,  rübsam  ^/g  vass; 

Better  und  pullen.  Ein  gestreift  federn  bett,  ein  haubtpull,  2  küssen 
und  2  decken. 

Item  ein  bettstatt  mit  gelb  behengsel;  im  saal  ein  bett  mit  haubtpull 
und  2  küssen  und  2  alte  decken.  Ein  bettstatt  mit  alt  grün  bohengsol, 
ein  alt  federn  bett  und  ein  korb  mit  federn;  8  altfränkische  eontrefait 
schildereien. 

Gewehr.  Vier  gezogene  bnxen,  vorab  2  mit  flintenschlössern,  10  flinten 
und  musquetten  durcheinander,  2  alte  stücker  von  flinten  mit  anhabenden 
Schlösser,  ein  Jagdhorn  und  ein  halb  tönngen  bnxcnpulver. 

Ein  tabaxdoes,  dieses  ist  in  einem  taiellaken  samt  untcrscheidliciicn 
briefschaften,  so  in  einem  pulpito  gefunden,  eingebunden  und  zupitschirt 
worden  mit  mein  notarii  pitschaft.  Ein  klein  rund  mit  eisen  beschlagenes 
kistgen,  worin  unterscheidliche  briefen,   so  gleichfals  zupitschirt  worden. 


—  32  — 

Leinwat.  20  tafellaken  gross  und  klein  durcheinander,  12  feine 
Servietten,  4  kleine  servietten,  12  handtücher,  8  schlechte  korbkleider,  ein 
klein  stück  bettzieg  von  1^2  eilen,  3  stück  grob  ungebleicht  servietten- 
gebild,  3  stein  flachs,  2  par  grobe  laken,  noch  2  grosse  gebilde  tischtücher 
und  2  gebilde  handtücher;  in  einem  mit  rauhem  kalbfeil  überzogenem  korb 
2  hemden  und  ein  kinderwindel,  40  stück  klein  leinwat,  5  lange  hals- 
tücher,  13  hemden,  12  bündel  werken  garn,  eine  quantiteit  boddelen  garn, 
11  stein  hanf.    Noch  5  servietten  und  ein  tischkleid  in  der  küche  gelegen. 

Einige  nicht  viel  werthe  hölzerne  dosen  und  item  alte  buicher,  so 
nit  viel  uf  sich  haben;  item  ein  missiven  buch  von  Mylendonkh. 

Holzen  werk.  Ein  altes  pultbrett,  2  spinrader,  einen  vierkantigen 
tisch,  noch  einen  vierkantigen  austreckenden  tisch  samt  einer  gelb  und 
roten  tapet,  6  hülzene  steul,  ein  Spiegel,  2  ledige  kiste  und  eine  so  zu- 
gesiegelt und  hern  von  Blanche  Schwester  Antonetta  zukommen  soll ;  noch" 
ein  klein  kistgen  so  auch  ledig. 

Uf  der  capellkammer  ein  klein  vierkantig  tischgen,  noch  ein  vier- 
kantiger tisch,  ein  kantenküssen,  ein  mit  eisen  beschlagene  kist,  ein  alte 
kist  mit  allerhand  alte  brief  uf  dem  söUer  stehend."  (Nun  folgen  Töpfe 
und  Fässer.) 

„61  milchnäpf  oder  plateelen  und  ein  milchfass  und  andere  melkerei- 
gereitschaft.  Ein  kochbank  in  der  kuchen,  ein  sietzsiedel,  ein  vierkantiger 
tisch,  2  bänk,  2  stuhl.**     (Dann  Tonnen  und  Melkzeug.) 

„Noch  eine  alte  bettstatt  samt  altem  bett  und  schlechter  decken  für 
die  mägd.    Ein  holzene  kornmühle. 

Kleider.  Ein  brauner  leibrock  von  pay  mit  henskot  gefüttert,  ein 
greis  graw  kleid,  nemlich  rock  und  kamisol. 

Eisenwerk.  6  eiserne  kessel  und  topfe,  4  lange  bratspiesse,  löffel, 
röster,  pfannen  und  einen  hengel. 

Kupfer.  Ein  kleiner  mörser  mit  eisernem  stösser,  4  gegossene  kupferne 
leuchter,  ein  kleiner  kupferner  kessel  und  sieb. 

Zinnenwerk.  6  englisch  Zinnteller,  3  grosse  und  3  kleine  schüsselen, 
13  churzinne  teller.** 

Auf  einem  Zimmer,  die  Stube  genannt:  „ein  bett,  haubtpull  und  2 
küssen  samt  2  wullen  und  ein  leinen  decke,  ein  bettstatt  ohne  gardinen" 
und  einige  Frauenkleider  nebst  Wäsche;  „ein  hoch  schaff  mit  2  thüren 
und  2  Schlosser,  worin  ein  weissen  frawen  sommerrock,  ein  alte  fontange, 
ein  tabbert,  2  alte  frawen  tabberts,  noch  2  zinne  kümpgens,  10  ziuner 
leffeln,  ein  kupfern  lichtputz,  ein  ronde  mit  leder  überzogene  kist,  ein  klein 
vierkantig  tischgen  mit  bontem  tischkleid. 

In  der  oberkuchen:  ein  moult,  ein  stuhl,  drei  zeinen  oder  waschkübel. 
Ein  par  alte  pistolen,  ein  degen  mit  portep^e,  noch  drei  schnaphanen  und 
ein  feuerrohr,  ein  holzen  wag  mit  schalen,  ein  alten  rostigen  degen  mit 
bajonett.    Und   ist  dieses,   was   sich    an   mobilien   uf  besagtem   haus   zu 

SchonaW    gefunden."  (Fortsetzung  folgt.) 


—  33  — 

GhrisUiche  Anslegong  einer  bösen  Earlssage. 

Von  B.  M.  Leneh. 

Die  inhaltreiche  Abhandlung  von  Ang.  Pauls:  ,Der  Bing  der  Fastrada*^ 
mit  ihrem  gelehrten  Apparate  im  17.  Bande  der  Zeitschrift  des  Aachener 
Geschichis-Vereins  S.  1 — 73  ist  besonders  deshalb  beachtenswert,  weil  ae 
den  Kern  der  Sage,  wie  er  sich  in  den  5  ältesten  Formen  dersdben  ans 
dem  13.  and  14.  Jahrhundert  darstellt,  von  den  spätem  Zuthaten  ksschält, 
insbesondere  auch  von  der  Tor  nicht  langer  Zeit  aufg^ommenen  Beziehung 
zur  Fastrada.  Ohne  Zweifel  mit  Recht  wird  ein  Teil  dieser  Answüchse 
anf  abergläabische  Vorstellungen  zurückgeführt,  deren  Entstehen  weit  ror 
der  kandingisch^i  Zeit  liegt ;  es  sind  dies  namentlich  die  Tiden  altso-Sagen 
über  einen  Liebeszauber,  der  auch  nach  dem  Tode  der  Geliebten  nicht 
erlischt.  Interessant  ist  ferner  die  Herkunft  eines  Zaubersteines  Ton  der 
Schlange,  welcher  der  Kaiser,  als  sie  mit  der  Kröte  in  Streit  lag,  Becht 
gesprochen  hatte,  eine  schon  bei  Theodosius  Toricommende  Sage,  die  dort 
mit  d^  Wiederkehr  der  Sehkraft  des  erblindeten  Monarchen  in  Verbindung 
gebracht  wird,  wogegen  nach  der  aas  Zürich  stammenden  Erzählung  der 
kostbare  Stein,  den  ein  grosser  Wurm  aus  Dankbarkeit  Karl  überliess, 
Ursache  eines  schlimmen  Zaubers  ward.  So  lange  er  nämlich  im  Besitze 
einer  Gemahlin  des  Königs  war,  erwies  er  sich  als  ein  böses  Philtrum,  und 
im  Munde  der  Gestorbenen  ruhend,  fesselte  er  das  Herz  des  Gemahls 
derart,  dass  er  die  einbalsamierte  Leiche  IS  Jahre  mit  sich  herumführte, 
bis  ein  Ritter  den  Stein  aus  dem  Munde  entfernte  und  zu  Aachen  in  einen 
Sumpf  bei  einer  warmen  Quelle  warf:  .in  locum [quendam  uligunosum  ad 
fontem  calidum*,  woraul  dann  die  Liebe  des  Königs  auf  die  Aachener  Gegend 
überging  und  Veraula5>uD?  zur  Gründung  der  Stadt  und  zur  Erbauung 
des  Munsters  wurde,  wie  der  ähnliche  Vorgang  früher  zur  Erbauung  einer 
Kirche  in  Zürich. 

Enelkens  Weltbuch  bringt  die  Sage,  ohoe  der  Herkunft  und  der 
Beschaffenheit  des  im  Munde  der  Leiche  vom  Bisch*'fe  gefundenen  21auber- 
mittels  zu  eedenken:  ebtfüs-»weüiir  thut  dies  die  Levdeaer  Handschrift,  nach 
welcher  Karl  in  eine  Zauberin  oder  Nymphe,  die  nur  bei  Anwesoiheit 
des  Königs  Leben  zeigte,  verliebt  war,  bis  ein  Sonnenstrahl  ihm  das  der 
Zunge  angewachseoe  Goldkorn,  granom  auri  offenbarte,  nach  dessen  Ent- 
fernung sie  nicht  mehr  erwachte '.  Nach  dem  Gedichte  Karl  Meinet  war 
es  aber  ein  im  Haare  verb«jrgenes  Bin  ^'eichen  ivingeryn),  was  Karl  nicht 
von  der  Leiche  weg^lies^.  Ms  es  eLtfemt  wurde:  als  dassell«  in  ein  tiefes  Broch 
bei  der  einsamen  G^anu^burg  gewurten  wcrJ-n  war,  gin^  seine  Neigung  auf 
Aachen  über,  wu  er  dann  das  Münster  zu  U.  L.  Frauen  Ehre  baute. 
Ahnlich  lautet  die  Erzähluc^.  welche  Petrarca  zu  Aachen  schrifllich  ver- 


M  Amck  ukdere  Zaab^rrtcine  £?i:^ea.  n^x^r  die  Zos^  ^Icgt,  ikre  Kraft,  ^jvemue 
ex  oealk  hTa^nac;.  si  «rr^iiiL:;*.  lir^Tiie  hairii-  sabiüu«  ftticn  pn«-lieer«  dkaamr.*  Plinii 
Eist.  SAt.  37.  e.  lo. 


—  34  — 

zeichnet  fand;  hier  war  es  eine  Gemme ^  in  einem  kleinen  Ringelchen 
unter  der  Zunge  der  einbalsamierten  Leiche  eines  Weibsbildes,  weches  ein 
Kölner  Bischof  entdeckte  und  in  den  Schlund  eines  naheliegenden  Sumpfes 
warf,  inmitten  dessen  darauf  der  vom  Liebeszauber  befreite  Herrscher  auf 
mächtigen  Steinmassen  mit  grossen  Kosten  den  Palast  und  den  Tempel 
erbaute,  da  Aachen  jetzt  der  Lieblingssitz  des  Königs  wurde.  Auch  die 
Kölner  Chronik  weiss  von  dem  „rinck  mit  eyme  kostel  gesteyn  dair  lach 
in  syne  puyll",  welchem  Aachen  sein  Rathaus  und  sein  Münster  zu  ver- 
danken hat. 

Wahrscheinlich  hat  eine  ähnliche  Sage  schon  zu  Zeiten  der  Römer 
bestanden.  Ich  will  damit  nicht  sagen,  dass  der  Römer,  der  zum  ersten 
Male  Aquis  granum  ausrief,  Kunde  von  einem  dort  ruhenden  Zauberkorn 
hatte;  auch  möchte  ich  nicht  mit  Klinkenberg  (Zeitschr.  des  Aach.  Geschieh ts- 
Vereins,  Bd.  XIV,  S.  1  u.  ff.)  in  der  Grana  eine  Erdgöttin  Sirona  wiederfinden, 
da  diese  doch  wohl  den  Mond  vorstellte,  oder  mit  Seybert  im  Edelstein  einen 
in  Indien  sprichwörtlichen  Schlangenstein,  den  die  Gewitterschlange  im 
Kopfe  trägt  und  dann  mit  Pauls  vom  Donnergotte  Thor  und  dessen  Blitzen 
die  Sage  ableiten,  wobei  der  Edelstein,  von  dessen  Glanz  kein  Wort  spricht, 
die  nach  dem  Gewitter  strahlende  Sonne  und  zugleich  das  spärlich  leuchtende 
verborgene  Goldkorn  den  goldenen  Erntesegen  bedeuten  soll.  Immerhin 
deutet  die  Schlange  auf  römisch-heidnischen  Ursprung  der  Sage.  Die  von 
Epidauros  herübergebrachte  Schlange  wurde,  wie  wir  bei  Plinius  lesen,  als 
Haustier  gepflegt,  und  eine  im  Süden  vorkommende  Schlange  wurde  an 
rheinische  Thermen  verpflanzt*.  Es  ist  zudem  die  Schlange  nicht  ohne 
Beziehung  zum  Quellgotte  Apollo,  der  sie  mit  seinen  Pfeilen  verfolgt  ^ 
Selbst  die  Basilisken-Schlange  der  Pyrenäischen  Provinz,  in  welcher  der 
Sonnenquell*  war,  könnte  für  diese  Beziehung  angeführt  werden. 

Wenn  nun  auch  die  heidnische  Grundlage  in  unserer  Sage  nicht  zu 
verkennen  ist,  so  liegt  in  derselben  doch  auch  eine  christliche  Idee  aus- 
gesprochen. Zunächst  kehi't  in  den  schriftlichen  Aufzeichnungen  aus  dem 
13.  und  14.  Jahrhundert  der  Gedanke  beständig  wieder,  dass  vor  der 
Erbauung  des  Münsters  ein  unerklärlicher  Zauber  den  Sinn  des  HeiTschers 
gefangen  hielt,  der  sich  in  der  unsinnigsten  Weise,  ja  in  höchst  sündhafter 
Art  der  Liebesbeweise  kund  that.  Die  Legende  von  einer  Sünde,  die  Karl 
nicht  beichten  wollte,  die  ihm  aber  durch  einen  vom  Himmel  wunderbar 
gekommenen  Gnadenbrief  erlassen  wurde,  hat  man  im  Mittelalter  selbst 
in  einem  Relief  des  Karlsschreines  zu  verewigen  nicht  gescheut.  Jeden- 
falls war  diese  Sünde  keine  andere,  als  die  von  der  Sage  ausgesponnene, 
für  den  Frommsinn  Karls  unbegreifliche  und   nach  den   wirklichen  Ver- 


^)  Diese  erinnert  an  die  Sonueugemmen  der  Magier.    (Plin.  H.  n.  37,  c.  10.) 
')  Ehemals  hatte  man  Öfters  auch  hier  Gelegenheit,  am  Abflüsse  des  mit  Thermal- 
Wasser  vermischten  Warmbaches  Schlangen  zu  sehen. 
')  Plinius,  Hist.  nat.  34,  c.  8. 
*)  Plinius,  Hist.  nat.  8,  c.  21. 


—  35  — 

hihiiksäcn  miflMglkhe.  Die  Liebe  K^ris  galt  eiBer  Per^nüekkeiU  oiiler 
welciier  man  sich  keine  andere  als  Aachen  TorzosteUen  hat,  das  nur  bei 
sefBo*  Anvesenheit  Leben  zeigrte,  von  ihoi  Teiia;ssen«  wie  tot  dalag^:  sie  galt 
einer  Xympbe,  selbst  nach  ihrem  Ti>de  nnd  trotz  des  Fäulnisgeruches,  als 
welche  man  nur  die  Nymphe  der  warmen  Wasser  nehmen  Inuuu  deren  obschon 
u^ngenehm  riechende  Dämpfe  ihn  ergötzten.  Die  Thermen  lagen  damals 
Terödet,  die  Bäder  in  Ruinen.  Wie  zu  Kpins  Zeiten,  hauste  ein  bOser 
Dämon  dario.  Ton  dessen  Treiben  auch  noch  eine  Tiel  spätere  Nachricht 
etwas  zu  «wählen  weiss.  Die  ganze  heidnische  Anlage  musste  in  den 
Augen  eines  Christen,  bevor  sie  in  christicher  Weise  geweiht  worden,  nicht 
unbedenklich  sein.  Wenn^nun  aber  Karl  diese  Bäder  erneuerte  und  ihnen 
seine  ganze  Neigung  zuwandte^  so  mochte  ihm  und  Andern  diese  Anhäng- 
lichkeit an  die  von  Heiden  rielgebrauchten  Quellen  zeitweise  als  ein  Ver- 
gehen, ja  als  grosse  Sunde  erscheinen,  worüber  dann  eine  himmlische 
Erleuchtung  (der  Sonnenstrahl)  Aufklärung  und  wovon  der  Bischof  ihm 
Befreiung  brachte.  In  dieser  Beziehung  wird  die  Legende,  die  meist  mit 
der  Nachricht  von  der  Erbauung  des  Münsters,  wodurch  Aachen  der  Mutter- 
gottes gewidmet  wurde,  schliesst,  bedeutungsvoll.  Es  war  dies  ein  Sühne- Akt, 
aus  dessen  Grossartigkeit  die  Nachwelt  auf  eine  vorhergegangene  grosse 
Sünde  schloss. 


Über  das  Zusammenleben  (vita  conmiunis)  der  Stiftsgeistlich- 
keit zur  Zeit  der  Karolinger. 

Von  H.  Schnock. 

Das  Streben  Einzelner  nach  einer  höhern,  als  der  unbedingt  not- 
wendigen christlichen  Vollkommenheit  reicht  bis  in  die  ersten  Anfänge  der 
Kirche  zurück.  Es  ist  begründet  in  dem  Wesen  der  christlichen  Keligion, 
die  neben  den  strikten  Geboten  auch  der  Freiheit  überlassene  Räte  ihren 
Bekennern  vorlegt.  Unter  den  ersten,  welche  sich  in  Befolgung  der 
evangelischen  Räte  versuchten,  nennt  uns  die  Kirchengeschichte  die  Asceten, 
deren  Entstehung  in  das  zweite  Jahrhundert  fällt.  Mitten  in  der  Familie 
und  bürgerlichen  Gemeinde,  ohne  mit  den  Sitten  und  Gebräuchen  des  Alltags- 
lebens zu  brechen,  übten  sie  ihre  strenge,  ascetische  Lebensweise.  Aus 
jenen  Christen  sodann,  die  sich  zur  Zeit  der  blutigen  Verfolgung  imter 
dem  römischen  Kaiser  Decius  (249 — 251)  gezwungen  siihen,  in  die  Wüste 
zu  fliehen,  gingen  die  sogenannten  Anachoreten  oder  Einsiedler  hervor; 
denn  auch  als  der  Sturm  der  Verfolgung  sich  wieder  gelegt,  verblieben 
sie  in  der  einmal  lieb  gewonnenen  Einsamkeit,  in  heroischer  Weltentsagung 
und  treuer  Befolgung  der  evangelischen  Räte  ihrem  Gotte  vollkommener  als  die 
übrigen  Menschen  dienend.    Der  hl.  Antonius  (f  356)  übernahm  die  geist- 


—  36  — 

liehe  Leitung  der  in  einzelnen  Zellen  oder  Höhlen  wohnenden  Anachoreten 
und  schuf  unter  ihnen  eine  gewisse  Verbrüderung.     Einen  Schritt  weiter 
ging  um  dieselbe  Zeit  Pachomius;   er  errichtete  auf  der  Nilinsel  Tabenna 
ein  Haus  oder  Kloster,  in  welches  er  eine  Anzahl  Anachoreten  aufnahm, 
die  nunmehr  zusammen  wohnten  und  nach  einer  bestimmten  Regel  lebten. 
Er  ist  also  recht  eigentlich  der  Gründer  der  nachmals  so  zahlreich  gewordenen 
Coenobiten,    Um  die  Ausbreitung  des  Klosterlebens  in  Kleinasien  und   im 
ganzen  Oriente  machte  sich  hoch  verdient  der  gelehrte  und  beredte  Kirchen- 
fehrer  Basilius  der  Grosse,   Erzbischof  von   Cäsarea.     Die  von  ihm  her- 
rührende Basilianerregel,  welche  368  Satzungen  enthält,  von  denen  55  die 
grosse  und  313  die  kleine  Regel  bilden,  gelangte  gar  bald  zu  hohem  An- 
sehen und  wurde  in  fast  allen  Klöstern  des  Morgenlandes  beobachtet.    Als 
Patriarch  der  abendländischen  Mönche  wird  mit  Recht  der  hl.  Benedikt 
von  Nursia  angesehen,  dessen  Klosterregel  das  Ideal  und  die  Grundlage 
fast  aller  nachfolgenden  klösterlichen  Satzungen  im  Occidente  wurde.   Die 
seit  dem   vierten  Jahrhundert   in  stetem   Steigen  begriffene  Begeisterung 
für  das  Klosterleben  konnte  ihre  Rückwirkung  auf  den  Weltklerus  nicht 
verfehlen.   Sie  machte  sich  selbstredend  nur  da  geltend,  wo  an  einer  Kirche 
mehrere  Geistliche  gleichzeitig  wirkten.    Das  war  nun  aber  in  erster  Linie 
der  Fall  an  den  Bischofskirchen,  wo  eine  mehr  oder  minder  grosse  Anzahl 
von  Presbytern  unter  dem  Archipresbyter  und  die  Diakonen  —  gewöhnlich 
sieben  —  sowie  die  andern  niederen  Kirchendiener  unter  der  Leitung  des 
Archidiakons  ihre  geistlichen  Funktionen  verrichteten.    Der  Begi*ünder  des 
Zusammenlebens  solcher  Geistlichen,  welche  in  den  Kanon  (daher  der  Name 
Kanoniker)   oder  in   die   Matrikel   derselben  Kathedralkirche   eingetragen 
waren,  ist  der  hl.  Augustinus,  der,  wie  er  schon  früher  mit  einigen  Freunden 
zu  Tagaste  ein  gemeinsames  Leben  geführt  hatte,  so  nach  seiner  Erhebung  zum 
Bischof  von  Hippo  mit  seinem  Klerus  zusammenwohnte  und  lebte.    Das 
Beispiel  des  berühmten  Bischofs  fand  bald  allerwärts  eifrige  Nachahmung. 
Im  Frankenlande   fand   diese   vita  canonica,   welche   eine  Ablegung   der 
Gelübde,  wie  es  in  den  Klöstern  zu  geschehen  pflegte,  nicht  bedingte,  seit 
dem  achten  Jahrhundert  die  weiteste  Verbreitung.     Bischof  Chrodegang 
von  Metz  schrieb  um  diese  Zeit  eine  Regel,  die  zunächst  für  die  Kanoniker 
seiner  Kathedrale  bestimmt  war,  aber  auch  von  Klerikern  anderer  Bischofs- 
kirchen angenommen   und  beobachtet  wurde.    Zu  allgemeiner  Geltung  ist 
dieselbe  aber  nicht  gelangt,  sei  es,  weil  sie  für  zu  nahe  verwandt  galt  mit 
der  Regel  der  Benediktiner,  deren  Mitglied  der  Metzer  Bischof  war,   sei 
es,  weil  sie  überhaupt  für  ungenügend  und  nicht  zweckentsprechend  gehalten 
wurde.    Ein  neues  allen  gerechten  Anforderungen  entsprechendes,  einheit- 
liches Normalstatut  für  die  Kanoniker  aufzustellen,   war  die  Aufgabe  der 
von  Ludwig  dem  Frommen  im  Jahre  816  in  Verbindung  mit  dem  Reichstag 
nach  Aachen  berufenen  Synode.    Diese  entledigte  sich  ihrer  Aufgabe  in 
der  Weise,  dass  sie  das  ganze  vorliegende  Material  auf  2  Bücher  verteilte, 
v(m  denen  das  erste  „de  institutione  canonicorum**  und  das  zweite  „de  insti- 


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tutione  sanctimonialium"  betitelt  wurdet  Das  erste  Buch  umfasst  145 
Kapitel,  von  denen  113  das  Quellenmaterial  aus  den  Konzilien,  den  päpst- 
lichen Dekreten  und  aus  den  Schriften  der  Kirchenväter  zusammenstellen. 
Als  deren  Bearbeiter  wird  der  gelehrte  Metzer  Diakon  Amalarius  angesehen. 
Die  übrigen  32  Kapitel  stellen  das  unter  Zugrundelegung  des  Werkes  Chrode- 
gangs  gewonnene  Ergebnis  der  synodalen  Beratung  dar.  Das  zweite  Buch 
hat  28  Kapitel;  die  sechs  ersten  sind  Auszüge  aus  den  Schriften  einzelner 
hl.  Väter,  die  22  folgenden  Kapitel  enthalten  spezielle  Regeln  für  die  Kloster- 
frauen. Dass  übrigens  nicht  erst  mit  der  Promulgierung  dieser  Synodalverord- 
nungen die  vita  canonica  eingeführt  wurde,  sondern  in  praxi  bereits  lange 
vorher  geübt  worden  war,  geht  klar  und  deutlich  aus  beifolgender  Stelle 
der  Praefatio  zur  Synode  hervor:  „.  .  .  .  licet  plerique,  auxiliante  Christo, 
devote  ac  religiöse  cum  sibi  subjectis  canonicam  servent  institutionem,  et 
in  plerisque  locis  idem  ordo  plenissime  servetur  ....*'  Die  Verordnungen 
der  Aachener  Synode  verpflichteten  nicht  nur  die  Geistlichen  der  Kathedral-, 
sondern  auch  die  der  Kollegiatkirchen.  Einige  der  Bestimmungen  mögen 
hier  Erwähnung  finden.  Kapitel  117  ordnet  das  gemeinschaftliche  Wohnen, 
Schlafen  und  Essen  der  Kanoniker  in  einem  von  einer  Art  Befestigungs- 
raauer  umgebenen  Hause  an:  „Necesse  est  tamen,  ut  claustra,  in  quibus 
clero  sibi  commisso  canonice  vivendum  est,  firmis  undique  circumdent 
munitionibus,  ut  nulli  omnino  intrandi  aut  exeundi,  nisi  per  portam  pateat 
aditus.  Sint  etiam  int^rius  dormitoria,  refectoria,  cellaria  et  ceterae  habi- 
tationes,  usibus  fratrum  in  una  societate  viventium  necessariae".  Kapitel 
115  gestattet  den  Kanonikern  im  Gegensatze  zu  den  Mönchen  Leinen  zu 
tragen.  Fleisch  zu  essen,  Eigentum  zu  besitzen,  spricht  letztern  aber  ein 
grösseres  Anrecht  auf  Unterstützung  seitens  der  Kirche  zu,  als  erstem, 
welche  neben  den  kirchlichen  Einkünften  auch  ihr  Privateigentum  haben. 
„.  .  .  .  Canonicis  liceat  linum  induere,  carnibus  vesci,  dare  et  accipere, 
proprias  res  et  ecclesiae  cum  humilitate  et  justitia  habere  .  .  . ."  Während 
in  Kapitel  126  die  Beobachtung  des  kanonischen  Stundengebetes  überhaupt 
und  in  den  folgenden  Kapiteln  die  der  einzelnen  Hören  eingeschärft  wird, 
warnt  Kapitel  131  vor  verschiedenen  mitunter  recht  groben  Verstössen 
beim  Gebet.  Kapitel  134  erklärt  im  Eingange,  dass  nicht  nur  dem  Bischöfe 
das  Strafrecht  über  die  Domgeistlichkeit,  sondern  auch  den  Pröpsten  über 
die  Stiftsgeistlichkeit  zustehe,  womit  die  oben  bereits  erwähnte  Ausdehnung 
der  Verordnungen  über  die  vita  canonica  auf  die  Kollegiatkirchen  aus- 
gesprochen ist:  „Quamquam  contemptores  canonicarum  institutionum  epis- 
copali  praecipue  judicio  plectendi  sint,  qua  poena,  ut  ait  beatus  Augustinus, 
in  ecclesia  nuUa  major  esse  potest,  demonstrandum  tamen  est,  qualem  ceteri 
praelati,  qui  illis  dignitate  inferiores  esse  noscuntur,  in  locis  sibi 
commissis,  in  quibus  canonice  vivitur,  erga  subjectos  quosque  delinquentes 
.  .  .  .  adhibere  debeant  correptionis  modum.**  Wer  sich  gegen  die  Regel 
vergangen  hat,  soll  mehrere  Male  ermahnt  und  wenn  das  nicht  hilft,  öffent- 

0  Hartzheim,  Conc.  Germ.  tom.  I,  p.  430  ff. 


—  38  — 

lieh  zurechtgewiesen  werden.  „Quod  si  et  his  renisus  fuerit,  ceteris  ali- 
mentis  interdictis,  pane  tantum  usque  ad  dignam  satisfactionem  utatur  et 
aqua."  Macht  auch  dieses  unfreiwillige  Fasten  auf  den  Delinquenten  noch 
keinen  Eindruck,  so  muss  er  in  der  Kirche  einen  Strafplatz  einnehmen. 
„Dein  si  his  modis  correptus  incorrigibilis  extiterit  et  aetas  permiserit,  quia 
juxta  Salomonen!  „Stultus  verbis  non  corrigitur*'  congrua  ei  verberum  adhi- 
beatur  castigatio/  Wenn  auch  die  körperliche  Züchtigung  keine  bessernde 
Einwirkung  ausübt,  so  soll  er  wie  ein  räudiges  Schaf  von  der  übrigen 
Herde  getrennt  und  dem  Bischöfe  überwiesen  werden,  damit  dieser  das 
Weitere  veranlasse. 

Das  letzte  Kapitel  fasst  die  Tugenden  noch  einmal  zusammen,  deren 
ein  frommer  Geistlicher  sich  befleissigen  soll. 

Das  Schicksal  fast  jeder  menschlichen  Einrichtung  teilte  auch  die 
des  gemeinschaftlichen  Lebens  der  Weltgeistlichen.  Bei  ihrem  ersten  Ent- 
stehen freudig  begrüsst,  entwickelte  sie  sich  nach  und  nach  unter  dem 
Schutze  und  Segen  der  Kirche  zu  hoher  Blüte  und  grosser  Ausdehnung, 
um  aber  alsdann  wieder  ebenso  allmählich,  wie  sie  gekommen,  infolge  der  Un- 
gunst der  Zeit  und  der  Veränderlichkeit  der  Menschen,  von  der  Bildfläche 
zu  verschwinden  oder  höchstens  noch  das  eine  oder  andere  Mal  hie  und 
da  vorübergehend  aufzutauchen.  —  Der  Kaiser  hatte  auf  das  Ergebnis  der 
grossen  Aachener  Synode,  auch  soweit  es  die  Regelung  der  vita  canonica 
betraf,  den  allergrössten  Wert  gelegt.  Das  Original  der  Verhandlungen 
liess  er  im  Hofarchir  hinterlegen  und  den  Erzbischöfen,  gleichviel  ob  sie 
der  Synode  beigewohnt  hatten  oder  nicht,  je  eine  Abschrift  durch  seinen 
Gesandten  Notho  zustellen.  Doch  nicht  einmal  ein  halbes  Jahrhundert  war 
seitdem  verflossen,  als  auch  schon  und  zwar  —  merkwürdig  genug  —  von 
bischöflicher  Seite  der  erste  Vorstoss  gegen  das  Werk  unternommen  wurde. 
Der  Erzbischof  Guntar  von  Köln,  berüchtigt  durch  seine  Auflehnung  gegen  den 
päpstlichen  Stuhl  und  durch  seine  perfide  Mitwirkung  in  der  Ehescheidungs- 
angelegenheit Lothars,  wollte  sich,  vom  Papste  exkommuniziert  und  vom 
Kaiser  im  Stiche  gelassen,  wenigstens  die  Anhänglichkeit  des  Klerus  seiner 
Residenz  sichern.  Zu  dem  Ende  machte  er  demselben  weitgehende  Zu- 
geständnisse; er  vereinbarte  mit  den  Kanonikern  der  Domkirche  und  denen 
der  Stifte  innerhalb  und  ausserhalb  Kölns,  nämlich  St,  Gereons,  St.  Severins, 
St.  Kuniberts,  des  Klosters  zu  den  hl.  Jungfrauen,  des  Klosters  der  Märtyrer 
Cassius  und  Florentius,  des  Klosters  St.  Viktor,  der  Kirche  St.  Pantaleon 
und  des  Spitals  bei  derselben,  dass  letztere  alle  fortan  unabhängig  von 
Bischof  und  Domstift,  die  ihnen  aus  dem  gemeinsamen  Kirchenfond  zuzu- 
weisenden Güter  selbständig  verwalten  sollten.  Ferner  wurde  jedem  Kanoniker 
seine  eigene  Wohnung  und  Pfründe,  über  die  er  auch  zu  Gunsten  seiner 
Brüder  testamentarisch  verfügen  konnte,  zugeteilt.  Desgleichen  wurde 
ihnen  freie  Wahl  ihres  Präpositus,  dem  im  Verein  mit  einigen  andern 
besonders  hierzu  befähigten  Brüdern  die  unbedingte  Leitung  aller  Innern 
und  äussern  Angelegenheiten  obliegen  sollte,   bewilligt.    Die  Frage,  ob 


—  39  — 

diese  Vergünstigungen  damals  nur  den  Nebenstiften,  nicht  aber  dem  Dom- 
stifte zuteil  geworden  sind,  wird  von  den  Einen  bejaht,  von  den  Andern 
verneint.  Diese  erste  Durchbrechung  des  Grundgedankens  der  vita  canonica 
wurde  von  der  grossen  Synode,  welche  im  Jahre  873  zu  Köln  unter  dem 
Vorsitz  des  Kölner  Erzbischofs  Willibert  abgehalten  wurde,  bestätigt. 
Nachdem  so  einmal  der  Grund-  und  Eckstein  aus  dem  Gebäude  ausgebrochen, 
war  der  völlige  Zusammenbruch  nur  mehr  eine  Frage  der  Zeit.  Dieser 
vollzog  sich  freilich  nicht  über  Nacht  und  auch  nicht  tiberall  zu  gleicher 
Zeit.  Während  in  dem  einen  Bistum  oder  an  der  einen  Kirche  die  vita 
communis  schon  bald  der  Vergessenheit  anheimfiel,  dauerte  sie  an  andern 
noch  ungeschwächt  fort;  ja  es  kam  sogar  vor,  dass  sie  in  verhältnismässig 
später  Zeit  noch  in  einzelnen  Kirchen  neu  eingeführt  wurde.  Doch  die 
Geschichte  des  gemeinsamen  Lebens  in  den  Stiftern  weiter  zu  verfolgen, 
liegt  ausserhalb  des  Rahmens  unserer  Aufgabe.  Es  sei  hier  nur  noch  der 
Ausführungen  Hüffers^  gedacht,  in  denen  die  Art  und  Weise,  wie  die  in 
Frage  stehende  Einrichtung  allhiählich  immer  mehr  verschwand,  sehr  treffend 
dargelegt  wird.  „Zunächst  richtete  man  für  die  Kanoniker  eigene  Wohnungen 
ein,  meistens  in  der  Umgebung  der  Domkirche,  dann  beschränkte  man  auch 
den  gemeinschaftlichen  Tisch  auf  die  Festtage,  hob  ihn  später  ganz  auf 
und  schied  endlich  sogar  aus  dem  Stifts  vermögen  einzelne  Anteile  oder 
Präbende  für  die  Kanoniker  aus.  Der  grösste  Teil  der  Güter  blieb  jedoch 
noch  unter  der  Verwaltung  des  Propstes,  der  davon  den  Stiftsherren  die 
festgesetzten  Einkünfte  zahlen  und  gemeinschaftliche  Ausgaben  bestreiten 
sollte.  Aber  nur  zu  oft  wurde  diese  Verwaltung  nachlässig,  eigennützig 
und  willkürlich  geführt,  woraus  dann  heftige  Streitigkeiten  sich  entwickeln, 
bis  man  durch  eine  Teilung  des  Vermögens  zwischen  Propst  und  Kapitel 
die  entgegenstehenden  Ansprüche  auszugleichen  sucht.** 

Eine  Frage,  die  sich  im  Anschluss  an  die  vorangegangenen  Er- 
örterungen jedem  Freunde  der  heimischen  Geschichte  von  selbst  aufdrängt, 
ist  die  nach  dem  Stande  der  bezüglichen  Einrichtung  am  Aachener  Münster 
in  den  Tagen  der  Karolinger.  Da  müssen  wir  gleich  von  vorneherein  gestehen, 
dass  es»  im  grossen  Ganzen  nur  spärliche  Nachrichten  sind,  welche  uns  die 
gedruckten  Quellen  hierüber  vermitteln.  Es  ist  zunächst  selbstverständlich, 
dass  Karl  der  Grosse  eine  Anzahl  Geistliche  zur  Abhaltung  des  Gottes- 
dienstes an  die  Aachener  Pfalzkapelle  berufen  hat.  Ausserdem  bezeugt 
uns  aber  auch  noch  diese  Thatsache  eine  von  Karl  dem  Kahlen  im  Jahre 
876  ausgestellte  Urkunde,  in  welcher  es  heisst:  Proinde  quia  ....  avus 
noster  Carolus  in  palatio  Aquisgrani  capellam  in  honorem  beatae  dei  geni- 
tricis  et  Virginis  Mariae  construxisse,  ac  clericos  inibi  Domino  ob  suae 
animae  remedium  atque  peccaminura  absolutionem  pariterquo  ob  dignitatem 
apicis  imperialis  deservisse  constituisse  ....  dignoscitur^  Die  Nachricht, 


*)  Hü  ff  er,  Forschungen  auf  dem  Gebiete  des  französischen  und  rheinischen  Kirchen- 
rechts S.  274. 


—  40  — 

dass  Karl  die  Geistlichen,  und  zwar  zwanzig  an  der  Zahl,  aus  Sinzig  am 
Ehein  nach  Aachen  verpflanzt  habe,  ist  nicht  verbürgt.  Schon  Quix,  der 
in  seiner  im  Jahre  1829  erschienenen  Schrift:  „Historisch-topographische 
Beschreibung  der  Stadt  Aachen  ^^  ebenfalls  diese  Mitteilung  bringt,  nennt 
sie  in  seiner  im  Jahre  1840  erschienenen  „Geschichte  der  Stadt  Aachen^" 
eine  unhaltbare  Sage.  Gleichwohl  begegnen  wir  in  manchen  nach  dieser 
Zeit  herausgekommenen  Schriften  lokalgeschichtlichen  Inhalts  dieser  Sage 
noch  als  einer  feststehenden  historischen  Thatsache.  Ebenso  unverbürgt 
wie  die  Herkunft  und  die  Zahl  ist  der  Charakter  der  Geistlichkeit  am 
hiesigen  Münster  in  der  Zeit  der  Karolinger.  Wir  wissen  nur,  dass  die- 
selben eine  vita  communis  in  ihrem  „claustrum**  oder  „monasteriura"  führte; 
(die  noch  heute  gebräuchlichen  Bezeichnungen  Klosterplatz  und  Kloster- 
gasse erinnern  an  jene  Zeit)  ob  dabei  aber  die  Regel  des  hl.  Augustinus 
oder  die  des  Metzer  Bischofs  Chrodegang  befolgt  worden  ist,  steht  nicht 
fest.  Wenn  man  erwägt,  dass  die  Wirksamkeit  Chrodegangs  und  die  Er- 
richtung des  Aachener  Münsters  zeitlich  nur  etwa  50  Jahre  auseinander 
liegen,  so  liegt  die  Annahme  nahe,  dass  man  auch  hier,  wie  an  vielen  andern 
Kirchen  jener  Zeit,  die  Metzer  Regel  befolgt  habe.  Damit  Hesse  sich  dann 
auch  leicht  in  Einklang  bringen  die  Nachricht  einzelner  Lokalhistoriker, 
dass  die  hiesigen  Geistlichen  dem  Orden  des  hl.  Benedikt  von  Nursia  an- 
gehört hätten.  Chrodegang  war  nämlich  selbst  Benediktiner  und  seine 
Regel  ist  der  der  Benediktiner  nahe  verwandt.  Es  wird  uns  ferner  auch 
nichts  darüber  berichtet,  dass  die  Aachener  Stiftsgeistlichen  die  von  der 
Aachener  Synode  im  Jahre  816  beschlossenen  Satzungen  angenommen  haben. 
Und  doch  dürfte  man  nicht  fehlgehen  in  der  Annahme,  dass  dies  in  Wirklich- 
keit geschehen  ist.  Denn  es  wäre  gar  zu  sonderbar,  dass  diese  Regel,  auf 
deren  allgemeine  Befolgung,  wie  wir  früher  auseinandergesetzt  haben,  der 
Kaiser  den  grössten  Wert  legte,  hier  am  Orte  ihrer  Entstehung  nicht 
recipiert  worden  sein  sollte.  Wie  lange  das  Zusammenleben  der  Stifts- 
geistlichkeit hierselbst  gedauert  hat,  steht  ebenfalls  nicht  unzweifelhaft 
fest.  Aus  der  urkundlich  überlieferten  Thatsache,  das  Otto  I.  im  Jahre  966 
den  Kanonikern  am  hiesigen  Münster  das  Recht  einräumte,  sich  frei  und 
selbständig  aus  ihrer  Mitte  einen  Abt  zu  wählen,  der  hinfüro  den  Namen 
Propst  führen  sollte  (qui  modo  praepositus  dicitur)*,  hat  man  geschlossen, 
dass  um  diese  Zeit  die  vita  canonica  an  der  Pfalzkapelle  aufgehört  habe. 
Jedenfalls  hat  dieselbe  in  beschränktem  Masse  noch  Jahrhunderte  fort- 
gedauert. 


»)  D'Achery  Spicileg,  cd.  Paris,  tom.  III,  S.  352. 

«)  S.  30. 

«)  S.  7,  Anm.  3. 

*)  Quix,  Codex  Diplomaticus,  tom.  I,  pars  I,  p.  10. 


—  41  — 

Eleinere  Mitteilungen. 

1.  Handschriftliche  Aufzeichnungen  (1753—1785) 

im  Stadtarchiv  zu  Aachen. 

Die  Urschrift  der  nachstehenden  Aufzeichnungen  über  Ereignisse  aus  den  Jahren 
1753  bis  1785  war  ursprünglich  einer  Ausgabe  der  Aacher  Chronick  des  Noppius  von  1774 
am  Schlüsse  einverleibt,  später  wurde  sie  hiervon  abgetrennt  und  beruht  nunmehr  im 
hiesigen  Stadtarchiv.  Sie  rührt  von  unbekannter  Hand  her  und  hat  einen  der  Sprache 
wenig  kundigen  Schreiber  zum  Verfasser.  Nichtsdestoweniger  erschien  der  Abdruck  dieser 
Aufzeichnungen  wünschenswert,  weil  sie  manches  Unbekannte  bringen  und  die  in  den- 
selben enthaltenen  Angaben,  soweit  sie  auch  sonst  vorkommen,  sich  als  durchaus  zuverlässig 
erwiesen  haben. 

„1755  auf  Stephanustag,  des  Nachmittag  zwischen  4  Uhren,  haben  wir  hier  ein 
kleine  Erdbebung  erfahren,  im  Jahr  1756  aber  den  18.  Febr.  haben  wir  eine  starke  und 
entsehetzliche  Erd-bebung  gehabt  ungefehr  um  8  Uhren  morgens,  und  hat  den  ganzen 
Morgen  die  Erd  nit  still  gestanden,  und  hat  noch  lange  Zeit  gedauret^ 

Die  im  Jahr  ungefehr  1753  oder  54  da  die  heilige  Tag  seind  abgesetzt  worden  mit 
dem  Beding,  daß  man  eine  heilige  Meß  hat  hören  müßen,  seind  den  27^*"  Septembris  1778 
auf  denen  Canzelen  abgelesen  worden,  daß  man  keine  Meß  brauchet  zu  hören,  sonderen 
Ostermontag,  Pfingstmontag  und  den  Tag  nach  Christag  als  nemblich  Stephanytag  gebotten 
zu  iieren  gleich  den  Sontag  benebst  auch  die  4  Wochen  in  Advent  zu  fasten  als  Mit- 
woch.  Freytag  und  Sambstag,  und  das  Fest  des  heiligen  Lamberti  zu  feyren  gleich  den 
Sontag  *. 

Anno  1770  den  9*""  Junij  hat  Gott  uns  mit  eine  starke  Erdbebung  heimgesucht 
und  den  11**"  selbigen  Monat  mit  einen  grausamen  Hagclschlag,  daß  die  Früchten  im 
Feld  zerschlagen.  Von  selbigen  Zeit  an  hat  die  theure  Zeit  angefangen  und  hat  sich  so 
und  so  verfolgt,  das  das  Brod  14  Merk  gekostet  hat  und  die  Butter  17  Merk,  Rindfleisch 
7  Merk  per  Pfund,  und  das  hat  gedauret  mit  das  Brod  bis  anno  1771  den  1**"*  August: 
da  ist  es  1  Merk  abgeschlagen  und  den  b^*^  dito  da  ist  es  3  Merk  abgeschlagen  und  den 
10.  August  wider  10  Bauschen  aufgeschlagen. 

Anno  1771  den  27**"  August  ist  der  kay serliche  Coramissarius  in  Achen  angelangt, 
Lodowicy'  war  sein  Nam,  und  den  8**"  Septembris  ist  der  prüßiche  Gesante  in  Achen 
angelangt  Sein  jNam  war  Immikhanßen  ^,  und  den  12'""  Septembris  soll  der  erste  Sitz 
gehalten  worden,  worauf  Einhalt  geschehen  ist,  so  ist  doch  der  erste  Sitz  gehalten  worden 
den  29.  Octobrisjbey  Herrn  Longe'  in  CoUestraß  im  wilden  Mann,  den  13.  Decembris  hat  ein 
jeder  Commissarius  das  Schild  ihres  Principales  ausgestalt.  1773  den  15.  Decembris  ist 
der  kayserlichen  Commissarius  nach  Haus  marschirt. 

1773  den  10*'°  Septembris  des  Morgens  umb  halber  9  Uhr  haben  der  WeihbischofF  von 
Lüttig  und  zwey  Deputirten  von  Nuntius  von  Collen  und  Hr.  Proffion  Tewis  denen  Herrn 
Jesuiten  die  ^  Bulla  von  ihre  Heiligkeit  vorgelesen  worden,  daß  ihre  GesäUschaft  auff- 
gehoben,  und  von  die  Zeit  an  die  Kirch  zugeblieben  und  müsten  sich  ein  weltgeistlichen 


>)  Zur  (Hsohichte  der  Erdbeben  de«  17.  und  IH.  Jahrhunderts  in  der  Aachener  Oegend  a.  den 
Auftat«  von  E.  Pauls  in  Hoa  56,  8.  91  if.  der  Annalen  des  historischen  Vereins  für  den  Niederrhein. 

Die  Erdbeben  in  den  Jahren  1756  und  1756  waren  die  Veranlassung,  dass  in  der  Pfarrkirche  St.  Foillan 
mit  bischöflicher  Genehmigung  „unter  dem  Titel  der  allerseligsten  vom  Engel  verkündigten  Jungfrau 
Maria  und  dos  heiligen  Karoli  Magni  als  sonderbaren  dieser  Stadt  Patronen  zu  Ehren"  eine  Bruder- 
schaft errichtet  wurde,  die  heute  noch  besteht. 

«)  Der  fortschreitenden  Entwiokelung  des  wirtschaftlichen  Lebens  standen  die  87  Feiertage,  wie 
sie  die  Baths-Yerordnung  vom  7.  September  162H  festgesetzt  hatte,  hindernd  in  dem  Weg. 

*)  Ludovici  d'Orley,  Herzoglich  Luxemburgisoher  Bat. 

*)  Gemeint  ist  Heinrich  Theodor  Emminghaus,  Direktorialrat  und  Gesandter  beim  nieder- 
rhcinisch-westfUlischen  Kreise. 

*)  Lognay. 


—  42  — 

Eleyder  tragen,  nemlich  Sontag  darauf  hat  Pater  Sunder  die  Predig  im  Münster  gehalten 
als  in  weltgeistlich  Eleyder  und  doch  nicht  ehender  dorffen  halten,  bis  von  Bischoff  von 
Lüttig  die  Erlaubnüß  gab'. 

Die  im  Jahr  1773  den  10^'**  Septembris  die  Bulla  gegen  dessen  Geschellschaft  Jesu 
aufgehoben  worden,  hat  so  mit  der  Zelt  langsam  wider  so  hervorgethan,  daß  bald  diese 
Ablaß  balde  jene  wider  in  die  Kirch  gehalten  ist  worden,  bis  entlich  im  Jahr  1778 
haben  die  Herrn  Burger  Bruderschaft  und  Jungesellen  Bruderschaft  von  Eom  erhalten, 
die  Todangst  Bruderschaft  zu  halten.  Die  erste  ist  gehalten  worden  den  1*""  Novembris 
1778  und  ist  die  Kirch  von  Zeit  an  offen  geblieben,  und  haben  auch  die  10  freitagie 
Andacht  und  die  6  sondige  von  h.  Aloisij  auch  gehalten  und  die  Bettäg  in  die  8  letzte 
Tagen  Weinachten,  und  den  letzte  Sontag  von  h.  Aloisij  ist  eine  Prosession  gehalten  worden 
mit  das  höchste  Gut  über  den  Marck,  und  der  Profion  Dewis  hat  das  höchste  Gut  getragen. 
Und  haben  sich  viele  Fackclen  bei  der  Procession  befunden  bey  500,  wo  nicht  mehr*. 

1774  den  25*«"  Aprill  ist  der  Hr.  Werkmeister  Dauven  nach  Wien  gerist,  um  die 
Streitsach  von  Churfaltz  mit  die  Stadt  Aachen  auszumachen,  und  ist  den  22.  Aprill  1777 
wider  ein  Achen  angelangt  und  hat  alles  rechtschaffen  vor  der  Stadt  ausgemacht.  Wie 
er  aber  widerkam  von  Wien,  war  er  schon  rigerede  Burgermeister  ^ 

Den  24*"*  Octobris  selbigen  Jahr  ist  der  Herr  Sindicus  Denys  nach  Wetzlar  gereiset, 
umb  die  Eeichsvisitation  beyzuwohnen. 

1775  den  27.  Aprill  des  Nachmittags  umb  halber  zwey  ist  der  großen  und  kleinen 
Rath  zusammen  bescheiden  worden  um  halber  fünf  selbigen  Dags  wegen  den  newen  Weg 
von  Bortscheit  auf  den  Forst  zu,  worauf  ein  ehrbarer  Rath  beschlossen,  den  Weg  mit  Gewalt 
zu  verdilliegcn.  Des  selbigen  Nacht  seind  70  Grenadier  und  ungefehr  30  Werkleut  aus- 
gerückt und  haben  den  Weg  wider  verdorben,  die  Grenadier  seind  aber  stehen  blieben 
bis  in  Septembris.  Den  20'*"  selbigen  Monat  des  Morgens  zwischen  4  ad  5  Uhren  seind 
80  Man  Soldaten  nach  Bordscheit  marschirt  wegen  das  Yerbott,  daß  der  ehrbarer  Rath  von 
Aachen  gothan,  sich  des  Weggelds  zu  enthalten;  wo  nicht,  so  soll  man  sie  mit  Execution 
belegen,  welches  auch  gleich  geschehen  ist,  ein  Jeder  Weggeld  Man  mit  2  Mann  belegt 
worden  ist,  die  haben  sie  essen  und  drinken  und  der  Mann  ein  Kopfstück  per  Tag,  einer 
heist  Rumpen,  der  ander  Beckers;  die  Schöffen  seind  hernachher  auch  mit  Mann  belegt- 

1776  den  2Ö**'*  August  haben  wir  hier  in  Aachen  dem  primus  von  Löwen  ingeführet. 
—  seinen  Namen  war  Mathias  Joseph us  Wild,  in  aachener  Sohn  —  mit  allen  Pom  und 
Pracht:  erstens  mit  die  fünf  klein  Schulen  mit  ihre  Fahnen  und  grüne  Palmen  an  ihre 
Hut;  zweitens  viele  Bürger  zu  Pferd  und  die  sechste  und  siebente  und  neunte  Schul!  zu 
Pferd;  viertens  schier  alle  Kaufleut  zu  Pferd,  sowohl  catholische  als  uncatholische,  auch 
etliche  mit  ihren  Wagen;  fünftens  den  ehrwürdigen  Hr.  Prelat  von  Closterath  mit  einen 


')  Bezüglich  der  Ausweisung  der  Jesuiten  s.  auch  Janssen  (bei  von  Fürth,  Beitrüge  und 
Material  zur  Qeschiohte  der  Aachener  Patrizier-Faniilien,  Band  III,  S.  370);  er  beklagt  sich,  dass  sie 
gehen  „wie  fremden,  die  kein  Heimath  haben".  Dann  fHhrt  er  fort:  „Der  König  von  Preußen  aber  will 
sie  absolut  schützen  und  in  seinem  reich  hegen".  Wir  wissen,  dass,  wie  E.  Reimann,  Neuere  Ge- 
schichte  des  Freussischen  Staates  vom  Hubertsburgor  Frieden  bis  zum  Wiener  Kongress,  Band  II 
(Abschnitt  Friedrichs  Stellung  zur  katholischen  Kirche)  bemerkt,  „Friedrichs  allumspannender  Geist 
auch  das  Schulwesen  nicht  vemachlAssigto,  obgleich  hier  der  Mangel  an  Mitteln  und  der  Widerstand 
derer,  welche  grössere  Aufwendungen  daf^  machen  sollten,  durchgreifende  Reformen  schliesslich  un- 
möglich machten.  So  sehr  er  sonst  praktischen  Zwecken  den  Vorrang  einräumte,  von  den  höhereu 
Schulen  forderte  er  nicht  allein  die  Überlieferung  von  Kenntnissen,  sondern  hauptsächlich  Entwickelung 
des  Verstandes  und  Ausbildung  der  Urteilsfähigkeit.  Eben  weil  es  für  alle  Zweige  des  Unterrichts  au 
tüchtigen  Lehrern  fehlte,  erhielt  er  in  seinem  Lande  die  Jesuiten.  Die  in  Breslau  wurden  „Priester 
des  königlichen  Schulinstituts",  unmittelbar  dem  Stallte  unterstellt." 

')  Die  im  Jahre  1767  gedruckte  „Sammlung  dreyer  Andachten,  welche  in  der  Kirch  der  Sooietät 
Jesu  EU  Aachen  gehalten  werden",  zählt  folgende  auf:  „die  erste  von  der  Tod-Angst  unseres  sterbenden 
Heilands,  die  zweyte  zu  Ehren  des  heil.  Franoisci  Xaverii,  die  dritte  zu  Ehren  des  heil.  Aloysii  Gon- 
zagtt,  so  alle  von  der  katholischen  Kirch  mit  Ablaß  bestAttiget  sind". 

Die  Versammlungen  der  Tod-Angst-Bruderschafl  fanden  monatlich,  die  zu  Ehren  des  h.  Franziskus 
Xaverius  an  10  Freitagen  im  Jahre  und  die  Andachten  zum  h.  Aloysius  an  6  Sonntagen  statt. 

*)  Der  Bürgermeister  Kahr  starb  plötzlich  am  29.  Juni  1776  auf  Petri  und  Pauli  Abend. 


—  43  — 

secbsspannige  Wagen  und  schier  alle  Herrschaften  mit  ihren  Wagens  haben  ihm  mit- 
eingeführet;  sobald  als  sie  mit  ihm  bald  an  die  Stadt  kamen,  da  wurden  die  Cammeren 
abgefenrt,  und  sobald  als  sie  mit  ihm  an  die  Stadtpfort  waren,  da  wurden  die  Canons 
gelöset;  siebentens  kam  Alles  voraus,  was  vorhin  gemeld  ist  worden,  und  ftüirteu  ihm 
mit  seine  Lövonisten  und  Professoren  nach  dero  Thumkirch  hinein.  Da  wurde  dem  ambrosia- 
nischen  Lobgesang  gesungen  mit  Pauken  und  Trompetten,  mit  Läuten  alle  Elocken  in  der 
Stadt.  Nach  geendigtem  Gesang  wurd  er  aus  die  Kirch  zum  Rathhaus  geftlhrt.  Wie 
er  da  anlanget,  wurden  die  Canons  wider  gelöst  unter  Paucken  und  Trompetten  und  wurde 
empfangen  von  zwey  Sindicy  von  Rathhaus.  Nemliche  Abend  habe  sie  mit  die  Hr.  Bürger- 
meister und  Hr.  Beambten  das  Suppe  gehalten,  und  den  Abend  schier  alle  Häuser  mit 
Lampen  und  Kerzen  beleuchtet  worden.  Den  26*^  ist  das  Mittagmahl  gehalten  worden 
bey  denen  Exjesuiten.  Er  hat  ein  Präsent  von  Hr.  Burgermeister  bekomen,  eine  große 
silberne  Lampetschtlssel  ^ 

1778  den  24**"  Jnnij  ist  der  Hr.  Doctor  Dauven  als  regierenden  Burgermeister  zum 
Major  von  Burtscheit  mit  Mehrheit  der  Stimmen  erwählet  worden  und  ist  den  6*'"  Julij 
von  hier  nach  Burtscheit  gefUhret,  umb  alda  seinen  Aid  abzulegen  mit  alle  Beambten  und 
Neun  Männer  und  3  Hrn.  Secretarius  und  die  Hrn.,  so  die  Cammer  bedeinen,  als  Ardenaw  und 
Vanscheuren,  und  die  Carlschützen  mit  ihre  Fahn  mit  unten  und  oben  Gewehr  bekleydet, 
und  haben  den  Vorzug  gehabt.  Billig  war  es  gewesen,  daß  die  rot,  alwo  der  Hr.  Burger- 
meister ingewohnt,  daß  die  Bttrger  ihm  aus  begleit  betten.  Es  waren  im  allen  11 
Wagen  alwo  2  mit  4  Ferd,  die  4  Burgermeister  Deiner  mit  Stegens  auf  ihre  Seit.  Des 
Nachmittag  zwischen  6  und  7  Uhren  ist  er  wider  nach  die  Statt  gebracht  worden,  und 
ist  große  Unruh  erstanden  zwischen  die  Bürger auf  einander  geschossen  etc.  etc. 

1779  den  11*'"  August  haben  wir  des  Nachmittag  zwischen  4  ad  5  Uhren  einen 
erschröcklichen  Regen  gehabt,  daß  die  große  Wasserath  das  Wasser  nicht  hat  verschlingen 
können,  und  in  die  Straße  das  Wasser  so  briet  gelaufen  von  ein  Haus  bis  an  das  andere 
und  hat  ein  die  Straße  die  Bafaye  aufgeworffen,  und  das  hat  auf  ein  Stund  gedauret 
und  hat  erschrecklich  darbey  gedonnert  und  gewetterleuchtet. 

1781  den  17**^°  Julij  haben  wir  hier  in  dieser  kayserliche  freye  Reichsstadt  Aachen 
die  Ehre  gehabt,  unseren  kayserliche  Magistät  abends  ungefehr  um  U  Uhr  in  unsere 
Ringmauren  inmarschiret  und  von  alle  anwesende  Bürger  und  fremde  Herrschaften  die 
Ehre  gehabt,  im  zu  sehen,  und  den  18**"  dito  nachmittag  um  halb  fünf  Uhren  ist  ihre 
kayserliche  Magistät  Joseph  der  2**  römische  Kayser  wider  unter  viele  Rufen  deren  Bürger: 
Vivat  Joseph  unseren  Kayser  soll  leben,  abmarschiret  nach  Brüssel,  um  die  Huldiung  seyne 
Schwester  als  Herzogin  von  Braband  beizuwonnen.  Gott  bewahren  ihm  auf  alle  Wegen. 
Amen*. 

1783  anfangs  Decembris  hat  es  angefangen  zu  fristen  und  etliche  Zeit  darnach 
fingt  es  an  zu  schneyen,  und  einen  oder  2  Tag  fing  es  an  zu  regnen,  und  darauf  fing  es 
wider  an  zu  fristen  und  es  hat  gefroren  bis  den  20**"  Febr.  1784,  dan  fing  es  an  etwas 
lind  zu  werden,  und  ist  so  kalt  gewesen,  daß  die  alte  Leut  und  auch  aus  Paris  ge- 
schrieben ist  worden,  daß  es  viel  kalter  gewesen  wäre  als  anno  1709  et  1740,  daß  diese 
Kalt  viel  hoher  gesteigen  als  die  vorige  Jahrzahlen. 

1784  den  25**"  May  war  es  wie  Donnerwetter  des  Nachmittag  und  es  fing  an  zu 
hagelen,  doch  nicht  gedonnert  nnd  es  fiUen  Hagelstcin  so  dick  wie  ein  Mansdaum,  und  schlug 
auf  etliche  Platz  die  Fenstern  zu  Stücken.  Gott  Lob  es  war  noch  keinen  Wind  darbey. 
Etliche  Stein  sind  gewigt  worden,  man  sagt,  3  bis  4  Loth  schwär. 

1785  den  30.  May  ist  zu  Bortscheit  Einen  mit  das  Schwert  hingereicht  worden. 
Sein  Nam  ist  Wilhelm,  sein  Zunam  weiß  ich  nicht.  Er  ist  aus  die  Pfar  Siubelfeld 
gebürtig. 


*)  Übor  dieseu  Empfang  berichtet  aasflihrlioh  Meyer,  Aaobensche  Geschichten  S.  769;  vgl. 
femer  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  Bd.  I,  S.  2l(>. 

*)  Über  ^Kaiser  Joseph  II.  in  Aachen  17bl"  baudolt  eingehend  Pick,  Aus  Aachens  Vergangen- 
heit 8.  552  ff. 


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Von  Jahr  1784  bis  1785  ist  eine  große  Kälte  gewesen,  daß  man  sich  bald  (nicht)  erhalten 
hat  können,  und  den  darauf  folgende  Frühling  und  Sommerzeit  hindurch  mehr  k&lt  als 
warm  und  nicht  viel  Regen  gehabt,  daß  die  Butter  den  Sommer  ist  eingestochen  worden 
vor  100  ^  20  et  21  bis  22  Cronenstücker  und  auf  den  Marck  gegolden  hat  per  Pfand 
22  Merk  (und)  23  Merk,  das  Bindfleisch  7  Merk  per  ^  in  so  fort  in  allem,  außerhalb  das 
liebe  Brod  hat  8  Merk  und  letzton  July  hat  es  7  Merk  2  Bauschen  gegolten.  Gott  gebe 
uns,  was  uns  selig  ist.    Amen.^ 

Aachen,  M,  SchoUefh 


2.  Theodor  Zimmerst 

In  der  Musikgeschichte  Aachens  wird  der  Domorganist  Theodor  Zimmers  für  immer 
einen  ehrenvollen  Platz  einnehmen.  Theodor  Nikolaus  Zimmers  wurde  am  6.  Dezember 
1781  *  in  Aachen  in  dem  jetzt  mit  Nr.  106  bezeichneten  Hause  der  Alexanderstrasse  geboren. 
Die  Eltern  gehörten  dem  kleinen  Bürgerstande  an.  Der  Vater  Balthasar  Zimmers,  ein  aus 
Ubagsberg  im  Limburgischen  stammender  Handelsmann,  hatte  sich  in  Aachen  ansässig 
gemacht  und  am  11.  April  1774  mit  Gertrud  Maassen  vermählt.  So  wuchs  der  Knabe  in 
bescheidenen  bürgerlichen  Verhältnissen  heran,  bald  aber  entwickelte  sich  in  ihm  die 
Neigung  und  Liebe  zur  Musik.  Mit  dem  musikalischen  Unterrichte  sah  es  zu  jener  Zeit 
in  Aachen  nicht  besonders  aus;  die  stürmische,  allem  künstlerischen  Streben  abgeneigte 
Zeit  Hess  weder  Lehrer  noch  Lernende  aufkommen.  So  war  Zimmers  für  sein  Fortkommen 
in  der  musikalischen  Kunst  auf  sich  selbst  angewiesen,  und  man  kann  ihn  nicht  mit 
Unrecht,  sowohl  in  Bezug  auf  Komposition  als  auf  Klavierspiel,  einen  Autodidakten  nennen. 
Als  er  es  dahin  gebracht  hatte,  dass  er  am  Klavier  geläufig  und  mit  Sicherheit  den  Gesang 
begleiten  konnte,  zog  ihn  der  damalige  musikalische  Mäcen  Aachens,  der  auch  iu  weiteren 
Kreisen  bekannt  gewordene  Arzt  und  beigeordnete  Bürgermeister  Dr.  Solders'  zu  seinen 
häuslichen  musikalischen  Aufführungen  heran,  und  hier  war  es,  wo  das  aufstrebende  Talent 
des  jungen  Mannes  Nahrung  und  Entwickeluug  fand.  Bei  Solders  wurde  viele  und  gute 
Musik  gemacht;  hier  war  der  Zcntralpunkt,  wo  sich  einheimische  und  fremde  Künstler 
versammelten,  und  so  wie  Zimmers  hierdurch  das  Beste  jener  Zeit  zu  hören  bekam  und 
selbst  thätig  mit  eingriff,  so  bot  ihm  auf  der  anderen  Seite  die  reichhaltige  musikalische 
Bibliothek  seines  Gönners  Gelegenheit  zu  lernen,  die  Meisterwerke  der  bedeutendsten  Zeit- 
genossen zu  studieren  und  seine  Kenntnisse  der  musikalischen  Komposition  zu  vermehren. 
Der  öffentlichen  Aufführungen  waren  damals  wenige.  Das  Vereinswesen  war  so  gut  wie  gar 
nicht  ausgebildet;  nur  zuweilen  versammelten  sich  die  zerstreuten  Kräfte  zu  einer  musi- 
kalischen Gesamt-Produktion.  Solche  Konzerte  dirigierte  damals  Dr.  Solders,  und  Zimmers 
war  am  Klavier.  Allein  nicht  immer  blieb  er  am  Klavier;  in  der  Folge  vertauschte  er 
diesen  Platz  mit  dem  Dirigentenpulte.  So  hat  er  vielfach  Konzerte  dirigiert,  welche  zu 
wohlthätigen  Zwecken  stattfanden,  wie  er  ein  Freund  der  Armen  bis  an  sein  Lebensende 
geblieben  ist.  Bei  solchen  Gelegenheiten  gelangten  dann  auch  wohl  von  ihm  komponierte 
Lieder  zur  Aufführung ;  mehrere  derselben  hat  er  später  veröffentlicht.  Auch  während 
des  Aachener  Kongresses  im  lahre  1818  hatte  Zimmers  die  Vorbereitung  und  Leitung  der 
Konzerte  in  Händen,  die  zu  Ehren  und  in  Gegenwart  der  anwesenden  Fürstlichkeiten  statt- 
fanden. In  den  Konzerten,  welche  von  der  Sängerin  Catalani,  die  aus  Veranlassung  des 
Monarchen-Kongresses  nach  Aachen  gekommen  war,  veranstaltet  wurden,  übernahm  Zimmers 
die  Begleitung  der  berühmten  Virtuosin*. 


>)  Dem  nachfolgenden  Artikel  ist  der  von  Chr.  Felix  Aokens  verfasste  Nekrolog  (Echo  der 
Gegenwart  vom  5.  September  1861,  Nr.  244)  zu  Grunde  gelegt. 

•)  Nicht  IT88,  wie  Ackens,  wahracheinlich  nach  dem  Toteuzottel,  angibt. 

*)  Siehe  ttber  denselben  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  Bd.  I,  S.  &2. 

*)  Über  den  Aufenthalt  der  Catalani  in  Aachen:  Meyer.  Aachen,  der  Monarchen-Kongress  im 
Jahr  1818,  §§  23,  29,  38,  99,  52.  Der  Kuriosität  halber  sei  hier  Meyers  Urteil  ttber  die  Sängerin  bei- 
gefügt: n^hwingt  sich  die  Lerche  trillernd  aus  des  Frühlings  Saaten  zum  Himmel  hin,  so  ist  das 
freilich  schön  in  der  Natur;  aber  sie  bleibt  nur  monoton;  singt  und  steigt  Catalani,  so  entzücken 


—  45  — 

Vergebens  aber  machte  sie  ihrem  Accompagnisten  glänzende  Vorschläge,  vergebens 
versachte  sie  ihn  mit  nach  Italien  zu  nehmen.  Zinmiers  blieb  seiner  Vaterstadt  tren, 
er  hat  sie  nie  verlassen,  was  er  allerdings  später,  und  vielleicht  nicht  mit  Unrecht,  als 
ein  Unglück  für  seine  musikalische  Entwickelung:  bezeichnet  hat.  Auch  mochte  ihm  das 
unstäte,  herumschweifende  Xünstlerleben  wenig  zusagen;  gegen  das  Theater  hatte  er  eine 
derartige  Antipathie,  dass  er  nie  einen  Fuss  hinein  gesetzt  hat^ 

Inzwischen  hatte  Zimmers  im  Jahre  1802  die  Stelle  des  Organisten  an  der  St.  Peters- 
pfarrkirche hierselbst  erhalten '.  Dies  veranlasste  ihn,  sich  eingehender  mit  Kirchenmusik 
zu  beschäftigen,  als  es  bis  dahin  der  Fall  gewesen  war.  Zunächst  wurde  ihm  die  neue 
Stelle  ein  Anfenerungsmittel,  sich  mit  den  Kompositionen  für  die  Orgel,  wie  die  grossen 
Meister  seit  Sebastian  Bach  sie  für  dieses  Instrument  aller  Instrumente  geschaffen  haben, 
näher  bekannt  zu  machen.  Dann  veranlasste  ihn  aber  auch  sein  Amt,  die  kirchlichen 
Oesangwerke  eifriger  zu  studieren.  Denn  er  hatte  von  vornherein  deu  Plan  gefasst,  an 
St  Peter  einen  tüchtigen  Gesangchor  zu  schaffen  und  heranzubilden.  Diesen  Plan  hielt 
er  fest,  wie  er  auch  der  Kirchenmusik  bis  an  sein  Ende  treu  blieb,  ihr  hat  er  fast  alle 
seine  zahlreichen  Kompositionen  gewidmet. 

Zunächst  für  seinen  heranwachsenden,  aus  Damen  und  Herren  zusammengesetzten 
Kirehenchor  schuf  er  eine  Menge  vom  leichteren  zum  schwerereu  fortschreitender  drei-  und 
vierstimmiger  Messen,  Kautaten,  Motetten,  Te  Deums  u.  s.  w.,  die  er  nachher  zum  Teil  im 
Druck  herausgab,  und  die  vermöge  ihrer  im  Ganzen  leichten  Ausführbarkeit,  vermöge  ihrer 
schönen  rhythmischen  und  melodischen  Gestaltung  bald  Gemeingut  aller  hiesigen  Kirchenchöre 
wurden,  auch  weite  Verbreitung  in  Belgien,  Frankreich  und  England  fanden.  Diese  Werke 
schrieb  er  meist  mit  Orgelbegleitung,  manche  instrumentierte  er  jedoch  sowohl  zur  Be- 
nutzung in  seiner  Pfarrkirche,  wo  an  den  Festtagen  das  Hochamt  unter  Orchesterbegleitung 
gesungen  wurdet  als  auch  zum  Gebrauche  in  unserer  Domkirche,  wo  bis  in  die  sechsziger 
Jahre  hinein  an  allen  Sonntagen  eine  musikalische  Messe  mit  ganzem  Orchester  zum 
Vortrag  gelangte.  In  der  Domkirche  kam  auch  während  des  Monarchen-Kongresses  ein 
grosses,  von  Zimmers  komponiertes  Te  Deum  für  gemischten  Chor  und  Orchester  zur 
Aufführung*.  „Alle  diese  Werke  charakterisiert  der  Stempel  inniger  Frömmigkeit,  starken 
Glaubens  und  freudiger  Hoffnung;  sie  sind  der  Spiegel  eines  anspruchslosen,  opferfreudigen 
und  liebevollen  Wesens.  Vom  Standpunkte  der  Kunst  aber  begegnen  wir  in  denselben 
einem  frischen,  produktiven  Geiste,  abgerundeten  künstlerischen  Formen,  schönen,  wenn 
auch  nicht  immer  neuen  Melodien,  vielem  Fluss  und  Schwung  und  mitunter  wertvollen 
kontrapunk tischen  Gestaltungen*.** 

Zimmers  beschäftigte  indessen  den  Kirchenchor  von  St.  Peter  nicht  blos  mit 
seinen  Werken,  er  benutzte  diese  eigentlich  nur  als  Übungsstufen  zu  den  schwierigeren 
Messen  und  Kantaten  von  Haydn,  Mozart,  Beethoven,  Cherubini  u.  s.  w.,  die  später  in 
dem  Eepertorium  seines  Chores  vorherrschten.  Der  Chor  wuchs  nach  und  nach  so  an, 
dass  die  Räumlichkeiten  zu  enge  wurden.  Die  Übung,  welche  Sänger  und  Sängerinnen 
hier  genossen,  kam  anderen  musikalischen  Bestrebungen  unserer  Stadt,  sowie  auch  den 
damals  entstehenden  rheinischen  Musikfesten  zu  gut. 

Zu  Anfang  des  Jahres  1826  ward  in  unserer  Domkirche,  an  welcher  am  28.  Januar 

das  Ohr  die  lioblichston  Töne  der  Natur  und  Kunst  in  tausendfachen  unnennbaren  Trillern.  Sie 
ist  ein  unttbersohbares  Feld,  auf  welchem  die  Kunstliebhaber  eine  reiche  Erndte  des  Anmuths,  und 
die  Virtoosinn  Tausende  der  Goldblüten  einscheuem. "  (§  JJB.)  Über  andere  TonkUnstler,  "welche  der 
Monarchon-Kongress  nach  Aachen  führte,  s.  Meyer  a.  a.  Ü.,  §  24. 

*)  Qefl.  Mitteilung  des  Hrn.  Prof.  Potliast  in  Rolduc. 

«)  Flank  er,  Die  Kirchen-Orgeln  in  St.  Peter,  Jahrgang  VH,  S.  20  u.  2t  dieser  Zeitschrift.  Das 
Jahresgehalt  betrug  damals  144  gl.,  dazu  lUr  Begleitung  der  deutschen  Messe  an  Sonntagen  15  gl. 
und  ftlr  das  Hochamt  am  Donnerstag  20  gl. 

»)  Siehe  Planker  a.  a.  O.  S.  22. 

*)  Die  einxige  kirchliche  Feier  während  des  Kongresses,  von  welcher  Meyer  berichtet,  war  ein 
Hochamt  ftm  4.  Oktober  1818,  dem  Namenstage  des  Kaisers  Franz.  A.  a.  O.  §  22.  Vermutlich  war  im 
Anschlüsse  an  dieses  Hochamt  Te  Deum. 

^)  So  urteilt  Aokeus  a.  a.  O. 


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genauiiten  Jabrcs  an  Stelle  des  Kathedralkapitels  ein  Stiftskapitel  installiert  worden  war, 
die  Organistenstellc  frei.  In  der  ersten  Sitzung  des  neuen  Stiftskapitels  vom  4.  Februar 
1826  wurde  Zimmers  zum  Domorj^anisten  gewählte  Nicht  leicht  hätte  aber  auch  ein 
Würdigerer  für  diese  Stelle  gefunden  werden  können.  Denn  in  der  Behandlung  der  Orgel 
war  Zimmers  Meister,  und  seine  Improvisationen  auf  derselben  waren  derart  interessant, 
dass  viele  Musikfreunde  die  Domkirche  vorzugsweise  besuchten,  um  Zimmers  prä-  und  inter- 
ludiereu   zu  hören.    Zimmers  hat  mehrere  Folgen  Versetten   in  Druck  erscheinen  lassen. 

Dass  Zimmers  neben  seinen  amtlichen  Funktionen  die  übrigen  vaterstädtischen  Musik- 
unternehmungen nicht  aus  den  Augen  verlor,  geht  aus  dem  bereits  Angeführten  zur  Q^nüge 
hervor.  Als  man  im  Jahre  1819  zur  Bildung  eines  städtischen  Vereins  für  Gesangmusik 
schritt,  war  er  es,  der  die  Übungen  am  Flügel  zu  leiten  übernahm,  und  seinem  Eifer  ist 
es  zum  Teil  zu  verdanken,  dass  Aachen  mit  seinen  Nachbarstädten  gleichen  Schritt  hielt  und 
gleich  bei  den  ersten  zu  Aachen  gegebenen  rheinischen  Musikfesten  (1825,  1829  und  1834) 
Beweise  einer  tüchtigen  Vorbildung  im  Chor  ablegen  konnte. 

Hervorragend  sind  Zimmers  Verdienste  als  Musiklehrer.  Als  solcher  war  er  viele 
Jahre  am  früheren  St.  Leouhards-Institut  hierselbst  und  später  auch  eine  Zeit  lang  an 
dem  Pensionats-Institut  zu  Blumenthal  bei  VaeLs  thätig,  bis  ihm  endlich  das  Alter  Ruhe 
gebot.  Zum  Gebrauche  für  seine  Musikschüler  gab  er  Vorübungen  für  Klavierschüler  und 
mehrere  Hefte  Singübungen  heraus '. 

In  der  zweiten  Hälfte  seines  Lebens  wohnte  Zimmers,  der  nicht  verheiratet  war, 
bei  seinem  Schwager,  dem  Kratzenfabrikanten  Classen  in  der  Peterstrasse  Nr.  64.  Wohl 
machten  sich  in  den  letzten  Lebensjahren  die  Lasten  des  Alters  bemerkbar,  aber  bis  an 
sein  Lebensende  bewahrte  er  seine  geistige  Frische  und  Schaffensfreudigkeit.  Noch  kurz 
vor  seinem  Tode  vollendete  er  eine  grosse  vierstimmige  Messe.  Am  24.  August  1861  ver- 
schied Theodor  Zimmers,  fast  80  Jahre  alt,  nach  nur  viertägigem  Krankenlager  an  einem 
Herzübel.  Am  26.  August  fand  die  Beerdigung  statt,  bei  welcher  die  Concordia,  deren 
Ehrenmitglied  der  Verstorbene  gewesen,  das  musikalische  Ehrengeleite  gab. 

„Aufrichtiges,  anspruchsloses,  sittenreines,  opferfreudiges  und  liebevolles  Wesen** 
—  rühmte  Zimmers  Freund,  der  Stadtdechant  Dilschneider '  —  „veredelt  durch  eine  innige 
christliche  Herzensfrömmigkeit,  zeichnete  Zimmers  während  seines  ganzen  Lebens  aus; 
in  seinem  späten  Alter  aber  war  vor  Allem  stets  das  Gotteshaus  sein  liebster  Aufenthaltsort, 
der  Tisch  des  Herrn  seine  vorzüglichste  Erquickung  und  das  Gebet  seine  Hauptbeschäftigung. 
Und  so  ist  er  denn  auch,  der  in  Wahrheit  und  Gerechtigkeit  seinen  Pfarrgenossen  und 
Mitchristen  zum  Muster  und  zur  Auferbauuug  gelebt,  den  vom  hl.  Geist  so  überaus  ge- 
priesenen seligen  Tod  der  Gerechten  gestorben." 

„Seine  Wirksamkeit",  schlicsst  Ackens  seinen  Nekrolog,  „bildet  eine  Epoche  in  der 
Geschichte  der  musikalischen  Zustände  Aachens.  Er  war  ein  von  Allen,  die  ihn  kannten, 
geachteter  und  geliebter  Mann,  dabei  anspruchslos  und  bescheiden.  Er  war  ein  tüchtiger 
Ktlnstler  und  ein  edler  Mensch.** 

Die  Kompositionen  Zimmers  werden  heutzutage  nicht  mehr  aufgeführt.  Fast  alles, 
was  er  geschrieben,  hat  einem  anderen  Kunstgeschmacke  den  Platz  räumen  müssen  und 
ist  vergessen.  Nur  seine  Melodien  zu  Kirchenliedern  leben  auch  heute  noch  im  Munde  des 
Volkes,  insbesondere  die  Melodie  zu  dem  violgesungenen  schönen  Woihnacbtsliede  „Menschen, 
die  ihr  wart  verloren".  Möge  der  Refrain  dieses  Liedes  noch  lange  Jahre  in  Aachens 
Kirchen  verkünden,  was  Zimmers  bei  all  seinem  Schaffen  vorschwebte :  „Ehre  sei  Gott  in 
der  Höhe!" 

Aachett,  J.  Fey, 


»)  Goß.  Mittoilung  ilcs  Hrn.  StillsarchivArs  Kanonikus  Vitboff.    Das  Jahresgehalt  betrug  damals 

löO  Tlialer. 

*)  Die  Zimmersschon  Kompositionen  erschienen  bei  Arnold  in  Elberfeld,  bei  N.  Simrock  in 
Bonn,  bei  Henson  in  Aachen,  teilweise  Hucb  im  Selbstverluge.  Von  den  verachiedenen  „Te  Deume"  ist 
keines  zum  Druck  gelangt. 

^)  Auf  dem  Totenxettel. 


—  47  — 

3.  Die  Anweseuheit  einer  hanseatischen  Gesandtschaft  an  König 
Philipp  nr.  von  Spanien  in  Aachen  im  Dezember  1606. 

Das  in  dieser  Zeitschrift  veröffentlichte  Tagebacb  des  Aachener  Stadtsyndikus 
Melchior  Klocker,  das  die  Jahre  1602—1608  umfasst,  enthält  zom  26.  Dezember  1606 
folgende  Notiz:  ^Ahm  26.  Decembris  seindt  der  Anzer  (V)  statt  gesandten  ufm  rahthauss 
gewesen  und  haben  sich  hochlich  erbotten  und  einen  zirablichen  trunck  gethain*.* 

Unter  „Anzer  statt  gesandten**  sind  die  Gesandten  der  Hansastädte  zu  verstehen. 
Infolge  eines  Beschlusses  des  Hansatages  zu  Lübeck  vom  16.  Juni  1606  ordneten  die 
Städte  Hamburg,  Lübeck  und  Danzig  gemeinschaftlich  eine  Gesandtschaft  an  König  Philipp  IIL 
von  Spanien  ab  mit  dem  Auftrage,  wegen  der  apanischen  Handelsprivilegien,  der  Forderungen 
hanseatischer  Kaulleute  an  die  dortige  Regierung  u.  s.  f.  in  Madrid  Beschwerde  zu  führen. 
Der  lübeckische  Gesandte,  der  Ratsmann  Henrich  Brockes  hat  in  seinen  Tagebüchern  auch 
über  die  Reise  der  Gesandten  von  Lübeck  nach  Madrid  eingehende  Mitteilungen  gemacht, 
die  wegen  des  grossen  Interesses,  das  sie  erregen,  schon  1 774  auszugsweise  veröffentlicht 
und  späterhin  von  der  Geschichtsforschung  vielfach  benutzt  und  verwertet  worden  sind*. 
Es  dürfte  manchem  Leser  dieser  Zeitschrift  nicht  unwillkommen  sein,  zu  erfahren,  was 
die  Aufzeichnungen  Henrich  Brockes'  über  den  Aufenthalt  der  Gesandtschaft  in  Aachen 
berichten. 

Der  Bedeutung  und  dem  Wohlstande  der  Hansastädte  entsprach  die  Ausrüstung 
und  die  Bedienung  eines  jeden  der  Gesandten,  abgesehen  davon,  dass  die  lange  Dauer  der 
Reise  und  die  mit  ihr  verbundenen  mannigfachen  Beschwerden  grössere  Zurüstungen 
nötig  machten.  Brockes  hatte  6  Personen  zu  seinem  Dienste,  zu  deren  Fortschaffung 
eine  Kutsche  und  vier  schön  braune  Pferde  sowie  ein  brauner  Gaul  (Not-  und  Reit- 
pferd) dienten.  Ausserdem  befand  sich  in  seiner  Begleitung  der  Konsul  zu  Lissabon, 
Hans  Kempferbeck,  mit  einem  berittenen  Diener.  Die  anderen  Gesandten,  der  „gemeine 
Hansesche  Syndikus",  Johann  Domann,  der  Hamburger  Ratsmann  Jeronymus  Vogcler 
und  der  Danziger  Ratsmann  Arnold  von  Holten  waren  ähnlich  ausgerüstet.  Die  Reise 
ging  durch  Westfalen  nach  Köln  und  von  da  über  Aachen  nach  Brüssel,  da  die 
Deputierten  angewiesen  waren,  zunächst  den  Erzherzog  Albrecht  „Herrn  der  hispanischen 
Niederlande"  zu  begrüssen.  Wegen  der  kriegerischen  Unruhen  jener  Zeiten,  die  das 
Reisen  unsicher  und  gefährlich  machten,  war  es  häufig  nötig,  dass  sich  die  Gesandten  von 
einer  Stadt  zur  andern  durch  eine  militärische  Bedeckung  (convoy)  begleiten  Hessen. 

So  hatte  auch  der  Kölner  Rat  „30  gute  Soldaten**  der  Gesandtschaft  beigegeben, 
die  von  Aachen  aus  wieder  zurückkehrten;  am  13.  Dezember  (alten  Stils)  Mittags  zogen 
die  Deputierten  aus  Köln,  nahmen  ihren  Weg  über  Bergheim  und  Jülich  und  langten  am 
15.  Dezember  2  Uhr  in  Aachen  an. 

Wir  lassen  nun  folgen,  was  Brockes  über  die  Aufnahme  sagt,  die  er  und  seine 
Kollegen  in  Aachen  fanden.  Waren  die  hanseatischen  Abgeordneten  überall  in  deutschen 
Landen  höchst  ehrenvoll  empfangen  und  freigebig  beschenkt  worden,  so  namentlich  in 
Aachen. 

„Den  16.  December  blieben  wir  zu  Aach  stille,  versuchten  die  warmen  Bäder  und 
besahen  die  Thumkirchen  darein  viell  Rcliquiae  von  Carolo  magno,  sahen  caput,  gladium, 
Coronam,  novum  testamentum  etc.,  wie  auch  sein  sepulchrum,  und  den  Kunniglichen  Stuell, 
davon  sich  die  Stadt  rhümet  und  schreibet.  Die  Bürgermeister  und  etliche  des  Raths 
kamen  zu  uns  in  unse  Losameuter,  gratulirten  und  verehrten  uns  mit  Weinen  und  hielten 
uns  auff  dem  Rathhause  den  anderen  Tag  in  den  Weinachten  ein  Banket,  dabei  sie  sich 
mit  uns  frölich  machten  bis  in  den  späten  Abcnt. 

Den  17.  December,  wie  wir  das  Frühstück  assen  und  aus  Aach  ziehen  wollten  auf 


>)  Aus  Aachens  Vorzeit,  Jahrg.  IV,  S.  126. 

')  S.  besonders  Pauli  in  der  Zeitschrift  des  Vereins  fUr  LUbeckische  Qescbiohte  und  Alter- 
thumskunde,  I.  S.  79  ff.,  S.  ITA  ff.,  S.  2«1  ff.;  auch  Heibertz,  Quellen  dor  WestlUliHchen  aeschichte, 
II,  S.  421  ff. 


—  48  — 

Mastriebt,  kam  der  älteste  Bürgermeister  in  Stiefeln  und  Sporen  zu  uns  und  erbot  sich 
mit  uns  zu  reiten  nnd  uns  zu  geleiten  so  weit  der  Stadt  Jurisdiction  sieb  streckede.  Wir 
wollten  solches  nicht  zulassen  und  bedankten  uns  der  Ehre.  Aber  er  wollte  von  seiner 
Meinung  nicht  weichen.  Also  mussten  wir  es  geschehen  lassen,  schiedeten  um  8  Uhr  aus 
Aach  mit  einem  guten  Convoy  von  30  Soldaten.  Der  Bürgermeister  ritt  mit  drei  Dienern 
und  anderen  Bürgern  durch  die  Stadt  vor  uuserm  Wagen  her.  Aber  sobald  wir  aus  der 
Stadt  kamen,  setzte  ich  mich  auch  zu  Pferde,  der  von  Danzig  that  solches  auch,  und 
nahmen  also  den  Herrn  Bürgermeister  zwischen  uns,  bis  dass  er  wieder  umkehrte,  welches 
geschah  eine  kleine  Meile  von  der  Stadt." 

Aachen.  F.  Oppenhoff. 

4.  Ein  merkwärdiger  Fund. 

(Briefe  Davouts  an  Napoleon  I.) 

Im  1.  Heft  des  vorigen  Jahrganges  unserer  Zeitschrift,  S.  14—15,  berichtete  ich 
über  einen  seltenen  in  Aachen  gemachten  Fund,  bestehend  aus  5,  zum  teil  chiffrierten 
Briefen  des  Marschalls  Davout  an  Napoleon  I.  Wenn  ich  damals  nur  vou  einem  Miss- 
erfolg der  zahlreichen  Versuche,  das  Geheimnis  der  Briefe  zu  lichten,  erzählen  konnte, 
so  ist  es  mir  jetzt  vergönnt  mitteilen  zu  können,  dass  sie  entziffert  sind.  Es  war  ein 
merkwürdiger  Zufall,  der  die  Lösung  des  BUtsels  herbeigeführt  hat.  Herr  Oberlehrer 
Dr.  Holzhausen  in  Bonn,  ein  mit  dem  hier  gemachten  Funde  bekannter  und  mit  der 
Geschichte  Napoleons  und  seiner  Zeit  sehr  vertrauter  Herr,  traf  auf  einer  Reise  in  Italien 
einen  französischen,  in  Stockholm  thätigen  Geistlichen  und  erzählte  diesem  von  den  in 
Aachen  gefundenen  Briefen.  Dieser  Herr  nun  interessierte  sich  sehr  für  die  Entzifferung 
der  Briefe  und  war  so  glücklich,  bei  seinen  Nachforschungen  im  Kriegsarchiv  zu  Stock- 
holm Briefe  zu  finden,  die  mit  den  unsrigea  in  den  ausgeschriebenen  Teilen  fast  gleich- 
lautend waren,  hingegen  Chiffreschrift  zeigten  an  einigen  Stellen,  die  bei  uusern  Briefen 
nicht  chiffriert  waren  und  umgekehrt.  Das  Verhältnis  der  Briefe  zu  einander  war  so, 
dass  ein  gewandter  D^chiffreur  eine  Lösung  finden  konnte.  Ich  sandte  die  Schriftstücke 
an  das  Chiffrier-Bureau  des  Auswärtigen  Amtes  in  Berlin.  Dem  Direktor  jenes  Bureaus, 
Herrn  Geh.  Hofrath  Willisch,  gelang  es  nach  und  nach,  alle  Briefe  zu  entziffern. 

Sie  stehen  inhaltlich  natürlich  zur  Geschichte  Aachens  nicht  in  Beziehung  und  sind 
deshalb  von  mir  auch  nicht  in  einer  Aachener  Zeitschrift,  sondern  im  1.  Heft  des  laufenden 
Jahrgangs  der  Historischen  Zeitschrift  der  Görres-Gesellschaft  veröffentlicht  worden.  Sie 
geben  einige  nähere  Nachrichten  zur  Geschichte  des  Krieges  im  Jahre  1813,  soweit  er 
sich  auf  dem  nördlichen  Schau  platze  abspielte,  und  namentlich  zur  Geschichte  Hamburgs 
unter  Davout.  Manche  Nachrichten  sind  sehr  kleinlich  und  minderwertig.  Im  allgemeinen 
steht  der  für  die  Geschichtsschreibung  resultierende  Gewinn  kaum  im  Verhältnis  zu  den 
um  jene  Briefe  aufgewandten  Mühen. 

Aachen,  C.  Wacker, 

Verlag  der  Cremer'sehen  Bnehhandlnng  in  Aachen,  Kleinmarsehierstr.  3. 

P.  Giemen,  Die  Porträtdarstelliingen  Karls  des  Grossen.  VIII, 

234  S. ;  mit  siebzehn  Abbildungen Mk.  6. — 

Dr.  0.  Dresemann,  Die  Jakobskirebe  zu  Aachen.  Gescliiclitliche 

Nachrichten  und  Urkunden.  124  S Mk.  2. — 

C.  Rhoen,  Die  ältere  Topographie  der  Stadt  Aachen.  11,  142  S. 

mit  4  Plänen Mk.  2.— 


DkUCK  von  HeIIMAKN  KaATZKR  Di  AACUtilN. 


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Jährlich  6  Nummera  Kommission  s -Verlag 

A  I  Bogen  Royal  Oktav.  ^" 

Cremer"sRheii  Bnehhnndliing 
Preis  des  Jahrgangs  ,5  („,„ 

4  Mark.  in  Anehen. 

Mitteilungen  des  "Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Im  Auftrage  dca  Vereiaa  beraasgegeben  von  H.  Schnook. 


Nr.  4/8.  Neunter  Jahrgang.  1896. 


Inhalt:   H.  J.  Gross,  Scbonna  (Fortsetzung).  —  Kleinere  Mitteilungen:   1.  Aktenstücke 

ans  dem  Aachener  Stadtarchiv.  -  -  2.  Veraostultung  von  Maskenbällen  hei  festlichen  üclegcn- 

heitän  im  vorigen  Jahrhundert.  —  3.  Zur  Geschichte  des  KretiEherren -Klosters.  —  4.  Ao- 

ordnuDg  einer  ProKOBaion  durch  den  Bat.  —  5.  Fleisch  verkauf  in  der  Fastenzeit. 

Schönau. 

Von  H.  J.  Gross. 
IL 

Die  Herren  von  Schönau. 
1.  Die  Pfalzgrafeii. 
Die  ersten  Besitzer  Sfhönaus,  von  denen  wir  Nachrichten  haben,  gehören 
zur  Familie  der  Aachener  Pfalzf^rafen.  Sie  beaasaen  das  ganze  praediuin 
Richterich  als  Allod.  Was  über  dieselben  zu  sagen  ist,  wird  in  einer  Ab- 
handlung über  das  Ländclien  zur  Heiden  zusammengestellt  werden,  darum 
begnügen  wir  uns  hier  mit  der  Anführung  der  Namen. 

a)  Hezelo  (um  das  Jahr  1000),  zweiter  Sohn  des  Pfalzgrafen  Hcrman. 

b)  Heinrich  der  Wahnsinnige,  Sohn  Hezelos  und  Pfalzgraf  seit 
1045,  in  welchem  Jahre  der  bisherige  Pfalzgi'af,  Heinrichs  Bruder  Ezzo, 
das  Herzogtum  Alemannien  erhielt. 

c)  Heinrichll.,  Pfalzpraf  und  Stifter  der  Abtei  Laach,  gestorben  1095. 

d)  Siegfried  von  Ballenstädt,  Stiefsohn  Heinrichs  II.  und  Pfalzgraf, 
fiel  in  der  EmpÖning  gegen  Heinrich  V.  am  11.  Febrnar  1113. 

e)  Wilhelm,  Sohn  Siegfrieds  und  Pfalzgraf,  starb  kinderlos  1140. 
Nach  dem  Tode  Wilhelms  begann  der  rasche  Wechsel  im  Besitze  des 

praedium  Richterich,  den  wir  schon  im  ersten  Teile  unserer  Abhandlung 
kurz  berührt  haben.    Während  wir  nun  über  die  Schicksale  des  praedium 


—  50  — 

ziemlich  genau  unterrichtet  sind,  lassen  uns  die  geschiclitlichen  Nachrichten 
in  bezug  auf  den  Haupthof  Schönau  vollständig  im  Stiche.  Erst  von 
Hemricourt  vernehmen  wir,  dass  derselbe  sich  beim  Beginne  des  13.  Jahr- 
hunderts im  Besitze  des  Herrn  Heineman  von  Aachen  (d'Aix),  genannt 
Schön forst,  befunden  habe. 

Wie  schon  anderwärts  hervorgehoben  wurdet  beruht  die  Beifügung 
des  Titels  von  Schönforst  zum  Namen  Heinemans  auf  einem  Irrtum  Hemri- 
courts.  Aber  wie  ist  es  mit  dem  Zunamen  d'Aix?  Wer  waren  diese  Herren 
von  Aachen?  Standen  sie  vielleicht  in  verwandtschaftlicher  Beziehung  zu 
den  Pfalzgrafen  und  sind  sie  dadurch  in  den  Besitz  von  Schönau  gekommen? 
Bekannt  ist,  dass  eine  Familie  gleichen  Namens  sich  schon  im  ersten  Viertel 
des  12.  Jahrhunderts  in  einflussreichen  Stellungen  am  kaiserlichen  Hofe 
befand  und  fast  150  Jahre  lang  die  Vogtei  in  Aachen  bekleidetet  Ob 
aber  die  Schönauer  diesem  Geschlechte  angehört  haben  ^,  ist  mir  schon 
deshalb  zweifelhaft,  weil  sich  bei  letzterem  meist  der  Vorname  Wilhelm 
findet,  der  bei  den  Schönauern  gar  nicht  vorkommt.  Übrigens  schreibt 
Hemricourt  den  Heineman  der  Familie  Limburg-Haesdal  zu. 

Gegen  Anfang  des  13.  Jahrhunderts,  so  erzählt  derselbe  im  Mhx)ir 
des  nobles  de  Hasbaye,  lebte  Heineman  von  Aachen  genannt  Schönforst, 
der  ein  tapferer  Bannerherr  aus  dem  Geschlechte  derer  von  Limburg-Haesdal 
war  und  auch  das  limburgische  Wappen,  nämlich  einen  roten  mit  drei 
silbernen  Ballen  (besans)  belegten  Löwen,  führte.  Er  heiratete  eine  Tochter 
des  Herrn  von  Warfüs^e,  die  Dame  von  Burtonbur,  und  hatte  drei  Söhne: 
Heinrich  von  Fexhe,  Raso*  Mascharel^  und  Arnold  von  Burtonbur 
(Bretonbour).  Aus  Verdruss  darüber,  dass  infolge  der  Schlacht  von 
Worringen  (1288)  das  Herzogtum  Limburg  an  Brabant  kam,  legten  die 
Brüder  das  Limburger  Wappen  ab  und  behielten  blos  die  Kugeln  (tortelets) 
bei;  Heinrich  nahm  ein  rotes  Feld  mit  silbernen,  Raso  ein  silbernes  Feld 
mit  roten  und  Arnold  ein  silbernes  Feld  mit  blauen  Ballen  an.  Letzterer 
belegte  ausserdem,  weil  er  der  jüngste  war,  sein  Schild  mit  einem  Turnier- 
kragen. Danach  ist  klar,  dass  die  Schönauer,  welche  Silber  mit  Rot  im 
Wappen  führen,  Rasos  Nachkommen  sind,  während  die  Herren  von  Winands- 
rade,  die  den  Kragen  zeigen,  von  Arnold  abstammen. 

Einstweilen  ist  es  selbst  für  Fachmänner^,  geschweige  für  mich, 
unmöglich,  eine  Geschlechtsreihe  der  Herren  von  Schönau  aus  der  Familie 
d'Aix  herzustellen,  in  welcher  jedem  Mitgliede  die  richtige  Stelle  angewiesen 
wäre.    Ich  muss  mich  darum  ebenfalls  bescheiden,  die  Namen  anzugeben, 

^)  Vgl.  meine  Abhandlung  über  Reinard  von  Schönau,  „Aus  Aachens  Vorzeit"* 
Jahrg.  Vin,  S.  19,  Anm.  3. 

*)  Vgl.  Loersch,  Achener  Rechtsdenkmäler  S.  274  if. 

®)  Vgl.  Hansen,  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts- Vereins  IV,  S.  93. 

*)  Erasmus. 

*)  Über  diesen  Namen  vgl.  Reinard  von  Schönau  1.  c.  Jahrg.  VIII,  S.  19,  Anm.  4. 

•)  Vgl.  Hansen,  Zeitschrift  dos  Aachener  Geschichts- Vereins  VI,  S.  92.  von 
Oidtman,  das.  VIII,  S.  209. 


—  51  — 

wie  8ie  in  den  Urkunden  vorkommen,  berichtete  Thatsachen  mitzuteilen 
und  diejenigen  Persönlichkeiten  hervorzuheben,  welche  nachweislich 
„regierende  Landesherren**  waren,  wie  sich  ein  Mylendunck  in  seinen  Prozess- 
akten ausdrückt. 

2.  Die  Herren  von  Schönau  aus  der  Familie  d'Aix. 

Lange  bevor  die  von  Heniricourt  berichtete  Wappenänderung  vor  sich 
gegangen  ist  und  zwar  in  den  Jahren  1252  und  1254  lebte  Gerard  von 
Schönau  ^  Er  wird  als  Ritter  bezeichnet,  aber  da  die  Urkunden  ihn  nur 
als  Zeugen  anführen,  lässt  sich  weiteres  über  ihn  nicht  angeben.  Quix 
betrachtet  ihn  als  Herrn  zu  Schönau.    (^Heichzeitig  mit  Gerard  lebte 

Ritter  Simon  von  Schönau.  Derselbe  besass  in  Aachen  zwei  Häuser, 
welche  der  Amtswohnung  des  Sängers  Conrad  vom  Münsterstifte  gegenüber 
lagen,  sowie  eine  Mühle  auf  der  Pau.  Diese  Liegenschaften  veräusserte 
Simon  vor  dem  Jahre  1261  an  den  genannten  Sänger  2.    Auch 

Heineman  d'Aix,  den  Hemricourt  anführt,  war  ein  Zeitgenosse 
dieser  beiden  Schönauer,  denn  er  lebte  noch  um  1240^.  Heinemans  Söhne 
haben  wir  oben  aus  Hemricourt  angeführt.     Der  zweite  derselben 

a)  Raso  Mascharel  I,  der  bis  1290  nachgewiesen  werden  kann^, 
war  Herr  zu  Schönau.  Den  Namen  Raso  führte  er  wohl  nach  seinem  Gross- 
vater Raes  von  Warfüs6e,  den  Spitznamen  Mascharel  nach  dem  Wappen. 
Im  genannten  Jahre  unterzeichnete  er  mit  seinem  Sohne  Johann  und 
besiegelte  einen  Vertrag  zwischen  dem  Aachener  Münsterstifte  und  Macharins 
von  Mühlenbach.  Damals  war  Johann  schon  grossjährig  aber  noch  nicht 
Ritter;  diesen  Titel  führt  er  in  einer  Urkunde  von  1314  •\  Wir  finden  ihn 
noch  1324  als  Zeugen  in  der  Erklärung  des  Cuno  von  Molenark  über  den 
Verkauf  der  Güter  in  Obermerz  an  die  Abtei  in  Burtscheid.  In  diesen 
Urkunden  nennt  er  sich  Johann  von  Schönau;  Besitzer  der  Herrschaft  ist 
er  nicht  gewesen.  Johann  scheint  nur  eine  Tochter  gehabt  zu  haben, 
welche  den  Ritter  von  Brouck  (Broich  bei  Aachen)  heiratete,  der  aus  dem 
edlen  Geschlechte  der  Gimmenich  stammte.  So  Hemricourt.  Nach  Raso 
Mascharel  I  erscheint  als  Herr  zu  Schönau 

b)  Gerard  von  Schönau,  der  sich,  wie  wir  oben  sahen,  im  Jahre 
1302  die  Herrschaft  Schönau  mit  ihren  Gerechtsamen  von  Kaiser  Albert 
bestätigen  liess.  Mit  diesem  Gerard  beginnen  zwei  Schönauer  „Deduktionen" 
die  Reihenfolge  der  Herren  dieser  Herrschaft.  Aber  wer  war  dieser  GemvA? 
Weder  Hansen*  noch  von  Oidtman^  noch  de  Chestret*  erwähnen  ihn  in 
ihren  Geschlechtstafeln.  Zwar  führt  letzterer  —  freilich  mit  Fragezeichen  — 
einen  Gerard  von  Schönau  als  zweiten  Sohn  Rasos  I  an,  der  jedoch 
bereits  1306  Kanonikus  und  seit  1319  Dochant  des  Servatiusstiftes  in 
Mastricht  war:  sollte  dieser  unser  Gerard  sein?  Dann  müsste  man  annehmen. 


*)  Qnix,  Frankenburi?  S.  128.  Reichsabtoi  IJnrtschcid  H.  240.  »)  Quix,  Scbönaa 
S.  83  f.  »)  Hansen  a.  a.  O.  8.  2r}.  <)  Qnix,  ncrcuKbrrtf  S.  108.  *)  Qnix,  Hchftnau  S.  41. 
•)Han8enLc.  Bd.  VI,3.  9»J.   »)Oi(ltman  I.e.  Bd.  VIII,  8.212.  •)  Uenard  de  Scbönan  S.  8,  9. 


—  52  — 

derselbe  habe  nach  1302  Waffen  und  Herrschaft  abgelegt  und  sei  in  den 
geistlichen  Stand  getreten.  Doch  erwähnt  Heraricourt  unter  den  Söhnen 
Easos  II  einen  Gerard,  den  er  „on  tres  wailhans  hommes  d'anne" 
einen  sehr  tapfern  Kriegsmann  nennt.  Aber  auch  Rasos  II  Sohn  Gerard 
war  Geistlicher,  Sänger  am  Münsterstifte  in  Aachen  sowie  Kanonikus  der 
Stifter  St.  Paul  und  St.  Lambert  in  Lüttich.  Die  Bezeichnung  als  tapferer 
Kriegsmann  passt  dagegen  trefflich  auf  unsern  Gerard,  den  Herrn  von 
Schönau,  den  ja  auch  Kaiser  Albert  „vir  strenuus**  nennt.  Sollte  nun  wohl 
Hemricourt  beide  Grerarde  verwechselt  und  dem  Neffen  zugeschrieben  haben, 
was  dem  Oheim  zukam?  Das  halte  ich  für  wahrscheinlich  und  nehme 
darum  an,  unser  Gerard  sei  der  älteste  Sohn  Rasos  I  gewesen  und  kinder- 
los gestorben,  worauf  dann  Schönau  auf  den  zweiten  Sohn,  Raso  II  überging. 

Gegen  diese  Auffassung  spricht  allerdings  der  Umstand,  dass  dann 
zwei  Söhne  Rasos  I  denselben  Vornamen  geführt  hätten.  Das  kommt  jedoch 
auch  bei  Reinard  I  vor,  von  dessen  Töchtern  zwei  Elisabeth  hiessen,  doch 
war  eine  derselben  ein  uneheliches  Kind]*;  von  Reinards  Brüdern  hiessen 
ebenfalls  zwei  Johann. 

Zur  Zeit  Gerards  lebte  auch  ein  Ritter  Arnold  von  Schönau,  der 
nebst  andern  Edelleuten  im  Jahre  1301  mit  dem  Abte  von  Steinfeld  einen 
Vertrag  über  den  Mönchsbusch  abschloss'^;  am  15.  September  1307^  starb 
Heinrich  von  Schönau,  Sänger  der  Liebfrauenkirche  in  Aachen,  welcher 
dem  Kapitel  eine  Mark,  den  Kirchendienern  sechs  Schillinge  vermachte. 

c)RasoMascharelII,  der  von  Hemricourt  als  der  älteste  Sohn 
Rasos  I  angeführt  wird,  war  Herr  zu  Schönau  und  Ülpich*.  1319  unter- 
zeichnet er  als  Herr  Raso,  Ritter  von  Schönau,  die  Urkunde,  durch  welche 
Arnold  von  Gimmenich  der  Alte  die  Schenkung  eines  im  Limburgischen 
gelegenen  Waldes  an  die  Abtei  Burtscheid  verbrieft  ^  Seiner  Ehe  mit  der 
Schwester  Gerards  von  Bongart  entsprossen  sechs  Söhne  ^  und  wenigstens 
eine  Tochter  Adelheid,  die  wahrscheinlich  Winand  von  Rode  heiratetet 
Die  Söhne  hiessen:  Johann  Mascharel,  Herr  von  Ülpich,  der  nach  Hemri- 
court eine  Tochter  Thiebauts  de  la  Vaux  zur  Ehe  genommen  haben  soll; 
Amelius,  Abt  von  St.  Trond;  Gerard,  der  Sänger  des  Aachener  Münster- 
stiftes; Johann  Hage,  Kanonikus  an  derselben  Kirche;  Raso  Mascharel, 
Herr  zu  Schönau  und  Reinard  von  Schönforst.  Für  letztern,  welcher  der 
bedeutendste  Schönauer  und  Stifter  der  Linie  Schönforst  ist,  verweise  ich 
auf  meine  mehrfach  erwähnte  Abhandlung,  in  der  auch  die  Nachrichten 
über  seine  Kinder  und  Brüder  zusammengestellt  sind.  Wir  beschäftigen 
uns  darum  hier  nur  mit 

d)  Raso  Mascharel  III,  Herrn  zu  Schönau.  Er  hatte  aus  seiner 
ersten  Ehe  mit  Adille  von  Esneux  eine  Tochter  Elisabeth,  welche  den 


*)  Vgl.  meine  Abhandlung  Rcinard  von  Schönau,  „Ans  Aachens  Vorzeit •*,  Jahrg.  VIH, 
S.  60.  *)  Quix,  Schönau,  S.  36  ff.  ')  üngedruckter  Nekrolog  der  Münsterkirche.  Vgl. 
Hansen  a.  a.  0.  S.  95.  *)  Hansen  a.  a.  0.  S.  96;  de  Chestret  a.  a.  0.  S.  8.  *)  Quix, 
Keichsabtei  Burtscheid  S.  817.  <)  de  Chestret  a.  a.  0.  8. 8, 9.  ')  y on  Oidtman  a.  a.0.  S.  212. 


—  63  - 

Winand  von  Rode  heiratete,  der  nach  Hemricuurt  ein  Sohn  «Ion  llorrn 
von  Argenteau  und  ^on  bon  Chevalier  wailhans  *  ot  hanly*  war.  Von 
ihm  führt  Winandsrat  den  Namen. 

In  zweiter  Ehe  vermählte  sich  Raso  mit  AfjnoH  von  MIIihwoM,  I)Io 
Gatten  stifteten  1344  den  Katharinaaltar  in  der  Kirrho  m  Klchlorlch  iiimI 
statteten  denselben  aus  „mit  gewissen  Krb^ütorn  und  KlnkUnllcMi,  wnli'hn 
sie  in  stehender  Ehe  gekauft,  erworben,  boschaft't  und  hlnr/n  boHllninit 
hatten,"  wobei  sich  Raso  das  Patronat  über  don  AlUr  fllr  nlch  Howin  fllr 
den  zeitlichen  Herrn,  Erben,  Nutzniesser  oder  Vorwal((»r  (nminbiu'niiiii)  dt»M 
Hauses  und  Schlosses  Schönau  vorbehielt*.  Auh  dorn  WorMaut«  y^^hl  liorvor^ 
dass  Raso  und  Agnes  nur  solche  Grundstücke  und  Uontnti  m  dor  Hlirtnni^ 
verwendeten,  welche  nicht  zu  Schönau  gehörten  Hondcun  V(»n  Ihnon  H«*lbxt 
erworben  worden  waren;  hieraus  lässt  sich  HchlioHHon,  diiHH  «lo  nhlit 
berechtigt  waren  schönauisches  Gut  zu  veräUHHem, 

Rasos  Tochter,  Elisabeth  von  WinandHrode,  rnrnJite  um  24.  Nov^mmImm' 
1359  ihr  Testamente  Sie  ernannte  zu  VollHtrecki^n  Ihrijn  VuUt,  I/hIh 
Maschreil,  Jobann  von  Schönau,  Kanonikus  an  Ht,  H^rvaHtm  in  Mii*<irl/'hl 
und  Johann  den  Mönch  van  den  Vclde,  ihre  V(?rKrhw/Jp:*^rf^!M,  jw^dann  dii» 
Frauen  Adelheid  von  Schönau,  Frau  von  Ii>vle,  Ad*flh*'id  von  i'lifhU 
beide  ihre  ,Möbnen*  —  und  Oda  von  Hrurnlill^^n.  Von  Kindern  ^rwhUui 
sie  nur  ihre  Tochter  Adelheid,  von  and<;m  V^frwandfirn  ^Hrnd^ff  ifoimutt 
von  Schönao*,  ihr  , Brüderchen*  und  Ad^dh^rid,  ihr  ^HtUw^MUrtfUf^u*^ *. 

Die  an  erster  Stelle  genannte  Ad^dli'rid  war  wohl  (Uh  'l'tHhUt  f^^^// 
Maächerels  L  die  Gr/r^^tante  i\f.T  YA\f\n^^<'yuh  HUt  UhUm  tUu  \U*tfu  Arnold 
von  Jülem»üt  2'eh»;::^t^t  *:  \\^iW',('u^,  var  -\h  in  z^utnU-r  y,hn  tt  ,1  ^'\hnu 
Herrn  von  K'>le  venr.'i:.]**,  V.V.*^.'A'/h  li'x  ihr  d»^,  V/;jhI  /xr;^/-.'/,  4,./,/, 
^diamaot  vhu'er^;:,*  *,:.  1  r. '.►:'.'-  ^v^/.y'i  r,:,)c*\  d.j<  yor*  r.  t  r,;.';,*  /f  r.  •/, 
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—  54  ~ 

dass  weder  er  noch  seine  Angehörigen  irgendwie  mit  den  Gerichten,  den 
Lassen  und  den  Lehenleuten  auf  diesen  Gütern  zu  schaffen  oder  über  die- 
selben zu  gebieten  haben  sollten.  Von  den  Gütern  in  Richterich  können 
wir  zwei  nachweisen:  den  Hof,  welchen  Keinard  I  daselbst  besass  und 
den  er  nach  der  Erklärung  seiner  Söhne  zu  Gottes  Ehre  verwenden  wollte, 
sodann  den  dortigen  Zehuthof,  der  dem  Raso  gehörte  und  der  später  — 
wahrscheinlich  durch  den  gleich  zu  nennenden  Godart  von  Rode  —  an  das 
Aachener  Münsterstift  verkauft  wurde.  Letztere  Besitzung  wurde  immer 
als  zum  Schönauer  Gebiete  gehörig  aufgeführt. 

Raso  Mascharel  III  ist  um  1370  und  zwar  vor  seiner  zweiten  Frau 
gestorben.  In  der  aus  diesem  Jahre  datirten  Urkunde  heisst  es  nämlich 
im  Vorbehalt  zu  gunsten  der  Schönauer  Gerichtsbarkeit:  „ind  behalden 
heren  Reinarde  .  .  .  op  deme  goede  van  Schoenawe  ind  wilne  heren 
Meschriels  sins  broders  ind  der  vrouwen  van  Ulpich  ire  moinen  op  irene 
goede  ..."  Damals  war  also  Raso  schon  tot.  Dass  seine  Frau  ihn  über- 
lebt hat,  erhellt  aus  folgender  Aufzeichnung  eines  ungedruckten  Toten- 
buches des  Münsterstiftes:  „IUI  Id.  (Decembris)  obiit  Agnes  dfia.  de  Bylre- 
velt  ac  relicta  diii.  Marchareyls  de  Schonawen.  Com.  (memoratio)  dni. 
Masschereyls  de  Schonawen  militis^"  Beide  hatten  dem  Stifte  je  vier 
Mark  vermacht. 

Nach  dem  Tode  Raso  Maschereis  III  hatten  dessen  beide  Enkel,  die 
Söhne  der  Elisabeth  von  Rode,  mit  Namen  Johann  Mascherei  und  Godart 
bis  zur  endgültigen  Teilung  Schönau  in  gemeinsamem  Besitz.  Beide  be- 
erbten  auch  die  Mohne  von  Ulpich.  Das  erhellt  aus  der  bereits  erwähnten 
Urkunde  Godarts  von  der  Heiden  vom  Jahre  1373,  worin  er  den  Genannten, 
seinen  „magen  ind  broderen",  verspricht,  „ihnen,  ihren  Leuten,  Lassen, 
Gerichten  und  Gütern  von  Schönau  und  Ulpich  niemals  Not,  Hindernis  und 
Nachteil"  zufügen  zu  wollen.  Auch  die  „Deduktion"  im  Schönauer  Archiv 
bezeichnet  die  Brüder  ausdrücklich  als  Erben  Maschereis  und  der  Frau 
von  Ulpich.  Bei  der  Erbteilung  erhielt  dann  Johann  Winandsrode,  Godart 
Schönau. 

3.  Godart  von  Rode,  Herr  zu  Schönau, 

war  ein  streitbarer  Ritter.  Er  beteiligte  sich  1386  an  der  Ermordung 
Johanns  von  Gronsfeld,  worüber  in  „Reinard  von  Schönau"  eingehend 
berichtet  worden  ist.  Wie  es  scheint,  hat  Godart  selbst  nicht  zugeschlagen; 
während  Reinard  II  von  Schönau  und  Statz  von  Bongart  Sühnealtäre 
errichten  mussten,  wurde  ihm  nur  die  Stiftung  eines  ewigen  Lichtes  auf- 
erlegt. Er  entledigte  sich  der  Verpflichtung  in  der  von  seinem  Grossonkel 
Reinard  I  erbauten  Schönforster  Kapelle  zu  Aachen  ^ 

*)  „Am  10.  Dezember  starb  Agnes,  Frau  von  Bylrevelt  und  Witwe  des  Herrn 
Marchareil  von  Schönau.  Gedächtnis  des  Herrn  Masschcreii  von  Schönau,  Ritter.**  Hiernach 
ist  de  Chestret  zu  berichtigen,  der  (nach  Lefort)  den  Tod  der  Agnes  auf  den  12.  Dezember 
1349  setzt.  (Renard  de  Schönau,  S.  9.) 

=*)  Hansen  a.  a.  0.  S.  97,  Aum.  3. 


—  55  — 

Dieser  Mord,  welcher  durch  die  begleitenden  Umstände  jeden  ritter- 
lichen Sinn  tief  verletzen  musste,  erweckte  den  Schuldigen  viele  Feinde 
und  erzeugte  eine  wilde  Fehde.  Auf  diese  Verhältnisse  spielt  der  Aachener 
Rat  in  einem  Schreiben  vom  22.  Mai  1389  an.  Godart  hatte  die  Stadt 
aufgefordert  ihm  Schadenersatz  und  Genugthuung  zu  leisten,  weil  Aachener 
Bürger  in  seinem  Brauhause  am  Hirz  Bier  getrunken  aber  nicht  bezahlt 
und  bei  dieser  Gelegenheit  Fässer,  Wimpel  und  selbst  das  Brauhaus  ver- 
brannt hätten;  weil  ein  gewisser  Stimpel  oder  dessen  Knecht  ihm  einen 
Hengst  gestohlen;  weil  die  Stadt  ihm  ihr  Recht  versagt  habe.  In  der 
Antwort  wies  der  Rat  darauf  hin,  es  sei  Sache  Godarts  die  Schuldigen 
ausfindig  zu  machen,  für  deren  Bestrafung  man  dann  schon  sorgen  werde; 
es  gehe  die  Stadt  nichts  an,  wenn  Godarts  Feinde  ihm  das  Brauhaus  ver- 
brannt oder  sonstigen  Schaden  zugefügt  hätten;  man  habe  ihm  auch 
das  Recht  nicht  versagt,  sondern  nur  wegen  der  „Todfehde**,  in  der  er 
sich  befinde,  den  Aufenthalt  nicht  gestattet.  Das  habe  aber  geschehen 
müssen  um  die  Aachener  und  andere  Leute  vor  Schaden  durch  Totschlag, 
Raub  und  Brand  zu  bewahren.  Godart  gab  sich  denn  auch  zufrieden  und 
erklärte  sich  mit  der  Stadt,  ihren  Bürgern  und  Untersassen  „genzlich 
gesaist  und  früntlich  verglichen".  (1389.  Juli  6.0  Er  starb  am  20.  September 
1389  oder  1390^ 

Godart  hatte  aus  seiner  Ehe. mit  der  Tochter  des  Ritters  Egidius 
von  dem  Weier  nur  zwei  Töchter,  von  denen  die  ältere,  Elisabeth,  den 
Ritter  Gerard  von  Vlodorp  heiratete,  dem  sie  Schönau  zubrachtet 

4.  Gerard  von  Vlodorp,  Herr  zu  Schönau, 

Sohn  Godarts,  des  Erbvogts  von  Roermond  und  der  Sophie  von  Neustadt. 
Im  Heiratsvertrage  vom  24.  November  1391  erhielt  er  „Schloss  und  Herr- 
lichkeit Schönau  mit  allem  Zubehör  an  Land,  Leuten,  Höfen,  Dörfern, 
Gebuchtem,  Häusern,  Gütern,  sowie  die  mit  all  ihren  Rechten,  Regalien, 
Gerichten  bei  Aachen  gelegen  sind,  ausgenommen  den  Zehnthof,  der  von 
Schönau  verkauft  ist,  darauf  Gerard  auch  von  seines  Weibes  wegen  rechten 
Verzicht  leisten  soll  mit  Vorbehalt  seiner  und  seiner  Erben  Hoheit  und 
Rechts."  Aus  dieser  Klausel  geht  hervor,  dass  der  Verkauf  erst  kurze 
Zeit  vor  der  Heiratsverschreibung,  also  jedenfalls  durch  den  Vater  der 
Braut  erfolgt  war.  Ausserdem  brachte  Elisabeth  in  die  Ehe:  den  Hof  zu 
Modersdorf  mit  dem  halben  Gericht  in  der  Warden,  den  Hof  von  Neuland 
mit  dem  Gute  von  Kalkhoven,  das  Burglehen  von  Moufart  (Montfort)  mit 
Zinsen,  Kurmeden  und  36  Kapaunen,  die  zu  Echt  erhoben  wurden.  Auch 
sollten  die  Eheleute  den  Wingart,  welchen  Godart  von  Schönau  an  Eustach 
von  dem  Bongart  versetzt  hatte,  für  sich  einlösen  dürfen  sowie  die  Forderung, 
welche  dem  Herrn  von  Winandsrode  (Johann  Mascherei)  und  seinem  Bruder 
(Godart)  gegen  die  Herzogin  von  Brabant  zustand,  allein  erheben. 

»)  Quix,  Schönau  S.  17  ff.     *)  Das.  S.  16. 

')  Zeitschrift  des  Aachener  Geschlchts -Vereins  Bd.  VIII,  S.  H4,  213. 


—  56  — 

Gerard  seinerseits  hatte  den  Hof  von  Assel  mit  dem  Zehnten  von 
Graet,  mit  den  Laten,  Kurmeden,  Fischereien,  dem  Zolle  und  dem  Rechte 
des  „lynpertz^"  in  der  Maas  und  auf  dem  Lande.  Vom  Eitrage  des  Zolles 
waren  jedoch  50  Gulden  jährlich  und  ausserdem  15  Bunder  Benden  für 
die  Schwester  Gerards,  welche  Nonne  zu  Heinsberg  war,  für  deren  Lebens- 
zeit vorbehalten.  Blieb  die  Ehe  kinderlos,  so  sollte  Elisabeth  ihre  „duarie" 
imd  Leibzucht  an  dem  Hofe  von  Assel  haben,  der  ein  Freigut  war. 

Der  Herr  von  Schönau  wurde  1409  auch  mit  der  Erbvogtei  von  Roerraond 
belehnt  und  wird  noch  1418  erwähnte  Das  älteste  Latenweistum  von 
Schönau^  erzählt  von  ihm,  dass  er  die  Rechte  der  HeiTschaft  gegen  die 
Eingriffe  der  Heidener  entschieden  gewahrt  habe.  „Noch  is  geleeft**  ^  so 
heisst  es,  „dat  die  van  der  Heiden  einen  zo  dem  Hirze  gevangen  hadden, 
int  wart  zer  Heiden  gevoert.  Do  her  Gerard  von  Ruermunde  dat  vernam, 
hei  underweis  den  her  van  der  Heiden,  dat  der  gevangen  weder  gelevert 
wart  zen  Hirz  losledich,  in  voegen:  misdeden  syne  lüde  of  jemantz  anders 
op  synen  gude,  dat  seulde  hei  uisrichten  als  sich  dat  gebürde.  Item  noch 
hat  men  geleeft,  dat  op  dem  hove,  die  nu  joncher  Wynants  van  Korten- 
bach  is,  dry  man  gevangen  worden  op  des  hofs  gueden  ind  worden  ouch 
zo  der  Heiden  gevoert,  ind  der  loes*  doe  zerzyt  hilt  dat,  dat  gein  amtman 
op  den  gueden  vangen  noch  penden  ^  en  seulde,  dan  der  bode  zo  Schonouwen. 
Her  Gerart  underwies  den  her  van  der  Heiden,  dat  die  dry  man  wider 
losledich  op  die  stede  gelevert  worden,  da  sy  gevangen  worden  sind;  ind 
die  zween  here  worden  des  eins,  dat  des  nit  me  geschien  en  soulde.  Mis- 
dede  jemantz  op  die  guede  to  Schonouwen,  her  Gerart  soulde  ein  richter 
darvan  syn,  ind  den  hof '  soulde  man  untfangen  to  Schonouwen  ind  nirgent 
anders.  Ind  wart  ouch  do  geuissert,  of  zween  loessen  van  Schonouwen  sich 
sloegen  op  der  straissen,  her  Gerart  ind  syne  vurfaren  hielten  die  darzo, 
dat  sy  dat  dem  lanthern  richten  aver®  des  lanthern  bode.  Die  en  kroede 
sich  der  loessen  nit  zo  vangen  um  der  stück  (?)  wille." 

Gerards  Kinder  waren  Wilhelm,  der  seinem  Vater  in  der  Erbvogtei 
von  Roermond  folgte,  und  Odilia,  die  Erbin  von  Schönau.  Sie  brachte  durch 
ihre  Heirat  mit  Johann  von  Mirlar  die  Herrschaft  an  das  Geschlecht  der 
Herren  von  Mylendunck.  Werfen  wir  einen  Blick  auf  die  Herrlichkeit 
Mylendunck  und  ihre  Besitzer,  bevor  wir  die  Erzählung  der  Geschichte 
Schönaus  unter  diesen  Herren  weiterführen. 


*)  Das  Recht,  den  Schilfern  auf  der  Maas  gQgen  Entgelt  die  Pferde  zu  stcUen, 
welche  auf  dem  Leinpfade  die  Fahrzeuge  stromaufwärts  zogen. 

*)  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts -Vereins  VIII,-  S.  129.  *)  Quix,  Schönau 
8.  3  ft'.    *)  erleht  worden.     *)  Das  Latcngericht.    ^)  pfänden. 

^)  Kortenbach.  Später  machten  die  Heidener  ein  Lehen  daraus,  was  die  Schönauer 
aber  nicht  anerkannten. 

•)  statt  avermitz,  overmitz  =  mittels. 


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—  57  — 

Mylendunck 

war  im  12.  Jahrhundert  eine  bedeutende  Herrschaft,  welche  jedoch  durch 
einen  Vertrag  Gerlachs  I  mit  Engelbert  II,  Erzbischof  von  Köln,  eine 
grosse  Einbusse  erlitt.  Im  Jahre  1274  verkaufte  nämlich  Gerlach  zwölf 
Ortschaften  mit  ihren  Einkünften,  Dienstmannen  und  Lehnsleuten  sowie 
viele  Lehen  diesseits  und  jenseits  des  Kheins  an  den  Erzbischof,  verzichtete 
auf  alle  Lehengüter,  welche  er  von  der  Kölnischen  Kirche  in  Händen 
hatte  und  nahm  selbst  einen  Teil  von  Mylendunck  als  Kölnisches  Lehen  an  K 

Nach  einem  „Syllabus  defunctorum  dominorum  in  Mylendonck**  im 
Archive  daselbst*  trennte  Gerlach  auch  die  Herrlichkeit  Pesch-Weinsack 
von  der  Herrschaft  und  trat  dieselbe  an  Herman  von  Imelhausen  für 
geleistete  treue  Dienste  ab. 

Ein  „Unvorgreiflicher  Status  über  das  haus  und  die  reichsfreie  herr- 
schaft  Mylendunck**  im  Schönauer  Archiv,  den  ich  wegen  seiner  inter- 
essanten Einzelheiten  hier  vollständig  folgen  lasset  gibt  über  Besitzungen 
und  Einkünfte  eingehende  Nachricht: 

„Erstlich  zu  beobachten,  dass  im  leichten  geld  Neusser  wehrung  die 
geringste  sort  ein  heller;  deren  12  machen  einen  album  oder  weisspfenning, 
24  albus  einen  gülden  und  25  einen  daler,  alles  Neusser  wehnmg;  ein 
reichsthaler  aber  hat  100  albus. 

Die  früchtenmass  ist  besonder  dieses  orts,  komt  doch  bald  mit  der 
Neusser  mass  übereinander,  ist  doch  etwas  starker,  gehet  mit  malderen. 
Ein  malder  hat  8  fass  oder^  4  sümmeren,  ein  sümmcr  2  fass,  das  fass  2 
viertel.    Das  viertel  2  pinten. 

Der  morgen  lands  hat  150  ruthen,  jede  nithe  16  fuss  vierkantig. 
Das  schloss  und  herrschaft  Mylendonck  ist  ein  Geldrisch-Ztitphanisch  Ichen, 
gelegen  auf  des  h.  römischen  reichs  boden,  zwischen  das  Gülische  und 
Kölnische  land  inclavirt,  3  stund  von  Neuss.  Bestehet  in  drei  unter- 
schiedenen gebauten  quartieren,  im  ober-  mittel  und  Unterhaus  oder  bauhof. 
Das  Oberhaus  samt  dem  mittelsten  haben  ihre  dreifache,  im  haus  einen 
breiten  sonsten  zwei  schmale  wassor^rral^en,  der  unterste  bau  al)er  allein 
den  breiten  gralien  umher.  So  ist  auch  auf  etwa  ungefelir  100  schritt 
dabei  ein  weitläufiger  schöner  garten,  so  in  allem  bezirk  samt  dem  banm- 
garten  und  darum  gehenden  wasseri^rahen  zu  dreien  selten  dem  ruf  muh 
8  morgen  anhaltet  \  mit  lustparken,  hecken  und  lusthäuseni  durchher 
gezieret.     So   seind   aurh   vor   dem    hans   viele    ftchöne   und    wollK'setzte, 


')  Lacomblet,  rrknnd»mbu«h  II,  H.  ;{s7. 

*)  Ich  Tcnianke  »inen  Aüh/ah^  der  Frcnmllirhkf'it.  df^  Herrn  }UxTon  von  Wftllen- 
webcr  auf  Mjlendnnck. 

*)  In  der  Ab?*«*hrir*t  ^ind  dio  fUMtrflrHrtitfcn  Pfjpp^lkon^^onant^n  im  In-  nnd  An-Uat 
weggelassen,  die  r  und  w  dnrr  h  u,  die  y  dnrrh  i  fT<fl7J. 

*}  oder  fehlt  in  der  Vorlas:«^ 

*)  In  der  Vorlage;  anhalU;nd. 


—  58  — 

bepflanzte  dämmen  und  gemeinden^  und  annebens  um  dem  schloss  eine 
weide  und  bleichplatz.  Für  dem  haus  fliesset  eine  rivier,  die  Neers 
genannt,  zweimal  vorüber.  Item  ist^  (dasselbe)  neben  dem  baumgarten 
(und  dabeneben  mit  schönen  weieren,  welche  mehrentheils  alle  mit  fliesseu- 
dem  Wasser  unterhalten  werden),  versehen  mit  einem  hopfengarten. 

Specificatio  der  jährlichen  geföllen  und  reuten.  Stätige  geldrenten. 
Erstlich  zwei  drittentheil  eines  fahrzins  von  26  albus  4  heller  und  4  hüner, 
das  stück  ad  8  albus,  facit  33  albus  5^3  heller. 

Der  erbschatz,  erbrent  und  waggeld  tragt  aus  nach  abzug  des 
gerichts  gerechtigkeit,  so  selbig  jährlichs  empfängt,  und  andere  darauf 
haftende  reallasten,  facit  164  daler  41  albus  3V2  heller  ^ 

Das  Schützengeld  nach  abzug  des  heblohns  facit  181  rth.  99  albus  ^ 
Item  seind  es  elf  schwäre  fuhren,  wovon  jede  bezahlt  wird  mit  5  rth. 
facit  55  rth. 

Folgen  übrige  jedoch  unbeständige  geldrenten. 

1.  Die  Wasserschmitt  gibt  jährlichs  mit  dem  zoll  50  rth.,  wan  der 
einwöhner  aber  am  haus*  arbeitet,  gibt  er  40  rth. 

2.  Die  wein-  bier-  und  brandeweinsaccise  ist  verpfachtet  für  60  rth. 

3.  Das  haus  hat  36  lehn  an  und  wan  ein  lehnman  stirbt,  bekomt  der 
herr  bei  Vorstellung  des  neuen  vasallen  7  rheinische  goldgulden  oder  species 
reichsthaler  dafür  und  einen  sammeten  beutel  oder  V2  species  reichsthaler, 
und  werden  auf  jedes  jähr  durcheinander  zwei  gerechnet,  facit  21  rth. 

4.  Wan  ein  erb  verkauft  wird,  gebührt  dem  herrn  davon  der  zehnte 
Pfenning,  so  mit  jähren  auf  40  rth.  verpfacht  worden. 

5.  Der  brüchten  werden  jährlichs  durcheinander  gesetzt  50  rth. 

6.  Das  weinhaus  hat  gethan  60  rth. 

7.  Drei  in  der  herrschaft  gelegene  herrhöfe  an  küchengeld'^  und 
neujahr  43  rth. 

8.  Wan  Juden,  geben  8  rth.  zum  tribut;  jetzo  ist  nur  einer.  Auch 
gibt  der  jud  alle  zungen  von  geschlachten  beesten  und  2  feiste  gänse. 

9.  Die  oel-  und  lohemühle  gibt  150  rth. 

10.  Die  kornmühl  10  rth." 

11. — 19.  Acht  Posten  Land,  Benden,  Graserei  in  den  Britchen,  zu- 
sammen 328  rth.  50  alb.  ^ 

„20.  Heiderhof  küchengeld  20  rth. 

21.  Die  abnutzung  der  garten  und  baumgarten,  so  dan  3  weieren 
und  auf  den  dämmen  stehendes  holzge wachs  wird  gesetzt  ad  100  rtli. 


»)  Vgl.  imten  22. 

^)  In  der  Vorlage:  hat.     „dasselbe"  fehlt. 

^)  Hier  sind  also  Reichsthaler  gemeint. 

*)  Am  Herrenhaus. 

*)  Betrag  der  Lieferungen  dieser  Höfe  für  die  Herrenkttchc  an  Gewürz  u.  s.  w. 

*)  Hier  sind  also  Reichsthaler  gemeint. 


—  59  — 

22.  Item  das  hans  anhaltend  einen  husch  86'  ,  morjron,  wolohor  nun- 
mehro  ziemlich  verhauen  vom  herm  mit  eichen  wiotler  In^postot  wenlcn 
kan,  sonsten  der  Heekbi-oicher  und  Harinjrsoppcr  hinidschatt  »u  wussor 
und  wiede  offen  liegt.  Noch  ein  stuck  buschgens,  so  ^UMchfulls  vti^huuon 
und  gleicher  natur  ist,  5^,4  morgen  anhaltetul.  Item  hat  es  noch  ein 
klein  eichenbüschlein  vorm  haus,  10  moi*gen  gross,  so  mit  grilblohi  ringsum 
versehen,  worin  die  gemeinde  kein  la\ib  und  gras  hat, 

23.  Item  hat  das  haus  an  stockbnüchcr,  wolcho  einmal  ullo  \iouu 
jähr  umgehauen  werden,  145  morgen;  hieraus  können  jahrliehs  ilureh- 
gehends  16  morgen  gehauen  werden  und  setze  jeden  morgen,  wie  selbige 
vorhin  verpfachtet  gewesen  ad  12  rth.,  facit  U)2  rth. 

24.  Das  feld  vorm  haus,  das  hausfeld  genant,  hat  an  morgeu/aihl 
67  morgen,  ist  verpfachtet  ad  7  rth.  Neusser  wehning;  hat  vorhiu  gethan 
ein  malder  korns  und  ein  malder  ein  sümmer  haberen  ad  24J1  rth. 

25.  Noch  ein  feld,  das  cranenfeld  genant,  ungefilhr  44  niiH'geii,  der 
morgen  hat  gethan  ein  malder  korns  und  ein  malder  habereii,  tliut  Ji'lya»  i\ 
Neusser  daler,  facit  135  rth.  28  albus. 

26.  Noch  ein  feld,  das  rührenfeld  genant,  hat  an  morgen/ahl  21  niorMeUi 
der  morgen  hat  gethan  ein  malder  körn  und  ein  malder  haberen,  thnt 
jetzo  72  rth.  ^ 

27.  Noch  einig  land  an  der  capellen  genant,  20  morgen,  der  nuHgen 
zu  6  Neusser  daler  ad  53  rth.  40  albus '. 

28.  Noch  ein  stück  land  haltend  an  der  musH  1)  morgen,  der  morgen 
thut  an  pfacht  6  daler,  facit  32  rth.  76  albus. 

29.  Die  kommtihl  ist  eine  zwangmülile''  und  gebet  in  zwei  lilnfen, 
thut  an  kom  97^2  malder,  das  malder  per  2  rth,,  facit  105  rOi, 

30.  An  weizen  4  malder  per  3  rth.  fa<:it  12  rth. 

31.  An  malz  24  malder  per  I  V^«  rth,  fueit  36  rth, 

32.  300  U  frisch  schweinenfleihch,   daw  il  a^l  H   albus,   fiuM  24    rth, 

33.  Einen  feilten  hammel  faeit  3  rth. 

34.  Hegerhof  24  malder  körn  per  2  rth,  facit  48  rth,,  24  nmlder 
haberen  per  1  rth.  fa<it  24  rth, 

35.  50  a  butter,  da^  U  H  albuh,  fnät  4  rth,  Nb,  15  malder  körn, 
15  malder  haber<^n,  ein  kalb, 

36.  Scliöjjraderh'^f  30  inaMer  koio  per  2  rth,  fa<jt  <M)  rth,,  30  niabb^r 
haberen  jw^r  1  rth.  fa' it  30  rth. 

37.  Hei-IttTlj'.f  2ii  inald«-r  körn  .  ,  ,  r>>-  r\U,^  2J^  üiuM^-r  Ij^^lx-ren  .  ,  , 
29  rth,  250  ej^n  (:\u  k>Jh  ,  .  ,  fa^  j1  2  iWi. 

3^.  TriettenV'roir'iK.'r  z«  i'<^Ji'J  h.it  <-i.-t  fiii'Ll/'rjptar'ljt  ;/<'than.  1>A  üun- 
mehru  verj^fa -ht'^t  i'ur  ]2*>  rih..  \*  i  i;^hi'f)i\n>t  yj-la-ufi  t'nr  JW  rih..  Kjj;/- 
brückerzeiiC'i'i  vr  1:^'»  r^i  ..  J<;.'1<m''»'-;<  !■<•!  /«  h<'ji'l  Uiy  ]<*h  ri!j..  Jj</ Js>'''r<>i«'lier 


—  60  — 

zehend  für  110  rth.,  Pescher  zehend  ftir  90  rth.  Diese  zehenden  seind 
alle  vorhin  in  fruchten  jetzo  aber  in  geld  und  also  ohne  nachlass ;  mögten 
doch  noch  wohl  höher  verpfachtet  werdend 

39.  Der  flachszehend  bringt  circiter  jährlichs  aus  200  stein  flachs 
ad  100  rth. 

40.  Am  erbpfacht  und  holz,  haber  bei  unterscheidlichen  parteien  109 
malder  ...  109  rth. 

41.  Erbpfachtkorn  89  malder  ...  178  rth. 

42.  An  wachs  24  ?l  ...  ad  30  albus  ...  7  rth.  20  albus. 

43.  An  rtiböl  47   quart,  jede  ad   25   albus,  facit   11   rth.  75  albus. 

44.  Erbpfachthüner  176  stück,  mit  den  rauchhünern,  deren  278  stück 
seind,  facit  zusamen  454  stück  ...  36  rth.  32  albus. 

45.  Capaunen  12  stück  ad  I2V3  albus,  facit  1  rth.  50  albus. 

46.  Erbpfachtsgänse  24  stück  ad  20  albus  facit  4  rth.  80  albus. 

47.  Der  truckner  weinkauf  wird  von  obigen  drei  höfen  mit  dem  wein- 
haus vor  jedes  jähr  gesetzt  48  rth.  25  albus. 

48.  Hieneben  dienet  zu  wissen,  dass  in  der  herrschaft  35  diensthöf 
seind,  welche  wegen  sicherer,  davor  inhabender  herrschaft  (?)*  erblich 
schuldig  seind  alles  holz  und  heu  für  die  herrschaft  einzuführen,  das  heu 
zu  machen,  das  eis  zu  hauen. 

49.  Ferner  seind  die  unterthanen  obligirt  alle  nöthige  band-  und 
Spanndiensten  zu  thun,  so  dan  auch,  wan  selbige  mit  kriegs  oder  andern 
lasten  nicht  beschwärt  werden,  können  jährlichs  dem  herrn  wol  1000  rth. 
geben,  setze  also  1000  rth. 

50.  So  hat  der  herr  auch  die  ins  patronatus  über  eine  personal, 
die  pastorat,  drei  vikarien,  über  die  capellonat  aufm  schloss. 

51.  Grobe  und  kleine  jagd  und  fischerei,  fort  alle  regalien,  so  einer 
immediat  freier  reichsherrschaft  gebühren,  und  wird  die  abnutzung  davon 
angeschlagen  werth  zu  sein  100  rth. 

Belauft  sich  also  summa  summarum  alles  aufs  gelindeste  angeschlagen, 
ausserhalb  dem  schlossgarten,  buschen,  diensten  und  anderen  posten  4820 
rth.  57  albus  8V2  heller.*' 

Bei  Gelegenheit  der  Heirat  Dieterichs  (IV.  1549 — 1575)  mit  Theodora 
von  Bronckhorst  erhalten  wir  über  die  andern  Besitzungen  der  Mylenduncker, 
welche  sie  teils  erheiratet  teils  ererbt  hatten,  folgende  Auskunft. 

Dietrich  erhielt  „für  sein  Patrimonium  und  kindsgedeil" : 

1.  die  Häuser  Mylendunck  und  Drachenfels  mit  ihren  anklebenden 
Hoheiten,  Herrlichkeiten,  Mühlen,  Pachten,  Zinsen,  Zehnten,  Höfen,  Gülten, 
und  Renten; 

*)  Dagegen  lautet  eine  beigeschriebene  Bemerkung;  „ad  dimidium  reduci  debet** 
=  muss  um  die  Hälfte  gekürzt  werden. 

*)  Soll  wohl  heissen:  erbschaft  =  Grundbesitz. 

')  „Personatus  ist  allmählig  im  Gegensatze  zur  dignitiis  für  jene  Präbenden  ge- 
braucht worden,  mit  denen  ein  Ehren  Vorrang  ohne  Jurisdiction  ....  verbunden  ist.** 
Schulte,  Lehrbuch  des  katholischen  Kirchenrechts  S.  218. 


—  61  — 

2.  den  Hof  zu  Camphausen  im  Lande  von  Jülich  mit  den  Kornren  ton 
zu  Jüchen  sowie  die  Geldrenten  zu  lasten  der  Stadt  Neuss; 

3.  das  halbe  Haus  und  Herrschaft  Kulant  (Reuland)  im  Lande  von 
Luxemburg  mit  allen  Renten  und  Nutzbarkeiten. 

Die  beiden  andern  Brüder  Gothard  und  Craft  hatten  sieh  damals  über 
die  folgenden  Besitzungen  noch  nicht  verglichen;  sie  blieben  also  zu  gleichen 
Teilen  daran  berechtigt,  den  Vorteil  ausgenommen,  welcher  gemäss  dem 
Lehenrechte  Gothard  als  dem  ältesten  zukam.  Die  in  Klammern  beigefttgten 
Bemerkungen  sind  teils  emer  Verhandlung  von  1579  teils  andern  Akten- 
stücken entnommen. 

1.  Das  Haus  Goer  mit  seinen  Höfen,  Renten,  Zinsen,  Pachten,  Mühlen, 
Büschen  und  Benden;  mit  der  Latbank  zu  Neor  samt  der  Mühle  daselbst; 
mit  seinen  Hoheiten  und  Herrlichkeiten  zu  Meiel,  Poll  und  Panheil, 
derer  Mühlen-  und  andere  einkommenden  Renten,  mit  seinen  Kirchen-  und 
Altargiften*,  Schatz  und  Diensten.  [„Auch  forzugeben,  wie  ich  grossen 
abbruch  van  Goerer  wert  und  Aldewater  geleden,  darvon  wol  7  bonre* 
ungeferlich  abgetrieben".  Vom  Hause  Goer  existirt  noch  ein  genaues 
Inventar  aus  derselben  Zeit,  leider  nur  als  Bruchstück.  Die  Güter  zu 
Goer,  Meil,  Hörstgen,  Fronenbroch  u.  a.  waren  1541  im  Besitze  der  Frau 
von  Drachenfels-Mylendunck.] 

2.  Haus  und  Herrlichkeit  zum  Hörstgen  mit  seinen  Mühlen,  Zinsen, 
Gülten,  Pachten,  Zehnten,  Buschen,  Benden  und  „liffgenis"*- Gütern 
sowie  mit  dem  Gut  „in  gen  hoessen",  gelegen  im  Land  von  (Heve;  „die 
plei"  samt  dem  Gut  zu  „Kuilen  beneden  Toil"  mit  seiner  „eltergift**.  [„Die 
plei  .  .  .  den  abbruch  auf  den  Rhein  und  Issel  und  die  sandbesturzung 
muss  abschlag  an  pacht  thun  .  .  .**  „Das  haus  Fronenbroich  und  herrlich- 
keit  Hörstgen  ist  dem  h.  röm.  reich  immediate  unterworfen;  jedoch  ist  erst- 
genantes  haus  ein  geldrisches  lehen,  so  beim  lehenhof  zu  Ruremonde 
relevirt  wird.**     „Hörstgen  ist  ein  fendum  von  Mors*.] 

3.  Die  zwei  Rubbmcker  Höfe  im  Amt  von  Wachtendonk  mit  ihrem 
Artlande,  mit  den  Zehnten,  Zinsen,  Renten,  Benden,  Holzwuchs  und  Fiwihereien 
auf  der  Nerschen.  [„Die  Rubbmcker  hof  mögen  in  der  erbschaft  nit  so 
hoch  ästimirt  werden,  derweil  es  ein  behandsgut  ist,  da  die  hand  bald 
ansterben  und  alsdan  schwerlichen  mus  gewunneu  werden.**  Auch  stehen 
in  nassen  Sommern  die  Benden  unter  Wasser.] 

4.  Der  Swalmer  Hof  zu  Wanlo  mit  seinem  Artlande  und  Zehnt<*n 
und  allen  zustehenden  Gerechtigkeit^'n.  [„Von  diesem  hof  mu»  man  meinen 
gnedigen  hem  herz<^»gen  zu  Guilich  mit  pferd  und  hämisch  zu  deinst  kome», 
gilt  auch  zehenden  halber  aus.*"] 

5.  Die  Hoheit  und  Herrlichkeit  Meiderich  im  T^ande  von  Cleve  l>ei 
Duisburg  gelegen,  mit  ihren  Mühlen.  Zinsen,  Gülten,  Renten.  Paschten, 
»und  handgewinnsgoederen*'  *,  mit  dem  Hofe  vor  dem  Hause  im  „vurgebrucht**  ^ 

M  Pmtronate  über  Eirehea  und  Altäre.     •)  Buuder.     *i  Leibzudit. 
*>  Die  XM  Dieiu^tleitftaiiges  Terpfliclitet  siBd.     <^)  V<^ftNUX' 


—  62  — 

und  dem  Hofe  ten  Eiken  mit  Weiden,  Büschen,  Fischereien  und  Gerechtig- 
keiten. [Im  Jahre  1582  verglich  sich  Herzog  Wilhelm  von  Jülich,  Cleve 
und  Berg  mit  „  Johan  hern  to  Milendunck  etc.  wegen  der  hoheit,  Schätzung, 
klockenschlag;  diensten,  huldigung,  gericht,  anfang,  toll  ver,  glaidt  (sic)^, 
axeisen,  flschereye  in  der  herlicheit  Meiderich*'  ^] 

7.  Der  Hof  zu  Hesingen  im  Stifte  Werden  gelegen  mit  seinen  Zinsen 
und  Pachten,  mit  „scholtferken**  und  anderen  „lefenis*',  welche  die  „haus- 
leute*  geben;  noch  125  Goldgulden  „auf  der  grafschaft  Moers  fallend, 
wilchs  alles  in  Meiderich  gebrucht  wird". 

8.  Haus  und  Herrlichkeit  Soron  (Soiron)  im  Lande  von  Limburg  mit 
Höfen,  Büschen,  Schlagholz,  Renten,  Pachten,  Zinsen,  Zehnten,  Benden, 
„penninksgeld**,  Kurmeden;  ferner  andere  Latbanken  und  Güter  zu  Gross- 
und Klein-Kechain,  Clermont,  Visinirs^,  Herve  und  darum  gelegen. 

9.  Haus  und  Herrlichkeit  Schönau,  mit  den  Höfen  in  der  Vorburg 
und  zu  Neuland,  ferner  Büschen,  Schlagholz,  Benden,  Beuten,  Gülten, 
Kurmeden,  Schatz.  Darneben  87  Malter  Roggen  Jahrrenten  zu  Meersen, 
Holzgewalten  auf  dem  Welldorfer  und  Jülicher  Busch  sowie  Benden  „vur 
der  Stadt  gelegen". 

10.  Die  „halfherrlichkeit  zu  der  Warden"  mit  ihren  Renten,  Zinsen, 
Pachten,  Kurmeden  und  den  Gerechtigkeiten  „uf  Hoeniger  bosch";  mit  dem 
Hofe  zu  Merz  „darinnen  gehörig  mit  seinem  artlande  und  gerechtigkeit 
up  der  pastoreien  zu  Aldenhoven".  Noch  17  Malter  jährliche  Rente  an  dem 
Hause  auf  HarflF.  Noch  7  Malter  an  dem  Hofe  auf  Hohenholz.  [„Wardcn 
ist  eine  im  herzogthum  Gülich  zwischen  Höngen  und  Kinzweiler  gelegene 
mit  der  Biauen  anschiessende  untcrherrschaft,  welche  von  unerdenklichen 
Jahren  her  zweiherrig  gewesen  und  eine  halbscheid  von  der  Dahlen- 
broichische,  die  andere  von  der  Milledonckische  familie  besessen  worden'*." 
Die  Berechtigung  am  Hoengener  Busch  kam  durch  die  Heirat  der  Agnes 
von  Mylendunck  mit  Johann  von  Kessel  an  diese  Familie.] 

11.  Der  Hof  „uf  gen  Schluffert"  im  Amte  Montfort  mit  seinem  Art- 
lande, den  gebrochenen  Heiden  und  den  zugehörigen  Benden. 

12.  Die  Forderung  des  Wagengeldes  im  Amte  Montfort,  „wilchs  uf 
ein  goetlich  verdrag  steit". 

Es  folgen  noch  verschiedene  Forderungen,  deren  bedeutendste  sich 
auf  3500  Karolusgulden  beläuft,  und  zum  Schlüsse  heisst  es:  „Was  ferner 
von  goederen  sind,  hat  man  in  der  il  nit  können  bedenken." 

Eines  der  vergessenen  Güter  war  der  Hof  Hastenbaur,  von  dem 
bemerkt  wird,  er  müsse  „zum  höchsten  inwendig  sechs  jaren  gcmirgelt 
sein:  dazo  schätz  und  zehenden  gilt". 

Der  Syllabus  verzeichnet  folgende  Herren  von  Mylendunck: 


*)  Es  wird  wohl  vcrglaidt  =  Geleit  zu  losen  sein. 

')  F.  Schrocdcr,  Die  ChroDik  des  Johannes  Turck,  Annalen,  Heft  58,  S.  154. 

»)  Vis^V 

*)  von  Fürth,  Beiträge  II,  2,  S.  93. 


—  63  — 

Theodor  (Tidericus,  Dieterich)  I,  (1168—1220)  ist  der  erste  urkund- 
lich genannte  ^ 

Theodor  II  (1220—1566),  ein  Verwandter  Conrads  von  Hochstaden 
und  ein  treuer  Helfer  dieses  Erzbiscliofs  in  allen  Fehden.  Auch  streckte 
er  demselben  eine  Summe  Geldes  im  Betrage  von  1000  Mark  vor*.  Im 
Jahre  1222  übertrug  er  das  Patronat  der  Kirche  zu  Elsen  dem  Regulier- 
herrenkloster zu  Neuss,  verzichtete  in  demselben  Jahre  mit  seiner  Gemahlin 
Hadewig  im  Namen  ihrer  Kinder  auf  Güter  und  Allode  in  Elsen  zu 
gunsten  des  Deutschordenshauses  in  Gürath  (Judenrode),  und  überlässt 
1266  demselben  Hause  seinen  Zinsmann  Gerard  in  Elsen.  Die  Söhne  Gerlach, 
Adolf  und  Walram   bestätigen  noch   1290  die  Schenkung  ihrer  Eltern  ^ 

Von  Gerlach  I  ist  bereits  oben  Rede  gewesen.  Vielleicht  ist  Adolf 
jener  Rudolf  von  Reifferscheid,  Herr  von  Mylendonk,  der  1310  die  Güter, 
welche  das  Kloster  zu  Grevenbroich  in  Allrath  besass,  von  der  Lehns- 
pflicht entband  und  mit  Friedrich  von  Malberg  andere  Besitzungen  daselbst 
demselben  Kloster  schenkte.  1311  befreite  er  den  deutschen  Orden  in 
Gürath  von  der  Pflicht,  auf  den  Gerichtstagen  zu  Hülchrath  (Helkenrode) 
zu  erscheinen  und  verglich  sich  1321  mit  den  Ordensrittern  über  seine 
Ansprüche  an  den  Grevenforst  *. 

Gerlach  II  (1308 — 1350)  hinterliess  vier  Töchter,  von  denen  die 
älteste  den  Jacob  von  Mirlar  heiratete  und  Mylendunck  an  dieses  Geschlecht 
übertrug.  Der  Sohn  Johann  I  vermählte  sich  mit  Sibille  von  Merode  zu 
Bornheim,  aus  welcher  Ehe  ein  Sohn  und  vier  Töchter  hervorgingen. 


5.  Die  Herren  von  Schönau  aus  der  Familie  Mirlar-Mylendunck. 

a)  Johann  II,  Sohn  Johanns  I  und  der  Sibilla  von  Merode,  kam 
durch  seine  Heirat  mit  Odilie  von  Vlodorp  in  den  Besitz  von  Schönau. 
Wann  die  Ehe  geschlossen  wurde,  kann  ich  nicht  angeben;  der  Syllabus 
sagt,  Johann  sei  1423  vermählt  gewesen.  Im  Jahre  1455  stifteten  die 
Eheleute  Messen  zu  Maria  im  Kapitol,  zu  St.  Georg,  bei  den  Karm eilten 
und  Augustinern  in  Köln^  Nach  einer  Abschrift  im  Schönauer  Archiv 
gaben  sie  in  demselben  Jahre  150  Morgen  und  13V2  Morgen  in  Erbpacht, 
jeden  für  IV2  Summer  Roggen  oder  im  Ganzen  für  49  Malter,  sodann 
12  Morgen  weniger  ein  Viertel  Bend  ä  5  Mark  kölnisch,  das  machte  zu- 
sammen 59  Mark  weniger  3  Stüber.  Der  P>bpacht  verteilte  sich  auf  sechs 
Ehepaare;  vom  Roggenpacht  wurden  gleich  12  Malter  „afgelacht,  gelöst 
und  gequit".    Das  Land  gehörte  zur  Aussteuer  der  Odilia,   nämlich    „zo 


*)  Ropertz,  Quellen  und  Beiträge  S.  195. 

*)  Eckertz-Noever,  die  Benedictiner- Abtei.  M. -Gladbach  S.  267. 

')  Giersberg,  Dekanat  Grevenbroich  S.  74. 

*)  Giersberg  a.  a.  0.  S.  186,  147. 

^)  Zeitschrift  des  Aachener  Geschieh ts -Vereins  Bd.  VIII,  S.  213. 


—  64  — 

dem  guede  ind  aiiseel  zu  Moesdorp,  dat  uns  (den  Eheleuten)  alda  zu- 
gehörende is".  Odiliens  Mutter,  Elisabeth  von  Schönau,  hatte  die  Besitzung 
dem  Gerard  von  Vlodorp  zugebracht.  Als  Zeugen  des  Erbpachtvertrages 
untersiegelten  „her  Arnold  von  Hürnen"  und  „Pitter,  borchgref  zu  Oden- 
kirchen". 

Diese  175^2  Morgen  Land  bildeten  das  Areal  des  Hofes  Moders-  oder 
Moesdorp.  Die  Gebäude,  nämlich  Haus,  Hof  und  Ansiedel  mit  Graben, 
Weiern  und  der  anhaftenden  Gerechtigkeit  am  Höngener  Wald,  gaben 
Johann  und  Odilia  ebenfalls  1455  dem  Heinrich  von  Baesweiler  und  Heinrich 
von  Nothberg  für  sieben  oberländische  Gulden  in  Erbpacht,  unter  der  Be- 
dingung jedoch,  dass  sie  abstehen  müssten,  wenn  der  Herr  zur  Warden 
die  zum  Hofe  gehörigen,  in  Erbpacht  gegebenen  Ländereien  einlösen  würde  *. 

Der  Syllabus  lässt  Johann  1478  zu  Köln  sterben  und  bei  den  Domini- 
kanern daselbst  begraben  werden.  Sein  ältester  gleichnamiger  Sohn  war 
schon  früher  aus  dem  Leben  geschieden.  Derselbe  war  zweimal  verhei- 
ratet. Seine  erste  Frau  hiess  Kunigunde  von  Birgel.  Sie  hatte  die  Güter 
Opei,  Mach,  Macheren  und  Avenues  in  die  Ehe  gebracht,  welche  nach 
Johanns  Tode  in  den  Besitz  des  Johann  Hurt  von  Schöneck  übergehen 
sollten.  So  setzte  der  Schwiegervater  Engelbert  Nyt  von  Birgel  am 
12.  Februar  1472  fest;  damals  waren  also  nicht  bloss  die  beiden  Kinder 
aus  dieser  Ehe  sondern  auch  die  Mutter  schon  gestorben.  Die  zweite 
Frau  Johanns  war  Sibilla  Steckt  Mit  dieser  hatte  er  ebenfalls  zwei 
Söhne,  die  bei  seinem  Tode  als  Unmündige  zurückblieben:  Johann  von 
Mirlar,  Herr  zu  Mylendunck  und  Graft  von  Mylendunck.  Bis  zur  Mündig- 
keitserkläning  wurden  die  Besitzungen  gemeinschaftlich  verwaltet.  Nach 
der  „Deduktion"  nahmen  die  Brüder  vom  Stifte  U.  L.  F.  in  Aachen  ein 
Kapital  auf  und  verpfändeten  bis  zur  Abtragung  desselben  „haus  und  herr- 
schaft  Schönau  samt  zugehörigen  gutem  und  höfen  zu  Schönau  und 
Richterich,  wie  auch  anklebenden  land  und  leuten,  hoheit  und  herrlich- 
keiten*'.  (1488.)  In  demselben  Jahre  wurde  zur  Teilung  geschritten,  bei 
der  Johann  Mylendunck,  Graft  Schönau  erhielt. 

b)  Graft  von  Mylendunck,  Herr  zu  Meiderich  und  Schönau,  Amtmann 
zu  Blankenstein,  Drost  zu  Orsoy  (1488 — 1519)  ^  Er  hiess  Graft  (Gratho) 
nach  seinem  Grossvater  Graft  Stecke  von  Meiderich.  Während  seiner 
Minderjährigkeit  hatte  die  Mutter  die  Verwaltung  in  Schönau  geführt,  Vor- 
mund war  der  Burggraf  zu  Odenkircheu  gewesen.  1491  war  die  Mutter 
tot.  Das  besagen  folgende  Stellen  aus  dem  in  letzterm  Jahre  aufgezeichneten 
Schönauer  Latenweistume. 

„Item  haben  ferner  diese  vorgeschriebenen  lehenleutcn  und  lassen 
sämtlich  gesprochen,  wie  dass  ihnen  kündig  und  wol  indenklich  ist,  dass 
die   frau   von  Milendonck  Wilhelmen   OfFermans   gut  in   der   herrlichkeit 


M  von  Fürth,  Beiträge  I,  2,  S.  94. 

')  Beiträge  zur  Geschichte  von  Eschweiler  I,  S.  382. 

^)  Zeitschrift  des  Aachener  Geschieh ts- Vereins  VIII,  S.  214. 


—  65  — 

Schönauen  gelegen  inner  diesen  nechst  zehen  jähren  fürnahm  um  grossen 
briichten  willen,  so  erfallen  waren,  so  dass  die  jouffer  von  der  Heiden  auch 
darin  griffe  und  meinte,  solches  solte  der  frauen  von  Milendonck  seliger 
nicht  gebüren,  und  forderte  auch  dieselbigen  brächten,  vermeinend,  dass 
solche  brüchten  ihr  zustehen  und  an  sie  gebessert  werden  solten;  und  da 
ist  der  burggrave  von  Odekirchen  als  Vormünder  der  frauen  von  Milen- 
donck kinder  kommen  und  unterwiese  Jolian  von  Schönraed,  herru  zur 
Heiden,  der  Sachen  halber,  welcher  Johan  .  .  ihm  darauf  antwortete,  was 
darinnen  geschehen,  wäre  ausser  seinem  wissen,  man  solt  das  wieder  in 
die  statt  stellen,  da  es  aus  genomen  wäre,  welches  da  zur  band  geschähe. 
Und  Johan  von  Himbach,  Peter  Nack  schultheiss,  Laurens  von  Richtergen, 
Andries  up  den  zehenhof  und  Palm  von  Richtergen  oflfenbarlich  bekent  und 
gesprochen  haben,  dass  ihnen  kundig  und  wissend  wäre  und  darüber  und 
angewesen  seien  und  ihre  gewöhnliche  Urkunde  gebür  und  reclit  empfangen 
liaben.  Und  haben  mitgesprochen  dieselbige  letztgenänte,  dass  Johan  von 
Schönraede  seliger  ein  gelach  geschenket  hat  diesen  Johan  von  HimbacJi. 
Peter  Nack,  Johan  von  Steinhausen  und  Dederich  Kemmerlink,  dass  sie 
ihrer  frauen  von  Milendonck  wollen  anbringen,  dass  sie  ihm  die  brüchten, 
so  da  gefallen,  wolle  schenken;  er  wolt  das  an  sie  und  ihre  kinder  ver- 
dienen und  sich  so  freundlich  fort  mit  ihr  halten,  dass  solcher  zweitracht 
nicht  mehr  not  sein  solle.  Item  diese  sämtliche  lehenleuten  und  lassen 
haben  auch  bekant  und,  ermahnt,  gesprochen:  dass  sie  wissen  kündig  und 
wahr  sein  und  sie  gesehen  haben,  dass  einer  genant  Johan  Mutzschen  seine 
brüchten  gebessert  hat  an  die  frau  zu  Milendonck  seliger,  des  herrn  Graft 
ihres  herrn  mutter.  Item  ist  ihnen  auch  kundig,  dass  nach  der  vorgesetzten 
zeit  einer  genant  Nellis,  der  auch  gebrüchtet  hatte,  seine  brüchten  abge- 
tragen hat  mit  einem  gelach  an  der  frauen  von  Milendonck  diener;  welche 
diese,  Nellis  und  Johan  Mutzschen,  dieses  wahr  zu  sein  und  also  an  die 
frauen  von  Milendonck  gethan,  beide  zusammen  mündlich  bekant  und 
gesprochen  haben." 

Nachdem  Graft  Herr  zu  Schönau  geworden  war,  bemühte  er  sich 
zunächst  um  die  Instandsetzung  des  Hauses,  dessen  Turm  er  im  Jahre 
1488  herstellen  und  verzieren  Hess.  Dann  suchte  er  seine  Herrenrechte 
festzustellen  und  gegen  die  Eingriffe  der  Heidener  zu  sichern.  Zu  diesem 
Zwecke  liess  er  1491  die  Herrschaft  „begleiten**,  d.  h.  die  Grenzen  der- 
selben feststellen  und  zugleich  die  Laten  über  seine  Rechte  befragen.  Er 
hatte  dazu  auch  die  Frau  zur  Heiden,  Maria  von  Merode,  Witwe  des  eben 
erwähnten  Johann  von  Schönrat,  einladen  lassen,  war  jedoch  abschlägig 
beschieden  worden.  Das  Weistum,  aus  dem  auch  die  damals  zwischen 
Heiden  und  Schönau  schwebenden  Fragen  sich  ergeben,  hat  folgenden 
Wortlaut  \ 


*)  leb  gebe  dasselbe  unter  Ausschluss  der  Stellen,  welche  frilher  bereits  verwertet 
worden  sind  und  füge  die  entsprechenden  Aussagen  des  älteren,  bei  Qu  ix,  Schönuu  S.  3  ff. 
abgedruckten  Weistums  in  Klammer  bei. 


—  66  — 

„Im  namen  des  Herrn.  Amen.  Übermitz  dieses  offenbaren  Instruments 
füge  ...  zu  wissen,  dass  in  dem  .  .  1491  .  .  auf  samstag  den  19.  martii  .  . 
in  meines  offenbaren  notarii  und  hierunter  beschriebener  .  .  zeugen  gegen- 
wart  und  beiwesen  der  strenge  und  fromme  herr  Graft  von  Milendonck, 
herr  zu  Meiderich  etc.  in  seiner  eigenen  person  erschienen  und  gestalten 
in  dem  gewöhnlichen  gerichtshaus  zu  Schönauen  bei  Aachen  gelegen 
Itttticher  Stifts  hat  lassen  rufen  und  durch  seinen  schultheiss  von  Schönauen 
alle  und  jegliche  seine  lehenleuten  und  lassen  zu  der  herrlichkeit  von 
Schönauen  gehörend  —  diese  untenbeschriebenen  dingen  zu  vollbringen  — 
versamlen,  und  als  sie  versamlet  und  alsämtlich  erschienen  waren  zwei 
mit  namen  Johan  Nack  und  Bartholomäs  Heufts  besonders  lassen  ab- 
fragen und  auf  ihre  eiden  ermahnen  die  aufrichtige  Wahrheit  zu  sagen, 
wie  sie  ihre  botschaft  verrichtet,  so  ihn^  an  die  jouffer  zur  Heiden  zu 
thuen  und  deroselben  ihre  antwort  zu  bringen  befohlen.  Als  haben 
dieselbe  letztgenänte  zwei  gesprochen  und  geantwortet:  Wir  sind  zur 
Heiden  kommen  und  haben  zu  der  jouffer  von  der  Heiden  aldo  gesprochen 
durch  mund  eines  genant  Everhard  Düycker  also:  Liebe  jouffer,  unser  herr 
von  Milendonck  herr  Graft  hat  uns  zu  euch  gesant  und  lassen  sagen,  er 
wolle  morgen  zwischen  zwei  und  drei  uhren  nachmittag  mit  seinen  lehen- 
leuten und  lassen  die  gerechtigkeit  zu  Schönauen  begleiten,  obs  euch  beliebt, 
dass  ihr  alsdan  dabei  kommt  oder  jemanden  schicket  von  euretwegen?  So 
hat  dieselbe  jouffer  uns  zur  antwort  geben:  das  beizukommen  oder  zu 
schicken  ist  mir  nit  vonnöten;  will  herr  Graft  da  ichtwas  lassen  begleiten, 
das  mag  er  thuen.  Und  dass  wir  also  unsere  botschaft  gethan  und  der- 
selben jouffer  antwort  gehört  haben,  behalten  und  nehmen  wir  bei  unseren 
eiden  so  wir  gethan  haben,  und  bezeugen  das  mit  den  ehrbai'en  und  frommen 
männern  Henrich  van  Schlickum  und  Meuter,  die  darüber  und  angewesen 
sind  und  das  gesehen  und  gehört  haben.  Welches  dieselbige  letztbenänte 
zwei  männer  auf  statt  und  in  versamlung  der  lehenleuten  und  lassen  .  .  . 
bekänt  und  ausgesprochen  .  .  .  wahrhaftig,  wie  jetzt  erzählt  wird,  geschehen 
zu  sein. 

Und  zuletzt  hat  derselb  herr  Graft,  da  er  diese  botschaft  und  antwort 
änderst  nicht  vernomen,  ferner  begehret  und  geheischen,  dieselbige  lehen- 
leuten und  lassen  alsämtlich  durch  seinen  schultheiss  befragt  und  ermahnt 
zu  werden  auf  ihren  eiden  ...  die  Wahrheit  zu  sagen  und  von  allen  .  .  . 
punkten  und  geschichten  der  aufrichtigen  Wahrheit  zeugnus  von  sich 
zu  geben. 

Item  so  hat  derselb  schultheiss  .  .  .  diese  lehenleuten  und  lassen 
besonders  die  ältesten  als  Servas  Biermans,  Gerhart  Maergoitz,  Laurens 
van  ßichtergen,  Andries  op  den  zehenhof,  Gotard  Nack,  Palm  van  Richtergen, 
Simon  Schubbe  und  fort  die  sämtliche  lehenleute  .  .  .  auf  ihre  eiden  ermahnt 
und  gefragt,  zu  sagen  und  zeugnus  zu  geben,  was  ihnen  kundig  von  dem 


*)  Lies:  ihnen. 


—  67  — 

Grönendal:  wozu  lehengehörig  sei  und  wer  die  zu  strafen  hat,  welche 
auf  den  lehengütem  brüchten?  Und  alda  haben  diese  .  .  .  geantwortet, 
dass  der  Grönendal  von  ihren  gedenken  her  und  auch  so  sie  von  ihren  eiteren 
haben  sagen  hören  allezeit  zu  Schönauen  lehengehörig  gewesen,  und  ferner 
ihnen  änderst  nicht  kundig  ist  .  .  .  dan  dass  der  herr  von  Schönauen  die 
soll  angreifen  und  strafen,  welclie  auf  den  lehengüteren  von  dem  Grönendal 
gebrüchtet  hatten.  Und  haben  auch  gesprochen,  dass  ihnen  nicht  gedenkt 
noch  kundig  ist,  dass  jemand  anders  einige,  so  alda  mögten  gebrüchtet 
haben,  hat  angegriffen  oder  gestraft,  noch  auch  nie  haben  sagen  hören, 
dass  jemand  anders  dan  der  herr  von  Schönau  alda  einige  gerechtigkeit 
geübt  hat.  Und  haben  ferner  gesagt,  dass  sie  .  .  .  gesehen  und  gehört 
haben,  dass  Eeinard  Büdden  und  Arnold  Kücks  offenbarlich  gesprochen 
haben,  dass  sie  gesehen  haben  und  wissen  wahr  zu  sein,  dass  ein  man 
genant  Godart  Wolhart,  so  um  schuld  willen  nirgens  bleiben  durfte,  darum 
dass  er  unbeschwert  und  unbekümmert  bliebe',  geführt  ward  auf  den 
Grönendal  und  blieb  alda  wohnen  und  starb  alda. 

Item  hat  auch  dieser  schultheiss  dieselbige  .  .  .  gefragt  .  .  .  was 
ihnen  darob  kundig  sei:  wan  ein  lehnman  oder  lass  des  herrn  von  Schönauen 
oder  sonsten  jemand  fremdes  missethete  binnen  der  herrlichkeit  oder  lehen- 
gütem zu  Schönauen  gehörend,  wem  die  besseren  ^  solten  und  wer  die 
anzugreifen  oder  zu  strafen  hätte?  Haben  dieselbige  .  .  .  geantwortet  .  . . 
dass  sie  von  ihren  eiteren  nicht  haben  hören  sagen  noch  ihnen  in  ihrem 
gedenken  fürkomen  noch  kundig  ist,  dan  dass  der  herr  von  Schönauen 
alsolche  missetheter  angreifen  und  strafen  solle  und  die,  welche  verbrüchtet 
hätten,  dem  herrn  von  Schönauen  ihre  brüchten  bessern  und  demselben 
die  abtragen  sollen  und  änderst  nirgend.*' 

[Das  ältere  Weistum  weist  die  Bestrafung  vcm  Verbrechen  dem 
„lantheren**,  d.  i.  dem  Herzog  von  Jülich  zu.  „Item  ouch  helt  men  dat 
toe  Schonouwen  ind  is  ouch  geleeft,  dat  ein  misdedich  man  zo  den  hirz 
gevangen  wart,  hadde  einen  kelk  gestoelen  ind  wart  zo  Schonouwen  geleit, 
die  gebürde  deme  hogerichte  zo;  die  dief  wart  dem  lanthern  van  den 
gueden  zo  ScJionouwen  gelevert  op  des  hern  straess  ind  liess  dem  lanthern 
mit  ime  vort  gewerden.*'] 

Der  folgende  Abschnitt  unseres  Weistums  erzählt  die  oben  aus  der 
älteren  Urkunde  bereits  mitgeteilte  Geschichte  von  dem  am  Hirz  durch 
die  Heidener  abgefangenen  aber  auf  das  Verlangen  Gerards  von  Roermond 
wieder  freigegebenen  Manne  mit  dem  Zusätze:  „und  darnacher  derselb 
herr  Gerard  den  zeitlichen  vogt  zur  Heiden,  Otto  von  Vorst,  ergriffen  und 
finge  in  der  herrlichkeit  von  Schönauen  und  wolt  ihn  darum,  dass  er 
diesen  man  aus  der  herrlichkeit  von  Schönauen  zur  Heiden  geführt  und 
seine  gerechtigkeit  merklich  geletzet  ^  hatte,  am  leib  gestrafet  haben,  wan 

')  d.  b.  damit  weder  seine  Person  noch  seine   Habe  gericbtlich  angegriffen  werde. 
•)  genugthiien. 
')  verletzt 


—  68  ~ 

er  der  freunde  nicht  genossen".  Das  kräftige  Vorgehen  Gerards  hat  auch 
wohl  zu  dem  im  älteren  Weistume  erwähnten  Vergleiche  der  beiden  Herren 
über  die  Gerechtsame  des  Schönauers  geführt. 

„Und  dieselbige  .  .  .  haben  ihr  lebenlang  nie  gesehen  noch  vernommen 
dass  ein  lehenman  oder  lass  zu  Schönauen  von  einigen^  herren  von  der 
Heiden  gefangen,  noch  von  ihren  eiteren  gehört  dass  solches  geschehen 
sei;  die  von  der  Heiden  haben  solchen  gefangenen  frei  los  ledig  müssen 
erlassen  und  wiederum  lieberen,  da  sie  ihn  gefangen  hatten.** 

Nun  folgt  die  Erzählung  von  den  drei  Männern,  welche  die  Heidener 
auf  dem  Cortenbacher  Hofe  ergriffen  hatten.    Dann  fährt  das  Weistum  fort: 

„Und  hat  ferner  der  schultheiss  dieselbige  .  .  .  gefragt .  .  .,  wie  solches 
von  alters  gehalten  ist,  als  ob  ein  missetheter  gefunden  oder  bekomen 
würde  auf  den  lehengüteren  von  Schönauen,  wer  die  zu  strafen  gehabt  hat 
bis  auf  diese  zeit  zu?  Haben  diese  lehenleute  und  lassen  geantwortet  und 
gesprochen,  wie  dass  sie  von  ihren  voreiteren  haben  hören  sagen  und  ihnen 
auch  kundig  ist,  wie  dass  ein  missethetisch  weib  zu  Schönauen  im  thorn 
gefönglich  gesessen  hat  und  von  dannen  ist  ausgeführt  und  gerichtet  und 
begraben  worden  auf  statt  und  end,  noch  heutiges  tags  Leisgens  ^  grab 
genant.  Und  in  ihrem  gedenken  gesehen  haben  .  . .,  wie  dass  einer  genant 
Nikolas  von  dem  Hirsch  feur  angestochen  und  das  haus  zum  hirsch  ein- 
gebrant,  ward  darum  gefangen  und  in  den  thorn  zu  Schönauen  geworfen, 
und  starb  daselbst  und  ward  von  dannen  ausgeführt  und  in  einer  seeg- 
kuhlen^  begraben;  und  davon  wurde  niemalen  betröhung  klag  noch  wider- 
sprechung gehört  noch  vernomen;  mithin  haben  dieselbigen  .  . .  gesprochen, 
dass  ihnen  nicht  kundig  ist,  dass  solche  missethetern  zu  bestrafen  anderen 
gehört  hat  oder  haben  soll."  [Das  ältere  Weistum  sagt:  „Item  wer't  ouch 
Sache,  dat  ein  misdedich  man  of  wyf  gevangen  wurde  op  die  guede  zo 
Schonouen,  die  under  die  erde  geburde  zo  richten,  die  sal  der  her  van 
Schonouen  op  syne  erde  doin  graven  ind  richten."] 

Es  folgen  die  drei  auf  die  Frau  von  Mylendunck  sich  beziehenden, 
oben  bereits  abgedruckten  Abschnitte.     Danach  heisst  es: 

„Ferner  haben  auch  .  .  .  Servas  Biermans  und  eine  sichere  frau 
genant  Catharina  Leisten,  darum  berufen,  gefragt  und  ermahnt,  gesprochen 
und  ihnen  kundig  und  wahr  zu  sein  gezeigt,  wie  dass  auf  eine  zeit  ungefehr 
vier,  fünf  oder  sechs  und  vierzig  jähre*  dieser  vorgeschriebenen  frauen 
mutter,  auch  Catharina  Leisten  genant,  für  den  alten  Godart  Nack  zur 
selbiger  zeit  schultheiss  zu  Schönauen  gesetzt,  vom  junker  von  Mylendonck 
.  .  .  beklagt  und  mit  recht '^  angesprochen  ward,  um  willen  sie  ihrem 
bruder  genant  Schuive  etliche  Sachen  enttragen  hatte,  und  an  selbigen 

^)  irgend  einem. 

*)  Lieschen. 

^  Sägegrube. 

*)  Also  zur  Zeit  Jobanns  von  Scbönau. 

*)  vor  Gericht. 


—  69  — 

schultheiss  solches  abtragen  und  besseren  musste  mit  15  marken,  da  dieser 
Servas  Biermans  über  und  an  war  von  gerichts  wegen." 

Der  nächste  Absatz  handelt  von  der  uns  schon  bekannten  Berechtigung 
der  Schönauer  zur  Schweinemast  im  Gemeindebusch.  Daran  schliesst  sich 
die  Frage  über  die  Zwangmühle. 

„Item  Servas  Biermans,  Laurens  van  Richtergen  und  Andries  up  dem 
zehenhof  haben  auch  bekant  und  gesprochen,  dass  sie  gehört  haben,  dass 
Johan  Vrösch,  auch  lehenman  und  lass  zu  Schönauen  offenbarlich  gesprochen 
hat  .  .  .  dass  er  gesehen  hat  und  weiss  wahr  zu  sein,  wie  dass  einem 
lehenman  und  lass  von  Schönauen  auf  eine  zeit^  ein  pferd  ist  genomen 
gewesen  vom  müUer  von  der  Heiden  um  des  gemahls  willen,  und  doch 
derselbe  müller  das  pferd  hat  müssen  dem  lass  wieder  lieberen  und  besseren. 
Item  diese  lehenleuten  und  lassen  .  .  .  darüber  .  .  .  ermahnt  und  befragt, 
haben  geantwortet  und  gesprochen,  dass  sie  nicht  getrungen  sind  mit  dem 
gemahl  zu  einer  besonderen  mühl;  dann  sie  ihr  körn  mögen  mahlen  lassen, 
wo  ihnen  das  am  allerbest  gelegen  ist;  doch  haben  sie  gesagt,  wie  dass 
sie  gehört  haben  von  dem  junker  von  Mylendonck  seliger,  dass  er  sprach: 
Es  wäre  wohl  freundlich  und  gefueglich,  dass  sie  bei  den  nach  baren  ^  zur 
mühle  führen,  sofern  man  ihnen  da  thete  als  auf  anderen  enden,  denn  sie 
wären  sonst  nirgends  verbündet^  noch  schuldig  zu  mahlen. **  [Das  ältere 
Weistum  sagt:  „Item  ouch  en  plag  der  loess  vurzyden  nit  zo  der  Heiden 
zo  malen  um  einche  gedwange  wille  van  den  lanthern,  dan  hei  selfs  doin 
wolde*,  wen  dar  gein  mullener  der  loessen  nialderen  holen  of  der  heren 
stroess*  ind  werden  gedrongen  zo  der  Heiden.**] 

„Ferner  hat  dieser  schultheiss  alle  diese  lehenleuten  .  .  .  ermahnt  und 
.  .  .  gefragt,  wenn  und  ob  sie  jemands  schätz  gegeben  oder  sonsten  dienst- 
pflichtig jemals  gewesen  oder  zu  gebot  oder  verbot  ermahnt,  ersucht  oder 
gefolgt  oder  gestanden  seien?  Haben  dieselbe  . . .  geantwortet  und  gesprochen, 
dass  sie  von  ihren  voreiteren  niemalen  vernomen  noch  sie  selbsten  in  ihrem 
leben  gesehen  noch  gehört  haben,  dass  sie  der"  lanther  jemals  getrungen 
habe  mit  dienst,  wachen  oder  andersten  als  ^  mit  anderen  desselbigen  herrn 
untersassen,  oder  sonsten  jemand  anders  dan  ihr  herr  von  Schönauen  sie 
zu  dienst  gebot  verbot  oder  von  alsolchen  lehengüteren  zu  Schönauen 
gehörend  schätz  zu  geben  getrungen  hat,  wie  ihnen  das  von  ihren  voreiteren 
gelehrt  ist  und  sie  dessen  unterrichtet  gesprochen  haben,  und  nicht  änderst 
seie  bis  zu  diesen  tag  zu,  ausgenomen  das  gesprochene,  davon  nun  Zwie- 
tracht ist  entstanden,  antreffend  das  gelt  von  den  seh  weinen  wie  obgemelt." 
[Das  ältere  Weistum  klagt  jedoch  über  Dienstforderungen  seitens  des  Herrn 


*)  einmal. 

*)  Den  Pfarrgenossen.  Heiden  sowohl  wie  Schönau  gehörten  zum  Kirchspiel  Kiehtericb. 

')  verbunden,  verpflichtet. 

*)  Der  Landherr  zwang  ihn  nicht,  wenn  der  Latc  es  nicht  freiwülig  that. 

^)  So  Qnix.    Ich  möchte  lesen:  nu  darf  .  .  .  op  der  heren  stroess. 

*)  wie. 


—  70  — 

von  der  Heiden.  „Item  noch  hat  der  lanther  die  loessen  zo  Schonouen  in 
der  breden  (?)  doin  gebyden  zo  Horbach  zo  wachen  ob  lyf  ind  guet,  dat 
nit  me  geleeft  en  wart.  Item  oiich  hat  der  lanther  die  loessen  gedrongen 
zo  graven  gelich  synen  verbonden  lüden,  ind  die  van  deine  gebode  nit 
gehalden  en  hedden,  die  hedde  hei  willen  penden  ind  un^  verbieden,  dat 
sie  der  gemeinden  nit  gemessen  en  sulden,  des  en  is  den  loessen  nit  me 
vurgelacht,  ind  hat  an  Godart*  gesonnen,  dat  hei  ime  penden  geve  van 
den,  die  des  gebots  nit  gehorsam  geweist  en  waren;  of  ime  das  nit  en 
geschege^,  he  solde  die  op  die  stons*  doin  penden.**] 

Die  beiden  folgenden  Abschnitte  handeln  von  den  Frondiensten  auf 
Schönau.  Der  erste  ist  fast  wörtlich  dem  älteren  Weistume  entnommen 
und  bereits  oben  mitgeteilt;  der  andere  lautet:  „Ferner  auch  schuldig  sind, 
die  ausbenänte  benden  zu  mähen,  wan  ihre  herrschaft  selbe  gemähet  will 
haben,  und  ihnen  von  jedem  morgen  nicht  mehr  dan  eine  halbe  mark 
aachisch  gelts  gebühret  und  den  frauen  die  kost;  wan  die  herrschaft  das 
nicht  geben  wolte,  so  soll  jede  arbeiterin  oder  Wärterin  nicht  mehr  haben, 
dan  2  buschen  vorgeschriebenen  gelts.**  Das  ältere  Weistum  setzt  —  nach 
Quix  —  eine  ganze  Mark  Mähelohn  für  den  Morgen  fest  und  macht  das 
Verabreichen  der  Kost  davon  abhängig,  ob  die  Heri'schaft  auf  Schönau 
wohnt,  sonst  bekommt  jede  „wirkersse**  ^  IV2  Schilling. 

„Und  wan  ihrer  —  lehenleuten  oder  lassen  —  einige  verunrechtet  würde 
ist  er's  schuldig  an  seine  herrschaft  zu  Schönauen  zu  bringen,  die  ihn  als- 
dan  verantworten  durch  schrift  oder  änderst.**  [„Item  ouch  en  haven  die 
lassen  nie  gesien,  of  ire  einich  verunrecht  wurde,  das  soulden  sy  an  ire 
herschaf  bringen,  ind  ire  herschaf  S(mlde  sy  verantwerden  ind  darom  schriven 
ind  iren  properen^  bode  Ionen  ind  darom  senden;  so  haven  die  vurfaren 
allewege  gedain,  ind  of  men  das  nit  en  dede,  dat  wer  unrecht.*'] 

Folgende  Vroegen  des  älteren  Weistums  (aus  dem  Anfange  des  15.  Jahr- 
hunderts) finden  sich  in  dem  von  1491  nicht  mehr. 

1.  „In  dem  irsten  haven  zween  knecht  zo  Schonouen  op  dem  hove 
sich  geslagen ;  so  hat  joncher  Werner  '  synen  bode  dar  gesant  op  den 
hof  ind  die  knecht  haven  joncher  Werner  dat  moissen  richten,  das  nie  me 
da  geschiet^  en  is.** 

6.  „Item  ouch  of  Schonouen  verkocht^  wüi'de,  des  of  Got  will  nit  en 


*)  ihnen. 

')  Wahrscheinlich  Godart  von  Rode,  Herr  von  Schönau. 

^)  wenn  das  nicht  geschehe. 

*)  von  stund  an  =  sofort. 

*)  Quix  liest  offenbar  unrichtig  „wyrdersse". 

®)  eigenen.  Die  Stelle  besagt,  dass  die  Verteidigung  des  Hörigen  ganz  auf  kosten 
des  Herrn  erfolgt  und  gründet  auf  dem  uralten  deutschen  Rechtsgruudsatz,  dass  der 
Herr  seines  Dieners  „Mundwart"  sein  soll. 

')  von  Schönrade  zur  Heiden. 

•)  geschehen. 

®)  verkauft. 


—  71  — 

sali,  ind  als  man  dat  goet  guedinge  ind  genoech  doiii  soulde,  dat  soiildc 
meii  tegen  die  heilige  soone  doin,  ind  nien  Iielt  die  guede  van  niemandc, 
dan  van  onsen  herrn  Gode  ind  syner  liever  moder." 

8.  Aassage  des  alten  SOjfthrigen  Mewe,  dass  der  Meveiidrisch  zu 
Scliönau  empfangen  werden  müsse.  Amtmann  war  Gerard  der  Schmied, 
einer  der  Laten  war  Godart  Nacken.  Die  Kinder  des  Mewe  verkauften 
ihr  Erbe  an  Thys  Unbescheiden  und  an  Hermaii  Suyre.  Letzterer  übertrug 
seinen  Anteil  an  seinen  Bruder  Rosa,  ßoss  Hess  sich  nun  nicht  vor  dem 
Latenhofe  in  Schönau  sondern  in  Wilhelmstein  mit  dem  Grundstöcke  belehnen, 
vielleicht  weil  Retnard  II  von  Schönau,  der  älteste  Sohn  Reinards  I,  dort  Amt- 
mann war.  Nachher  verkaufte  Ross  das  Land  an  seinen  Schwager  Mathias, 
den  Snhn  des  Schmieds.  Da  aber  meldete  sich  der  erste  Verkäufer  Herman 
Suyre  und  forderte  das  Gnindstück  zurück,  weil  Ross  dasselbe  nicht  in  Scliönau 
empfangen  habe,  und  es  „wart  yme  mit  recht  zo  gewiesen  ind  der  This,  Smids 
son  die  moiss  dat  guet  noch  eins  gelden  vor  XXXIIII  gülden". 

9.  „Ouch  des  Vantz  beind  hat  men  over  hondert  ind  hundert  jair 
gehalden  van  den  heirschaf  van  Sctiononen  zo  Schonouen  zo  guede  zo 
untgueden,  zo  dienst  zo  geboede,  zo  wachen  zo  brachen  gelich  eimchen 
loesguet  zo  Schonouen,  ind  die  alderen  dat  gelert  haven,  dat  op  dat  guet 
gein  boede  en  seulde  gain  dan  der  boede  van  Schonouen'." 

10.  „Item  ouch  des  Rouwen  guet,  dat  Johan  van  Roede  nu  hat,  dat 
gebeert  ouch  zo  Schonouen  zo  gueden  zo  untgueden,  zo  wachen  zo  brachen, 
zo  geboede  ind  zo  dienst,  ind  ouch  plach  der  aide  Rouwe,  woenden  zo 
Aiche,  zo  Schonouen  moissen  komen  als  da  gedinge  was;  des*  en  wilt  dis^ 
Jannis  des  dienst  vUrschreven  egein  doin,  mer  hei  hat  dat  guet  unt- 
fangen  zo  Schonouen;  als  die  stat  van  Aiche  vyant  hadde,  die  op  die 
guede  woenden  waren  vry  vür  die  vyant^." 

14.  „Jtem  ouch  die  beide  vür  den  Hirz*  hat  allezyt  over  hondert 
jair  ein  alt  herkomen  geweist,  dat  der  hof  zo  Schonouen  ind  die  laessen 
zer  Heiden  mit^  haben  gebruicht  und  sy'  uns  gemeinden  weder  um,  ind 
um  des  wille  dat  iren  graven  zo  is  gegraven",  so  halden  sy  uns  us  der 
beiden  ind  Gruwell  sint  sync  schafe  darbiunen  genumen." 

15.  „Item  noch  haven  die  alderen  ons  jongeii  gelert,  dat  in  Ixi 
jaren  nie  vemomen  is  en  wart,  dat  men  vür  ein  par  capuine  ine  bezailt 
hat  gebät  dan  IX  Schillinge,  ind  wat  sy  nu  me  geven,  dat  en  soulde  uit 
syn  ind  werden  darby  veninrecht." 

■)  d,  h.  uar  der  Herr  vod  Scbönan  hat  Gerichtsbarkeit  Über  dieses  GuL 
')  indeasen. 
')  dieser  f 

')  Wohl  weil  der  Herr  von  Scbünuu  sich  ncntral  verhielt  oder  iiuf  selten  jener 
Feinde  der  Stadt  stand. 

'')  die    Bcrgcrhelde  im   Aachener  Bcich. 

*)  Quis   bat  onrichtig:  njt. 

')  die  Bewohner  der  Bei^erbeide. 

')  noch  Anlage  dea  Landgrabensf 


—  72  — 

17.  ^Item  ouch  vroegt  der  lantscheffeo,  dat  egein  herschafsguede 
kümmeren  aoch  gedinge  haven  en  süllea  dau  um  des  herschafs  zins  ind 
pecht.  Der  aide  loess  hat  den  jongen  gelert,  dat  men  op  den  guede  zo 
Schonouen  kümmeren  vastinnen  ordel  wyseir  solen,  dat  hat  van  alts  alle 
wege  gedan,  wil't  dat  herschaf  over  lassen  gan,  so  en  kan's  der  laes  nit 
gekennen.** 

Als  Zeugen  bei  der  Aufnahme  des  Weistums  von  1491  dienten 
„Arnold  Leyendecker  capellan  ü.  L.  P.  kirchen,  priester  zu  Achen ; 
Theis  von  Limburg,  Johan  Hessbach,  Everard  Duycker  von  Werden."  Die 
ganze  Verhandlung  ist  oifenbar  nur  zu  dem  Zwecke  vorgenommen  worden, 
um  dem  Graft  als  Grundlage  bei  der  Beweisführung  gegen  die  Eiugriflfe 
der  Heidener  zu  dienen. 

1508  reichte  Graft  bei  den  Räten  des  Herzogs  von  Jülich  eine 
Klage  gegen  die  Frau  von  der  Heiden  ein,  worin  er  dieselbe  beschuldigte, 
dass  sie  Brüchten  von  seinen  Untertanen  nehme,  dieselben  gefangen  halt«, 
mit  dem  Gemeindebusche  nach  ihrem  Belieben  verfahre:  was  alles  gegen 
seine  von  den  Voreltern  ererbten  Gerechtsame  in  der  reichsfreien  Herrschaft 
Schönau  Verstösse,  zu  welcher  Huflf,  Grünenthal,  Hand,  Hirz,  Richterich, 
Mevenheide  und  die  Einwohner  dieser  Ortschaften  gehörten.  Die  Klage  lautet: 

„Veste  ind  froeme  rede  ind  frunde  etc.  Dit  sint  alsulche  clage  ich 
Graft  van  Myllendonck  ritter  doin  ind  legen  an  juffrauen  Marien  vamme 
Roide,  nagelassen  widewen  wilne  Johans  van  Schoenroide  heren  zo  der 
Heiden.  Dat  dieselve  juflfrau  Marie  in  myne  hierlicheit  Schönawe  gedragen 
hat  mit  brüchen  van  mynen  undersaissen  zo  nemen  ind  dieselve  gefenklich 
zo  der  Heiden  zo  fueren  ind  na  irme  willen  in  den  gemeinen  busch  zo 
handeln  wider  recht  ind  alle  billigheit.  Want  ich  myne  alderen  ind  furvaderen, 
so  lange  als  minschen  gedenken  is  ind  langer  alzyt  alle  regalien  laissen 
und  gerichten  in  der  hierlicheit  Schönawe,  Gott  almechtich  ind  heiligen 
ryche  underworfen,  ind  in  zobehoeren  zo  Schönawe  up  gen  Hoiflf,  den  Gronen- 
dal,  Hand,  Hirtz,  Richtergen,  Mewenheide  ind  over  die  undersaissen  darinnen 
gehat  ind  gebruicht  haven.  Ich  hoffen  darum  ganz  ungezwyfelt,  myn 
gnediger  herre  ind  synre  gnaden  rede  euer  liebden  willen  die  juffrauen 
Marien  um  sulchen  yre  unbillige  onerbarenheit  darzo  halden,  dat  sy  mich 
by  mynen  regalien  laissen  ind  gerichten  zo  Schonawen  wie  vursclireven 
unverhindert  laisse,  mit  erdeilungen  kosten  ind  schaden,  wie  billig  ind 
reicht  is,  Gegeven  den  29.  dach  januari  1508." 

Genau  zwei  Jahre  nachher  erhob  Graft  Klage,  dass  dieselbe  Frau 
zur  Heiden  sich  die  Gerichtsbarkeit  über  Grünenthal  anmasse  und  in  der 
ganzen  Herrlichkeit  Schönau  Brüchten  einziehe.  Maria  von  Merode  berief 
sich  für  ihr  Recht  auf  das  Zeugnis  des  Heidener  Gerichts  und  suchte  die 
Erklärungen  der  Schönauer  Lateu  durch  Berufung  auf  anders  lautende 
Aussagen  derselben  zu  entkräften.  So  Hess  sie  Geständnisse  gerichtlich 
bezeugen,  welche  Schönauer  Laten,  deren  Namen  jedoch  nicht  genannt 
werden,   vor  dem  Gerichte  zur  Bank  gemacht  haben  sollten.   Eine  Auf- 


—  73  — 

Zeichnung  dieser  Aussagen  befindet  sich  im  Richtericher  Gemeinde- Archiv. 
Dieselbe  lautet: 

„Dit  hy  na  beschreven  is  alsulche  vroege,  als  wir  scheffen  ind  gericht 
von  der  Bank  halden  hueden  ind  van  unsen  vurvaren  alzyt  gehoirt  haven, 
dat  sy  se  ouch  also  gelialden  haven  als  hy  na  beschreven  volgt. 

Item  halden  wir  in  unser  vroegen,  dat  die  vroege  aven  lands  ind 
den  Gronendal  geit   ind   dat  der  Groenendal   binnen   unser  vroegen  licht. 

Item  haven  gezuigt  die  laissen  von  Schoenauen,  dat  sy  mynen  heren 
van  Guilich  als  eren  lantheren  ind  ere  juffrauen  van  der  Heiden  ind 
ere  erven  als  pantheren  hulde  ind  eide  gedain  haven,  als  undersaissen  eren 
lantheren  schuldig  sint  zo  doin. 

Item  die  laissen  van  Schoenauen  haven  gezuigt,  dat  sy  heren  Graft 
van  Mylendonck  hulde  ind  eide  gedain  haven,  syn  ärgst  zo  warnen  ind 
best  vurkeren,  als  gude  leenluide  ind  laissen  schuldich  syn  zo  doin. 

Item  desselven  geliehen  haven  sy  ouch  gezuigt,  dat  sy  den  vaegt 
van  Valkenburg  ^  ouch  also  gedain  ind  geloft  haut,  den  einen  als  den  anderen. 

Item  noch  haven  die^elven  gezuigt,  dat  sy  neit  gesyn  en  haven  in 
hoire  leiven  dagen  noch  ouch  neit  en  haven  hoeren  sagen  van  hoiren 
vurfaren,  dat  einig  minsch,  fraue  of  man,  van  leiven  zo  doit  gewyst  sy 
zo  Schoenauen  mit  ordel.  Dit  hat  der  vaegt  vur  gericht  mit  .  .  .^ 
verbonden. 

Item  haven  die  laissen  vurschreven  gezuigt,  dat  sy  haven  hoeren 
sagen,  dat  ein  mau  zo  Schoenauen  sich  doit  gefallen  hat  ind  dat  der  halfen 
den  up  die  straisse  le verde  ind  laicht  eme  synen  loin  op  syn  lyf,  ind  dat 
do  dat  gericht  van  der  Bank  dar  quam  ind  besach  den  man,  ind  do  gaf 
der  her  orlof,  dat  men  den  man  do  begroef. 

Item  Nelis  van  den  Hirz  hat  gezuigt  dat  syn  vader  eins  gebruicht 
hat  ind  dat  he  den  heren  van  der  Heiden  vur  die  bruiche  gaf  13  Schillinge; 
ind  zuigten  vort,  dat  der  her  van  Mylendonck  den  heren  van  der  Heiden 
darum  schreif,  ind  dat  he  den  brief  in  dat  fuir  warp. 

Item  hat  die  aide  Kathryn  van  Schoenauen,  Lenart  Vroesch  ind  syn 
raoder  in  desen  jaren  noch  begert  ein  gebot  van  des  lantheren  boede  in 
der  kuchen'  zo  doin,  um  schaden  wille  hon^  geschah  van  den  näheren 
an  honen  "^  leingrunde." 

Indessen  fruchtete  das  alles  der  Frau  von  Heiden  nichts;  Graft 
erlangte  im  Jahre  1510  ein  obsiegendes  Urteil. 


^)  Wie  der  Vogt  von  Falkenburg  in  diese  Vroege  kommt,  ist  mir  unklar.  Vielleicht 
ist  einmal  ein  Mitherr  von  Schönau  Vogt  von  Falkcnburg  gewesen,  das  sich  eine  Zeitlang 
im  Besitze  Iteinards  I  bcfimden  hatte. 

2)  Ein  Wort  unleserlich. 

')  So  im  Original,  es  wird  aber  wohl  „kirchen"  zu  lesen  sein. 

*)  ihnen. 

*)  ihrem. 


—  74  — 

Dieser  Herr  von  Scliönau  nahm  am  Hofe  des  Herzogs  von  Jülich 
eine  angesehene  Stellung  ein.  Er  war  herzoglicher  Rat  und  gehörte  1510 
zu  denjenigen,  die  den  Abten  von  Deutz  und  Brauweiler,  welche  die  Burs- 
felder Reformation  in  den  Benediktinerklöstern  des  Herzogtums  einführen 
sollten,  von  Seiten  des  Herzogs  beigegeben  waren  ^ 

Graft  starb  unverehelicht.  Die  Besitzungen  kamen  an  die  Söhne 
seines  Bruders  Johann,  von  denen  der  älteste,  ebenfalls  Johann  genannt, 
bereits  1514  gestorben  war.  Dadurch  kam  die  Herrschaft  Mylendunck  an 
den  ZAveiten,  Dieterich,  der  bei  der  Teilung  des  Nachlasses  seines  Oheims 
Craft  auch  in  den  Besitz  von  Schönau  gelangte,  während  Meiderich  an  den 
dritten  Bnider,  Heinrich  fiel.  Als  auch  dieser  1525  kinderlos  starb,  vereinigte 
Dieterich  die  drei  Herrschaften  in  seiner  Hand.  Ausserdem  war  er  Amt- 
mann von  Orsoy,  Herr  von  Pley^  und  durch  die  Heirat  mit  Agnes  (1526) 
Burggraf  von  Drachenfels. 

c)  Dieterich  von  Mirlar,  Herr  zu  Schönau  (1521 — 1553),  hielt 
am  13.  Januar  1522  feierlichen  Gerichtstag  daselbst.  Er  „verurkundete 
und  verband  sich  mit  goldenen  und  silbernen  Pfenningen  an  dem  gerichte 
und  sämtlichen  umstehenden  laessen,  lehenleuten  und  untersassen  in  gegen- 
wart  des  würdigen  und  hochgelehrten  doctor  und  herrn  Johan  Suderman 
canonicus  und  oantor^,  herrn  Dieterieh  von  der  Reck,  canonicus  und 
proffian  U.  L.  F.  kirchen  zu  Achen*;  dan  ouch  noch  her  Dieterich 
von  Segerode,  her  Wolter  von  Wylre  und  her  Johan  von  Edelborn*  alle 
drei  scheffen  des  königlichen  stuls  und  Stadt  Aohen**,  endlich  Peter 
Schrivert,  der  zu  Gladbach  Schultheiss  war. 

Hier  Hess  Dieterich  die  Gerechtsame  der  Herren  von  Schönau  fest- 
stellen. Der  Eingang  des  Aktenstückes  lautet:  ^Kund  und  offenbar  sei 
allen  .  .  .  wie  dass  heut .  .  .  in|  selbsteigener  person  komen  und  erschienen 
seie  binnen  Schönau  der  ehrenfest  und  fromme  Dieterich  von  Mirlair,  Herr 
zu  Milendunck  als  nun  der  rechte  herr  alda  zu  Schönauen  vor  dem  gehegten 
gericht  und  gespannener  bank,  besitzende  von  seiner  liebden  wegen  das 
gericht  der  ehrbar  Wilhelm  von  Richtergen  als  der  schultheiss  und  richter, 
foi't  die  ehrsame  und  fromme  Peter  von  Schönau,  Arnold  Koicks,  Johan 
Naggen,  Johan  auf  dem  zehenhof,  Peter  Schmit  vom  Hirsch,  Simon  Palmen, 
Gerard  Kockelkorn  und  Heinrich  Engels  als  die  geschworen  und   verord- 


*)Ropertz,  QueUen  und  Beiträge  S.  294. 

*)  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts-Vereins  Bd.  VIII,  S.  214. 

^  Johann  Suderman  erhielt  am  7.  April  1496  durch  das  Kapitel  das  Kanonikat  Reinaids 
von  Schönrat;  am  7.  Dezember  1537  wurde  Heinrich  von  3Iilendonk  sein  Nachfolger. 
Als  Sänger  war  Suderman  der  Nachfolger  des  uns  bereits  bekannten  Walters  von  Blisia, 
der  1512  starb.  Craft  I  verpachtete  dem  Kanonikus  Suderman  die  Schönauer  Weior 
1502  auf  6  Jahre  für  45  Gulden  ä  6  Mark  aix  jährlich. 

» 

*)  Theodoricns  de  Reck  wurde  Kanonikus  am  19.  October  1512  an  Stelle  des  ver- 
storbenen Theodorich  von  Milendonk,  Erzpriester  am  4.  Juli  1521.  Heu  seh  a.  a.  0. 
S.  14,  13  '-  »• 

*)  Eilerborn. 


—  75  — 

nete  lassen  desselben  gerichts  um  jederman  recht  und  urtel  zu  geben 
wie  vor  alters.  Und  hat  sofort  der  Herr  von  Milendunck  als  herr  von 
Schönau  durch  denselben  seinen  schultheiss  Wilhelm  das  gericht  zusamen 
und  besonders  lassen  fragen  und  niainen  auf  ihren  hulden  und  eiden,  so 
sie  ihm  gethan  haben,  auch  in  gleicher  weise  die  lehenleute  mit  denen 
untersassen  um  von  aller  hoheit  herrliclikeit  und  gerechtigkeit  des  herrn 
und  hauses  Schönau,  daran  in-  und  zubehörungen,  wie  sie  solches  von  ihren 
eiteren  behalten,  gesehen  und  gehöret  haben,  niemand  zu  lieb  oder  zu  leid 
deswegen  anzusehen,  die  rechte  Wahrheit  allenthalben  zu  offenbaren  und 
solches  von  sich  zu  geben.  Und  begehre te  dieses  in  dieser  massen  so  zu 
geschehen,  weilen  er,  der  herr  vim  Milendunck,  mit  seinem  bruder  Heudricheu 
herren  zu  Meiderich  nun  kürzlich  geschieden  und  sie  sich  zusamen  darüber 
vertragen  hätten,  dass  er  . . .  das  haus  und  herrlichkeit  Schönau  mit  allen  zuge- 
hörigen gerechtigkeiten  für  sich  und  seine  nachkömlingen  erblich  behalten 
solle.  Dahero  dass  er  als  der  herr  nun  wüste  und  mit  allem  unterschied 
als  recht  belehret  würde,  wie  er  und  seine  nachkomelingen  jederman, 
grossen  kleinen  reichen  und  armen  nach  altem  herkomen  thun  solte  oder 
auch  zu  recht  thun  schuldig  wäre,  wie  imgleichen  auch  das  gericht, 
lassen,  lehenleute  und  untersassen  alda  ihm  und  seinen  erben  hinwiderum 
von  rechts-  und  alten  herkomens  wegen  zu  thun  ptlichtig  und  schuldig  seind, 
dabei  niemand  in  seiner  zeit  oder  nach  ihm  durch  seine  erben  in  einigen 
theil  verkürzet  oder  über  manier  deren  rechten  vor  genomen  werden 
mögte:  und  darum  dessen  nichts  verhalten  bei  denen  eiden,  so  sie  ihm 
als  ihrem  herrn  gethan  hätten  und  er  hinwiderum  ihnen  als  seinen  unter- 
sassen, sie  dabei  zu  beschirmen  und  hanthaben." 

Nun  fragte  und  mahnte  der  Schultheiss  „in  statt  des  herrn  als 
richter"  die  Laten  als  Gerichtsbeisitzer  zuerst,  dann  die  Lehenleute  und 
sämtliche  Untersassen  ^  Dieselben  baten  um  eine  gemeinschaftliche  Beratung, 
traten  ab  und  erklärten  nach  ihrem  Wiedereintreten:  Der  selige  Graft 
habe  in  vergangenen  Jahren  ein  Instrument  über  die  Schönauer  Gerecht- 
same anfertigen  lassen ;  man  möge  ihnen  dieses  vorlesen :  was  sie  dann 
noch  wüssten,  würden  sie  sagen.  Als  Grundlage  diente  demnach  das 
Weistum  von  1491 ;  dasselbe  wurde  von  Artikel  zu  Artikel  verlesen  und 
anerkannt,  dann  das  Folgende  hinzugesetzt. 

Peter  von  Schönau  erklärte,  zur  Zeit  wo  er  Schultheiss  gewesen, 
habe  der  Herr  den  Jakob  Büschgen  ergriffen  „weilen  er  getrohet  habe 
und  auch  von  anderer  böser  fama  war".  Derselbe  wurde  zu  Schönau 
in  den  Stock  gelegt  und  blieb  darin  „wol  28  wochen  lang  und  solte  darum 
alda  gerichtet  worden  sein,  dan  durch  bitt  sein  Peters  und  anderer  freunde 
wurde  er  begnadigt  und  gukle  sich  ab  und  thätigte  die  briichten  an  der 
trauen  von  Mylendunck  und  diente  ihr  darzu  eine  Zeitlang  dafür". 


*)  Die  Fragen  waren  natürlich  vorher  entworfen  und  festgestellt    „Pro  memoria 
actum  uf  mandach  octava  cpiphanie  1522.** 


—  76  -- 

Ferner  berichtete  Peter  über  zwei  Frauen,  die  sich  geschlagen  hatten. 
Er  führte  sie  vor  „seine  frau  von  Mylendunck  seliger"  und  beide  bezahlten 
ihre  Bussen  „als  der  herr  von  Schönau  da  war".  In  diese  Sache  mischte 
sich  die  Frau  von  der  Heiden;  sie  liets  den  Mann  des  einen  Weibes  greifen, 
ins  Gefängnis  werfen  und  forderte  von  ihm  15  Gulden  „solte  er  loskomen, 
ausser  die  gelacher"  \ 

Endlich  erklärte  Peter,  er  und  sechs  seiner  „Stuhlbiüder"  ^  hätten 
den  Inhalt  des  Dokuments  von  1491  vor  dem  Hauptgerichte  zu  Jülich  — 
in  dem  Prozesse  Grafts  gegen  Maria  von  Merode  —  jn  allen  Artikeln 
wahrgehalten;  der  Herr  möge  dasselbe  nur  gut  verwahren. 

„Danacher  hat  der  schultheiss  die  lassen  gemahnt,  wannehe  jemand 
inländisch  oder  ausländisch,  zu  Schönauen  an  rechten  zu  thuen  hatte,  wie 
der  das  eusseren  und  wie  demselben  da  zu  recht  geholfen  werden  solle? 
Nach  bedenken  der  lassen  haben  sie  geantwortet:  dieselben  sollen  dem 
alten  herkomen  nach  mit  recht  bei  ihnen  verfahren;  was  das  gericht  weis 
ist,  mögen  sie  lehren,  was  sie  nicht  weis  sind,  sollen  sie  derer  parteien 
ansprachen  und  antworten  scliriftlich  mit  zugehörenden  rechten  annehmen, 
sodan  selbige  in  des  herren  kamer  zu  Schönauen  fortbringen,  darauf  recht 
und  urtel  da  gesinnen,  die  urtel  da  einholen  und  solche  dan  den  parteien 
auf  deren  begehren  auf  einem  gerichtlichen  tag  bei  ihrem  gericht  eröffnen 
lassen,  also  dass  ihnen  sofort  von  dem  herrn  zu  rechten  geholfen  werde." 
Die  Laten  beriefen  sich  darauf,  dass  sie  eben  am  selben  Tage  noch  zwei 
Urteile  vom  Herrn  „vorgeholt"  und  den  Parteien  eröffnet  hätten. 

Für  die  Laten  und  das  Gericht,  die  kein  eigenes  Siegel  hatten,  siegelte 
der  Vogt  zu  Mylendunck,  Laurenz  Beik,  zur  ferneren  Bekräftigung  noch 
der  Sänger  und  der  ProflBan^  „auf  bitten  und  begehren  unseres  lieben 
besonderen  und  verwanten,  des  herren  von  Mylendunck". 

Im  folgenden  Jahre  schloss  Dieterich  den  oben  mitgeteilten  Vertrag 
über  die  Grenzen  der  Herrschaft  und  die  Gerechtsame  der  Herren  von 
Schönau  mit  Werner  von  Schönrat  zur  Heiden. 

Dieterich  hatte  jedoch  schon  vor  dem  13.  Januar  1522  seine  Joyeuse 
entree  in  Schönau  gehalten  und  den  Eid  der  Unterthanen  entgegengenommen. 
Im  Schönauer  Archive  findet  sich  die  gleichzeitige  Abschrift  eines  Briefes 
aus  dem  Jahre  1521  vom  Tage  nach  Judica,  d.  i.  Palmsonntag,  in  welchem 
Dieterich  das  Gericht  bei  dem  „op  die  groise  bruiche"  geleisteten  Eide 
zum  genauen  Gehorsam  gegen  seine  Befehle  mahnt.  Das  Schreiben  gibt  uns 
auch  wünschenswerten  Aufschluss  über  die  Weise  der  Gerichtsverhandlungen, 
denn  es  handelt  von  einer  sogenannten  Hauptfahrt,  d.  i.  von  einer  Befragung 
des  Jülicher  Hauptgerichts  zum  Zwecke  der  Belehrung  der  Schönauer 
Laten,  welche  der  Herr  zur  Heiden  verboten  hatte.    Dieterich  schreibt: 


^)  Gerichtsgebührcn. 

*)  Die  Gerichtsschöffen. 

')  Erzpriester,  der  Pfarrer  vou  Öt.  Foilan  in  Aachen. 


—  77  — 

^Myne  groiss,  lief  schoultis  ind  getruwe.  So  ir  mir  geschriven  hat, 
wie  etzliche  parthien  an  mynen  rechten  zo  Schönauen  zo  doin  hont  etzlichen 
gebrechen  halven,  des  denn  myn  gerichte  alda  by  sich  selfs  davannen  recht 
ind  oirdel  zo  geven  niet  wis  en  sye,  darum  sie  nae  uitgewisdom  des  gerichts 
ind  herkomst  sich  beroefen  hant  um  vurder  geleert  zo  werden,  daby  den 
parthien  alles  diels  recht  wederfaren  moicht.  Da  ouch  beide  parthien  um 
recht  zo  erlangen  bylage  gedain  hont,  darop  ir  ind  dat  gerichte  neist 
zokomende  donersdach  zo  Guilich  erschynen  sould,  so  ich  ouch  alsdan  op 
vurgerorte  zyt  da  syn  werde,  daby  ir  geleert  moicht  werden  um  den 
parthien  zo  rechte  zo  helfen:  So  verstau  ich,  wie  der  van  der  Heiden 
durch  synen  vaet  ind  gerichte  raynem  gerichte  hat  lassen  bevelen  gein 
houft  oirdel  lassen  zo  holen.  Wilch  mich  ganz  ser  befremt,  so  ich  dem- 
selven  heren  van  der  Heiden  naberschaft  halven  alda  ändert  niet  geneicht 
sye  dan  mit  fruntschaft  ind  ouch  demselven  (in)  geinerlei  manier  onder- 
worfen  bin."  Dieterich  befiehlt  dann  dem  Gerichte  und  den  Parteien  am 
bezeichneten  Tage  in  Jülich  zu  erscheinen,  damit  er  sie  nicht  wegen  Un- 
gehorsams zu  bestrafen  brauche.  Gemäss  seinem  Eide  werde  er  ihnen 
allen  Schaden  ersetzen,  den  der  Herr  von  Heiden  ihnen  deswegen  zufügen 
möchte. 

Nach  dem  Weistum  von  1522  gingen  diese  Hauptfahrten  nicht  mehr 
wie  früher  nach  Jülich  ans  Hauptgericht  sondern  an  den  Herrn  von  Schönau. 
So  schrieben  die  „gemein  laten  des  gereicht  zo  Schönau"  1523  an  Dieterich: 
„Wisset  leve  jonker,  so  euer  liebden  am  lesten  ein  ordel  zo  Schönauen 
mit  den  vait  geschit  hat,  antreffende  Dederich  van  Reichtergen  ^  und  syne 
mitgedelingen  eindeils  und  Arnold  Duitsen  anderteils,  so  dan  Dierich  van 
Reichtergen  und  syne  mitgedelingen  in  den  verluss  sind  vonden  und  na 
ansprach  ordel  erkant  is  worden,  so  haven  Dederich  .  .  .  up  dat  ordel 
appellirt  in  kamergericht^  und  hoffen,  sie  sullen  da  ein  geneitlichcs  und 
besser  ordel  erlangen  unde  begeren  von  uns  gerichten,  der  halfen  besonder, 
eine  afschrift  des  ordel  zo  haven."  Das  Gericht  glaubte  jedoch  dazu  erst 
verpflichtet  zu  sein  „wenn  gebeidong  us  deme  kamergericht  komen  over- 
mitz  des  kamerrichters  boeden  mit  dem  roden  segel"^  Die  Appellanten 
klagten  dagegen  über  Verzögerung  und  machten  die  Schöffen  verantwort- 
lich für  allen  Schaden,  der  ihnen  hieraus  erwüchse.  Darum  wendeten  sich 
die  Laten  an  den  Herrn.  „Und  begeren  wir  fruntlich  von  euer  liebden 
as  uns  heuft  underrichtung  zo  haven  und  geleirt  zo  sein,  wat  wir  hierin 
schuldig  zo  doin  weren,  of  wir  in*  die  afschrift  zo  eren  gesinnen  leveren 
sulden  of  wir  sie  langer  an  uns  behalten  sullen." 


*)  Die  von  Richterich  waren  im  16.  Jahrhundert  Halfen  des  Zehenthofs  und  lilngere 
Zeit  Schnltheissen  und  Reutmeister  von  Schönau.  Sie  beaassen  in  der  Kirche  zu  Richterich 
ein  Erbbegräbnis,  woran  ihre  Nachkommen  noch  im  18.  Jahrhundert  berechtigt  waren. 

*)  Die  Berufungen  gingen  vom  Gericht  an  den  Herrn,  von  diesem  an  das  Reichs- 
kammergericht. 

*)  Siegel     *)  ihnen. 


—  78  — 

Die  „Deduktion"  nennt  unsern  Dieterich  als  denjenigen,  deni  Karl  V. 
in  der  jüliclischen  Fehde  die  Regalien  und  die  Gerichtsbarkeit  Schönaus 
bestätigt  habe.  Infolge  dieser  Bestätigung  hat  Dieterich  auch  wohl  das 
Münzrecht  ausgeübt.  Quix^  beschreibt  eine  dieser  Münzen.  Sie  war  von 
Silber,  2^2  Lot  scliwer  und  zeigte  auf  der  Vorderseite  Dieterichs  Brust- 
bild mit  der  lateinischen  Umschrift:  Theoderich,  Herr  zu  Mylendunck  und 
Schönau,  auf  der  Kehrseite  sein  Wappen  und  die  Worte:  Neue  Münze  der 
Herrschaft  Schönau  1542. 

Aber  die  neue  Münze  verhinderte  nicht,  dass  Geldnot  sich  auch  im 
Hause  Dieterichs  einstellte.  Am  2.  des  Brachmonats  1553  schrieb  der 
Schultheiss  Wilhelm  von  Richtergen  an  die  Frau  von  Mylendunck-Drachen- 
fels:  er  könne  kein  Geld  schicken,  weil  ihm  weder  der  Hälfe  Winand  noch 
der  Wirt  im  Pannhaus  ihre  Schuld  entrichtet  hätten  „dan  sie  beklagen 
sich  alle  der  theuren  zeit  und  dass  keine  nahrung  ist**.  Wenn  die  Frau 
keinen  Ausstand  geben  sondern  Pfandschaft  für  die  Beträge  oder  Umschlag 
gethan  haben  wolle,  dann  möge  sie  schreiben.  Er  mahnt  sie  selbst  aber 
auch.  „Ferner  liebe  juflfer,  ich  schicke  euer  liebden  von  dem  singer  von 
Aachen*  und  noch  eine  hantschrift  von  seiner  wirden  diener,  fordert  die 
renten  des  altars  hart  und  sehr  und  lasst  den  dienst  des  altars  ungethan, 
nemlich  die  sontagsmess,  die  vor  80  jähren  geschehen  ist  in  Zeiten  herreu 
Wolters  von  Bilsen  sei.  und  in  zeiten  D.  Sudermans  sei.,  die  den  altar  beide 
gehabt  haben  und  allezeit  der  dienst  geschehen  und  vollbracht  ist.** 

Dieterich  war  um  diese  Zeit  schon  tot;  im  genannten  Jahre  folgte 
ihm  seine  Frau.  Ihre  Kinder  waren:  Dieterich  II,  Herr  zu  Mylendunck, 
Drachenfels  und  Reuland.  Er  heiratete  1548  Theodora  von  Bronckhorst- 
Batenburg,  Witwe  des  Franz  von  Schönrath,  Herrn  zur  Heiden.  Infolge 
dieser  Heirat  nahm  Dieterich  auch  letzteren  Titel  an.  1557,  Januar  28. 
wird  er  als  Mitglied  der  Aachener  Sternzunft  angeführte  Als  Theodora 
1564  starb,  suchte  Dieterich  sich  im  Besitze  der  Herrschaft  Heiden  zu 
erhalten.  Das  gelang  ihm  aber  nicht,  der  Herzog  von  Jülich  belehnte 
vielmehr  am  8.  Mai  genannten  Jahres  die  Brüder  Werner  und  Wilhelm 
von  dem  Bongart  mit  derselben.  Dieterich  Hess  sich  dadurch  nicht  ab- 
schrecken; er  brachte  die  Sache  an  das  Reichskammergericht.  Das  ergibt 
sich  aus  einem  Proteste,  den  er  am  19.  Juni  1567  gegen  ein  Edikt  des 
Aachener  Schöffenstuhles  einlegte.  Wilhelm  von  dem  Bongart  hatte  ihn  dort 
wegen  eines  in  der  Stadt  gelegenen  „aber  in  alle  weg  ohne  einig  mittel 
zu  und  an  das  haus  und  herrlichkeit  zur  Heiden  zugeeignet  und  gehörigen 
hauses***  verklagt  und  das  Gericht  sich  auf  die  Klage  eingelassen.    Dieterich 


')  Schönau  S.  20. 

*)  Damals  war  Kantor  am  Münster  Johann  von  Cortenbach,  der  anfangs  September 
1655  starb.    Hcusch  a.  a.  0.  S.  18  *. 

^)  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts-Vercins  XV,  S.  292. 

*)  Es  handelte  sich  um  das  in  der  Bendelstrasse  j^elejjene  „Haus  zur  Heiden'*.  Das- 
selbe befand  sich  noch  1571  im  Besitze  der  Mylendunck,  wie  aus   folgendem  Posten  der 


—  79  — 

erklärte  „diese  causa  emergens  sei  eine  pertinenz  und  zugehörig  stück  der 
hauptsachen,  so  an  dem  hochlöbl.  kaiserl.  kammergericht  noch  unerörtert 
rechthengig  schwebt**. 

Der  zweite  Sohn  Dieterichs  I  war  Gothard  von  Mylendunck,  Herr  zu 
Goer,  Fronenbroich  und  Meil,  gestorben  1576.  Seine  Frau  hiess  Maria 
von  Brederode.  Er  ist  mit  Dieterich  II  nach  dem  Tode  des  dritten  Bruders, 
Craft  II,  Herr  zu  Schönau  gewesen.  Von  den  beiden  Töchtern  Dieterichs  I 
heiratete  Aluert  den  Philipp  Dieterich  von  Braunsberg,  Herrn  zu  Burgbrol, 
Merxheim  und  Alken;  Elisabeth  den  Adolf  von  Wilich,  Herrn  zu  Disfort. 

d)  Craft  II  von  Mylendunck,  Herr  zu  Meiderich,  Soron,  Schönau 
und  Warden  (1552 — 1574).  Seine  Ehe  mit  Margarethe  von  Merode  zu 
Petersheim,  welche  am  25.  Oktober  1575  ihr  Testament  machte,  war 
kinderlos;  doch  hatte  Craft  zwei  uneheliche  Kinder:  eine  Tochter,  deren 
Aussteuer  „heiligspfenningen*'  die  Neffen  Craft  III  und  Baltasar  laut  dem 
Teilungs vertrage  von  1591  übernehmen  sollten,  und  einen  Sohn,  ebenfalls 
Graft  genannt,  dem  Margarethe  in  ihrem  letzten  Willen  eine  neue  Kleidung 
und  25  Thaler  vermachte  und  dessen  Kostgeld  der  Schultheiss  zur  Warden 
halbjährlich  mit  8  Philippsthalern  bezahlte  ^ 

Am  11.  Januar  1553  bezeichnet  der  Aachener  Rat  den  Craft  und 
dessen  Mutter  als  Herren  zu  Schönau,  indem  er  von  ihnen  fordert,  sie 
sollten  den  durch  den  Juden  Alexander  geschädigten  Webern  zu  ihrem 
Rechte  verhelfen.  Damals  war  demnach  die  Erbteilung  zwischen  den  Brüdern 
bereits  vollzogen,  aber  die  Mutter  führte  in  Schönau  noch  die  Verwaltung. 

1558  am  13.  März  stellte  Craft  von  Duisburg  aus  den  ehrbaren  Clemens 
Schmal  aus  Langenberg  als  Schulmeister  in  Richterich  an  und  befahl  den 
Unterthanen  in  der  ganzen  Herrschaft,  denselben  als  solchen  anzuerkennen. 
Die  Berechtigung  hierzu  hat  Craft  jedenfalls  in  dem  Umstände  gefunden, 
dass  die  Schule  im  schönauischen  Teile  Richterichs  lag.  Leider  enthält 
die  Bestallungsurkunde  keinen  Hinweis  auf  die  Konfession  des  Schmal; 
mutmasslich  gehörte  derselbe  der  calvinischen  Richtung  an  wie  die  Mylen- 
dunck. Wann  letztere  vom  katholischen  Glauben  abgefallen  sind,  kann  ich 
nicht  feststellen,  wahrscheinlich  schon  früh.  Denn  da  die  Gemeinde  zu 
Duisburg,  wo  die  Familie  wohnte,  bereits  1538  sich  dem  Calvinismus  zu- 
wandte, darf  man  annehmen,  dass  auch  die  Mylendunck  um  jene  Zeit  dem 
Glauben  ihrer  Väter  untreu  geworden  sind.  Jedenfalls  ist  der  Abfall  der 
Gemeinde  zu  Meiderich  im  Jahre  1547  nicht  ohne  Zuthuen  der  Mylen- 
dunck als  Herren   daselbst  erfolgte     Dass  Crafts  Witwe   calvinisch   war, 

Schünancr  Rcclmung  aus  jenem  Jahre  hervorgeht:  „Item  hab  ich  einigemal  von  meinem 
gnädigen  herm  Schreibens  ontfangon,  um  das  kom  zu  Schönauen  zu  verkaufen  und  das  einen 
kaufman  zo  verlassen.  Hab  ich  sulch  nit  zu  wegen  können  brengen,  und  obgemelte  kom 
in  das  kaufhaus  gefort  und  in  die  3  wochon  alda  gelegen.  Hab  ich  das  körn  nemlich 
39  mttd  wider  uf  sacken  und  in  das  haus  zu  dor  Heiden  ausscbüdden  lassen."  Das  Lager- 
geld betrug  pro  Müd  8  Heller. 

0  Rechnung  von  1579/80. 

*)  Ennen,  Gesch.  der  Reformation  u.  s.  w.  S.  104. 


—  80  — 

steht  fest;  denn  nacli  ihrem  Testamente  sollte  „herr  Johan,  der  prädikant, 
eine  ehrliche  belohnung"  erhalten.  Und  da  sie  zu  Duisburg  an  der  Seite 
ihres  Mannes  begraben  sein  wollte^,  so  ist  zu  vermuten,  dass  Graft  dem- 
selben Bekenntnisse  angehörte. 

Mit  seinen  Vermögensverhältnissen  hat  es  nicht  gut  gestanden.  Vom 
Kloster  St.  Maximin  in  Köln  hatte  Graft  600  Goldgulden  geliehen  und  da- 
gegen 28  Goldgulden  sowie  28  Thaler  jährliche  Rente  auf  sein  Gut  Münster- 
hausen  verschrieben.  Er  blieb  aber  die  Zinsen  schuldig,  sodass  das  Kloster 
sich  in  den  Besitz  des  Pfandes  setzen  wollte,  welches  ein  Lehen  der  Abtei 
Essen  war.  Von  einem  andern  Gläubiger  hatte  er  300  Goldgulden,  die  nach 
seinem  Tode  auf  Anweisung  Dieterichs  durch  den  Schultheissen  in  drei 
Jahren  bezahlt  werden  sollten.  1559  „hat  Gracht  von  Milledonk  .  .  .  Petro 
Brewer  zu  Sierstorf  12  malter  roggen  ausm  wardenischen  erbpfacht  auf 
ewige  widerlös  für  200  goltgulden"  und  „anno  1566  hat  selbiger  Gracht 
....  dem  Franken  Severins  zu  Lürrenzich  abermalen  aus  seinen  erb- 
renten  zur  Warden  auf  ewige  widerlöse  verkauft  für  200  Joachimsthaler 
5  malter  roggen  und  5  Joachims-Thaler^*'. 

1560  April  1.  kauften  die  Testamentsvollstrecker  des  Dechanten 
ü.  L.  F.  Kirche  zu  Aachen,  Johan  PoUart^,  für  ein  Legat  desselben  zu 
gunsten  der  Hausarmen,  welches  392  Goldgulden  und  400  Joachimsthaler 
betrug,  von  Graft  einen  Erbpacht  von  14  Aachener  Müd  Roggen  und  eine 
Erbrente  von  20  Thaler.  Graft  legte  Pacht  und  Rente  auf  Hof  und  Gut 
zu  Schönau  mit  der  Weisung  an  den  Pächter,  beides  vor  allem  anderen  aus 
den  Erträgen  zu  berichtigen.    Die  Ablösung  war  vorbehalten. 

1563,  Mai  3.  gestattete  Graft  „aus  sonderlicher  gunst  und  freund- 
schaft**  seinem  Schultheissen  Wilhelm  von  Richtergen,  „eine  löse  und  wider- 
kauf**  der  genannten  Renten,  wobei  er  sich  wiederum  die  Einlösung  vor- 
behielt.   Das  führte  später  unter  Baltasar  zum  Prozess. 

1572  am  12.  Juli  beorderte  Graft  den  Rentmeister  Keinen  nach 
Petersheim  —  und  zwar  sollte  er  gleich  gehen,  bevor  das  Kriegsvolk  die 
Wege  dorthin  verlegt  habe  —  um  die  Rückstände  zu  erheben,  deren  er 
jetzt  „aus  ehehaften  gründen"  bedürfe,  und  ihm  das  Geld  nach  Duisburg 
zu  schicken.  Über  die  Einkünfte  aus  Schönau  berichtet  eine  Rechnung 
des  Rentmeisters  Wilhelm  von  Richtergen.  Graft  hatte  in  den  Jahren 
1554—1560  von  Schatz  2164  Gulden  14  Albus,  von  Geleitgeld  der  Juden 
in  Richterich  257  Gulden,  vom  Juden  Alexander  36  Gulden,  von  Weggeld 
240  Gulden  und  von  Accisen  452  Gulden  erhalten.  Die  Ausgabe  des 
Jahres  1566  betrug  472  Gulden  18  Albus  9  Heller;  die  Einnahme  von 
1568:  415  Gulden  10  Heller;  im  Jahre  1569  belief  sich  die  Einnahme  auf 


*)  Richardson,  Gesch.  der  Merode  I,  S.  158. 

«)  von  Fürth,  Beiträge  u.  s.  w.  II,  2,  S.  94. 

^)  Johan  PüUart  der  Jüngere  wurde  Kanonikus  am  3.  Oktober  1527,  Gehülfe  des 
Dechanten  mit  dem  Rechte  der  Nachfolge  am  29.  März  1537  und  Dechant  am  6.  Mai  1541. 
Er  starb  1554.    Heusch  a.  a.  0.  15*,  17*. 


—  Sl    — 

584  Oiüden  II  Albus,  die  Aasgabe  dtgef^ii  naf  tlKl  ihildnii  'J'i  ADhih 
2  Heller.  Ans  der  Rechnung  des  letztgenannten  .TAlirt'N  liolm  icli  fiilKomlo 
Posten  ans.  welche  von  allgemeinerem  Tntvrosfo  soin  ilflrUiMi, 

„Folgents  tags  ist  mein  g.  hon-  auf  Schnnanon  gi^Htlcn  inul  >l<>n 
abent  nncb  zu  Aich  gangen,  (laaelb»t  in  die  4  ditg  M  dein  oiiKllH>'lii>n 
heim  verblieben,  niitlerweil  verzert  80  guldon  I  iilb. 

Item  bat  dasmal  mein  g.  berr  eine  nnclit  in  Kriiiolmd '  h-kwomkii  mitl 
zweimal  gebad,  vor  das  bad  auf  befetcb  im  gnaden  K(<tivbi>n  1  iliilt'i- 
2  gülden  4  alb. 

Item  an  wein  und  Unkosten  ins  bad  IH  alb. 
Item  den  badknechten  und  megdon  12  alb. 

Item  ist  mein  g.  herr  mit  dem  cngÜHchon  xo  Hortiirlinl.  dio  lijid»t' 
zo  besehen  verritten  und  im  CJlntz  aliffostamlcn  und  i'uthlMiiriri*  iirnl  vnit 
dannen  1  äesch  weins  mit  auf  Aich  genoinon'.  Davor  lii>/iihll:  II  (>ii1ilt'ii 
20  alb." 

Wie  wenig  hanshälteriRch  man  verfuhr,  i>rt(\\it.  Dich  aim  riilc»iii|i>rii 
Zuge.  Der  Bote  Kirdekatz  wnrdo  cigtiiiM  von  McIiOmiiii  iiitt'li  DiiIhIjhk* 
geschickt,  um  dem  Herrn  zwei  Pfujul  hlii^lihi'ii|iiilvt<r  niid  „irii<liii>r  (r>"«llt{"ii 
frau  VII  loth  klein»  gamK"  zu  briiigitiil 

Graft  hielt  sich  zwar  me'rüt  in  DuiHlmrg  nut,  t\\u>r  <>r  vi>rtini'UUinHi\rU' 
Schdnau  nicht.  Um  1566  baute  er  datf'llml  «In  nniKiit  IfniH;  aii<')i  lltili-  i-r 
seine  Herrenrechte.  1572  ßllte  er  ei»  Urteil  /weiter  liiRtiiii/  In  Hm-itfii 
Peter  Haupts  gegen  Peter  von  Mnulnu^h,  woj^'-irn»  der  l^l/li'n'  im' h  "■'■iinii-r 
appellierte.  Eine  andere  IMhätiirung  tu-.'iiu-.r  Hi;T\i:hiH\thrV*'U.  \ninUti  Hm  iti 
einen  Prozess  mit  Wilhelm  v^n  Ii'((i;f.irl.,  Murr»  mr  II<'i'l''(i, 

Craft  hatte  ein'rn  nui!'').'ir-nui':u  H'li'irouJ'T  ihinU  miii-u  tiiih't,  ilniut 
Hattingen.   gr*ilen  nnd  a'if  di"  '-<i'f/j'lj'ri  *  flilir'-ti  In-"»»,     Wdt»' Im  'f/nff 

seinenwils  den   David,    v^rt  Um  »'it   ili-m   itmif.  Hi  ni'ii    i<i  in !-■/-.' n* 

Turm,  hielt  si.n  xr:J7.\.^.-' :.  l'-u  M-wi.iU  „],»•■/'■  v  {■■<■'.'•  i'  ,•  t\.:i.i,*>  m.  . 
an  einem  S-rr.v.'i;  ?--,•:.  :,  .:.  I-r  Vi.r-  fn-  \i'.r*  thit  /.'in,  ■•■y>'if  u  i.u-  ttiw  ■ 
and  zrn:^  i\:  •-.:.  }'.  :■■  .-  '/■;,',',•  cm  KI.i;/'  ■/'/'■•  '••  •>  iUtt:  r,-, 
.■^r-hrtrau  »■-'  !'■»>  *"?,.,/,  .■•.  -- M',- -,' ;.'..tz  p-v 
einzolej^ii.  I'i-  ■"i*  '.  -•  .■' !  i'.  ■■  ■  /  /■  *.  '  t,.f  •'.-■ 
verBpn^ ■■---.  ii'"*-   '-.r  *".-   *  ■  •'-..,  ■"   .-.  •/  .    »' 


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—  82  — 

Jülich.  Graft,  sagt  er,  habe  nui*  einen  Lathof  oder  eine  Latengerichtsbarkeit, 
er  werde  auf  dem  (Seidener)  Vogtgediiig  von  seinen  eigenen  Leuten  gevrogt, 
dass  ihm  weiter  nichts  gebüre,  als  für  seine  Latgüter  Erbung  und  Gütung 
zu  thuen,  für  Ausgang  und  Eingang,  Erbzinsen  und  Erbpächte  mit  seinen 
Leuten  zu  dingen,  und  nun  schädige  er  die  Heidener  Gerichtsbarkeit,  indem 
er  deren  Untergebene  greife  und  in  Eisen  schlage,  Juden  und  andere 
Sektirer  geleite,  die  Schönauer  verhetze,  dass  sie  nicht  auf  der  Heidener 
Zwangmühle  mahlen  liessen,  ja  selbst  Falschmünzern  Aufenthalt  gewähre. 

Der  Herzog  forderte  Graft  zur  Verantwortung  auf,  der  Schönauer 
antwortete  jedoch  nicht  sofort  und  entschuldigte  nachher  die  Verzögerung 
damit,  dass  er  sich  in  ehehaften  Geschäften  auf  Reisen  befunden,  auch 
mit  seinen  Brüdern  die  Sache  habe  besprechen  müssen.  Dann  erklärte  er 
die  Anschuldigung  wegen  der  Bedrückung  der  Heidener,  die  Aufhaltung 
der  Sektirer  und  Falschmünzer  sowie  die  Behauptung  von  der  Aussage 
seiner  Laten  für  unwahr,  die  Geleitung  der  Juden  und  den  Schutz  der 
Schönauer  gegen  den  Heidener  Mühlenzwang  für  sein  gutes  Eecht.  Und 
indem  er  den  Spiess  umdrehte,  warf  er  seinerseits  dem  Herrn  von  Bongart 
Bedrückung  der  Schönauer  und  Verletzung  der  schönauischen  Gerechtsame  vor. 

Der  Herzog  sandte  eine  Untersuchungskommission,  deren  Kosten  für 
Graft  der  Rentmeister  in  folgenden  Posten  verzeichnet: 

„Item  in  februario  mein  g.  herr  mit  den  commissarien  und  iren  dienern 
IX  tag  alhie  stille  gelegen,  gehalten  154  malzeiten,  jede  ad  4  alb.  facit 
31  gülden  4  alb. 

Item  46  soppen  jede  ad  2  alb.  facit  3  gl.  20  alb. 

Item  als  die  commissarien  von  hinnen  geritten,  bin  ich  mit  denselben 
uf  Gtilich  geritten  und  inen  daselbst  ir  geld  uberliebert;  haben  M.  Martin 
und  ich  dasmal  verzert  11  gl.  10  alb. 

Item  M.  Martin  von  mir   dasmal  vor  zergelt  gefordert  2  gl.  18  alb. 

Item  dasmal  in  der  commission  sach  an  wein  gehabt  35  flaschen, 
jeder  quart  6  alb.,  facit  35  gl. 

Item  dem  commissario  Reutlin  und  secretario  Pottgiesser  vor  ire 
belonung  gegeben  36  goltgulden  facit  90  gülden. 

Item  dem  licentiato  Reutlin  vor  Verehrung  20  thaler,  facit  43  gl.  8  alb. 

Item  dem  secretario  Pottgiesser  10  thaler,  facit  21  gl.  13  alb. 

Item  haben  dieselbigen,  ehe  sie  zu  Richtergen  kamen,  auf  der  reisen 
verzert  ...  17  thaler  7  alb.,  facit  38  gl.  8  alb. 

Item  Kumpstoff  gegeben  5  thaler,  facit  10  gl.  20  alb." 

Aber  in  Jülich  wehte  für  Graft  kein  günstiger  Wind.  Darum  reichte 
derselbe  im  Juni  1566  eine  Klage  gegen  von  Bongart  beim  Reichskammer- 
gericht ein  und  verwickelte  in  dieselbe  auch  den  Herzog,  indem  er  behauptete. 
Bongart  habe  sowohl  für  sich  „als  auch  von  wegen  austrücklicher  ratifikatiou 
und  befelch  des  hochgebornen  Wilhelmen,  herzog  zu  Gülch  neulicher  zeit** 
angefangen,  sowohl  in  der  Herrschaft  Schönau  wie  auf  den  umligenden 
Gütern  „neue  unerhörte  gebot  und  verbot  zu  thun,  arresta  anzulegen,  die 


—  83  —  ' 

aDterthanen  von  seinen,  Gräften  ires  angebomen  herrn  gehorsam  abzutringen, 
auch  abtrag  zu  heischen**  u.  s.  w.  Unterm  7.  Juni  bestellte  er  von  Duisburg 
aus  zu  seinen  Anwälten  in  Speier  die  Advokaten  und  Prokuratoren  Georg 
Berlingen  und  Ludwig  Stahel.  Wegen  dieses  Prozesses  liess  sich  Kraft 
im  Jahre  1569  mehrere  Zeugnisse  über  die  Rechte  eines  Herni  von  Schönau 
durch  das  Gericht  ausstellen,  die  aber  nichts  enthalten,  was  nicht  schon 
aus  den  früher  besprochenen  Weistümem  bekannt  wäre. 

Interessanter  ist  ein  Brief  des  Schultheissen  vom  7.  Oktober  1568. 
Derselbe  berichtet  über  die  Brandschatzung  der  Stadt  Aachen  durch  den 
Prinzen  von  Uranien  und  gibt  Einzelheiten  an,  von  denen  sich  sonst  nichts 
findet;  auch  spricht  er  von  den  Verlusten,  die  Schönau  bei  dieser  Gelegen- 
heit erlitt.  Er  teilt  Graft  mit  „wie  die  underthanen  zu  Schönauen  grossen 
schaden  von  dem  kriegsfolgh  erleden  haben,  aber  die  halfwinnersch  hat 
oberaus  grossen  schaden  erleden  an  ire  beisten  *,  und  alles,  was  sie  im 
haus  gehat  iss  ir  abgenommen  worden  .  .  .  Vergangen  sondag  haben  vor 
der  stat  Aichen  gehalten  tussen  *  zwei  und  drei  dusent  von  meines  g.  f.  1. 
reuteren  und  die  geistliche  geflode*  goder  daraus  gefordert  oder 
die  perschonen  .  .  .  .  Iro  f.  g.  haben  sich  sedigen*  lassen  mit  40000 
goltgulden  und  darzu  weiten  sie*  iro  f.  g.  geschenkt  haben  300  müd roggen/ 

Nach  der  Niedei'werfung  der  niederländischen  Aufrührer  durch  Alba 
waren  viele  derselben  in  die  Aachener  Gegend  geflohen.  Einer,  Jacob 
Kalf  von  Mastricht,  Bürger  von  Antwerpen,  hatte  sich  im  Grünen thal 
niedergelassen  und  dort  länger  als  ein  Jahr  bei  Dieterich  dem  Wirten  zur 
Herberge  gelegen,  als  er  am  26.  Februar  1571  morgens  um  4  Uhr  durch 
die  Befehlshaber  des  Herrn  von  der  Heiden:  Vogt,  Gerichtsbote  und  Burg- 
graf aufgehoben  und  nach  Heiden  geführt  wurde.  Bei  dieser  Gelegenheit 
wurden  etliche  seiner  Kisten  geplündert,  der  Stall  erbrochen,  zwei  gute 
Hengste  mit  Sattel  und  Zeug  sowie  fünf  gute  Büchsen  weggenommen.  Der 
Bruder  des  Schultheissen,  Edmund  von  Kichterich,  setzte  Graft  sofort  von 
dieser  „unerhörten  und  schädlichen  handlung**  in  Kenntnis.  Der  Gefangene, 
berichtet  er,  solle  durch  einige,  welche  in  jüngster  Zeit  justizirt  und  hin- 
gerichtet worden,  wegen  verübter  unredlicher  Stücke  verklagt  sein.  Da 
beide,  der  Mann  wie  die  Frau,  guten  Geschlechts  und  wohlbefreundet  seien, 
werde  letztere  wohl  alle  Mittel  aufbieten,  um  ihren  Mann  zu  befreien.  „Darauf 
sie  vielleicht  auch  wol  alsbald  (dan  Bungart  sich  allerlei  indmcht  von  euer 
gnaden  befurchten  wird)  solle  gehört  werden.  Dan  so  gelt  vorhanden,  mocht 
er  wol,  ob  er  schon  anders  verdient,  im  beutel  gehenkt  werden.*'  Eine 
böse  Bemerkung  aus  der  Feder  eines  Mannes,  dessen  Bruder  Schultheiss 
war!    Zum  Schlüsse  fordert  Edmund  den  Graft  auf,  diesem  Eingriffe  des 

')  Vieh. 

•)  zwischen. 

«)  geflüchtete. 

*)  sättigen  =  befriodicrcn. 

•)  Der  Aachener  Rat. 


—  84  — 

Heideners  entgegenzutreten:  „want  so  ime  dis  nachgelassen  und  zu  gut  bleiben 
würde,  wird  unser*  und  aller  euer  gnaden  armer  underthanen  alhie,  so 
sich  ime  jemals  im  geringsten  widersetzet  haben,  ubele  gew  .  .  .*  werden,** 

Am  1.  Februar  1572  ernannte  Graft  von  Duisburg  aus  den  Stefan 
von  Richterich,  der  ihm  ebenso  wie  sein  Vater  und  Ahnherr  treu  gedient, 
zum  Schultheissen  in  Schönau  mit  50  Thaler  Gehalt,  den  Qerichtseinkünften, 
den  Erträgen  des  Schultheissenamtes  und  dem  zehnten  Pfennig  aus  den 
fallenden  Brüchten. 

Nach  dem  Tode  Craft's  gingen  die  beiden  überlebenden  Brüder  mit 
dessen  Witwe  einen  Vertrag  ein.  Sie  hielten  denselben  jedocli  nicht,  noch 
zahlten  sie  das  festgesetzte  Wittum.  Dafür  schloss  Margarethe  beide  von 
ihrem  Testamente  aus,  gab  aber  den  Kindern  derselben  wie  auch  denen 
ihrer  Schwägerin  Elisabeth  von  Wylich  je  einen  goldenen  Ring  mit  einem 
Totenkopf  als  Andenken  ^. 

e)  Dieterich  von  Mylendunck,  Herr  zu  Mylendunck,  Drachenfels, 
Reuland,  und  Gothard  von  Mylendunck,  Herr  zu  Goer,  Fronenbroich 
und  Meil  werden  als  die  Erben  der  „Meidericher  Güter",  d.  h.  der  Besitzungen 
Grafts  II  bezeichnet.  Am  8.  August  1574  empfing  Gothard  den  Eid  der 
Schönauer,  jedenfalls  auch  für  seinen  Bruder,  denn  in  den  folgenden  Jahren 
treten  beide  als  Herren  von  Schönau  auf.  Eine  Rechnung  verzeichnet  die 
Kosten  der  Huldigungsfeier:  4^»  Gulden!  Dafür  erhielten  die  Unterthanen 
ein  Ohm  Bier  „und  etlich  brot  und  keis  darzo**. 

Während  der  Monate  Juni,  Juli  und  September  war  Gothard  im  Gornelius- 
bade  zu  Aachen  mit  der  „  Taghaltung **  seiner  Schwägerin  von  Meiderich 
beschäftigt;  die  Kosten  bezahlte  der  Schultheiss  mit  60  Thaler  ad  52  alb. 
und  6  alb.  So  viel  kostete  ein  Vertrag,  der  wie  die  Witwe  klagt,  doch 
nicht  gehalten  wurde. 

In  demselben  Jahre  beauftragte  Dieterich  den  Richter  zu  Meiderich, 
Herman  Krain,  von  den  Stiftern  Essen  und  Werden  die  Höfe  Münster- 
hausen und  Hesingen  zu  erheben,  so  wie  „bruder  Graft  und  weiland  her 
vater  Dieterich  sie  inne  gehabt**.  Zur  Erhebung  Münsterhausens  ist  es 
damals  noch  nicht  gekommen,  denn  am  3.  Dezember  1575  forderte  die 
erwählte  Äbtissin  von  Essen,  Elisabeth  Gräfin  von  Manderscheid-Blanken- 
heim  Dieterich  auf,  das  Gut  durch  Rückzahlung  des  Kapitals  nebst  Zinsen 
zu  befreien  und  es  in  gehöriger  Form  durch  Empfang  des  Lehenbriefs  und 
Ausstellung  der  Reversale  zu  Lehen  zu  nehmen,  damit  sie  nicht  genötigt 
werde,  auf  grund  des  Lehnrechts  gegen  ihn  vorzugehen.  Das  Reversal 
Dieterichs  datirt  denn  auch  von  1575.  Nachdem  er  gestorben  war,  richtete 
dieselbe  eine  gleiche  Aufforderung  am  22.  Mai  1576  an  seinen  Sohn  Johann. 

Die  Brüder  leisteten  auch  Zahlungen  an  das  Kloster  St.  Maxirain 
„uf  die  resterende  Pensionen**.  Eine  solche  von  hundert  Thaler  findet  sich 
in  der  Schultheissenrechnung  von  Warden. 

*)  Der  Richterich.  *)  Das  Wort  ist  zerstört.  •)  Richardson,  Geschichte  der 
Merode  I,  S.  158. 


—  85  — 

Der  Streit  mit  dem  Herrn  von  Heiden,  den  die  Brüder  von  Graft 
geerbt  hatten,  wurde  unter  ihnen  nicht  nur  nicht  beigelegt,  sondern  ent- 
brannte noch  ärger.  Die  Heftigkeit,  mit  welcher  Wilhelm  von  Bongart 
gegen  die  Mylendunck  vorging,  ist  gewiss  grösstenteils  hervorgerufen 
worden  durch  die  Bemühungen  Dieterichs  die  Herrschaft  Heiden  an  sich 
zu  reissen;  Bemühungen,  die  Wilhelm  trotz  seinem  unbestreitbaren  Recht 
einen  Prozess  am  Reichskammergericht  aufhalsten.  Doch  ist  es  sehr  zu 
bedauern,  dass  er  sich  durch  Bestreben,  auch  seinerseits  Thatsachen  für 
seine  Gerichtsbarkeit  in  Schönau  aufweisen  zu  können,  zu  Grausamkeiten 
gegen  die  wirklich  „armen**  Unterthanen  hinreissen  liess,  die  doch  am 
Streite  der  Herren  keine  Schuld  trugen.  Es  war  eben  die  alte  Geschichte: 
plectuntur  Achivi!  Ein  Beispiel  zur  Erläuterung  der  damaligen  Zustände. 
Zwei  Weiber  gerieten  in  Streit  und  zerzausten  sich  „tapfer**.  Als  einige 
Zeit  nachher  der  Mann  der  einen  im  Wirtshause  sitzt,  tritt  die  andere 
herein,  beschimpft  ihn  und  sticht  dann  den  auf  sie  eindringenden  mit  einem 
Messer  in  Brust  und  Beine.  Die  Messerheldin  war  übrigens  schon  wegen 
ihrer  Frevelthaten  aus  dem  Reich  Aachen  verkürt,  d.  h.  verbannt.  Der 
Schultheiss  verhaftete  sie  und  brachte  sie  auf  das  Haus  Schönau,  wo  sie 
gefangen  blieb,  obwohl  ihr  Bruder  sich  zur  Stellung  einer  Sicherheit  erbot 
und  die  Jüiicher  Räte  die  Brüder  Mylendunck  mehrfach  aufforderten,  sie 
gegen  eine  solche  zu  entlassen.  Nun  liess  Wilhelm  den  Halfen  von  Schönau, 
der  mit  der  Sache  gar  nichts  zu  thun  hatte,  eines  Sonntags  nach  der 
Messe  festnehmen  und  hielt  ihn  in  Heiden  gefangen.  Dieterich  schickte 
den  Edmund  von  Richterich,  der  ihm  die  Kunde  brachte,  nach  Köln  zum 
Licentiaten  Salzfas,  um  sich  dort  Rat  zu  holen.  Dann  gab  es  ein  endloses 
Hin-  und  Herschreiben  zwischen  Jülich,  Schönau  und  Heiden,  Befehle  der 
Jülicher  Räte,  ja  des  Herzogs  selbst  zu  gunsten  der  Gefangenen,  aber  die 
Herren  kümmerten  sich  nicht  darum.  Bongart  liess  dem  Notar,  der  ihm 
ein  solches  herzogliches  Edikt  überbrachte,  durch  den  Burggrafen  sagen, 
er  werde  es  mit  dem  Halfen  genau  so  machen  wie  die  Mylendunck  mit  der 
Nes^;  komme  diese  los,  sei  es  mit  oder  ohne  Sicherheit,  dann  auch  jener. 
Am  25.  August  1575  beauftragte  der  Herzog  seinen  Vogt  in  Eschweiler, 
die  Cautionen  in  Empfang  zu  nehmen,  welche  Wilhelm  von  Bongart  einer- 
seits, die  Brüder  von  Mylendunck  andrerseits  wegen  der  Gefangenen  „ausser- 
halb irem  gebeide^  zu  thun  geneigt**.  Aber  die  Freilassung  erfolgte 
trotzdem  nicht.  Noch  im  folgenden  Jahre  erging  ein  neuer  Befehl  des 
Herzogs  an  Dieterich,  und  weil  derselbe  „dem ungeachtet  bei  seinem  unbilligen 
furnemen**  beharrte,  die  Aufforderung  an  Bougart  „des  Mylendunck  auf- 
kümsten,  gulten,  zins,  pensioneu,  renten,  pechten  und  andere  guter**,  soweit 
er  daran  kommen  könne,  mit  Beschlag  zu  belegen. 

Bald  darauf  ist  Dieterich  gestorben,  und  Gothard  war  alleiniger  Herr 
zu  Schönau.   Es  finden  sich  noch  einige  Briefe  von  ihm  vor,  die  nicht  ohne 

*)  Agnes. 
«)  Gebiet. 


—  86  — 

Interesse  sind.  Am  2.  Juli  1570  verbürgte  er  sich  dem  Erzbischofe 
Salentin  von  Köln  fiir  eine  Summe  von  tausend  Goldgulden  zu  gunsten  des 
aus  der  Haft  entlassenen  Mtinzmeisters  Peter  Bossenhofen.  „Nachdem  der 
hochwirdig  fürst  und  her,  her  Salentin  erweite  zu  erzbischofen  zu  Coeln 
und  churfürsten,  herzogen  zu  Westphalen  und  Engeren,  myn  gnedigster  her, 
Peteren  Bossenhofen  raünzmeisteren  zu  Thoirn  seiner  eingezogener  haftong 
alhie  zom  Bruel  on  einige  verletzong  seiner  ehren  und  guten  leumden 
gnedigst  erledigt,  so  haben  dessen  fruntschaft^  aus  eigener  freimuetiger 
beweguug  zu  underthenigster  dankperlicher  erkentlichkeit  irer  churfürstUchen 
gnaden  tausend  goltgulden  oder  der  wert  darvon  zu  schenken  zugesagt 
und  verheischen,  welche  obberürte  summe  gelts  ich  Goedthart,  her  von 
Millendunck  und  zu  Goer  als  rechter  und  warer  selbstprinzipal  uf  und 
über  mich  genomen  gleich  meine  eigene  erkentliche  schult  uf  von  heut 
dri  gahr  ihrer  cf.  g.  on  einige  exception,  hinderung  oder  mangel  onfelbarlich 
zu  erlegen  .  .  .  Geben  zom  Bruel  den  zweiten  tag  julii  anno  1570/ 

1572,  April  9.  meldet  er  von  Fronenbroch  aus  der  „durchlauchtigsten 
hochgeporenen  fürstin  und  frauen  Amelia,  pfalzgräfin  bei  Bhein  und  chur- 
fürstin  herzogin  in  Bayern,  geb.  gräfln  zu  Neuenahr  und  Lymburg",  er 
habe  von  ihrem  Abgesandten,  Herrn  Wilhelm  von  Schonnenperg  die  Briefe, 
ein  „vessgen  gesalzten  wilbräts**  und  die  Anweisung  auf  200  Thaler  für 
den  Schönenberg  empfangen.  Der  Herr  erhielt  das  Geld  aber  nicht;  in 
spätem  Briefen  klagt  er,  er  habe  die  200  Thaler  sehr  gut  zum  Ankauf 
von  Zeltern  für  seine  gnädige  Frau  vei-wonden  können,  wenn  er  sie  gehabt 
hätte.  Auch  beschwert  er  sich  darüber,  dass  Gothard  im  Trunk  ihn  mit  aller- 
lei Schmähreden  übel  angefahren  habe.  Gegen  diese  Anschuldigung  verteidigt 
sich  Mylendunck  mit  der  boshaften  Bemerkung,  er  habe  dem  Herrn  nur  aus 
Freundschaft  die  Wahrheit  gesagt. 

Einen  Blick  in  sein  Familienleben  gewährt  ein  Brief  an  seine  Frau 
in  Fronenbroch  ohne  Datum,  aber  jedenfalls  nach  dem  Tode  Grafts  n 
geschrieben,  da  es  sich  um  dessen  Gut  Soiron  handelt.  „Ich  mag  eur  liebden 
gute  zeitong  nit  unangezeigt  lassen,  wie  unser  Hergot  mir  einen  bequemen* 
man  zugeschickt  hat,  alle  dinge  zu  Soron  glimpflich  zu  erforschen.  Er 
ist  erwünscht  herzo  und  ein  man,  der  dem  evangelio  ganz  ergeben. 
Er  hat  schon  vernomen,  wie  der  zehend  zo  Soron  dem  hern  halb  zukumt 
und  zom  geringsten  sexich  malter  spelzen  ausbringt,  davon  nit  ein  körn 
in  den  rechen  Schäften  befunden.  Ob  nun  mein  swager  von  Willich  mitler- 
weil  zu  euer  liebden  queme,  so  wult  ime  hie  von  nichts  sagen.**  Das  Ver- 
hältnis zu  seiner  Frau  scheint  recht  gut  gewesen  zu  sein.  Er  spricht 
mehrere  Male  sein  Verlangen  nach  ihr  aus  und  beteuert,  er  wäre  gern  herüber- 
gekommen um  sie  zu  begrüssen,  wenn  er  auch  gleich  wieder  aus  folgender 
Ursache  nach  Meil  hätte  gehen  müssen.  „Dan  der  pastor  daselbsten  dem 
cüster  ein  kind  nach  altem  herkomen  getauft  und  unbedechtlich  on  einigen 

*)  Freunde. 

*)  tüchtig,  brauchbar. 


—  87  — 

argwon,  wie  mir  angelangt',  gesprochen:  ich  teufe  das  kind  in  nomine 
pater  et  Alias  et  spiritus  sanctus,  wuchs  nit  am  sinn  und  Wirklichkeit 
sonder  in  der  latinischer  Ordnung  gefeit,  wilch  versprechong  *  der  pastor 
nit  gestendig.  Also  ist  das  lam  peflfgen  her  Lambert  zo  dem  cüster  komen 
und  gesagt:  euer  kind  ist  ein  heid  in  der  kirchen  gebracht  und  widerom 
herausgetragen,  dan  der  pastor  hat  es  nit  getauft.  Do  hat  der  cüster 
begert,  deweil  es  noch  heidnisch  und  nit  christisch  were,  das  er  her 
Lambeit  es  taufen  wul,  wuchs  dat  peflfgen  ungiltig  gethon,  dan  es  ime 
gezimt  het,  den  cüster  in  dem  zo  ermanen  und  abzohalten,  ich  gesweige, 
das  er  die  widertaufung  getan  haben  sol.  Wilchs  ein  sulch  geschrei 
allenthalben  gemacht,  das  ich  ein  mirkliches  darum  geben  wul,  das  es  nit 
geschehen  were,  dan  ich  in  sulchen  feilen  alzeit  mer  ...  ^  als  ein  anderer 
sal  leiden  müssen.**  Gothard  sendete  mit  dem  Briefe  seiner  Frau  eine 
Dose  Ingwer  und  „appelen  von  arany enschalen "  ^,  gegen  Pfingstabend  wrd 
Vestgen  nach  Fronenbroch  kommen  und  ein  Kalb,  einen  Hammel  und  ein 
Lamm  bringen.  „Ich  werde  alle  möglichkeit  thun  um  jonge  hoener  zo 
bekomen**.  Auch  bittet  er  die  Gräfin  Isenburg  und  seine  Schwägerin  gut 
zu  bewirten.  „Ich  hab  dem  jeger  zwelf  daler  gethon  um  euer  liebden  zo 
befriedigen**,  doch  mit  dem  Bedeuten,  er  habe  dero  geschrieben  „wohin 
sie  dieselben  von  meinetwegen  keren  sol**. 

Gothard  ist  vor  1579  gestorben,  denn  in  diesem  Jahre  findet  eine 
erste  Erbteilung  unter  seinen  Kindern  statt.  Diese  hiessen :  Agnes,  Elisabeth, 
Herman  Dieterich,  Gothard,  Graft,  Baltasar. 

Agnes  heiratete  am  15.  Juni  1590*  den  Grafen  von  Hörn.  Sie  erhielt 
zur  Aussteuer  u.  a.  auch  den  „An wachs  zu  Poll**,  worauf  später  die  von 
Blanche  Anspruch  erhoben.  Im  Jahre  1592  schreibt  sie  an  den  Bruder 
Herman  Dietrich,  ihr  Mann  wünsche,  Dierich  solle  so  lange  bei  Meister 
Philips  bleiben,  bis  er  (Herman)  wieder  ins  Feld  rücke;  sie  wolle,  dass 
der  Magister  den  Dierich  alles  lehre,  was  er  kann,  und  1596  teilt  sie  dem- 
selben mit,  sie  habe  schwer  an  Stein  gelitten  und  werde  mit  Hermans  Frau 
nach  Spa  gehen.  Es  sei  nicht  wahr,  dass  sie  ihrßn  Schwager  mit  Hermans 
Gütern  bereichern  wolle,  sie  und  ihr  Mann  dächten  nicht  daran.  Man  rede 
davon,  dass  der  Gouverneur  von  Limburg  Viliar  (eine  Besitzung  des 
Herman)  kaufen  wolle. 

Gothard  erhielt  bei  der  Teilung  von  1579  die  Herrschaft  Soiron;  er 
starb  ohne  Erben.  Ob  der  eben  genannte  Dierich  sein  unehelicher  Sohn 
war?  Am  13.  Juni  1587  dankt  Herman  Dieterich  seiner  Mohn  von  Goer 
für  ihr  Beileid  beim  Tode  des  Bruders  Gothard.    Der  mehrfach  erwähnte 


^)  mitgeteilt. 

*)  Irrtum,  lapsus  linguae. 

^)  Die  Stelle  ist  unleserlich.    Die  Verantwortung  für  den  unwissenden  Pfarrer  fiel 
auf  den  Patron  zurück,  der  als  Calviner  in  besonders  unangenehmer  Lage  war. 
*)  Orangenschalen. 
*)  Datum  der  Heiratsverschreibung. 


/ 


—  88  — 

Erbvergleich  wurde  am  6.  Juli  1579  geschlossen.  Derselbe  ist  unterzeichnet 
von  Herraan  Dieterich,  Wilhelm  von  Braunsberg,  Dieterich  von  Wylich 
und  Dieterich  von  Mylendunck^,  dann  noch  von  Agnes  und  Elisabeth  von 
Mylendunck.  Nach  einem  notariellen  Auszug  vom  11.  August  1611  bestimmte 
der  Vertrag:  Da  genannte  Herren  als  nächste  Verwandte  und  Freunde 
aus  erheblichen  Ursachen  nicht  für  ratsam  befinden,  dass  die  Brüder  in 
gemeinsamem  Besitze  der  elterlichen  Güter  bleiben,  so  haben  sie  mit  Ein- 
willigung des  ältesten  Sohnes  Herman  Dieterich  zwischen  ihm  und  seinen 
Brüdern  also  geteilt. 

Herman  Dieterich  erhält  das  Haus  Goer  mit  der  hohen  und  niedern 
Gerichtsbarkeit,  mit  Büschen,  Wäldern,  Feldern,  Heiden,  Fischteichen, 
Mühlen,  Ackerland,  Höfen,  Benden,  Weiden,  Baumgärten,  Zinsen,  Pachten; 
sodann  Neer,  Eoggel,  Buggenheim;  die  Herrlichkeit  PoU  und  Panhedell 
mit  Mühlen  und  allen  Gütern;  den  Hof  Hastenbaur  im  Amt  Montfort 
gelegen;  die  Hoheit  und  Herrschaft  Meil  samt  der  Pleien  und  das  Gut  zu 
Suillen  mit  allen  Einkünften,  Abnutzungen  und  Pertinentien. 

Dagegen  erhalten  die  drei  anderen  Brüder  Gothard,  Graft  und  Baltasar 
die  vier  Herrschaften  Fronenbroch,  Soiron,  Schönau  und  die  halbe  Ward 
mit  dem  Hofe  Niedermerz,  die  Rupperger  Höfe  mit  allem  Ackerland  unter 
Wachtendunk  gelegen,  die  Schwalmer  Höfe  zu  Wanlo,  alle  den  Herrlich- 
keiten und  Gütern  anklebende  Gerechtigkeiten,  Holzwachs,  Wälder,  Felder 
Heiden,  Ackerländereien,  Baumgärten,  Weiden,  Benden  und  alle  anderen 
Pertinentien. 

Gothard  starb  1587  und  Baltasar,  der  jüngste  der  Brüder,  wurde 
1590  münüg.  Nun  schlössen  die  drei  überlebenden  einen  neuen  Vertrag 
über  des  Verstorbenen  Erbschaft,  aus  dem  wir  noch  einige  Punkte  des 
früheren  Vergleiches  kennen  lernen,  die  im  vorstehenden  Auszuge  nicht 
enthalten  sind. 

„Als  und  nachdem  vor  etlichen  verflossenen  jaren  zwischen  denen 
edlen  und  wolgeporen  herren  Wilhelmen  von  Braunsperg,  hern  zu  Borg- 
brol . . .,  Dederichen  hern  zu  Milenduuck  und  Drachenfels  gotsieliger  gedacht 
und  Dederich  von  Wylich,  hern  zu  Dysfort  als  negst  gesipten  angeporn 
verwanten  und  vormundern  dero  auch  edlen  und  wolgeporen  hern  Gräften, 
Godharten  gotsaliger  und  Baltazam  geprüderen  heren  von  Mylendunck, 
herrn  zo  Fronenbroch,  Zouron,  Schonawen  und  zur  Warden  eines-  und  des- 
gleichen edlen  und  wolgeporen  herrn  Herman  Diederichen  hern  von  Mylen- 
dunck, hern  zu  Goer  und  *Meil  anderteils  eine  erbliche  immerwerende 
fruntliche  bruderliche  erbscheidung  und  vergleichung  dero  elterlicher  nach- 
verlassenschaft  halber  beramt  aufgericht  inge williget  auf-  und  angenomen 
worden,  darinnen  under  anderen  deutlich  begrifl'en  und  vermeldet,  dass 
obgemelter  her  zu  Goer  und  seine  erben  gesagten  dreien  hern  geprüderen 


^)  Ältester  des  oben  besprochenen  Dieterich  von  Mylendunck-Drachenfels.    Er  starb 
1584;  sein  Bruder  Jobann  folgte  ihm  in  der  Herrschaft  Mylendunck.    (Syllabus.) 


—  89  — 

zu  Fronenbroch,  Zooron  und  Schonauen  und  ire  erben  alle  und  jeglichs 
jars  aus  seinem  zugeteilten  erbpatrimonial  kindsgeteils  eine  namhaftige 
somma  von  pfennongen  erstatten  und  zalbar  machen  solle:  und  dan  volgents 
darnacher  angedeuter  Goddart  her  zu  Zouron,  der  zweiten  broder,  in  den 
Hern  mit  dot  abgescheiden,  dohin  sein  anererbet  erbpatrimonial  kindgeteils 
auf  seine  vurschreven  .  ,  .  drei  geprüdern  ...  in  der  proprietet  ererbet 
und  gleichwol  er,  Herman  Diederich,  vorgesetzte  somma  von  pfennongen 
...  zu  verrichten  schuldig  geplieben  ...  so  haben  sich  desfals  heute 
oftgemelte  drei  hern  fruntlich  lieblich  und  bruderlich  under  einanderen 
vereinbaret  vergleichen  und  verdragen,  dass  vorbestimte  .  .  .  somma  von 
pfennongen  .  .  .  soll  vor  zalbar  gemacht  abgeschaft  und  hiemit  gedodet 
und  gedempt  sein  und  pleiben.  Dagegen  sich  dickgemelter  her  von  Goer 
vor  sich,  seine  erben  und  nachkomen  .  .  .  aller  und  jeglicher  zum  dritten 
teil  an  der  herschaft  Zouron  anererbter  und  zugefalner  gerechtigkeit  ganz 
und  zumal  hiemit  begeben  und  entschlagen  und  dieselbe  auf  beide  seine 
geliepten  brodern  transportirt  übergeben  und  uberdragen  hat  .  .  .  Was 
aber  durch  die  drei  vorbenente  hern  .  .  .  allenthalben  beiderseits  bis  anhero 
genossen  und  empfangen,  soll  imgleichen  hiemit  abgeschaft  gedodet  und 
gedempt  sein  und  pleiben.  Des  sollen  mehrgedachte  zwei  hern  Graft  und 
Baltazar  gehalten  und  verbonden  sein,  die  naturliche  dochter  des  abgestorben 
hern  oheimen  Gräften  heren  zo  Meiderich  .  .  .  ires  zugedingten  und  ver- 
sprochen heiligs  pfennong  halber  allein  zu  contentiren  und  zu  befredigen; 
dagegen  soll  denen  vurschreven  zweien  hern  geprüderen  auch  allein  die 
bis  anhero  in  der  herschaft  Zouron  erfallen  .  .  .  gülden,  Zinsen,  renten, 
pachten  .  .  allein  competiren  .  .  .  Actum  auf  dem  schlos  Milendunck  am 
26  julii  stilo  reformato  .  .  .  1591. 

H'  Dether  von  Milendonck  h.  z.  G.  mpp.  Krafft  her  von  Milendonck. 
Balthasar  her  von  Milendonck.    Johans  her  zo  Milendonck.** 

Die  „somma  von  pfennongen**,  welche  Herman  Dieterich  seinen  Brüdern 
hätte  auszahlen  sollen,  bestand  aus  262  Thaler  18  Stüber  jährliche  Zinsen 
oder  5252  Thaler  Kapital;  aus  einer  jährlichen  Rente  von  100  Goldgulden 
wegen  dt^r  Pleyen,  und  aus  einer  einmaligen  Zahlung  von  400  Thaler  wegen 
der  Mobilien  des  Hauses  Goer.  Weil  Herman  seinen  beiden  Brüdern  die 
Herrschaft  Soiron  ganz  überliess,  verzichteten  diese  auf  das  bare  Geld  und 
übernahmen  noch  die  Aussteuer  ihrer  unehelichen  Base. 

Die  Vormundschaft  hatten  die  Herren  von  Braunsborg  und  von  Wylich 
geführt.  Letzterer  lag  im  Oktober  1584  acht  Tage  im  Aachener  Gornelius- 
bade  zur  Herberge  um  mit  dem  Maier  von  Soiron  sowie  den  Schultheissen 
von  Schönau  und  zur  W'arden  Rechnung  zu  halten.  Er  „verzehrte**  25 
Aachener  Thaler  ad  26  Mark  und  10  Albus  und  „vertrank**  19  Gulden 
10  Albus.  Für  die  Pferde,  die  in  der  Herberge  zum  Klotz  standen,  wurden 
3  Gulden  12  Albus  bezahlt.  Den  ganzen  Betrag  sollte  der  Schultheiss 
von  Schönau  in  die  nächste  Rechnung  bringen. 


—  90  — 

Im  August  desselben  Jahres  hatte  Gothard  bei  Paulus  Garzweiler  in 
Aachen  31  Aachener  Thaler  12  Albus  verzehrt,  die  ebenfalls  aus  den 
Schönauer  Einkünften  bezahlt  werden  mussten. 

Der  Herr  von  Braunsberg  bezog  aus  Meiderich  Jahrgelder,  wahr- 
scheinlich als  Mitgift  seiner  Frau.  In  den  Rechnungen  des  Wardener  Schult- 
heissen,  Simon  Nobis  von  Linnich,  aus  den  TO®*"  und  80®*"  Jahren,  welche 
teilweise  noch  von  Gothard  unterschrieben  sind,  findet  sich  der  Posten: 
„Zu  zalung  der  Pensionen,  so  dem  hern  zu  Burgbroel  zu  maii  aus  den  ver- 
lassenen güteren  des  hern  zo  Meiderich  selig  gefallen,  laut  der  quitanz 
geliebert  100  bescheiden  goltgulden  ad  9  gl.  2  alb.  Noch  20  aide  engeletten 
ad  6  gl.  4  alb.,  darzu  8  aide  richsdaler  ad  11  m."  Herman  Dieterich, 
gewöhnlich  Herman  Dieter  genannt,  Herr  zu  Goer,  Pesch,  Meil,  Poll, 
Panhedel,  Viliar,  Andrimont  und  Brunau  hat  zwar  mit  Schönau  weiter 
nichts  zu  thun,  aber  seine  Geschicke  sind  der  Aufzeichnung  wohl  wert. 
Um  jedoch  die  Geschichte  Schönaus  nicht  zu  lange  zu  unterbrechen,  ver- 
Aveisen  wir  die  Darstellung  seines  bewegten  Lebens  in  den  Anhang.  Bei 
der  Erbteilung  zwischen  seinen  beiden  jungem  Brüdern  wurde 

f)  Baltasar  von  Mylendunck  Herr  zu  Hüls,  Warden  und  Schönau 
(1590 — 1629).  Er  empfing  die  Huldigung  in  letzterer  Herrschaft  „ad  instar 
maiorum"  im  Jahre  1590.  Die  Rentraeisterrechnung  sagt:  Item  bei  Gillissen 
im  beer  verzert  worden,  als  min  her  zu  Schönau  gehult  worden:  22  gl.** 
Sein  Bruder  Graft,  der  1617  starb,  ist  jedoch  Mitherr  gewesen,  wie  aus 
manchen  Thatsachen  hervorgeht. 

1589  befand  sich  Baltasar  im  Corneliusbade  zu  Aachen.  Die  Rechnung 
bietet  einiges  Interessante.  „Den  4.  februarii  iss  mein  her  Baltasar  von 
Milendonk  sein  edel  leifden  heir  ankomen  des  soterdach  zo  morgen  und 
strack  gebat  und  in't  bat  ein  kan  wins  und  ein  pot  beers.  Noch  1  molzit 
vor  min  her  und  2  molzit  vor  die  knecht.  Des  noemidachs,  do  der  Schröder  * 
hei  was,  des  heren  van  Fronenbroch  sein  koller  zo  schneiden  5  pot  beers. 
In't  bat  vor  mein  her  3  pot  beers,  in't  bat  vor  Hansen  und  die  zwei  anderen 
9  pot  beers.  Des  sondachs  zo  midach  2  molziten  vor  menher  und  1  molzit 
vor  Hansen.  Dinstach  als  mein  her  van  Sorron  quam,  strack  gebat  und 
2  pot  beers  gehat.  In't  bat  2  pot  beers  und  Hansen  3  pot  beers.  Goes- 
tach  zo  morgen  1  kann  wins  in't  bat  vor  mein  her  und  die  zop  vor 
Hansen  4  stüber.  Noch  des  nomidachs  3  pot  beers.  Des  ofens  *  2  molziten 
vor  mein  her  und  2  kannen  wins  die  kann  7V2  nierk."  Mit  Ausschluss  des 
Hafers  für  die  Pferde,  den  der  Schönauer  Schultheiss  lieferte,  betrug  die 
Wochenzeche  13  Thaler  IV2  M. 

1594  hatte  Baltasar  mit  seinem  Bruder  Craft  das  „putzbat**  bei  dem- 
selben Wirte  80  Tage  lang  inne;  das  kostete  täglich  einen  Thaler.  In 
dieser  Zeit  nahmen  die  Brüder  mit  ihrem  Rentmeister  Vietwigh  und  mehreren 


*)  Schneider. 
')  abends. 


—  91  — 

adligen  Herren  341  Herrenmalzeiten  4  10,  die  Knechte  230  Dienennahlzeiten 
i  6  Buschen  ein.  Auch  ein  Soldat,  Derich  van  Ham,  badete  daselbst  auf 
Kosten  Baltasars. 

Der  in  der  ersten  Rechnung  genannte  Herr  von  Soiron  war  Graft  III. 
Die  Herrschaft  wai-  ihm  nach  dem  Tode  des  älteren  Bruders  Gothard 
zugefallen;  er  verkaufte  dieselbe  bereits  im  Jahre  1591  an  den  kölnischen 
Hofrat  Carl  Billeus  und  bevollmächtigte  Baltasar,  das  Gut  dem  Käufer 
vor  dem  Limburger  Lehenhofe  zu  übertragen. 

Beide  Brüder  waren  stetig  in  Geldnot.  1591  lieh  Baltasar  von  dem 
Wirte  im  Comeliusbad,  Simon  Hausen,  100  Thaler;  bis  zum  Jahre  1604 
war  er  demselben  an  geliehenem  Gelde,  Logis,  Kost,  Wein  und  Badegeld 
988  Thaler  24  Mark  8  Buschen  schuldig;  1605  versetzte  er  der  Witwe 
desselben,  der  er  noch  483  Thaler  schuldete,  eine  Jahrrente  von  19  Fass 
oder  Summer  Roggen,  7  Kapaunen  und  7  Schillingen,  wodurch  die  Zinsen 
von  250  Thaler  gedeckt  werden  sollten.  Den  Rest  versprach  er  zu  zahlen 
oder  in  ähnlicher  Weise  zu  sichern. 

1612  hatte  Baltasar  dem  Peter  Startz,  Wirt  in  der  Windmühle  früher 
Zum  Goldenen  Verken  in  Aachen  2  Morgen  Ackerland  ^von  den  elf  morgen 
in  der  delle  im  Richterger  feld"  für  145  Aachener  Thaler  k  26  Mark  ver- 
setzt; aber  schon  1615  war  er  demselben  1027«  Thaler  für  Fleisch  und 
122  Taler  für  348  Quart  Wein  schuldig,  den  Graft  für  sich  und  eine  Juffer 
Peil  hatte  holen  lassen.  Der  Wein  von  dem  das  Quart  9  Mark  kostete, 
war  in  fünf  Monaten  verbraucht  worden.  Folgen  dieser  Misswirtschaft  waren 
fortwährende  Verpfändungen  und  Verkäufe  von  Renten  und  Ländereien, 
deren  sich  aus  dem  Schönauer  Archive  allein  fast  ein  Dutzend  für  die 
Jahre  1605 — 1619  nachweisen  lassen.  Auch  die  Schwalmer  Höfe  sind 
damals  an  einen  Junker  Bruin  verkauft  worden. 

Das  edle  Haus  Mylendunck  war  in  argem  Niedergange.  Darunter 
litten  auch  die  armen  Unterthanen.  Um  die  drängenden  Gläubiger  zu 
befriedigen  und  an  Geld  zu  kommen,  missbrauchte  Baltasar  seine  Gewalt 
selbst  in  unmenschlicher  Weise.    Einige  Beispiele: 

1593  schlugen  sich  im  Wirtshause  an  die  Kreuzer  Erk  Nacken  und 
Clas  von  der  Wehe  aus  dem  Aachener  Reich.  Dabei  nannte  des  Nacken 
Weib  den  Clas  einen  Dieb,  der  ihr  eine  Kuh  gestohlen  habe,  worauf  Clas 
mit  einer  gemeinen  Beschimpfung  antwortete.  Der  anwesende  Schultheiss 
Hess  „um  seines  gepietenden  herrn  interesse  willen**  die  Sreitenden  bis  zum 
Austrag  der  Sache  in  Eisen  legen.  Er  fand,  dass  der  Vorwurf  des  Dieb- 
stahls unbegründet  sei,  und  da  beide  Parteien  für  ihr  Erscheinen  vor 
Gericht  Bürgen  stellten,  entliess  er  die  Gefangenen.  Drei  Monate  nachher 
erschien  Dries  Ortmans,  der  Wirt  an  die  Kreuzer,  vor  den  Schöffen  und 
erklärte,  es  seien  bei  Verhandlung  dieser  Sache  in  seinem  Hause  vor  und  nach 
33  Thaler  21  Albus  verzehrt  worden,  wovon  die  Compromissarien  dem  Clas 
ein  Drittel,  der  Ehefrau  Nacken  zwei  Drittel  auferlegt  hätten.    Weil  aber 


—  92  — 

Nacken  nur  10  Thaler  bezahlt  habe,  fordere  er  Exekution  für  den  Rest. 
Das  Gericlit  sprach  dieselbe  zugleich  für  die  entstehenden  Kosten  aus. 
Man  pfändete  darauf  dem  Nacken  acht  alte  Tonnen,  zwei  Brandröster, 
einen  hölzernen  Trichter,  ein  Spannbrett,  eine  Braugaflfel,  eine  Pinte  Heu 
„die  doch  gemessen  werden  soll**  und  dergleichen  mehr;  alles  zusammen 
wurde  auf  26^2  Thaler  angeschlagen.  „Darauf  die  exekution  beschehen. 
Und  seind  dieses  tages  uncösten  mit  den  gerichtskösten  gerechnet  ad 
8  thaler  20^4  mark**.  Die  Ohrfeige  kostete  demnach  dem  Nacken  fast 
45  Thaler.  Man  denke  sich  diese  Summe  bei  dem  damaligen  Geldwerte: 
das  war  nicht  mehr  Justiz  sondern  Schinderei.  (Forteeteang  folgt.) 


Kleinere  Mitteilungen. 

1.  Aktenstücke  ans  dem  Aachener  Stadtarchiv. 

(1795—1805.) 

Im  3.  Jahrgang  S.  65  ff.  dieser  MitteiluDgen  hat  0.  Wacker  eme  Abhandlong 
über  „Die  Bevölkerung  Aachens  seit  dem  Ausgange  des  vorigen  Jahrhunderts*^  veröffent- 
licht. Er  hat  darin  durch  Feststellung  des  Verhältnisses  der  Gesamtbevölkerung  zur  Geburten- 
zahl, die  uns  überliefert  ist,  erstere  für  das  Jahr  1781  auf  21  000  Einwohner  berechnet. 
Die  erste  amtliche  Volkszählung  bringt  er  für  das  Jahr  1799.  Sie  wurde  von  der  fran- 
zösischen Zentralverwaltung  vorgenommen  und  ergab  28  699  Einwohner.  Nachfolgende 
Statistik,  die  nicht  nur  über  die  Bevölkerung  der  Stadt,  sondern  auch  des  Reiches  Aachen, 
sowie  über  den  Viehbestand  in  beiden,  Aufschluss  giebt,  stammt  aus  dem  März  des  Jahres 
1 795  und  liefert  einen  schätzenswerten  Beitrag  zur  Bevölkerungs-  und  Wirtschaftsgeschichte 
dieser  Stadt  und  ihres  ehemaligen  Gebietes. 


Stadt  Aachen  .  . 
Würseler  Quartier 
Weidener  „ 

Haarener  „ 

Berger  „ 

Sörser  „ 

Vaolscr  „ 

Orsbachcr  „ 

Glockenklang    „ 
AachenerHeide  - 


Menschen 

23418 

2684 

1719 

1203 


} 


913 

474 
303 
393 
402 


31504 


Pferde 

Kühe 

152 

372 

192 

397 

82 

349 

86 

290 

171 

513 

91 

202 

58 

123 

74 

280 

68 

195 

974 

2  721 

Rinder 

6 

46 

89 

66 

193 

32 
23 
15 
54 

524 


Nicht  uninteressant  dürfte  vielleicht  nachfolgende  Probe  des  amtlichen  Schrift- 
wechsels aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft  sein.  In  der  Heftigkeit  und  Schärfe  ihrer 
Ausdrucksweise  spiegelt  sie  so  recht  den  erregten  Charakter  der  damaligen,  durch 
Tbikanen  aller  Art  gequälten  und  durch  beständige  Anspannung  aller  Kräfte  bis  zur 
Erschöpfung  in  Anspruch  genommenen  Beamtenwelt  wieder. 

Freiheit.        Gleichheit.        Verbrüderung. 

Aachen,  den  11.  Prairial  3.  Jahr  der  Republik.  (30.  Mai  1795.) 
Die  Gülich-Aachensche  Bezirksverwaltung  an  die  Munizipalität  zu  Aachen. 

Mitbürger! 
Unterm  7.  dieses  ist  euch  eine  Requisition  zugegangen,  vermög  welcher  ihr  auf 
der  Stelle  acht  doppelspännige  Karrigen  aufl>ieten  und  unfehlbar  unter  Straf  militärischer 


—  93  — 

Exekution  bieher  einschicken  solltet;  dieser  unserer  Aufforderung  seid  ihr  mit  sträflicher 
Verachtung  begegnet,  massen  bis  heute  nur  eine  erschienen  ist.  —  Wenn  wir  nun  der- 
gleichen Saumseligkeit,  wodurch  der  Dienst  der  Bepublik  nicht  allein,  sondern  auch  alle 
gute  Einwohner,  die  noch  etwas  Fourage  haben,  leiden  müssen,  nicht  zusehen  wollen 
noch  können,  so  fordern  wir  euch  nochmals,  und  zwar  zum  letzten  Mal  hiemit  auf,  die 
annoch  rückständige  Karrigen  inner  24  Stunden  nach  Erhalt  dieses  um  so  gewisser  bic- 
hin  zu  stellen,  als  gar  keine  Entschuldigungen  angenommen,  und  ihr  im  Ausbleibungsfalle 
gefänglich  eingezogen  und  auf  Wasser  und  Brod,  bis  dahin  diese  Bequisition  befolget 
sein  wird,  eingefordert  werden  sollet. 

Heil  und  Verbrüderung. 

Jungbluth,  Präsident. 
Merckelbach,  Secretarius. 

Darauf  erfolgte  nachstehende,  abschriftlich  erhaltene  Antwort: 

Aachen,  den  IS.  Prairial  3.  Jahr  der  französischen  Bepublik.  (1.  Juni  1795.) 

Da  wir  den  Ausdruck  oder  vielmehr  die  Drohung  von  Einkerkerung  auf  Wasser 
und  Brod  ersahen,  glaubten  wir  uns  auf  einen  Augenblick  in  den  Zeiten  des  Despotismus 
zurück,  wo  zufolg  Erzählung  unserer  Nachbaren  im  Julicher  Lande  der  despostische 
Vogt  seine  Unterthanen  nach  seinen  Gefallen,  wenn  sie  seine  Küche  nicht  sattsam  spickten, 
drohete  und  drückte,  denn  wir  als  freie  Bürger  kannten  und  ertrugen  solches  nicht  und 
wollen  es  auch  jetzt  nicht  ertragen.  Kerker  auf  Wasser  und  Brot  ist  Dieben  und  fraude- 
leusen  Banqueroutieren,  nicht  aber  Munizipalen,  die  ihre  Pflichten  erfüllen,  geeignet. 
Übrigens  scheint  Eure  Drohung  nicht  aus  dem  schätzbaren  Werke  les  droits  de  Thomme, 
noch  aus  den  Qesäzen  der  französischen  Bepublik,  sondern  aus  der  Geschichte  eines 
türkischen  Bassa,  oder  welches  auch  der  Fall  sein  dörfte,  eines  Bobespierres  en  mignature 
hergeleitet  zu  sein« 

Da  nun  das  Begimeut  Bobespierres  en  grand  ein  Ende  genomen,  so  leben  wir  der 
Hoffnung,  auch  jenes  des  Bobespierres  en  mignature  erlöschen  und  nur  das  Gesäz  einer 
aufgeklärten  und  Despotism  verabscheuenden  Nation  herschen  zu  sehen.  Auf  dieses 
Gesäz  berufen  wir  uns,  nach  diesem  wollen  wir  behandelt  und  gestraft  sein,  wenn  wir 
nota  bene  gefehlt  haben  und  mutwilliger  Saumseligkeit  oder  Nichtbefolgung  Eurer  uns 
im  Namen  des  Gesäzes  aufgetragenen  Bequisitionen  überführt  sein  werden;  weilen  wir 
aber  überzeugt  sind,  in  betref  der  zu  stellenden  fraglichen  Karren  mehr  als  unsere 
Schuldigkeit  .  .  .  gethan  zu  haben  ...  so  werden  wir  nicht  ermangeln,  uns  über  diese 
niederträchtige  Behandlung  gehörigen  Orts  zu  beklagen.  Wir  wollen  uns  indessen  der- 
gleichen Drohungen  wohl  ausdrücklich  verbeten  und  glauben,  dass  sich  jede  konstituirte 
Gewalt  durch  arbitraire  und  despotische  Behandlung  selbst  entehrt,  ebenso  steht  selbige 
unter  der  Zentralverwaltung.  Wir  vermuten  aber,  dass  solche  sich  deswegen  nicht  von 
dieser  als  Schlaven  behandeln  und  bedrohen  lassen  wird,  besonders  wenn  sie  ihrer  Pflicht 
Genüge  geleistet  zu  haben  glaubt,  und  wir  als  Munizipalität  von  Aachen  sind  in  Bück- 
sicht der  Distriktsverwaltung  völlig  gleicher  Meinung. 

Heil  und  Verbrüderung. 

J.  C.  Bock,  Präsident.  Startz,  Mpal.  Vietoris,  Mpal. 

J.  P.  Kolb,  Mpal.  (Munizipal).  Pelser,  Mpal.  Houbben,  Mpal. 

Dauzenberg,  Commissaire  de  Baumhauer,  Mpal. 

Police  et  Mpal.  Burenkoven,  Mpal. 

Decker,  Mpal.  Pcuschgens,  Mpal. 


Das  von  Quix  herausgegebene  „Wochenblatt  für  Aachen  und  Umgegend**  berichtet 

nach  den  Notizen  eines  Augenzeugen  in  Nr.  137  vom  12.  Dezember  1837:  „Am  80.  Dezem- 
ber (1794)  fand  hier  das  Fest  über  die  Eroberung  Hollands  statt  .  .  .  (Folgt  Beschrei- 
bung.)   Als  die  Musik  zur  Strophe  kam  Porissent  les  tyrans,  perisse  leor  memoire  stieg 


—  94  — 

der  Präsident  (der  Zentralverwaltung)  von  dem  Altar  mit  einer  brennenden  Fackel  in 
der  Rechten  und  zündete  einen  von  der  Munizipalität  angerichteten  Scheiterhaufen  von 
aus  den  öffentlichen  Gebäuden  und  den  Hänsern  der  Emigrirteu  genommenen  Feudalzeichen, 
pergamentnen  Denkmälern,  Adelsdiplomen  und  Urkunden  an  .  .  .*'^) 

In  Nr.  22  vom  20.  Februar  1839  desselben  Wochenblattes  lesen  wir:  „Am  28.  Februar 
1795  wurde  hier  ein  grosses  Btirgerfest  gefeiert  über  die  Fortschritte  der  französischen 
Armee,  bei  welcher  Feierlichkeit  wieder  ein  Scheiterhaufen  angezündet  wurde,  auf  welchem 
Zeichen  der  vormaligen  Feodalität,  Pergaraente-Adelsurkunden  und  dergl.  gehäuft  lagen, 
die  mitverbrannten  .  .  .*'^  Nach  diesen  dem  Geist  der  Revolution  dargebrachten  Brand- 
opfem  beschloss  die  Zentralverwaltung  der  Länder  zwischen  Maas  und  Rhein,  die  in  Aachen 
ihren  Sitz  hatte,  am  5.  April  1795  die  Aufhebung  aller  Vorrechte  des  Adels  und  der 
Geistlichkeit;  diese  beiden  Stände  sollten  fortan  alle  Staatslasten  tragen  wie  der  dritte 
Stand.  Über  die  Art  und  Weise,  wie  man  der  Adels-  und  Lehnbriefe  habhaft  geworden 
war,  belehrt  uns  folgendes  Aktenstück  vom  9.  Februar  1795. 

Liberty,    £lgalitd,    Fratemitä. 

Administration-centrale  du  pays  d'entre  Meuse  et  Rhin.  Extrait  du  procös- verbal 
des  deliberations  de  l'administration-centrale  du  pays  d^entre  la  Meuse  et  le  Rhin,  cn  la 
seance  publique  du  21  pluviose  8.  ann6e  republicaine,  ä  laquelle  ont  assist^s  les  citoyens 
Simeon  vice-president,  Goldbek,  Vossen,  Petitbois,  Schmit,  Kempis,  Jacobi,  Clermont,  Huberty 
et  Decamp,  Substitut  de  Tagent  national. 

L^administration-centrale  sur  la  proposition  d*uu  de  ses  membres  oui  le  Substitut 
de  Tagent  national  a  arret^  et  arrete. 

Art.  1. 

La  mnnicipalit^  d^Aix  fera  faire  des  visites  domiciliares  receuillir  tous  les  signes 
feodeaux  ou  parchemins  et  letres  de  noblesse  qui  pourraient  encore  exister  dans  la 
commune  d'Aix  et  les  fera  trausporter  au  comit^  de  surveillance. 

Art.  2. 

A  ce  sujet  eile  s'ajoindra  2  membres  du  comitö  de  surveillance. 

Art.  8. 

Elle  rendra  compte  sous  trois  jours  a  Padministration-centrale  du  resultat  de  ses 

recherches. 

Art.  4. 

Copic  de  la  presente  sera  envoy('*e  a  la  municipaliU^  d*Aix  et  au  comitö  de  sur- 
veillance. 

Sign6  au  registre  Simeon  vice-president  etc.  et  scell<5  du  scelle  de  Padministration- 
centrale. 

,a'      I  .     o  u         j      1  ^  Sinsteden,  secretaire, 

(Siegel  in  Schwarzdruck.)  ^  .     ,.  . 

General-adjomt. 


*)  Clemens  Theodor  Porthoa,  Politiacho  Zustünde  and  Personen  in  Dontachland  zur  Zeit 
der  französischen  Ilorrschafb  S.  142. 

*)  Vergl.  3.  Jahrgiuifi;  S.  ßl  ff.  dieser  Mitteilungen:  ^Eln  ropublikanisohes  Siegesfest  in  Aachen." 
(C.  Wacker.)  —  Eine  handschriftliche  Chronik  des  hiesigen  Archivs,  die  die  Jahre  1776—17^7  umfasst, 
aber  leider  nur  lückenhaft  erhalten  ist,  bringt  tiber  die  Vorgüng«  am  2H.  Februar  1795  folgende  Xotie: 
„Februar  28,  ist  in  den  eroberten  Län<ler  zwisohen  Maas  und  Rhein  ein  BUrgerfest  gehalten  worden, 
welches  hier  auf  folgende  Art  gehalten  wurde.  Morgens  1>  Ubr  begaben  sich  alle  flewalt*»n  mit  ihren 
Fahnen  nach  dem  RtMlontcnsaal,  der  Sitz  der  Zentralverwaltung,  allwo  von  dem  Präsident  eine  Rede 
von  den  Fortachritten  der  republikanischen  Wnlfen,  von  den  Siegen  in  Holland,  von  den  Nutzen  und 
Vorteil,  den  wir  davon  hoffen  könnton,  gehalten  worden;  alsdann  ging  der  Zug  unter  Lautung  aller 
Glocken  über  den  Kapuzinergraben,  durch  Kleinmarschierstrass  nach  dem  Markt,  wo  der  Vaterlands- 
altar errichtet  war.  Die  Knaben  von  8  bis  12  Jahren  trugen  eine  Fahne  mit  der  Inschrift  „Hoffnung 
des  Vaterlandes",  die  Jünglinge  eine  Fahne  mit  der  Inschrift  „Stütze  der  Freiheit",  die  Ackerslente 
mit  der  Inschritt.  „NUhrvater  des  Staates",  die  Bürger  und  Burtscheider  mit  der  Inschrift  „alle  Menschen 
sind  frei  gelmren."  Damach  folgten  die  Stadt  musikanten,  verschiedene  Departements,  die  militairiBohe 
Musik,  di«'  Zentral  Verwaltung  und  dor  Stnb.  .\ls  der  Zug  allda  ankamon,  erstieg  Bürger  Vossen  die 
Bühne,    hielt  eine   lange  Rede  von  Vertilgung  der  Tyrannen,    von  Süssigkeit  der  Freilieit,  von  Nach- 


—  95  — 

Durch  Dekret  rom  5.  Oktober  1793  fahrte  der  franzSsische  NationalkonTent  den 
Beyolntioiis-Kalender  ein,  der  wohl  deshalb,  weil  er  auf  ,  philosophischen  Prinxipien* 
beruhte,  so  Tortrefflich  ereeignet  war,  in  Tielen  Köpfen  eine  gründliche  Verwiming  anzu- 
richten, flin  Ton  Napoleon  erwirktes  Senatsdekret  vom  9.  September  1805  schaffte  die.$es 
Monstrum  Ton  Zeitrechnung  aus  der  Welt.  Er  verdiente  sich  dadurch  besonders  den 
Dank  aller  Historiker,  die  auf  dem  Gebiet  der  Chronologie  durch  ganz  merkwürdige 
Leistungen  des  menschlichen  Scharfsinns  ohnehin  mehr  als  nötig  geplagt  werden.  Das 
freudige  Ereignis  der  Wiedereinführung  des  altgewohnten  Gregorianischen  Kalenders 
wurde  den  Aachenern  am  19.  Dezember  1805  durch  folgendes  ^AtIs*  bekannt  gegeben. 

Pour  r^gulariser  le  passage  du  calendrier  actuel  a  celui  gr§gorien,  qui  doit  ^tre 
suiTi  k  dater  du  premier  janrier  1806,  correspondant  au  11  niTöse  an  14,  les  registres, 
jotumaux,  sommiers,  livres  de  recette  et  de  depense,  au  lieu  d'^tre  arr^t<^s  le  30  de  co 
mois,  ne  le  seront  qu'au  10  nivöse;  de  mani^re  que  les  ^tats  du  mois  de  frimaire  courant 
eomprendront  40  jours  d*exercice.  Tous  les  bordercaux  et  objets  de  eomptabilit^  seront 
6ta.blis  d*apr^  cette  base. 

Aix-Ia-Chapelle,  le  28  frimaire  an  14. 

Le  conseiller  dVut,  p«^fet  du  d<^partement  de  la  Roor. 

Laumond. 

Aachen,  W,  BntmM^. 


2.  Veranstaltiuig  von  Maskenbällen  bei  festlichen  (xelegenheiten 

im  vorigen  Jahrhundert 

unter  den  festlichen  Veranstaltungen  im  Jahre  1748  zu  Ehren  der  aus  Anlass  des 
Friedenskongresses  versammelten  Gesandten  erw&hnt  der  Chronist  Janssen  (bei  von  Fürth, 
Beiträge  und  Material  zur  Geschichte  der  Aachener  Patrizier-Familien  Band  III,  S.  161) 
auch  eines  Maskenballes  mit  den  Worten  ,Am  16^""  7^^  wirdt  aufin  Stadthaus  ball  masqu6 
gehalten**.  Es  scheint  hiemach,  dass  Maskenbälle  bei  ausserge wohnlichen  Gelegenheiten 
einen  Teil  der  festlichen  Veranstaltungen  bildeten,  denn  auch  bei  Anwesenheit  des  Prinzen 
und  der  Prinzessin  von  Oranien  hierselbst  im  Jahre  1776  wurde  dem  Robert  Brammertz 
erlaubt,  seinen  Saal  zu  diesem  Zwecke  herzugeben.  Es  ergiebt  sich  dieses  aus  einer 
Niederschrift  in  dem  auf  dem  Stadtarchiv  beruhenden  „ProtokoUum  Maioriae  extraordi- 
narium  1748—1785",  die  also  lautet:  Jovis,  27.  Junii  1776.  Referirte  wohlregierender 
herr  burgermeister  freyherr  von  Wylre,  daß  gestern  gegen  abend  der  majoriae  secretarius 
Schultz  von  wegen  hcrm  vogtmajom  freyhcrm  von  Geyr  zu  ihm  gekommen  und,  nach 
geschehener  vertragmäßiger  Verkündigung,  daß  auf  heut  zum  ehrengeleit  der  dahior 
eintreffenden  prinz  und  prinzessin  von  Oranien  durchlauchten  eine  pfälzische  corapagnie 
grenadier  zur  Stadt  einrücken  würde,  das  ansuchen  getban  hatte,  daß  die  herren  burger- 
meister dem  Robert  Brammertz  dahier  erlauben  möchten,  wegen  solcher  eintreffung  morgen 
den  28.  dieses  abends  auf  seinem  saal  einen  bal  masqu^  zu  halten:  worauf  dann 
folgende  erlaubniß  ertbeilet  worden :  Auf  durch  den  majoriae  sceretarium  Schultz  nahmena 
des  herm  vogtmajom  freyherm  von  Geyr  bey  woblregicreuden  hcrm  burgcnneistcrn 
geschehenes  belangen,  gestalten  morgen  den  28.  dieses  am  abend  auf  des  Robert  Brammertz 
saal  einen  masquirten  bal  zu  halten,  als  wird  dem  besagten  Brammertz  hiemit  erlaubt, 
darzu  seinen  saal  herzuleihen. 

Signatunu    Ex  mandato 

J.  Couven,  secrotarius. 


lasa  ein  Teil  der  Kontribution,  und  darnach  warde  vom  Präsident  der  Zentralverwaltung  ein  Sobeiter- 
hänfen  angezündet,  worauf  etliche  Adols-Urkundeu  verbrandt  wnnlen,  und  so  wurden  diese  Narrheiten 
beschloiiseu.  Die  umliogüuden  Ortoru  mussten  hieher  boriohteu,  aufweiche  Art  sie  dieses  gehalten  htttten." 


—  96  — 
3.  Zur  Geschichte  des  Kreuzherren-Klosters. 

In  der  Zeitschrift  „De  Maasgouw''  finden  wir  in  Nr.  3,  Jahrg.  XVIII,  in  einem 
Aufsatze  von  Dr.  Doppler  über  das  vormalige  Krenzherreu- Kloster  zu  Maastricht  auf 
zwei  Mitglieder  der  hiesigen  Kreuzherren  bezügliche  Notizen,  die  hier  folgen,  weil  die 
Zeitschrift  weniger  bekannt  sein  dürfte  und  unsere  Kenntnis  bezüglich  der  hiesigen 
Kanonie  der  Kreuzherren  eine  geringe  ist.  „Michael  van  Testelt  (van  Thestel)  was  de 
eerste  prior  van  het  klooster;  zijn  eerste  medehelpers  waren:  Servatius  van  Hasselt, 
Martinus  van  Leyden,  Hendrik  van  Alost;  deze  laatste  ging  later  uaar  het  klooster  te  Aken. 

Johannes  Clocker,  geboren  te  Aken,  trad  aldaar  in  het  klooster  zijner  orde;  hij 
werd  prior  te  Maastricht;  deze  waardlgheid  legde  hlj  na  eenige  jaren  neder,  verstigde 
zieh  daarua  wederom  in  het  klooster  te  Aken,  alwaar  hij  nog  lange  jaren  supprior  was. 


4.  Anordnung  einer  Prozession  durch  den  Rat. 

Die  nachstehende  „Verkundung  einer  gemeiner  proceßion  nfif  st.  Bochi  *  tagh  anno 
löaS*^,  die  „am  sondach  den  7  dag  Augusti**  erfolgte,  und  deren  Urschrift  sich  im  hiesigen 
Stadtarchiv  in  den  Akten  „Prozessionen"  befindet,  ist  von  besonderem  Interesse  um  des- 
willen, als  die  weltliche  Behörde,  der  Rat,  die  Veranlassung  zu  derselben  gab. 

Her  pastoir  wilt  dem  gemeinen  folk  verkundigen  und  ansagen,  wie  ein  ersam  rath 
dieser  stat  zu  Ehren  des  Almechtigen,  auch  zu  aifwendung  Gottes  zoms  für  rathsam  und 
gut  bedacht,  dat  mau  nechst  künftig  dinxtag  oever  acht  dag,  nemlich  uff  sanct  Rochi 
dag  eine  gemeine  prozession  mit  innerlichen  treuweu  hertzen  und  demuttiger  furbit  mit 
der  gantzer  cleriseien  halten  sali,  dar  zo  einen  jgligen  fleissig  ermanen,  gegen  gemelt«n 
dag  mit  bichten  und  untfangung  des  hogwerttigen  heiligen  sacramentz  sich  zu  bereitten 
und  innichen  für  zu  nemmen  und  zu  dein. 


•)  Vgl.  auch  über  die  Prozession  am  St.  Rochi  Tag,  Nopp,  Aacher  Chronick,  Ausg.  von  1Ö43,  S.  8b. 


5.  Fleischverkauf  in  der  Fastenzeit 

Die  „Revidirte  Ordnung  über  Haltung  der  Sonn-  und  reyer-Tägen**  vom  18.  Juni 
1731  bestimmte  in  Nr.  6  bezüglich  des  Fleischverkaufs:  Die  fleischheuer,  wie  imgleichen 
die  tripiers  oder  penserien  verkäuffer,  sollen  auff  allen  geraeinen  sonn-  und  feyer-tägen 
allein  biß  8  uhreu  vormittags,  absolute  aber  länger  nicht  in  denen  öffentlichen  fleisch- 
hallen feyl  haben  mögen,  in  ihren  privat  häußeren  jedoch  das  fleisch  zu  vcrdebitircn,  solle 
ihnen  nicht  benommen  seyn,  sondern  freystehen;  als  viel  aber  die  hohe  festtägen  und  vor- 
nembste  festivitäten  betrifft,  als  nemblich  Ostern,  Pfingsten,  Heilig-Sacraments-Dag,  Mariä- 
Himmelfahrts-Dag,  Allerheiligen,  Christag  und  Liechtmeß-Tag  sollen  die  fleischheuere  und 
tripiers  auff  diesen  tagen  ganz  und  gar  nicht,  sondern  nur  allein  auff  dieser  festivitäten 
abeuden  oder  vigilien  öffentlich  feyl  haben  und  verkauffen  mögen;  inmassen  dan  auch 
auff  denen  fasttägen  und  wan  man  sich  deß  fleischspeisens  enthaltet,  wie  weniger  nicht 
in  der  viertzig  tägiger  fastenzeit,  ihnen  ein  solches  allerdings  verbotten  seyn  solle.  Diese, 
das  Gewerbe  der  Fleischer  schwer  schädigende  Bestimmung  veranlasste  die  Greven  und  Vor- 
steher ihrer  Zunft  dieserhalb  vorstellig  zu  werden,  worauf  die  Herren  Beamten  am 
11.  Februar  1750  (Beamten-Protokolle  Bd.  L)  beschl(>ssen :  Auf  anstehung  hiesiger  Griefen 
und  Vorstehern  der  fleischheuerzunft  haben  herren  Burgermeistern  und  Beambten  zu- 
gestanden, daß  wehrender  dieser  faste nszeit  die  beyde  fleischhallen  des  Montags,  Diens- 
tags, Donnerstags  und  Samstags  morgens  bis  11  Uhren  sollen  eröffnet  und  das  fleisch 
öffentlich  verkauft  werden  mögen,  übrigen  tagen  aber  nicht. 

Aachen.  M,  Schollen, 


Dbixk  von  Hkumann  Kaatxek  in  Aachek. 


Jährlich  8  Nnminern  Ko mm issiona -Verlag 

i.  1  Bogeu  Royal  Oktav.  ^" 

„    .    ,      ,  ,  Cremer'schen  Buchhftndlnntr 

Preis  des  Jahrgangs  ^^  ,„1,^ 

4  Hark.  in  Aachen. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Im  Auftrage  des  Vereins  herausgegeben  von  H.  SobSOOk. 

Nr.  7/8.  Neunter  Jahrgang.  1896. 


Inhalt;  H.  J.  Gross,  Sehänan  (Fortsetzung).  —  J.  Fey,  Der  Maler  Johann  Adam  Ebcrle.  -- 

Bericht  über  das  Vereinsjabr  1895—1896. 


Schönau. 

Von  H.  J.  Gross.    (Fortsetzung,) 

Die  „gepietenden  herren"  entblödeten  sich  nicht  grade  heraus  zu  sagen, 
wozQ  ihr  ^Interesse"  verwendet  werde.  Man  lese  folgenden  Fall,  Dam 
von  Souren  aus  Laurensberg  im  Aachener  Reich  heiratete  ein  Heidener 
Mädchen  und  Hess  sich  in  Kichterich  nieder.  Unter  dem  Vorgeben,  er 
habe  seine  Schwägerin  geschlagen,  einen  Schöffen  gestochen  und  Klagen, 
die  nach  Scliönau  geliörten,  vor  das  Heidener  Oericht  gebracht,  Hess 
Baltasar  den  Dam  am  20.  April  1598  „abends  zwischen  tag  und  nacht" 
durch  drei  Diener  „Conrad  der  ein  röhr,  Tilman  der  einen  halben  spiess 
und  Apfeldorn  der  ein  röhr  und  einen  dolch  trug",  in  seinem  Hause  greifen, 
nach  Schönau  bringen  und  dort  in  den  Turm  werfen.  Als  der  Verhaftete 
nach  Zeugen  rief,  wurde  er  mit  Schlägen  bedroht.  Andern  Tags  ging  die 
Frau  mit  einigen  Verwandten  aufs  Schloss  um  die  Ursache  zu  erfragen. 
Baltasar  brachte  die  obigen  Anklagen  mit  der  Erklärung  vor,  sein  Gericht 
werde  sich  mit  der  Sache  befassen.  Für  die  sofortige  Freilassung  forderte 
er  126  Goldgulden,  eine  Summe,  welche  die  Familie  weder  aufbringen 
konnte  noch  wollte.  Nun  liess  Baltasar  den  Dam  in  den  Stock  legen  und 
zwar,  obwohl  derselbe  auf  die  Arme  gestellt  war,  mit  den  Beinen,  so  dass 
der  Unglückliche  mit  dem  Haupte  zur  Erde  hing  und  wegen  der  Enge 
der  Löcher  vor  Schmerzen  jämmerlich  schrie.  Das  vermochte  die  Frau 
nicht  anzuhören,  sie  unterhandelte  mit  dem  edlen  Herrn  bis  auf  64  Thaler, 
welche  nächsten  August  an  den  yimon  im  Corneliusbad  gezahlt  werden 


—  98  — 

mussten!  Mit  dem,  was  sie  den  „armen  Unterthanen*'  höchst  unedlerweise 
auspressten,  berichtigten  diese  edle  Herren  ihre  Wirtshausschulden!  Dam 
erhielt  jedoch  die  Freiheit  nicht  eher,  bis  sein  Bruder  sich  für  die  64  Thaler 
vor  dem  Aachener  Schöffengerichte  verbürgt  hatte.  Bezeichnend  für  die 
Stimmung  des  Volkes  ist  folgender  Zwischenfall.  Die  Schönauer  Laten 
weigerten  sich  über  die  Angelegenheit  des  Dam  zu  erkennen,  weil  es  sich 
um  die  Rechte  des  Herrn  zur  Heiden  handle.  Wenn  sie  dem  an  seine 
Gerechtigkeit  tasteten,  sagten  sie,  so  werde  er  sie  verderben.  Baltasar 
liess  sie  durch  seinen  Fiskal  Stückger  fragen,  ob  er  sie  denn  nicht  auch 
verderben  könne?  Auf  die  frivole  Frage  gaben  die  Laten  die  verzweifelte 
Antwort:  wenn  sie  durchaus  zu  gründe  gerichtet  werden  sollten,  wäre  es 
gleichgültig,  durch  wen. 

Das  Verhältnis  zwischen  dem  Herrn  zur  Heiden  und  den  Mylendunck 
war  demnach  noch  immer  sehr  gespannt.  Bongart  fand  bald  Gelegenheit 
gegen  die  Brüder  aufzutreten.  Wir  wissen,  dass  Graft  11  eine  Rente  von 
14  Müdd  Roggen  und  20  Joachimsthaler  auf  das  Schönauer  Hofgut  gelegt, 
dann  aber  dem  Schultheissen  Wilhelm  von  Richterich  gestattet  hatte,  die- 
selbe zu  eigenen  gunsten  anzukaufen.  Vom  Jahre  1586  würde  nun  die 
Geld-  und  vom  Jahre  1589  ab  auch  die  Kornrente  nicht  mehr  gezahlt, 
weil  Richterich  so  viel  eingenommen  habej  dass  damit  das  Kapital  bereits 
abgetragen  sei.  Edmund  von  Richterich,  der  Rechtsnachfolger  des  Wilhelm, 
schloss  mit  Baltasar  über  die  Zahlung  einen  Vertrag  ab,  den  jedoch  Graft  III 
als  Mitherr  nicht  anerkannte,  und  nun  belangte  Edmund  die  Brüder  vor 
dem  Schönauer  Gericht.  Dieses  schloss  sich  der  Auffassung  seiner  Herren 
an,  dass  die  Erben  Richterich  nach  der  Reichsordnung  „über  haben 
und  also  hauptsomma  und  pension  sich  selber  quitirt  habend"  Edmund 
brachte  nun  die  Sache  vor  das  Hauptgericht  zu  Jülich.  Hier  mischte  sich 
Bongart  ein.  Er  bezeichnete  den  Baltasar  als  einen  Anstifter  von  Neuerungen 
und  Turbirungen,  gegen  welche  selbst  dessen  eigener  Schultheiss  mit  den 
Schöffen  protestire.  Baltasar  erkenne  des  Herzogs  von  Jülich  Oberhoheit 
nicht  an,  er  bedrohe  Vogt  und  Gericht  des  Ländchens  zur  Heiden  u.  s.  w. 
Dagegen  erklärte  Mylendunck,  er  handle  nur  wie  seine  Vorfahren,  er  habe 
Schönau  von  der  Sonne  empfangen,  die  Schöffen  nicht  eingesetzt  sondern 
vorgefunden  „als  aus  ihren  scheffencompen  und  kisten  erhellt" ;  des  Fürsten 
zu  Jülich  Steuer  lasse  er  fleissig  einsammeln  und  an  ihren  Ort  abführen; 
er  betrachte  sich  auch  als  Unterthan  des  Fürsten  „in  erwegung  bei  mir 
Selbsten,  ich  nit  unerweislich  verschiedene  guter  in  fürstlicher  gnaden 
fürstentum  Jülich  liegen  habe,  deren  ich  mich  um  Schönaus  willen  ungerne 
entblösen  solte".  Das  Gericht  zu  Jülich  hat  jedoch  den  Herrn  von  Schönau 
am  27.  Oktober  1604  „ad  barbam  condemnirt",  und  als  Baltasar  nach 
Düsseldorf  appellirte,  geschah  ihm  dasselbe.  Nun  ging  die  Sache  an  das 
Reichskammergericht  und   dort  erkannte  man   die  Reichsunmittelbarkeit 

*)  Die  Reichsordnung:  g^estattete  nur  5®/o  Zinsen ;  was  darüber  hinaus  eingenommen 
wurde,  sollte  als  Amortisation  des  Kapitals  gelten. 


—  99  — 

Scbönaus  trotz  allen  Einreden  des  Herrn  von  Bongart  und  des  Heraogs 
an  (1609).  Die  Folge  war,  dass  Riehterich  im  folgenden  Jahre  seine 
Klage  gegen  Baltasar  in  Speier  erhob.  1596  hatten  Oaft  und  Baltasar 
gemeinschaftlieh  den  Hof  zu  SchöDan  verpachtet.  Der  Prozess  mit  Kiehterich, 
den  Graft  veranlasste  weil  er  dem  Vertrage  seines  Bruders  mit  Edmund 
nicht  beistimmte  und  der  durch  die  Wendung,  welche  er  in  folge  der  Ein- 
mischung Bongarts  und  des  Herzogs  nahm,  sich  zu  einer  Lebensfrage  ffir 
den  Besitzer  von  Schönau  gestaltete,  scheint  Baltasar  auf  den  Gedanken 
gebracht  zu  haben  es  sei  billig,  dass  Graft  die  Suppe,  die  er  eingebrockt, 
allein  ausesse.  Es  ist  ein  Vertrag  zwischen  den  Brüdern  aus  dem  Jahre 
1606  vorhanden,  wonach  Baltasar  Fronenbroch  und  Graft  Schönau  haben 
solle  mit  Ausnahme  jedoch  der  Krimioalgerichtsbarkeit,  welche  sich  jeder 
in  seiner  frühem  Herrschaft  vorbehielt.  Dieses  Abkommen  ist  jedoch  nicht 
zur  Ausfuhrung  gelangt. 

Ahnlich  wie  in  Schönau  erging  es  dem  Baltasar  in  seiner  Halbherr- 
schaft zur  Warden.  Hier  hatte  sein  Oheim  Graft  II  dem  Wilhelm  Keinen 
die  Rentmeisterstelle  auf  so  lange  zugesagt,  bis  dieser  oder  seine  Erben 
wegen  aller  ihnen  zustehenden  Forderungen  befriedigt  seien.  Infolge  dessen 
wurde  der  Schwiegersohn  des  Keinen,  Simon  Nobis,  danach  dessen  Sohn 
Wilhelm  mit  seinem  Schwager  Lersmacher  Rentmeister.  Wahrscheinlich  ist 
auch  in  diesem  Falle  Baltasar  der  Ansicht  gewesen,  die  Erben  , hätten 
über,  demnach  hauptsomma  und  pension  sich  selber  quitirt**,  denn  er  ent- 
setzte 1609  den  Nobis  der  Rentraeisterei.  Darauf  klagten  die  Erben  Keinen 
in  Jülich  ^weil  ihnen  in  administration  des  schultheissenamtes  zur  Warden 
ohne  befugte  ursach  und  bevor  ihnen  ihrer  schadloshaltung  halber  genüg- 
same Satisfaktion  beschehen  indracht  gethan  werden  wolle**.  Die  jülichschen 
Kommissare  verfugten,  dass  Kläger  in  dem  Stande,  in  dem  sie  vor  diesem 
gewesen,  zu  lassen  und  zu  handhaben  seien,  und  das  Gericht  entschied  in 
erster  und  zweiter  Instanz  zu  gunsten  der  Nobis  (1614).  Baltasar  appellirte 
zwar  nach  Speier,  die  Nobis  störten  sich  nicht  daran  und  Hessen  die  ErbpÄchte 
zu  Warden  und  Höngen  mit  Gewalt  abführen.  Noch  einige  Jahre  später 
schrieb  der  Verwalter  an  Baltasar,  die  Nobis  Erben  spielten  den  Meister, 
weil  sie  den  Schultheissen  hinter  sich  hätten;  wenn  Mylendunck  und  Graf 
Schwarzenberg  —  der  andere  Halbherr  —  nichts  dagegen  thäten,  würde 
die  Jurisdiktion  hoch  geschmälert  werden. 

Derselbe  Brief  enthält  die  Hinweisung  auf  eine  Exekution,  die  von 
Jülich  aus  in  der  Warden  zu  gunsten  eines  Lambert  von  Volkershoven 
befohlen  worden  war.  Zur  Zeit  des  jülichschen  Erbfolgekrieges  hatte  eine 
der  streitenden  Parteien  den  Wardenern  eine  Brandschatzung  auferlegt. 
Lambert  war  damals  Statthalter  der  Herrlichkeit  Berg^  Er  hatte  den 
Hausleuten  den  Brandbrief  erst  einen  Tag  vor  Ablauf  der  festgesetzten 
Frist  vorgelegt.  Während  nun  der  Bote  nach  Jülich  ging  um  die  Schätzung 
zu  erlegen,  geschah  der  Brand,  der  gerade  die  Besitzung  des  nachlässigen 

*)  Laurenzberg  bei  Aldenhoven. 


—  100  — 

Statthalters  traf.  Weil  Lambert  demnach  durch  eigene  Schuld  ins  Unglück 
gekommen  war,  wollten  die  Einwohner  ihn  nicht  entschädigen  und  protestierten 
gegen  die  angedrohte  Exekution.  Auch  wendeten  sie  ein,  Volkershoven 
sei  exemt,  wenn  ein  anderes  Hausmannsgut  in  Flammen  aufgegangen  wäre, 
hätte  dieser  Hof  auch  nichts  gegeben. 

Noch  ein  anderes  Schreiben,  Wardener  Verhältnisse  betreffend,  liegt 
vor.  Absender  ist  Henricus  Vichenius,  einer  der  mylendunckschen  Sach- 
walter. Er  schreibt:  „Wegen  reparation  des  Kackschen^  zu  Warden  wird 
der  Palander  rentmeister  den  greven  zu  Schwarzenberg  um  beilage 
ansprechen  .  .  .  Der  rentmeister  hojBft,  ire  gnaden  werden  gelt  oder  holz 
darzu  bewilligen  .  . .  Der  Palander  schultheiss  Petrus  Palant  hat  die  vroege 
I  von  der  Warden  hinter  sich  und  ist  im  jair  nicht  eins  überkommen  *',  des- 
halb das  herrengeding  ad  conservandam  iurisdictionem  bis  dahin  hat  müssen 
anstehen  bleiben  .  .  .  Habe  von  Leuffgens  verstanden,  dass  euer  gnaden 
etliche  sumberen  korns  erblich  zu  verlassen  gemeint;  wan  dan  e.  g.  auf 
jederen  morgen  nur  ein  oder  zwei  albus  pfenningsgelt  sich  vorbehalten,  so 
pliebe  die  Jurisdiktion  ungeschwecht*." 

In  der  Herrschaft  Hüls*  sah  es  nicht  besser  aus.  1603  bekundete 
Baltasar,  er  habe  „in  unsern  sonderbaren  anliegen"  aufgenommen  1.  von 
Heinrich  von  Brück  600  Thaler  Mörsischer  oder  Crefelder  Währung,  wofür 
das  Pachtgeld  von  12  Morgen  —  2.  von  Burkart  Kreins  300  Thaler,  wofür 
der  Pacht  von  6  Morgen  —  3.  von  Wilhelm  Müller  „unserm  gewesenen 
diener**  300  Thaler,  wofür  der  Pacht  von  5^4  Morgen  Land  verschrieben 
worden  sei.  Alle  diese  Forderungen  brachte  der  Schultheiss  Arnold  Strumig 
an  sich  und  da  Baltasar  nicht,  wie  er  versprochen,  das  Kapital  im  Jahre 
1608  abtragen  konnte,  gab  Arnold  noch  800  Thaler  dazu  und  erhielt  28 
Morgen  Hülser  Erbland  in  Pfandschaft  und  Erbpacht.  Das  Land  war  in 
ganzen,  halben  und  viertel  Morgen  an  Einwohner  von  Hüls  verpachtet  (1614). 

1622  klagt  eine  Frau,  dass  Baltasar  ihr  500  Thaler  an  Zinsen  schulde; 
sie  beantragte  Beschlagnahme  aller  Hülser  Einkünfte.  Einem  Lenzen  waren 
für  650  Thaler  5V2  Morgen  Ackerland  verpfändet,  die  er  weiter  vergeben 
oder  gerichtlich  verkaufen  lassen  wollte,  wenn  Mylendunck  das  Geld  nicht 
zurückzahle.  Baltasar  konnte  sich  mit  Recht  in  einem  Briefe  an  den 
Gubernator,  worin  er  um  Aufschub  einer  Exekution  bat,  einen  „armen** 
Verwandten  des  Hauses  Mors  nennen. 

Dazu  litt  er  häufig  an  Gicht  und  Wechselfieber.  1616  und  1625 
haben  ihn  diese  Krankheiten  arg  mitgenommen.  In  letzterm  Jahre  schreibt 
er  an  seine  Tochter  Marie:  „ich  fahe  an  in  dem  gemach  mit  einem  stecken 
zu  gehen,"  und  vom  Wechselfieber:   „der  allmechtige  getreue  Gott  wolle 

*)  Kax  =  Pranger. 

')  nicht  einmal  hergekommen. 

*)  Nicht  ohne  Salz  ist  die  Begründung  dieses  Rates:  „Cavendum  est  a  rusticis, 
quaemnt  quae  sua  sunt  ut  a  subiectione  des  markgelts  et  aliis  consuetis  ac  debitis  oneribus, 
quae  pluris  successu  teraporis  aestimanda  quam  prctium,  exiraantnr. 

*)  Hüls  bei  Crefeld. 


—  101    — 

mich  davon  erledigen,  wan  es  sein  göttlicher  willo  und  mich  sftlig  ist»" 
Baltasar  führte  gern  erbauliche  Reden.  Als  ihm  der  Bote  Drischgcu  mit- 
teilte, dass  auf  Ostertag  die  Mauer  an  der  Tränke  in  Schönau  eingestUrRt 
sei,  schrieb  er:  „Ich  hette  wol  mehr  glucks  bedurft;  aber  man  muss  allos 
mit  geduld  von  Gottes  hand  annehmen/  Weniger  erbaulich  war  sein 
Lebenswandel, 

Nach  einem  Schönauer  Stammbaum  war  Baltasar  mit  einer  von  Ilornt 
verheiratet  gewesen.  Aus  dieser  Ehe  stammte  eine  Tochter,  Agnes,  wohrho 
den  Johann  von  Kessel,  Witwer  von  Helene  Speo,  ehelichte.  Den  HelraiH- 
vertrag,  der  vom  27.  März  1618  datirt,  haben  wir  bereits  mitgeteilt.  Im 
folgenden  Jahre  bestellte  Baltasar  seinen  Schwiegersohn  als  Vortreter,  um 
alle  im  Lande  von  Kessel  aus  der  Neuenarer  Erbschaft  fallenden  (4ebUren 
zum  dritten  Teile  zu  erheben,  da  er  selbst  wegen  „loibsHchwachfieit, 
weitentsessenheit  und  anderer  ungelegenheit**  das  nicht  könne.  Die  Kinder 
des  Johann  und  der  Agnes  waren  Baltasar  und  Adolf  v(m  KcHseJ. 

Nach  dem  Tode  seiner  Frau  Hess  sich  Baltasar  von  Mylendunck  mit 
der  Tochter  des  Rentmeisters  von  Fronenbrocli,  Helene  Brauhoff',  ein.  Hie 
gebar  ihm  drei  Kinder:  Amandus,  den  spatem  Herrn  von  Hchönau,  Anna 
Maria,  welche  am  21.  Oktober  liS'M  in  Hörstgen  mit  Adolf  von  HillenH- 
berg  getraut  wurde,  und  Agnes. 

1629  war  Baltasar  zum  Tode  erkrankt  Auf  dem  Htxjrbebett^^  hei- 
ratete er,  jedenfalls  um  die  Kinder  zu  legitimieren,  die  Brauhoff,  ^Auf 
Begehren  Amandi  von  Mylendunck"  ernchienen  am  6.  März  „neuen  kalen- 
ders*  vor  dem  Notar  Pin  Herman  vom  Hirtz  genant  von  der  Landwkron, 
Johan  Jakob  und  I*>ak  von  Streithagen  zu  Ursfeld*,  Mathia?*  Brtill,  Handel»- 
mann  der  Stadt  Aa^rhen,  Quirin  Becker,  Johan  und  l>;mmen  OrtinAfw, 
Untersass»^n  der  Herrlichkeit  S^honau  und  erklarten:  heut/*  vorrnittÄg» 
habe  der  Herr  Balta>ar  von  Myl^r.dunck  die  „f^hr-  und  tutreridreiche*  Krao 
Hilleken  Brauh'^ff  zu  »einer  eh^-li^hen  Hi'j-ifrau  getra'jt  und  zwar  nf'U^n 
sie,  «la  beide  der  ref-niiierten  KfV.in  j^.  ar.:.'^J,">r^^:n.  dur^rh  ein^rn  I'r4dikant>rn 
zusanin^en  ge^o'^on  w<^r«jf:n.  Die  Ze.^'-^a  l-;k;r.den  ^V-r  Har,'J!jr*g  */ei' 
gew' L^t  z\  L-i'-er;.  r.^'h  denn  \V'.K:'\.rr./j:  \W.*'^.-^r  ^*/h  \mi  ^r^'J*H  a*if- 
richte:- d.  z:^:://, '].-:->  **^.k-"  l^S- ^  \:A  -j  v-i  v(;r-*;i'.!^  **',<rr,':e.  '\m  f]*-;/^ 
nectes  r.l:  •]  irr-:'?. .:./  *'%*.vr  r-- :/^:.  :,.:  :  l.  :,/.':.  '.:A  fr-:  ^'/-f./i/ ;,  v^ri,' h 
bf^ii.--  s.*  '  't  !  ■^"--r  *-'  ^  **-'  *■'■•  \  >  •  -  ! '^  "  ->.  ►  '.  •'  '  '••  'i'-'f^''  *'; '.^ti 
jedv-e:>r^;-  :,  i  :.  -v.  -'--•;  -"  --  -:--:..•  -  .*  "^:*-.:  ,  /-:'.  *,.%:;,  .'/:  *,f,u 
ilari -f  -•.:.'  z  r  r<:.  '■  /:  -: .  :.'.*\-:.' 


—  102  — 

gesetzt,  die  beiden  Töchter  sollten  je  6000  Gulden  erhalten.  Ein  Codizill 
bestimmte  noch,  dass  Schönau  an  eine  der  Töchter  fallen  solle,  wenn 
Amandas  ohne  eheliche  Nachkommen  sterbe. 

Nach  dem  Tode  des  Vaters  ging  Agnes  zu  ihrem  Vetter  Baltasar 
Brauhoflf,  dessen  „rechte  möhn"  ihre  Mutter  war  und  heiratete  denselben 
1630.  Bevor  sie  nach  Rees  kam,  wo  Brauhoff  in  Garnison  lag,  hatte  sie 
sich  eine  Zeitlang  zu  Neukirchen  in  der  Grafschaft  Mors  aufgehalten,  von 
wo  sie  folgenden  Losschein  mitnahm. 

„Ehmwürdige  wolgelehrte  herren  und  vielgeliebte  brüder  in  Christo. 
Demnach  vorweiserin  dieses,  Jungfrau  Agnes  von  Mylendonck,  aus  geheimen 
sonderbaren  Ursachen,  inmassen  e.  e.  von  erstgedachter  person  münd-  und 
gründlich  zu  vernehmen,  eine  Zeitlang  sich  bei  uns  aufgehalten,  auch  für- 
habens  gewesen,  mit  ihrem  cognato  Baltasar  Brauhoff  genant,  so  jetzo  in 
der  herren  staden  diensten  zu  Rees  liegt,  assentientibus  parentibus  ehelich 
copuliren  zu  lassen,  worinnen  nechst  reifer  rathschlagung  mit  schrift-  und 
rechtsverständigen  leuteu  rebus  sie  stantibus  dis  orts  were  wilfahrt  worden ; 
dieweil  aber  Unsicherheit  halben  anhero  zu  kommen  sponsus  unrathsam  zu 
sein  erachtet:  so  wird  gemelte  Jungfrau  verursachet  ihren  weg  nach  Rees 
zu  nehmen  und  daselbst  nuptiarum  consummationem  gebürlichen  zu  gesinnen, 
wie  auch  um  deswillen  gegenwertige  attestatio  von  mir  begeret,  so  ich 
dergestalt  nicht  weigeren  können.  Zuversichtlich  mich  verlassend,  e.  e. 
werden  diesem  allem  glauben  zustellen  und  in  diesem  casu  matrimonial! 
also  prozediren,  damit  laesa  conscientia  befriediget,  ärgernus  abgethan  und 
grösser  übel  verhütet  werde.  Hiermit  e.  e.  samtlich  und  sonders  in  den 
schütz  des  Allmächtigen  empfolen.  Actum  Neukirchen  in  der  grafschaft 
Morsch  den  25.  junii  1630.  E.  E.  dienstwilliger  mitbruder  Fridericus 
Casimirus  Sohnius  minister  verb.  div.  mp." 

Agnes  starb  bald  nach  ihrem  Manne.  Sie  hinterliess  zwei  Kinder, 
deren  sich  ihr  Schwager  Adolf  von  Hillensberg  annahm.  Der  Knabe  starb 
und  wurde  zu  Warden  begraben,  die  Tochter  Anna  Maria  Brauhoff  heiratete 
den  Wilhelm  de  Blanche. 

g)  Amandus  von  Mylendunck,  Herr  zu  Schönau,  Hüls  und  Warden 
(1629 — 1674),  ein  wahrer  „Johann  ohne  Land".  Noch  am  Sterbetage  seines 
Vaters  nalun  Amandus  unter  Beobachtung  aller  Förmlichkeiten  Besitz  von 
Schönau,  wobei  ihm  die  Herren  Johann  von  Keverberg-Meven,  Herman 
von  Hirtz  und  Baltasar  von  Streithagen  als  Zeugen  dienten.  Aber  während 
er  sich  in  Fronenbroch  befand,  wohin  er  die  Leiche  seines  Vaters  zu 
Grabe  geleitet  hatte,  nahm  sein  Vetter  Adolf,  ein  Sohn  Herman  Dieterichs, 
der  Präsident  des  Reichskammergerichts,  der  von  Baltasar  zum  Testaments- 
exekutor ernannt  worden  war,  Schönau  mit  bewaffneter  Hand  ein  und 
zwang  selbst  die  Mutter  sowie  die  Schwestern  des  Amandus  ihm  den  Treu- 
eid zu  leisten.  Den  Grund,  mit  welchem  der  „president**,  wie  er  gewöhn- 
lich in  den  Akten  genannt  wird,  die  Gewaltthat  rechtfertigte,  kann  man 
sich  leicht  denken:  er  bestritt  die  Ehe  des  Baltasar  mit  der  Brauhoff  und 


—  103  — 

damit  die  Legitimität  und  Rechtsfolge  ihrer  Kinder.  Es  kam  natürlich 
zum  Prozesse  zwischen  ihm  und  Amandus,  aber  der  Präsident  hielt  sich 
his  zum  Jahre  1634  im  Besitze  von  Warden  nebst  dem  Hofe  und  Zehnten  von 
Niedermerz  und  bis  zu  seinem  1642  erfolgten  Tode  im  Besitze  von  Schönau. 

1635  verpachteten  Amandus  und  Anna  Maria  den  Hof  zu  Niedermerz 
für  einen  trockenen  Weinkauf  von  50  Thaler  und  einen  jährlichen  Pacht 
von  55  Malter  Roggen,  5  Malter  Weizen  und  Spelz,  12  Malter  Hafer, 
2  Verken,  einen  fetten  Hammel,  endlich  12  Pfund  Zucker,  ein  Pfund  Ingwer 
und  ein  Pfund  Pfeffer  zum  Neujahr.  Wegen  der  Benden  und  Weiden 
sollte  der  Pächter  17  Goldgulden,  dem  Domkapitel  in  Köln  musste  er  jähr- 
lich 12  Gulden  zahlen.  Die  Gerechtigkeit  auf  dem  Propsteier  Wald 
genossen  Herrschaft  und  Pächter  je  zur  Hälfte;  dafür  pflanzte  letzterer 
iährlich  zwei  Apfel-  und  zwei  Birnbäume  in  den  Baumgarten. 

1636  heiratete  Anna  Maria  von  Mylendunck  den  Adolf  von  Hillens- 
berg^  Nun  hatte  Amandus  einen  Schwager  aber  auch  einen  Dränger 
mehr.  Nach  dem  Testamente  des  Vaters  hätte  er  den  Schwestern  je  6000 
Gulden  auszahlen  müssen,  und  beide  sprachen  ihn  „durch  gute  leute*'  oft 
um  diese  Sunmie  an.  Aber  woher  sollte  Amandus  „der  immer  im  elend 
lebte**,  das  Geld  nehmen?  Er  vertröstete  die  Schwestern  auf  den  Zeit- 
punkt, wo  er  im  Besitze  von  Schönau  sein  werde.  Damit  waren  die  Damen 
jedoch  nicht  zufrieden.  Wenn  er  ihnen  kein  Geld  geben  könne,  Hessen 
sie  ihm  durch  den  Vetter  von  Fronenbroch  sagen,  so  möge  er  die  Güter 
mit  ihnen  teilen.  Sie  setzten  auch  wirklich  am  Hauptgericht  zu  Jülich 
durch,  dass  ihnen  Warden  zugesprochen  wurde.  Weil  jedoch  „ter  Warden 
nu  nit  als  de  hoigheit  in  resto  was",  nahmen  Hillensberg  und  seine  Frau 
nach  dem  Tode  des  Präsidenten  Schönau  ein,  und  Amandus  hatte  abermals 
das  Nachsehen.  Als  die  Hillensberg  auf  das  Haus  kamen  —  am  20.  Aug. 
1642  —  fanden  sie  „zur  weit  Gottes  keinen  beweis  alda  und  wussten 
selber  auch  nichts  von  schönauer  recht  und  gerechtigkeit**,  so  dass  sie 
sich  mit  Zeugenaussagen  behelfen  mussten.  Erst  1659  erfuhren  sie,  dass 
der  Präsident  sämtliche  Briefe  und  Urkunden,  die  Schönau  betrafen,  in 
das  Aachener  Kapuzinerkloster  hatte  schaffen  lassen.  Das  war  ihnen  um 
so  härter,  als  sie  sich  vielen  Bedrängungen  von  selten  des  Herrn  zur 
Heiden  ausgesetzt  sahen.  Otto  von  dem  Bongart,  der  1632  auf  Wilhelm 
gefolgt  war,  dachte,  weil  der  Präsident  und  die  Mylendunck  zu  Speier 
prozedierten  „were  es  zu  rechter  zeit  alle  schönauer  gerechtigkeit  an  sich 
zu  zeighen*,  die  wiel  ihm  bewust,  dass  der  President  nichts  darin  thete 
und  ihm  Schönau  wolte  verkaufen".  In  die  Fussstapfen  Ottos  trat  dessen 
Witwe.  „Die wiel  nu  aber  die  jetzige  witwe  von  der  Heiden  mit  alle  ge- 
walt  boussen  einiges  recht  mit  gewerter  band  keine  attentaten,  so  grob 
sie  sein,  understehet  *  .  .  .  und  sobald  als  sie  von  der  Heiden  etwas  ver- 

')  Die  Hillensberg,  deren  Wappen  zwei  senkrechte  Pfähle  mit  aufgelegtem  Tumier- 
kragen  zeigt,  waren  Bürger  der  Stadt  Eees.  Daher  mag  es  kommen,  dass  ein  Zeuge  aus- 
sagt, dieselben  seien  gar  keine  adelige,  sondern  eine  einfache  bürgerliche  Familie  jener 
Stadt.    *)  Ziehen.    ')  unterlässt. 


—  104  — 

nehmen  kunnen,  dass  einige  uf  schonauer  underthanen  zu  pretendiren 
haben,  zeichen  sie  dieselben  an  sich  und  fallen  mit  gewalt  uf  schonauer 
gut  und  doen  die  exekution  .  .  .  und  alle  schonauer  underthanen  wieders 
bedreuet,  mich  in  keinerlei  manieren  zo  obedeiren  ^  oder  sie  wolte  dieselbe 
im  thorn  werfen  und  dapfer  briichten  geben  lassen,  also  dass  nicht  ein 
einziger  underthan  alhier  darf  komen,  welcher  mich  kundschaft  darf  geben 
von  allen  die  attentaten,  die  sie  geübt  hat.  .  .  .  Noch  zu  gedenken,  dass 
die  von  der  Heiden  mit  gewalt  die  schonauer  underthanen  in  hessische 
und  lotaringische  beschwerlichen  kriegszeiten  nacher  der  Heiden  gezwungen 
zu  "vyachen  und  das  Haus  Schonau  desolat  gelassen,  und  wir  uns  mit 
fremde  leut  haben  müssen  verdedigen  mit  Unkosten  und  uns  in  das  userste  * 
ruin  zu  bringen  .  .  .  Und  so  halt  als  es  ihr  ins  haupt  komt  und  einiche 
attentaten  anfangt,  als  dan  doet  sie  es  mit  ein  par  hondert  baurn  mit  ge- 
wapfenter  haut/     So  klagt  Hillensberg. 

Amandus  machte  schliesslich  gute  Miene  zum  bösen  Spiel.  Er  er- 
klärte sich  damit  einverstanden,  dass  die  Schwestern  Schönau  und  Warden 
so  lange  abnutzen  sollten,  bis  sie  ihr  Kapital  und  die  Zinsen  von  1629 
ab  erhalten  hätten  und  dass  auch  die  Mutter  ihren  Unterhalt  von  dort 
beziehe.  Er  hielt  sich  auch  selbst  einige  Jahre,  „in  fried  und  einigkeit** 
zu  Schönau  auf.  Da  spielte  Max,  der  Sohn  Grafts  III,  Herr  zu  Pronen- 
broch  und  Hörstgen,  den  Störenfried.  Er  beredete  den  Amandus  zu  dem- 
selben Tausche,  der  einst  zwischen  ihren  Vätern  geplant  gewesen  aber 
nicht  zur  Ausführung  gekommen  war.  Amandus  sollte  Fronenbroch,  Max 
Schönau  haben.  Der  Vertrag  wurde  1663  unter  Vermittelung  des  Predigers 
ter  Herbrüggen  auf  6  Jahre  „und  so  fort"  abgeschlossen;  Zeugen  waren 
die  Prediger  Petrus  Taschenmacher,  pastor  de  Vierlinxbeck  und  Arnoldus 
Loitink,  ecclesiae  repellentis  in  comitate  Morsensi  pastor.  In  demselben 
Jahre  hatten  die  Eheleute  Hillensberg  den  Hof  zu  Schönau  von  neuem 
auf  zwölf  Jahre  verpachtet. 

Amandus,  der  eine  Zeitlang  Gast  des  Fronenbrochers  gewesen  war, 
erschien  1664  auf  Schönau,  erklärte  sich  für  den  alleinigen  Herrn,  ver- 
kaufte und  versetzte  Ländereien  und  Pachte.  Das  setzte  wiederum  einen 
Prozess  mit  Hillensberg  ab.  Das  Verfahren  des  Amandus  stand  in  Wider- 
spruch mit  einer  Vereinbarung  zwischen  ihm  und  Adolf,  wonach  keiner 
von  beiden  das  Recht  haben  solle  „haus  und  gerech tigkeit,  garden,  weieren, 
benden  den  putzdriesch  genant,  jungenbusch  plattenweier  genant,  weid  den 
pesch  samt  den  camerhof  in  welcher  besirk  das  haus  Schönau  gelegen 
ist,  capuin  und  erbpfachten  zu  verkaufen,  versetzen,  vertauschen  in  keiner- 
lei manieren,  wie  es  namen  haben  möchte  oder  kunte,  sondern  sal  nun  bis 
zu  ewigen  dagen  blieben  an  denjenigen,  die  von  hern  Baltasars  von 
Mylendunck  lief  gesprossen  sein". 

Mit  Berufung  auf  diesen  Vertrag  und  das  Testament  Baltasars  hielt 
Hillensberg   am    Besitze    Schönaus    fest.     Da   versuchte    Max    stärkere 

*)  gehorchen.    *)  äusserste. 


—  105  — 

Mittel.  Im  Dezember  1664  erschien  er  mit  einem  Haufen  Reiter  vor  dem 
Schlosse  und  begehrte  Einlass.  Als  ihm  derselbe  verweigert  wurde,  drohte 
er,  er  werde  bald  wiederkommen,  die  Trompete  im  Dorfe  blasen  und  den 
Hillensberg,  wenn  er  ihn  erwische  so  traktieren,  dass  der  Rücken  dem 
Bauche  gleich  und  gemäss  wäre  und  das  Gehirn  an  den  Wänden  kleben  bleibe. 

Auch  die  Heidener  beteiligten  sich  an  der  Hetze.  Als  Philipp  Adolf 
von  Kessel  mit  den  Windhunden  auf  den  Schönauer  Acker  ging,  begegnete 
ihm  der  Sekretär  von  der  Heiden.  Derselbe  schoss  auf  die  Windhunde 
und  rief  seinen  Leuten  zu  „selten  den  schelmen  greifen".  Andein  Tags 
zog  er  mit  dem  ganzen  Heidener  Jagdtrosse  und  einem  Haufen  bewaffneter 
Schützen  vor  Schönau,  jagte  ringsum,  liess  „dem  herrn  zum  speit"  *  das 
Hörn  blasen  und  schrie:  „Wo  bleiben  nun  die  fauligen  vom  haus  Schönau? 
Ich  will  sie  noch  ehender  kriegen  als  der  teufel,  dan  sie  sind  nicht  alle- 
zeit auf  dem  haus." 

Aber  auch  durch  diese  Roheiten,  welche  für  den  Verfall  der  guten 
Sitten  unseres  edlen  deutschen  Volkes  in  der  Zeit  nach  dem  dreissigjährigen 
Kriege  bezeichnend  sind,  liess  sich  Hillensberg  nicht  einschüchtern.  Er 
wahrte  die  Rechte  Schönaus  gegen  die  Heidener,  versetzte  auch  wohl 
Schönauer  Ländereien,  wenn  er  Geld  nötig  hatte,  —  so  1659  drei  Morgen 
aus  dem  Hirzerfeld  an  die  Laurensberger  Kirchmeister  für  200  Thaler,  — 
bemühte  sich  aber  auch  redlich  die  Verhältnisse  und  zwar  zunächst  die 
Wardener  zu  ordnen.  1641  legte  er  die  1000  Thaler  an  Peter  Herl  ab. 
Die  Erben  Heinen  hatten  nun  noch  300  Thaler,  50  Doppeldukaten  und 
250  schwere  Thaler  zu  fordern.  Ihr  Recht  auf  die  entsprechenden  Renten 
erwarb  Hillensberg  ebenfalls,  und  die  fürstlichen  Kommissare  Johann  von 
luden  und  Peter  Ritz  erklärten  1648,  dass  er  dabei  zu  raanuteniren  sei. 
Die  Kommissionskosten  in  der  Wardener  Angelegenheit  beliefen  sich  auf 
nicht  weniger  als  1220  Thaler  3  Schillinge. 

Am  2.  September  1667  erlöste  ihn  der  Tod  von  aller  Sorge.  Er 
wurde  in  Warden  begraben.  Seine  Witwe  setzte  den  Kampf  gegen  die 
Frau  zur  Heiden  wacker  fort,  unterstützt  durch  Baltasar  von  Kessel,  der 
als  Statthalter  des  Gerichts  die  Geschäfte  führte. 

Mittlerweile  kam  Araandus  zur  Einsicht,  dass  sein  Vetter  Max  ihn 
arg  hintergangen  habe.  Es  stellte  sich  heraus,  dass  dessen  Güter  Fronen- 
broch  und  Hörstgen  derart  überschuldet  waren,  dass  allein  der  Abt  von 
Kamp  20000  Thaler  daran  zu  fordern  hatte.  Dann  aber  liess  Max  den 
armen  Amandus  in  einer  schweren  Krankheit  trotz  allen  Bitten  ohne  jede 
Unterstützung.  Darum  widerrief  Amandus  am  29.  Oktober  1670  vor  dem 
Notar  Collen  in  Aachen  den  Vertrag  von  1663.  Am  7.  Juli  1671  erstritt 
er  sodann  ein  obsiegendes  Urteil  gegen  die  Eheleute  Hillensberg;  sie 
wurden  angewiesen  dem  Amandus  Haus  und  Herrlichkeit  Schönau  abzu- 
treten. Warden  und  Merz  waren  demselben  schon  1668  zugesprochen 
worden.    Aber   auch    dieser  Sieg   hatte   für   Amandus   keine  Bedeutung. 

*)  Spott,  Verdruss,  Aerger. 


—  106  — 

Max  hielt  am  Vertrage  von  1663  fest  und  betrachtete  das  Urteil  als  zu 
seinen  Gunsten  gesprochen.  Am  14.  August  1671  rückte  er  mit  Heidener 
Schützen  vor  Schönau  und  nahm  das  Haus  ein.  Die  Witwe  Hillensberg- 
rief  zwar  während  des  Einbruchs  „sie  wolle  ihren  bruder,  herrn  Amandus 
von  Mylendunck,  gutwillig  einlassen,  der  Max  hette  alda  nichts  zu 
schaffen",  aber  die  Einsicht  kam  zu  spät.  Die  Einbrecher  hausten  wüst. 
Vieles  wurde  zerschlagen  und  verbrannt,  den  Rest  behielt  Max.  Er  Hess 
das  Haus  zerfallen,  hieb  das  Gebüsch,  selbst  die  Obstbäume  nieder  und 
verbrannte  oder  verkaufte  das  Holz.  Die  Witwe  Hillensberg  schrieb  an 
den  Bruder  des  Max  —  Dezember  1.  ohne  Jahr  — :  „Es  gehet  alhier 
wunderlich  zu;  das  land  bleibt  ungebaut,  und  als  sie  haben  angefangen 
zu  dreschen  hab  ich  von  den  fruchten  und  auch  biesten  protestirt,  und 
stossen  sich  nit  an  protest  und  faren  immer  fort  mastbiesten  abzuthun; 
meinen  vorrath  ist  vorerst  gessen,  das  dienstvolk  laufet  mir  alle  tag  an 
die  Ohren  und  ich  kann  sie  leider  Gott  nit  helfen;  es  werden  kein  kohlen 
geholt;  es  wird  hier  viel  ding  vertestuiret  ^,  welches  am  Haus  wieder 
aufzurichten  sehr  schedlich^  ist.** 

Amandus  verpföndete  am  22.  August  1671  Haus  und  Herrlichkeit 
Schönau  durch  Akt  des  Notars  Johann  von  Trier  an  den  Gubernator  der 
Festung  Rheinberg  und  dessen  Frau  Gertrud  von  Bronckhorst  für  6000 
Reichsthaler,  die  er  nach  seinem  Ausdruck  „zur  abstattung  meiner  Schuldig- 
keit, vornehmlich  meiner  Schwester  sodan  den  nichten  Blanche^  und  nötige 
eigene  Verpflegung"  *  geliehen  hatte.  Wir  sehen,  dass  er  sich  der  Schwester 
wieder  näherte.  Die  völlige  Aussöhnung  ergiebt  sich  aus  dem  Testaments- 
konzept von  1673,  worin  Amandus  „zu  ziemlichem  alter  gekommen"  zu- 
nächst alle  Verträge  widerruft,  die  er  mit  seinem  Vetter  Max  gemacht  hatte, 
dann  seine  Schwester  Anna  Maria  zur  Universalerbin  einsetzt,  endlich  die 
Enkel  seiner  Schwester  Agnes  der  Witwe  Hillensberg  substituiert.  Das 
Testament,  welches  er  „krank  zwar  an  leib  aber  an  verstand  ganz  unge- 
schwächt" 1674  in  Aachen  vor  Notar  und  Zeugen  verfasste,  gibt  ausser- 
dem den  Grund  des  Widerrufes  jenes  Vertrages  an:  „weil  seine  vetteren 
Goddart  und  Max  ihn  mit  glatten  worten  dazu  gebracht**  aber  ihrerseits 
die  Bedingungen  nicht  gehalten  hätten. 

Aus  demselben  Jahre,  Juli  2.,  stammt  eine  Urkunde,  worin  Amandus 
den  Jesuiten  zu  Jülich  den  Ueberrest  des  Hofes  und  den  Zehnten  zu 
Niedermerz  gerichtlich  verschreibt  „zu  erhebung  400  pattakons".  Er  ver- 
spricht seine  Nichte  Anna  Maria  de  Blanche,  welche  vor  einigen  Jahren 
durch  das  Düsseldorfer  Hofgericht  in  den  Zehnten  eingesetzt  worden  war, 
aus  andern  Gütern  zu  entschädigen. 


*)  mutwilUg  verdorben.    *)  kostspielig. 

^)  den  Rechtsnachfolgern  seiner  Schwester  Agnes. 

*)  lieber  des  Amandus  Verhältnisse  und  die  der  Witwe  HiUensberg  schreibt  der 
Ltitticher  Kanonikus  Gerard  von  Kessel  am  24.  Februar  1673:  „der  goeder  her  Amandus 
is  binnen  Aakon  in  siechte  kleider  en  siecht  onderhalt,  syn  snster  is  op  Ursveit  uyt  mit- 
leiden angenomen,  so  lang  als  dat  sal  duyren.*^ 


—  107  — 

Endlich  gab  dem  Violgeplagten  das  Eeichskammergericht  auch  gegen 
den  Max  Recht.  Am  7./ 17.  Juli  1674  erfolgte  der  Spruch,  dass  es  Max 
„nicht  geziemet  noch  geburt  habe  haus  und  herrlichkeit  Schönau  einzuneh- 
men sondern  daran  zu  viel  und  unrecht  gethan**.  Auf  dieses  Urteil  hin  ver- 
pfändete Andreas  von  Hillensberg  zu  Ürsfeld,  der  Bruder  des  verstorbenen 
Adolf,  für  200  Thaler  „gewisses  silberwerk  und  klenodien''  bei  der  Witwe 
Puissont  zu  Aachen  und  übergab  das  Geld  dem  Amandus  und  der  Anna 
Maria  gegen  Verpföndung  des  Neuen  Bends  zu  Schönau.  Sollte  sich  die 
Einräumung  des  Hauses  Schönau  verzögern,  so  dürfe  Andreas  die  Pfand- 
schillinge einlösen,  welche  Buirette  auf  Warden  vorgeschossen  hatte  und 
an  dessen  Stelle  treten.    Warden  war  also  auch  verpfändet. 

Auch  vom  Siege  über  Max  hatte  Amandus  keinen  Vorteil;  er  starb 
noch  in  demselben  Jahre. 

Andreas  hatte  klug  gehandelt,  als  er  sich  für  seine  200  Thaler  eine 
zweite  Sicherheit  stellen  liess.  Kaum  hatte  Amandus  die  Augen  ge- 
schlossen, da  „erschien 

h.  Maximilian,  Freiherr  von  Mylendunck,  Schönau,  Pronenbroch, 
Hörstgen,  Herr  zu  Hüls  und  zur  Warden  etc.  nach  absterben  des  herrn 
Amandi  .  .  .  und  ergriff  besitz  von  dem  hause  und  der  herrschaft  Schönau 
ubermitz  deroselben  unterthanen  von  Gott  dem  allmächtigen  und  dem  h. 
element  der  sonnen,  wie  sich  gebürt".  Mit  Auflegung  der  linken  Hand 
in  die  Seite  warf  er  einen  goldenen  und  einen  silbernen  Pfennig  unter  die 
Unterthanen  und  empfing  dann  deren  Eid.  „So  geschehen  Schönau  vor 
der  brügge  in  gegenwart  des  pastors  zu  Berg,  Johan  Baptista  Bex  und 
Thomas  Kütgens  sazellan^" 

Die  Witwe  Hillensberg  flüchtete  wieder  nach  Ürsfeld  zu  ihrem 
Schwager.  Sie  konnte  ihr  Recht  am  Reichskaramergericht  nicht  mehr 
geltend  machen  „weil  inzwischen  die  verhergung  der  Stadt  Speyer  durch 
französische  truppen  und  die  verstörung  des  reichskammergerichts  vor- 
gefallen ist".  In  ihrem  Testamente,  datiert  Ürsfeld  15.  Juni  1676,  setzte 
sie  den  Sohn  ihrer  Nichte,  Isak  Lambert  von  Blanche,  zum  Universalerben 
der  ganzen  Hinterlassenschaft  mit  Einschluss  von  Schönau  unter  der  Be- 
dingung ein,  dass  dessen  Mutter,  Anna  Maria  von  Brauhoff,  Witwe  de 
Blanche,  die  Nutzniessung  auf  Lebenszeit  habe  und  jede  seiner  Schwestern 
1600  Reichsthaler  erhalte,  wenn  sie  standesgemäss  heirate. 

Max  von  Mylendunck  behielt  unterdessen  bis  zu  seinem  Tode,  der 
im  Jahre  1692  erfolgte,  die  Herrschaft  Schönau.  Er  war  zwar  ein 
Usurpator  wie  Adolf,  aber  er  verteidigte  die  Gerechtsame  Schönaus  mit 
grösserer  Entschiedenheit  gegen  die  Uebergriffe  der  Heidener.  Im  Jahre 
1679  legte  er  dem  Horbacher  Gerichte  drei  Originalurkunden  vor:  Die 
Anerkennung  der  Schönauer  Gerichtsbarkeit*  durch  Godart  von  der  Heiden 
von  1373,  das  Urteil  des  Jülicher  Hauptgerichtes  von  1510  und  die  Ver- 
einbarung zwischen  Dieterich  von  Mylendunck  und  Werner  von  Schönrade 

*)  Qu  ix,  Schönau  S.  1,  Anm. 


—  108  — 

von  1523.  Das  Gericht  erkannte  dieselben  als  echt  und  richtig  an  und 
versprach,  daraufhin  zwischen  der  Frau  von  Heiden  und  Max  behufs  fried- 
licher Beilegung  aller  Streitigkeiten  vermitteln  zu  wollen. 

Durch  den  Tod  seines  Bruders  Gothard  war  Max  1683  in  den  vollen 
Besitz  von  Fronenbroch  und  Hörstgen  gelangt.  Ausser  diesen  beiden 
waren  noch  andere  und  zwar  uneheliche  Kinder  von  Graft  HI  vorhanden. 
Baltasar  erklärte  1616,  dass  seine  Vormünder  den  Rindsbrucker  Hof  in 
das  Grundbuch  des  Scholasters  vom  Stifte  Essen  auf  seinen  Namen  hätten 
eintragen  lassen.  Da  aber  der  Hof  bei  der  Teilung  seinem  Bruder  Graft 
zugefallen  sei  und  dieser  ihn  gebeten  habe,  denselben  auf  den  Namen 
eines  der  mit  Margarethe  von  Eitelbeck  gezeugten  Kinder  eintragen  zu 
lassen,  so  wolle  er,  dass  sein  (Baltasars)  Name  im  Buche  gestrichen  und 
an  dessen  Stelle  Adolf,  der  natürliche  Sohn  des  Graft,  angeschrieben  werde. 

Das  Leben  des  Max  war  auch  nicht  ohne  Tadel.  Er  lebte  lange 
Zeit  in  wilder  Ehe  mit  einer  „adeligen  juflFer  Tegelen  vom  Bungart  nechst 
Issum".  Seine  beiden  Töchter  waren  schon  „zu  mannbaren  jähren"  ge- 
kommen, als  Max  die  Tegelen  vor  einem  „statischen  prediger"  zu  Vaels 
heiratete.  Bevor  es  zu  dieser  Eheschliessung  kam,  war  eine  andere  ver- 
sucht worden,  die  nach  einer  im  Jahre  1737  abgegebenen  Erklärung  der 
Antoinette  von  Blanche  folgenden  Verlauf  genommen  haben  soll.  Max 
liebte  es  nach  der  Gewohnheit  des  damaligen  Landadels  jener  Gegend  in 
den  Kneipen  herumzusitzen  und  mit  Leuten  des  niedrigsten  Standes  Bier 
und  Branntwein  zu  trinken.  Zur  Zeit  als  seine  Tochter  Margarethe 
Elisabeth  etwa  24,  die  andere,  Anna  Maria  20  Jahre  alt  war,  kam  Max 
eines  Tages  ganz  betrunken  nach  Hause  und  stürzte  auf  der  Fallbrücke 
zusammen.  Man  trug  ihn  für  tot  ins  Haus  und  legte  ihn  auf  ein  Bett  im 
Saale.  Die  Töchter  schickten  den  Diener  Marschall  sofort  nach  Aachen 
zu  dem  reformierten  Prediger  Wenninger,  damit  dieser  noch  die  Trauung 
vornehme.  Als  der  Bote  mit  der  Nachricht  zurückkehrte,  der  Prediger  sei 
abwesend,  warf  sich  die  älteste  Tochter  auf  ein  Pferd  und  holte  den 
katholischen  Pfarrer  von  Laurensberg.  Der  legte  die  Hand  des  Max  in 
die  Hand  der  Tegelen  und  fragte  ihn  wiederholt,  ob  er  die  Margarethe 
Tegelen  zu  seiner  Hausfrau  nehme.  Es  erfolgte  jedoch  von  selten  des 
bewusstlosen  Max  keine  Antwort  „weder  mit  zeichen  weder  mit  drücken 
w^eniger  mit  werten".  Als  Max  wieder  zu  Kräften  und  Gesundheit  ge- 
kommen war  und  von  dieser  sonderbaren  Trauung  hörte,  beteuerte  er 
öflFentlich,  er  wisse  von  keiner  Heirat  und  drohte,  er  werde  dem  Pfarrer 
von  Berg  „denselben  weil  er  rothe  hären  hatte  rothkopf  nennend"  tot- 
schiessen,  wenn  er  sich  unterstehe,  diese  Eheschliessung  in  seine  Bücher 
einzutragen.  Die  Zeugin  wusste  das  alles  so  genau,  weil  sie  damals  mit 
ihrer  Mutter  auf  dem  Vorhofe  zu  Schönau  gewohnt  und  dem  geschilderten 
Auftritte  neben  Philipp  Gentis,  Fettmenger,  Bemelman  und  zwei  mylen- 
dunckschen  Advokaten,  Richterich  und  Defoure,  im  Säle  zugesehen  hatte. 

Der  damalige  Herr  zu  Crsfeld,  Charles  de  St.  Remy,   belangte  die 


—  109  — 

Töchter  des  Max  wegen  Verleumdung.  Nachher  geriet  er  mit  dem  Vater 
in  Streit  über  einen  Schönauer  Bend.  Während  Max  1687  sich  in  Frohnen- 
broch  befand,  kam  St.  Remy  nach  Schonau  um  sein  Recht  geltend  zu 
machen,  wurde  aber  dort  von  den  Mädchen  „mit  harten  Scheltwörtern 
affrontirt",  dann  auf  deren  Anstiften  von  den  Leuten  und  Bedienten  der- 
selben „mit  schlagen  übel  traktirt,  gestossen,  geschossen,  verwunt,  endlich 
in  den  weier  geworfen**.  Mitleidige  zogen  ihn  heraus  und  trugen  ihn  in 
das  Haus  an  die  Kreuzer,  wo  er  „erlabt  und  wieder  zu  recht  gebracht" 
wurde.  Hierauf  machten  sich  die  Mädchen  mit  Sack  und  Pack  nach 
Fronenbroch,  auch  der  Pächter  zog  ab  und  das  Gut  blieb  öde  liegen.  Die 
Witwe  von  Blanche,  „welche  dermalen  zu  Schönau  aufm  vorhof  und  im  thurm 
sich  elendiglich  aufgehalten",  Hess  die  Ländereien  1689  bauen;  als  aber 
die  Frucht  reif  war,  erschien  St.  Remy  und  nahm  auf  grund  eines  Erkennt- 
nisses des  Heidener  Gerichts  die  Hälfte  der  Ernte  weg  als  Entschädigung 
für  die  erlittenen  Beleidigungen,  die  andere  Hälfte  holte  Max.  Im 
folgenden  Jahre  versuchte  Frau  von  Blanche  noch  einmal  ihr  Glück. 
Aber  nun  kam  Max  mit  holländischen  Reitern,  trieb  sie  vom  Hause  ab 
und  nahm  alles  Getreide  an  sich.  Anfangs  Dezember  starb  der  Usurpator 
zu  Schönau ;  gleich  nach  seinem  Tode  zog  Isak  Lambert  von  Blanche,  der 
Sohn  der  Witwe,  dort  ein. 

4.  Die  Herren  von  Schönau  aus  der  Familie  von  Blanche. 

Die  älteste  Nachricht,  welche  sich  über  dieses  Geschlecht  im  Schönauer 
Archive  vorfindet,  stammt  aus  dem  Jahre  1545.  Am  3.  Juni  gab  Karl  V. 
seinem  lieben  Getreuen,  Ritter  Stefan  von  Blanche,  ein  Schreiben,  welches 
den  Lehenhof  von  Brabant  aufforderte,  demselben  in  seiner  Angelegenheit 
zu  helfen. 

Stefans  Sohn  Johann  (I)  heiratete  Maria  von  Radelo,  die  in  einem 
andern  Stammbaume  von  Renesse  genannt  wird;  nach  ihr  nannten  sich 
später  die  Schönauer  de  Blanche  de  Radelo.  Beide  sollen  in  der  Kirche 
zu  Limburg  begraben  sein.  Von  ihnen  stammte  Johann  (II),  Kapitän  in 
kaiserlichen  Diensten,  verheiratet  mit  Anna  von  Hillensberg  von  Driesch. 
Ihre  Söhne  waren  Wilhelm,  Gatte  der  Anna  Maria  (von)  Brauhoff,  der 
Stammvater  der  Linie  Blanche-Schönau  und  Johann  (III),  vermählt  mit 
A.  M.  von  Hirtz-Landskron  ^ 

Anna  Maria  (von)  Brauhoff  war  nach  dem  frühen  Tode  ihrer  Eltern 
bei  den  Eheleuten  Adolf  von  Hillensberg  erzogen  worden.  Dieselben 
scheinen  ihr  auch  bei  ihrer  Verheiratung  den  Niedermerzer  Zehnten  an- 
gewiesen zu  haben.  Nachdem  Amandus  von  Mylendunck  den  Prozess 
gegen  Hillensberg  gewonnen  hatte,  zog  er  auch  diesen  Zehnten  wieder  an 
sich.  Da  er  jedoch  der  Anna  Maria  die  Aussteuer  ihrer  Mutter  mit  6000 
Gulden  nicht  auszahlen  konnte,  liess  sich  ihr  Gatte  Wilhelm  von  Blanche 
vom  Düsseldorfer  Hofgericht  in  denselben  einsetzen.    Durch  das  Testament 

*)  üeber  ihn  und  die  Töchter  siehe  unten  Beilage  II. 


-  110  — 

der  Hillensberg,  welche  die  Patin  der  Frau  von  Blanche  gewesen  zu  sein 
scheint,  erhielt  letztere  das  Nutzniessungs-  und  ihr  Sohn  Isak  Lambert 
das  Eigentumsrecht  auf  Scliönau,  wo  die  Blanche  in  Erwartung  besserer 
Zeiten  wenn  auch  in  grosser  Not  wohnen  blieb.  Ihr  Häuschen  war  so 
gebrechlich,  dass  es  trotz  seinen  Stützen  zusammenstürzte  und  von  Max 
dem  Eindringling  verbrannt  wurde,  worauf  die  Witwe  sich  in  einen  Turm 
zurückzog.  Auch  von  hier  durch  Max  vertrieben,  ging  sie  nach  Hase- 
wald. Ausser  Isak  Lambert  (geb.  zu  Warden  am  13.  Januar  1660)  hatten 
die  Eheleute  Wilhelm  de  Blanche  noch  folgende  Kinder:  Antoinette,  geb.  am 
15.  März  1661,  Anna  Maria,  Sibilla  Agnes,  um  1690  verheiratet  mit  Adolf 
Schardinell,  Helene  Eebekka,  Christine.  Christine  und  Anna  Maria  werden 
in  einem  Briefe  von  1694  der  Antoinette  als  abschreckende  Beispiele  vor- 
gehalten. „Euer  masseur  Christina  hat  sich  also  mit  dem  Rösgen  ver- 
gangen und  ihrer  adlicher  familien  ein  solche  schand  angethan.*  Sie 
hatte  nämlich  den  Rösgen  oder  Rosen,  einen  Nadel macher  in  Aachen  ge- 
heiratet. Von  ihrem  Sohn  Heinrich,  „von"  Rosen  heisst  es,  er  habe  in 
äusserster  Armut  gelebt  und  in  der  kaiserlichen  Miliz  Kadetsdienste  an- 
nehmen müssen.  Von  den  1600  Thalern,  welche  die  Witwe  Hillensberg 
seiner  Mutter  im  Testamente  ausgesetzt  hatte,  erhielt  Heinrich  trotz  allen 
Bemühungen  nichts,  weil  die  Ehe  nicht  standesgemäss  war.  Von  der 
Anna  Maria  schreibt  der  Briefsteller:  „Spigelt  euch  an  euer  masseur 
Marie**.  Sie  war  mit  einem  gewissen  Karl  Hecker  in  die  Ehe  getreten; 
ihren  Söhnen  Karl  und  Johann  waren  wenigstens  einige  Morgen  Land  im 
Schönauer  Feld  eingeräumt  worden. 

Nach  dem  Tode  des  Max  Hess  die  älteste  Tochter  durch  Wolter 
Engelbert  von  Wyenhorst  unter  den  gewöhnlichen  Formalitäten  von  Schönau 
Besitz  ergreifen.  Aber  in  der  darauf  folgenden  Nacht  (13.  Dezember 
1692)  rückte 

a.  Isak  Lambert  de  Blanche  von  Hasewald  her,  wo  er  sich  bei 
seiner  Mutter  aufgehalten  hatte,  mit  seinem  Schwager  Caille  und  einem 
Haufen  Bewaffneter  in  Schönau  ein,  trieb  den  jungen  Herrn  Gentis  aus 
Aachen,  der  die  Leiche  des  Max  nach  Fronenbroch  bringen  sollte,  mit 
Ohrfeigen  aus  dem  Hause,  jagte  die  Diener  und  den  Fuhrmann  vom  Hofe, 
liess  den  Sarg  in  den  Vorhof  bringen  und  dort  im  Regen  stehen,  und 
nahm  am  15.  Dezember  „morgens  9  uhr  mit  allen  solemni täten  und 
und  ceremonien**  Besitz  von  Haus  und  Herrlichkeit.  Er  fand  das  Haus 
verfallen  und  alles  in  übelem  Zustande.  Die  Einziehenden  brachten  auch 
nichts  mit  um  dem  Elende  steuern  zu  können,  die  Familie  befand  sich  in 
trostlosen  Verhältnissen.  Aus  dem  Jahre  1690  findet  sich  eine  Ver- 
schreibung  über  200  Thaler,  welche  die  Witwe  Blanche  dem  Dietrich 
Holz  in  Aachen  schuldete,  der  sie  ihr  „in  ihren  höchsten  nöthen*'  vorge- 
streckt hatte.  Als  Sicherheit  war  dem  Holz  das  Manngut  auf  dem  Prop- 
steier Wald  gestellt  worden.  Ausserdem  hatte  Holz  in  den  Jahren  1685 
bis  1688  für   141  Aachener  Gulden  Roggen  geliefert.    Isak  Lambert  be- 


—  111  — 

kennt,  dass  der  Herr  Georg  Ulrich  Wenning  ihm  „für  rechnung  des  ehr- 
würdigen consistorii  der  refprmirten  gemeinde  von  Vaels**  fünf  Reichsthaler 
gegeben  habe. 

Trotz  der  Ungunst  der  Umstände  trat  von  Blanche  in  die  Ehe.  Er 
heiratete  am  22.  April  1694  Isabella  von  Kessel,  Tochter  Baltasars  und 
der  Margarethe  von  Broch,  Enkelin  Johanns  und  der  Agnes  von  Mylen- 
dunck.  Isabella  hatte  noch  drei  Geschwister:  Johann  Wilhelm,  Anna 
Maria,  verheiratet  mit  Bemard  Hammes  und  Elisabeth,  welche  am 
15.  Februar  1751  zur  Äbtissin  von  St.  Jörisbusch  gewählt  wurde. 

Die  Braut  war  katholisch  und  im  dritten  Grade  mit  Isak  Lambert 
blutsverwandt,  die  Ehe  demnach  ungültig.  Am  7.  Juli  1695  dispensierte 
der  Fürstbischof  von  Lüttich  von  den  Ehehindernissen  und  erteilte  die 
Erlaubnis  ohne  Aufrufe  zu  contrahieren  —  unter  gewissen  Bedingungen, 
welche  dem  Pfarrer  mitgeteilt  waren.  Eine  derselben  ist  jedenfalls  die 
katholische  Kindererziehung  gewesen,  denn  alle  Kinder  Isak  Lamberts, 
der  selbst  ein  ziemlich  zorniger  Kalvinist  war,  gehörten  der  katholischen 
Religion  an.  Wahrscheinlich  ist  damals  auch  Isaks  Schwester  Antoinette 
zur  Kirche  zurückgekehrt. 

Die  jungen  Eheleute  erfreuten  sich  nicht  lange  des  ungestörten  Be- 
sitzes von  Schönau.  Die  älteste  Tochter  des  Max,  Elisabeth  Margarethe 
hatte  den  Gothard  Graft  von  Mylendunck,  brandenburgischen  Offizier, 
zur  Ehe  genommen.  Im  Mai  1696  zog  Graft  mit  einem  Haufen  Branden- 
burger, deren  Regiment  damals  unter  dem  General  von  Heiden  zum 
Schutze  der  Stadt  gegen  die  Franzosen  in  Aachen  lag,  in  Schönau  ein, 
sperrte  Isak  Lambert  mit  Mutter,  Frau,  Schwester  und  einem  Söhnchen 
in  eine  kleine  Kammer,  führte  alles  Vieh  und  Getreide,  sämtliche  Geräte 
und  Möbel  fort,  untersuchte  die  Gefangenen  „bis  auf  ihre  leiberen",  stiess 
sie  dann  vor  das  Thor  und  blieb  bis  halben  August  auf  Schönau.  Als 
von  Blanche  sich  in  diesem  Monat  „mit  hülf  und  beistand  etlicher  seiner 
verwanten,  guten  freunden  und  herren"  wieder  in  Besitz  setzte,  fand  er 
das  Haus  „verwüstet,  fast  zerbrochen  und  über  einen  Haufen  gerissen", 
auch  nur  mit  2  alten  Pferden,  4  schlechten  Kühen  und  3  Faselschweinen 
versehen.  Weil  er  gewarnt  worden  war,  Mylendunck  würde  ihn  abermals 
tiberfallen,  nahm  er  einen  Pförtner  an  und  hielt  anfangs  20,  dann  12,  zu- 
letzt 6  Wächter.  Unter  letzteren  befanden  sich  ein  von  Ottegraven,  von 
Richterich,  M.  Hammes.  Dieser  Hammes  war  ein  Verwandter  des  Bernard, 
des  Schwagers  von  Blanche.  Bernard  äussert  sich  in  einem  Briefe  aus 
Gent  höchst  erbittert  über  die  Gewaltthat  und  die  Urheberin  derselben. 
Mit  Leid  habe  er  vernommen,  so  schreibt  er,  dass  die  H.  .  .  .  von  Mylen- 
dunck^ auf  Schönau  gekommen  sei,  wenn  er  da  wäre,  wollte  er  sie  abjagen 
und  totschlagen  sowie  alle  „die  euer  edel  liebden  frau  mutter  und  süster 
gallig  getraktert"  *.    Blanche  müsse  eine  andere  Manier  anfangen,   es  sei 

')  Elisabeth  Margarethe  ist  gemeüit. 
«)  Behandelt. 


—  112  — 

ja  doch  kein  Eecht  mehr  auf  der  Welt.  Wenn  Blanche  ihn  ^van  dann"  ' 
habe,  wolle  er  sein  Leben  für  ihn  lassen;  das  thue  er  aber  nur  um  dem 
Schwager  zu  dienen,  nicht  um  „fressen  und  saufen*  wie  viele  Leute 
meinen.  Er  sei  eben  von  einem  achttägigen  Streifzuge  zurückgekommen, 
aber  er  habe  keine  Euhe,  könne  nicht  mehr  schlafen.  —  Es  war  dem 
rauhen  Kriegsmanne  ernst  mit  seinen  Reden;  noch  viel  später  rühmt  Isak 
Lambert  bei  einer  Teilung,  dass  Schwager  Hammes  ihm  sehr  gut  sei. 

Die  „andere  Manier"  hatte  Blanche  angewendet,  aber  die  Mylendunck, 
welche  mit  Gewalt  nicht  durchgedrungen  waren,  suchten  ihrerseits  nun 
auch  auf  andere  Manier  zum  Ziele  zu  gelangen.  Sie  bestritten  das  Recht 
der  Blanche  auf  Schönau,  indem  sie  die  Ehe  seines  Grossvaters  Baltasar 
Brauhoff  mit  der  Agnes  von  Mylendunck  angriffen  und  somit  dessen  Nach- 
kommen als  erbunfähige  Bastarde  darstellten.  Der  hierüber  sich  ent- 
spinnende Prozess  dauerte  bis  1720,  wo  das  Endurteil  zu  gunsten  Isak 
Lamberts  gesprochen  wurde.  Das  kostete  dem  armen  Blanche  wiederum 
viel  Geld,  er  suchte  es  sich  zu  verschaffen  so  gut  es  ging  auf  glimpfliche 
und  unglimpfliche  Weise.  1702  borgte  er  von  Adolf  von  Ottegraven  und 
dessen  Frau  Anna  Nestelinx  75  Reichsthaler;  1704  hinderte  er  die  Zehnt- 
gänger des  Aachener  Kapitels  an  der  Erhebung  des  Zehnten  im  Schönauer 
Felde,  wobei  er  sich  der  Aeusserung  bediente,  man  müsse  es  den  „mort- 
gens^  pfaffen  wie  dem  pastor  von  Würselen"  machen,  den  die  Holländer 
nach  Mastricht  abgeführt  hatten  und  sie  ins  Gefängnis  werfen.  Das 
Kapitel  meinte  in  seiner  Klageschrift  an  den  Kurfürsten,  das  Vorgehen 
und  Schimpfen  des  Blanche  entspringe  einem  „unkatholischen  eifer". 

1714  befand  sich  Isak  in  einer  „dispeterliche  deilung".  Hammes 
zahlte  damals  auf  das  den  Blanche  zustehende  Drittel  vom  Hause  an  die 
Kreuzer,  das  sich  auf  750  Pattakons  belief,  495  Pattakons^  ab.  Das 
waren  jedoch  alles  Tropfen  auf  einen  heissen  Stein;  die  Familie  befand 
sich  immer  in  gedrückten  Verhältnissen  und  häufig  in  bitterster  Not. 

Blanche  hatte  sechs  Kinder:  vier  Söhne  und  zwei  Töchter.  Die 
Mutter  starb  1711,  als  das  jüngste  Kind  3  Jahre  alt  war.  Die  älteste 
Tochter  Anna  Maria  Elisabeth  war  im  Kloster  zu  Lankwarden  erzogen 
worden;  von  dort  schreibt  sie  am  13.  Juni  1712:  „papa  wollet  doch  so 
gütig  sein  und  helfen  mir,  dass  alles  mag  bekommen,  was  von  nöthen  hab, 
dan  ich  bin  ietzund  ganz  resolvirt,  den  geistlichen  stand  anzutreten." 
Laut  Zeugnis  der  Buschgreven  aus  demselben  Jahr  erhielt  sie  pro  dote 
eine  Belehnung  auf  dem  Höngener  Busch  „ad  sieben  hau";  sie  legte  am 
14.  Oktober  1714  Profess  ab. 

Von  den  beiden  jüngsten  Kindern  sagt  Blanche  in  einem  Briefe  an 
den  Freiherrn  von  Reuschenberg  zu  Berensberg,  er  habe  durch  einen 
Expressen  vernehmen  müssen,  dass  sein  Töchterchen  gestorben  und  sein 
Söhnchen  Wilhelm  sehr  krank  sei  (1714).    Wilhelm  blieb  aber  am  Leben. 

»)  nötig. 

*)  mort  dien,  die  bekannte  Verwtlnschunj!^. 

•)  Der  Pattakon  war  etwas  mehr  als  4  Gulden. 


—  113  — 

Der  älteste  Sohn  Johann  Gottfried  studierte  1709  in  Aachen.  Er 
schrieb  an  den  Vater:  „Habe  auch  viele  Sachen  zum  studieren  notwendich, 
viele  bücher  so  ich  am  notwendigsten  müsse  haben.  Es  mangelt  mir  auch 
an  schuh,  hossen^  und  hemden,  durch  die  schuh  hangen  mir  die  zähen, 
durch  die  hossen  die  verssen  u.  s.  w.*'  Gottfried  wurde  1717  für  gross- 
jährig erklärt  und  ging  nach  Wetzlar  um  den  Prozess  gegen  die  Mylen- 
dunck  energischer  zu  betreiben. 

Der  zweite  Sohn,  Adolf  Werner,  welcher  die  Schule  bei  den  Patres 
in  Kempen  besuchte,  „lief  dort  so  nackig  herum,  dass  eure  masseur  sich 
seiner  hat  müssen  schämen"  schreibt  Antoiuette  an  den  Johann  Gottfried. 

Der  jüngste  Sohn,  Gerard  Wilhelm,  lebte  mit  der  Grossmutter  und 
der  Tante  in  Aachen.  Er  „könnte  die  zweite  Schule  besuchen,  wenn  er 
Kleider  hätte **.  Sein  Entlassungszeugnis  aus  der  Schule  „im  Umgang**  ^ 
lautet:  „Pax  Christi.  Memoriale.  Dass  der  söhn  des  wohledlen  herrn  de 
Blanche  vom  jähr  1717  und  zwar  von  monat  januario  bishero  bei  mich 
ensunterschreibenen  zur  schulle  gegangen  und  von  selbiger  zeit  das  schull- 
geld  annoch  hinderständig  und  bishero  unbezahlt  verblieben,  solches  wird 
hiermit  bescheiniget.  Aachen  den  20.  7bris  ao.  1720.  Joannes  Holzapfel, 
rector  scholae  in  ambitu."     Und  am  Rande:  „Monatlich  12  merk.*' 

Antoiuette  forderte  ihren  ältesten  Neffen  auf  für  seine  Brüder  zu 
sorgen.  „Papa  helft  euch  nit,  der  sorget  für  nemant  als  für  sigh.**  Un- 
recht hat  die  alte  Dame  ihrem  Bruder  mit  diesem  Urteile  nicht  zugefügt. 
Isak  Lambert  verbrauchte  von  1708 — 1712  allein  beim  Wirte  am  Hirtz 
nicht  weniger  als  425  Aachener  Thaler  an  Bier  und  Branntwein.  Er  Hess 
die  Getränke  teils  nach  Schönau  bringen,  teils  verzehrte  er  dieselben  in 
der  Schenke.  Dort  stand  die  Rechnung  des  „gepietenden  herrn**  an  der 
Thüre  und  am  Mantelbrett  angeschrieben. 

1720  liess  sich  Blanche  von  Bürgermeister,  Schöffen  und  Rat  der 
Stadt  Aachen  bescheinigen,  dass  er  „mit  seiner  verwitibten  frau  mutter, 
Schwester  und  mutterlosen  kinderen  nunmehro  vor  vielen  jähren  aus  ihrem 
haus  Schonau  ausgesetzet  worden  und  sich  also  in  der  statt  Aachen  mit 
hinterlassung  aller  lebensmitteln  retiriren  müssen,  alwo  er  sich  mit  seiner 
familie  in  einem  gemietheten  hinterbauchen  ^  in  aller  suchen  höchster  be- 
dürftigkeit aufgehalten  und  in  einem  so  miserabeln  stand  ist,  dass  woferne 
ihnen  die  liebe  deren  mitleidenden  freunden  oder  eine  baldige  abführung 
seiner  bei  dem  allerhöchsten  kaiserlichen  kammergericht  obschwebenden 
Sache  nicht  alsobald  zu  hülfe  komme,  er  mit  den  seinigen  in  kurzer  frist 
den  bettelstab  von  thür  zu  thtir  zu  führen  unvermeidlich  gezwungen  ist**. 

Noch  im  selben  Jahre  erfolgte  der  erbetene  Spruch  gegen  die  Mylen- 
duncker.  Die  Hoffnung  Isaks,  dass  seine  Mutter  ihn  und  ihre  Enkel  noch 
auf  Schönau  sehen  werde,  ging  in  Erfüllung.     Aber  in  welchem  Zustande 


')  Strümpfe. 

■)  Domschule. 

")  kleiner  Hinterbau. 


—  114  — 

war  das  Haus!  Ein  Gutachten  gibt  Auskunft.  „Am  grossen  Laienturra 
sind  acht  neue  schild  höchst  nötig,  die  zwei  seitentürrachen  haben  auch 
höchst  nötig  mit  neuen  laien  in  etwa  versehen  zu  werden.  Das  gebühn^ 
im  türm  ist  an  vielen  stellen  durchfaulet,  baussen  dem  türm  und  oben  die 
saalkammer  ist  der  kandel*  zerbrochen,  die  gebühner  ausgefaulet;  das 
tach  oberhalb  der  saalkammer  zu  repariren,  die  andere  seit  des  tachs  der 
neue  bau  zu  repariren ;  das  pflasterwerk  ^  der  obern  turnkammer  schier  all 
abgefallen;  der  gang  zum  süller  oberhalb  die  saalkammer  muss  gebühnt 
werden;  auf  der  saalkammer  sind  drei  trofen  ausgefallen;  das  pflasterwerk 
von  der  saalkammer  in  stand  zu  setzen;  .  .  .  das  zimmer  auf  dem  neuen 
bau,  alwo  das  gepflaster  teils  los  teils  abgefallen  ist;  noch  auf  dem  saal 
müssen  sein  sieben  glasvensteren,  so  der  wind  hat  ausgeworfen,  jede  3^2 
fuss  lang  ^/4  breit"  u.  s.  w.  Die  Werkverständigen  schlugen  die  Kosten 
der  notwendigsten  Reparaturen  auf  6366  Gulden  oder  707  Reichsthaler  an. 

Isak  Lambert  erlebte  die  Wiederherstellung  nicht  mehr.  Er  war 
„in  kaiserlichen  diensten  kreuzweis  dufch  einen  fuss  geschossen**  und  da- 
her „ziemlich  impotent**.  In  der  letzten  Woche  des  Dezember  1722  führte 
ihn  der  Tod  in  das  Land,  wo  er  die  Füsse  nicht  mehr  nötig  hatte. 

b.  Johann  Gottfried,  Werner  Adolf,  Gerard  Wilhelm  von 
Blanche  de  Radelo,  Herren  zu  Schönau. 

Der  bedeutendste  aber  auch  selbstbewussteste  *  unter  den  drei  Söhnen 
Isak  Lamberts  war  der  erstgenannte,  der  auch  seine  Brüder  lange  über- 
lebte. Jedoch  die  Geldverlegenheit,  welche  bei  den  Besitzern  der  Herr- 
schaft seit  geraumer  Zeit  chronisch  geworden  war,  konnte  er  trotz  aller 
Gewandtheit  nicht  beseitigen.  Um  Geld  zu  beschaffen  und  Schulden  zn 
bezahlen,  wendeten  die  Brüder  zunächst  das  gewöhnliche  Hausmittel  an: 
sie  versetzten  Ländereien.  1725  erhielt  Leonard  Lörs  aus  Aachen  4 
Morgen  im  Hirtzerfeld  wegen  einer  Schuld  von  360  Thaler  ad  80  Kölner 
Albus  ^,  welche  von  versessener  Hausmiete,  Bier,  Kost  und  vorgestrecktem 
Gelde  herrührte  und  von  der  Frau  Grossmutter,  dem  Vater  und  der  Tante 
gemacht  war.  Im  folgenden  Jahre  erhielt  derselbe  einen  Morgen  für  90 
Reichsthaler,  welche  die  Brüder  zur  Fortsetzung  ihrer  Rechtshändel  ver- 
wendeten; 1728  zwei  Morgen  für  150,  1739  fünf  Morgen  für  450  Reichs- 
thaler, wovon  280  Thaler  für  die  Ausrüstung  des  Gerard  Wilhelm  ver- 
wendet wurden,  der  in  kaiserlichen  Kriegsdiensten  als  Fähnrich  angenommen 
worden  war,  während  der  Rest  zur  Deckung  einer  Schuld  an  geliehenem 
Gelde  und  Verzehr  diente.     1759  löste  Johann  Gottfried  das  Land  ein. 


')  Dielung. 

■)  Dachrinne. 

*)  Phesterwerk. 

*)  Er  liess  sich  1720,  zur  Zeit  wo  die  Familie  in  grosser  Not  war,  bei  dem 
Aachener  Goldschmied  Johan  von  Hauselt  ein  Siegel  schneiden,  das  30  ftulden  aix  kostete. 

*)  80  Kölner  Albus  sind  gleich  54  Aachener  Mark ;  es  handelt  sich  also  um  Reichs- 
thaler. 


—  115  — 

1727  nahmen  die  Blanche  von  den  Erben  von  Schrick  im  Morkhoff^ 
100  Louisdor  zu  4^/o  auf,  wofür  sie  Schönau  und  alle  ihre  Güter  als 
Unterpfand  stellen  mussten.  Zum  Neubau  des  Hauses  liehen  sie  sodann 
1731  durch  den  Lütticher  Advokaten  Jamar  de  Libois  von  einem  Herrn 
de  Wampe  tausend  und  im  folgenden  Jahre  noch  1500  Thaler  unter  der 
Bedingung,  dass  die  Verschreibungen  vor  dem  Schönauer  Gericht  auf 
Haus  und  Herrlichkeit  eingetragen  wurden.  Das  geschah  aber  nicht, 
wenigstens  konnte  Jamar  keinen  Einblick  in  die  Protokollbücher  erlangen. 
Darüber  sprach  sich  der  heissblütige  Wallone  in  der  ehrenrührigsten  Weise 
aus;  aber  Gottfried  liess  ihn  durch  sein  Gericht  „propter  atrocissimas 
iniurias**  zu  einer  Ehrenentschädigung  sowie  zu  einer  entsprechenden  Geld- 
strafe verurteilen.  Eine  Berufung  an  den  Kaiser  hatte  für  Jamar  keinen 
Erfolg. 

Auch  Johann  Gottfried  wendete  sich  an  das  Oberhaupt  des  Reiches 
und  zwar  mit  derselben  Bitte  wie  sein  Vorfahr  Gerard  von  Schönau.  Er 
setzte  die  Rechts-  und  Gerichtsverhältnisse  der  Herrschaft  auseinander, 
wies  darauf  hin,  dass  dieselbe  erst  1720  seinem  Vater  wieder  zugesprochen 
worden  sei  und  ersuchte  schliesslich  den  Kaiser:  ihn  den  Bittsteller  „samt 
weib,  kindern,  brüdern,  erben,  nachkömlingen,  anverwanten,  dienern,  zu- 
getanen, hausgesind  und  brodgenossen  mit  aller  ihrer  leib,  hab  und 
güteren,  wie  auch  das  immediat  haus  herrschaft  und  sonnenlehen  Schönau 
samt  zugehörigen  dorfschaften,  weilern,  höfen,  Wohnungen,  häusern  und  so 
geist  —  allodial  —  als  lehengütern,  eingesessenen,  leheuleuten,  larssen, 
erbpächteren  und  fort  sämtlichen  unterthanen,  auch  Statthalter,  schultheiss, 
scheffen,  gerichtschreiber,  prokuratoren  und  boten,  imgleichen  aller  hoheit 
und  herrlichkeit,  ober-  und  niedergerichten,  regalien,  herren-  und  lehen- 
kammer,  Jagdgerechtigkeit,  gebot  und  verbot,  geleit,  accinsen  und  weg- 
geldern,  erbhuldigung,  Schätzung,  frohnen,  wachten  und  diensten,  Privilegien, 
freiheiten,  benefizien,  immunitäten,  exemtionen,  gewohnheiten,  recht  und 
gerech tigkeiten,  renten,  erbpfächten,  Zinsen  und  einkommen  hinfürter  ewig- 
lich in  dero  kaiserlicher  und  des  heiligen  römischen  reichs  sonderbaren 
vorspruch,  schütz,  schirm  und  protektion  und  allerhöchst  deroselben  und 
des  heiligen  reichs  adlers  salvam  guerdiam  auf  und  anzunehmen"  auch 
ihm,  Gottfried  von  Blanche,  zu  gestatten,  die  von  Schönau  veräusserten 
Parzellen,  Renten  und  Erbzinsen  gegen  Erlegung  des  empfangenen  quanti 
an  sich  zu  ziehen  und  den  betreifenden  die  Appellation  von  Schönau  zu 
verbieten. 

Zur  Wiedererlangung  der  Parzellen,  Renten  und  Erbziusen  bediente 
sich  Gottfried  mit  Vorliebe  der  sogenannten  Reduktionsrechnung.  Er  sah 
die  alten  Verschreibungen  sorgfältig  nach,  berechnete  die  Einkünfte  der 
Gläubiger  und  klagte  auf  Ersatz  alles  dessen,  was  über  die  reichsgesetz- 
lich erlaubten  5  ^/o  hinausging.   Von  den  Rechtsnachfolgern  eines  Gläubigers, 

')  Der  Morkhof-Mohrenkopf  lag  in  der  Pontstrasse  zu  Aachen  an  der  nördlichen 
Ecke  der  jetzigen  Friesenstrasse. 


—  116  - 

dem  Baltasar  von  Mylendunck  1601  einen  Erbpacht  von  13^2  Fass  Roggen 
und  5^2  Kapaun  für  200  Thaler  versetzt  hatte,  forderte  Blanche  1743 
nicht  weniger  als  1552V2  Fass  und  632V2  Kapaun  als  ,,zu  viel  genossen^ 
zurück;  der  Kirche  zu  Laurensberg  rechnete  er  vor,  dass  sie  ihm  700 
Thaler  zu  erstatten  habe  und  so  in  zahlreichen  Fällen.  Wenn  er  dann 
auch  diese  Summen  nicht  erhielt,  so  nahm  er  doch  wenigstens  das  Land, 
die  Renten  und  Erbpächte  wieder  an  sich. 

Uebrigens  besass  dieser  Herr  von  Blanche  ein  solches  Bewusstsein 
von  seiner  Herrlichkeit,  dass  selbst  ein  grosser  Potentat  damit  hätte  aus- 
kommen können.  Zunächst  gaben  ihm  die  Herren  von  Heiden,  von  Bongart 
und  besonders  von  Leerode,  überreiche  Gelegenheit  zu  Protesten  gegen  die 
„Violation  schönauischer  Jurisdiktion**.  Coomans,  den  von  Leerode  zu 
seinem  Vogteiverwalter  ernannt  hatte,  erliess  viele  „libellen"  gegen-  die 
Schönauer,  worunter  Dekrete,  Vorladungen  und  sonstige  Schriftstücke  des 
Heidener  Gerichts  zu  verstehen  sind.  Johann  Gottfried  Hess  seinerseits 
ein  Dekret  an  die  Kirche  zu  Richterich,  die  er  im  Selbstgefühle  auch 
wohl  die  „Unsere**  nennt,  anheften  worin  er  solche  „libellen"  schimpflich 
zu  verbrennen  befiehlt.  Das  störte  aber  Coomans  nicht;  mehrere  Jahre 
nachher  noch  meinte  Werner  Adolf,  dessen  Insinuationen  verdienten,  „per 
camificem^  verbrannt  zu  werdend 

Die  Hahnenkämpfe  um  die  Jurisdiktion  zwischen  diesen  Centimeter- 
Landesherren  könnten  Lachen  erregen,  wenn  nicht  die  armen  Leute  so 
schwer  darunter  hätten  leiden  müssen.  In  den  fünfziger  Jahren  erhob 
Coomans  mehrere  Schätzungen,  die  er  durch  kurfürstliche  Soldaten  ein- 
treiben liess;  er  belegte  die  Schönauer  mit  Einquartierungen,  die  es  stellen- 
weise so  wüst  trieben,  dass  ein  Pächter  mit  Weib  und  Kind  davon  lief 
und  die  Soldaten  „wegen  begangenen  insolentien  und  exzessen**  zu  ihrem 
Regimente  zurückberufen  wurden.  Und  jeder  dieser  Soldaten  durfte  von 
den  Gequälten  täglich  ein  Kopfstück  fordern.  Hiergegen  hatte  von  Blanche 
keine  andere  Hülfe  für  seine  Leute,  als  dass  er  den  Kurfürsten  bat,  er 
möge  doch  seinen  Unterherren  „die  raubungen  und  spolien  in  der  unmittel- 
baren herrschaft  Schönau''  verbieten  und  nicht  dulden,  dass  kurfüi-stliche 
Soldaten  dazu  missbraucht  würden;  oder  dass  er  beim  Kammergerichte 
über  die  „immerwährenden  Verfolgungen,  thätlichkeiten,  ehrenschändungen 
wie  auch  grausamsten  Unterdrückungen  der  unterthanen"  vorstellig  wurde. 

Sonst  aber  besass  von  Blanche  ein  „landesväterliches  Herz".  Ein 
Schönauer  führte  vor  dem  Horbacher  Gerichte  einen  Erbschaftsstreit,  der 
schon  12  Jahre  dauerte.  Da  gebot  Johann  Gottfried  seinem  Fiskal  ein- 
zuschreiten, weil  der  Kläger  als  schönauischer  Unterthan  durch  die 
Führung  des  Prozesses  vor  einem  fremden  Gerichte  die  Jurisdiktion  des 
Herrn  violiere,  durch  den  langwierigen  Rechtsstreit  ausgemergelt  werde 
und  „unser  gnädiger  landsherr  als  ein  vater  seiner  unterthanen  solcher 

*)  durch  Henkershand. 


—  117  — 

unVerantwortlichkeit  vorgebogen  wissen  wilP.  Wer  denkt  da  nicht  an 
des  ehrlichen  Fluellen  Aeusserung:  ,er  gab  so  brave  Worte  zu  vernehmen, 
wie  man  sie  nur  an  einem  Festtage  sehen  kannP"  Die  ärgste  Ueber- 
treibung  dieses  „landesherrlichen*'  Bewusstseins  findet  sich  im  Konzepte 
eines  Briefes,  worin  von  Blanche  um  die  Hand  einer  kalvinischen  Dame 
wirbt.  Da  legt  er  sich  sogar  das  Recht  des  berüchtigten  Satzes  bei: 
Wem  das  Land  dem  gehört  auch  die  Religion.  Man  lese:  „Outre  cela  j'ai 
l'honneur  de  vous  dire,  qu'etant.  immediat  de  l'empire  .  .  .  j'ai  le  droit  et 
le  pouvoir  chez  moi  de  faire  precher  a  la  volonte  de  ma  future  chere 
epouse ! " 

Und  nun  zum  Schlüsse  eine  Verhandlung  wegen  „Majestätsbeleidigung** 
vor  dem  Schönauer  Gericht.  Der  Halbwinner  von  Mittel-Üersfeld  hatte 
im  Wirtshause  am  Hirtz  in  öffentlicher  Gesellschaft  dem  Gerichtsboten 
von  Schönau  zugerufen:  „Du  bist  ein  schelm!"  und  dann  „zu  öfterenmalen 
der  herr  und  das  ganze  gericht  zu  Schönau  seind  Schelmen!"  Statt  den 
Mann  mit  einigen  handgreiflichen  Dankbezeugungen  für  seine  Offenherzig- 
keit zu  entlassen,  nahm  der  Bote  zwei  Zeugen,  verfasste  ein  Protokoll 
und  übergab  es  dem  fiskalischen  Anwalt  zur  weiteren  Veranlassung. 
Der  Anwalt  lud  den  Verbrecher  zum  ersten  —  andern  —  drittenmale. 
Als  derselbe  nicht  erschien,  wurden  die  Zeugen  verhört  und  die  Sache 
dem  Gerichte  überwiesen.  Der  Anwalt  beantragte  „condignam  poenam"  *. 
Die  Schöffen,  welche  nicht  blos  des  Herrn  sondern  auch  die  eigene  Ehre 
zu  rächen  hatten,  konnten  dem  Antrage  nicht  sofort  entsprechen,  weil  sie 
nicht  wussten,  welche  Strafe  denn  eigentlich  einem  so  schrecklichen  Ver- 
brechen angemessen  sei.  So  wurden  die  Akten  dem  Lizentiaten  beider 
Rechte  Schlebusch  als  unparteiischem  Rechtsgelehrten  übergeben  und  der 
orakelte  für  zwei  Reichsthaler  folgendermassen.  Die  Thatsache  der  höchst 
beleidigenden  Reden  sei  festgestellt  und  nicht  zu  leugnen;  es  handle  sich 
nur  um  das  Strafmass.  Da  gingen  nun  die  Rechtsgelehrten  auseinander. 
Die  einen  erachteten  eine  poenam  incarcerationis  cum  pane  et  aqua*, 
andere  hingegen  poenam  relegationis  ^,  auch  sogar  einige  poenam  fustiga- 
tionis*  der  meiste  Teil  aber  praeter  publicam  recantationem  *  eine  poenam 
pecuniariam^  für  eine  entsprechende  Strafe.  Letztere  dürfte  auch  hier 
Platz  greifen.  „Weilen  aber  gleichwolen  die  vom  beklagten  im  öffentlichen 
wirtshause  ausgegossene  injurie  derart  ist,  wodurch  nicht  blos  der  obrig- 
keitliche respekt  und  landesherrliche  autorität  vilipendirt  sondern  auch 
das  gemeine  Wohlsein  hn  höchsten  grade  lädirt  wird,  folglich  dem  injurianten 
zu  dessen  bestmöglichster  reuiediirung,  andern  aber  zum  abschröckenden 
exempel  eine  zweifache  strafe  zu  injungiren  steht",  so  soll  derselbe  nach 

*)  eine  angemessene  Strafe. 

*)  Gefängnis  bei  Wasser  und  Brot. 

')  Verbannung. 

♦)  Prügelstrafe. 

*)  öffentUcher  Widerruf. 

•)  Geldstrafe. 


—  118  — 

Mävius,  Gailius,  Oldendorpius  u.  m.  a.  ötfeutlichen  Widerruf  leisten  und 
25  Goldgulden  bezahlen. 

Den  Umstand,  dass  Johann  Gottfried  in  Verteidigung  der  vielberufenen 
schönauischen  Jurisdiktion  sich  am  20.  Mai  1722  zu  einer  Gewaltthat 
gegen  den  Heidener  Gerichtsboten  hinreissen  liess,  die  er  selbst  zwar  als 
Notwehr,  die  Heidener  aber  und  andere  Leute  als  schnöden  Mord  bezeich- 
neten, haben  wir  schon  erzählt.  Es  scheint,  dass  man  der  Darstellung 
Johann  Gottfrieds  Glauben  beimass,  denn  sowohl  der  Kaiser  wie  der  Kur- 
fürst gaben  ihm,  letzterer  im  Jahre  1724,  das  erbetene  freie  Geleit.  Viel 
ruhiger  ist  er  durch  den  Greuel  nicht  geworden. 

Das  Kapitel  des  Aachener  Liebfrauenstifts  hatte  in  Richterich  das 
Gütchen  Tönismist  angekauft,  welches  von  Schönau  lehenrührig  sein  sollte, 
ohne  dasselbe  am  dortigen  Lehenhofe  zu  erheben.  Das  war  wiederum 
eine  „violation**.  Ausserdem  behauptete  von  Blanche,  von  dem  Zehnten 
der  Schönauer  Länderei  gehöre  dem  Kapitel  nur  der  „knopp"  \  Stroh  und 
Kave  dagegen  seinem  Hofe.  Als  sich  die  Herren  auf  seine  Ausführungen 
nicht  einliessen,  nahm  er  ihnen  die  Zehntgarben  nicht  blos  von  seinem 
Acker  sondern  auch  von  denjenigen  Parzellen  weg,  die  von  Schönau  ver- 
äussert, verpfändet  oder  in  Erbpacht  gegeben  waren.  Das  Kapitel  kenn- 
zeichnet in  seiner  Beschwerdeschrift  an  den  Kaiser  die  von  Blanche 
folgendermassen :  „Diese  verwegene  leute,  gegen  die  sich  gewalt  mit  ge- 
walt  nicht  wohl  abwehren  lasset,  weil  sie  immerhin  mit  ihren  flinten  be- 
waffnet und  mit  argen  bösen  hunden  begleitet  umhergehen,  der  eltester 
bruder  auch  vor  einigen  jähren  den  gerichtsboten  der  gülischer  unterherr- 
schaft  Heiden  sogar  in  seiner  amtsverrichtung  totgeschossen  hat,  der- 
gestalten  dass  sie  von  dasigen  bauersleuten  um  so  mehr  gescheut  und  ge- 
fürchtet werden,  als  wegen  obangeregter  erschiessung  die  wohlverdiente 
straf  bis  dahin  ausgeblieben."  Daraufhin  erliess  Karl  VI.  am  23.  Dezember 
1732  einen  Befehl  an  die  von  Blanche,  die  in  den  Jahren  1730 — 1732 
geraubten  Zehntgarben  zu  erstatten  sowie  Schaden  und  Kosten  zu  vergüten. 

Die  Ermordung  ihres  Gerichtsdieners  musste  die  Herren  zur  Heiden 
zu  dem  Versuche  reizen,  Johann  Gottfried  um  seine  Gerichtsbarkeit  zu 
bringen,  auf  die  er  wie  seine  Vorfahren  sein  Vorgehen  stützte.  Aber  der 
Prozess,  den  sie  zu  diesem  Zwecke  anstrengten,  endete  1751  mit  dem 
Spruche  des  Reichskammergerichts,  dass  der  Vertrag  von  1523  massgebend 
bleiben  solle,  wobei  den  Herren  von  Blanche  freigestellt  wurde,  den  da- 
mals nicht  näher  bezeichneten  Schönauer  Bezirk  im  Dorfe  Richterich  ge- 
nauer nachzuweisen  ^  (Schiuss  tbigt.) 


0  Das  Korn.    Eine  Behauptung,  die  auch  sonst  vorkommt  und  im  Interesse  der 
Landwirtschaft  begründet  erscheint. 

^)  Vgl.  Hansen,  Zeitschrift  des  Aachener  Geschieh ts-Vereins  VI,  S.  91. 


—  119  — 

Der  Maler  Johann  Adam  Eberle. 

Von  J.  Fey. 

Der  Maler  Johann  Adam  Eberle  wurde  in  Aachen  zur  Zeit  der  Fremd- 
herrschaft am  27.  März  1804  (6.  Germinal  XU)  geboren  ^  Der  Familien- 
name, jetzt  hier  erloschen,  klingt  süddeutsch,  kam  aber  in  der  ersten 
Hälfte  dieses  Jahrhunderts  auch  sonst  in  Aachen  vor.  Als  Eltern  nennt 
die  Geburtsurkunde  den  Messerschmied  Philipp  Eberle  und  dessen  Ehe- 
frau Elisabeth  Franzin.  Die  elterliche  Wohnung  befand  sich  rue  de  Bor- 
cette,  also  in  der  heutigen  Kleinmarschierstrasse  oder  in  der  Franzstrasse  *. 
Schon  in  früher  Jugend  zog  Eberle  mit  seinem  Vater  nach  Düsseldorf. 
Nagler^  teilt  anderen  Angaben  gegenüber  mit,  dass  Eberle  hier  nicht  zu- 
nächst das  Gewerbe  seines  Vaters  betrieben  habe,  sondern  weil  der  Hang 
zur  Malerei  in  ihm  immer  mehr  gewachsen,  noch  vor  Cornelius  Ankunft 
in  Düsseldorf  von  seinem  Vater  auf  die  dortige  Akademie  gebracht  worden  sei. 

Di^  Düsseldorfer  Akademie  bedurfte  damals  dringend  einer  Reform, 
und  mit  ihrer  Neu-Organisation  war  bereits  seit  dem  1.  Oktober  1819 
Peter  Cornelius  beauftragt,  der  jeSoch  durch  seine  Arbeiten  in  München 
festgehalten  wurde  und  erst  im  Oktober  1821  nach  Düsseldorf  kam.  Durch 
sein  Wort  und  Vorbild  begeistert,  schloss  sich  ihm  hier  sofort  eine  kleine 
Schar  von  Kunstjüngern  an,  mit  dem  Meister  fast  nur  eine  Familie  bildend. 
Unter  ihnen  befand  sich  auch  Eberle,  der,  seinem  Meister  mit  inniger 
Verehrung  ergeben,  sich  bald  als  einer  der  Begabtesten  und  Tüchtigsten 
von  ihnen  erwies.  Aus  dieser  Zeit  stammt  sein  erstes  Gemälde,  eine  „schön 
componirte***  Grablegung  Christi,  worin  sich  ein  ernstes,  tiefes  Gemüt  und 
ein  reiches  künstlerisches  Talent  offenbartet 

Cornelius  verbrachte  den  Sommer  1822  und  1823  in  München.  In 
den  dazwischen  liegenden  Wintern  verweilte  er  in  Düsseldorf,  wo  das 
frühere  gemütliche  Verhältnis  zwischen  Meister  und  Schülern  seine  Fort- 
setzung fand.  In  dieser  Zeit  malte  Eberle  für  eine  Kirche  in  Westfalen 
ein  Altarbild,  die  hl.  Helena  mit  zwei  Passionsengeln  ^.  Abends  wurde 
unter  des  Meisters  Leitung  nach  dem  Akt  (dem  nackten  Modell)  gezeichnet, 
übrigens  waren  die  Verhältnisse  der  Schüler  des  Cornelius  nicht  eben 
glänzende.  Manchmal  hatten  die  edlen  Kunstjünger  bei  einer  Arbeit  nur 
Wasser  und  Butterbrod,  aber  doch  waren  sie  zufrieden  und  glücklich^. 

*)  Das  Geburtsdatum  ist  hier  zum  erstenmale  nach  der  offiziellen  Geburtsurkunde 
richtig  gestellt. 

*)  Als  Zeugen  sind  in  der  Geburtsurkunde  aufgeführt:  Christoph  Jansen,  Tuch- 
fabrikarbeiter, Gerhard  Noppeney,  ohne  Gewerbe.  Beide  wohnten  ebenfalls  rue  de  Borcettc 
und  waren  vermutlich  Nachbaren,  was   zur  Ermittelung  des  Geburtshauses  dienen  mag. 

')  Neues  allgemeines  Künstler-Lexikon  Bd.  IV,  S.  63. 

*)  Urteil  Ton  Pecht,  Allgemeine  deutsche  Biographie  Bd.  V,  S.  573. 

*)  Nag  1er  a.  a.  0. 

•)  Förster,  Peter  von  Cornelius.  Ein  Gedenkbuch.  Berlin  1874,  Bd.  I,  S.  296 
und  Nagle r  a.  a.  0. 

^)  Historisch-politische  Blätter  Bd.  LX,  S.  19. 


—  120  — 

Cornelius  fülilte  bald  die  Unmöglichkeit,  der  Düsseldorfer  Akademie 
vorzustehen  und  gleichzeitig  seine  grossartigen  Unternehmungen  in  München 
zu  einem  glücklichen  Ende  zu  führen.  Er  legte  daher  mit  Ablauf  des 
Winterseraesters  1824/25  sein  Düsseldorfer  Amt  nieder  und  siedelte  im 
Laufe  des  Sommers  1825  mit  seinen  besten  Schülern  endgültig  nach 
München  über,  wo  er  zugleich  das  gerade  damals  erledigte  wichtige  Amt 
des  Direktors  der  Kunstakademie  erhielt. 

Auch  Eberle  war  mit  nach  München  gezogen  und  half  seinem  Meister 
zunächst  an  den  Arbeiten  in  der  Glyptothek,  wo  er  nach  den  Kartons 
desselben  malte.  Bald  fand  er  aber  auch  durch  Cornelius  Gelegenheit  zu 
selbständigem  Schaffen. 

Cornelius  war  stets  bereit,  seinen  Schülern  mit  Rat  und  That  zu 
helfen;  bei  vielen  von  ihnen  vertrat  er,  wie  Eberle  das  immer  von  seinem 
Verhältnis  zu  ihm  sagte,  die  Stelle  des  sorgenden  Vaters  ^  Als  solchen 
bewährte  er  sich  auch  jetzt  im  Bestreben,  seinen  Schülern  Aufträge  zu 
verschaffen.    König  Ludwig  kam  ihm  hierbei  bereitwillig  entgegen. 

„An  der  Westseite  des  königlichen  Hofgartens  war  ein  neues  Gebäude 
(der  Bazar)  aufgeführt  und  durch  einen  halboffenen  Bogengang  mit  der 
königlichen  Residenz  in  Verbindung  gebracht  worden.  Fortgeführt  um 
zwei  Seiten  des  königlichen  Hofgartens  bildeten  diese  Arkaden  einen  öffent- 
lichen Spaziergang,  wie  er  sich  ganz  besonders  für  einen  dem  öffentlichen 
Leben  gewidmeten  Kunstschmuck  eignete.  Für  die  der  königlichen  Resi- 
denz nächsten  Arkaden  wurden  von  Cornelius  Bilder  aus  der  bayerischen 
Geschichte  dem  König  vorgeschlagen,  was  dieser  genehmigtet"  Es  ent- 
standen so  neben  einer  Reihe  allegorischer  Darstellungen  von  Regeuten- 
tugenden sechzehn  grosse  historische  Freskogemälde,  deren  eines,  die 
Erhebung  des  Herzogs  Maximilians  I.  zum  Kurfürsten  (25.  Februar  1623), 
von  Eberle  entworfen  und  ausgeführt  ist.  Dieses  Bild  gilt  als  eines  der 
besten  unter  den  Freskogemälden  in  den  Arkaden  ^ 

Noch  vorher  vollendete  Eberle  im  Sommer  1827  ein  anderes  Fresko- 
gemälde. Cornelius  hatte  für  seine  Schule  die  Ausschmückung  der  Decke 
des  Odeousaales  übernommen  und  mit  der  Ausführung  der  drei  anzubringenden 
Kolossalgemälde  (Apollo  und  die  Musen,  Apollo  unter  den  Hirten,  das 
Urteil  des  Midas)  seine  Schüler  Wilhelm  Kaulbach,  Eberle  und  Hermann 
Anschütz  beauftragt.  Eberle  hat  das  zweite  dieser  Bilder  geschaffen. 
Die  Arbeit  war  keine  leichte.  Abgesehen  von  den  grossen  Schwierigkeiten, 
welche  das  Bemalen  einer  Decke  mit  sich  bringt,  lag  dem  Könige  die 
rasche  Beendigung  der  Arbeit  mehr  am  Herzen,  als  es  die  Künstler 
wünschen  konnten.  Häufig  erstieg  der  König  die  hohen  Gerüste  im  Odeon, 
um  den  Fortgang  der  begonnenen  Werke  zu  betrachten;   auf  alle  Fälle 


>)  Historisch-pohtisehe  Blätter  Bd.  LX,  S.  43. 
*)  Förster  a.  a.  0.  S.  393. 

^)  Die  üg^ renreiche  Komposition  ist  abgebildet  bei  Raczynski,  Geschichte  der 
neueren  Deutschen  Kunst,  Deutsche  Ausgabe  Bd.  n,  S.  224. 


—  121  — 

wollte  er  den  Saal  für  den  Winter  in  Benutzung  nehmen  und  erklärte 
schliesslich,  trotzdem  Cornelius  dringend  vor  Überstürzung  warnte,  die 
Fresken,  wie  leid  es  ihm  auch  wäre,  abschlagen  zu  lassen,  wenn  sie 
nicht  vollendet  werden  könnten  ^  Mit  Anstrengung  aller  Kräfte  und  unter 
dem  Beistande  von  Freunden  und  Genossen  gelang  es  dann,  dem  Wunsche 
des  Königs  vollkommen  Genüge  zu  leisten*. 

Kaczynski  zieht  das  von  Eberle  im  Odeon  gemalte  Bild  dem  daselbst 
befindlichen  Kaulbachschen  Gemälde  vor,  ohne  indessen  beide  Bilder  als 
Massstab  für  das  Talent  ihrer  Schöpfer  gelten  zu  lassend 

Zwischen  den  Tagen  angestrengter  Arbeit  waren  unsern  Künstlern 
Stunden  der  Erholung  und  heiterer  Lust  wohl  zu  gönnen.  So  feierten 
die  Müuchener  Akademiker  am  3.  September  1827  zur  Bewillkommnung 
der  neuangestellten  Professoren  Schnorr  und  Hess  in  Ebenhausen  a.  d.  Isar 
ein  ländliches  Fest.  In  einem  bei  diesem  Feste  gesungenen  Liede  „Zum 
blauen  Montag"  heisst  es  unter  Anspielung  auf  die  Arbeiten  in  den  Arkaden, 
im  Odeon  und  in  der  Glyptothek: 

Ein  Freskoleben  führen  wir 
Auch  ohne  Kalk  und  Mauer. 
In  Ebenhausen  malen  wir 
Den  blauen  Montag  blauer! 
Fern  harrt  Apoll  und  Witteisbach, 
Sehnsüchtig  sehn  die  Musen  nach, 
ülyss'  steht  auf  der  Lauer ^. 

Ein  Fest  von  höchster  Bedeutung  brachte  das  kommende  Frühjahr. 
Am  6.  April  1828,  dem  300jährigen  Todestage  Albrecht  Dürers,  sollte  in 
Nürnberg  der  Grundstein  zu  dessen  Denkmal  feierlich  gelegt  werden.  Mit 
Cornelius  Einwilligung  erging  von  seinen  Schülern  ein  öffentlicher  Aufruf 
an  alle  deutschen  Künstler,  das  Fest  in  Nürnberg  zu  einem  allgemeinen 
deutschen  Künstlerfest  zu  gestalten.  Der  Aufruf  hatte  Erfolg,  und  von 
allen  Seiten  strömten  die  deutschen  Künstler  nach  Nürnberg.  Die  münchener 
Künstler  entschlossen  sich,  zur  Verherrlichung  des  Tages  in  einer  Reihe 
von  Transparentbildern  das  Leben  Albrecht  Dürers  zu  schildern  und  zu  dem 
Ende  acht  Tage  vor  dem  Feste  nach  Nürnberg  zu  kommen.  Von  diesen 
Transparentbildern,  sieben  an  der  Zahl,  welche  in  den  Spitzbogenfenstern 
an  der  Ostseite  des  alten  Rathaussaales  angebracht  wurden,  malte  Eberle 
das  mittelste.  Das  Bild  stellte,  und  zwar  auf  Grund  einer  Anregung  von 
Cornelius,  welcher  auch  Raphael  bei  dem  Feste  nicht  unberücksichtigt 
lassen  wollte,  Albrecht  Dürer  und  Raphael  voi*,  die  sich  vor  dem  Throne 
der    Kunst    die    Hand    reichen.     Hinter    Dürer    war  Kaiser   Maximilian, 


»)  Brief  an  Cornelius  vom  30.  Juni  1827  bei  Förster  a.  a.  0.  S.  398. 

«)  Daselbst  S.  397  ff. 

»)  a.  a.  0.  S.  224. 

*)  Förster  a.  a.  0.  S.  391. 


—  122  — 

Luther,  Pirkheiiner  und  Wohlgemuth,  hinter  Raphael  die  Päpste  Julius  IL 
und  Leo  X.,  Bramante  und  Perugino  darstellt. 

Das  Fest  verlief  in  gleich  erhebender  wie  gemütlicher  Weise,  mit 
ernsten  Mahnungen  und  heiteren  Wendungen,  auch  mit  EntSchliessungen 
zu  fernerem  Zusammenwirken.  Am  10.  April  —  als  freilich  schon  manche 
Festgäste,  so  auch  Cornelius,  abgereist  waren  —  fand  unter  dem  Vorsitz 
von  J.  D.  Passavant  eine  Versammlung  statt,  in  welcher  die  Gründung 
eines  x\llgemeinen  deutschen  Künstlervereins  beraten  und  beschlossen  wurde. 
Eberle  nahm  an  dieser  Versammlung  teil;  die  Statuten  unterschrieb  er: 
„Ad.  Eberle  aus  Düsseldorf,  Maler  in  München"  ^ 

Im  August  1827  machte  Eberle  die  Bekanntschaft  seines  zwei  Monate 
älteren,  nachmals  berühmt  gewordenen  Kunstgenossen  Moritz  von  Schwind, 
welcher  aus  Wien  auf  zehn  oder  zwölf  Tage  nach  München  gekommen 
war,  um  die  Arbeiten  des  Cornelius  zu  besichtigen.  Am  27.  August  war 
von  Schwind  bei  Cornelius  zum  Abendessen  eingeladen.  „Abends  um 
8  Uhr*'  erzählt  von  Schwind  in  einem  Briefe  an  seinen  Freund  Franz  von 
Schober  „ging  ich  hin.  Er  selbst  war  noch  nicht  zu  Haus.  Eberle  aber,  sein 
Schüler,  führte  mich  zu  seiner  Frau,  wo  Schnorr,  der  den  Tag  vorher 
angekommen    war,  Heinrich  Hess,   Cornelius   Schwester  und  zwey  kleine 

Töchter  sassen" Nach   dem    Essen   wurden   dann  verschiedene 

Gesundheiten  „lebhaft  getrunken,  ausserdem  musste  ich  mit  Eberle  Bruder- 
schaft trinken,  so  dass  ich  einen  Schwips   hatte  und  sehr  lustig  war*'^ 

Ein  fernerer  intimer  Verkehr  zwischen  den  beiden  Malern  scheint 
trotzdem,  auch  nachdem  von  Schwind  im  Herbst  1828  nach  München  über- 
gesiedelt war,  nicht  stattgefunden  zu  haben. 

Während  des  Aufenthalts  in  München  graphierte  Eberle  auch  neun 
Umrisszeichnungen  in  Stein  nach  den  von  Cornelius  entworfenen  und  teil- 
weise in  Deckfarben  ausgeführten  Zeichnungen  zu  den  (nicht  ausgeführten) 
Dante-Fresken  für  die  Villa  Massimi  in  Rom.  Diese  Lithographien  zu 
Dantes  Paradies  erschienen  1831  bei  Börner  in  Leipzig  mit  scharfsinnigen 
theologisch-historischen  Erklärungen  von  J.  J.  J.  Döllinger^ 

Im  Sommer  1829  erkaltete  das  Verhältnis  zwischen  Cornelius  und 
König  Ludwig.  Die  von  Cornelius  gebildete  Schule  löste  sich  auf,  und 
jeder  Schüler  schlug  seinen  eigenen  Weg  ein.  Wie  auch  andere  von  Cornelius 
Schülern  wandte  Eberle  sich  nach  Rom  —  er  sollte  in  der  ewigen  Stadt 
ein  frühes  Grab  finden.  Die  Abreise  von  München  erfolgte  wahrscheinlich 
am  5.  September  1829.  Mit  Eberle  reisten  Frau  Cornelius  und  ihre  jüngste 
Tochter  Maria,  deren  Schutz  Cornelius  seinem  von  ihm  innig  geliebten 
Schüler  anvertraut  hatte;  zur  Reisegesellschaft  gehörte  auch  die  mit  der 
Familie  Cornelius  sowohl  als  mit  Eberle  befreundete  Malerin  Emilie  Linder 


»)  über  das  Vorstehende  siehe  Förster  a.  a.  0.  S.  404  ff.,  489  f. 
»)  H.  Holland,  Moritz  von  Schwind  S.  33  f.,  39. 

^)  Zwei  dieser  ümrisszeichnungen  bei  Eaczynski  a.  a.  0.   S.   170   und  171.    Die 
Corneliusschen  Originale  erwarb  König  Johann  von  Sachsen. 


—  123  — 

ans  Basel.  Die  ßeise  ging  über  Venedig,  Florenz  und  Assisi^  In  Rom 
schloss  Eberle  sich  an  Overbeck  an.  Zunächst  beschäftigte  er  sich  nun 
mit  dem  Karton  zu  der  dem  Leben  Michelangelos  gewidmeten  Loge  in  der 
Münchener  Pinakothek,  wozu  Cornelius  die  Zeichnung  geliefert  hatte.  Bei 
dieser  Arbeit  kam  eine  Eberle  schon  seit  langem  drückende  Schweimut, 
der  Schmerz  darüber,  dass  das  Hervorgebrachte  so  wenig  mit  dem  Gewollten 
übereinstimmen  wollte,  zum  Ausbruch.  Unzufrieden  mit  dem  Geleisteten 
zerstörte  er  oft  die  Arbeit  vieler  Wochen,  damit  aber  auch  sich  selbst  ^ 

Aber  auch  ein  anderer  schlimmer  Gast  hielt  Einkehr  bei  unserem 
Künstler,  die  Not.  Eberles  Verhältnisse  scheinen  nie  besonders  glänzende 
gewesen  zu  sein  —  in  Rom  wäre  die  Lage  eine  verzweifelte  geworden, 
hätte  nicht  seine  Reisegefährtin  Emilie  Linder,  eine  reiche  Patriziertochter, 
helfend  eingegriflfen. 

Emilie  Linder^  war  eine  jener  edlen  Frauengestalten,  deren  Nähe 
schon  beglückend  wirkt.  Von  hoher  Bildung,  ausgestattet  mit  reichen 
künstlerischen  Anlagen,  besass  sie  einen  edlen  uneigennützigen  Charakter, 
ein  Gemüt  von  seltener  Reinheit  und  Innigkeit.  Auch  auf  sie  hätte  man 
die  Worte  einer  deutschen  Dichterin  anwenden  können: 

Und  wer  sie  mag  gewahren, 
Dem  ist  ein  Glücke  nah; 
Schon  ist  ihm  widerfahren 
Ein  Glück,  weil  er  sie  sah. 

Als  sie  nach  zweijährigem  Aufenthalte  im  Juli  1831  Rom  verliess, 
ward  ihr  Scheiden  von  den  deutschen  Künstlern  schwer  empfunden.  Der 
alte  Maler  Koch  Hess  ihr  durch  Eberle  schreiben,  wie  sehr  er  bedauere 
„die  Winterabende  nicht  wieder  wie  früher  bei  ihr  zubringen  zu  können**. 
Ein  gesegnetes  Andenken  hinterliess  die  Künstlerin  aber  in  der  deutschen 
Künstlerkolonie  dadurch,  dass  sie  jüngere  Talente  unterstützte  und  durch 
Aufträge  ermutigte.  Auch  Eberle  kam  sie  auf  solche  Weise  zu  Hülfe,  und 
man  darf  wohl  sagen,  dass  durch  ihre  Güte  auf  seine  letzten  Lebensjahre 
ein  letzter  Sonnenschein  gefallen  ist.  Die  Briefe,  die  sie  von  dem  Früh- 
vollendeten aufbewahrte  —  teils  während  ihrer  Anwesenheit  in  Rom,  teils 
nach  ihrer  Abreise  aus  Italien  an  sie  gerichtet  —  geben  darüber  reich- 
lichen Aufschluss.  Kaum  hatte  Fräulein  Linder  Eberles  Lage  kennen 
gelernt,  so  bestellte  sie  bei  ihm  ein  Ölgemälde,  und  voll  Rührung 
dankte  er  der  freundlichen  Dame  für  „das  Vertrauen,  das  sie  einem 
Namenlosen  durch  den  ehrenvollen  Auftrag**  geschenkt  habe.  Später 
erwarb  sie  auch  mehrere  Zeichnungen  von  Eberle  gleich  dem  bestellten 


0  Über  das  Vorstehende  Förster  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  5  und  43. 

*)  Nagler  a.  a.  0. 

')  Über  Emilie  Linder  siehe  die  beiden  Artikel  Historisch -politische  Blätter 
Bd.  LIX,  S.  718  ff.  und  836  flf.  Diesen  Artikeln  ist  das  Nachstehende  teilweise  wörtlich 
entnommen. 


—  124  — 

Ölgemälde^  fast  ausschliesslich  religiöse  Gegenstände,  darunter  auch  die 
von  ihm  besonders  hochgehaltene  und  auf  ihre  Veranlassung  in  Kupfer 
gestochene  Zeichnung:  Petrus  und  Paulus  auf  der  Fahrt  nach  Rom. 

Als  ihr  Eberle  diese  und  eine  andere  dem  alten  Testamente  entnommene 
Zeichnung  als  „Ertrag  seiner  Muse  seit  ihrer  Abreise"  nach  Basel  zu- 
sandte, begleitete  er  die  Sendung  mit  den  Worten:  „Was  mich  hauptsächlich 
zu  diesen  Gegenständen  hinzieht,  ist  die  gesunde  Sprache,  die  ich  bemüht 
bin  in  meine  Kunst  zu  übertragen.  Deshalb  sehen  Sie  diese  Arbeit  bloss 
als  Studium  an,  die  ich  für  meinen  Geschmack  noth wendig  halte;  was 
daran  noch  fehlt,  weiss  ich  sehr  gut,  ohne  aber  dem  Mangel  abhelfen  zu 
können.  Nehmen  Sie  es  deshalb  wie  es  ist,  ganz  schlecht  ist  es  nicht 
und  ist  in  sehr  trüber  Zeit  entstanden  und  hängt  manche  Thräne  dran, 
die  wie  eine  Ader  edlen  Metalls  siebenmal  bewährt  im  irdenen  Tiegel 
durchhinfliesst.  Auch  hab  ich  schon  hier  einigen  Trost,  dass  ich  nicht 
ganz  vergeblich  gearbeitet  habe,  in  dem  Urtheil  Overbecks,  der  sie  bei 
Bunsen  sah,  was  mich  nicht  wenig  freute."  Ihre  freigebige  Fürsorge  hörte 
nicht  auf,  ihn  der  drückendsten  Sorgen  zu  entheben,  und  Eberle  ergeht 
sich  in  Worten  voll  Dankbarkeit  für  die  fortlaufenden  Beweise  ihrer  Güte, 
noch  mehr  aber  für  die  zarte  Weise  und  die  aufrichtigen  Worte,  womit 
sie  das  alles  that. 

Auch  auf  seine  religiöse  Gesinnung  scheint  ihr  persönlicher  Umgang 
zu  Eom  wohlthuend  gewirkt  zu  haben.  Die  Neigung  für  mystische  Schriften, 
die  sie  durch  Baader  angeregt  in  jener  Periode  nährte,  gewann  auch  bei 
ihm  Boden,  und  als  kurz  nach  ihrer  Abreise  Ernst  von  Lasaulx  nach  Eom 
kam,  freute  dies  Eberle  besonders  auch  deshalb,  weil  er  mit  diesem  die 
liebgewordene  gemüterhebende  Beschäftigung  wieder  fortpflegen  konnte. 
Er  schrieb  ihr  darüber  am  25.  September  1831  nach  Basel:  „Ein  alter 
Jugendfreund  und  Landsmann  von  mir,  E.  Lasaulx,  ist  jetzt  mein  beinahe 
ausschliesslicher  und  täglicher  Umgang  ...  Er  wird  wohl  den  Winter 
hier  zubringen  und  meine  Wohnung  mit  mir  theilen.  Er  ist,  wie  Sie 
wissen,  ein  eifriger  Anhänger  des  Schelling  und  mit  der  neuern  Philosophie, 
und  was  für  mich  noch  mehr  Werth  hat,  mit  der  Mystik  des  Mittelalters 
sehr  vertraut;  ich  freue  mich  einigen  Ersatz  Ihrer  Gesellschaft  an  ihm 
gefunden  zu  haben,  wenn  ich  auch  nicht  die  Hoffnungen,  die  er  auf  die 
neuere  Philosophie  setzt,  theilen  kann ;  wenn  mich  auch  die  Bekanntschaft 
mit  derselbigen  über  manches  Vorurtheil  aufklärt,  so  finde  ich  mich  doch 
nur  mehr  und  mehr  zu  dem  Einen  was  Noth  ist  hingezogen,  in  der  festen 
Überzeugung  dass  nur  an  der  alleinigen  Lebensquelle  Jesus  Christus  unser 
Durst  gestillt  werden  kann."  Über  seinen  Freund  fügt  er  indess  gleich 
hinzu:  „Lasaulx  hat  übrigens  eine  sehr  tüchtige  christliche  Unterlage, 
und  wenn  einmal  sein  Können  mit  seinem  Wollen  und   sein  Wollen  mit 


*)  Dieses  Ölgemälde,  von  welchem  auch  Förster  (a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  46)  berichtet, 
scheint  nicht  über  die  ersten  Anfänge  hinausgekommen  zu  sein. 


—  125  — 

seinem  Können  Hand  in  Hand  geht,  dürfen  wir  gewiss  etwas  sehr  Tüchtiges 
von  ihm  erwarten.** 

Lasaulx  war  es  dann  auch,  welcher  der  gemeinsamen  Freundin  die 
Trauerpost  von  dem  unerwarteten  Hinscheiden  Eberles  nach  Deutschland 
berichtete.  Eberles  Plan  war  gewesen,  noch  ein  Jahr  in  Rom  zu  ver- 
bringen, dann  wieder  nach  München  und  unter  die  Fittige  seines  Meisters 
Cornelius  zurückzukehren  und  seiner  Kunstwanderfahrt  ein  Ziel  zu  setzen. 
So  schrieb  er  noch  selber  in  einem  Briefe  vom  7.  März  1832  ^  Aber 
schon  einen  Monat  später  hatte  er  seine  irdische  Pilgerfahrt  vollendet. 
Er  erlag  einem  Magenleiden.  Fräulein  Linder  hatte  den  Kranken  kurz 
zuvor  noch  durch  die  Zusendung  eines  Vorschusses  erfreut.  Unter  dem 
24.  April  1832  meldete  nun  Lasaulx  aus  Rom:  „Unser  Freund  Adam  Eberle 
genas  am  15.  April*  Nachmittags  fünf  Uhr  nach  hartem  Todeskampf  von 
der  Krankheit  dieses  Lebens;  Charfreitag  Morgens  haben  wir  ihn  heim- 
getragen .  .  .  Drei  Tage  vor  seinem  Tode  ward  ihm  noch  die  grosse 
Freude,  Ihren  letzten  Brief  und  was  Ihre  Liebe  diesem  Brief  beigelegt, 
zu  erhalten.  Er  war  Einer  der  wenigen,  die  ihre  Seele  reingewaschen 
im  Blute  des  Lammes,  welches  von  der  Welt  Anfang  geopfert  worden  .  .  . 
Die  Lamentationen  und  das  Miserere  der  göttlichen  alten  Meister  Palestrina 
und  AUegri,  welche  Sie  unsern  Freund  gebeten  für  Sie  mitzuhören  — 
habe  ich  für  Sie  beide  mitgehört.** 

So  ruht  auch  dieser  deutsche  Maler  fern  von  Vaterstadt  und  Vater- 
land im  ewigen  Rom  auf  dem  Kirchhof  an  der  Pyramide  des  Cestius.  Unge- 
schwächt aber  lebte  sein  Andenken  fort  in  der  Erinnerung  seiner  Freunde. 

Hier  ist  zunächst  Eberles  Meister  Peter  von  Cornelius  zu  nennen. 
Raczynski,  mit  Cornelius  wohl  bekannt,  teilt  mit,  dass  dieser  Eberle  für 
einen  seiner  besten  Schüler  gehalten  und  besondere  Vorliebe  und  Sorgfalt 
für  ihn  gehabt  habe^  Förster,  Eberles  Mitschüler  bei  Cornelius  und  des 
letzteren  vertrauter  Freund,  berichtet  wie  das  Jahr  1832  für  Cornelius 
sowohl  durch  den  Tod  seiner  ältesten  Tochter,  als  auch  durch  das  Hin- 
scheiden Eberles,  der  einer  seiner  liebsten  und  begabtesten  Schüler  gewesen, 
ein  Trauerjahr  geworden  sei  *.  Wie  sehr  aber  Cornelius  die  künstlerische 
Begabung  Eberles  schätzte,  zeigt  eine  Stelle  aus  einem  ein  Jahr  nach 
dessen  Tod  an  König  Ludwig  gerichteten  Briefe,  in  welchem  er  diesem 
einen  jungen  Künstler  empfahl.  „Euer  Majestät"  schrieb  er,  „erziehen 
jetzt,  da  er  noch  jung,  genügsam  und  empfänglich  ist,  mit  wenig  Aufwand 
von  Mitteln  einen  so  bedeutenden  Künstler,  der  sich  einst  an  Kaulbach, 
Eberle  etc.  wird  anschliessen  dürfen**  *. 


0  Kurz  vorher  am   12.   Februar   1832   schrieb  Cornelius  an   Emilie  Linder:   „Von 
Kom  haben  wir  fi;ute  Nachrichten".    Förster  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  70. 

')  Hiernach  ist  die  Zeitangabe  bei  Förster  a.  a.  0.  S.  76  zu  berichtigen. 

«)  a.  a.  0.  S.  222. 

*)  a.  a.  0.  Bd.  H,  S.  76  f. 

»)  Brief  vom  24.  April  1883  bei  Förster  a.  a.  0.  S.  89. 


—  126  — 

über  das  Verhältnis  Kaulbachs  zu  Eberle  äussert  Raczynski  sich 
ausführlicher:  „Das  Andenken  Eberles  ist  auch  für  Kaulbach  ein  Gegen- 
stand der  Verehrung.  Dieser  ehrenvoll  bekannte  junge  Mann  lebte  mit 
Kaulbach  in  naher  Freundschaft.  Beide  waren  zu  gleicher  Zeit  Cornelius 
Schüler  gewesen,  beide  folgten  ihm  nach  München,  und  der  Austausch  der 
Gedanken  und  Ratschläge,  der  zwischen  ihnen  Statt  fand,  hat  nicht  wenig 
zur  Entwickelung  von  Kaulbachs  Talent  beigetragen.  Eberles  Werke 
erregen  fortwährend  seine  Bewunderung  und  seine  Lobsprüche,  und  der 
Tod  dieses  bedeutenden  jungen  Mannes  ist  für  ihn  ein  steter  Gegenstand 
der  Trauert" 

Auch  Lasaulx  hat  seinem  Jugendfreunde  ein  immerwährendes  Angedenken 
bewahrt.  Als  er  im  Jahre  1859  fast  am  Ende  seines  Lebens  seiner  Freundin 
Emilie  Linder  sein  letztes  grösseres  Werk  „Philosophie  der  schönen 
Künste"  widmete,  „die  gedankenvolle  Arbeit  vieler  Jahre  und  ein  stilistisches 
Meisterwerk"  ^  unterliess  er  es  nicht  in  der  Zueignung  auch  des  gemein- 
samen Freundes  Eberle  zu  gedenken.  „Dass  ich  gerade  Ihnen  das  Buch 
zueigne",  schreibt  er,  „werden  Sie  bei  einiger  Selbsterforschung  natürlich 
finden.  Ich  begegnete  Ihnen  zum  erstenmale  vor  dreissig  Jahren  in 
München,  in  einem  schönen  Kreise  befreundeter  Männer  und  Frauen  .  .  . 
Der  Tod  unseres  frühreifen  Freundes  Adam  Eberle  veranlasste  mich  dann 
Ihnen  brieflich  näher  zu  treten;  und  seitdem  waren  Sie  mir  und  meiner 
Frau  und  Tochter  in  frohen  und  trüben  Tagen  eine  so  liebe  und  wahre 
Freundin,  dass  es  mir  ein  Bedürfniss  ist,  Ihnen  meine  Dankbarkeit  auch 
dadurch  zu  bezeugen,  dass  ich  gerade  dieses  Buch  dessen  Inhalt  Ihren 
eigenen  Studien  so  nahe  liegt,  und  bei  dessen  Ausarbeitung  ich  Ihrer  und 
unserer  andern  Freunde,  der  lebenden  und  der  todten  oft  gedachte,  am 
liebsten  Ihnen  darbringe'." 

Eberles  (Selbst-  ?)  Bildnis  ist  in  Raczynskis  Geschichte  der  neueren 
deutschen  Kunst  enthalten*.  Es  zeigt  einen  jungen  Mann  zu  Anfang 
der  zwanziger  Jahre,  von  edlen  ernsten  Zügen,  mit  schwachem  Bart- 
wuchs. Auf  den  glatten,  dichten  und  lang  bis  auf  den  Hals  fallenden 
Haaren  sitzt  ein  Künstlerbarett. 

Über  die  künstlerische  Bedeutung  Eberles  urteilt  ein  bekannter  Kri- 
tiker, der  Maler  und  Kunsthistoriker  Fried.  Pecht^  dass  die  Freskogemälde 
bei  manchen  Schönheiten  der  Komposition  wegen  der  bunten  und  haltungs- 
losen Malerei  nicht  zu  Geltung  kommen,  dass  aber  die  Kartons  und  die 
mit  der  Feder  gezeichneten  Kompositionen  als  wirklich  wertvolle  Arbeiten 
zu  achten  sind,  welche  mit  Recht  grosse  Erwartungen  erregten,  die 
Eberle  jedoch  bei  dem  Mangel  jeder  Technik  im  Malen  und  wegen  seiner 


0  a.  a.  0.  S.  276  f. 

3)  Historisch-poUtische  Blätter  Bd.  LIX,  S.  739. 

')  Philosophie  der  schönen  Künste  S.  4. 

*)  Bd.  n,  S.  223. 

*)  Allgemeine  deutsche  Biographie  Bd.  V,  S.  573. 


—  12?  — 

vollkommenen  Unkenntnis  der  Gesetze  des  Kolorits  nie  zu  erfüllen  im 
Stande  war. 

Dass  Eberle  diese  Mängel  nur  zu  sehr  selbst  empfand,  wurde  bereits 
im  Verlaufe  der  Darstellung  angedeutet.  Immerhin  bleibt  bei  der  Beurteilung 
der  Eberleschen  Fresken  zu  berücksichtigen,  dass  es  sich  um  die  Arbeiten 
eines  Dreiundzwanzigjährigen  handelt,  dann  auch,  dass  seine  Mängel  der 
Schule  im  allgemeinen  anhafteten,  welche  über  Komposition  und  Form- 
gebung das  Kolorit  oft  allzusehr  vernachlässigte. 

Die  von  Eberle  geschaflFenen  Gemälde  sind  im  Vorstehenden  aufgeführt 
worden.  Ihr  Verbleib  liess  sich,  soweit  sie  nicht  in  Monumentalmalereien 
bestehen,  nicht  ermitteln.  Von  Eberles  Zeichnungen  sind  sieben  durch 
Emilie  Linder  dem  Museum  ihrer  Vaterstadt  Basel  vermacht  worden.  Es 
sind  dies^  folgende  Blätter: 

1.  Landschaft.  Links  grosse  Baumgruppe  mit  Ausblick  auf  eine 
Kuppelkirche;  rechts  junger  Mann  in  italienischer  Tracht,  der  ein  Eselchen 
führt,  auf  welchem  eine  Frau  und  ein  nacktes  Kind  sitzen;  zu  äusserst 
rechts  ein  junges  Mädchen  mit  einem  Korb  auf  dem  Kopf.  (Bisterzeichnung; 
einzelne  Partien  erst  mit  Bleistift  angelegt.  Jugendarbeit.  Von  Fräulein 
Linder  bezeichnet:  „Eberle".) 

2.  Job  von  seinen  Freunden  verspottet.    (Pause  in  Bleistift.) 

3.  Derselbe  Gegenstand;  Komposition  reicher.  Oben  Gott  Vater;  zur 
Linken  der  Satan  entfliehend ;  rechts  Engel.  (Flotte  Bleistiftskizze,  bezeichnet 
unten  links  „Ad.  Eberle".) 

4.  Das  trauernde  Jerusalem.  Grosse  nicht  ganz  vollendete  Kompo- 
sition. (Bleistiftzeichnung,  rechte  Seite  nicht  ausgeführt.  Bezeichnet: 
„Das  traurende  (sie)  Jerusalem  —  Eberle".  Im  Bilderatlas  zu  Raczynskis 
Geschichte  der  neueren  deutschen  Kunst  befindet  sich  eine  Lithographie 
dieser  Zeichnung  von  Strixner.) 

5.  Jesus  beruft  zwei  Jünger.  (Sorgfältig  ausgeführte  Kreidezeichnung.) 

6.  Die  trauernden  Juden  an  den  Wassern  zu  Babylon.  Grosse  Kompo- 
sition. (Kreidezeichnung.  Bezeichnet  „Eberle".  Abgebildet  bei  Förster, 
Denkmale  deutscher  Kunst*.) 

7.  Petrus  und  Paulus  auf  der  Fahrt  nach  Rom.  Die  Apostel  sitzen 
nebeneinander  in  der  Mitte  einer  dem  Ufer  zufahrenden  Barke.  Ein  Engel 
(der  Glaube),  welcher  den  kreuzförmigen  Mast  umfasst  hält,  steuert  das 
Schifflein;  ein  zweiter  am  Schnabel  sitzender  Engel  spielt  auf  der  Harfe. 
Vorauf  schwebt  ein  Engel,  der  einen  Schild  und  eine  Posaune  trägt,  über 
deren  SchallöflFnung  ein  Stern  strahlt  —  wohl  ein  Hinweis  auf  den  Glaubens- 
mut der  Apostel,  die  im  BegriflFe  sind,  den  Heiden  das  Licht  des  Evangeliums 


*)  Nach  einer  gefälligen  Mitteilung  des  Herrn  Konservators  Dr.  Daniel  Burckhardt 
in  Basel. 

*)  Der  bei  Raczynski  befindliche  Hinweis  auf  das  den  gleichen  Gegenstand 
behandelnde  Gemälde  Bendemanns  im  Kölner  Museum  wurde  durch  Cornelius  veranlasst. 
Siehe  Riegel,  Peter  Cornelius,  Berlin  1888,  S.  335—386. 


—  128  — 

zu  verkünden.  Ein  dem  Nachen  folgender  Engel  mit  umgekehrtem  Kreuz 
und  gezücktem  Schwert  deutet  den  den  Aposteln  bevorstehenden  Marter- 
tod an.  Auf  dem  gebirgigen  Ufer  ein  antiker  Tempel.  (Sorgsam  levirte 
Bisterzeichnung,  bezeichnet  unten  rechts:  „Eberle".  Abgebildet  bei  Raczynski 
a.  a.  0.  S.  226.) 

Die  unter  2,  5  und  6  aufgeführten  Zeichnungen  sind  im  Saal  neuerer 
Handzeichnungen  ausgestellt  und  tragen  die  Nummern  57,  56  und  55. 


Vereins  angelegenheiten. 

Bericht  über  das  Vereinsjahr  1895—1896. 

Auch  in  dem  abgelaufeüeu  Jahre  ist  der  Verein  wieder  redlich  bemüht  gewesen, 
der  Aufgabe,  die  er  sich  bei  seiner  Gründung  gesteUt,  nach  allen  Seiten  hin  gerecht  zu 
werden.  Zu  dem  Ende  hat  er  einerseits  eine  Reihe  von  wissenschaftUchen  Sitzungen  und 
Ausflügen  veranstaltet  und  anderseits  den  neunten  Jahrgang  der  Vereinszeitschrift  heraus- 
gegeben, welcher  eine  reiche  FüUe  lokalgeschichtlichen  Stoffes  in  grossem  Abhandlungen 
und  kleinern  Mitteilungen  den  Mitgliedern  bietet.  Der  erste  Ausflug,  am  4.  August  1896, 
hatte  zum  Zielpunkt  die  im  Geulthale  gelegene  mittelalterliche,  heute  in  arg  zerfallenem 
Zustande  befindliche  Burg  Schimper.  Da  die  Besichtigung  derselben  nicht  die  ganze  für  den 
Ausflug  in  Aussicht  genommene  -Zeit  in  Anspruch  nahm,  so  konnte  noch  eine  lohnende 
Pusswanderung  nach  dem  drei  Viertel  Standen  entfernten  Altenberg  unternommen  werden. 
In  der  Gartenveranda  des  Altenberger  Casino  hielt  Herr  Pfarrer  Schnock  einen  längeren 
Vortrag  über  das  neutrale  Gebiet  von  Moresnet.  Am  4.  Oktober  veranstaltete  der  Verein 
einen  zweiten  Ausflug  nach  der  Burgruine  Wilhelmstein.  Die  Innern  Bäumlichkeiten  wie  auch 
die  äussern  Befestigungswerke  wurden  unter  Führung  des  Herrn  Rhoen  eingehend  besichtigt 
In  Bardenberg,  wo  noch  eine"  kurze  Nachsitzung  stattfand,  hielten  Herr  Pfarrer  Schnock 
und  Herr  Referendar  Schollen  zu  der  Geschichte  Bardenborgs  und  der  Burg  Wilhelmstein 
in  Beziehung  stehende  Vorträge.  Mit  hoher  Befriedigung  gedenken  die  Teilnehmer  beider 
Ausflüge.  Die  satzungsmässige  Hauptversammlung  wurde  am  11.  November  im  Vereins- 
lokal „König  von  Spanien**  unter  sehr  reger  Beteiligung  abgehalten.  In  derselben  erstattete 
der  Vorsitzende,  Herr  Direktor  Dr.  Wacker  den  Jahresbericht,  aus  dem  wir  entnehmen, 
dass  die  verhältnissmässig  hohe  Summe  von  nahezu  7000  Mark  bisher  auf  die  Drucklegung 
und  Ausstattung  des  Vereinsorgans  —  die  Autoren  haben  in  dankenswerter  Weise  ihre 
Arbeiten  gratis  zur  Verfügung  gestellt  —  verwandt  worden  ist,  sowie  ferner,  dass  die 
Mitgliederzahl  sich  in  der  Höhe  von  220—230  erhalten  hat.  Der  Schatzmeister  des  Vereins, 
Herr  Stadtverordneter  Ferdinand  Kremer,  gab  sodann  einen  Ueberblick  über  die  finanzienen 
Verhältnisse  und  wurde  ihm,  nachdem  die  Kasse  auf  ihre  Richtigkeit  durch  die  Herren 
Fey  und  Pschmadt  geprüft  worden,  Entlastung  erteilt  und  der  wärmste  Dank  ausgesprochen. 
Es  hielten  sodann  noch  längere,  höchst  anziehende  und  lehrreiche  Vorträge  die  Herren 
Referendar  Schollen  und  Archivar  Dr.  Brüning.  Ersterer  hatte  sich  zum  Thema  gewählt : 
„Die  Strafrechtspflege  in  Aachen  zu  reichsstädtischer  Zeit",  letzterer  sprach  über  die 
Beziehungen  des  Prinzen  Eugenius  zu  Aachen.  Beide  Vorträge  fanden  die  verdiente 
Anerkennung  und  reichen  Beifall. 

Verlag  der  Cremer'schen  Bnchhandlniig  (C.  Caziii)  in  Aachen. 


Die  Fabel  von  der  ßeslallung  Karls  des  Grossen. 


Von  TH.  LINDNER. 

m,  82  S.  gr.  80.    Preis  -4t  1.60. 


Dbuck  von  Hekman.n  Kaat)UsR  in  Aacukm. 


ms  ¥011 


IM  AUFTRAG  DES  VEREINS  HERAUSaEQEBEN 


HEINRICH  SCHNOCK. 


ZEHNTER  JAHRGANa. 


AACHEN. 

KoMMissioNS -Verlag  dkk  (■humhhschhn  Buchhandlung  (0.  Oazin). 
1897. 


INHÄLT. 


Seite 

1.  Schönau.    (Fortsetzung.)    Von  H.  J.  Gross 1 

2.  Schönau.    (Schluss.)    Von  H.  J.  Gross 17 

3.  Zum  Rastattcr  Gesandtenmord.    Von  W.  Brüning •.    .  21 

4.  Ein  „Gemeiner  Bescheide*  des  Aachener  Schöffenstuhls.    Von  Franz 
Schollen 25 

5.  Kleinere  Mitteilungen: 

1.  Aus  dem  Aachener  Stadtarchiv.    Von  W.  Brüning 29 

2.  Eine  alte  Aachener  Geleitstafel.    Von  FranzSchollen    .    .     .  30 

6.  Aufzeichnungen  eines  Haarener  Kirchenbuches  aus  den   Kriegsjahren 
1792—1795.     Von  H.  Schnock 33 

7.  Kleinere  Mitteilung: 

Der  Aachener  Stadibrand  im  Jahre  1656.    Von  H.  Schnock.    .     .  50 

8.  Zur  Geschichte  Aachener  Maler  des  19.  Jahrhunderts.    Von  J.  Fej    .  53 

9.  Max  von  Schenkendorf  am  Rhein  und  in  Aachen.    Von  K.  Wacker  .  92 

10.  Zur  Geschichte  des  Ortes  Schevenhütte.    Von  A.Bommes     .    .    .    .  101 

11.  Kleinere  Mitteilungen: 

1.  Reihenfolge  der  Pfarrer  in  der  Gemeinde  Haaren  bei  Aachen. 
Von  H.  Schnock 111 

2.  Ein  Brief  E.  M.  Arndts  an  den  Maler  Salm.     Von  J.  Fey      .     .  112 

3.  Ein  Agent  in  Aachener  Diensten  während  des  Pfälzischen  Krieges. 
Von  M.  Schollen 113 

4.  Lühnungsliste  der  Soldaten  der  Reichsstadt  Aachen  vom  26.  April 
1657.     Von  Demselben 113 

.'3.  Kosten  eines  Festessens  in  Aachen  im  Jahre  1700.    Von  Demselben.  116 

12.  Vereinsangelegcnheiteu: 

1.  Bericht  über  das  Vereinsjahr  1897.     Vom  Herausgeber.     .     .  117 

2.  Verzeichnis  der  Mitglieder 120 


. *•-   ^:»^   - ', 


Jäbrlich  S  Numinorn  Komm issions -Verlag 

A  1  Bogen  Royal  Oktav.  ^^' 

Creme  r'gcheo  Buc.hhandinne 
Prei»  des  Jahrgangs  (C.C«iil 

4  Uark.  in  Aaclien. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Im  Anftragc  Jca  Vereins  herausgegeben  vun  H.  Schnook. 


Zehnter  Jahrgang. 


Inhalt;  H.  J.  Qross,  ScbSoan.  (Fortgetziing  statt  Schloss.) 


Schönau. 

Von  H.  J.  Gross.    ( Fortsetz ung  statt  Sehlnss.) 

Ebenso  glücklich  waren  die  Brüder  in  dem  Rechtsstreite  gewesen, 
den  seinerzeit  Adolf  von  Hillensberg  gegen  den  Eindringling  Max  eiiige- 
■  leitet  und  der  1735  sein  Ende  erreicht  hatte.  Die  Myleudunck  waren  zum 
Ersätze  der  Mobilien  mit  1000  Gulden,  der  genossenen  Einkünfte  mit  390 
Thaler  fürs  Jahr  und  zur  Herausgabe  sämtlicher  Briefschaften  verurteilt 
worden.  Nun  gab  es  noch  eine  Möglichkeit  die  Blanche  von  Schönau  zu 
entfernen,  wenn  nämlich  der  Rechtshandel,  der  zwischen  Margarethe 
Elisabeth  von  Myleiidnnck  und  Isak  Lambert  von  Blanche  sich  entsponnen 
hatte,  zu  Ungunsten  der  Brüder  entschieden  würde.  Aber  auch  hier 
blieben  die  Blanche  1759  Sieger.  Nun  liess  sich  Johann  Gottfried  auf 
grund  eines  Exekutionsdekrets  an  den  Kurfürsten  von  Köln  in  Fronenbroch 
als  Herr  einsetzen.  Die  Kosten  waren  nicht  unbedeutend.  Die  beiden 
Kommissare  erhielten  sofort  300  Tbaler  Reisegeld,  je  acht  Thaler  Tage- 
gelder, der  Sekretär  vier  Thaler,  der  Prokurator  der  Blanche  ebenfalls 
vier  Thaler,  sodann  die  Kommissare  für  Wagen  und  Diener  noch  sechs 
Thaler  täglich.  „Kost  und  drank  so  über  reis  als  in  loco  wird  sich  eben 
so  viel  betragen  haben,"  Hundert  Schützen  aus  Rheinberg,  welche  die 
Kommissare  hatten  kommen  lassen,  erhielten  vier  Louisdor  für  Bier  und 
Branntwein.  Die  Kosten  wurden  gedeckt  aus  „des  gegners  effekten",  die 
für  1500  Thaler  verkauft  worden  waren. 


—  2  — 

So  hatten  die  Herren  von  Blanche  alle  ihre  Widersacher  überwunden.  — 
Da  erlitten  sie  mitten  im  Siege  die  entschiedenste  Niederlage.  Ein  Gegner 
stand  gegen  sie  auf,  dem  sie  nicht  gewachsen  waren.  Der  Kurfürst  von 
der  Pfalz,  jedenfalls  gereizt  durch  die  Herren  zur  Heiden,  wohl  auch 
von  dem  Wunsche  beseelt  den  ewigen  Reibereien  ein  Ende  zu  machen, 
brauchte  Gewalt.  Er  liess  die  Brüder  Johann  Gottfried  und  Adolf  Werner 
in  der  Nacht  vom  18.  auf  den  19.  Januar  1760  in  Schönau  aufheben  und 
nach  Jülich  bringen,  wo  sie  vier  Jahre  lang  in  den  Kassematten  gefangen 
gehalten  wurden  ^  Schönau  soll  dabei  vollständig  ausgeplündert  worden 
sein;  die  Brüder  schlagen  den  erlittenen  Schaden  mit  arger  Uebertreibung 
auf  20000  Thaler  an.  Anfangs  wurden  beide  in  enger  Haft  gehalten,  so 
dass  sie  mit  niemand  schriftlich  oder  mündlich  verkehren  durften,  obwohl 
das  Kammergericht  der  kurfürstlichen  Regierung  den  Befehl  hatte  zugehen 
lassen  die  Gefangenen  frei  zu  geben,  ihnen  Schönau  auszuliefern  und  allen 
Schaden  zu  ersetzen. 

Gegen  dieses  Mandat  wendete  der  Jülich-Bergische  Geheime  Rat 
folgendes  ein:  die  von  Blanche  hätten  sich  schon  1731  an  den  Kaiser  um 
Schutz  ihrer  vermeintlichen  Reichsfreiheit  gewandt^,  der  Kaiser  habe 
darauf  die  ausschreibenden  Fürsten  des  niederrheinisch-westfälischen  Kreises 
befragt,  der  Kurfürst  eine  Beschwerde  eingereicht  und  von  Blanche  die 
Sache  ruhen  lassen.  Die  Gefangennahme  habe  stattfinden  müssen,  weil 
die  von  Blanche  „mit  ihrem  aus  lüderlichem  gesindel  bestehenden  anhange 
sich  vieler  thätlichkeiten,  Unordnungen  und  betrügereien  unterzogen  haben, 
deren  einige  nach  in  der  peinlichen  halsordnung  vorgeschriebenen  grund- 
sätzen  zu  beurteilen  sind**  und  „einem  jeden  in  dortigen  gegenden  zur 
furcht  und  schröcken  gewesen".  Sie  hätten  sich  ferner  zu  schulden 
kommen  lassen:  1.  Ermordung  des  Heidener  Gerichtsboten  durch  den 
älteren  von  Blanche;  Notwehr  sei  nicht  nachgewiesen;  2.  Gefährdung  des 
Heidener  Gebietes,  thätliche  Misshandlung  der  Einwohner  besondei-s  der- 
jenigen, die  den  landesherrlichen  Befehlen  nachkamen;  3.  Bedrohung  und 
Misshandlung  der  Heidener  Beamten;  4.  Erhebung  des  Schönauer  Laten- 
gerichts  zu  einem  ordentlichen  durch  den  älteren  von  Blanche  1751,  Be- 
schädigung der  Leute  durch  dasselbe;  5.  weil  das  Gericht  aus  lauter  un- 
erfahrenen Leuten  bestand,  habe  von  Blanche  oft  genug  Richter,  Partei, 
Anwalt  und  Gerichtsschreiber  gespielt;  6.  es  sollen  dort  mehrere  falsa 
vorgekommen  sein;  7.  Verhöhnung  und  Verachtung  landesfürstlicher  Dekrete; 
8.  Falschmünzerei  durch  Ausprägung  minderwertiger  Vierhellerstücke. 

In  einem  Memoire  concernant  Temprisonnement  des  deux  fröres  barons 
de  Blanche  seigneurs  de  Schönau  sucht  Johann  Gottfried  diese  Anschuldi- 
gungen zu  entkräften.  Der  Totschlag  sei  in  Notwehr  und  in  Verteidigung 
„landesherrlicher  Rechte"   geschehen;   das  Recht  Münzen  zu  prägen  habe 


*)  Was  Isak  Lambert  den  „mortgens  pfaffen"  gewünscht  hatte,  geschah  so  seinen 
Söhnen. 

*)  Das  bezieht  sich  auf  das  oben  wiedergegebene  Schreiben  des  Johann  Gottfried. 


—  3  — 

der  Herr  von  Schönau  laut  kaiserlichen  Privilegs  und  nach  dem  Beispiele 
seiner  Vorfahren;  das  kurfürstliche  Plakat  sei  abgenommen  worden,  weil 
unbefugte  es  angeschlagen  hatten;  er  habe  ohne  Verletzung  der  Ehrfurcht 
gegen  den  hohen  Fürsten  nur  sein  Recht  gegen  ihn  wie  gegen  alle  anderen 
verteidigt.  Dann  fragt  das  memoire,  warum  man,  da  blos  der  ältere 
Bruder  in  betracht  komme,  auch  den  jüngeren,  der  mit  all  diesen  Sachen 
nichts  zu  thun  habe,  in  so  strenger  Haft  halte?  Das  sei  nicht  Ausübung 
der  Gerechtigkeit  sondern  persönliche  Rache. 

Es  handelte  sich  dem  Kurfürsten  wirklich  um  etwas  ganz  anderes 
als  um  Ausübung  der  Gerechtigkeit.  Er  wollte  die  Unabhängigkeit 
Schönaus  unterdrücken  und  darum  forderte  er  als  Preis  für  die  Freilassung 
Anerkennung  seiner  Landeshoheit  und  Leistung  des  Homagialeides  durch 
beide  Brüder.  Das  durchschauten  auch  andere  Leute.  Bereits  1757 
schrieb  Graf  Waldbot-Bassenheim  an  von  Blanche:  man  glaube  in  Wetzlar 
„wie  ich  schon  vor  vielen  jähren  gemeldet  habe,  dass  euer  hoch  wohlgeboren 
sich  in  churschutz  ergeben  mit  vorbehält  unterschiedlicher  bedingungen''. 
Man  betrachtete  denn  auch  allgemein  die  Gefangennahme  als  Gewaltthat. 
Der  Prinz  von  Croy  verwendete  sich  in  einem  Schreiben  aus  Aachen, 
27.  Oktober  1761,  bei  einem  Herrn  aus  der  Umgebung  des  Kurfürsten  für 
die  Brüder  und  bemerkt,  die  Sache  mache  „beaucoup  de  bruit**;  der 
Vogtmajor  und  die  Jülicher  seien  sehr  erbittert  über  die  Gebrüder  von 
Blanche. 

Im  Vertrauen  auf  ihr  Recht  und  auf  die  Vermittelung  ihrer  Freunde 
hielten  die  Herren  vier  Jahre  aus;  dann  unterwarfen  sie  sich.  Am  2.  Mai 
1764  machte  der  Kurfürst  den  Herren  zur  Heiden  Mitteilung  davon  und 
gab  beiden  Parteien  auf  sich  freundnachbarlich  zu  vertragen.  Aber  weder 
die  Frau  des  Gerichtsschreibers  noch  der  Pächter  auf  Haus  Heiden  wollten 
das  Mandat  annehmen;  der  mit  der  Ueberreichung  betraute  Notar  musste 
dasselbe  am  Riegel  des  Hofthores  festbinden. 

Am  29.  Mai  desselben  Jahres  erliess  der  Kurfürst  den  beiden  Brüdern 
die  Kosten  des  Verfahrens  „aus  ledigen  gnaden",  sprach  aber  auch  die 
Erwartung  aus,  dass  sie  mit  Ablegung  dos  Homagialeides  nicht  länger 
mehr  zögern  würden.  So  musste  der  selbstbewussteste  Vertreter  der 
Reichsfreiheit  Schönaus  die  Selbständigkeit  des  uralten  Allods  zu  Grabe 
tragen!  Es  war  eben  ein  stärkerer  über  ihn  gekommen,  der  freilich 
dreissig  Jahre  später  von  einem  noch  stärkeren  ebenfalls  verschlungen 
wurde. 

Die  Feindseligkeit  der  Herren  zur  Heiden  war  durch  die  Demütigung 
der  Schönauer  noch  nicht  gedämpft.  Wir  haben  bereits  erzählt  wie  der 
Herr  von  Leerode  dieselben  auf  der  Jagd  überfallen  und  misshandeln 
Hess.  Diese  Roheit  gab  den  Brüdern  Veranlassung,  sich  mit  der  Bitte  an 
den  Kaiser  zu  wenden,  er  möge  doch  das  Urteil  gegen  dieselben  zur 
Exekution  gelangen  lassen.  In  demselben  Schreiben  klagen  sie  auch  über 
die  harte  Gefangenschaft,  aus  der  sie  ganz  lahm,  steif,  kontrakt  und  mit 


—  4  — 

ausgefrornen  Nägeln  an  Händen  und  Füssen  entlassen  worden  seien.  So 
schlimm  war  es  nun  doch  nicht.  Am  4.  Februar  1764  schrieb  nämlich 
Kanonikus  Emonts  aus  Xanten,  er  habe  sich  während  des  harten  Arrestes 
nach  seinen  schwachen  Kräften  als  treuen  Freund  gezeigt,  müsse  darum 
auch  jetzt  bei  der  Entlassung  seine  Freude  über  die  „annoch  ziemlich 
frische  gesundheit"  der  Brüder  aussprechen.  Bei  dem  üeberfall  hatte  die 
Schwester  des  Kanonikus  Briefschaften  „mit  glimpf  erdapt";  Emonts  liess 
dieselben  zu  grösserer  Sicherheit  auf  die  Immunität  bringen.  Auch  hatte 
dieselbe  „mobilien  beim  verkauf"  für  Herrn  von  Blanche  reklamiert  und 
zwar  „ein  stück  ungebleich  tuch,  sechs  pfund  flachs,  ein  spul  mit  haspel, 
ein  Spieltisch,  acht  schildereien,  ein  menager  samt  aufhabenden  porcelaine, 
item  sechs  porcelaine  tellem,  das  gemalte  feuerschirmgen". 

Für  „die  annoch  ziemlich  frische  gesundheit"  Johann  Gottfrieds 
spricht  es  auch,  dass  sich  derselbe  1765  mit  Veronika  von  Broch  zu 
Dürwiss  verlobte.  Zwar  bekam  die  Braut,  wie  sie  sagt  durch  anonyme 
Briefe,  einen  Widerwillen  gegen  den  Bräutigam.  Aber  so  leicht  liess  von 
Blanche  sich  nicht  abschrecken  und  am  18.  Oktober  1767  führte  er  nach 
Erlangung  der  Dispens  wegen  Verwandtschaft  seine  Erkorene  heim. 

Die  Vergangenheit  Johann  Gottfrieds  bot  allerdings  Lästerzungen 
reichen  Stoff.  Während  er  noch  in  Wetzlar  war,  hörte  Tante  Antoinette 
von  ihm,  er  habe  sich  mit  einer  „kale  perschon"  verlobt,  aber  die  Tante 
glaubte  das  nicht,  denn  „her  fetter  hat  allezeit  nacher  ein  riche  perschon 
getraght".  Der  Witwe  Tornako  war  dagegen  erzählt  worden,  er  habe 
eine  Gräfin  geheiratet;  sie  hofft  er  werde  nicht  so  jung  in  den  Ehestand 
getreten  sein.  In  späteren  Jahren  konnte  der  Freiherr  von  Reuschenberg 
über  Gottfrieds  Liebesabenteuer  „mit  den  damen  zu  hurt  viel  lachen",  ein 
gnädiges  Fräulein  Tserclaes  kannte  und  erzählte  eines  derselben  ganz 
genau.  Und  die  französischen  Lieder,  Tingeltangelpoesie  der  schlimmsten 
Sorte,  welche  von  Blanche  des  Abschreibens  für  wert  hielt,  zeigen  auch, 
dass  er  in  seiner  Jugend  recht  leichtfertig  war. 

Jedoch  gestaltete  sich  das  Verhältnis  zu  seiner  Frau  und  deren 
Familie  sehr  gut.  Gottfrieds  Schwiegermutter,  Anna  Maria  geb.  von  Hor- 
rich,  hätte  ihre  letzten  Lebenstage  gern  in  einem  Frauenkloster  zuge- 
bracht, doch  war  der  geforderte  Preis  von  200  Thaler  jährlich  ihr  zu 
hoch,  von  Blanche  erbot  sich  sie  für  60  Thaler  auf  Schönau  gut  zu  ver- 
pflegen und  er  hielt  Wort.  Auch  bei  der  Dürwisser  Teilung  ging  es  ganz 
friedlich  her.  Gottfried  erhielt  als  Anteil  23  Morgen,  die  zu  2413  Thaler 
abgeschätzt  wurden.  Das  Land  war  kurkölnisches  Lehen;  von  Blanche 
erbat  unter  Zustimmung  der  Agnaten  vom  Kurfürsten  die  Erlaubnis  zum 
Verkaufe. 

Bereits  im  Jahre  1757  trug  sich  Gottfried  mit  dem  Gedanken,  einen 
Schlosskaplan  auf  Schönau  anzustellen.  Aber  Adolf  Werner  meinte,  dass 
es  „dermalen  nicht  convenient  seie  einen  castralcapellan  anzunehmen, 
massen  derselb  charaktermässig  nicht  zu  verpflegen  wäre,  wo  wir  nur  ein 


—  5  — 

einziges  zimmer  haben,  anbei  mit  keinem  altar  und  zubehör  aufm  haus 
versehen  seind".  Den  fehlenden  Altar  beschaffte  Gottfried  1768,  er  Hess 
einen  solchen  anfertigen  „der  wie  eine  commode  aussieht".  Das  sonder- 
bare Kunstwerk  kostete  118  Aachener  Gulden.  Auch  beteiligte  er  sich 
„als  Landesherr"  öflFentlich  an  kirchlichen  Feierlichkeiten,  an  Missionen 
und  Prozessionen.  So  forderte  er  seine  Unterthanen  zur  Begleitung  der 
Laurensberger  Gottestracht  an  Grünenthal  und  Hand  auf:  er  werde  mit 
seinem  „hoch wohlgeborenen  herrn  bruder  und  sonstigen  verwanten"  auch 
mitgehen.  Johann  Gottfried  behielt  völlige  Geistesfrische  bis  in  seine 
letzten  Lebensjahre.  Ein  Aachener  Jurist  schreibt  1780  an  ihn:  ich  habe 
„in  ihrer  arbeit  nur  ein  par  juristische  Zusätze  gemacht,  übrigens  alles 
unverbesserlich  gefunden.  Gott  gebe  mir  ein  so  hohes  alter  und  in  dem- 
selben so  vortreffliche  geisteskräfte,  als  er  hochdenselben  gibt".  Der  Lob- 
spruch schliesst  mit  einer  sehr  prosaischen  Bemerkung:  „Meine  arbeit  ist 
ein  geschäft  von  zwei  stunden,  die  stunde  k  sechs  gülden,  macht  12  gülden 
aix."  Nach  den  Resten  seiner  Schriftstücke  im  Schönauer  Archive  zu  ur- 
teilen war  Gottfried  der  juristische  Ratgeber  der  adeligen  Familien  der 
ganzen  Umgegend. 

Er  behielt  aber  auch  seine  Heftigkeit.  Werner  Adolf  spricht  einmal 
von  „schändlichsten  reprimandes",  denen  er  sich  aussetzen  müsse,  und 
noch  1785  wurde  Gottfried  in  einem  Prozesse  gegen  Graf  Proli  und  Kon- 
sorten vom  Düsseldorfer  Hofrate  in  eine  Brücht  von  sechs  Reichsthaler 
genommen  „wegen  ungeziemenden  Schreibens". 

Endlich  bändigte  auch  ihn  der  Tod:  er  starb  am  14.  Juni  1789,  im 
92.  Jahre  seines  Alters  an  einem  Schlaganfalle  und  wurde  in  der  Pfarr- 
kirche zu  Laurensberg  begraben. 

Von  seinen  Brüdern  ist  nicht  viel  zu  sagen.  Gerard  Wilhelm  fiel 
in  Liebe  zu  einer  Magd,  mit  der  er  sich  beim  Pfarrer  von  Berg  zu  den 
Aufrufen  meldete.  Darob  grosse  Entrüstung  bei  Johann  Gottfried.  Das 
Mädchen  musste  die  Erklärung  abgeben,  dass  sie  „die  proclaraationes  im- 
probire,  über  alle  in  der  weit  formiren  könnende  ansprüchen  sich  abge- 
funden habe,  auch  auf  die  person  des  Gerard  Wilhelm  von  Blanche 
renuntiire".  Im  folgenden  Jahre  1739  wurde  der  unglückliche  Liebhaber 
in  der  kaiserlichen  Armee  untergebracht,  weitere  Nachrichten  über  ihn 
fand  ich  nicht. 

Werner  Adolf  scheint  um  1767  gestorben  zu  sein.  Er  war  nach 
dem  Ausdrucke  des  memoire  „ebenso  schwach  an  Geist  wie  entfernt  von 
Bosheit".  Auf  Schönau  spielte  er  den  Hausmeister  und  Verwalter,  während 
Gottfried  sich  meist  in  Aachen  aufhielt.  Da  ging  es  denn  nicht  ab  ohne 
Verdruss  mit  den  Knechten,  von  denen  in  einem  Jahre  drei  „den  schelm 
abgaben",  aber  auch  nicht  ohne  Zwist  mit  Johann  Gottfried,  der  manchmal 
mehr  Geld  forderte,  als  der  „hoch wohlgeborene,  hochgeehrteste  und  viel- 
geliebteste herr  bruder"  beschaflfen  konnte  und  Ausgaben  machte,  welche 
den  Beifall  Werners  nicht  fanden.    Wurde  es  ihm  zu  toll;  dann  konnte 


—  6  — 

„der  von  Bosheit  entfernte**  auch  böse  werden.  „Wan  es  immerwährend 
also  ergehen  soll**,  schreibt  er  an  Gottfried  im  Jahre  1759;  „wirds  wol 
am  besten  sein,  dass  ein  jeder  seine  halbscheid  des  pfachts  zu  sich  nehme, 
davon  ehrlich  lebet  und  fort  seine  notdurft  anschaffet."  Dem  Vogte  Coo- 
mans  auf  Heiden,  der  ihm  durch  seine  Insinuationen  viel  Aerger  machte 
droht  er:  „Gott  gnade  seiner  haut  in  flne  flnali";  und  von  der  Pächterin 
auf  Schönau  heisst  es:  „diese  unrechtfertigen  leute  meritiren  gar  keine 
barmherzigkeit". 

Das  Memoire  sagt  noch  von  Werner  Adolf,  er  habe  sich  nie  mit  amt- 
lichen Sachen  befasst.  Das  Protokollbucli  erwähnt  ihn  auch  nur  einmal. 
Er  wurde  am  14.  Dezember  1730  „in  gefolg  der  in  sachen  freiherrn  von 
Blanche  contra  erbgenamen  weiland  herrn  Mathias  Gerard  Clotz  .  .  publi- 
zirten  urteil  .  .  durch  die  zwei  hiezu  committirten  schöffen  in  die  .  .  im 
Richteriger  feld  liegende  elf  morgen  vulgo  die  elf  morgen  mit  umwerfung 
des  grunds  und  abschneidung  darauf  obhandenen  kappes  würklich  .  . 
morgens  zwischen  9  und  10  uhren  immittirt". 

Johann  Gottfried  vermachte  Schönau  seiner  Frau  Veronika  von  Broch, 
welche  nach  1820  starb.  Sie  hatte  die  Besitzung  an  ihren  Bruder  Karl 
Wilhelm,  dieser  an  seinen  Verwandten  Arnold  Carl  Maria  von  Broich  ver- 
kauft', dessen  jüngstem  Sohne  Karl  Freiherrn  von  Broich,  Bürgermeister 
von  Richterich,  der  ehemalige  Haupthof  des  pfalzgräflichen  AUods  Riterca 
heute  gehört. 


Beilage  L 

Herman  Dieter  von  Mylendunck. 

Wir  hörten,  dass  Herman  Dieters  Vater  mit  der  Pfalzgräfin  bei  Rhein, 
Amalie  geborenen  Gräfin  von  Neuenar,  in  Briefwechsel  stand.  Die  Familien 
waren  durch  die  Heirat  der  Tochter  einer  Gräfin  von  Neuenar  mit  einem 
Mylendunck  verschwägert;  darum  erhoben  letztere  Anspruch  auf  die  Erb- 
schaft, als  Walburg,  Tochter  und  Erbin  des  Grafen  Wilhelm  von  Neuenar 
kinderlos  starb.  Graft  und  seine  Brüder  wendeten  sich  damals  an  den 
Kurfürsten  Ernst  von  Köln  mit  der  Bitte,  sie  als  nächste  Erben  die  Erb- 
schaft antreten  zu  lassen  und  mit  den  Lehen  zu  bekleiden.  Der  Erz- 
bischof zögerte  indessen,  weil  der  Graf  von  Sohns  auf  Grund  eines  Testa- 
mentes der  Gräfin  Walburg  sich  ebenfalls  als  Erbe  gemeldet  hatte.  Da 
gingen  die  Brüder  via  facti  vor  und  ergriffen  im  Jahre  1600  realiter  et 
corporaliter  Besitz  von  dem  Neuenarer  Zehnten  zu  Bracht,  den  der  Kur- 
fürst hatte  mit  Beschlag  belegen  lassen,  bis  sich  herausstellte,  wem  derselbe 
zukomme.  1601  machte  der  Graf  es  ebenso.  Die  Mylendunck  bestritten 
das   Recht  desselben   zunächst,   weil   das   Testament   nicht   rechtskräftig 


*)  von  Fürth,  Beiträge  u.  s.  w.  II,  S.  5.  4. 


—  7  — 

errichtet  sei  und  weil  die  beiden  Abschriften,   von  denen  eine  die  Herren 

Staaten,  die  andere  Prinz  Moritz  ausgestellt  hatten,  nicht  übereinstimmten, 

auch  die  Erblasserin  ohne   octroi'   über  die  Güter  nicht  habe  verfügen 

können;  sodann  weil  das  Testament  die  Kölner   und  Jülicher  Güter,  zu 

denen  Bracht  und  Breiel  gehörten,  dem  Grafen  Bentheim,  nicht  aber  Sohns 

zuwies.    So  besagt  eine  Schrift  im  Schönauer  Archiv.    Es  gab  natürlich 

wieder  Prozess,  der  noch   1605  zwischen  den  Brüdern  und  der   Witwe 

Solms,  geborenen  Gräfin  Egmont,  geführt  wurde. 

Auch  hatte  die  Rose  noch  andere  Dornen.    Die  Grafen  Wilhelm  und 

Herman  von  Neuenar,  Vater  und  Bruder  der  Walburg,  hatten   1551  von 

einem  Dr.  Omphalius  3000  Goldgulden  geliehen  und  demselben  die  Mörser 

Pfandschaft  in  den  Amtern  Kessel  und  Krekenbeck  zur  Sicherheit  gestellt. 

Nun  griff  der  Enkel  des  Omphalius  die  Brüder  Mylendunck  an,  in  deren 

Besitz  sich  die  Pfandschaft  befinde,  und  verlangte  vor  Statthalter,  Kanzler 

und  Vogt  des  Fürstentums  Geldern  sein  Geld.  Und  zu  guterletzt  gerieten 
die  Brüder  selbst  in  Streit.    Der  Anwalt  Heinrich  Sassenfeld  schreibt  am 

24.  September  1616   dem  Baltasar:    „Auch   dunkt   mich   hoghnoedigh   zu 

sein,   dass  euer  gnaden  mein  her  canzler  wolle  besuchen  und  dem  gueden 

bericht  und  kleglich   zuschreiben   den   groben   missverstand   e.  g.  herren 

gebröderen,  dass  sie  e.  g.  missgunnen  dasjenige,  etwelk  heunen*  nicht  en 

schad,  und  dass  lieber  sehen  weiten,  dass  es  ein   fremder  haben  solt  als 

e.  g.,  dieweil  Heuls*  durchaus  keine  gemeinschap  mit  der  pantschap  en 

hat  und  ein  stück  von  die  grafschap  van  Moers  ist,  und  dass  e.  g.  dasselbe 

haben  ingehabt  bei  lebzeiten  der  gräflne  von  Moers  und  er*  der  sterbfall 

gefallen  ist,  und  nach  der  zeit  aus  gnad  und  gunst  seiner  exzellenz  prinz 

Moritz,  der  sich  die  hogheit  und  gericht  Schwaneck  vorbehalten  hat  . .  / 

Ein  anderes  Stück  aus  der  Neuenarer  Erbschaft  wurde  den  Brüdern 
1612  zu  teil.  Die  Infanten  Albert  und  Isabella  erklärten  am  4.  Juni  jenes 
Jahres,  dass  ihre  „lieben  und  getreuen  vetteren"  Hennan  Dieter,  Graft  und 
Baltasar  von  Mylendunck  als  nächste  Erben  weiland  ihrer  lieben  und 
getreuen  Base  Frau  Walburg,  Gräfin  zu  Neuenar,  Mors  etc.  vor  dem 
souveränen  Lehenhofe  von  Brabant  empfangen  haben  „den  zoll  auf  unserm 
rivier  der  Masen  zu  Adickhoven,  Meersen,  zu  Kathingen  über  die  Brücke, 
zu  Stocken!,  zu  Heppenart,  zu  Foel,  zu  Geil,  zu  Buggenem,  zu  Kessel 
und  in  denen  gegenden  .  .  .*^  Bis  zur  Scheidung  und  Teilung  zwischen 
den  Brüderen  solle  Herman  Dieter  als  „Sterbman**  im  Buche  stehen. 

Prozesse  kosten  Geld,  darum  ist  es  nicht  verwunderlich,  dass  Her- 
man Dieter  im  Jahre  1600  dem  „erenfesten  und  hochgelehrten  Jakob  van 
Beek,  lizentiat  der  rechten  und  rathsherr  seiner  majestät  im  herzogtum 
Geldern"  die  Summe  von  224  Thaler  i  30  Stüber  Roermonder  Währung 


*)  Bewilligung  des  Lehnsherren. 
*)  üinen. 
»)  Hüls. 
*)  ehe. 


—  8  — 

schuldete.  Wir  werden  ihn  noch  über  seine  zahlreichen  Gläubiger  klagen 
hören.  Früher  war  er  freilich  in  der  Lage  gewesen,  andern  Geld  leihen 
zu  können.  Am  2.  Juni  1585  schrieb  Araelia  „von  Gottes  gnaden  pfalz- 
gräfin  bei  Rheiil,  curfürstin  witwe,  herzogin  in  Bayern"  an  ihren  „edlen 
und  besonders  lieben  vetter"  Herinan  Dieter  von  Vianen  aus,  sie  denke 
nicht  daran  dieses  Land  zu  verlassen,  besonders  da  der  Hohe  Eat  ihr  die 
Verwaltung  des  Landes  Vianen  zugewiesen  habe,  aber  wegen  der  Brede- 
rodischen  Geschäfte  wolle  sie  nach  Harlem  gehen  und  ihn  ihrem  Versprechen 
gemäss  aus  der  Vianischen  Leibzucht  oder  sonst  wegen  seiner  Voi'schtisse 
entschädigen. 

Auch  mit  Ernst  von  Baiern,  Kurfürst  von  Köln  und  Fürstbischof  von 
Lüttich,  stand  Herman  Dieter  in  Verbindung.  In  einem  Briefe  von  1598 
dankt  der  Kurfürst  ihm  für  die  Mühe,  die  er  in  des  Erzbischofs  Angelegen- 
heiten angewendet  habe;  er  will  seinen  Bestrebungen,  die  er  zu  vergelten 
gedenkt,  den  guten  Ausgang  zuschreiben.  Aus  diesem  Briefe  lernen  wir 
jedoch  auch  die  traurigen  Familienverhältnisse  Herman  Dieters  kennen. 
Er  lebte  nämlich  in  bitterm  Zerwürfnisse  mit  seiner  Frau.  Herman  Dieter 
hatte  um  1587  Franziska,  Tocliter  Heinrichs  von  Goir,  Freiherrn  von 
Pesch,  Herrn  zu  Bruin,  Viliar,  Andrimont  etc.  geheiratet.  Heinrich  hatte 
drei  Kinder:  Claudius,  Herman  und  Franziska.  Noch  vor  der  Heirat  war 
Claudius,  während  der  Ehe  Herman  gestorben,  sodass  alle  Güter  des  Vaters 
an  Dieters  Frau  fielen.  Sie  gebar  vier  Kinder:  Hans  Craft,  Adolf,  Maria 
und  Walburg.  Woher  der  Streit  zwischen  den  Eheleuten  seinen  Ursprung 
genommen,  geht  aus  den  mir  vorliegenden  Nachrichten  nicht  hervor,  aus 
Andeutungen  erhellt  jedoch,  dass  die  Charaktere  nicht  zu  einander  passten. 
Dem  Dieter  wirft  der  Kurfürst  vor,  dass  er  sich  sogar  in  des  Fürstbischofs 
Gegenwart  zu  leidenschaftlicher  Aufregung  habe  hinreissen  lassen,  was 
wohl  geschehe,  wenn  der  Respekt  vor  seinem  Fürsten  ihn  nicht  zähme? 
Damals  bestand  der  Zwiespalt  schon  längere  Zeit,  denn  Ernst  verweist 
den  Freiherrn  auf  seine  frühem  Ermahnungen,  bittet  ihn  abermals  um 
seiner  Kinder  und  der  Wohlfahrt  seines  Hauses  willen  sich  mit  der  Frau 
doch  zu  vereinigen,  droht  aber  auch,  es  würde  ihm  leid  sein,  wenn  er  als 
Landesherr  gegen  Herman  einschreiten  müsse. 

Dieter  wies  die  Ermahnung  ziemlich  kurz  ab.  Er  sei  wegen  der 
„Übertretung"  seiner  Fran  und  weil  sie  ihn  durch  ihr  böses  Geschwätz 
in  aller  Leute  Mund  gebracht,  zum  Zorne  befugt  gewesen;  sie  wolle  sich 
scheiden  lassen,  wenn  das  mit  Gott  und  Ehre  geschehen  könne,  sei  es 
auch  ihm  am  liebsten.  Er  ist  der  Gereclite,  über  den  der  Böse  triumphirt; 
nur  sein  Gottvertrauen  lasse  ihn  nicht  schwermütig  und  lebensüberdrüssig 
werden  —  dazu  citirt  er  Ps.  37  — ;  er  könne  nicht  nach  Lüttich  gehen, 
wo  seine  Frau  ihr  böses  Gesinde  und  „clapperei**  um  sich  habe,  er  sei 
von  Natur  ein  Waidmann  und  an  grosse  Arbeit  gewöhnt;  Gesundheit  und 
Finanzen  erlaubten  ihm  den  Aufenthalt  in  Städten  nicht. 

Herman  Dieter  hat  sich  in  diesen  Worten  hinreichend  gekennzeichnet. 


—  9  — 

Er  erscheint  auch  nicht  liebenswürdiger  im  Lichte  eines  Briefes  seiner 
Schwiegermutter  vom  18.  Oktober  1595,  worin  sich  diese  bitter  beklagt, 
weil  Dieter  ihr  nicht  einmal  das  gebe,  was  ihr  nach  dem  Testamente  ihres 
seligen  Mannes  zukomme,  während  sie  doch  immer  Liebe  und  Güte  gegen 
ihn  gehabt  und  geübt  habe. 

Die  Heftigkeit  Dieters  äusserte  sich  auch  in  Gewalthandlungen  gegen 
andere  Personen.  Im  Bruchstücke  eines  Schreibens  warnt  ihn  jemand  vor 
seinem  Rentmeister,  der  ihn  mit  schweren  Prozessen  bedrohe,  weil  Dieter 
ihn  acht  Tage  lang  zu  Goer  gefangen  und  ihm  Briefschaften  weggenommen 
habe,  die  der  Rentmeister  nicht  um  3500  Thaler  missen  wolle. 

Es  wäre  auffallend,  wenn  ein  Mann  wie  Herman  sich  nicht  an  Fehden 
beteiligt  hätte.  Wir  finden  ihn  denn  auch  in  den  Kampf  um  die  Grafschaft 
Hörn  verwickelt.  Hörn  war  ein  Lehen  der  Grafen  von  Looz,  und  nach- 
dem diese  Grafschaft  unter  Johann  von  Arkel  an  die  Lütticher  Kirche 
gekommen  war,  ein  Lehen  des  Fürstbischofs  von  Ltittich.  Philipp  von 
Montmorency,  der  letzte  Lehensträger  war  1568  ohne  Erben  gestorben, 
somit  Hörn  an  den  Lehensherrn  zurückgefallen  ^  Reinard  von  Cercler 
behauptete  später,  er  habe  die  Grafschaft  Hörn  gekauft  und  sei  vom  Kur- 
fürsten Ernst  als  Fürstbischof  von  Lttttich  mit  derselben  belehnt  worden. 
Er  hatte  auch  Besitz  ergriffen  und  die  Huldigung  der  Unterthanen  ent- 
gegengenommen. Das  Lütticher  Domkapitel  verweigerte  jedoch  seine  Zu- 
stimmung, es  verband  sich  mit  den  Herren  von  der  Lipp,  Heinrich  von 
Rauschenberg,  Herman  Dieter  und  Graft  von  Mylendunck,  man  fiel  in  die 
Grafschaft  ein,  beraubte  die  Unterthanen,  berannte,  beschoss,  erstieg  das 
Schloss,  bemächtigte  sich  aller  fahrenden  Habe  und  der  Briefschaften  und 
setzte  den  Herrn  von  Rauschenberg  als  Verwalter  ein.  Fürstbischof  Ernst 
vermittelte  und  Reinard  erklärte  sich  zu  einer  Verhandlung  bereit.  Als 
er  sich  zu  diesem  Zwecke  nach  Hörn  begeben  wollte,  Hess  ihn  Rauschen- 
berg „wider  löblichen  teutschen  brauch"  aufheben,  hielt  ihn  ei'st  sechs 
Monate  auf  dem  Schlosse  Hörn  gefangen  und  brachte  ihn  dann  nach  Lüttich, 
wo  er  trotz  mehrfachen  kurfürstlichen  Befehlen  erst  freigelassen  wurde, 
nachdem  er  auf  Hörn  verzichtet  und  die  Beamten  und  Unterthanen  von 
ihrem  Eide  entbunden  hatte,     ('ercler  klagte  darauf  in  Speier. 

Herman  Dieters  Frau  Franziska  hatte  auch  ihre  grossen  Fehler.  Als 
einziges  Töchterchen  einer  vornehmen  und  reichen  Familie  wohl  verzärtelt 
und  verzogen,  mangelte  es  ihr  nicht  an  Eigensinn  und  Unvernunft.  Herman 
erhebt  gegen  sie  Anklage  wegen  Uebertretung  (Ungehorsam)  und  Verleum- 
dung. Die  Klage  ist  begründet.  P'ranziska  war  kränklicii.  Zur  Wieder- 
herstellung ihrer  Gesundheit  iiatte  sie  sich  in  die  Behandlung  eines  Arztes 
begeben,  der  nach  Herman  ein  Landläufer,  ohne  besondere  Kenntnis  und 
Frömmigkeit,  vielmehr  nach  dem  allgemeinen  Geschrei  und  der  Frau  von 
Goer  —  Hermans  Schwiegermutter  —  eigenem  Geständnis  ein   „Teufels- 


*)  Villen fagne,  Kccherchcs  sur  la  ci-dcvant  principautö  de  LitJge  1,  S.  188  ff. 


—  10  — 

bruder**  und  ötFeiitlicher  Fraueuscliänder  war,  der  eine  Juffrau  von  gutem 
Hause  durch  Schelmerei  oder  Teufelei  verführt  hatte,  vor  dessen  Pei'son 
und  Arznei  sich  jedes  ehrbare  Weib  mehr  als  vor  der  Pest  hüten  müsse. 
Von  dem  wollte  sie  nicht  ablassen,  obwohl  Herman  ihr  freigestellt  hatte, 
sich  den  Arzt  von  Aachen  oder  sonstwoher  kommen  zu  lassen,  wenn  ihr 
die  Lütticher  Aerzte  nicht  genügten,  und  keine  Kosten  zu  scheuen.  Diese 
„Widersetzlichkeit**  tadelt  aucli  Kurfürst  Ernst,  sucht  jedoch  in  der  pflicht- 
mässigen  Sorge  um  die  Gesundheit  eine  Entschuldigung  für  dieselbe.  Was 
das  böse  Gerede  betriflFt,  so  hatte  Franziska  allerdings  geäussert,  sie  glaube 
mit  ihrem  Sohne  Hans  Graft  vergiftet  zu  sein,  wisse  aber  nicht  durch 
wen.  Nachher  spitzte  sich  das  Gerücht  dahin  zu,  die  Vergiftung  sei  mittelst 
eingemachter  Nüsse  geschehen,  welche  ihr  Mann  ihr  nach  Lüttich  geschickt 
hatte.    Dieter  Hess  1597  darüber  ein  Zeugenverhör  aufnehmen. 

Allzu  grosse  Sorge  um  die  Kinder  scheinen  beide  Eltern  nicht  etragen 
zu  haben.  Hans  Graft  ^  schreibt  1597  „de  nostre  escholle"  an  seine  Mutter 
nach  Spa  und  bittet  dringend  um  Antwort  auf  die  vielen  Briefe,  die  er 
schon  an  sie  geschrieben.  Er  empfiehlt  sich,  seinen  Lehrer  und  dessen 
Schwester  Marie  ihrem  Wohlwollen. 

Der  zweite  Sohn  Adolf  besuchte  die  Schule  des  Rektor  Brantius  in 
Wesel  und  war  demselben  59  Thaler  und  6  Malter  Roggen  &  4  Thaler 
schuldig  geblieben.  Von  der  ganzen  Summe  berechnete  der  Rektor  Zinsen 
bis  1617.  Als  Brantius  im  hohen  Alter  keinen  Lebensunterhalt  hatte,  wies 
ihm  der  Rat  zu  Wesel  213  Thaler  13  Stüber  aus  einer  Summe  an,  welche 
ein  Oheim  des  Adolf  dort  hinterlegt  hatte,  in  der  Holfnung,  dass  Adolf 
dem  Oheim  das  Geld  dankbar  erstatten  werde. 

Franziska  war  1605  gestorben,  aber  mit  ihrem  Tode  hatte  das  häus- 
liche Elend  sein  Ende  nicht  erreicht.  Hatte  Herman  Dieter  gegen  seine 
Frau  und  Schwiegermutter  gefehlt,  so  musste  er  jetzt  bitter  durch  seine 
Kinder  büssen. 

Die  Güter  der  Mutter  vererbten  sich  auf  die  Kinder;  Herman  Dieter, 
der  nach  dem  Tode  seines  Schwagers  Herman  bereits  mit  Pesch  belehnt 
worden  war,  beanspruchte  jedoch,  wie  es  im  Lande  Lüttich  von  altersher 
üblich  war,  auch  die  Nutzniessung  aller  übrigen  Besitzungen.  Dagegen 
protestirte  der  älteste  Sohn  Hans  Graft;  er  verlangte  die  Herrschaft  Pesch 
und  hetzte  auch  die  Scliwestern  auf,  dass  sie  den  Vater  verlassen  sollten. 
Am  26.  April  1606  erwirkte  er  sogar  von  den  Lütticher  Räten  des  Kur- 
fürsten ein  Edikt,  wonacli  ihm,  weil  der  Vater  die  Verwaltung  schlecht 
führe,  andere  Vormünder  in  den  Herren  Graft  von  Mylendunck,  von  Bocholt, 
Propst  zu  Hildesheim,  und  Gerard  von  Horion  zu  Glemster  gegeben  wurden. 
Gegen  dieses  Dekret  appellirte  Herman  Dieter  nach  Speier. 

Nicht  weniger  machten  dem  Vater  die  Töchter  zu  schaffen,  besondei's 
Maria,  die  ältere,  welche  das  heftige  und  gewaltthätige  Wesen  des  Vaters 


^)  Er  nennt  sich  „Hansgraue'^. 


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mit  dem  Eigensinne  der  Mutter  vereinigte.  In  einem  eigenhändigen  „Bericht 
und  anzeig  von  der  moetwilligen  falschen  und  ungehorsamen  Maria,  die 
sich  unwürdig  von  Mylendunck  nennen  lest**,  beklagt  sich  Herman  Dieter 
ganz  ergreifend  über  dieselbe.  Maria  hielt  sich  mit  ihrer  Zofe  Henrikast 
in  Viliar  auf,  „wo  man  weder  Brücken  aufziehen  noch  Tore  bei  Nacht 
schliessen"  konnte  und  lebte  doit  „in  unziemlicher  freiheit  und  wildem 
regimente".  Sie  lockte  ihre  Schwester  Walburg  ebenfalls  dorthin.  Als 
diese  sich  aber  mit  dem  ungebundenen  Leben  unzufrieden  zeigte,  behan- 
delte Maria  sie  auf  das  schlechteste,  „gönnte  ihr  nicht  mehr  Essen  und 
Trinken,  weder  das  Licht  der  Kerze  noch  die  Hitze  des  Feuers**,  trieb 
sie  endlich  gar  aus  dem  Hause,  sodass  Walburg  bei  dem  Rentmeister  und 
Müller  sich  aufhalten  musste,  bis  der  Vater  sie  nach  Goer  abholen  Hess. 
Zwischen  den  Schwestern  war  es  zu  bittern  Reden  gekommen;  sie  hatten 
sich  so  gottlose  Dinge  vorgeworfen,  dass  Herman  Gott  bittet,  es  möge 
alles  nicht  wahr  sein,  denn  das  blosse  Andenken  daran  mache  sein  Herz 
trauern  und  verdorren. 

Eine  alte  Magd  Mettel,  welche  zur  Verpflegung  der  angeblich  kranken 
Maria  nach  Viliar  geschickt  worden  war,  wurde  ebenfalls  misshandelt  und 
mit  dem  Tode  bedroht,  bis  sie  nach  Goer  zurückkehrte.  Das  Verbot  Her- 
man Dieters  an  den  Rentmeister,  die  Halbwinner,  Müller  und  Pächter, 
nicht  das  geringste  an  Maria  zu  liefern  oder  zu  zahlen,  brachte  das 
Mädchen  auch  nicht  zur  Vernunft;  sie  trieb  es  nur  toller  und  gewalt- 
thätiger.  Knechten,  welche  der  Vater  geschickt,  um  Briefschaften  von 
Viliar  abzuholen,  lauerte  sie  mit  geladener  Büchse  auf,  die  Leute  zu  Viliar 
drangsalierte  sie  auf  jegliche  Art  und  machte  sie  „desparat**.  Sie  verdarb 
das  Holz  und  die  Fischweier  und  schmälerte  das  Einkommen  des  Vaters, 
welches  derselbe  so  nöthig  hatte  „um  die  leider  so  zahlreichen  Gläubiger 
zu  befriedigen".  Ob  Herman  Dieter  bei  diesen  Klagen  auch  wohl  daran 
gedacht  hat,  dass  er  selbst  durch  sein  unseliges  Beispiel  ein  gut  Teil 
Schuld  an  dieser  schlimmen  Entwickelung  seines  Kindes  trug? 

Hans  Graft,  der  älteste  Sohn,  war  mit  Margarethe  von  Joyeuse  ver- 
heiratet. 1613  w^urde  ihm  ein  Sohn,  Herman  Claudius  geboren;  er  selbst 
1616  zu  Lüttich  erschlagen.  Der  Hauptmörder  entkam,  wie  Craft  von 
Mylendunck  sagt,  mit  Hülfe  der  Geistlichkeit;  am  27.  September  sprach 
das  Lütticher  Schöftengericht  einen  von  Sölre  in  dieser  Angelegenheit  frei, 
wogegen  die  Mylendunck  Berufung  einlegten. 

Von  Adolf,  dem  zweiten  Sohne,  dem  Präsidenten  des  Reichskammer- 
gerichts und  seinen  Beziehungen  zu  Schönau   haben  wir  oben  gesprochen. 

Nach  einer  Anmerkung  in  einer  Mylenduncker  Geschlechtstafel  im 
Schönauer  Archiv  soll  Herman  Dietrich  nach  dem  Tode  seiner  ersten  Frau 
mit  Anna  von  Hemmerich,  einer  Nonne  aus  dem  Prämonstratenserkloster 
Kaisersbusch,  zwei  Kinder  gezeugt  und  die  Anna  1618  vor  dem  Prädi- 
kanten  zu  Süsteren  geheiratet  haben.  Dieter  war  „reformirter  oder  cal- 
vinischer religion". 


—  12  — 

Im  September  1619  schreibt  Dieter  an  einen  seiner  ßentmeister:  weil 
der  Achrokat  monsieur  de  Richterich  vorige  Woche  wegen  des  Kriegsvolks 
nicht  habe  nach  Achen  gehen  können,  werde  er  diese  Woche  dorthin 
reisen.  Man  solle  zu  seiner  Notdurft  abschicken  einen  feisten  Hammel,  12 
oder  bei  bedarf  24  schöne  Karpfen,  zwei  schöne  grosse  Käse  und  des 
Herrn  jährlichen  Unterhalt.  Richterich  wird  auch  sonst  als  Mylendunkscher 
Advokat  bezeichnet.  Die  Familie  scheint  um  jene  Zeit  zwei  Sachwalter  in 
ihrem  Solde  gehabt  zu  haben. 

1620  war  Herman  Dieter  in  Huy  gefangen  und  schwer  krank.  Seine 
Schwiegertochter  de  Joyeuse,  selbst  kaum  von  schwerer  Krankheit  genesen, 
schrieb  ihm  ins  Gefängnis,  sie  wolle  alles  für  ihn  thuen,  selbst  auf  kosten 
ihrer  Gesundheit.  Das  ist  doch  wenigstens  ein  erfreulicher  Zug  in  Dieters 
traurigen  Familienverhältnissen.  Aber  Dieter  starb  am  19.  November  1620 
im  Kerker  und  wurde  zu  Fronenbroch  begraben. 


Beilage  II. 

Die  Herren  von  Blanche-Landscron. 

Johann  II  von  Blanche,  Kapitän  in  kaiserlichen  Diensten,  starb  1644 
am  25.  Dezember  im  Alter  von  52  Jahren  und  wurde  in  Rees  begraben. 
Seine  Frau  Anna  von  Hillensberg  von  Driesch  lebte  bis  zum  4.  Oktober  1664. 
Sie  wurde  64  Jahre  alt  und  fand  ihre  letzte  Ruhestätte  zu  Friemersheim 
in  der  Grafschaft  Moers.   Ihre  Kinder  waren: 

1.  Johann  III,  vermählt  mit  Anna  Maria  von  Hirtz,  genannt  von  der 
Landskron. 

2.  Wilhelm,  der  Mann  der  Anna  Maria  Brauhoff. 

3.  Maria,  sie  heiratete  den  Theodor  von  Hirtz. 

4.  Gertrud,  ehelichte  einen  Herrn  von  Streithagen  (Wilhelm  von  Schaes- 
bergP). 

5.  Rebekka,  gestorben  am  29.  Juli  1667,  dreissig  Jahre  alt. 

6.  Margarethe,  gestorben  am  1.  September  1668,  im  Alter  von  28  Jahren. 

Johann  III  war  ebenfalls  Hauptmann  und  zwar  „des  löblichen  Sparrischen 
Regiments  ihro  römisch-kaiserlichen  majestät".  Der  Grossvater  seiner  Frau, 
Isak  von  Hirtz,  der  am  1.  September  1623  starb,  hatte  mit  Anna  von 
Schaesberg  (gest.  1627,  Oktober  20.)  drei  Söhne:  Herman,  Johann  (gest. 
vor  1659)  und  Isak  (gest.  1624,  Oktober  26.  im  Alter  von  24 V2  Jahren). 
Ausserdem  fünf  Töchter:  Katharina,  verheiratet  mit  Wilhelm  von  der  Lewen 
zum  Neuenlmus;  Anna,  vermählt  mit  Bernar<i  von  Randerath;  Sibilla,  gest. 
1646,  Juli  7.;  Christine  und  Maria.  Als  Isak  von  Hirtz  im  Jahre  1600 
sein  Testament  machte,  waren  die  drei  letzteren  noch  unverheiratet;  die 
beiden  Söhne  Johann  und  Isak  starben  ohne  Leibeserben, 


—  13  — 

Herman  heiratete  Johanna  von  Eys,  genannt  Beusdal,  die  Witwe 
Wilhelms  von  Streithagen  auf  Ürsfeld,  welche  am  12.  März  1660  starb 
und  in  der  Kirche  zu  Richterich  begraben  wurde.  Sie  hatten  zwei  Kinder: 
Anna  Maria  und  Theodor.  Die  Geschwister  heirateten  wiederum  Geschwister: 
Anna  Maria  unsern  Johann  IIT,  Theodor  dessen  Schwester  Maria  de  Blanche, 
genannt  Radelo  (1648,  Juni  4.  zuEees).  Theodor  starb  bereits  am  18.  März 
1649,  erst  24  Jahre  alt,  und  wurde  in  Kommein  beerdigt;  seine  Witwe 
gebar  am  4.  Juli  einen  Sohn,  der  Theodor  Herman  Johann  hiess. 

Als  Johann  III  ins  Feld  rücken  sollte,  übergab  er  seiner  Schwieger- 
mutter den  oben  erwähnten  Brief  Karls  V,  worin  sein  ürgrossvater  Stefan 
Ritter  genannt  wird,  zur  sichern  Aufbewahrung;  sie  sollte  denselben  ihm 
oder  seinem  Bruder  Wilhelm  auf  Verlangen  jederzeit  aushändigen.  Johanns 
Frau  „Vorhabens  mit  ihrem  eheherrn  in  kriegsdiensten  mitzuverreisen", 
machte  am  12.  Juli  1659  vor  Schultheiss  und  Schöffen  zu  Comelimünster 
ihr  Testament  Wenn  sie  ohne  Kinder  stirbt,  soll  ihr  Mann  4000  Reichs- 
thaler haben  „aus  deme  von  ihrem  hen*en  öhmen  sei.  Junker  von  der  Lands- 
krön  zu  Biessen  ihr  vortestamentirten  im  land  von  Falkenberg  und  Ubach 
gelegenen  sterbfall**,  ferner  2000  Thaler  „auf  die  im  land  von  Limburg 
gelegenen  und  von  ihrem  vater  herkomene  erbguiter".  Wenn  jedoch  Blanche 
eine  zweite  Ehe  mit  einer  unadeligen  Person  eingehe,  solle  ihm  nur  die 
lebenslängliche  Nutzniessung  zustehen.  Der  Juffer  Antonetta  de  Blanche  ver- 
machte sie  1000  Reichsthaler,  dem  Küchenmeister  von  Crtimmel  die  Zinsen 
von  1000  Thaler  „vor  ein  par  hentschen*',  den  Rest  ihrer  Schwägerin, 
Witwe  von  der  Landskron,  und  deren  Sohn  Hans  Herman,  wenn  er,  der 
damals  10  Jahre  alt  war,  „mit  consent,  gutfinden  und  bewilligung  der 
mutter  und  der  übrigen  verwanten**  heiratet.  Sterben  Mutter  und  Sohn 
ohne  Erben,  so  fällt  deren  Erbschaft  „ihre  hochwürden  herrn  prälaten  .  .  .  .^ 
herren  broderen"  zur  freien  Verfügung  anheim.  Die  Kinder  der  Mohn 
Katharina,  der  Mohn  von  Randerath,  der  Mohn  Christine  Löwens,  des 
Wilhelm  von  Schaesberg  zu  Streithagen  erhalten  je  25  Gulden;  auf  dem 
Gute  Biessen  soll  jährlich  den  Armen  ein  Malter  Korn  gespendet  werden. 

Dieses  Testament  ist  nicht  zur  Ausflihrung  gelangt,  denn  die  Testatrix 
überlebte  ihren  Mann  und  wohl  noch  manchen  der  von  ihr  bedachten. 
Wegen  der  Erbschaft  des  Johann  von  Hirtz  kam  es  zum  Prozesse  zwischen 
Johann  von  Blanche  und  dessen  Schwester  Maria  als  Vertreterin  ihres 
Sohnes  Hans  Herman. 

1764  nahm  Blanche  vom  Grafen  von  Berg  2000  Pattakons  auf,  wofür  er 
seinen  adeligen  Hof  Biesen  im  Amte  Milien  Landes  Jülich,  sowie  seinen 
adeligen  Hof  Klein-Breidenrot  im  Lande  Falkenberg  Herrlichkeit  Schinnen 
zum  ünterpfande  stellte.  Beide  Güter  gehörten,  wie  wir  gleich  sehen 
werden,  zum  Besitze  der  Landskron.  Das  Recht  der  Eheleute  Blanche 
auf  dieselben  war  damals  noch  nicht  unbestritten,  denn  der  Graf  begnügte 

*)  Die  Stelle  ist  im  Original  zerfressen.  Gemeint  ist  jedenfaHs  der  Bruder  der  Tes- 
tirenden,  Abt  Isak  von  Hirtz  zu  Comelimünster. 


—  14  — 

sich  nicht  mit  dieser  Sicherheit  für  sein  Darlehen;  Andreas  von  Hillens- 
berg,  der  Oheim  Jolianns,  musste  mit  seinem  Hofe  Winterberg  in  der  Bank 
Milien  als  Bürge  eintreten.  Dass  die  Blanche  im  thatsächlichen  Besitze 
waren,  geht  auch  aus  dem  Umstände  hervor,  dass  Johann  im  folgenden 
Jahre  die  Zinsen  eines  Kapitals  von  200  Thaler  von  Biesen  aus  an  Nikolaus 
Voetz  in  Düren  zahlt. 

Der  Zweifel,  ob  die  Blanche  Biesen  rechtmässig  besassen,  entsprang 
aus  dem  Testamente  des  Grossvaters  der  Anna  Maria.  Isak  von  Hirtz 
hatte  nämlich  seinen  Töchtern  nur  eine  Aussteuer  in  Geld  gegeben,  sämt- 
liche Liegenschaften  den  Söhnen  zugewendet  und  letztere  verpflichtet,  den 
drei  damals  (1600)  noch  unverehelichten  Schwestern  bei  einer  Standes- 
gemässen  Heirat  soviel  auszuzahlen,  wie  er  seinen  beiden  zu  jener  Zeit 
bereits  in  den  Ehestand  getretenen  Töchtern  zugewiesen  hatte.  Heirateten 
sie  aber  gegen  „ihren  adelichen  stamm  und  herkomen",  so  sollten  sie  nur 
3000  Gulden  ä  20  Sttiber  brab.  erhalten.  1669  lebten  von  der  ganzen 
Nachkommenschaft  Isaks  nur  noch  Herraan,  dessen  Tochter  Anna  Maria 
und  der  Enkel  Hans  Herman,  Dieterich.  Es  fragte  sich  nun:  ist  der  Enkel 
Hermans  der  alleinige  Erbe  der  liegenden  Güter  oder  hat  Anna  Maria 
auch  ihren  Anteil  daran?  Die  Juristenfakultäten  zu  Köln  und  Duisburg 
entschieden  1669  gegen  das  Erbrecht  der  Tochter,  sie  müsse  sich  mit  dem 
ausgesetzten  Heiratsgute  begnügen,  denn  Isak  habe  durch  das  Testament 
eine  Erbfolgeordnung  in  seiner  Familie  eingesetzt,  was  den  ritterbürtigen 
jülichschen  Geschlechtern  nach  cap.  93  der  dortigen  Landordnung  zustehe. 
Die  Gerichte  scheinen  anderer  Ansicht  gewesen  zu  sein.  1664  gewann 
Johann  vor  dem  souveränen  Rate  von  Brabant  ein  Provisionaldekret  aus, 
wodurch  er  „by  provisie  is  geadmitteert  totte  possessio  en  gebruyck  van 
die  hellicht  der  goederen  ten  processe  geruirt*'.  Infolge  dessen  wurde 
am  5.  Februar  1665  zwischen  ihm  und  seiner  Schwester  folgender  vor- 
läufige Vergleich  geschlossen.  1.  Das  Haus  und  Gut  von  Weimbs^  mit 
seinem  Zubehör  wird  zur  Hälfte  geteilt,  ein  Landmesser  maclit  zwei  gleiche 
Teile  daraus,  die  Parteien  ziehen  das  Los  darüber  und  jede  mag  ihre 
Hälfte  nach  Belieben  selbst  bauen  oder  verpachten;  Renten  und  andere 
Lasten  tragen  beide  zur  Hälfte.  2.  Gut  und  Mühle  zu  Astenet,  der  Pacht 
zu  Bombay,  in  der  Gereonstrasse,  die  Rente  von  100  Philippsthaler,  der 
Pachthof  von  Klein -Breedenraed  werden  in  den  Einkünften  zur  Hälfte 
geteilt,  die  Lasten  zur  Hälfte  getragen.  Der  Vertrag  gilt  aber  nuf  per 
provisie,  ohne  Präjudiz  gegen  den  noch  schwebenden  Rechtsstreit.  Das 
Original  trägt  die  Unterschriften:  Maria  de  Blanche,  Witwe  von  Lands- 
kron,  Frau  zu  Weimbs.  Johan  de  Blans  zu  Biessen.  Adolf  von  Hillens- 
berg,  Herr  zu  Schoenhoven  und  zu  Wai-den.  Andries  von  Hillensberg,  Herr 
zu  Crsfeld  als  .  .  .  Ohmen  der  Parteien. 

Auch  im  Besitze  von  Biesen  erhielt  sich  Johann.    Am  28.  November 


*)  lü  der  Pfarre  Kettenis  bei  Eapen. 


—  15  - 

empfing  er  vor  dem  Lehnhofe  Milien  die  Belehnung  mit  dem  adeligen  Hause 
zum  Biesen,  dem  Hofe  Sevenaken  nebst  der  grossen  Gansweide  und  dem 
Hofe  hinter  der  Kirche. 

Die  Höfe  Biesen,  Weimbs  und  Bredenrode  bildeten  den  bedeutenderen 
Teil  der  Heiratsgüter  Isaks  von  Hirtz  und  Annas  von  Scliaesberg.  Der 
Heiratsvertrag  dieser  beiden,  datirt  Ubich  den  26.  Juni  1576,  enthält 
folgende  Bestimmungen:  Der  Bräutigam,  Sohn  der  Witwe  Landskron  Elisa- 
beth (Catharina)  geb.  von  Kleingedank  genannt  Mommersloch,  nimmt  Anna 
von  Schaesberg  zu  Streithagen,  Tochter  Wilhelms,  dessen  Schwiegermutter 
Catharina  von  Panhaus,  Witwe  des  Junkers  Peter  Spee  noch  lebt,  zur 
Ehe.  Die  Mutter  gibt  dem  Isak  eine  Jahrrente  von  300  Thaler,  das  Haus 
Weimbs  im  Lande  von  Limburg  gelegen,  welches  sie  noch  von  allen  Lasten 
befreien  und  dessen  „widerteilung"  sie  einkaufen  wird,  ausserdem  Betten, 
Ptillen  und  Hausrat  zur  Notdurft.  Als  Sicherheit  für  die  Rente  von  300 
Thaler  erhält  der  Bräutigam  Rentbriefe,  welche  er  so  lange  behalten  darf, 
bis  die  Mutter  dieselben  mit  einem  Kapital  von  6000  Thaler  einlöst,  näm- 
lich einen  Erbrentbrief  gegen  den  Pfalzgraf  bei  Rhein,  lautend  auf  200 
Goldgulden  jährlicher  Pension  von  4000  Goldgulden,  und  einen  gegen  den 
Erzbischof  von  Trier,  lautend  auf  50  Goldgulden  jähi-licher  Pension  von 
1000  Goldgulden.  Nach  der  Mutter  Tode  ist  der  Bräutigam  einziger  Erbe. 

Die  Braut  erhält  neben  „gebürlicher  junferlicher  kleidung,  ketten  und 
zierrat,  wie  iren  adelichen  stand  gepüret**,  so  lange  die  Grossmutter  lebt 
jährlich  100  Thaler.  Stirbt  letztere,  so  soll  die  Braut  haben  die  beiden 
Höfe  Biesen  und  Astenet  mit  den  Mühlen,  Renten,  Zinsen,  Gefällen  und 
Einkünften;  den  Pacht  zu  Baisbeck,  nämlich  26  Müd  Spelz,  25  Kapaune 
und  das  Pfenningsgeld ;  den  Pacht  zu  Hoengen;  den  Zehnten  zu  Vucht^ 
und  2^2  Malter  Korn  auf  Hammersteins  Zehnten  daselbst,  alles  frei  und 
ledig  mit  Ausnahme  von  vier  Paar  Korn  2,  die  der  Hof  zu  Biesen  unten- 
gilt. Erhält  sie  diese  Güter  nicht,  so  darf  sie  sich  an  allen  väterlichen 
und  mütterlichen  Erbgütern  schadlos  halten;  tritt  sie  in  den  Besitz,  so 
sind  die  100  Thaler  Pension  getötet  und  die  Braut  hat  keinerlei  Ansprüche 
an  ihren  Bruder  Michael.  Als  Zeugen  unterschrieben  auf  Seiten  des  Bräu- 
tigams: Caspar  von  Kleingedank  genant  Mommersloch,  Johan  Gülicher  zu 
Eylen,  Balduin  von  Bergh,  genant  Duiflfendal;  auf  Seiten  der  Braut:  ihr 
Vater  Wilhelm  von  Schaesberg,  Junker  Eberhard  und  Friedrich  Rhoe, 
Junker  Diederich  von  Streithagen,  Junker  Heinrich  von  Zeuel. 

Johann  von  Blanche  stellte  am  6.  August  1676  im  Lager  vor  Mastricht 
für  den  Dr.  iuris  Tobias  Wittich  eine  Vollmacht  aus,  wodurch  er  den- 
selben zu  seinem  Sachwalter  in  seinen  manchfachen  Angelegenheiten  und 
Prozessen,  besonders  gegen  den  Hofrat  Haack  ernannte.  Wie  lange  Johann 
noch  nachher  gelebt  hat,  findet  sich   nicht  angegeben.     1684  jvar  er  tot. 


')  Waldfeucht. 

')  Ein  Paar  =  ein  Malter  Roggen  und  ein  Malter  Weizen. 


—  le- 
in diesem  Jahre  erklärte  seine  Witwe  vor  Notar  und  Zeugen,  dass  sie 
mit  ihrem  Schönbruder  Andreas  von  Hillensberg,  Herrn  zu  Ürsfeld,  dem 
Manne  ilirer  Stiefschwester  Angela  von  Streithagen,  einen  Schein  vertrag 
gemacht,  als  habe  er  ihr  7000—8000  Thaler  gegeben.  Aus  Furcht,  es 
möge  daraus  Irrsal  und  Nachteil  für  die  Verwandten  entstehen,  erklärt  sie 
den  Akt  für  null  und  nichtig.  Auch  „contradicirt,  dissolvirt  und  vernichtet*' 
sie  einige  cartes  blanches,  die  sie  ihren  Verwandten  ausgestellt  hatte. 

Nach  einer  Erklärung,  welche  Anna  von  Hillensberg,  die  Witwe 
Johanns  II  von  Blanche,  Mutter  Johanns  III  und  der  Maria  Hirtz  am 
2.  Mai  1664  vor  Notar  Belven  und  Zeugen  in  Baelen  ausgestellt  hat,  war 
es  damals  mit  dem  Vermögen  der  Landskron  schlecht  bestellt.  Junker 
Herman  hatte  seiner  Schwiegertochter  schriftlich  und  mündlich  vorgerückt, 
sie  habe  keinen  Sttiber  von  ihrem  Erbteile  erhalten.  Das  weist  die  Mutter 
entschieden  zurück.  Wenn  sie  (Anna)  „an  wylen  ^  haere  schoensoone  en  haere 
oudste  dochter  egeine  penningen  en  hadde  gegeven  en  voorgestreckt,  soude 
sy  (die  Tochter)  by  aventueren  hebben  moten  den  beddelsack  an  die  hand 
nemmen".  Das  Geld  der  Maria  sei  dazu  verwendet  worden,  die  Güter  der 
Landskron  in  Ordnung  zu  bringen,  die  so  corrumpirt,  ruinirt,  verwüstet 
und  verschuldet  waren,  dass  sie  hätten  vergehen  müssen;  ja  wenn  sie  — 
die  Mutter  —  ihre  Tochter  nicht  so  kräftig  und  stetig  unterstützt  hätte, 
würden  alle,  die  den  Namen  Landskron  tragen,  keine  Ruthe  Erbe  mehr 
besitzen.  Das  sei  landkundig  wie  auch  ihre  Bemühungen,  die  Güter  des 
Hauses  Weimbs  wieder  zusammenzubringen.  Auch  könne  sie  sich  nicht 
genug  über  ihren  Sohn,  den  Kapitän  de  Blanche  wundern,  der  die  Be- 
sitzungen an  Fremde  zu  bringen  und  seine  Schwester  mit  ihrem  unmündigen 
Kinde  zu  vertreiben  und  zu  verjagen  suche.  Sie  werde  derselben  aber  bei- 
stehen, so  lange  Gott  ihr  das  Leben  gönne  und  zwar  um  des  unmündigen 
Kindes  willen,  das  seinen  Vater  nicht  gekannt  habe,  und  weil  der  Knabe 
(Hans  Herman)  der  letzte  dös  Namens  Landskron  sei.  (Schinss  mgt.) 

0  weiland. 

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Mitteilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Im  Auftrage  (Ich  YeTeinn  herausgegeben  vun  E.  Sclinock. 


Zehnter  Jahrgang. 


ohalt:  H.  J.  Oros^,  Sehflnau  (Sohlnss).  —  W.  BfüLiii),',  Zum  RastattiT  Oesniidtenuiora.  — 

r.  Scbolli-n,  Ein   „Gemeiner  Bescliridt"   <tes   Aachener  SehiüTi'Ustuhlri.  —   Kleinere   MiU 

teilnng^a:  1.  Aus  dem  Aaehcner  Stadtarchiv.  —  2.  Eine  alte  Aaeheuer  Qeleitstafel. 


Scbönau. 

Von  H.  J.  fiross.    (Schluasi.) 

Das  Gut  Weimbs,  von  liem  mehrfach  die  Rede  war,  musste  vor  der 
Maniikamraer  der  Aachener  Propstei  erhoben  werden.  Vizedoni  ■  und  Lehen- 
leute hatten  den  Bürgermeister  der  Stadt  Aachen,  Josef  Bertram  von 
Wylre,  zu  gunsten  dessen  eine  Hypothek  auf  dein  Gute  lastete,  „bis  zu 
dessen  völliger  satisfactie"  nach  den  Gebräuchen  der  Mannkanimer  „met 
porten,  schall  ende  holtbranden  ende  andere  soleniniteiteii  dartoe  noodigh" 
in  den  Besitz  von  Weimbs  gesetzt.  Maria  von  Hirtz  erschien  am  12.  De-' 
zember  1667  vor  dem  Leheiihüfe  und  erklärte,  sie  habe  ihrerseits  den 
Herrn  von  Wylre  berriedigt  und  verlange  deshalb  in  den  Besitz  ihres 
Anteils  gesetzt  zu  werden.  Auf  die  Bemerkung  des  Vizedom,  von  Wylre 
beabsichtige  Weimbs  zu  verkaufen,  erwiderte  Maria,  das  möge  sie  wohl 
leiden,  sie  werde  dann  das  Gut  an  sich  bringen. 

Noch  liegt  eine  Urkunde  über  einen  Verkauf  vor,  den  Maria  als  Vor- 
munderin  ihres  Sohnes  in  Gegenwart  des  Isak  von  Landskron,  Abt  von 
Comelimiinster,  als  Ohm  von  väterlicher,  und  des  Christof  von  Hillensberg 
als  Vetter  von  mütterlicher  Seite  abschloss.  Sie  tiberliess  ,das  vom  Vater, 
Grossvater  und  Grossnuitter  auch  herrn  Ohmen  Johan  Hirtz  von  der  Lands- 

')  Der  Stellvertreter  des  Propstes. 


-  18  — 

krön  gebürendes  Müllengeteil"  fiir  700  Thaler  und  50  Thaler  Verzichts- 
pfennig an  Franz  Brassert  und  den  Aachener  Bürgermeibter  Johann  Wilhelm 
von  Siegen. 

Gertrud,  die  andere  Tochter  Johanns  II  von  Blanche,  hatte  einen 
Herrn  von  Streithagen  geheiratet.  Sie  starb  zu  Welten  im  Jahre  1693. 
Ihre  Güter  fielen  an  ihren  Schwiegersohn  Lamolye,  der  in  französischen 
Diensten  stand.  Am  3.  März  genannten  Jalires  forderte  der  Hoogh  Officier 
van  Outshora  zu  Falkenburg  den  Schöffen  der  Bank  von  Heerlen,  Boger- 
mans,  auf,  alle  in  dieser  Bank  gelegenen  Güter  des  Lamolye  mit  Beschlag 
zu  belegen,  da  „volgens  placaet  van  haer  Hoogh  Mogenden"  die  Besitzungen 
der  in  französischen  Diensten  stehenden  einzuziehen  seien. 


Beilage  III. 

Bruchstück  eines  Inventars  vom  Hause  Goer. 

Dasselbe  stammt  wahrscheinlich  aas  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts.  Die  mit 
Punkten  bezeichneten  Stellen  sind  in  der  Vorlage  zerstört. 

„Auf  heut  dato  den  9.  ju  . . .  tegenwordichen  meiner  openbaren  not .  . .  is  das  haus 
Ghoir  belangende  die  mo  .  .  .  guderen  gevisitirt  und  inventrisirt  in  folgenden  manieren. 
In  dem  ersten  op  die  kramkamer  ein  Icrikant  mit  ein  voUbett  mit  alden  groneu  siden 
gardinen  und  rabatten  onden  und  boven,  darby  twe  bedden,  twe  pulven^  vier  plumkussen  * 
mit  sardoik*  overtogen,  ein  spanse'  decken,  ein  beddekleid  van  tirtey*,  twe  groen  decken, 
ein  aide  van  ingels*  doek,  ein  siechte.  Noch  ein  groen  kleid  vur  het  bedde  to  spreien*. 
Ein  groen  kleid  op't  trisor,  ein  groin  kleid  op  ein  tafel,  sess  küssen  ten  beiden  syden  van 
groenen  doek,  dry  sluitende  (?)  stoel  mit  groen  doek  bekleid.  Ein  trisor  mit  ein  taferei. 
Ein  tafel  gruen  geverft.  Ein  korfstoel.  Twe  aide  lang  kisten.  Twe  kopercn  brantroisteu, 
einer  gebrochen;  ein  schup,  ein  tang,  ein  afgesetten  blasbalk. 

Op  die  salkamer.  Ein  lerikant  mit  ein  voUbed  mit  vranien  netwerk'  behangen 
und  mit  rabatten  onden  und  boven,  mit  saien  gardinen  half  geschlossen.  Twe  bedde,  twe 
pulven,  dry  sardoekskussen,  ein  spansche  decken  van  den  motten  durchfreden,  dry  roede 
sarzen,  ein  nuwe.  Ein  aide  blau  syen  decken  mit  Witten  loufwerk,  twe  groin  kleiden,  ein 
op't  büffet,  dat  ander  op  die  tafel.  Ein  alden  kleiderkast,  twe  brantroesten,  einer  gebrochen, 
ein  tang,  ein  schup,  ein  blasbalk,  ein  holtern  stoel  onbeklcid. 

Op  die  drie  bedde  kamer.  Ein  jeden  lerikant  mit  ein  vollbett,  mit  wit  netwerk 
und  rabatten  onden  und  boven,  mit  alden  witten  linen  gardinen,  twe  bedden,  twe  pulven, 
dry  kusseu  mit  sardoek  overtogen  und  ein  küssen  mit  ein  driltiek,  ein  bedkleid  van  tirtey, 
ein  spansche  decken  mit  groenen  stripen^  ein  büffet,  ein  tafel  mit  ein  groen  kleid,  twe 
koperen  brantroesten,  ein  tang  ein  schup,  ein  heiteren  onbekleiden  stoel. 

Op't  garderobe.  Ein  liedekant*  mit  siechten  linen  behangsei,  dat  rabat  mit 
stripen  overwirkt,  twe  küssen  van  driltieken,  dat  bed  beert  Lisken  *®;  ein  rode  decken  mit 
groenen  stripen,  ein  tafel  mit  ein  groen  decken.    Ein  heimelike  stoel.  .  .  . 

Die  kuekenkamer  .  .  .  liedekant  mit  einen  bed  und  twe  witte  sarzen,  ein  mit 
grauen  stripen  .  .  .  bed  mit  ein  klein  betgen,  ein  tafelken,  twe  yseren  brantroisteu,  ein 
schup,  ein  tang. 

»)  Federkissen.  •)  Sartuch.  ■)  spanisch.  ■*)  grobes  Tuch.  »)  englisch.  «)  ausbroiten.  ^  Posamentir- 
arbeit.    *)  Strcilcu.    *;  Dasselbe  wie  lerikuut  —  Bettstatt.    •<>)  Elise. 


—  19  — 

Op  den  thoeren  kameren^  Ein  liedekant  mit  ein  vollbed,  ein  bed,  ein  hoift- 
pnlven,  twe  kussens  mit  doek  overtogen,  ein  aide  bankwerksdecken.  Ein  witte  gestripte 
kolt  mit  wollen  gevoirt*,  ein  büffet,  ein  tafelken,  twe  aide  rode  seel  .  .  .,  twe  ysere 
brantroisten,  ein  blasbalk. 

In  den  stoeven.  Ein  nittreckende  tafel*  mit  ein  alt  groen  kleid.  Ein  klein 
schinktafelken,  twe  yscren  brantroisten,  ein  schup,  ein  tang.  Ein  koperen  yysell  mit  ein 
yseren  stoeter*. 

In  den  sael.  Einen  kleiderkast.  Ein  büffet,  twe  nittreckende  tafeln.  Einen 
kleiderkast,  darin  bevonden  twe  groen  tafelkleider  mit  twe  groen  dagelix  kleider  op  die 
tafelen,  das  ein  verschlissen,  das  andere  ziemlich  goet,  ein  groen  kleid  op^t  büffet.  Ein 
ganz  groen  doek,  VI  neuer  kuesbladen  und  ein  stuck  um  einen  stoel  to  bekleiden,  twe 
aide  groen  seien  behangsei  um  einen  schorstein^  Ein  leder  koler  mit  flnwel^  besät,  ein 
wit  gestript  kennifas'  wambis®,  ein  par  witte  hoesen  mit  etzlichen  alden  verschlissen 
wambissen  und  overtuich  tot  haesen.  Noch  ein  swarte  decken,  ein  tafel  kleid  swart  und 
ein  swart  tresor  kleid,  ein  alt  ysem,  dair  man  kolen  in  staekt^  twe  kopern  brantroisten, 
twe  taugen,  ein  schnp.    Einen  stoel  mit  linen  bekleit.    Ein  dosyn'°  scabellen**. 

In  die  groete  kamer.  Ein  liedekant  mit  ein  vollbed  mit  alden  syen  behangsei, 
half  roid  half  gel  *'  die  gardinen  desglichen,  twe  bedden,  twe  pulven,  twe  plumkussen  mit 
sardoek  overtogen,  ein  roiden  nuwcn  decken  und  ein  rode  decken  mit  groenen  stripen, 
noch  ein  witte  versseten,  ein  trisor,  ein  tafel  mit  ein  roid  kleid.  Ein  groet  rontspiegel, 
twe  brantroister. 

Die  stoefkamer.  Ein  ledekant  mit  einem  vollbed  mit  alden  s warten  linen  behengscl 
und  swarten  gardinen.  Twe  bedde  goet  van  vedereu  aver  die  tiekeu  ^\  nit  to  goet,  noch 
twe  hoiftpulven,  ein  aide  spanische  decken,  blau  sarz,  twe  küssen  mit  sardoek  overtogen. 

In't  kamerken  beneben  die  stoefkamer.    Ein  tafeigen  mit  ein  bufetgen.  .  .  . 

In  die  thoerkamer  . . .  mit  ein  vollbed  mit  groenen  en  . .  .  dinen"  und  mit  net- 
wcrk  behangen  alt  und  versleten,  twe  bedden  und  twe  pulven,  einen  mit  einen  linen  tiek, 
twe  küssen  tesamen  niet  van  den  besten,  und  ein  küssen  op^t  vollbed.  Ein  roide  sarz 
op't  bed,  euch  ein  roid  op't  vollbed.  Ein  trisser  mit  ein  tafclken.  Ein  korfstoel,  twe 
yseren  brantroister,  ein  tang. 

Die  kamer  boven  die  stoef.  Ein  ledikant  mit  ein  vollbed.  Twe  bedden  niet 
van  den  besten  mit  einem  pulven,  noch  ein  geplayde "  heutzpulve,  twe  küssen,  ein  bank- 
werk und  ein  roide  decken,  beide  versleten  und  gaterlch.  Ein  boeffet  mit  twe  aide  sitten. 
Ein  overhemelt  tresorken.  , 

Op  des  keisers  kamer.  Ein  klein  bed  mit  ein  sardoex  küssen  mit  ein  kale 
gruen  decken.    Ein  klein  tAfelken,  twe  ysere  brantroister. 

Op  de  mechd**  kamer.  Ein  bedstat  mit  ein  vollbed.  Ein  sardoeks  bed  mit 
noch  ein  driltiekenbed  mit  einem  pulve.  Noch  twe  klein  linen  bedgens  um  in  tumel- 
kisten"  to  legen. 

Op  des  smieds  kamer.  Ein  bedstat  mit  ein  bed  mit  wenich  federen,  ein  hoift- 
pulve  mit  vloicken*'  mit  ein  aide  witte  sarz  mit  roiden  stripen. 

Op  de  capelle  kamer.  Ein  ledekentgen  mit  ein  vollbed.  Ein  klein  bed,  ein 
pulve,  ein  küssen  mit  ein  roide  dünne  sarz.    Ein  tafelken  mit  twe  schrägen. 

Thenenwerk**  die  kueken  angaende.  V  aide  groetsten  schottelen  mit  die 
mylendoncse  wapen,  12  naest  die  groetste  schottelen,  beteikent  mit  dieselfste  wapen,  10 
schottelen  ein  wenig  kleiner,  beteikent  mit  denselfsten  wapen,  van  denwelken  vier  af 
geloufen  syn;  sess  schottelen  wat  kleiner,  beteikend  als  boven,  darvan  twe  afgeloupen, 

»)  Tbunnkammer.  ')  gefüttert.  *)  Ausziehtisch.  *)  kupferner  Mörser  mit  eisernem  Stösser. 
*)  Kamin.  •)  Sammt.  ')  ein  graues  besseres  Leinen.  •;  Wams.  •;  steckt  oder  stocht?  •*)  Dutüend. 
")  Sehern«»!.  Fussbnnk?  **)  gelb.  ^^)  Überzog.  ^*)  wolil:  mit  grünen  und  rotben  Gardinen.  '*)  g*«flifkt. 
»•)  Magdekammer.  ")  Grosse  Kisten,  die  am  Tage  als  Bänke,  in  der  Nacht  als  Betten  benntJtt  wurden. 
">  Wollabmile,  Flocken.    •»)  Zinngeräte. 


—  20  — 

die  anderen  vier  dnen  versleten,  9  schottelen  wat  kleiner  \  van  den  weilken  drie  afgeloupen, 
en  die  anderen  duen  gesleten.  10  groite  banketschottelen  *  darvan  ein  afgeloupen,  9  banket 
schottelen  ein  wenig  kleiner  \  7  banketschottelen  ein  wenig  kleiner  als  die  vurgenanten  \ 
noch  6  banket  schottelen  derselver  groeteu^;  noch  2  klein  banket  schottelen  sonder  wapen. 
Drie  groete  mostarzschottelen  ^  eilf  mostarzschottelen ' ;  noch  4  mostarzschottelen*;  twelf 
goede  telluiren*,  16  telluiren  ^  18  telluiren  niet  geteikent,  darvan  ein  afgelopen  en  die 
anderen  duen.  Noch  14  telluiren^,  gehecl*  versleten.  6  oirkompkens ^  darvan  drie  afge- 
loupen. Noch  5  oirkompkens  niet  van  den  beisten,  somniige  mit  den  brederodse,  ouch  mit 
onbekante  wapenen  geteikent  sommige  niet  geteikent. 

Theinewerk*  angaende  die  kameren  en  botteleie.  Sess  lampetten  mit 
beckens,  onder  welken  drie  ganz  goet  syn,  ende  die  anderen  zementlich,  daronder  twe 
geteikent.  Ein  wynpypken  geteikent  mit  mylendoncse  en  brederodse  wapen.  Drie  half 
pypkannen,  vae  den  weilken  ein  geteikent.  Twe  siechte  wynkannen,  geteikent  mit  die 
mylendoncse  wapen.  Ein  slechfc  halfkan  mit  die  brederodse  wapen.  Ein  halfkan  mit 
ruiten.  Ein  groite  bierkruick,  sonder  derselven  ein  mit  noch  ein,  die  kleiner  ist.  Dry 
bierpotten  sonders  derselven  vur  die  dinars,  die  twe  afgeloupen.  .  .  .  saltvater,  3  gebrokenen 
saltvater.  Eine  mostarzpot,  vier  groiter  pispotten,  eilf  klein  pispotten,  daronder  twe,  die 
nit  doegen,  13  kopcren  leuchters  groct  und  klein,  under  weilke  vier  nit  en  doegen.  Ein 
koperen  kuelvat®  gaterich.   Twe  koperen  kafhoekens.   Twe  koperen  lampetten  mit  beckens. 

Belangend  die  kueken  en't  kuehuis^  V  groite  ketelen,  daronder  einen  goet, 
4  kleinen  ketelen  gelayt  und  gaterich.  Einen  goeden  schinkenketel.  Einen  doirslach 
versleten,  twe  koperen  degcls®  ondugend*.  Twe  versleten  bratpanen.  Twe  bratspieten. 
Einen  appelroester.  Einen  hangenden  roester  mit  twe  anderen  gebroken  ruestei^s.  Twe 
brantisers,  twe  brantroesters.  Ein  tang,  twe  quaede  *®  pannen,  twe  kuwe  ketels  ",  der  eine 
goet,  der  andere  oudugend.    Ein  beiketelken.    Einen  dnvoet. 

Angaende  den  linenw  .  .  ,**  Dagelix  linenwerk  tot  den  huis  .  .  .  twe  par 
slaplaken  van  twe  bauen  breit,  flassendoek  duen  versleten.  Noch  twe  par  ein  wenig  fyner 
niet  so  breit,  ouch  versleten,  wilche  twe  pair  in  die  beiste  cedel  geschreven  syn.  Noch 
drie  par  van  flössen  doek  und  twe  doex  breide,  semelich  duen.  Noch  ein  par  van  sulker 
breiden  gaterich  *^.  Noch  10  par  van  finen  flessen  doek  gestülpte  slaplaken  zemtlich  goet. 
Noch  4^2  par  van  bastarts  doek  gestülpt  redelik  goet.  Noch  2^»  par  nuwe  van  bastarts 
doek  ouch  gestülpt.  Noch  teendehalf  par  flessen  doek  geheel  gesleten  und  ouch  mit 
gaterich.  Noch  4  par  kloeten  van  bastarts  doek  gesleten  und  ouch  mit  gaterich.  7 
breide  oirkussen  tieken  van  flessen  doek,  onder  die  welken  drie  gaterich,  die  anderen  guet. 
Noch  eilf  gesoumte  kleine  oirkussen  tieken  van  smalen  doek  ganz  und  goet.  Noch  drie 
oirkussen  tieken  duen  und  boven  getent.  Noch  twe  oirkussen  tieken  van  flessen  doek 
geheel  gesleten. 

Tafelwerk.  Ein  lanc  tafellaken  gebilt  mit  den  staeP^  van  den  rosenkranz  ganz 
und  goet,  welches  in  die  beiste  cedel  geschreven  ist.  Noch  ein  .  .  .  laken  van  denselven 
stael  und  grauer**.  Noch  ein  wat'®  korter  und  geheel  gesleten,  ouch  mit  den  stael  van 
den  rosenkranz  gebilt.  Noch  drie  tafellaken  ein  blant  korter  duen  gesleten,  ouch  mit  den 
stael  van  den  rosenkranz.  Noch  twe  tafellaken  breider  und  korter  duen  —  mit  demselben 
Muster  — .  Noch  twe  goede  tafellaken  mit  den  stael  van  dobbel  venetsch.  Noch  vier 
tafellaken  wat  grauer  aver  semtlich  goet,  gebilt  mit  den  stael  van  den  stricken  mit  dem 
kraus  darum.  Noch  4  gesleten  und  lockerige  dagelixste  tafellaken  mit  den  stael  van 
paveien  ",  noch  drie  desgelichen  van  dobbel  veuetien.    Noch  V  trisorlaken  van  verschiedenen 


»)  Zusatz;  betelkent  mit  die  Mylondoncse  und  Brederodse  wapen.  *)  Zusatz:  beteikent  mit  die 
Brederodse  wapen.  ')  Zusatz:  geteikent  mit  die  mylendoncse  wapen.  *)  gänzlich.  *•)  Zinngeräte, 
*)  KUlilfass.  ')  Kuhstall.  *)  Tiegel.  »)  untauglich.  '<>^  schlecht.  Das  oben  gebrauchte  Wort  ^sloht* 
ist  in  der  alten  Bedeutung  von  schlicht,  einfach  zu  lassen.  **)  Kuhkessel.  ")  Leiueruseug.  ")  durch- 
löchert. ")  Muster.  *»)  gröber.  »^)  etwas.  ")  Pavia,  vielleicht  eine  Darstellung  der  berühmten  Schlacht 
zwischen  Karl  V.  und  Franz  I. 


—  21  — 

staelgen,  dat  eiu  korter  als  das  andere,  auch  vcrslcten  und  lockerich.  Eiu  dosin  *  servettcn 
mit  drie  schietdwelen*  mit  den  stael  van  stricken,  tamelik  guct.  Vort  X  serveten  korter 
und  dueu  gesleten,  geweven  mit  den  stael  van  dobbel  venetscb.  Noch  drie  dosinen  ser- 
veten sementlich  goet,  het  stael  van  stricken,  welke  Itgen  van  Fronenbroick  mitgebracht 
.  .  .  grover  werken  slaplaken  vor  het  gesin*  sementlich  goet.  .  .  .  Desgelichen  aver  sehr 
gesleten  ...  4  par  grover  kloet.  Dar  sin  noch  gehoel  versleten  tafellaken  und  euch 
versleten  linwat,  wilches  hier  nit  bygesat  aver  um  der  verwarnessen  willen  pro 
memoriali  angeteikent. 

Van  den  somerkameren.  .  .  .^    (Ende  des  Bruchstücks.) 

Ende. 


Zum  Eastatter  Gesandtenmord. 

Von  W.  Brtining. 

Obwohl  man  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  durch  die  französische 
Revolution  an  Blutthaten  gewöhnt  war,  so  hat  doch  die  Ermordung  zweier 
französischen  Gesandten  nach  Auflösung  des  Kongresses  in  Rastatt  (1799) 
unmittelbar  vor  den  Thoren  dieser  Stadt  in  den  weitesten  Kreisen  Ent- 
setzen und  Aufsehen  erregt.  Die  völkerrechtliche  Bedeutung  dieses  Ereig- 
nisses und  das  über  ihm  schwebende  Geheimnis  lassen  auch  heute  noch 
nicht  die  Forschung  zur  Ruhe  kommen,  und  die  Streitfrage,  wem  die  Schuld 
an  dem  Morde  zugewiesen  werden  muss,  entfacht  den  Kampf  der  Meinungen 
immer  von  neuem.  Sie  hat  besonders  in  den  lezten  Jahrzenten  zu  viel- 
fachen Erörterungen  und  seltsamen  Kombinationen  Anlass  gegeben. 

Der  Wiener  Historiker  J.  A.  Freiherr  von  Helfert  versuchte,  die 
österreichische  Regierung  sowie  die  kaiserliche  Armee  von  jeder  Mitschuld 
an  dem  Attentat  des  28.  April  1799  zu  reinigen  und  die  Urheberschaft 
auf  französische  Schultern  zu  schieben.  (Der  Rastadter  Gesandtenmord. 
Wien  1874.)  Er  fand  in  Sybel  einen  entschiedenen  Gegner.  (Historische 
Zeitschrift,  Bd.  32,  S.  298  flF.)  Nach  einer  andern,  wenig  beachteten, 
Hypothese  soll  die  That  ein  Racheakt  der  Königin  Karoline  Marie  von 
Sizilien  sein.  Als  völlig  haltlos  wird  allgemein  die  von  Professor  Böhtlingk 
in  Karlsruhe  mit  ebenso  grosser  Ausdauer  wie  Heftigkeit  verfochtene 
Behauptung  bezeichnet,   dass  Bonaparte  das  Verbrechen  angestiftet  habe. 

Die  Untersuchungen  haben  nunmehr  durch  H.  Hüffer  einen  gewissen 
Abschluss  gefunden.  Nachdem  er  bereits  1878  und  1879  in  dem  umfang- 
reichen Werk:  „Der  rastatter  Kongress  und  die  zweite  Koalition"  das 
Geheimnis  etwas  entschleiert  hatte,  ist  er  in  seiner  kürzlich  veröffentlichten 
kleinen  Schrift:  „Der  Rastatter  Gesandtenmord  mit  bisher  ungedruckten 
Archivalien  etc."  nach  den  beiden  bei  dem  Ereignis  in  Betracht  kommenden 
Richtungen  zu  sicherern  Ergebnissen  gelangt. 

Französische  Diplomaten  hatten  während  der  Kongressverhandlungen 


*)  Dutzend.    •)  twele  =  Handtuoh.    ■)  Gesinde. 


—  22  — 

an  süddeutschen  Höfen  eine  aufreizende  und  an  Spionage  grenzende  Thätig- 
keit  ausgeübt.  Das  Offizierkorps  im  Heere  des  Erzherzogs  Karl,  das  in 
der  Nähe  von  Rastatt  stand,  war  deshalb  aufs  heftigste  gegen  sie  erbittert. 
Noch  bevor  die  Kongressgesandten,  in  deren  Händen  die  Fäden  der  ver- 
schiedenen Kundschafter  zusammenliefen,  Rastatt  verliessen,  war  der  Krieg 
zwischen  Osterreich  und  der  Republik  wieder  ausgebrochen.  Im  öster- 
reichischen Heere  erkannte  man  deshalb  Rastatt  nicht  mehr  als  neutralen 
Ort  an.  Während  einer  Krankheit  des  Erzherzogs  Karl  schrieb  sein  Quartier- 
meister, General  Schmidt,  an  den  Führer  der  Vorhut  einen  nicht  amt- 
lichen Brief,  aus  dem  dieser  den  Wunsch  herauslesen  musste,  die  fran- 
zösischen Gesandten  bei  ihrer  Abreise  aus  Rastatt  anzuhalten  und  ihre 
Papiere  in  Beschlag  zu  nehmen,  um  darin  die  Beweise  für  unerlaubtes 
Spionieren  zu  suchen.  Übereifrige  Offiziere  legten  den  Wunsch  des 
Generals  als  Befehl  aus,  ihr  Hass  gegen  die  Franzosen  verschärfte  ihr 
Vorgehen,  und  ihre  Leute,  Szeklerhusaren,  wandelten  die  Beschlagnahme 
des  gesandtschaftlichen  Archives  in  eine  Ermordung  der  Gesandten  um. 
Bonnier  und  Roberjeot  blieben  auf  der  Stelle  tot,  der  dritte,  Debry,  entkam, 
obwohl  schwer  verletzt,  wie  durch  ein  Wunder. 

Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  bei  der  Urheberschaft  und  Ausübung 
des  Mordes  noch  andere  Elemente  thätig  gewesen  sind.  Der  nächste  Ver- 
dacht richtet  sich  gegen  die  Emigranten,  die  damals  in  grosser  Anzahl  in 
den  Ortschaften  bei  Rastatt  sassen  und  durch  ihr  Wesen  allgemeinen  Anstoss 
erregten.  Von  blinder  Rachsucht  gegen  die  französische  Regierung  erfüllt 
und  mehr  oder  weniger  über  alle  sittlichen  Bedenken  hinaus,  waren  sie  zu 
allem  fähig.  So  hatte  noch  im  Jahre  1798  einer  von  ihnen,  der  General 
Danican,  in  einer  berüchtigten  Flugschrift  „Cassandra"  zum  Morde  der 
französischen  Direktoren  aufgefordert.  Sie  nahmen  jede  Gelegenheit  wahr, 
die  österreichischen  Offiziere  und  Soldaten  gegen  die  „Königsmörder*  auf- 
zureizen, und  an  Mitteln,  durch  Bestechung  gefügige  Werkzeuge  sich  zu 
verschaffen,  fehlte  es  ihnen  nicht.  Sie  konnten  sich  österreichische  Uniformen 
verschaffen,  ja  sie  waren  sogar  berechtigt,  solche  zu  tragen,  denn  eine 
beträchtliche  Anzahl  von  ihnen  hatte  in  den  kaiserlichen  Reiterregimentern 
Aufnahme  gefunden.  Es  ist  leicht  möglich,  dass  Emigranten  in  Szekler- 
husarenuniform  an  dem  Morde  mitgewirkt  haben. 

Bezüglich  der  völkerrechtlichen  Bedeutung  des  Mordes  stellt  Hüffer 
fest,  dass  die  österreichische  Regierung  an  der  That  völlig  unschuldig  war. 
Dadurch  erhält  sie  sofort  einen  andern  Charakter,  als  man  ihr  bisher  zu- 
geschrieben hat. 

Der  Brief  des  Generals  Schmidt  ist  ein  unvorsichtig  abgefasstes  Privat- 
schreiben, für  das  die  österreichischen  Militärbehörden  nicht  verantwortlich 
gemacht  werden  können.  Dem  General  selbst  lag  jeder  Gedanke  an  einen 
Mord  fem  und  die  Behörden  haben  keinen  Befehl  dazu  erteilt. 

Der  Mord  ist  mithin  zweifellos  das  Ergebnis  einer  Privatrache,  eines 
fanatischen  persönlichen  Hasses,   in  dem   sich  österreichische  Militärs  und 


—  23  — 

Emigranten  zusammenfanden,  und  er  gehört  als  solches  nicht  dem  Gebiet 
des  Völkerrechtes,  sondern  des  Strafrechtes  an. 

Dieses  Resultat  der  Hüfferschen  Untersuchung  ist  für  die  Beurteilung 
des  Ereignisses  ausschlaggebend! 

Welche  Wut  und  welchen  Kachedurst  dasselbe  in  den  französischen 
Eegierungskreisen  hervorrief,  ersieht  man  aus  dem  nachfolgenden  Zirkular 
des  Kommissars  des  vollziehenden  Direktoriums  der  Zentralverwaltung  im 
Roerdepartement,  Dorsch.  Da  die  ein  zelnen  Vorgänge  bei  der  That  nicht 
bekannt  waren,  musste  sie  allgemein  als  das  gröbste,  zu  allen  Zeiten  am 
meisten  verabscheute  Verbrechen  gegen  den  völkerrechtlichen  Verkehr 
erscheinen.  Die  öffentliche  Meinung  war  empört,  und  das  französische 
Direktorium  nützte  diese  Stimmung  gründlich  aus.  So  brachte  der 
„Gesandtenmord**,  der  noch  mehr  ein  politischer  Fehler  als  ein  Ver- 
brechen war,  der  französischen  Regierung  einen  grossen  Vorteil  und 
führte  tausende  von  Kämpfern  unter  die  Fahnen  der  „grossen  Nation", 
die  sich  wieder  einmal  als  Rächerin  des  verletzten  Menschen-  und  Völker- 
rechtes gerieren  durfte. 

Libertö.    ifcgalitö. 

Bureau  du  commissaire  Aix-la-Chapelle,  le  21  flor^al 

du  pouvoir  ex6cutif.         an  7  de  la  r6publique  frangaise  une  et  indivisible. 
Circulaire.  (10.  Mai  1799). 

Le  commissaire  du  directoire  ex^cutif,  prfes  Tadministration  centrale 
du  d6partement  de  la  Roer,  aux  commissaii'es  du  directoire  ex^cutif  prfes 
les  administrations  cantonales. 

Un  crime  sans  exemple  daus  les  fastes  sanglantes  des  peuples  les  plus 
feroces  a  6t6  commis  sur  des  agens  sacr^s  aux  yeux  de  toutes  les  nations. 

Les  ministres  plönipotentiaires  de  la  r^publique  frangaise  au  congrfes 
de  Rastadt  sont  tombös  sous  le  fer  homicide  de  ceux-lä  mfeme  qui  devaient 
les  prot6ger;  sous  le  fer  d'un  d6tachement  de  bourreaux  autrichiens. 

Les  cadavres  palpitans  de  Bonnier  et  de  Roberjeot  sont  restös 
d6pouill6s  sur  le  chemin,  thöätre  de  ce  massacre;  Jean  Debry,  couvert  de 
blessures,  a  öchappe  par  une  espöce  de  prodige  dont  il  ne  peut  se  rendre" 
compte. 

Si  cet  horrible  attentat  n'avait  TEurope  entifere  pour  tömoin  la 
post6rit6,  la  race  präsente  mftme  le  rel^gueraient  au  nombre  de  ces  flctions, 
invent^es  pour  6pouvanter  le  genre  humain.  Mais  les  habitants  de  Rastadt 
ont  entendu  les  cris  de  victimes;  mais  ses  environs  fument  encore  de  leur 
sang;  mais  leurs  cadavres,  jettös  ä  la  voirie,  ont  6t6  vus  par  de  milliers 
de  citoyens  qui  ont  fait  retentir  les  cieux  de  leurs  cris  d'indignation:  le 
congrfes  de  Rastadt  a  tömoignö  la  sienne,  en  rendant  responsable  de  ce 
massacre,  le  capitaine  qui  a  eu  Tinfömie  de  s'y  prÄter.  (Ce  monstre  se 
nomme  Barbaczi.) 


—  24  — 

Quel  est  le  frangais,  quel  est  rhoiiime  qui,  au  recit  de  cette  horreur, 
n'en  frissonne,  ne  se  sent  transport^  de  fureur  et  ne  brüle  de  dösir  de  la 
venger! 

.  Quelle  nation  pourrait  d^sormais  rester  unie  et  traiter  avec  une  horde 
de  monstres,  sortis  des  for^ts  du  nord,  qui  a  rompu  le  pacte  des  nations  ? 
elles  ne  sont  plus  liöes  envers  eile:  il  est  de  leur  intöret,  de  leur  devoir, 
de  leur  honneur  de  la  mettre  hors  la  loi. 

L'opinion  publique  qui  s'apuie  sur  les  circonstances  qui  ont  pr6c6d6, 
accompagn6  et  suivi  ce  forfait,  en  attribue  Patroce  conception  et  la  direction 
ä  la  maison  d'Autriche. 

Si  les  nations  indign^es  langaient  sur  eile  toutes  leurs  foudres,  la 
puniraient  elles  ass6s  de  cette  horrible  attentat?  c'est  dans  son  sang  inipur 
quMl  doit  etre  lav^.! 

D6jä  eile  commence  ä  porter  la  peine  de  son  crime:  le  poids  de 
rindignation  de  l'Europe  pöse  sur  eile. 

D6jä  rignominie  est  imprim^e,  incrustr^e  sur  les  fronts  de  Frangois  II, 
de  Charles  son  sicaire;  —  leurs  nonis  sont  gravis,  en  traits  de  sang,  sur  le 
poteau  de  Topinion  publique,  expos6  aux  regards  de  tous  les  sifecles!  .  .  . 

A  Texemple  du  l^gislateur  d'Athfenes  qui  n'avait  point  prononc6  de 
peine  contre  le  parricide,  parce  qu'il  ne  croiait  pas  qu'il  put  exister,  les 
nations  dans  le  code  du  droit  des  gens  naturel  et  meme  arbitraire  non 
point  pr6vu  un  crime  qu'elles  n'ont  pas  seulement  os6  soupgonner. 

Quelle  en  eut  dont  6t6  la  peine,  si  elles  avaient  pu  prövoir  q'un 
jour,  au  XVin.  si^cle,  leur  attente  aurait  ete  tromp6e  .... 

On  cite  comme  un  attentat  au  droit  des  gens,  les  traitements  ä  la 
turque;  ....  l'Autriche  les  a  fait  oublier! 

Citoyens  collfegues!  Exciter  contr'elle  les  cris  d'une  juste  vengeance, 
precurseur  de  sa  destruction!  .... 

Prociamez  dans  toute  T^tendue  de  votre  canton  ce  crime  atroce;  que 
l'habitant  le  raconte  ä  son  voisin,  le  pere  ä  ses  enfants!  .... 

Mais  ce  n'est  pas  assez  que  de  le  publier.  Conform^ment  aux  intentions 
de  Tadministration  centrale  qui  vient  de  faire  une  adresse  ä  tous  les 
administr^s  de  ce  d^partement,  faites  un  appel  ä  la  sensibilit6  de  tous  vos 
concitoyens;  enflämez  le  courage  des  uns;  provoquez  la  genörositö  des 
autres;  rappellez  ä  tous  Tobligation  sacr6e,  de  venger  les  droits  des  nations 
viol6s.  Ce  n'est  que  par  ce  moyen  qu'ils  pourront  eflfacer  la  tache  d'avoir 
jadis  6t6  sous  l'influence  de  cette  ex^crable  maison  dont  les  projets 
d'agrandissement,  de  spoliation,  de  pillage,  d'assassinats  ne  sont  plus  un 
Probleme. 

OflFrez  ä  notre  bouillante  jeunesse  Taspect  brillant  de  la  carriere  des 
armes;  des  avantages  de  servir  sous  les  drapeaux  de  la  republique,  qui 
combat  pour  les  droits  de  Thomme  et  des  nations:  eile  les  admet  ä  Thonneur 
de  partager  ses  lauriers  et  sa  gloire.    Rappellez  a  cet  effet  Tarrötfe  de 


—  25  — 

radmiuistration  centrale  qui  trace  la  marche  ä  suivre  pour  les  euvulements 
volontaires. 

Invitez  toutes  les  classes  des  citoyens  ä  porter  leur  oflfrande  sur 
Tautel  de  la  patrie.  La  plupart  des  cautons  ont  6t6  sensibles  ä  la  voix 
de  Phonneur,  lorsqu'on  a  fait  un  appel  au  peuple  frangais,  de  contribuer 
ä  punir  l'Angleterre;  le  seraient  ils  moins,  lorsqu'il  s'agit  de  la  punition 
du  crime  le  plus  effroyable.  Le  canton  d'Odenkirchen  s'est  tout  receranient 
distingu^  par  ses  dons  patriotiques;  que  son  exemple  trouve  partout  des 
iraitateurs!  .... 

C'est  ä  vous  surtout,  citoyens  coUegues,  qui  reprösentez  le  gouvernement, 
si  atrocement  outrag6  dans  les  personnes  de  ses  ambassadeurs ;  c'est  ä 
vous,  coramissaires  du  directoire  ex6cutif  de  la  grande  natiou,  ä  seconder 
de  tous  vos  efforts,  ceux  des  adrainistrations  municipales,  pour  armer  les 
bras  vengeurs  qui  doivent  pulv^riser  cet  infame  gouvernement  et  offrir 
ses  ruines,  en  holocauste,  aux  manes  des  Roberjeot  et  des  Bonnier. 

Salut  et  fraternit^, 
Dorsch. 


Ein  „Gemeiner  Bescheidt"  des  Aachener  Schöffenstuhls. 

Von  F.  Schollen. 

Für  die  Geschichte  des  gemeinrechtlichen  Civilprozesses  ist  ein 
„Gemeiner  Bescheidt"  des  Aachener  SchöflPenstuhls  vom  2.  Januar  1697, 
der  im  wesentlichen  am  2.  April  1761  erneuert  wurde,  nicht  ohne  Interesse. 
Auf  der  Grundlage  des  njittelalterlich-kanonischen  Prozesses  hatte  sich  der 
sogenannte  gemeine  Prozess  seit  dem  17.  Jahrhundert,  insbesondere  seit 
dem  Jüngsten  Reichsabschied  von  1654  zu  einem  völlig  schriftlichen  aus- 
gebildet. Der  Kläger  reiclite  dem  Gericht  schriftlich  seine  Klage  mit  den 
Klagebehauptungen  ein,  der  Beklagte  ebenso  seine  Klagebeantwortung. 
Auf  Grund  des  schriftlichen  Materials,  der  Akten,  entschied  das  Gericht. 
Dieser  Zeit  gehört  das  Rechtssprichwort  an:  „Quod  non  est  in  actis,  non 
est  in  mundo." 

Einen  Durchbruch  durch  dieses  Princip  stellt  der  genannte  Bescheid 
dar.  Der  schriftliche  Prozess  war  für  das  rechtsuchende  Publikum  bei 
geringfügigem  Streitobjekt  sehr  misslich  wegen  der  langen  Dauer  und 
wegen  der  Kosten.  Nachdem  nun  schon  der  Schöffenstuhl  am  25.  August  1685 
für  vermögensrechtliche  Streitigkeiten  unter  50  Thaler  eine  Vereinfachung 
getroffen  hatte,  bestimmte  er  am  2.  Januar  1697,  Sachen  unter  20  Thaler 
könnten  durch  mündliche  Verhandlung  erledigt  werden,  entweder  amicabi- 
liter  d.  h.  durch  Vergleich,  oder,  falls  es  zu  diesem  nicht  komme,  durch 
Bescheid.  Leider  fehlt  das  thatsächliche  Material,  um  einen  Vergleich  an- 
zustellen über   die  Dauer  und  den  Kostenpunkt  dieser  Prozesse  vor  und 


—  26  — 

nach  1697.  Die  Hauptgrundsätze  jener  Anordnung,  die  wir  unten  in  Abdruck 
bringen \  sind  folgende: 

In  geringen  Personal-Schuldforderungen  und  ,,modicis  causis,  so  über 
20.  dahler  aix  capitaliter  sich  nit  ertragen"  können  die  Parteien,  wenn  sie 
den  schriftlichen  Prozess  nicht  vorziehen,  mündlich  verhandeln.  Sitzungen 
sind  hierzu  anberaumt  auf  Dienstag  und  Freitag  nachmittags  2  Uhr. 
Das  Gericht  (bestehend  aus  zwei  Mitgliedern  des  Schöffenstuhls  mit  dem 
Syndikus  und  dem  Gerichtsschreiber)  entscheidet  auf  Grund  der  mündlichen 
Verhandlung  (Art.  1).  Die  Ladung  der  Partei  zur  Verhandlung  erfolgt 
drei  Tage  vor  derselben  durch  den  Gerichtsdiener  (Art.  4).  Aus  ander- 
weitigen Nachrichten  2  geht  hervor,  dass  dem  Gericht  für  die  Ladungen 
zwei  Klassen  von  Personen  zur  Verfügung  standen,  die  Diener  für  die 
Stadt  und  die  Schultheissen  für  das  Reich  Aachen.  Dies  trägt  zum  Ver- 
ständnis der  Anordnung  in  Art.  5  bei,  wonach  die  jura  citationis  in 
der  Stadt  2  Mark,  „ausswendig  aber  4  raarck"  betragen.  Die  Verhand- 
lung selbst  findet  durch  Anwälte  statt;  mit  der  Erklärung  des  Anwalts 
des  Beklagten  auf  die  Klage  wird  letztere  rechtshängig  (Art.  6).  Über 
die  Verhandlung  wird  ein  Protokoll  aufgenommen  (Art.  7).  Erscheint 
der  Beklagte  im  Termin  zur  mündlichen  Verhandlung  nicht,  so  ergeht  in 
diesem  Termin  ein  Eventual-Bescheid;  es  erfolgt  dann  eine  neue  Ladung 
und  in  dem  folgenden  Termin  ergeht,  wenn  Beklagter  wiederum  ausbleibt, 
das  Läuterungsurteil  (Art  8)'.  Ist  eine  Partei  mit  dem  ergangenen  Urteil 
nicht  zufrieden,  so  muss  sie,  wenn  das  Urteil  nicht  rechtskräftig  werden 
soll,  in  der  nächsten  Sitzung  sich  darüber  zu  Protokoll  erklären  (Art.  9); 
nach  acht  Tagen  muss  sodann  ein  Beschwerdeschriftsatz  beim  Schöffenstuhl 
eingereicht  sein  (Art.  10).  Dieser  wird  der  Gegenpartei  mitgeteilt,  die 
ihre  Einreden  ebenfalls  innerhalb  acht  Tagen  an  derselben  Stelle  vorbringen 
muss,  dies  alles  sub  poena  rei  judicatae  (Art.  11).  Am  Schöffenstuhl  wird 
die  Sache  mit  Zuziehung  wenigstens  dreier  neuer  Richter  zu  den  beiden 
erstinstanziellen  Richtern  entschieden  (Art.  12).  Eine  Appellation  an  das 
Kammergericht  in  Speier  war  in  diesem  Falle  deswegen  nicht  möglich,  weil 
diese  nur  bei  einem  Streitobjekt  nicht  unter  300  Reichsgulden  gegeben  war*. 

Diese  Bestimmungen  sind  in  gewissem  Sinne  als  Vorläufer  des  heutigen 
Prozesses  anzusehen.  Auf  dem  Wege,  ein  dem  deutschen  Empfinden  ver- 
ständliches Gerichtsverfahren  zu  schaffen,  ist  die  neuere  Gesetzgebung 
dazu  gekommen,   nacli  dem  Vorbild   des  Code  civil  an  Stelle  der  Schrift- 

*)  Dieselbe  wurde  in  der  Form  der  Ratsedikte  durch  den  Druck  bekannt  gemacht. 
Ihr  Abdruck  rechtfertigt  sich  dadurch^  dass  sie  selten  geworden  zu  sein  scheint. 

*)  Vgl.  Noppius,  Aachener  Chronik  I,  S.  120. 

^)  Sonst  galt  nach  gemeinem  Prozess  der  Grundsatz,  dass  sich  nur  der  an  seinem 
Rechte  versäumte,  der  auf  die  dritte  Vorladung  nicht  erschien.  Vgl.  Hillebrand,  Deutsche 
Rechtssprüchwörter  S.  220  ff. 

♦)  Vgl.  Noppius  a.  a.  0.  S.  120.  Auch  heute  ist  die  Zulässigkeit  der  Revision 
an  das  Reichsgericht  durch  einen  den  Betrag  von  1500  Mark  übersteigenden  Wert  des 
Streitgegenstandes  bedingt.    Civilprozessordnung  §  508. 


—  27  — 

lichkeit  und  der  damit  Terbaudenen  Heimlichkeit  die  Mündlichkeit  und 
Öffentlichkeit  des  Verfahrens  einzuführen.  Der  heutige  Prozess  ist  dem- 
entsprechend nicht  mehr  nach  Wahl  der  Parteien,  sondern  immer  mündlich  ^ 
Das  amtsgerichtliche  Verfahren,  in  dem  heute  die  im  Gemeinen  Bescheid 
erwähnten  Sachen  zu  erledigen  wären,  beruht  zudem  auf  dem  Prinzip 
möglichster  Einfachheit;  das  Gericht  ist  nur  mit  einem  Richter  besetzt*; 
es  herrscht  kein  Anwaltszwang'.  Die  Einlassungsfrist  beim  Amtsgericht 
beträgt  jedoch  heute  mindestens  drei  Tage,  acht,  wenn  die  Zustellung  nicht 
im  Bezirke  des  Prozessgerichtes  erfolgt^.  Ferner  treten  alle  Wirkungen 
der  Rechtshängigkeit  in  jedem  Prozess  mit  der  Erhebung  der  Klage  ein, 
ohne  dass  es  einer  Erklärung  des  Beklagten  bedürfte  *.  Ein  Versäumnisurteil 
kann  heute  schon  im  ersten  Termin,  zu  dem  der  nicht  erschienene  Beklagte 
orduungsmässig  geladen  ist,  ergehen^.  Gegen  dasselbe  ist  aber  der  Ein- 
spruch innerhalb  einer  Frist  von  zwei  Wochen  zulässig  ^  Auf  ganz  anderen 
Gesichtspunkten,  als  denen  des  Gemeinen  Bescheids  beruhen  die  heutigen 
Bestimmungen  über  Berufung  und  Revision.  Doch  mag  erwähnt  werden, 
dass  auch  gegen  die  amtsgerichtlichen  Urteile  nur  ein  Rechtsmittel  gegeben 
ist,  die  Berufung  an#das  Landgericht®. 

Gemeiner  Bescheidt. 

Demnach  einem  wol-adlichen  scheflfen-stuhl  verscheidentlich  vorgetragen  worden, 
obwol  derselb  unterm  25.  augusti  1685.  zu  erspahning  grösseren  kosten,  in  personal- 
schald-fordcmngs-sachen  so  über  50.  dabl.  sich  nicht  ertragen,  zum  besten  der  parthoyen, 
und  deren  proccss  schleuniger  abhülff,  dahin  beliebig  geschlossen  hätte,  dass  in  gemeltcn 
Sachen  künfiftig  de  triduo  in  triduum,  und  zwarn  welters  nicht,  dann  ad  dnplicam  inclu- 
sive gehandlot  werden  solle,  dass  damit  aber  denen  paitheyen,  so  modicum,  und  weniger 
als  obgemelte  summ  der  50.  dahler  an  anderen  zu  forderen  haben,  nicht  geholffen,  billigcrs 
aber  nichts  wäre,  dann  dass  darin  besonders,  bey  diesen  beschwärlichen  zeiten,  und  dahe 
kleine  fordernngen  durch  mündliches  verhör  de  piano,  et  sine  strepitu  iudicij,  leicht  ab- 
gemacht werden  könteu,  auch  versehen  würde;  als  hat  ein  wol-adliches  collegium  auss 
obgemelten,  und  anderen  erheblichen  reden  beschlossen,  dass  künfiftig  zweymahl  in  der 
Wochen,  benentlich  dienstags  luid  freytags  dess  nachmittags  umb  die  2.te  stund  für  zwcycn 
herren  auss  mittel  dess  collegij,  über  geringe  Sachen,  so  nicht  über  20.  dahler  aix  capi- 
taliter  sich  ertragen,  ein  mündliches  verhör  gehalten,  und  von  denenselben  die  partheyeu 
hinc  inde,  über  ihres  anbringen,  und  excipijren  so  viel  nöthig  gehört,  und  amicabiliter,  oder 
sonst  durch  bescheidt  voneinander  gesetzt,  auch  über  solches  aUes  förmliches  prothocoUum 
gehalten  werden  solle,  und  da  nun  sich  zutragen  würde,  dass  durch  solchen  bescheidt 
ein-  oder  andere  parthey  sich  beschwerdt  zu  scyn  erachten  mögte,  solchen  fals  solle  der 
beschwerdter  partheyeu  bevorstehen,  in  proxima  audientia  reauditioncm  sub  poena  rei 
judicatae  zu  begehren,  und   ihre   gravamina  schrififtlich  intra  octiduum,  dem  triumphanti 


0  Civilprozessordnung  §  119. 
*)  Gerichts- Verfassungsgesetz  §  22. 
')  Civilprozessordnung  §  74. 
*)  Civilprozessordnung  §  459. 
*)  Civilprozessordnung  §  239. 
•)  Civilprozessordnung  §  296. 
')  Civilprozessordnung  §§  303,  304. 
■)  Civilprozessordnung  §§  472,  507. 


—  28  — 

aber  darauff  seine  exceptioucs  iutra  similem  octidui  terminum,  ad  ordioarium  judlciale 
prothocoUum  zu  bringen;  weichem  nechst,  et  conclusione  sie  facta,  die  sach  wenigst  mit 
Zuziehung  dreyer  anderer  herren,  so  über  der  Sachen  vorhin  nit  gesessen,  noch  votirt, 
nebenst  obgemelten  zweyen  herren,  so  den  beseheidt  ertheilt,  con-  vel  reformatorie  erörtert, 
und  ordentlich  publicirt  werden  solle;  ita  expediri  jussum  hac  2.  ianuar.  1697.  Gab.  Messen  Dr. 

Ordnung,  welcher  gestalt  wöchentlich  dess  dingstags  und  freytags  das  mündliches  verhör 
in  cansis  modicis,  und  personal-schuld-forderungen  geschehen  solle: 

1.  Es  sollen  alle  dingst-  und  freytags  dess  nachmittags,  umb  die  2.te  stund  (diebus 
festis  exceptis)  zwey  herren  ex  collegio  cum  syndico,  et  secretario,  auff  der  kammer,  vel 
alio  determinando  loco  sitzen,  gestalt  in  geringen  personal-schuld-forderungen,  et  modicis 
causis,  so  über  20.  dahler  aix  capitaliter  sich  nit  ertragen,  und  warin  partheyen  schrifftlichon 
process  zu  führen  nit  gemeynt  seyn  mögten,  itztgemelte  partheyen  mündlich  gegeneinander 
zu  hören,  und  zu  entscheiden; 

2.  Solle  jedem  der  herren  scheffen  ein  gülden,  dann  syndico,  et  secretario  pro 
prothocollatione  auch  ein  gülden,  und  zwam  von  jeder  partheyen,  si  compareant,  zur  halb- 
scheid, änderst  dahe  beklagter  nit  erscheinen,  und  in  contumaciam  die  sach  abgehandlct 
würde,  von  dem  klägeren  abgestattet,  dessgleichen  procuratori  cuilibet  pro  comparitione 
ein  gülden,  und  dem  klagenden  procuratori  für  den  zettcl,  warin  die  causa  dcbendi,  und 
warumb  die  citatio  beschicht,  exprimirt  stehen,  und  dem  citirten  in  copia  hinterlassen 
werden  solle,  3.  marck  entrichtet,  und  pro  juribus  dess  bescheidtfe  dd.  gleichfals  ein  gülden 
nebenst  der  copeyen  vergüthet  werden. 

3.  Procuratores  sollen  solche  iura,  wie  in  ordinarijs  causis  auch  geschieht,  versorgen, 
und  dieselbe  wie  bräuchlich,  cum  Substitut©  berechnet  werden; 

4.  Sollen  partes,  so  beklagt  werden  wollen,  ad  comparendum  vor  denen  beym  ver- 
hör sitzenden  herren  drey  tag  vor  dem  verhör  per  ministrum  iudicij  peremptorie  citirt» 

5.  Vnd  den  dieneren  pro  iuribus  citationis  2.  marck  entrichtet  werden,  wie  bräuch- 
lich in  der  Stadt,  ausswendig  aber  4.  marck. 

6.  Solle  kläger  in  termino  erscheinen,  und  seine  klag  kurtz-mündlich  per  procura- 
torem  vorbringen,  der  beklagter  ebenfals  darauff  mündlich  durch  seinen  anwalden  con- 
testeren   et  causa  oretenus^  instructa,  beyde  herren  was  rechtens  ausssprechen; 

7.  Was  nun  geklagt,  und  excipijrt,  solle  per  dom.  syndicum,  et  secretarium,  aut 
ejus  substitutum  mit  dem  beseheidt  prothocoUirt  werden; 

8.  Dahe  beklagter  aber  contumaciter  aussbleiben  würde,  solle  in  prima  audientia 
eventualiter  bescheidet,  und  derselb  beseheidt  praevia  insinuatioue  in  proxima  secunda 
audientia  purificirt  werden; 

9.  Wann  partibus  auditis  beseheidt  ergangen,  und  ein-  oder  ander  theil  sich  beschwerdt 
zu  seyn  erachten  würde,  solle  dem  gravirten  theil  sich  ad  prothocoUum  darüber  zu 
erklähren,  idque  in  proxima  audientia,  sub  poena  rei  judicatae,  und  reauditionem  zu  begehren 
gestattet  seyn; 

10.  Vnd  da  nun  solches  also  geschehen,  solle  gravata  pars  intra  octiduum  peremp- 
torie, sub  poena,  wie  oben  gemelt,  seine  gravamiua  schrifftlich  in  aller  kürtzc  gerichtlich 
bey  allhiesigem  wol-adlichen  scheifen-stuhl,  ad  prothocoUum  ordinarium; 

11.  Der  ander  theil  aber  post  eommunicationem,  ebenfals  seine  cxceptiones,  intra 
octiduum  peremptorie,  ad  idem  prothocoUum  vorbringen; 

12.  Gestalt  causa  sie  instructa  fürderlich,  und  zwarn  nebenst  denen  vorhin  ttber- 
und  angewesenen  herren,  wenigst  durch  drey  andere  herren  abgemacht,  und  erörtert 
werde;  ita  expeditum  hac  2.  ianuarij  1697. 

Gabr.  Messen  Dr.  syndicus  et  secretar.  m.  p. 

»)  gleich  „nach  dem  mündlichou  Vorbringen". 


—  29  — 


Kleinere  Mitteilungen. 

1.  Aus  dem  Aachener  Stadtarchiv. 

Nachstehende  Aktenstücke  aus  der  Zeit  der  Fremdherrschaft  liefern  einen  weitern 
Beitrag  zur  Bevölkerungsstatistik  Aachens  und  der  benachbarten  Gebiete  (vgl.  Nr.  4/6 
dieser  Mitteilungen,  S.  92). 

Conscription  de  1811. 
Extrait  du  registre  des  arrßt^s  du  8ous-pr6fet  de  Tarrondissement  d'AJx-la-Chapelle. 

Du  10  Juillet  1811. 

Vü  Tarr^t^  de  monsieur  le  prüfet  du  d6partement,  Chevalier  de  la  l^gion  d'honneur, 
baron  de  Pempire,  en  date  du  jour  d'hier,  portant  r^partition,  entre  les  quatre  arron- 
dissements  du  d^partement,  des  427  hommes  que  la  Roer  doit  foumir  en  conformit6  du 
decret  du  l**"  du  courant  pour  son  contingent  de  la  reserve  de  la  lev6e  de  1811,  laquelle 
r^partition  fixe  k  cent  trente-quatre  hommes  le  contingent  de  Parrondissement  d'Aix-la- 
Chapelle. 

Vü  le  tableau  g6n6ral  de  la  population  de  Parrondissement,  nous  auditeur  au  con- 
seil  d'6tat,  80U8-pr6fet  de  Parrondissement  d'Aix-la-Chapelle,  arrßtons  ce  qui  suit: 

Articie  I". 

Les  cent  trente-quatre  hommes  que  Parrondissement  doit  foumir,  en  conformit^  de 
Parr6t6  de  monsieur  le  pr6fet  en  date  du  jour  d'hier  pour  son  contingent  de  la  reserve 
de  la  lev^e  de  1811,  sont  repartis  entre  les  cantons,  ainsi  qu^il  est  fixe  par  le  tableau 
ci-apr6s : 


Noms  des  cantons 

Population 

Contingent 

Aix-la-Chapelle  *    .... 

27,294 

18 

Borcette  .... 

21,728 

15 

Düren .... 

20,529 

14 

Eschweiler   . 

21,097 

14 

Froizheim     .    . 

9,748 

7 

Gemund  .    .    . 

11,525 

8 

Geylenkirchen 

15,864 

11 

Heinsberg     . 

22,776 

15 

Linnich    .     . 

16,913 

11 

Montjoie  .     . 

15,747 

11 

Sittard     .     .     . 

14,814 

10 

ToUu 

x  . 

198,035 

134 

A 

irtic 

le  IL 

Le  präsent  sera  imprim6  en  placard,  pour  etre  transmis  A  mm.  les  maires  de 
Parrondissement,  charg^s  de  le  publier  et  de  le  faire  afficher  dans  toutes  les  communes 
de  leur  ressort. 

Ampliation  en  sera  adressöe  k  monsieur  le  prüfet  du  d^partement. 

Donn^  ä   Aix-la-Chapelle   en   Phötel   de   la   8ou8-pr6fecture   le  jour,   mois  et   an 

que  dessus. 

De  Lommessem. 

Aix-la-Chapelle,  imprim^  chez  T.  Vileckx  grand'rue  de  Cologne  Nr.  1005. 


•)  In  dem  Protokoll  einer  Sitzung  des  Stadtrates  vom  17.  Juni  1819  wird  die  Bevölkerung 
Aachens  in  diesem  Jahr  auf  82000  Seelen  angegeben,  eine  Zahl,  die  Uaagen,  Geschichte  Aohens  U, 
S.  486,  schon  flir  das  Jahr  1815  annimmt. 


-  30  - 

Conscription  de   1814. 

Extrait  da  registre  des  arret^s  du  prüfet  du  d^partement  de  la  Roer. 

Aix-la-Chapelle,  le  27  fövrier  1813. 

Vq  le  s6natas-consulte  du  11  janvier  1813,  en  ce  qui  concerne  la  conscription  de 
la  classe  de  1814; 

Vu  le  d6crct  imperial  dtf  20  dn  meme  mois,  qui  ordonne  la  mise  en  activitö  de 
140431  conscrits  sur  les  150  000,  dont  Pappel  a  6t6  autoris6  par  le  s^natus-consulte; 

Vu  le  chapitre  I*""  du  titre  1**^  de  rinstruction  g6n6rale  sur  ia  conscription  militaire; 

Vu  la  lettre  du  14  f6vrier  1813,  par  laquelle  raonsieur  le  directeur  g^nöral  de  la 
conscription  nous  annonce  que  le  contingent  du  d^partement  de  la  Roer  pour  la  lev6e  de 
1814  est  fix6  A  deux  raille  quatre  cent  un  horames; 

Vu  le  tableau  de  la  population  g6n6rale  du  d6partement;  ensemble  T^tat  nnm^rique, 
divisö  par  canton,  des  conscrits  de  la  classe  de  1818,  admis  k  Texception  comme  attach^ 
au  Service  de  terre  et  de  mer,  et  au  nombre  desquels  on  doit  avoir  6gard,  en  proc6dant 
ä  la  r^partition  du  contingent  de  la  classe  actuellement  appell^e; 

Nous  prüfet  du  döpartement  de  la  Roer,  membro  de  la  l^gion  d'honneur,  baron 
de  Tempire, 

Avons  arr6t6  et  arrfetons  ce  qui  suit: 

Art.  I**'.  La  r6partition  entre  les  quatres  arrondissements  du  d^partement,  des  deux 
mille  quatre  cent  un  conscrits,  que  la  Roer  doit  fonrnir  pour  son  contingent  de  la  lev^e 
de  1814,  est  fix6  couform<^ment  au  tableau  ci-apr6s: 


Arrondissements 

1.    _ 

Aix-la^CbapcUe . 
Cologne  .  .  . 
Cr6veld  .  .  . 
Cl6ves  .... 


Popu- 
lation 
g6n6rale 


Nombre  des  conscrits 
qoi  ont   ^t^  except^s 

lors  de  la  lev^e  de 
1818  comme  attach^s 
au  Service  des  arm^es 

de  terre  ou  de  mer. 

8. 


Population  r^duite 

d*apr^8  les  nombres  de 

conscrits  port^s  dans 

la  8e   colonne  et  qui 

doit  tervir  de  base  & 

la  r^partition  du 

conting^ent. 

4. 


Observations 


6. 


198035 
163558 
158433 
111068 


47 

60 

6 

12 


184499 
146278 
156  705 
107612 


Totaux  .  . 


631094 


125 


595094 


2401 


Un  oonscrit  appel^  pour 
le  contingent  de  la  classe 
de  1818  a  repr^sentö  dans 
la  population  i^n^rale  du 
d^partement  deux  cent 
quatre-Yingt-huit  indivi- 
dus:  o*est  ce  rapport  qui 
a  H6  pris  pour  base  de 
r^tablissements  des  nom- 
bres qui  flgurent  k  la  co- 
lonne n**  4. 


II.  Les  sous-pr6fets  ^tabliront  sans  d^lai  et  feront  publier  par  voie  d^impression  et 
d'ftffiehes  la  r6partition  entre  les  cantons  de  leur  arrondissement  du  contingent  qui  leur 
est  as8ign6  par  Particle  pr6c6dent. 

III.  Le  präsent  sera  imprim^  en  placard  pour  6tre  transmis  a  mm.  les  sous-pr^fets 
et  les  maires,  A  Puffet  d^ötre  public  et  affiche  dans  toutes  les  communes  du  d^partement. 

II  sera  en  outre  ins^rö  au  recueil  des  actes  de  la  prölecture. 
Donn6  en  Phötel  de  la  pr^fecture.  les  jours,  mois  et  an  que  dessus. 

Ladoucette. 

Aix-la-CLapelle,  de  Pimprimerie  de  J.-G.   Beaufort,   imprimeur   de   la  pr6fecture, 
rue  Saint-Pierre,  No.  596. 

Aachen.  }V,  Brüning, 


2.  Eine  alte  Aachener  Geleitstafel. 

Die  mittelalterlichen  Märkte  waren  nicht  nur  Absatzstätten   für  die  Waren  der 
Kauflt'Ute,  sondern  Centralstellen   für  den  gesamten  kaufmännischen  Verkehr.    Auf  ihnen 


—  31  - 

wurden  namentlich  auch  die  Geschäfte  der  Kanfleute  unter  einander  geregelt,  und  die  Aus: 
gestaltung  und  Vervollkommnung  des  Wechsels  und  Wechselrechts  vollzog  sich  gerade  auf 
den  Märkten. 

Lenkt  man  jedoch  seinen  Blick  auf  die  grosse  Unsicherheit  der  Strassen  im  Mittel- 
alter, so  drängt  sich  die  Frage  auf,  wie  war  es  möglich,  dass  die  Kanfleute  ihre  Waren, 
die  sie,  wenn  ihnen  die  Wasserstrassen  nicht  zur  Verfügung  standen,  alle  mittels  Axe 
transportieren  mussten,  sicher  zu  den  Märkten  hinbrachten?  Nicht  alle  Kaufleute  konnten 
bewaffnete  Knechte  zum  Schutz  ihrer  Person  und  ihrer  Waren  mit  nehmen;  viele  waren 
wehr-  und  schutzlos.    Diesen  kam  das  sichere  Geleit  zu  statten. 

Die  Erteilung  des  sicheren  Geleits  stand  ursprünglich  nur  dem  König  zu  und 
bestand  in  nichts  anderem,  als  in  der  Zusicherung  des  Königsschntzes  und  des  damit 
verbundenen  Friedens  für  die  Zeit  der  Hin-  und  Herreise  zum  bezw.  vom  Marktorte  *. 
Das  sichere  Geleit  war  mithin  zunächst  auf  die  Kaufleute  beschränkt  und  wurde  ihnen 
persönlich  erteilt;  später  wurde  es  auf  alle  Besucher  eines  Marktes  ausgedehnt.  Die 
bekannte  Urkunde  von  1166,  in  der  Friedrich  I.  Aachen  zwei  Märkte  verlieh,  bestimmt  aus- 
drücklich: „omnes  quoque  ad  has  nundinas  venientes  vel  inde  redeuntes  ...  in  rebus  et 
personis  firmam  pacem  habeanf*  *. 

Der  Schutz,  den  der  Vergeleitete  erhielt,  wurde  anfangs  nur  durch  die  Erteilung 
eines  Geleitsbriefes  ausgedrückt.  Als  Wahrzeichen  führte  der  Geleitete  eine  Fahne  oder  ein 
Kreuz  oder  einen  grünen  Zweig,  wie  in  der  frtlheren  Zeit  einen  geweihten  Stab'.  Die 
Unsicherheit  der  Strassen  führte  aber  dazu,  dass  bewaffnete  Geleite  eingeführt  wurden,  für  die 
man  gewisse  Gebühren  entrichtete.  Wer  Geleitsgeld  entrichtete,  dem  war  der  Geleitsherr 
verantwortlich  für  einen  entstandenen  Schaden.  So  drückt  es  schon  der  Sachsenspiegel 
aus  II,  27  §  2.:  „Sveme  aver  he  geleidc  gift,  die  sal  in  scaden  bewaren  bynnen  sime  geleide, 
oder  he  sal  ne  yme  gelden.**  Der  Missbrauch,  der  durch  Erpressung  von  Geleitsgelderu 
getrieben  wurde,  führte  die  erstarkten  Städte  dazu,  das  Geleitsrecht  an  sich  zu  ziehen; 
sie  erteilen  Geleit  und  erheben  Geleitsgebühr  im  späteren  Mittelalter*.  Die  Städte  stellen 
jetzt  auch  die  Grundsätze  auf,  nach  denen  Geleit  erteilt  werden  soll.  Ausgeschlossen  vom 
Geleit  blieben  grundsätzlich  alle  Verbrecher. 

Wann  Aachen  das  Geleitsrecht  erworben  hat,  steht  nicht  fest.  Das  Geleit  betrefl'ende 
Briefe  des  14.  Jahrhunderts  im  hiesigen  Stadtarchiv  beweisen,  dass  es  in  dieser  Zeit  bereits 
gehandhabt  wurde.  Die  Grundsätze,  nach  denen  es  gehandhabt  wurde,  stellt  die  uns 
erhaltene  Geleitstafel  vom  1.  Juli  1400  auf,  die  in  Abschrift  aus  dem  Jahre  1658  erhalten  ist. 

hie  nulla  fit  distinctio 

inter  peregrinos  et  Gelaits-taf fei, 

subditos '.  ' 

Welcher  maissen  die  bürgermeistcre  zer  zeit  jedermenniglichen  geleyde  geven  sullen, 
anno  1400,  des  ersten  dags  Julij  eyn  ersamer  raith  verdragcn. 

Item  sali  man  nyemantz  gleidc  geven,  so  die  straissen  geschint,  den  kouff- 
man  off  pylgerom  gefangen  off  geschedigt  betten  sunder  des  herren  off  dejhenigs 
wülen,  des  vyant  der  oder  die  weren. 

Item  so  die  stadt  off  dat  reich  van  Aioh  gebraut,  bereufft,  die  bürger  off 
underdaenen  gefangen  off  geschediget,  und  noch  nicht  gesoent  weren,  off  die  der 
Stadt  und  rych  van  Aich  verwyst,  saill  gein  geleide  geven  werden.  Glichfals  die 
den  bürgeren  off  unterthanen  van  Aich  schuldig,  dairaff  scheffen  oder  gebeden 


>)  Maurer,  Geschieht«  der  Städteverfassang  in  Deutgchland,  Erlangen  1869,  T.  Bd.  S.  884. 

■)  Qnix,  cod.  dipl.  I,  87;  Maurer  a.  a.  O.  S.  337,  338. 

s)  Schröder,  Deutsche  Reohtsgeschiohte  2.  Aufl.  Leipzig  1894,  S.  577,  a.  29. 

«)  Maurer  a.  a.  O.  S.  346  ff. 

*)  Die  Bandnotiz  entspringt  dem  Zweck,  zu  dem  diese  Absclirift  angefertigt  wurde.  In  den 
Streitigkeiten  zwischen  Aachen  und  Jülich  im  17.  und  18.  Jahrhundert  wurde  ein  Unterschied  in  der 
Erteilung  des  Geleits  an  Fremde  und  Bürger  gemacht.  Vgl.  Hauptvertrag  zwischen  Jülich  und  Aachen 
von  1660  Ai-tikel  1,  bei  von  Fürth,  Aach.  Patr.- Familien  Bd,  I,  S.  216. 


—  32  — 

ilings  bricvc  off  sunst  gnugsam  bowys  vurgestalt  wurden,  sali  geloid«*  (it  en  werc  dan  mit 
willen  des  clegers)  geweigert  werden,  beheltlich  alzyt  der  lande  und  stede  van  Aich 
gewohnheiten,  so  von  alther  gehalden. 

Item  so  yemantz  gemort,  gestolen,  off  buyssen  vietschafft  geroufft 
oder  geschediget  hett,  dem  sali  seheffen  urtheil  und  der  stede  recht  van  Aich  wider- 
faren,  glichfals  den  fridbrechern,  nachtsberuern ',  vcrredern,  und  frauwen 
krechtern  etc. 

Item  off  yemants  sonder  geleyts  gesynnen  zu  Aich  queme  und  beclagt  off  zuge- 
sprochen wurde,  dem  oder  denen  sali  seheffen  urtheil  und  der  stede  recht  van  Aichen 
widerfaren. 

Dass  gegenwertige  copey  mit  deme  in  sachen  der  statt  Aachen  wider  herm 
herzogen  zu  Gülch  etc.  turbatae  possessionis  anno  1559  den  24.  maij  und  1562  den 
6.  maij  am  kais.  camraergericht  zu  Speyr  re-  und  producirten  rotulo  coUatiuniret, 
und  wie  solche  in  desselbigen  prima  parte  lit.  A  folio  904  befindlich,  gleichlautend 
übereinstimme,  bezeuge  mit   dieser  underschrift.    Actum  Speyr  den   25.  octobris 

anno  1658. 

Johann  Adam  Niderer  not. 

imp.  cameree  lector. 
Auf  der  Rückseite  vorstehender  Abschrift  befindet  sich  die  Notiz: 

Gelaits-taffel 
welche  vor  etzlicho  hundert  jähren  bis  auf  dem  jüngsten  brand  zu  auf  der  herren  bürger- 

me ister  lewen  gehangen  hat. 

Eine  nähere  Entwickelung  des  Gelcitsrechts  in  Aachen  zu  geben,  insbesondere  auch 
auf  die  weitere  Gestaltung  desselben  in  den  langwierigen  Streitigkeiten  mit  Jülich  ein- 
zugehen, muss  einer  späteren  Darstellung  vorbehalten  bleiben. 


')  beruem  wohl  gleich  bemeni  =  Brennern. 

Aachen,  F.  Schollen. 

Verlag  der  Creraer'schen  Buchhandlung  (C.  Cazin)  in  Aachen. 


BeitPäpe  iiod  Material  m  Gescliiclite  der  üactieoer  Patriziep-Familieo. 

Von 

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Erster  Band.  XXIV,  561;  Anh.  XVI,  81  und  42  S.  gr.  S^  mit  6  Tafeln.  Preis  17  JH 
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Dritter  Band.    XVI  und  645  S.  gr.  8«  mit  1  Steintafel,    Preis  14  Jt 

Der  erste  und  dritte  Band  wurde  nach  dem  Tode  des  Verfassers  im  Auftrag  der 

Stadt  Aachen  von  Geh.  Justizrath  Professor  Dr.  H.  Loersch  in  Bonn  herausgegeben. 

Die  Jakobskifclie  zu  Aachen. 

Geschichtliche  Nachrichten  mit  Urkunden 

von  Dr.  0.  DRESEMANN. 

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i  Hark.  in  Aachen. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Im  Auftrage  des  Vereina  herausgegeben  von  H.  SchDOOk. 


Zehnter  Jahrgang. 


Inhalt:  H.  Schnock,  Aufzeichnungen  eines  Haare uer  Kirche ubncbes  aus  den  Kricgsjahre 
1792—1795.  —  Kleinere  Mitteilung:  Der  Aachener  Siadtbrand  im  Jahre  1656. 


Aufzeichnungen  eines  Haarener  Eirchenhuches  aus  den 
Kriegsjahren  1792-1795. 

,  Von  H.  Schnock. 

Alte  Kirchenbücher  haben  schon  häutiger  neben  dem  ihnen  eig:entüni- 
liehen,  urkundlich-genealogisclien  Inhalt,  inelir  nebenbei  und  zufAllig,  wichtige 
und  interessante  Mitteilungen  besonders  ortsgeschichtlicber  Natur  der  Nach- 
welt autbewahrt.  Irgend  ein  fleissiger  and  kundiger  Pfarrherr  Jiat  die- 
selben dem  Buche,  das  ihm  in  Ertilllung  seiner  Amtspflichten  fast  Tag 
für  Tag  unter  die  Augen  kam,  in  seinen  Mussestunden  anvertraut.  Solcher 
Bücher  besitzt  auch  unsere  Nachbargemeinde  Haaren  zwei,  deren  Einsicht 
und  Benutzung  Herr  Bürgermeister  Philippy  in  der  bereitwilligsten  Weise 
gestattet  hat,  wofür  ihm  auch  an  dieser  Stelle  der  gebührende  Dank  aus- 
gesprochen sei.  Das  älteste  Kirchenbuch  beginnt  seine  Aufzeichnungen 
über  Taufen.  Heiraten  und  Todesfälle  mit  dem  Jahre  1649  und  setzt  sie 
fort  bis  zum  Jahre  1722;  hier  nimmt  das  zweite  sie  auf  uod  führt  sie 
weiter  bis  zum  Jahre  1798.  Gleich  auf  der  Rückseit«  des  Titelblattes 
des  frühestender  Kirchenbücher  finden  sich  einige  Notizen  über  die  Errichtung 
der  Pfarre  Haaren  im  Jahre  162;(  —  Haaren  gehörte  vordem  in  kirchlicher 
Beziehung  zu  dem  benachbarten  Würselen  —  und  über  die  6  ersten  Pfarrer, 
welche  dort  amtiert  haben ;  diese  Nachrichten  dürften  von  besonderer  Wichtig- 
keit sein  für  einen  demnächsligen  Bearbeiter  der  Geschichte  des  Dekanates 


—  34  — 

Burtscheid^  Von  einigem  Interesse  sind  auch  einzelne  gelegentlich  ein- 
gestreute Aufzeichnungen  über  Schenkungen  bezw.  Anschaffung  von  metallenen 
kirchlichen  Gefässen,  deren  Gewicht  und  Preis  beigefügt  ist.  Ferner 
enthält  das  Buch  drei  kurze  Berichte,  je  einen  unter  den  drei  Kolonnen 
der  Taufen,  Heiraten  und  TodesföUe  des  Jahres  1656  über  den  grossen 
Stadtbrand  ^  in  Aachen,  die,  wenn  sie  auch  nichts  wesentlich  Neues  enthalten, 
dennoch  des  Interesses  nicht  entbehren,  weil  sie  herrühren  von  dem  Pfarrer 
Heinrich  Brewer  aus  Haaren,  der,  ein  gebildeter  Mann,  mit  eigenen  Augen 
diese  verheerende  Feuersbrunst  angesehen  hatte.  Demselben  Pfarrer  ver- 
danken wir  auch  ein  nach  Strassen  geordnetes  Verzeichnis  sämtlicher  Häuser, 
Familien  und  Einwohner  Haarens  und  des  dazu  gehörigen  Ortes  Verlautenheide 
aus  dem  Jahre  1669.  Ursache  und  Veranlassung  zur  Herstellung  des 
Verzeichnisses  giebt  er  selbst  in  folgenden  Worten  an:  „Anno  Christi  1669 
die  15  Aprilis  auff  montag  vor  osteren  habe  ich  Henricus  Brewer  Pastor 
S.  Germani  in  Haaren  die  Häuser,  familias  und  sämtliche  einwohner  meiner 
parochien  von  hauss  zu  hauss  visitirt,  notirt  und  admonirt  zu  österlicher 
Communion  in  unserer  pfarrkirchen".  Nach  dieser  Aufschreibung  hatte 
Haaren  damals  106  und  Verlautenheide  40  Häuser,  Da  die  Häuser  fast 
durchgehends  nur  von  einer  Familie  bewohnt  wurden,  so  ergiebt  sich  bei 
der  Annahme  von  6 — 7  Personen  in  jeder  Familie,  dass  Haaren  im  Jahre 
1669  ungefähr  700  Einwohner  hatte,  womit  auch  eine  anderwärts  ver- 
bürgte Nachricht  übereinstimmt  ^  Die  letzten  Aufzeichnungen  des  ältesten 
Kirchenbuches  datieren  vom  1.  Februar  des  Jahres  1722.  Eine  ganze 
Reihe  in  dem  Buche  noch  vorhandener  leerer  Blätter  hat  ein  späterer 
Pfarrer  benutzt  um  darauf  „einige  merkwürdige  Begebenheiten  im  fran- 
zösischen Revolutionskrieg  in  annis  1792 — 93 — 94"  oder  wie  er  sich  an* 
einer  anderen  Stelle  ausdrückt  „Irruptiones  et  eflfraenationes  Gallorum  in 
nostris  partibus,  eorumque  probrosa  ad  lares  gallicanos  eipulsio**.  Ausser 
einer  mehr  der  Weltgeschichte  angehörenden,,  mitunter  recht  drastischen 
Schilderung  der  Verurteilung  und  Hinrichtung  des  unglücklichen  fran- 
zösischen Königspaares  und  der  weiteren  Schicksale  des  Dauphins  von  Frank- 
reich enthalten  die  „merkwürdigen  Begebenheiten"  interessante  Einzel- 
heiten über  alles  das,  was  der  Verfasser  und  seine  Pfarrgemeinde  Haaren 
in  jenen  Jahren  durch  Einquartierung,  Plünderung  und  sonstige  Kriegs- 
drangsale gelitten  haben  und  bilden  so,  wenn  auch  nur  bezüglich  eines  ver- 
hältnismässig kleinen  Distriktes,  eine  bescheidene  Ergänzung  dessen,  was 
über  denselben  Gegenstand  für  die  Reichsstadt  Aachen  Milz  in  den  Pro- 
grammen des  Königlichen  Gymnasiums  in  Aachen  für  die  Jahre  1870/71 
und  1871/72  und  Pauls  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins, 
Band  X  veröffentlicht  haben.    Der  Verfasser  hat  es  nicht  für  der  Mühe  wert 


*)  Die  vervoUständigte  Reihenfolge  der  Haarener  Pfarrer  wird  in  einer  der  n&chsten 
Nummern  folgen. 

*)  Die  drei  Berichte  siehe  unter  „Kleinere  Mitteilungen'*  S.  00. 

*)  Siehe:  Gross,  Das  Aachener  Reich.    Aus  Aachens  Vorzeit,  Jahrg.  VII,  S.  28. 


—  35  — 

erachtet,  seinen  Namen  der  Nachwelt  zu  tiberlieiTern.  Auch  ist  derselbe 
nicht  aus  dem  Totenregister  der  Pfarre  zu  ersehen.  Vorderhand  steht 
nur  so  viel  fest,  dass  er  vom  Jahre  1772 — 1797  Pfarrer  in  Haaren  ge- 
wesen ist.  Dies  ergiebt  sich  aus  einem  Vergleich  der  Handschrift  dieser 
Aufzeichnungen  mit  der  seiner  Eintragungen  in  die  Tauf-,  Heirats-  und 
Sterberegister  der  Pfarre.  Wir  geben  dieselben  nunmehr  in  der  originellen, 
nicht  selten  von  glühendem  Patriotismus  und  starker  Entrüstung  über  das 
Gebahren  der  „Franzmänner"  zeugenden  Sprach-  und  Schreibweise  wieder: 

1792  im  November 

wurden  in  Mens  *  die  wenige  Kaiserliche  Truppen  unter  dem  General  Clairfait 
von  der  Volksmenge  deren  sich  nennenden  französichen  Patrioten  überfallen, 
und  mussten  nach  tapfere  Gegenwehr  aus  dieser  Stadt  und  aus  ganz  Braband 
Retairiren. 

Am  25^"  9**'  kamen  in  Aachen,  hier  und  in  diesen  gegend  an  die 
üsterichische  Husaren,  und  so  nach  und  nach  reuter  und  füsser. 

Am  4*®°  December  wurde  wegen  Vielheit  der  Manschaft  bei  mir 
einquartiret  ein  Oberliutenant  mit  einem  Knecht  vom  Jäger  Corp:  blieb 
bis  den  6**"  dito. 

Den  6^**"  käme  auf  dessen  platz  der  obrist  von  la  Tour  mit  seinem 
Adjudant  und  Knecht,  blieb  nur  bis  den  7**";  eodem  käme  auf  dessen  stelle 
ein  ober-prevot  mit  einem  Knecht,  blieben  bis  den  13'*";  am  9**"" 

käme  zu  diesen  ein  Hauptman  mit  seinem  Knecht,  blieben  auch  bis 
zum  13'*'°  X»'«'. 

Keiner  hat  mir  etwas  bezahlt,  und  so  eben  haben  alle  andere  von 
denen  oflBciren  und  Soldaten  nichts  oder  wenig  bekommen  für  speis  und 
trank  der  menschen  und  fourage  deren  pferden,  denn  die  flüchtlinge  waren 
an  allerti  leer,  abgemattet,  hüngrich  und  elendig,  nahmen  für  sich  und  ihre 
pferde,  was  sie  nur  bekommen  konten. 

NB.  itz  gemelter  obrist  von  la  Tour,  nah  mens  von  Pfortzheim,  ein 
generöser  soldat  ist  bei  Hoengen,  da  er  zuerst  die  battereien  be- 
i-^Merz«  stiegen,  von  einem  Rotzbub  erschossen  und  zu  Aldenhoven  be- 
graben worden  zum  grössten  lerdwesen  seiner  heldenmühtigen 
Soldaten,     sane  et  mihi  mors  ejus  dolori  est. 

Den  13**"  december,  da  die  franzmänner  näher  kamen,  reterirten  die 
Kaiserlichen  alle  bis  über  die  Ruhr  und  machten  jenseits  dieses  flusses  Halt. 

*)  In  der  Schlacht  bei  dem  Dorfe  Jemappes  in  der  Nähe  der  Stadt  Mons  am 
6.  November  1792  wurden  die  Oesterreicher  von  der  Revolutionsarmee  geschlagen  und 
mussten  infolge  dessen  die  österreichischen  Niederlande  an  Frankreich  abtreten. 

*)  Die  hier  berührte  Begebenheit  hat  sich  im  Anschluss  an  das  am  1.  März  1793 
stattgefundene  Gefecht  bei  Aldenhoven  zugetragen.  Siehe  Annalen  Heft  XVI,  p.  129, 
Amn.  2  wo  es  heisst:  Bei  der  Verfolgung  der  Franzosen  auf  Höngen  zu  fiel  unfern 
Schieiden  (Dörfchen  zwischen  Aldenhoven  und  Höngen)  der  Oberst  von  den  Latour- 
Dragonern,  der  Graf  von  Pforzenheira.  Ein  Carmagnole  erschoss  ihn  aus  seinem  V^ersteck 
hinter  einem  Baume.  Ein  Lieutenant  Rudolph  ward  schwer  verwundet  und  starb  bald 
nachher.     Beide  wurden  zu  Aldenhoven  begraben. 


—  36  — 

Den  15*®"  X^^*"  mitten  in  der  nacht  kamen  zum  allgemeinen  schrecken 
haufenweiss  die  franzmänner,  sub  specie  Amicitiae,  qui  erant  in  cute  lupi 
rapaces. 

Bei  mir  wurden  einquartirt  6  zerlumpte  Jäger,  wie  sie  sich  nannten, 
homines  nequissimi.  sodan  ein  Obrist  mit  einem  Knecht  item  ein  Ritmeister 
mit  einem  Knecht,  und  noch  3  OflScier  mit  zwei  jungen,  sive  spitzbub. 
Diese  blieben  zweij  Tage,  bey  den  ersten  und  letzteren  herrschte  die  fran- 
zösische libert^  et  egalitö  im  höchsten  grad.  alles  im  Haus  ging  über  und 
drüber,  was  sie  wolten  haben,  muste  gar  zur  Verschwendung  in  überfluss 
gegeben  werden;  sie  waren  Herr  und  meister  im  Hause:  Tohr  und  Thür 
musten  angelweit  oifen  stehen.  Viele  hier  nicht  einquartirte  kamen  sturm- 
weiss  hineingefallen,  frassen,  soffen,  spotteten  meiner,  zückten  auf  mich  die 
Palässe,  wolten  geschaft  haben,  was  ich  nicht  hatte,  sie  brachten  es  dahin, 
dass  ich  kein  bier,  kein  wein  und  kein  brod  im  Hause  hatte.  Was  bei 
diesem  greulich  Verfahren  bei  mir  und  den  meinigen  für  forcht,  angst, 
Hunger  und  Kummer  gewesen,  mach  Einjeder,  der  in  seiner  seele  ein 
teutsches  gefühle  hat,  erachten,  nebst  dies  was  diese  ungeheure  raubeten, 
zog  diese  lasterhorde  ohne  einige  Bezahlung  ins  gülicher  Land. 

Nach  diesen  kamen  zu  mir  3  serganten  mit  mehreren,  blieben  eine 
nacht,  und  zwei  Tage;  sie  waren  auch  nicht  gut,  doch  nicht  so  böss,  wie 
die  Vorige,  gleichwohlen  muste  ihnen  ohnentgeldlich  alles  geschaffet  werden, 
was  sie  verlangten. 

Vor  dem  H.  Christfest  bliebe  ich  ein  paar  tage  von  einquartirung 
frei,  indessen  entrüstete  mich  das  tag  und  nacht  an  der  thür  anhaltende 
Klopfen,  Tumultuiren,  pulsteren,  bedrohen,  schelt  etc.  nach  und  nach  der- 
massen,  dass  in  Festo  S.  Stephani  mir  eine  schwere  Krankheit  gählings 
über  den  halss  käme.  Ich  bliebe  sodan  ohne  einquartirung  deren  Soldaten, 
aber  Doctor,  Chyrurgus,  apotecker,  pastoral  und  Kirchen-Diensten  waren 
mir  nicht  weniger  kostspielig. 

1793. 

Am  20**"  Januarius  läse  ich  zuerst  die  H.  mess,  so  kamen  alsobald  zu 
mir  zweij  oflScire  d'artillerie,  und  nebst  dies  wurde  die  mauer  oben  der 
Thür  aufm  Kirchhof  überstiegen,  kamen  darzu  mit  aller  gewalt  3  serganten, 
blieben  bis  den  24***°  Januar.  Vom  28*®"  Januar  bis  den  6*®"  Februar  wäre 
bei  mir  im  Hause  ein  honneter  Canonier  officier. 
*         Niemand  von  allen  hat  mir,  wie  anderen,  einen  Heller  bezahlet. 

Ich  übergehe  die  oftermalige  zwischenzeitige  mir  dan  und  wan  zu- 
gestossene  lästige,  schädliche,  schröckbahre  anfalle  und  zufalle,  auch  ist 
es  zu  weitschichtig  anzuführen,  wie  und  welcher  gestalt  diese  freigeister 
die  leute,  besonders  in  denen  abgelegen  häuseren  tribuliret,  geplündert, 
misshandelet,  an  freitag  und  samstag  zum  fleisch  mitessen  gezwungen  haben : 
wie  sie  Gott,  die  allerseeligste  Jungfrau  Maria  und  liebe  Heiligen  gelästeret, 
die  Geistlichkeit  geschändet,  die  kirchen-diensten  und  alle  Christliche  an- 
dachtsübungen  beschimpfet,  und  gestöret  haben.  Sie  waren  fast  alle  menschen, 


—  37  — 

ich  sage,  Unmenschen  sine  Fide,  sine  Religione,  sine  Lege  et  disciplina, 
sine  Luce,  et  Cruce.  Durchgehens  wäre  die  lasterrede  dieser  schand- 
Buben;  Non  est  Dens:  Si  non  est  Dens,  exsibilabant  hi  Tenebriones,  Im- 
peratorem,  Reges,  et  Principes  auxiliatrices  per  Universum  subjugabiraus, 
non  erit  Papa,  neque  Ecclesia.   si  vero  Dens  est,  non  triumphabimus. 

Prima  fronte  vociferabantur  hi  Thrasones  unanimiter: 

Nous  marchir  ä  cologne,  nous  jagt  die  keiserlick  Tyran  üf  dat  Rhin. 

Mais  halt  la!  an  der  Ruhr,  welchen  kleinen  fluss  die  Kaiserliche  allent- 
halben besezt  hielten,  hiesse  es  zu  jedermans  erstaunen.  Non  plus  ultra  patriota! 

Hern  ohe!  arrigite  aures,  Buccinate  gaudium,  et  gratias,  Accolae  caris- 
simi!  vere  est  Dens  verus,  atque  Mirabilis,  qui  liberavit  nos  ab  insectis 
gallicanis. 

Ad  intercessionera  B*"**  Virginis  Matris  Mariae  Dens  misericors  exaudi- 
vit  intensissiraas  preces  populi,  longe  lateque  incessanter  clamantis  et  de- 
precantis. 

en  Blespheme!   ecce  Athee!   vere  est  Dens  verus,   deus  noster 
in  Coelo  et  in  Terra. 

Kaum  wäre  Prinz  Sachsen  Koburg,  Kaiserlicher  Generalissimus,  der 
Held,  so  ewigen  Ruhm  verdient,  bei  der  Ruhr  ankommen,  so  beorderete  er 
seine  Truppen,  über  den  fluss  zu  setzen.  Glück  zu!  Vom  letzten  April  in 
der  Nacht  zum  ersten  merz  (?)  passirten  diese  muthvoU  die  Ruhr,  fielen 
beherzt  über  die  franzosen  her  in  der  gegend  Jülich,  Düren,  und  der  orten, 
Tödteten  viele,  in  specie  bei  Coslar,  und  so  an  mehreren  stellen  im  bezirk 
bis  Hoengen,  alda  zogen  sich  die  flüchtige  franzmänner  zusammen  in  ihrer 
Verschanzung,  die  Kaiserliche  stürmten  wie  die  löwen  auf  sie  loss,  be- 
stiegen die  battereien,  hieben  viele  nieder,  und  brachten  sie  zur  flucht. 

Gegen  halb  fünf  ühr  sähe  ich  diese  flüchtlinge  theils  zu  fuss  theils 
zu  pferde  in  gröster  Unordnung,  einige  ohne  schuhe  oder  strumpfe,  andere 
ohne  rock,  oder  kamisol,  einige  ohne  Hudt,  Viele  mit  bluetigen  köpfen, 
oder  sonsten  verwundet,  beij  der  pastorath  vorbeilaufen  in  solchen  mengen 
und  so  zusammen  gedrungen,  dass  die  stras  selbige  schier  nicht  fassen 
konte,  sie  liefen  alle  erblasst  und  sprachloss  auf  Aachen  zu.  Dieses  währte 
also  ununterbrochen  bis  halb  neun  uhr  in  der  nacht,  keinem  im  dorf  wurde 
von  ihnen  etwas  genommen,  noch  einiges  leijd  zugefügt,  aus  forcht  und 
angst,  sonderlich  wenn  die  reuhter  zwischen  denen  füsseren  einjagten, 
burtzelten  öfters  in  gedränge  diese  über  jene  her;  einjeder  trachtete  andern 
vorzukommen. 

Fröhlig  und  lächerlich  wäre  dieses  anzusehen.  Die  nun  in  der  spätem 
nacht  dem  Verlofifen  schwärm  nachkamen,  davon  drängten  sich  incirca 
400  dahier  in  die  Häuser  ein,  abgemattet,  hüngrich,  dürstig,  zitternd,  und 
bebende  begehrten  sie  demütig  labung,  und  nachts-quartier;  augenblicklich 
waren  sie  mit  sack  und  pack  zum  laufen  fertig,  so  ginge  die  nacht  vorbei, 
es  wäre  aber  was  seltsames,  dass  in  dieser  nacht  die  pastorath  von  allem 
anfall  frei  belassen  wurde. 


—  38  — 

Änderten  morgens,  2^®"  Merz  gegen  4  Uhr  kamen  nur  wenige  Kaiser- 
liche scharf-schützen  bis  an  den  Knings-berg,  alda  stelleten  sich  einige 
franzosen  zum  gegenwehr,  machten  mit  trommelen  lärmen;  es  wurde  beider- 
seits gegeneinander  gefeuret,  bald  machten  die  franzmänner  den  garaus 
und  lieffen  alle  auf  Aachen  zu.  am  gasthaus  wurde  Einer  erschossen,  und 
von  denen  nachbahren  in  ein  garten  begraben,  annoch  wurde  einer  beijm 
stein  weg  gegen  den  hundskirchhoff^  erschossen:  kurzum:  die  wenige  Scharf- 
schützen jagten  alle  bis  in  Aachen.   Haaren  wäre  von  franzosen  ganz  leer. 

Hier  wäre  freud  undjubel;  ich  und  ei n jeder  Track tirte  die  ermüdete 
scharfschtizen  nach  Vermögen  auf  das  beste. 

Diese  freud  und  jubel  wurde  nun  desto  grösser,  als  wir  höreten,  dass 
ebenen  morgens  um  acht  uhr  von  denen  hierdurch  geloflfenen  franzosen  kein 
mann  mehr  in  der  statt  wäre;  alle  wären  durch  Junckers  thor  über  den 
aachener  Busch  fort  und  so  ferner  sporenstreich  geloffen.  Diese  Botschaft 
verursachte  eine  vollkommene  freude.    allein 

diese  freude  daurte  nicht  lange,  sondern  veränderte  sich  an  selbigen 
morgen  in  äusserste  gefahr,  angst  und  schröcken.  Zwischen  9  und  10  uhr 
wäre  ein  Trup  franzosen  (man  weiss  die  Zahl  deren  nicht  zu  bestimmen, 
etliche  Tausend  waren  ihrer,  so  aus  der  gegend  Geilenkirshen  flüchteten) 
vor  Pont-thor,  die  verschlossene  pfort  wurde  durch  kanonen  und  sonstige 
gewalt  eröffenet:  die  Horde  trunge  muthvoll  zur  statt  hinein,  in  meinung, 
die  übrigen  fortgeloffene  noch  anzutreffen,  und  so  .Vereiniget  die  statt  für 
sich  zu  behaupten.  Sie  pflanzten  ihre  stücke  auf  die  wälle,  fürnehmlich 
an  Kölner-thor,  um  die  ankommende  Kaiserliche  abzuhalten,  gegen  neun  uhr 
ritten  alhier  15  oder  18  ulanen  vorbei,  als  diese  hörten,  dass  die  franzosen 
in  der  statt  wären,  marschierten  diese  wenige  mit  den  wenigen  scharf- 
schütz unerschrocken  zur  statt,  ihnen  wurde  von  den  bürgeren  S.  Adalberts- 
Tohr  eröffnet,  sie  marschierten  hinein;  da  sie  aber  die  Strassen  Von  den 
vielen  franzosen  besetzet  fanden,  tahten  sie  einige  Schüsse,  und  macht-en 
sich  zum  Tohr  hinaus.  Die  franzmänner  kanonirten  mit  stück  und  muss- 
queten,  sie  stolzirten,  als  wären  und  blieben  sie  von  aach  und  dem  Reiche 
Herr  und  meister.  Wie  bei  dieser  unverrauhten  Katastrophe  uns  und  allen 
in  und  ausser  der  statt  ums  Herz  gewesen,  ist  leicht  zu  denken,  unsere 
wünsche  und  Hofnung  wäre,  dass  die  Kaiserliche  kämen,  und  uns  von 
dem  Ungeziefer  befreieten. 

Endlich  gegen  halb  ein  uhr  käme  die  Kaiserl.  arme  zu  fuss  und  zu 
pferde.  es  wäre  eine  lust  die  unerschrockene,  wohlgeordnete,  schönste  Völker 
zu  sehen,  sie  marschierten  durch  gute  anweisung  durch  den  Pass,  stellten 
sich  auf  den  wingardsberg.  Da  wäre  aber  die  Stellung  nicht  vortheilhaftig. 
gute  weg-erfahrene  weiser  führten  sie  hinterwerts  auf  den  Laues-berg: 
alda  ranchirten  sie  sich  und  stürmten  den  berg  hinab  zu  Pont-thor  hinein, 
fielen  auf  low  art,  die  franzosen  an,  diese  widersetzten  sich,   die  Canonen 


^)  So  wurde  ein  vor  Kölnthor  an  der  Wurm  gelegenes  Landgut  genannt. 


—  39  — 

brauseten,  die  Musketten  donnerten  gegeneinander,  als  wäre  der  jüngste 
tag  und  unser  allen  Untergang  vorhanden.  Die  franzosen,  zu  par  getrieben, 
postirten  sich  auf  den  grossen  mark,  löseten  ihre  kanonen  alda,  wie  vorhin 
ahn  Kölner-tohr,  umsonst  pur  in  den  wind  und  reterirten  sonach  bis  an 
Jacobs-mittel-pfort;  hie  fasten  sie  wieder  Posto,  wurden  aber  auch  von 
dannen  vertrieben  mit  hinterlassung  zweien  Kanonen,  welche  denen  Aachener 
wegen  ihrer  treugeleisten  beihülf  zum  andenken  geschenket  werden.  Beij 
dieser  action  wurden  getödtet  51  franzosen  nnd  eine  französische  Dame, 
und  nur  4  Kaiserliche,  die  Viere  wurden  auf  dem  mtinster-kirchhof  be- 
graben, nicht  aber  die  franzosen.  diese  unchristen. 

An  Jacobsmittelpfort  entschiedete  sich  die  streit-scene;  die  franzosen 
tanzten  den  Kehr-aus,  die  Ftisser  Helfen  über  hals  und  köpf,  die  Reuther 
gallopirteu  über  Holz  und  stein  zur  Junkers  pfort  hinaus  bis  in  den  aacher 
busch,  alda  machten  sie  front,  kaum  aber  kamen  ihnen  die  Kaiserlichen  nach, 
erschossen  auch  alda  noch  einige,  alsdan  reterirten  die  franzosen  in  die 
weite  fort  und  die  Kaiserliche  kamen  in  triumph  zurück. 

Nunc  erat  in  pleno  Gloria  in  excelsis. 

Bürger-Marchal-de-Camp  Dampierre  (vulpes  sub  pelle  ovina,  et  pseudo 
Commendant  ä  aix)  wäre  schon  morgens  denen  ersten  flüchtlingen  nachge- 
flüchtet und  so  die  barbarische  konvents-Komraissarien  Camus,  Delacroix, 
Gossuin,  danton,  Feres,  enarchant,  Michel  etc.,  deren  einige  die  schon  vor- 
hin inventarisirte  Kirchen  und  Klöster-effecten  zweij  Tage  vor  der  flucht 
de  novo  inventarisiret,  und  eingepackt  zum  wegfahren  bereit  gesetzt  hatten, 
sed  nihil  horum:  die  laster-horde  wurde  eilfertig  und  so  stark  zum  flüchten 
genöhtiget,  dass  sie  in  der  statt,  wie  draussen  im  reich  gegen  ihr  Vor- 
haben ans  rauben  und  plündern  nicht  gedachten. 

SanCtVs  DeVs  fortls  erIpVIt  nos  De  LaqVels 
VenantIbVs  &  a  LlngVIs  DoLosIs. 

Ima  et  Ilda  Martii. 

Am  2'®"  und  3**"  Merz  marchierte  die  Kaiserliche  Generalität:  Prinz 
Coburg,  Karl,  dermaliger  Gouverneur  in  Braband  etc.  Clarfait,  Würten- 
berg  etc.  über  Aldenhoven,  Closterode  und  so  ferner  auf  Mastrich  zu, 
dahin  die  derseitige  armee  im  Marsch  wäre,  alda  ankommende,  war  kein 
franzoss  mehr  vor  Mastrich  anzutreffen,  nach  10  ad  11  Tägigen  belägerung 
und  bombardirung  der  statt  hatte  die  pansche  forcht  deren  anrückenden 
Kaiserlichen  sie  schon  zum  Voraus  in  flucht  getrieben:  Die  Kaiserliche 
folgten  ihnen,  die  franzosen  rückten  über  Tongern,  postirten  sich  furtheil- 
haftig  bei  Tongerlau  am  eisenberg;  Hier  kam  es  zur  blutigsten  schlacht, 
dabei  die  Kaisei-liche  den  herrlichsten  Siege  erfochteten. 

Es  wurden  andere  seits,  nach  einer  harten  gegenwähr,  diefranz- 
männer  aus  Lüttig  getrieben;  sie  räumten  sohin  das  Lütticher  land,  Hol- 
land, und  die  Niederlande,  flohen  bis  auf  ihren  französischen  boden.  Durch 
Gottes  beihülf  wäre  in  Zeit  vom  ersten-  bis  den  zehnd  Merz  das  antheil 


—  40  — 

des  gülicher  Lands,  unser  aacher  Reich,  das  lüttiger  Land,  Holland  und 
Brabant  von  denen,  Heil  und  Glück,  freiheit  und  gleichheit  ausposaunen- 
den, Erzfeinden  befreiet. 

DeVs  ter-BonVs, 
eXorante  B.  Maria, 
ConserVes  Lares  nostros  ab  his  Infensis  athels  et  exosis  InseCtIs. 

1794. 

Nachdem  der  Kayser  (welcher  in  selbst  eigen  hohen  Person  die 
alliirte  ruhmlich  kommandiret  hatte)  die  arme  verlassen,  haben  die  fran- 
zosen  die  festungen  Maintz,  Cond6,  Valenciennes,  Quesnoy  wieder  erobert 
und  nach  Einnahme  der  Rhein-festung  Fortlouis  sind  die  alliirte  per  halsum 
et  Collum  bis  über  die  Maas  reteriret,  haben  sich  alda  verschanzet  und 
Posto  gehalten:  Endlich  setzten  die  franzmänner  mit  Übermacht  zwischen 
Lüttig  über  die  Maas,  und  die  Kaiserlichen  rückten  näher  und  näher  auf 
unsere  gegend  zu.  Sodann  nahm  Prinz  Coburg  in  ein  rührenden  beij  seiner 
Armee  kundgemachten  schreiben  von  seinen  Waffenbrüdern  abscheid,  und 
am  28'®°  August  tibernahm  Graf  Clarfait  den  Oberbefehl  der  Kaiserlichen 
Hauptarmee  im  Hauptquartier  zu  Fouron  le  Comte  und  general  Beaulieu 
wurde  als  Generalquartiermeister  beij  der  Armee  bekannt  gemacht.  Am 
jten  Yber  passirte  durch  Aachen  und  Haaren  mit  dem  Erzherzogen  Carl 
Prinz  Coburg  auf  Wien. 

Demnach  kamen  die  Kaiserliche  näher  und  näher  bis  in  Aachen, 
setzten  sich  aufm  aacher  Busch,  die  franzosen  folgten  ihnen  bis  dahin 
nach,  es  wurde  gegeneinander  kauniret;  am  21*®"  September  flohen  die 
Kaiserliche ;  daher  entstünde  hier  im  Dorf  wegen  ankommenden  aus  forcht 
von  aach  bis  hiehin  laufenden  Menschen  nachmittags  gegen  4  Uhr  ein 
lärm,  Heulen,  und  schröcken  bei  mir  und  einenjeden  so  grässlich  als  wäre 
der  jüngste  Tag  vorhanden.  Diese  angst  wurde  aber  bald  gestillet,  weil 
noch  keine  franzosen,  wie  gesagt  wurde,  in  aachen  eingerückt  waren. 

Am  22*^"  T^^**  flohen  durch  unser  Dorf  die  letzte  Kaiserliche  zu  fuss 
und  zu  pferd,  nahmen  und  plünderten  alles,  was  sie  bei  Tag  und  nacht 
nur  aus  und  in  den  Hauseren,  scheuren,  stallen  etc.  erwischen  konnten  unter 
der  aussag:  si  nos  non  rapiamus,  rapient  galli  insequentes. 

Das  Magazin  von  waserley  montur-  und  Kleyderstück,  flinten,  säbel, 
patrons-taschen  etc.  von  den  Kaiserlichen  bei  mir  in  saal  und  sonst  im 
Haus  ad  6  Wochen  gewesen,  und  wodurch  ich  der  Zeit  von  Einquartirung 
ziemlich  frei  bliebe,  war  kurz  vor  obigem  auf  köln  transportiret. 

Am  23**"  7^"*  kamen  die  franzmänner  in  Aachen,  den  24**^"  zu  jeder- 
mans  grössten  schröcken  in  Haaren  und  in  die  gegend,  ut  Lupi  rapaces, 
rapiebant  plurima  et  exspoliabant  fere  omnes,  perpaucis  in  hoc  pago,  ut  et 
alibi  exceptis. 

Am  25'®"  fiele  eine  gantze  rotte  in  meine  Pastorath  ein,  setzten  mir 
2  Bajonett  zum  leibe,  fielen  in  Keller  und  Zimmeren,  nur  unten  zu  erde, 


—  41  — 

hinein,  eröffneten  und  durchwühlten  alles,  was  ihnen  zu  Händen  käme, 
nahmen  geld,  Mobilen,  Kleider  und  sonstiges,  was  nur  zu  erhaschen  wäre. 
Zum  grösten  glück  und  zu  Verhütung  ferner  gänzlichen  Plünderung  rieffe 
unser  Organist  zweij  eben  vor  der  Thür  anwesende  französische  officier 
in  die  Pastorath,  welche  die  raubhorde  abtrieben,  sohin  wäre  der  Verlust 
und  schade  leidentlich. 

Gleich  darauf  polterten  ganz  ungestüm  4  Tröhende  rasende  raub- 
vögel,  welche  mit  Hülfschreien  von  der  Kirchofs-Thür  wurden  abgetrieben. 
Eben  darauf  bekäme  ich  zwei  salve-guardes  ins  hauss,  welche  auf  einem 
tag  bis  zum  achten  mahl  die  an  der  Pastorath  raub-wollende  Soldaten  ab- 
hielten und  so  forthin  mein  Hauss  von  oftermaligen  anfall  treulichst  be- 
schützten, was  diese  mir  gekostet,  haben  sie  mir  vielföltig  profitiret,  denn 
ohne  selbe  wäre  ich  gänzlich  ausgeplündert  worden,  am  28*^"  7**'"'  musten 
diese  zweij  gute  beschützer  ungern  mich  verlassen  und  zur  statt  gehen, 
allwo  sie  nicht  hoffen  kouten  das,  was  sie  bei  mir  bekommen  thaten. 

An  eben  diesem  28'^"  7*"®'  wurde  von  Burtscheid  das  Hauptquartier  auf 
Haaren  verleget  mit  dem  General  jourdan  noch  7  Generälen,  vielen  offi- 
cieren,  vielen  Truppen  und  400  pferden  zum  unsäglichen  last  und  schaden 
unseres  dorfs,  denn  was  hier  muste  hergegeben  und  beigeschaffet  werden, 
dieses  kann  ich  nicht  schreiben.     Solutio  Nulla.    Es  käme 

Zum  grösten  last  und  unsäglich  unruhe  zu  mir  le  primier  Represen- 
tent  de  Peuple  Gillet  mit  einem  kommissaire,  ein  secretaire  und  5  ad  6 
knechten,  die  occupirten  die  ganze  Pastorath,  nur  mein  Schlafzimmer 
bliebe  frei,  stochen  und  kochen  für  Herr  und  Knecht  währete  von  morgens 
bis  gantz  spät  in  die  nacht,  und  dieses  alles  muste  meine  Haushälterin 
thun,  dann  es  wäre  bei  ihnen  kein  Koch,  wie  bei  denen  anderen  Generälen, 
dahero  konte  für  mich  nichts  zur  speiss  und  trank  bereitet  werden :  meine 
Köchinn  wäre  eine  schlavin  und  ich  muste  oft  hunger  und  durst  leiden, 
da  andere  gut  assen  und  tranken,  ohne  meiner  im  mindesten  zu  gedenken  — 
überdies  wäre  die  Pastorath  einer  Wachtstub  den  ganzen  tag  hindurch 
gleich;  zum  Representant  kamen  anhaltend  officier,  kurier,  Soldaten,  ge- 
raeinds-deputirten  und  supplicanten  von  allen  orten,  Städten  und  Dorfschaften ; 
der  Hausessteinweg  war  immer  von  menschen  angefüllet,  und  dieses  con- 
tinuirte  vom  sonn  tag  den  28^°  7*'®*"  bis  freitag  3^®"  October,  da  der  Re- 
presentant mit  dem  kommissaire  zur  Armee  auf  gülich  ritten,  und  eben 
diese  nacht  gegen  12  uhr  wäre  mein  Hauss  leer  und  das  Hauptquartier 
folgte  nach  auf  Aldenhoven.  Von  Zahlung  geschähe  keine  meidung,  kein 
sous  wurde  mir  präsentiret,  nichts  gar  nichts  wurde  mir  bezahlet.  Blictri 
wäre  mein  lohn  und  die  befreiung  von  dem  greulichen  kostspielig  last  mein 
trost  und  ein  ebener  trost  meinen  parochianen,  denn  wenn  das  Haupt- 
quartier noch  einmal  so  lang  hier  verharret  hätte,  so  wäre  Haaren  auf 
einmal  ganz  erschöpfet  werden  und  nichts  mehr  für  menschen  und  Viehe 
übrig  geblieben. 

Bei  an-  und  einrückung  dieses  gewaltigen  Hauptquartiers  wäre  im 


—  42  — 

Dorf  timor  et  tremor,  raera  perturbatio  et  aborainationis  desolatio,  omuia 
susque  deque  vertebatur.  ast  ecce!  alia  ex  alia  perturbatio:  turaultus  ex 
tumultu:  eadem  Dominica  28  7^"^*^,  finito  jam  tum  primo  sacro,  komt  zu 
mir  ein  französischer  unterofficier  geloffen,  ansagend:  eilens  sollte  die 
Kirche  geräumt  werde,  denn  gleich  kämen  die  arrestanten  hinein.  Wir 
reterirten,  und  retteten,  was  immer  möglichst  zu  retten  war.  Indessen 
war  auf  einmal  die  Kirch  ganz  voll  von  Gefangenen  cujuscunque  nationis 
et  Status;  ich  im  eifer  wollte  nochmal  zur  Kirche  hinein,  da  kamen  beij 
Eröffnung  der  thür  die  arrestanten  haufenweiss  auf  mich  gestürmt  unter 
einem  greulichen  geschreij,  dahero  muste  ich  mit  schi'ocken  abweichen. 
Hauss  und  Kirche  waren  sonach  aus  meiner  Gewalt,  eine  unruhe  folgte 
der  andern  so  ununtterbrochen,  dass  ich  keine  H.  Mess  an  diesem  sonntag 
halten  konte,  ja  auch  darzu  nicht  wusste,  ob  ich,  wenn  ich  an  der  Kapeil ' 
hätte  lesen  können,  hätte  lesen  dörffen. 

Montags  expiscirte  ich,  dass  Mess  halten  gestattet  wäre,  ich  läse 
also  die  H.  Mess  von  montags  bis  samstags  in  der  Kapel;  nach  der  H.  Mess 
schenkte  mir  den  Caffe  Vetter  Johan  Boeven,  darzu  asse  ich  eine  gute 
Portion  butteramen  2,  stärkte  mich  für  den  ganzen  Tag,  um  nicht  für  hunger 
und  elend  niederzufallen,    huic  obligatus  maneo  et  grates  refero. 

Nunc  revertor  ad  capitvos  in  Ecclesiam,  quae  cum  coemiterio  speluuca . . . 
erat,  hi  inordinati  cujuscunque  generis  homines  mox  cantabant,  vocifera- 
bantur,  et  ululabant,  mox  pulsabant  Organum,  mox  campanas.  Interim  haec 
et  similia  patienter,  sane  dolenter  ferenda  erant.  aber,  ach  aber!  am  sams- 
tag  den  4**"°  S^^*"  läuteten  diese  Horden  die  Glocken  und  marschierten  nach 
Aldenhoven,  nun  wäre  die  Kirche  leer,  aber  öd  und  wüste;  und  der  Kirch- 
hof so  besudelt,  das  vast  nicht  drüber  zu  gehen  wäre.  Es  wurde  ausser 
und  in  der  Kirche  so  viel  gereiniget,  dass  man  in  die  Kirche  konte  hin- 
eingehen. Man  fände  die  Bänke  und  einen  umgeworfen  Beichtstuhl  merk- 
lich zerbrochen  und  beschädiget,  den  opferstock  eröffnet,  und  ausgeplündert, 
die  stragulas  altarium"  Theils  verdorben  und  zerschnitten,  theils  mit 
einigen  Kirchen-büchern  und  scabellen^  hinweggenommen:  Dabei  wäre 
über  dieses  der  grösste  schad:  es  wäre  ein  merklicher  Vorrath  an  gelben 
und  weisen  wachs-kerzen  (welche  wegen  unvermuthet  schleunigsten  Über- 
fall keinesw^egs  aus  der  auswendig  hangenden  Kaste  konte  salviret  werden). 
Dieser  Kerzen  wäre  keine  einzige  mehr  vorhanden  zum  grossen  nachtheil 
der  Kirch,  um  die  mehr,  da  der  Wachs  sehr  Theuer  und  ein  pfund  weissen 
wachs  9  gülden^  kostet,  am  samstag  reinigten  die  Nachbahren  die  Kirche 
in  so  weit,  dass  ich  am  sonntag  den  5**""  S^^""  den  Gottesdienst  darin  halten 
konte:  Hernechst  wurde  in  der  Kirche  das  zerbrochene  von  Zimmerleuten 


*)  Gemeint  ist  die  am  Eingang  des  Dorfes  gelegene  Kapelle  zum  hl.  Valentin. 

^)  Noch  heute  im  Volksmund  für  „Butterbrod**  gebräuchlich. 

^)  Altartücher. 

*)  Lesepult. 

*)  2  Mark  25  Pfennig. 


—  43  — 

repariret,  das  Verdorbene  thunlichst  ausgebesseret,  die  Kirche  und  der 
Kirchhof  nach  und  nach  so  gereiniget,  dass  die  Kirche  einem  Gottes-hauss, 
und  der  Kirch-Hof  einen  Gottes-Acker  wieder  ähnlich  wurde. 

Nachsatz.  1794  im  August  und  anfangs  September  waren  die  Tag 
und  nacht  hier  passirende  geist-  und  weltliche,  Herrschaften  und  andere 
flüchtlinge  unzehlbar,  ja  so  überhäufet,  dass  gantze  Haushaltungen  mit 
sack,  pack  und  Hausgereid  in  Aachen  und  dahier  über  naclit  zu  logiren 
keinen  platz  fanden  und  auf  der  strass  übernachten  musten,  aus  frankreich, 
Braband,  dem  lüttiger  Land,  und  der  gegend  waren  durchgehens  die  be^r 
trübte,  beänstigte  flüchtlinge.  Das  laufen,  rennen,  fahren  mit  karossen, 
kahren  und  wagen  waren  so  anhaltend,  dass  bei  deren  hören  und  ansehen 
Herz  und  Muth  sinken  musste  und  man  vor  forcht,  angst,  wehrauth  und  mit- 
leijden  vast  ausser  sich  selbst  versetzet  wurde.  Inzwischen  rückten  die 
franzosen  näher  und  näher,  die  Kaiserliche  reterirten  mehr  und  mehr,  da 
nahmen  die  flucht  viele,  sonderbahr  die  wohlhabende  aus  Aachen,  Burt- 
scheid  und  dieser  gegend  und  zware  zu  ihrem  doppelten  Schaden,  dan  in 
der  fremde  musten  sie  verzehren,  und  zu  Haus  wurde  ihnen  vieles  ent- 
nohmen  und  zu  gründe  gerichtet.  Aus  meiner  pfarr  flohen  15  Personen, 
worunter  zwei  ganze  Haushaltungen  Theils  in's  Bergische,  theils  ins  West- 
phälische;  davon  ist  einer  in  der  fremde  gestorben;  sechs  sind  noch  zu- 
rück und  8  sind  im  Junius  1795  nach  Hause  kommen  frisch  und  gesund, 
ja  die  fuhrleute  so  dabei  waren,  sehr  glücklich,  indeme  sie  pferde  und 
Karrigen  unbeschädiget  anheim  gebracht. 

Francorum  Progressus,  Molitiones,  Dispositiones,  Centralia, 
Tribunalia  et  alia  quaedam  hinc  inde  extracta  et 

1794  conscripta.  1795. 

Als  denen  franzosen  nach  fünf  ad  sechstägigen  erstaunlichen  Kanon- 
nirung  Mastrich  übergeben,  kamen  sie  am  23^®"  7*'^'^  nach  Aachen.  Ei- 
oberten  am  3**"  October  gülich  ohne  Bombardement,  rückten  am  6*^**  in 
Köln  ein,  sonach  in  Bonn,  Koblenz,  und  besetzten  dieserseits  den  Rhein, 
darüber  die  Kaiserliche  geflohen  waren. 

Gleich  nach  dem  Einzug  in  Aachen  ergehet  unter  ander  dieser  Befehl 
aus  dem  am  14*®"  August  1794  von  denen  Volksrepräsentanten  abgefassten 
in  34  articulen  bestehenden  beschluss. 

Die  Einwohner  der  eroberten  Länder  sollen  ihre  Waffen  innerhalb 
24  stunden  von  bekanntmachung  der  desfalsigen  Verordnung  an,  in  die 
Hände  des  militär  kommendanten  ablieferen.  Wer  überwiesen  werden 
würde,  selbige  zurückgehalten  zu  haben,  soll  der  militär-kommission  über- 
geben und  mit  dem  todt  bestraft  werden. 

Dies  scharfe  befehl  brachte  hier  und  allen  orten  angst  und  forcht, 
man  gäbe  die  flinten,  ich  auch  die  meinige,  ab.  sonach  wurde  dahier  zum 
repräsentant  Gillet  eine  grosse  breite  Kasse  mit  degen,  pistolen  und  säbelen 
angefüllet,  und  im  saal  eröffnet,  welche  von  solcher  Kunst  und  Kostbarkeit, 


—  44  — 

(lass  deren  werth  vast  nicht  zu  schätzen.  Diese,  sagte  man,  wären  alle 
in  Aachen  eingeliefert  worden;  nachhero  fuhren,  nebst  denen  diesortigen. 
Viele  mit  Flinten  etc.  beladene  Kahren  aus  dem  jülicher  land  hierdurch 
auf  aachen  ...  ad  orcum. 

Der  hleij  vom  Tach  des  Münsters  wurde  abgenommen,  die  köstlichen 
Pilasteren  aufm  Hochmünster  niedergehauen,  die  messingen  stanquetten  und 
thüren  daselbst  niedergerissen  und  der  bleij  sambt  sieben  pilaren  ^  und  denen 
pfeifen  des  übergrossen  ausgebrochenen  Orgels  auf  Paris  transportiret. 
Diesen  folgte  bald  der  vor  dem  Stadthaus  abgenommener  Adler,  der  nieder- 
gerissener, kurz  vorher  neu  aufgesezter  memorialstein  samb  der  uralten 
Postür  Caroli  Magni  nach  Paris,  unter  der  Krön  im  Münster  wurde  das 
Grab  eröffnet,  nichts  aber  darin  erhaschet. 

15*^°  October  wurde  der  freiheitsbaum  vor  dem  stadthauss  mit  grosser 
solemnität,  vocal  und  instrumentalmusick,  mit  jubel.  Tanzen  und  springen 
errichtet. 

Nach  diesem  wurde  die  Central- Verwaltung  des  Distrikts  von  Aachen 
angeordnet. 

Diese  aachener  generalcentral-verwaltung  bestünde  aus  12  gliedern, 
für  die  Lande  von  Aachen.  Die  Banken  Vaels,  Holset,  Vyllen.  Wyttem, 
Heyden,  Wijlre,  für  Gülich  bis  Geilenkirchen,  Linnich,  Düren,  Nideggen, 
Haimbach,  Monjoye,  Kornelimünster  und  Burtscheid. 

Diese  Lande  wurden  in  6  Kantons  getheilet  nähmlich  1.  Aachen  samt 
dessen  Gebiete  und  Burtscheid;  2. .die  Bank  Vaels  und  das  Land  Heyden, 
Wittern,  Wijlre;  3.  Linnich,  Geilenkirchen;  4.  Gülich,  Düren;  5.  Stolberg, 
Eöchweiler,  Weisweiler;  6.  Monjoye  und  Cornelimünster. 

Die  Glieder  dieser  Centralverwaltung  seijen  folgende :  die  Bürger 
Lambrichs  von  Cornelimünster,  Clermont  von  Vaels,  Wiedenfeld  von  Burt- 
scheid, Adolf  Schleicher  von  Stolberg,  Herman  Pelzer  von  Eschweiler, 
Crahe  von  Linnich,  Kamphausen  von  Geilenkirchen,  Rudolph  Michels  von 
Gülich,  Moeglings  alt.  von  Düren,  Orth  von  Monjoye,  Cromm  und  Vossen 
von  Aachen.  In  jedem  Kanton  soll  ein  mitglied  der  Verwaltung  residiren^ 
die  übrigen  6  aber  zu  Aachen  ihren  sitz  haben,  wo  sie  das  Verwaltungs- 
Direktorium  ausmachen.  In  jeder  gemeinde  ist  ein  unter- Verwaltung  nieder- 
gesetzt, welche  aus  einem  Maire  und  einer  gewissen  anzahl  beijgeordneten 
besteht  nach  wenig  oder  viel  Bevölkerung  derenselben. 

National-Domaine  d'Aix. 

Aachen,  Burtscheid,  Land  Heyden,  Cornelimünster,  Monjoije,  Amter 
Eschweiler,  Wilhelmstein  und  schönforst. 

Tribunalia  zu  Aachen. 


*)  Nicht  7,  sondern  39  überaus  wertvolle  marmorene  Säulen  haben  die  Franzosen 
auf  dem  Hochmünster  ausbrechen  und  nebst  vielen  andern  geraubten  Kunstgegenständen 
nach  Paris  schaffen  lassen.  28  Säulen  und  10  Kapitale  wurden  1815  nach  Aachen 
zurückgebracht. 


—  45  — 

1.  Obhuts-Ausschiiss,  2..  Handels-Tribunal.  Dabei  klaget  man  die 
Wechselsach.  3.  Friedensgerichte  von  Burtscheid  und  Aachen.  Dabei 
klaget  der,  welcher  von  denen  emigrirten,  oder  auch  sonsten  zu  fordern 
hat.  4.  Ober-Appellations-Tribunal.  6.  Municipalität  von  Burtscheid  und 
Aachen.  6.  Bezirks-Verwaltung.  7.  Central-Verwaltung.  8.  Revolutions- 
Tribunal:  Dieses  cessiret. 

Die  Centraladministratoren  niusten  in  sämtlichen  gemeinden  einen 
general  und  besondern  Etat  des  sämtlich  sich  daselbst  befindlichen  ge- 
dreides,  der  fouragen,  des  Viehes,  der  victualien,  bergwerke,  fabriken, 
ui'stoffe  und  waaren  entwerfen.  Diese  und  alles  ohne  ausnähme  wurde 
sonach  in  requisition  gesetztet  und  von  allem  und  allem  muste  und  muss 
immerfort  beigeschafft  geliefert  werden  gegen  Zahlung,  ast  pro!  in  per- 
paucis  Assignatis  i.  e.  Moneta  papyracea  quae  est  nullius  valoris,  est  causa 
principalis  penuriae,  caritatis,  inopiae,  famis,  paupertatis  et  communis  ruinae. 

Sie  musten  den  Verkauf  der  Mobilien  und  Effekten  der  Emigrirten 
bewerkstelligen,  die  der  Republik  verfallenen  forderungen,  welche  von 
denen  schtildneren,  deren  vormahlig  regenten,  oder  Emigrirten  herrühren, 
samd  den  gemeinen  Abgaben  eintreiben. 

sämtliche  Pächter  der  P^migrirten,  des  Kapitels  zu  Aachen  und  anderer 
ausgewichenen  sint  gehalten,  unter  strafe  militärischer  Exekution,  ihre 
pachtbriefe  einzubringen,  hiehin  zu  zahlen,  und  die  rückständigen  Zehenden 
alsogleichan  das  hiesige  stadt-Kornhauss  abzuliefern. 

Allen  Bürgern  wird  empfohlen,  ohne  scheu  diejenigen  zu  denunziren, 
welche  vorgemelte  gegenstände,  oder  auch  sonstige  Sachen,  die  den  Emi- 
grirten zugehöret,  verborgen  halten,  jeder  Denuntiant  soll  ein  Drittel  des 
werths  des  denunzirten  gegenständes  zu  belohnung  erhalten,  und  in  an- 
sehung  seines  namens  soll  die  genaueste  Verschwiegenheit  beobachtet 
werden,  in  hisce  latet  anguis  proditionis. 

In  dem  Lande  von  der  Maas  bis  an  den  Rhein  werden  fünf  und 
zwanzig  Millionen  Kontribution  gefordert,  die  aber  hernach  durch  den  Re- 
presentant  Gillet  auf  8  Millionen  Livres  sint  reduciret  worden. 

Gehalt  der  glieder  von  general  Verwaltung 

ist  monatlich  250  liv.,  und  jener  der  secundair  Verwaltungen  200  livres. 
Der  gehalt  der  Richter  von  dem  obertribunal  ebenfalls  250  liv.  und  der 
Richter  von  den  unter-Tribunälen  200  Livres.  Die  gehalte  der  secretäre, 
gerichtschreiber,  Gummis  und  anderer  bedienten  der  Verwaltungen  und 
Tribunale,  item  die  Kanzlei-Auslagen  werden  von  der  general  Verwaltung 
nach  ihrem  gutachten  auszahlt. 

Neeuia. 

Mars;  Libitina;  Farnes  multiplicat  undique  Clades 
Auxietas,  Luctus,  Tristitia  et  clamor  inanis. 

Vacant  opifices,  cessant  Artifices;  otiatur  Fabrica  cum  officina.  Com- 
mercia  tabescunt,  Negotia  labescunt. 


—  46  — 

Galli  dorainantur;  Aurigae  vexantur,  Latrones  furantur.  Domus  et 
horrea,  Fora  et  Granaria,  Agri  et  Prata  periclitantur,  evacuantur,  spoliantur. 

Pueri  voriferantur,  Matres  lamentantur,  Patres  querelantur. 

pecora  avocantur,  pecudes  mactantur;  pecuniae  exiguntur,  assignati 
distribuuDtur,  Capitalia  papyro  redimuntur. 

Divites  tremescunt.    Mediocres  gemescunt     Pauperes  horrescunt. 

Emigratorum  Habitacula  destruuntur,  abscondita  produntur,  Mobilia 
venduntur,  cibaria  consuniuntur.  Vina  e  cellis  extrahuntur;  orania  susque 
deque  vertuntur. 

Omnes  cujuscunque  Status  et  conditionis  panera  anhelantes,  panem 
quaerunt,  et  vix  aut  ne  vix  quidem  saepe  saepius  inveniunt. 

0  tempora  durissima!  vivaria  rarissima!  victualia  carissiraa!  o  cala- 
mitas  pene  extrema!  ah!  nou  ultra  manus  doraini  flagellat  Nos  precamur: 
0  Deus  benigne,  juste  et  niisericorsl  exaudi  nos,  salva  nos,  sine  Te  peribimus. 

Ora  pro  nobis  dulcissima  Virgo  Maria! 

Nullus  finis  Miseriae,  Materiae  flnis  nullus:  arabae  singulis  diebus 
invalescunt;  hinc  scribendo  huc  illuc  concursavi  et  concurso. 


An  das  greisliche  Elend,  so  sich  ex  septembri  1794  ereignet  hat, 
kan  niemand,  der  mit  mir  gelebet,  und  in  diesem  elend-vollen  1795  fort- 
lebet, ohne  schauderen  gedenken.  Die  Nachwelt  muss  darüber  starren  und 
erstaunen. 

Greuliche  Todes-ängsten,  höchste  Theurungen,  schwäreste  Krieges- 
lasten, äusserste  Armuth,  schwarzer  Hunger  sind  Zeugen,  welche  solche 
Epoche  unseren  nachkömlingen  in  den  jahr-bücheren  zum  beileijd  und  mit- 
leijden  werden  auszeichnen. 

Über  2  monat  ex  december  1794  in  febr.  =  95  anhaltende,  nie- 
mals  so  heftig  anhaltende  Kälte,  strengste  froste,  grimmige  winde  und 
ausserordentlich  auf  einander  backendes  Eis  bereitete  die  Werkzeug  zu 
Vergrösserung  des  schon  überaus  hartdrückenden  Jammers  und  Elends  bei 
denen  unnachlassenden,  erschröcklich-verderblichen  Krieges-trubelen. 

Diese  Witterung,  das  menschen,  Viehe  und  geschütz  tragendes  Eis 
eröffnete  und  bahnte  den  weg  und  zugang  zu  denen  sonst  wegen  denen 
wasser-schleussen  vast  nicht  zu  erreichenden  und  schier  unüberwindlichen 
festungen,  dass  sie  dieselbige,  und  mit  diesen  im  Februar  1795  Holland 
und  Seeland  einnahmen  und  eroberten. 

Die  Abteij  Closterode,  woraus  alle  Herren  emigriret,  ist  beinahe  tota- 
liter  ausser  stand  gesetztet,  viele  bücher  aus  ihrer  Bibliothek  sind  in  dieser 
gegend  von  denen  franzmännern  feil  gebotten  und  spotfeil  veraliiniret 
worden. 

Die  Abtei  Bourtscheid,  woraus  alle,  ausgenommen  die  alte  fr.  Priorin, 
emigriret,  ist  durcheinander  geschlagen,  zum  Lazareth  gebrauchet,  annebst 
die  schöne  Kirche  mit  dem  neuen  prächtigen  x\ltar  und  sonstig  zu  schänden 


—  47  — 

gemacht  worden,  die  fräulein  so  um  st.  Peter  und  Paul  zurück  kommen, 
haben  beijra  Herr  Pastor  einkehren  müssen.  Die  Kanonie  deren  ßegulir- 
herrn*  ist  ebenfalls  inwendig  durcheinander  geschlagen  von  kranken,  ge- 
sunden und  waseleij  bagase(?)  besetztet:  in  die  Kirche  sind  die  Pferde 
einstalliret  worden;  hieraus  last  sich  denken,  wie  selbe  zugerüstet  worden. 
Die  Herren  waren  eraigriret  ausser  dem  H.  Prior  Tuves  und  H.  Ollers, 
diese  musten  zum  Closter  hinaus  und  halten  sich  in  der  Dechani  auf:  ends 
Junius  sint  die  Herren  wiederkommen  und  beij  ihren  freunden  eingekehret. 

Auch  ist  das  Kloster  deren  P.  P.  Karmeliteren  ^  durch  einander  ge- 
schlagen, darin  in  der  Kirchen  ein  Lazareth.  Vier  Patres  haben  ihren 
aufenthalt  in  einem  Haus  gegen  ihrem  Kloster  über  und  halten  H.  Mess 
im  Kloster  S.  Leonard. 

In  der  St.  Michaelskirche  ist  das  Magazin,  im  Collegio  die  Backereij 
und  mehreres. 

Die  H.  Mess  für  die  Studenten  und  sonstige  Gottes-Dienst  wirt  in 
S.  Annae  Kirch  gehalten.  Das  wohnhauss  und  die  schuUen  sind  ganz  ver- 
wüstet. 

Im  Marienthal  und  S.  Leonard  siehts  über  die  schranken  wüste  aus. 
Die  Nonnen  sind  theils  emigriret,  theils  in  der  Stadt  logiret,  in  beiden 
Klöstern  ist  das  Lazareth. 

Augustiner  und  Dominicaner  haben  von  waserleij  belastungen  Vieles 
erlitten,  Vieles,  ausser  denen  Kirchen  verdorben.  Die  Kranke  haben  in 
den  Klösteren  und  die  pferde  in  denen  Kreuzgängen  vielen  unrath  gemacht. 
Dreij  Patres  und  Brüder  sind  im  Prediger  kloster  geblieben,  die  übrigen 
sind  emigriret  und  im  Junius  retournirt,  so  eben  die  geflüchtete  Patres 
Augustiner. 

Die  Patres  Franciscaner  haben  wegen  dem  Lazareth  mehr  gelitten 
als  die  pp.  kapuziner*  bei  jenen  ist  mehreres  verwüstet,  als  bei  diesen, 
in  beiden  klösteren  waren  mehrere  denn  die  Hälfte  emigrirt;  sind  auch 
beiderseits  im  junius  zurückkommen.  Ein  merklicher  Nebenschaden  ist 
diesen  beiden  klöstern  zugefügt  worden:  aus  dem  Hohen  Altar  deren 
pp.  kapuzinern  haben  die  franzosen  gleich  anfangs  die  schildereij,  welche 
tausenden  werth  wäre,  hinweggenommen  und  so  eine  schilderey  aus  der 
Kirche  der  pp.  Franziskaneren  *.  Diese  beide  kostbahrste  stücke  haben  sie 
zusammen  gerollet  und  auf  Paris  geschicket,     ad  quid  perditio  haec? 

Die  übrigen  Klöster  haben  ohne  ausnähme  ihre  lastung,  schaden  und 
beschwärden  ertragen,  aber  nicht  so  hart  und  drückend,  als  die  vorge- 
melte;  diese  nach  der  Ordnung  einzuführen,  wäre  gar  zu  weitschichtig. 

*)  Das  Regulirherrenkloster  befand  sich  auf  der  heutigen  Alexanderstrasse  zwischen 
Sandkaul-  und  Heinzenstrasse.  Siehe  Greving,  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins 
Bd.  XIII,  S.  1  ff. 

')  Das  Kloster  der  Karmeliter  lag  am  linken  Ufer  des  die  Franzstrasse  kreuzenden 
Ponellbaches,s.  Wacker,  Leben  und  Wirkendes  Aachener  Geschichtsschreibers  Chr.  Quix.  S.6. 

')  Siehe  Quix,  historisch-topogr.  Beschreibung  der  Stadt  Aachen.    S.  85  ff. 

*)  Siehe  Neu,  Zur  Geschichte  des  Franziskanerklosters  etc.  S.  120. 


—  46  — 

Galli  dominantur;  Aurigae  vexantur,  LatroDes  furantur.  Domus  et 
horrea,  Fora  et  Granaria,  Agri  et  Prata  periclitantur,  evacuantur,  spoliantur. 

Pueri  voriferantur,  Matres  lamentantur,  Patres  querelantur. 

pecora  avocantur,  pecudes  mactantur;  pecuniae  exiguntur,  assignati 
distribuuntur,  Capitalia  papyro  redimuntur. 

Divites  tremescunt.     Mediocres  gemescunt.    Pauperes  horrescunt. 

Emigratorum  Habitacula  destruuntur,  abscondita  produntur,  Mobilia 
venduntur,  cibaria  consumuntur.  Vina  e  cellis  extrahuntur;  omnia  susque 
deque  vertuntur. 

Omnes  cujuscunque  Status  et  conditionis  panera  anhelantes,  panem 
quaerunt,  et  vix  aut  ne  vix  quidem  saepe  saepius  inveniunt. 

0  tempora  durissima!  vivaria  rarissiraa!  victualia  carissiraa!  o  cala- 
mitas  peue  extrema!  ah!  nou  ultra  manus  doraini  flagellat  Nos  precamur: 
0  Deus  benigne,  juste  et  niisericors!  exaudi  nos,  salva  nos,  sine  Te  peribimus. 

Ora  pro  nobis  dulcissima  Virgo  Maria! 

Nullus  finis  Miseriae,  Materiae  iluis  nuUus:  ambae  singulis  diebus 
invalescunt;  hinc  scribendo  huc  illuc  concursavi  et  concurso. 


An  das  greisliche  Elend,  so  sich  ex  septembri  1794  ereignet  hat, 
kan  niemand,  der  mit  mir  gelebet,  und  in  diesem  elend-vollen  1795  fort- 
lebet, ohne  schauderen  gedenken.  Die  Nachwelt  muss  darüber  starren  und 
erstaunen. 

Greuliche  Todes-ängsten,  höchste  Theurungen,  schwäreste  Krieges- 
lasten, äusserste  Amiuth,  schwarzer  Hunger  sind  Zeugen,  welche  solche 
Epoche  unseren  nachkömlingen  in  den  jahr-bücheren  zum  beileijd  und  mit- 
leijden  werden  auszeichnen. 

über  2  monat  ex  december  1794  in  febr.  =  95  anhaltende,  nie- 
mals  so  heftig  anhaltende  Kälte,  strengste  froste,  grimmige  winde  und 
ausserordentlich  auf  einander  backendes  Eis  bereitete  die  Werkzeug  zu 
Vergrösserung  des  schon  überaus  hartdrückenden  Jammers  und  Elends  bei 
denen  unnachlassenden,  erschröcklich-verderblichen  Krieges-trubelen. 

Diese  Witterung,  das  menschen,  Viehe  und  geschütz  tragendes  Eis 
eröffnete  und  bahnte  den  weg  und  zugang  zu  denen  sonst  wegen  denen 
wasser-schleussen  vast  nicht  zu  erreichenden  und  schier  unüberwindlichen 
festungen,  dass  sie  dieselbige,  und  mit  diesen  im  Februar  1795  Holland 
und  Seeland  einnahmen  und  eroberten. 

Die  Abteij  Closterode,  woraus  alle  Herren  emigriret,  ist  beinahe  tota- 
liter  ausser  stand  gesetztet,  viele  bücher  aus  ihrer  Bibliothek  sind  in  dieser 
gegend  von  denen  franzmännern  feil  gebotten  und  spotfeil  veraliiniret 
worden. 

Die  Abtei  Bourtscheid,  woraus  alle,  ausgenommen  die  alte  fr.  Priorin, 
emigriret,  ist  durcheinander  geschlagen,  zum  Lazareth  gebrauchet,  annebst 
die  schöne  Kirche  mit  dem  neuen  prächtigen  Altar  und  sonstig  zu  schänden 


—  47  — 

gemacht  worden,  die  fräulein  so  um  st.  Peter  und  Paul  zurück  kommen, 
haben  beijm  Herr  Pastor  einkehren  müssen.  Die  Kanonie  deren  Regulir- 
herrn*  ist  ebenfalls  inwendig  durcheinander  geschlagen  von  kranken,  ge- 
sunden und  waseleij  bagase(?)  besetztet:  in  die  Kirche  sind  die  Pferde 
einstalliret  worden;  hieraus  last  sich  denken,  wie  selbe  zugerttstet  worden. 
Die  Herren  waren  emigriret  ausser  dem  H.  Prior  Tuves  und  H.  Ollers, 
diese  musten  zum  Closter  hinaus  und  halten  sich  in  der  Dechani  auf:  ends 
Junius  sint  die  Herren  wiederkommen  und  beij  ihren  freunden  eingekehret. 

Auch  ist  das  Kloster  deren  P.  P.  Karmeliteren  *  durch  einander  ge- 
schlagen, darin  in  der  Kirchen  ein  Lazareth.  Vier  Patres  haben  ihren 
aufenthalt  in  einem  Haus  gegen  ihrem  Kloster  über  und  halten  H.  Mess 
im  Kloster  S.  Leonard. 

In  der  St.  Michaelskirche  ist  das  Magazin,  im  Collegio  die  Backereij 
und  mehreres. 

Die  H.  Mess  für  die  Studenten  und  sonstige  Gottes-Dienst  wirt  in 
S.  Annae  Kirch  gehalten.  Das  wohnhauss  und  die  schullen  sind  ganz  ver- 
wüstet. 

Im  Marien  thal  und  S.  Leonard  siehts  über  die  schranken  wüste  aus. 
Die  Nonnen  sind  theils  emigriret,  theils  in  der  Stadt  logiret,  in  beiden 
Klöstern  ist  das  Lazareth. 

Augustiner  und  Dominicaner  haben  von  waserleij  belastungen  Vieles 
erlitten,  Vieles,  ausser  denen  Kirchen  verdorben.  Die  Kranke  haben  in 
den  Klösteren  und  die  pferde  in  denen  Kreuzgängen  vielen  unrath  gemacht. 
Dreij  Patres  und  Brüder  sind  im  Prediger  kloster  geblieben,  die  übrigen 
sind  emigriret  und  im  Junius  retournirt,  so  eben  die  geflüchtete  Patres 
Augustiner. 

Die  Patres  Franciscaner  haben  wegen  dem  Lazareth  mehr  gelitten 
als  die  pp.  kapuziner'  bei  jenen  ist  mehreres  verwüstet,  als  bei  diesen, 
in  beiden  klösteren  waren  mehrere  denn  die  Hälfte  emigrirt;  sind  auch 
beiderseits  im  junius  zurückkommen.  Ein  merklicher  Nebenschaden  ist 
diesen  beiden  klöstern  zugefügt  worden:  aus  dem  Hohen  Altar  deren 
pp.  kapuzinern  haben  die  franzosen  gleich  anfangs  die  schildereij,  welche 
tausenden  werth  wäre,  hinweggenommen  und  so  eine  schilderey  aus  der 
Kirche  der  pp.  Franziskaneren  ^  Diese  beide  kostbahrste  stücke  haben  sie 
zusammen  gerollet  und  auf  Paris  geschicket,     ad  quid  perditio  haec? 

Die  übrigen  Klöster  haben  ohne  ausnähme  ihre  lastung,  schaden  und 
beschwärden  ertragen,  aber  nicht  so  hart  und  drückend,  als  die  vorge- 
melte;  diese  nach  der  Ordnung  einzuführen,  wäre  gar  zu  weitschichtig. 

*)  Das  RcKulirherrcnkloster  befand  sich  auf  der  heutigen  Alexaiiderstrasse  zwischeu 
Sandkaul-  und  Heinzenstrasse.  Siehe  Greving,  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins 
Bd.  XIII,  S.  l  ff. 

•)  Das  Kloster  der  Karmeliter  lag  am  linken  Ufer  des  die  Franzstrasse  kreuzenden 
Ponellbaches,s.  Wacker,  Lebenund  Wirkendes  Aachener  Geschichtsschreibers  Ohr.  Quix.  S.6. 

*)  Siehe  Quix,  historisch-topogr.  Beschreibung  der  Stadt  Aachen.    S.  85  ff. 

*)  Siehe  Neu,  Zur  Geschichte  des  Franziskanerklosters  etc.  S.  120. 


—  48  — 

Aus  dem  Sept.  1794  bis  Junius  1795  sint  unzählbahre  kranke  und 
blessirte  vast  alltäglich  hierdurch  auf  Aachen  gefahren,  auch  viele  zu  fuss 
dahin  gegangen,  denn  es  waren  in  Aachen  sieben  Lazareten. 

Was  unsäglich  viele  Truppen  zu  fuss  und  zu  pferde,  wägen,  kuppel- 
pferde,  pulver- wägen,  bomben,  feurschlünde  und  waserleij  kriegserforder- 
nissen  derzeit  hier  von  Tag  zu  Tag  auf  und  ab  theils  passiret,  theils  ein- 
quartiret  gewesen,  bin  ich  nicht  bestand  anzuführen. 

Ganze  Heerden  schaaf  und  hornvieh  sint  öfters  und  vielmals  hierdurch 
bald  auf  Aachen,  bald  ins  gülicher  Land  getrieben  worden.  Diese  Re- 
quisition und  lieferung  continuiret  noch  immerfort. 

Am  4^^"  Junius  1795  ist  die  festung  Luxemburg  durch  kapitulation 
an  die  franzosen  übergegangen;  von  der  besatzung  auf  dem  glacis  incirca 
ad  12000  das  Gewähr  gestrecket. 

Im  Junius  et  Julius  passiren  und  pernoctiren  allhier  Viele  ausge- 
wechselte Hessen  und  Kaiserliche,  sagende  ihre  gefangenschaft  seije  ihnen 
in  kummer  und  elend  überaus  sauer  und  hart  gefallen.  Man  siehts  an 
ihren  gesichteren,  kleijdungen  etc. 

In  festo  S.  Johannis  Baptistae  morgens  gegen  acht  uhr  käme  hier  ein 
ungeheuer  grosser  bei  Burtscheid  verfertigter,  mit  gelber  Seide  überzogener 
Luft-Ball,  welcher  wegen  seiner  grosse,  runde,  länge  und  breite  zwischen 
der  Pastorath  und  dem  gegenüber  Hause  nicht  konte  durchbracht  werden, 
dahero  selbiger  von  sechszehn  persohnen,  deren  jeder  ihn  mit  seileren  zogen, 
in  die  Höhe  gelassen  wurde  so  lang,  bis  er  wiederum  spatium  fände,  in 
der  niedern  fortbracht  zu  werden  bis  zum  Rhein  und  zwar  an  vielen  orten 
geradezu  durchs  feld  nicht  ohne  geringe  beschädigung  deren  lieben  ge- 
segneten Früchten. 

1795  in  Junio  obiit  Ludovicus  Carolus,  natus  1795  27"*  Martii  ex 
ulcere  in  poplite  febri  accedente,  Filius  unicus  Regis  16*^ 

1795  den  17^*""  May  hat  Preussen  mit  der  französischen  Republik 
einen  Neutralisations-Traktat  geschlossen. 

Stetshin  werden  Heerden  re(iuirirter  Kühe,  Rinder  und  schaafe  ohne 
Zahl  dahier  vorbei  getrieben,  im  Juli  6  Heerden  Hornviehe  in  einer  woclie 
quod  videre  summo  est  dolori,  auch  fahren  hierdurch  viele  Pontons  auf 
den  Rhein  zu. 

Den  22'®"  Julius  hat  der  König  von  Spanien  mit  der  französischen 
Republique  einen  friedens-tractat  geschlossen:  alles  kommt  ad  statum  quo, 
ausser  dem  antheil  der  Insel  st.  Domingo,  so  der  könig  der  republik  ab- 
tritt und  überlässt,  also  hat  Spanien  an  dieser  Insel  in  den  Antillen  kein 
theil  mehr. 

Anfangs  August  sint  die  7  im  October  1794  aufm  Hochmunster  ab- 
gebrochene köstliche  Pilaren  auf  7  Wagen  nach  Paris  gefahren  worden, 
ah  Coelites! 

Am  5  ad  6'*'"  7^'"  ist  der  französische  linke  Flügel  über  den  Rhein 
übergangen  und  hat  am  dito  6'®"  general  Championnet  morgens  in  Dussel- 


-  49  — 

dorf  sein  Hauptquartier  genommen.  Der  Uebergang  wäre  bei  Urdingen, 
bei  Eichelkamp  und  bey  Neus. 

Sonach  passirten  hierdurch  innerhalb  4  tagen  zeit  bei  die  600  von 
den  hartistgepressten  fuhrleuten  requirirte  pferd  von  jenseit  Aachen  und 
dieser  gegend  auf  den  Rhein  zu  gegen  Düsseldorf. 

Parochiam  meam  praeterire  nequeo: 

Haec,  civitati  Aquensi  proximior,  est  Lapis  utrimque  generalis  et 
augularis  primae  ac  universalis  offensionis. 

Quaedam,  meraoratu  digna,  et  praeter  cetera  summopere  dolenda  com- 
raiseranter  refero. 

Vom  23**"  September  1794  ist  meine  Pfarr  kein  einzig  Tag  noch 
nacht  von  kriegslasten  frei  gewesen;  bald  sint  hier  ein  nacht  bald  zwo 
nacht  und  einen  auch  zu  Zeit  mehrere  Tage,  jetz  füsser,  jetz  füsser  und 
reuther,  wagenknechte,  und  waserleij  beigehörige,  dass  zuweilen  20  ad 
25  in  einem  Hause  zusammen  sint,  und  sogar  nun  und  dann  die  Armen 
nicht  mögen  frei  bleiben. 

Die  füsser  haben  öfter  kein  fleisch  noch  brod,  dieses  muss  ihnen 
nebst  sonstig  unentgeldlich  gegeben  werden.  Den  reuthern  und  wagen- 
knechten fehlet  es  oft  nebst  vorigen  zwei  Theilen  an  fourage:  allons  heist 
es  beigeschafft.  Dies  dauert  so  immerfort  bis  in  den  Julius  1795  und  ist 
davon  noch  keine  befrej^ung  zu  ersehen. 

Bey  den  requirirten  Lieferungen  ist  Haaren,  unangesehen  deren  Re- 
monstration und  Suppliquen  in  keinem  Theile  verschönet  worden:  von  an- 
beginn  der  Haupt-Central-Verwaltung  in  Aachen  müssen  25  glafteren  Holz 
wöchentlich  von  unser  dreij  Quartiren  im  Busch  auf  gßmeinds-kösten  verfertiget 
und  von  den  gemeinds-fuhrleuten  zur  statt  erga  Blictri  gefahren  werden. 

Haaren  hat  bis  Juli  1795  würklich  41  theils  Kühe,  theils  Rinder 
einliefern  müssen,  darzu  von  wenige  schaafe,  weilen  wenige  in  der  pfaiTe, 
also  nur  achtzehn  Stücke  gelieferet:  iten  im  Juli  achtzehn,  also  sechs  und 
dreissig  stücke  aus  nur  8  kleinen  Heerden. 

Extremum  Calamitatis  est  pluvia  super  pluviam  in  junio,  julio. 

Anna  (?)  novercavit  cuncta  inundavit,  domos,  hortos,  prata  atque 
agros  vastavit  per  fluviam,  diluvium,  numquam  visum  ab  ullo  hie  viventium. 

Die  Bach  hat  im  Julio  unten  im  Dorf,  und  so  circa  circum  alles  und 
alles  überschwemmt  bis  zum  vierten  mul  praesertim  a  25**  ad  27™*"*  erat 
horrenda  eluvies;  repetita  2***  Augusti. 

Im  October  habe  ich  und  alle  ohne  ausnähme  schwere  Kontribution 
per  morgen  quasi  servis  12  gülden  zahlen  müssen. 

Aus  unserm  Busch  werden  täglich  18  Kahre  brandholz  nach  aachen  via 
forti  gefoderet.  nebst  diesem  sind  aus  dem  hintersten  Busch  zu  Dürwis 
200  Reichsthlr.  Kontribution  bezahlt,  lieverungen  werden  immerfort  er- 
zwungen, einquartirungen  continuiren  von  Tag  zu  Tag  ohnunterbrochen, 
Jammer  und  elend,  rauben  stehlen  —  führen  allenthalben  das  rüder.  0 
abominanda  libertas! 


—  50  — 

1796. 

Annus  novus,  nova  miseria,  ruinae  novae! 

Aus  dem  vodersten  sind  Januar  500  Reichsthlr.  Kontribution  sub 
nomine  eines  gezwungenen  Aolehens  gefoderet  und  sonach  in  Aachen  bezahlt 
worden  ohn  Nachlass  einer  busclien. 

Im  februar  hat  Haaren  (und  andere  Orten)  1400  pfund  Kühe-  und  rind- 
fleisch  in  natura  lieferen  oder  mit  münz  Tlieuer bezahlen  müssen.  Darzu  wird 
das  von  dreien  Jahren  her  nicht  gefodertes  Mehlgeld  erpresset,  dadurch 
alles  gänzlich  erschöpft  und  ausgemergelt  wird,  noch  nicht  genug:  gewinn 
und  gewerb  muss  ein  merkliches  kontribuiren  auf  dem  land  und  in  der 
statt,  anbei  einjeder  in  der  statt  von  seinem  Hauss  und  Häusern. 

Die  Nadelfabrique  florirte  in  vorig  Jahr  nicht,  aber  die  Tuchfabrigs 
diese  waren  vast  allenthalben  ganz  müssig:  nun  floriret  einzig  die  Tücher- 
arbeit, nicht  aber  die  nadelmacherei. 

Nicht  wenige  in  meiner  pfarr,  wie  auch  anderwerts  gehen  bettelen, 
die  vorhin  das  liebe  Brod  und  noch  was  darzu  zu  geniessen  hatten.  O 
kummer,  o  noth! 

Regem  Reginam  detruncavere  Tyranni 
Omnem  Conventum  par  quoque  poena  premet. 

In  einem  sehr  alten  Buch  zu  Aachen,  die  Brüssler  Chronik  ^  genannt, 
stehet  folgendes: 

Anno  millesimo,  bis  ter  Centeno, 

Ter  quadraginta,  et  quinquageno. 

Bis  ter,  bis  nono,  finem  tibi  Gallia  pono. 

Wan  man  wird  schreiben  die  Zahl: 

Ein  Tausend 1000 

Zwei  mal  dreihundert 600 

Drei  mahl  vierzig 120 

Einmal  fünfzig 50 

Zweimahl  drei  und  zweimahl  neun  24 

1794 
wird  Frankreichs  Ende  sein. 

Lary:  Fary. 


Kleinere  Mitteilung. 

Der  Aachener  Stadtbrand  im  Jahre  1656. 

In  dem  alten  Haarener  Kirchenbuche,  welches  die  Nachweise  über  die  vom 
Jahre  1649  bis  zum  Jahre  1722  in  der  dortigen  Pfarre  vorgekommenen  Taufen,  Kopulationen 
und  Sterbe fillle  enthält,  befinden  sich  drei  kurze  Berichte  über  den  grossen  Stadtbrand 
in  Aachen,   die,  wenn   sie   auch  nichts   wesentlich   Neues   bieten,   doch   aus   mehrfachen 


')  Ueber  dieses  Buch  habe  ich  Näheres  nicht  erfahren  küunen. 


—  51  — 

Gründen  der  Veröffentlichung  wert  zu  sein  scheinen.  Dieselben  rühren  sämtlich  von  der 
Hand  des  Pfarrers  Heinrich  Brewer  her,  der  am  14.  Februar  1649  in  der  Nachbargemeinde 
Haaren  in  sein  geistliches  Amt  eingeführt  wurde.  Derselbe  stammt  seinen  eigenen  Angaben 
gemäss  aus  „pauffendorp'*,  also  aus  Puffendorf,  einem  Pfarrorte  im  Kreise  Geilenkirchen, 
war  eine  Zeitlang  Schulrektor  und  Kaplan  in  Walhorn  und  wurde  in  dem  angegebenen  Jahre 
Pfarrer  in  Haaren,  wo  er  am  2.  Juli  1679  gestorben  ist.  Der  im  11.  Jahrgang  dieser 
Zeitschrift  S.  12  und  folgende  erwähnte,  als  Geschichtsschreiber  und  Dichter  rühmlichst 
bekannte  Pfarrer  Heinrich  Brewer  von  St.  Jakob  in  Aachen,  dürfte  wohl  ein  Neffe  des 
Haarener  Pfarrers  gewesen  sein,  da  er  mit  ihm  gleichen  Geburtsort,  Vor-  und  Familien- 
namen teilte.  Ob  die  beiden  auch  mit  dem  um  dieselbe  Zeit  als  Pfarrer  von  St.  Peter 
in  Aachen  wirkenden  Gerardus  Brewer,  den  Planker*  im  Anschluss  an  Quix  für  einen 
geborenen  Aachener  hält,  verwandt  gewesen  ist,  steht  nicht  fest.  Die  Mitteilungen  des 
Pfarrers  Brewer  von  Haaren  über  den  Stadtbrand  in  Aachen  sind  schon  um  deswillen 
interessant  und  bemerkenswert,  weil  er  jedes  Mal  ausdrücklich  hervorhebt,  dass  er  mit 
eigenen  Augen  der  verheerenden  Feuersbrunst  zugeschaut  habe.  Dieselben  bestätigen 
bezüglich  des  Namens  des  Mannes,  bei  dem  das  Feuer  ausgebrochen  und  bezüglich  der 
Lage  seines  Hauses  die  Angaben  jener  andern  gleichzeitigen  Chronisten,  die  vermöge  ihrer 
gesellschaftlichen  Stellung  und  Bildung  das  meiste  Vertrauen  beanspruchen  können.  Was 
zunächst  den  Namen  des  Mannes  anbelangt,  in  dessen  Hause  der  Herd  des  Feuers  zu 
suchen  ist,  so  war  derselbe  bekanntlich  in  den  Ratsprotokollen  der  freien  Reichsstadt 
Aachen  verzeichnet,  ist  aber  nachher  durchgestrichen  worden.  Ob  dies  geschehen  ist, 
weil  man  andeuten  wollte,  dass  der  Name  des  Menschen,  der  mindestens  durch  Fahrlässig- 
keit so  unsägliches  Unglück  über  seine  Vaterstadt  und  seine  Mitbürger  gebracht,  nur 
wert  sei  ewiger  Vergessenheit  anheimzufallen,  oder  aber,  weil  man  dadurch  einen  Unschuldigen 
vor  Verdächtigungen  der  Nachwelt  möglichst  schützen  wollte,  möge  dahin  gestellt  bleiben; 
genug,  er  ist  in  den  amtlichen  Schriftstücken  nicht  mehr  vorhanden.  Der  zur  Zeit  des 
Brandes  in  dem  unweit  entfernten  Dominikanerkloster  lebende  Laienbruder  Abraham 
Erven*  berichtet,  dass  der  Mann  „Peter  Maw**  geheissen  habe.  In  einer  handschriftUchen 
Aufzeichnung'  eines  Augenzeugen,  die  sich  auf  einem  leeren  Blatte  eines  Exemplars 
der  Chronik  von  Noppius  befindet,  wird  er  ebenfalls  „Maw"  genannt.  Und  gleichfalls 
nach  unserm  Chronist  Heinrich  Brewer  führte  er  den  Zunamen  „Maw".  Demgegenüber 
können  die  Angaben  des  Meyer*,  in  seinen  um  1751  erschienenen  „Achensche  Geschichten", 
dass  er  „Johann  Mous"  geheissen  habe  um  so  weniger  in  die  Wagschale  fallen,  als 
denselben  ohne  Zweifel  ein  leicht  erklärlicher  Schreibfehler  zu  Grunde  liegt.  Die  Nachrichten 
der  Chronisten  über  die  Lage  des  verhänguissvollen  Hauses  in  der  Jakobstrasse  sind  fast 
alle  derart  gehalten,  dass  mau  zu  der  Annahme  verleitet  werden  könnte,  es  hätten  sich 
unterhalb  der  alten  St.  Jakobs pfarrkirche  etwa  an  das  Chor  angebaut,  noch  ein  oder 
mehrere  Häuser  befunden.  Der  Dominikanerbruder  Abraham  Erven  lässt  das  betreffende 
Haus  neben  der  Pfarrkirche  St.  Jakob,  ein  Franziskanerchronist '^  in  der  Nähe 
der  Jakobskirche;  eine  Dürener  Chronik  des  dortigen  Annuntiatenordens *  gegen  St. 
Jakobs-pfarrkirche  über  nächst  an  der  Jnnkers  pforten,  Heinrich  Brewer  an 
St.  Jakobs  kirchen,^8tracks  unter  der  Kirche  und  prope  templum  sancti 
Jacobi  gelegen  sein.  Allein  wer  die  Lage  der  alten  St.  Jakobskirche  noch  aus  eigener 
Anschauung  gekannt,  weiss,  dass  dieselbe  von  allen  Seiten  frei  lag,  vom  Pfarrkirchhof 
umgeben  war  und  für  weitere  Gebäulichkeiten  in  ihrer  unmittelbaren  Nähe  keinen  Raum 
übrig  Hess.  Es  bleibt  demnach  nichts  anderes  übrig  als  die  bezüglichen  Ausdrücke  der 
Chronisten  etwas  weiter  aufzufassen  und   die   von   Rhoen   beigebrachten   Belege   für  die 

*)  Aoii  Aachens  Vorzoit  Jahrgang  II,  8.  3B  und  84. 
*)  Qaix,  Das  ehemalige  Dominikanerkloster  etc.    S.  39  ff. 
*)  Rhoen,  Der  grosse  Brand  zn  Aachen  am  2.  Mai  1656  S.  11. 
*)  Meyer,  Aohensche  Geschichten  etc.  8.  652. 
■)  Neu  Pra.,  Zar  Geschichte  des  Franziskanerklosters  etc.    8.  48. 

*)  Schollen  Frz.,   Zur  Geschichte  der  Annuntiuten   in  Aa<'lien.    Aus  Aachens  Vorzeit   Jahr- 
gang yn,  8.  64.  ^ 


—  52  — 

Annahme,  dass  die  Feuersbrunst  in  dem  der  alten  Pfarrkirche  südöstlich  gegenüber  gelegenen 
Hause  entstanden  ist,  dessen  Stelle  das  heute  mit  der  Nummer  141  bezeichnete  Haus 
einnimmt,  anzuerkennen. 

Die  von  Pfarrer  Heinrich  Brewer  aus  Haaren  verfassten  Berichte  haben  folgenden 
Wortlaut : 

I.  Anno  Christi  1656  den  2  tag  Meij  des  morgens  zwischen  acht  und  9  uhren  ist 
in  der  statt  Aach  in  St.  Jakobsstrass  an  St.  Jakobs  Kirchen  in  eines  Beckershaass 
ein  brandt  entstanden,  welcher  innerhalb  20  uhren  mehr  als  derij  tausend  häusser  hat 
eingeeschert  auch  das  schone  Munster,  Rathauss  viele  Kirchen  und  closteren.  Gott  will 
sich  unserer  erbarmen  Amen.  Ego  Henricns  Brewer  quartus  pastor  in  Haaren  incendium 
hoc  praesens  multis  horis  vidi  qui  et  haec  scripsi  die  10  May. 

II.  Anno  Christi  1656  den  2  tag  Maij  in  feste  S.  Athanasii  juxta  Breviarinm  Rom. 
seu  juxta  Colon:  Kaleudarium  in  feste  S.  Sigismundij  ist  die  Statt  Aach  abgebrant,  der 
aufang  des  feners  ist  gewest  in  St.  Jakobstrass  stracks  unter  der  Kirchen  in  eines 
beckershauss  des  zunahmens  Maw  und  hatt  gewehret  biss  4  uhren  dess  anderen  Tags. 
Quod  vidimus  praesentes  nostris  oculis  testamur.    0  deus  miserere  nostri. 

Henricus  Brewer  von  pauffendorp,  pastor  in  Haren  mp. 
ni.  Anno  1656  die  secunda  May  ipso  feste  sancti  Athanasij  mane  intra  horam 
octavam  es  nonam  in  urbe  Aquensi  in  platea  Sancti  Jacobi  prope  templum  sancti 
Jacobi  in  domo  pistoris  cujusdam  exortum  incendium,  combussit  spatium  viginti  horarum 
circiter  tria  milia  domorum  et  amplius:  damnum  irreparabile  est  aliqui  etiam  homines 
combusti  Inter  extinguendam  in  cellis  multa  fuerunt  adhuc  conseniata.  Dominus  deus 
illuminet  vultum  suum  super  nos  et  misereatur  nostri.  Ego  Henricus  von  pauffendorp 
pastor  Harensis  hoc:  incendium  praesens  aspcxi.     Et  haec  scripsi  mp. 

Aachen.  H.  Schnock, 

Verlag  der  Cremersehen  Bnehhandinng  in  Aachen,  Kleinmarsehierstr.  3. 

Die  Fabel  von  der  Bestattung  Karls  des  Grossen. 

Von  TH.  LINDNER. 

III.  82  S.  gr.  8».    Preis  uK  1.60. 


Kunstdenkmale  des  Mittelalters  im  Gebiete  der  Maas  vom  Xil.-XVI.  Jahrh. 

Aufgenommen  und  gezeichnet 

von  L.  VON  FISENNE. 

Architekt. 

Erster  Band,  1.— 5.  Lief.  92  Tafeln;  der  Text  wird  der  6.  Lief,  beigegeben.  Preis 
für  eine  Serie  von  6  Liefemngen  13  ^ 

Die  Porträtdarstellungen  Karls  des  Grossen. 

Von 

PAUL  CLEMEN. 

VIII  und  233  S.  gr  8"  mit  17  Abbildungen.     Preis  6  UK 


Die  ältere  Topographie  der  Stadt  Aachen. 

Von  C.  RHOEN. 

II,  124  S.  gr.  8"  mit  4  Plänen.    Preis  2  JC 

Druck  von  HkRMVNK  Kaatzek  in  Aachen. 


Jährlich  S  Nummern  Kommisa ions- Verlag 

ik  1  Bogen  Eoyal  Oktav.  **'" 

Cremer'scheu  Buchliandliing 
Preis  des  Jahrgangs  ,„  („,„ 

4  Hark.  in  Aachen. 

Mitteilimgen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Im  Auftrage  des  Vereins  heraosgegeben  von  &.  Sobnook. 


Xr.  4/8.  Zehnter  Jahr^an^. 


Inhalt:  J.  Fey,  Zur  Geschichte  Aachener  Maler  des  19.  Jahrhunderts.  —  K.  Wacker, 
Hax  von  Schenkendorf  am  Bheio  nnd  in  Aachen.  —  A.  Bnmmea,  Zur  Geschichte  des  Ortes 
Schevenhütte  im  Landkreise  Aachen.  —  Kleinere  Mitteilungen:  1.  Keiheofotge  der  Pfarrer 
in  der  Gemeinde  Haaren  bei  Aachen.  —  2.  Sin  Brief  Ernst  Horitz  Arndts  an  den  Maler 
Salm.  —  3.  Ein  Agent  in  Aachener  Diensten  während  des  Pfälzischen  Krieges.  —  4.  Löhnungs- 
liste der  Soldaten  der  Beichsetadt  Aachen  vom  26.  April  1657.  —  5.  Kosten  eines  Festessens 
im  Jahre  1700.  —  Bericht  über  das  Vereinsjahr  1897.  —  Verzeichnis  der  Mitglieder. 


Zur  Geschichte  Aachener  Maier  des  19.  Jahrhunderts. 

Von  J.  Foy. 

Im  Spätsommer  1837  fand  in  Aachen  eine  grosse  Gemfllde-Aasatellung: 
zeitgenÖBßischer  Meister  statt.  Mehr  als  200  Bilder  waren  zur  Besichtigung 
dargeboten ;  die  hervorragendsten  Düsseldorfer  Maler  damaliger  Zeit,  HUbner, 
Lessing,  Schirmer,  Acheobach  n.  s.  w.  zählten  zu  den  Ausstellern. 

„Wahre  Freude  muss  es  erregen",  schrieben  die  hier  erscheinenden 
Westlichen  Blätter  für  Unterhaltung,  Kunst,  Litteratur  und  Leben*,  „dass 
unter  so  ausgezeichneten  Künstlern  sich  eine  nicht  geringe  Anzahl  von 
Aachnern  befinden  und  zwar  solche,  die  der  Ausstellung  Ehre  machen. 
Die  Gemälde  von  Rethel,  namentlich  seine  Justiz,  zeugen  von  einer  hoch- 
poetischen  Auffassung  und  von  der  grössten  Fertigkeit  in  der  Behandlung. 
Scheuren  hat  eine  liübsche  Flussansicht  beigesteuert.  Schmid  hatte  treff- 
liche Portraits  geliefert.  Von  Thomas,  Baätinä,  Chauvin,  Götting,  Scheins, 
Venth  ist  vieles  Gelungene  da.  Aachen  ist  demnach,  'nie  man  sieht,  nicht 
am  schliramsten  bei  dieser  Ausstellung  beteiligt,  was  ein  Reiz  mehr  ist, 
ihr  recht  viele  Teilnahme  zu  verschaffen.  Im  Ganzen  ist  des  Schönen 
so  viel  versammelt,  dass  eine  vierwöchige  Anschauung  nicht  zu  viel 
ist,  um  sich  mit  demselben  genauer  bekannt  zu  machen  und  alle  Einzel- 

')  Erster  Jahrgang  Nt.  SS  vom  t.  September  1637. 


—  54  — 

heiten  gehörig  zu  sondern  und  zu  einem  recht  reinen,  bewussten  Genüsse 
zu  gelangen/ 

In  der  That  wurde  im  laufenden  Jahrhundert  eine  ganze  Reihe  hervor- 
ragender Maler  in  Aachen  geboren.  Neben  diesen  auch  in  den  weitesten 
Kreisen  bekannt  gewordenen  Meistern  lebte  und  wirkte  in  unserer  Vater- 
stadt auch  eine  grosse  Anzahl  von  Künstlern,  die,  wenn  ihren  Namen  und 
ihren  Werken  auch  keine  weite  Verbreitung  ausserhalb  der  Mauern  Aachens 
zu  teil  wurde,  dennoch  Beachtungswertes  geleistet  haben.  Ihr  Angedenken 
der  Nachwelt  zu  bewahren,  Angaben  über  ihr  Leben  und  die  Art  ihres 
Schaffens  zu  geben,  dürfte  daher  an  der  Neige  des  Jahrhunderts  um  so 
mehr  angebracht  sein,  als  manche  der  Anzuführenden  bescheidenen  Sinnes 
wenig  Sorge  um  ihre  Verewigung  getragen  haben,  und  so  die  Gefahr 
droht,  dass  ihre  Namen  unverdienter  Vergessenheit  anheimfallen. 

Solchen  Erwägungen  verdanken  die  nachfolgenden  Zeilen  ihr  Entstehen. 
Es  ist  in  ihnen  der  Versuch  gemacht,  auf  Grund  zuverlässiger,  zum  Teil 
seit  Jahren  gesammelter  Materialien  Nachrichten  zu  geben  über  alle  Maler 
und  Zeichner  unseres  Jahrhunderts,  welche  entweder  in  Aachen  geboren 
wurden,  oder  unsere  Vaterstadt  zum  Sitze  ihrer  künstlerischen  Thätigkeit 
gewählt  haben.  Dass  hierbei  auch  die  Mittelmässigkeit  nicht  übergangen 
werden  durfte,  braucht  bei  einer  lokalgeschichtlichen  Arbeit  nicht  gerecht- 
fertigt zu  werden.  Aus  naheliegenden  Gründen  haben  jedoch  nur  die  Künstler 
Berücksichtigung  gefunden,  die  nicht  mehr  unter  den  Lebenden  weilen.  Eine 
vollständige  Aufzählung  der  Werke  der  behandelten  Maler  lag  ausserhalb  des 
Rahmens  dieser  Arbeit.  Es  sind  jedoch  namentlich  bei  weniger  bekannten 
Meistern  einige  Arbeiten  zur  Kennzeichnung  der  Kunstrichtung,  dann  ferner 
diejenigen  Bilder  angegeben,  welche  sich  soweit  bekannt  in  öffentlichen  Samm- 
lungen und  Gebäulichkeiten  befinden.  Den  Daten,  welche  auf  Grund  amtlicher 
Urkunden  festgestellt  werden  konnten,  ist  der  Vermerk  „(off)"  beigefügt. 

Der  Verfasser  ist  davon  überzeugt,  dass  seine  Arbeit  der  Ergänzung 
nicht  allein  fähig  ist,  sondern  derselben  in  jeder  Hinsicht  bedarf;  alle  dahin- 
gehenden Mitteilungen  und  Belehrungen  wird  er  daher  mit  Dank  annehmend 


An  die  Spitze  der  in  Betracht  kommenden  Künstler  gehört  ein  Maler, 
dessen  Schaffen  zum  Teil  noch  dem  vorigen  Jahrhundert  angehört  und  der  als 
mundartlicher  Dichter  auch  heute  noch  mit  Ehren  genannt  wird.  Es  ist  dies 

1.  Johann  Ferdinand  Jansen. 

Jansen  wurde  am  3.  April  1758  (off)  in  der  Pfarrkirche  seines  Geburts- 
orts Weisweiler  im  Kreise  Düren  getaufte  Nachdem  er  in  seinem  Heimatsorte 
den  ersten  Unterricht  erhalten,  siedelte  er  mit  seinem  Vater  Heinrich  Jansen 

>)  AUen,  die  mich  bei  dieser  Arbeit  mit  Rat  und  That  unterstützt  haben,  sage  ich 
auch  an  dieser  SteUe  herzlichsten  Dank. 

')  Da  es  katholische  Sitte  ist,  die  Kinder  spätestens  am  dritten  Tage  nach  der 
Geburt  taufen  zu  lassen,  werden  der  Geburts-  und  Tauftag  nahe  zusammenliegen. 


—  So- 
nach Aachen  über,  wo  er  das  Jesuiten-Gymnasium  absolvirte  und  sich  dann 
dem  Berufe  seines  Vaters,  der  Malerei,  widmete.  In  Aachen  heiratete  Jansen 
die  daselbst  geborene  Theresia  Pickenkamp,  mit  welcher  er  25  Jahre  in  glück- 
licher Ehe  lebte.  Nach  ihrem  Tode  lebte  er  noch  26  Jahre  im  Witwerstande 
und  starb  am  6.  Januar  1834  (oflf). 

Jansen  war  Geschichts-  und  Landschaftsmaler.  Insbesondere  hat  er 
vielfach  nach  damaliger  Sitte  ganze  Zimmer  mit  Landschaften  bemalt.  Ich 
kenne  auch  vier  von  ihm  im  Jahre  1796  in  Aquarell  gemalte  Ansichten  von 
Aachen  und  Burtscheid.  In  unserem  Liebfrauenmtinster  renovirte  er  1824 
und  1 825  die  aus  den  dreissiger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  stammen- 
den Bemardinischen  Deckengemälde  im  Oktogon  des  Hochmünsters  und 
malte  selbständig  in  dem  westlichen  Gewölbe  über  dem  Krönungsstuhl  die 
Einweihung  des  Münsters  durch  Papst  Leo  III.  im  Jahre  805.  In  der 
unteren  Ecke  dieses  Gemäldes  hatte  Jansen  in  bescheidener  Weise  sein 
eigenes  Bild  angebracht.  Als  in  der  ersten  Hälfte  der  siebziger  Jahre 
die  ganze  Innendekoration  unseres  Münsters  „mit  einer  unheimlichen  Gründ- 
lichkeit" vernichtet  wurde,  ohne  dass  man  vorher  auch  nur  Photographien 
der  zerstörten  Gemalte  und  Ornamente  hätte  anfertigen  lassen,  fand  auch 
dieses  Gemälde  und  damit  das  einzige  Bildnis  Jansens  den  Untergang^. 

Nach  Franz  Neu^  wäre  auch  das  Gemälde  im  Franziskus-Altar  der 
hiesigen  Nikolauskirche,  welches  den  hl.  Franziskus  in  Verzückung,  gestärkt 
von  einem  Engel,  darstellt,  von  Jansen  gemalt  worden.  Wie  jedoch  Alfred 
von  Wolzogen^  und  Ernst  Förster*  angeben,  ist  dieses  Bild  ein  Werk  von 
Aloys  Cornelius,  dem  Vater  Peters  von  Cornelius. 

Ferdinand  Jansen  war  ein  feingebildeter  Mann,  der,  wie  sein  Enkel, 
der  verstorbene  Limburger  Domkapitular  Thissen,  in  einem  1871  in  Aachen 
gehaltenen  Vortrage  rühmte,  „unseren  Aachener  Dialekt  zur  Schriftsprache 
erhoben,  ohne  den  in  keiner  angesehenen  Aachener  Familie  ein  Fest  gefeiert 
wurde,  ein  echter  Volksmann".  Bei  seinem  Tode  bekleidete  er  das  Ehren- 
amt eines  Kirchmeisters  der  Nikolauspfarre. 

Leider  beherrschte  Jansen  den  Aachener  Dialekt  nicht  völlig;  man 
merkt  es  seinen  Gedichten  an,  dass  ihr  Verfasser  kein  geborener  Aachener  war, 
für  mundartliche  Studien  haben  dieselben  daher  so  gut  wie  keinen  Wert  \ 


*)  C.  Rhoen,  Jahrgang  VIII,  S.  122  dieser  Zeitschrift.  Wie  mir  die  Kinder  des  Malers 
Billotte  mitgeteilt  haben,  hat  dieser  Tor  langen  Jahren  für  einen  hohen  französischen 
Geistlichen,  der  hier  im  Bade  weilte,  Zeichnungen  der  Deckengemälde  des  Hochmünsters 
angefertigt.    Wo  dieselben  sich  befinden,  falls  sie  noch  existiren,  ist  unbekannt. 

^  Zur  Geschichte  des  Franziskanerklosters  ...  in  Aachen.    Daselbst  ISSl,  S.  121. 

*)  Peter  von  Cornelius.    Berlin  1867,  S.  7. 

*)  Peter  von  Cornelius.    Ein  Gedenkbuch.     Berlin  1874,  Bd.  I,  S.  1. 

*)  Sammlung  verschiedener  Gedichte  in  der  Aachener  Volkssprache  zum  Nutzen 
des  hiesigen  Armen  Inatitutes  herausgegeben  von  Ferd.  Jansen,  Maler.  2  Teile.  1815 
und  1821.  —  X.  Brammertz,  Poetische  Muster-Sammlung  aus  unsern  altern  und  neuern 
Dichtern  in  Aachener  und  hochdeutscher  Mundart.  2.  Heft,  Aachen  1881,  3.  Heft,  daselbst 
1882.  —  H.  Freimuth,  Aachens  Dichter  und  Prosaisten.  Aachen  1882,  ßd.I,  S.  39  und  184. 


—  56  — 

In  das  18.  Jahrhundert  zurück  reicht  auch  noch  das  Wirken  von 

2.  Aegidius  Johann  Peter  Joseph  Schenren. 

Er  war  in  Aachen  am  27.  März  1774  (off)  geboren,  verheiratete  sich 
am  2.  Oktober  1805  (off)  mit  Maria  Magdalena  Schavoir  aus  Aachen  und 
starb  daselbst  am  7.  Juni  1844  (off).  Scheuren  war  Zeichenlehrer  der 
höheren  Töchterschule  an  St.  Leonhard  hierselbst  und  hat  sein  Andenken 
in  Aachen  durch  eine  Anzahl  teils  aquarellirter  teils  lithographisch  ver- 
vielfältigter Veduten  aus  der  Stadt  und  Umgegend  gerettet. 

Eine  von  ihm  im  ersten  Bande  der  „Rheinischen  Flora**  (Aachen  1825) 
wiederholt  veröffentlichte  Ankündigung  hat  mehrfaches  Interesse  und  möge 
daher  hier  einen  Platz  finden. 

Im  Vertrauen  auf  die  Liebe  der  Bewohner  Aachens  für  ihre  Vaterstadt,  wagt 
es  Unterzeichneter  zu  unternehmen:  Ansichten  von  den  Hauptgebäuden  der  Stadt, 
in  getreuen,  sauber  iUuminirten  Lithographien,  von  welchen  die  Münster-Kirche 
schon  fertig  ist^,  zu  einem  biUigen  Subscriptions-Preis ;  das  Stück  zu  18  Sgr.,  seinen 
Mitbürgern  anzubieten:  1)  Die  Münsterkirche.  2)  Das  Rathhaus.  3)  Das  neue 
Schauspielhaus.  4)  Der  neue  Mineralbrunnen.  5)  Die  Feierlichkeit  der  Monarchen 
am  18.  Okt.  1818  vor  St.  Adalbertsthor.  Vom  Erfolge  dieses  Unternehmens  wird 
es  abhangen,  ob  die  in  jeder  Hinsicht  reitzenden  Umgebungen  der  Stadt  folgen 
werden.  J.  P.  Scheuren,  Maler,  Franzstrasse  Nro.  466. 

Scheuren  war  auch  Portraitmaler.  Ein  von  ihm  1810  gemaltes  Bildnis 
des  ersten  Bischofs. von  Aachen,  Markus  Antonius  Berdolet  (f  1809),  be- 
findet sich  in  unserem  Suermondt-Museum.  Von  Scheuren  stammt  auch  die 
Zeichnung  zu  dem  Bilde  des  Dichters  Wilhelm  Smets,  welches  dessen  im 
Jahre  1824  hier  erschienenen  Gedichten  als  Titelbild  beigegeben  ist  und 
nach  dem  Urteile  von  Leuten,  die  noch  mit  Smets  verkehrt  haben,  trotz 
seiner  frühen  Entstehungszeit  die  Züge  auch  des  gealterten  Dichters  besser 
wiedergibt,  als  das  Relief  auf  dem  Grabdenkmal  und  die  hiemach  ange- 
fertigten Zeichnungen,  in  denen  Smets  kaum  zu  erkennen  sein  soll. 


Während  die  beiden  vorhergehenden  Maler  in  ihrem  stillen,  bescheidenen 
Schaffen  noch  an  die  letzten  Zeiten  der  alten  Reichsstadt  erinnern,  tritt  uns 

3.  Johann  Baptist  Joseph  Bastin6 

als  Mann  einer  neuen  Zeit  und  einer  neuen  Kunstrichtung  entgegen,  wie 
sie  sich  in  Frankreich  allerdings  schon  vor  der  gi'ossen  Revolution,  aber 
auch  während  derselben  entwickelt  hatte. 

Bastin6  war  ein  Brabanter  und  am  19.  März  1783  zu  Löwen  geboren, 
wo  sein  Vater  als  Polizei-Kommissar  angestellt  war.  Schon  als  Kind  verriet 
er  Anlagen  zum  Zeichnen.  Der  sonst  muntere  und  rührige  Knabe  war 
ruhig  und  still  geschäftig,  wenn  er  Bleifeder  und  Papier  zur  Hand  hatte. 

^)  Ein  Exemplar  dieser  Lithographie  befindet  sich  dahier  im  Suermondt-MuseunL 


—  57  — 

Der  Vater  erkannte  die  Veranlagung  des  Sohnes  und  brachte  ihn  frühzeitig 
auf  die  von  Gitz  geleitete  Löwener  Akademie  der  schönen  Künste,  wo  er 
sich  bald  durch  Fleiss  und  Leistungen  unter  seinen  Mitschülern  auszeichnete. 
Im  Jahre  1802  erhielt  er  den  ersten  Preis  im  Zeichnen  nach  Antiken  und 
im  folgenden  Jahre  den  gleichen  Preis  im  Zeichnen  nach  der  Natur.  1804 
ging  Bastin6  zu  seiner  weiteren  Ausbildung  nach  Paris  zu  dem  Maler 
David,  der  damals  das  ganze  europäische  Kunstleben  beeinflusste.  Zu 
seinen  ausgezeichnetsten  Mitschülern  gehörten  hier  Gerard  und  Girodet, 
mit  welchen  er  bis  zu  ihrem  Lebensende  in  enger  Freundschaft  ver- 
bunden blieb. 

Nach  der  Rückkehr  in  sein  Vaterland  vermählte  Bastin6  sich  mit 
Theresia  van  Vlasselaer  und  zog  1811  nach  Aachen,  wo  er  eine  Zeichen- 
schule gründete.  Er  hat  hierdurch  nicht  wenig  zur  Wiederbelebung  künst- 
lerischer Bestrebungen  in  unserer  Vaterstadt  beigetragen,  in  welcher  in 
Folge  fast  zwanzigjähriger  Kriegsunruhen  das  Kunstleben  arg  damiederlag. 
Sein  Wirkungskreis  erweiterte  sich  noch,  als  er  1815  die  Stelle  des  Zeichen- 
lehrers am  Gymnasium  tibernahm,  welche  er  bis  zu  seinem  Lebensende 
bekleidet  hat.  Eine  ganze  Reihe  Maler,  auf  welche  wir  noch  zurückkommen 
müssen,  so  Götting,  Billotte,  Schieiden,  Venth,  Thomas,  Chauvin  und  Kühnen 
verdanken  Bastin6  die  erste  Anleitung  für  ihren  Beruf. 

Insbesondere  hat  Bastin6  das  grosse  Verdienst,  das  hervorragende 
Talent  Alfred  Rethels,  mit  dessen  Eltern  er  wohl  befreundet  war,  entdeckt 
und  dahin  gewirkt  zu  haben,  dass  derselbe  der  Düsseldorfer  Akademie 
anvertraut  wurde  ^  Wie  Raczynski  mitteilt,  besass  Bastin6  eines  der  ersten 
Werke  Rethels,  eine  halbe  Figur  etwas  unter  Lebensgrösse,  deren  Stellung 
und  Kopf  an  die  Werke  Salvator  Rosas  erinnerten. 

Bastinö  starb  in  Aachen  am  14.  Januar  1844  (oflF).  Der  Verlust 
seiner  älteren  Tochter  und  seines  Sohnes,  eines  talentvollen  Malers,  welche 
ihm  in  der  Blüte  der  Jahre  entrissen  wurden,  hatten  in  den  letzten  Lebens- 
jahren den  Mut  des  sonst  heiteren  und  lebensfrohen  Mannes  gebrochen. 
Er  scheint  sich  auch  mit  Todesahnungen  getragen  zu  haben.  Zwei  Tage 
vor  seinem  Hinscheiden  zeichnete  er  drei  Vorlegblätter,  wovon  das  erste 
einen  entblätterten  Baum  darstellte,  unter  welchem  auf  einer  Ruhebank 
ein  Reisebündel  und  ein  Stab  lagen.  Auf  dem  zweiten  Blatte  befand  sich 
ein  Grabgewölbe  mit  zerstreuten  Gebeinen.  Das  letzte  Blatt  stellte  ein 
bemoostes  Kreuz  unter  einem  alten,  morschen,  entlaubten  Baume  dar*. 

Bastin6  war  Geschichts-  und  Portraitmaler,  in  den  letzten  Lebens- 
jahren beschäftigte  er  sich  auch  mit  der  Landschaftsmalerei.  Noch  ein 
anderes  Talent  besass  Bastin^:  er  war  auch  ein  tüchtiger  Modellirer  und 
leistete  als  solcher  nicht  Unerhebliches.    Sein  Portrait  ist  erhalten  auf 


^)  Baczynski,  Geschichte  der  neueren  deutschen  Kunst  Bd.  I,  S.  191.  Vgl.  dazu 
Wolfgang  Müller,  Alfred  Bethel  S.  4. 

')  Der  für  das  Vorstehende  benutzte  Nekrolog  von  dem  GymnasiaUehrer  Dr.  Joseph 
Müller  in  Nr.  21  der  Stadt- Aachener-Zeitung  vom  21.  Januar  1844  liefert  den  Beweis, 


—  58  — 

eiüera  Selbstbildnisse  Billottes  aus  dessen  jttngeren  Jahren,  wo  er  sich  dar- 
gestellt hat  mit  einem  offenen  Skizzenbuche  in  der  Hand,  in  welches 
Bastin^s  Bildnis  eingezeichnet  ist. 

In  unserem  Suermondt-Museum  befindet  sich  von  Bastin6  ein  grosses 
Ölgemälde:  die  Heimkehr  des  jungen  Tobias  (Saal  IV,  Nr.  329).  Leider 
hängt  dasselbe  in  einer  dunkelen  Ecke  über  einem  Schrank,  so  dass  von 
einer  Besichtigung  keine  Eede  sein  kann. 

Das  hiesige  Alexianerkloster  besitzt  von  Bastln^  das  nach  dem  Leben 
gemalte  Portrait  des  Kaisers  Franz  I.  von  Österreich,  ein  Geschenk  des 
Dargestellten  ^  Eine  kleinere  Landschaft  und  zwei  kleine  Ölskizzen  zu 
Geschichtsbildern  besitzen  die  Kinder  des  Malers  Billotte  hierselbst. 


In  den  Tagen  der  tiefsten  Erniedrigung  Deutschlands,  als  unsere 
alte  Kaiserstadt  französische  Departementsstadt  geworden  war,  ward  in 
dem  ebenfalls  von  den  Franzosen  besetzten  Rom  der  deutsche  Kunstgeist 
neu  geboren.  Das  Neuaufleben  der  deutschen  Malerei  ist  mit  den  Namen 
Cornelius  und  Overbeck  unzertrennlich  verbunden.  Der  erstere  übernahm 
im  Jahre  1821  die  Leitung  der  Düsseldorfer  Kunstakademie,  die  unter  ihm 
und  später,  allerdings  mit  veränderter  Richtung,  unter  Schadow  zu  frischem 
Leben  erblüte. 

Der  einzige  Schüler  des  Cornelius,  der  in  den  Rahmen  unserer  Ab- 
handlung gehört,  ist  meines  Wissens 

4.  Johann  Adam  Eberle, 

geboren  zu  Aachen  am  27.  März  1804  (oflf),  gestorben  zu  Rom  am  15.  April 
1832.  Über  ihn  habe  ich  ausführlicher  im  9.  Jahrgange  dieser  Zeitschrift 
gehandelt,  es  mögen  hier  einige  Nachträge  Platz  finden. 

Ernst  Förster,  Eberles  Mitschüler  bei  Cornelius,  schildert  in  anschau- 
licher Weise  den  Eindruck,  den  Eberles  Persönlichkeit  auf  seine  Dussel- 


welch  hoher  Achtung  Bastinö  sich  bei  dem  Lehrkörper  des  Gymnasiums  erfreute.    Der 
Nekrolog  schliesst  mit  den  folgenden  auf  Bastin^s  letzte  Zeichnungen  bezüglichen  Strophen: 

Seine  Bürde  legt  er  nieder, 
Nieder  legt  er  seinen  Stab; 
Müde  sind  des  Wandrers  Glieder, 
und  ihm  öffnet  sich  ein  Grab. 

Traurig  sah  sein  Geist  die  Eichen 
Von  dem  Winterfrost  entlaubt, 
Doch  getrost  auch  jenes  Zeichen, 
Das  dem  Tod  die  Macht  geraubt. 

Ahnend  schwang  schon  über  Sterne 
Sich  sein  Geist  ins  Heimatland, 
Doch  noch  einmal  führt'  er  gerne 
Ihm  die  kunstgeübte  Hand. 

^)  Qu  ix,  Hist.-topogr.  Beschreibung  der  Stadt  Aachen.  Köln  und  Aachen  1829,  S.  61. 


—  59  — 

dorfer  Studieugenossen  machte:  „Unvergesslich  ist  mir  der  Augenblick, 
als  wir  unter  den  sogen,  jungen  Leuten'  der  Akademie  zwei  —  ich  möchte 
fast  sagen  —  Knaben  sahen,  die  durch  ihre  blosse  Erscheinung  wie  durch 
ihr  liebevolles  Arbeiten  einen  unwiderstehlichen  Zauber  auf  uns  ausübten, 
und  mit  denen,  wie  sie  unter  sich  innig  verbunden  waren,  rasch  eine  ewige 
Freundschaft  geschlossen  war:  Adam  Eberle  und  Wilhelm  Kaulbach.  Der 
erstere,  damals  mit  einer  Darstellung  der  Grablegung  Christi  in  lebens- 
grossen  Figuren  und  hierauf  mit  einer  kleineren  vom  Abschied  des  Tobias 
beschäftigt,  ist  nach  kaum  erfolgter  Reife  seines  schönen  und  edlen  Talentes 
in  ein  frühes  Grab  an  der  Pyramide  des  Cestius  gelegt  worden;  der  andere 
verfolgt  noch  immer  seine  glänzende  Laufbahn,  auf  welcher  er  die  höchsten 
Ehren  neben  dem  Meister  erlangt  hat^** 

„Eberle**,  schliesst  Förster  den  diesem  gewidmeten  Abschnitt,  „war 
ein  köstlicher  Mensch,  der  ursprünglich  hinter  einem  frischen,  unerschöpf- 
lichen Humor,  stets  bereitem  Witz  und  immer  heiterer  Laune  einen  heiligen 
Ernst  verbarg,  der  sich  vornehmlich  in  seiner  Kunstthätigkeit  ablagerte. 
Liebevoll  im  Gemüt,  rein  in  seinen  Anschauungen  war  er  treu  und  un- 
wandelbar in  der  Freundschaft  und  darum  von  Allen,  die  ihn  kannten, 
fest  ins  Herz  geschlossen*.** 

Das  von  Eberle  in  der  Glypthotek  nach  Cornelius'  Karton  ausgeführte 
Freskogemälde  stellt  nach  Wolzogen'  die  Geschichte  des  Oedipus  und 
seiner  Söhne  dar. 


Cornelius  hatte  das  Amt  eines  Direktors  der  Düsseldorfer  Kunst- 
akademie zu  Ostern  1825  niedergelegt  und  war  nach  München  übergesiedelt. 
Bis  zur  Ankunft  des  zu  seinem  Nachfolger  ernannten  Malers  W.  von  Schadow 
stand  Professor  Mosler  der  Akademie  vor.    Unter  ihm  wurde  sie  von 

6.  Friedrich  Thomas 

besucht.  Thomas  wurde  am  7.  März  1806  (off)  in  Aachen  geboren.  Sein 
Vater  war  Metzger,  und  für  seinen  Beruf  war  auch  der  Sohn  bestimmt. 
Dieser  aber  hegte  den  heissen  Wunsch  ein  Maler  zu  werden.  So  oft  der 
Metzgerlehrling  Waren  austragen  musste  und  dabei  an  dem  „unter  den 
Bogen**  des  Kurhauses  befindlichen  Laden  des  Kunsthändlers  Buffa  vorbei- 
kam, vergass  er  Kunden  und  Geschäft,  um  stundenlang  die  ausgelegten 
Stiche  und  Drucke  zu  besehen.  Die  Mutter  sah  nicht  ungern  die  Neigung 
ihres  Sohnes  und  sie  setzte  es  durch,  dass  er  die  Zeichenschule  Bastin6s 
besuchen  durfte. 

1826  finden  wir  Thomas  auf  der  Akademie  in  Düsseldorf.  Er  ver- 
wahrte aus  diesem  Jahre  unter  Glas  und  Eahmen  eine  Zeichnung  seines 

')  Geschichte  der  deutschen  Kunst.    Leipzig  1860,  5.  Teil,  S.  19. 
2)  A.  a.  0.  S.  79. 
•)  A.  a,  0.  S.  144. 


-  60  — 

Studiengenossen  Sonderland,  welche  ein  Picknick  darstellt,  an  dem  unter 
Anderen  die  Professoren  Mosler,  Wintergerst,  Kolbe,  Thelott  und  Schäfer 
mit  ihren  Damen,  ferner  ausser  Thomas  von  Aachener  Malern  Jungblut 
und  der  damals  bereits  nach  Düsseldorf  verzogene,  gleich  zu  erwähnende 
Götting  teilnahmen. 

Von  Düsseldorf  ging  Thomas  nach  Italien,  wo  er  drei  Jahre  blieb 
und  namentlich  längere  Zeit  in  Florenz  und  Eom  verweilte.  Die  Zeit,  in 
welche  diese  Studienreise  fiel,  lässt  sich  nicht  mehr  genau  bestimmen.  Aus 
noch  vorhandenen  Resten  seines  Skizzenbuches  geht  hervor,  dass  Thomas 
sich  am  30.  Juli  1829  in  Foligno  und  vom  1.  bis  3.  Oktober  1829  in 
Montefalco  aufhielt.  Das  Fragment  (36  Blätter)  enthält  ausser  Zeichnungen 
nach  Fiesole  und  Raphael  (Gruppen  aus  der  „Schule  von  Athen**  und  dem 
„Burgbrand**)  u.  s.  w.  auch  landschaftliche  und  architektonische  Skizzen 
aus  Rom,  Ariccia,  Foligno  und  Montefalco,  sowie  Volkstypen  aus  Rom  etc. 

Aus  Italien  hat  Thomas  ausser  historischen  und  landschaftlichen  Ge- 
mälden auch  die  Kopien  der  beiden  Raphaelschen  Bilder  mitgebracht, 
welche  sich  jetzt  in  unserem  Suermondt-Museum  befinden,  es  sind  dies  die 
Madonnen  del  Granduca  und  della  Sedia,  beide  zu  Florenz  im  Palazzo 
Pitti  befindlich.  Das  letztere  Bild  hat  Thomas  später  noch  wiederholt 
gemalt. 

Nach  der  Rückkehr  aus  Italien  liess  Thomas  sich  in  Aachen  nieder, 
wo  er  am  5.  Mai  1832  mit  Gertrud  Körfer  die  Ehe  schloss.  Er  hat  dann 
in  Aachen  eine  vielseitige  Thätigkeit  als  Portraitist,  Historienmaler  und 
Landschafter  entfaltet.  Als  Werke  von  ihm  können  hier  noch  erwähnt 
werden  ein  Portrait  des  Direktors  Dr.  Kribben  im  Konferenzzimmer  der 
Oberrealschule  und  ein  Bild  des  hl.  Alfons  im  Redemptoristen-Kloster  hier- 
selbst.  Auch  hat  er  die  im  Münsterchor  befindlichen  Apostelstatuen  und 
das  in  der  Mitte  des  Chores  hängende  doppelseitige  Marienbild  polychro- 
mirt.  Thomas  war  auch  als  Nachfolger  Scheurens  30  Jahre  lang  Zeichen- 
lehrer an  der  von  Ursuli nerinnen  geleiteten  höheren  Töchterschule  von 
St.  Leonhard  in  Aachen. 

Um  ein  Bild  von  seinem  gesamten  künstlerischen  Wirken  zu  geben, 
muss  noch  angeführt  werden,  dass  Thomas  auch  radirt  hat.  Mir  sind  von 
ihm  die  folgenden  Radirungen  bekannt. 

1.  Portrait  seines  Vaters. 

2.  Portrait  des  P.  Hasslacher  S.  J. 

3.  Portrait  des  Regierungs-Präsidenten  von  Reimann  zu  Aachen. 

4."  Abbildung    des    im    Münsterchore    hängenden    Muttergottesbildes 

(Vorderseite)  ^ 
5.  Der  Heiland  klopft  um  Einlass  an  (Oflfenb.  Joh.  3,   20),  ein  in 

gleicher  Weise  auch  von  anderen  Maleren  behandelter  Vorwurf. 

^)  Diese  Badirnng  ist  in  Naglers  Künstler-Lexikon  (XYIII,  S.  862)  nach  Weigels 
Kunstkatalog  Nr.  14458  b  angeführt  als  „Die  unbefleckte  Maria  auf  Wolken  und  der  von 
der  Schlange  umstrickten  Mondsichel '^. 


—  61  — 

6.  Pieta  (sehr  kleines  Bildchen). 

7.  Das  Pontthor  in  Aachen. 

8.  Das  Kloster  St.  Leonhard  in  Aachen. 

Von  den  beiden  letzten  Radirungen  sind  Exemplare  in  Saal  II  des 
Suermondt-Museums  ausgestellt. 

Selbst  Besitzer  einer  grossen  Kupferstich-Sammlung  galt  Thomas  auf 
diesem  Gebiete  als  tüchtiger  Kenner,  dessen  Rat  von  Kunstliebhabern  häufig 
erbeten  und  immer  gern  erteilt  wurde. 

Friedrich  Thomas  starb  zu  Aachen  am  7.  Juni  1879  (off).  „Ein 
Mann  ohne  Falsch",  schrieb  sein  vertrauter  Freund,  der  Rektor  Andreas 
Fey  „lebte  er  schlicht  und  recht,  treu  seiner  Familie,  seiner  Kunst  und 
seinen  vielen  Freunden;  —  Feinde  hatte  er  nicht." 


Schadow  tibernahm  die  Leitung  der  Düsseldorfer  Akademie  im  Herbste 
des  Jahres  1826.    Zu  seinen  ältesten  Rheinischen  Akademie-Schülern  zählt 

6.  Johann  Peter  GöttingS 

getauft  zu  Aachen  am  9.  August  1797  (oflF)?  gestorben  zu  Düsseldorf  am 
3.  Oktober  1855  (off).  In  Aachen  hatte  er  von  Bastine  Unterricht  im 
Zeichnen  und  Malen  und  wahrscheinlich  auch  im  Modelliren  erhalten.  Wenn 
Raczynski  ^  und  nach  ihm  wohl  Nagler '  angeben,  Götting  habe  seine  ersten 
Künstlerversuche  in  der  Bildhauerei  gemacht,  so  ist  diese  Angabe  nicht 
genau.  Götting  war  ursprünglich  seinem  Hauptberufe  nach  Maler,  wie  er 
sich  in  der  Urkunde  über  seine  erste  am  27.  Oktober  1820  (off)  zu  Aachen 
stattgefundene  Heirat  nennt.  Damals  wohnte  auch  Götting  noch  in  Aachen. 
Später  in  der  am  22.  Februar  1830  (off)  in  Düsseldorf  gethätigten  Urkunde 
über  die  Geburt  seines  Sohnes  Gottfried  hat  er  sich  Bildhauer  genannt. 
In  dem  bei  Raczynski*  abgedruckten  Verzeichnisse  der  Schüler  der  Kunst- 
akademie im  ersten  Halbjahr  1834  ist  Götting  bei  denjenigen  aufgeführt, 
welche  sich  unter  der  unmittelbaren  Leitung  Schadows  ausbildeten  und 
zwar  in  der  Gescliichtsmalerei.  Er  war  Historienmaler  religiöser  Richtung, 
es  ist  daher  fast  selbstverständlich,  dass  wir  ihn  in  dem  Kreise  finden,  dem 
auch  Deger,  die  Gebrüder  Müller,  Ittenbach  und  Andere  mehr  angehörten  \ 
Götting  hat  in  den  beiden  Kunstarten  der  Malerei  und  Bildhauerei  wenn 
auch  nicht  Hervorragendes,  so  doch  Erfreuliches  geleistet. 

Sein  erstes  grosses  Gemälde  „Christus  und  Petrus  wandeln  auf  dem 


*)  Göttings  aus  AldeDhoven  stammeuder  Vater  schrieb  seinen  Namen:  Godding. 
«)  A.  a.  0.  S.  194. 

^)  Neues  aUgemeines  Künstler-Lexikon  Bd.  V,  S.  259.   Götting  wird  hier  irrtümlich 
Johann  Peter  yon  Goetting  genannt. 
*)  A.  a.  0.  S.  114. 
*)  H.  Finkc,  Karl  Müller,  sein  Leben  und  künstlerisches  Schaffen.   Köln  1896,  S.  17. 


-  62  — 

Meere",  mit  welchem  er  1834  die  Berliner  Kunstausstellung  beschickte  *, 
wurde  vom  Kunstverein  für  die  Rheinlande  und  Westfalen  angekauft  und 
erhielt  seinen  Platz  in  der  St.  Moritzkirche  zu  Halberstadt.  „In  demselben 
Jahre  brachte  Götting  auch  eine  Veronika  mit  dem  Schweisstuche  zur 
Ausstellung,  ebenfalls  ein  schönes  Bild,  wie  das  Obige  in  strengem  Ernste 
und  im  grossen  Kirchenstil  behandelt.  Im  Jahre  1836  malte  er  den  Abschied 
Mariens  von  der  Leiche  Christi*." 

* 

Die  Ehre,  vom  vorgenannten  Kunstverein  erworben  zu  werden,  ward 
auch  dem  Bilde  „Der  heilige  Martinus  als  Bischof"  zu  teil,  welches  als 
Altargemälde  in  die  Pfarrkirche  zu  Treis  an  der  Mosel  gestiftet  wurde. 

Götting  war  dreimal  verheiratet.  Sein  Sohn  zweiter  Ehe,  Peter  Hubert 
Gottfried,  geboren  zu  Düsseldorf  am  20.  Februar  1830  (oflf),  gestorben  zu 
Aachen  am  27.  Mai  1879  (oflf),  war  ein  tüchtiger  Bildhauer,  der  Schöpfer 
der  vielen  das  Äussere  unserer  Münsterkirche  zierenden  Statuen  und  anderer 
hervorragender  Bildwerke  in  unserer  Vaterstadt. 

An  Götting  lässt  sich  eine  Reihe  von  Malern  anschliessen,  die  eben- 
falls auf  der  Düsseldorfer  Akademie  zur  Zeit  des  Direktors  Schadow  ihre 
künstlerische  Ausbildung  erhielten. 

7.  J.  Jnn^blnt. 

Über  diesen  Maler,  der  schon  als  Studiengenosse  des  Malers  Thomas 
auf  der  Düsseldorfer  Akademie  in  der  Zeit  vor  Ankunft  des  Direktors 
Schadow  angeführt  wurde,  berichtet  Nagler^:  „Jungblut  J.,  Maler  aus 
Aachen,  der  sich  um  1828  zu  Düsseldorf  in  Schadows  Schule  bildete.  Er 
widmete  sich  dem  historischen  Fache  und  auch  Bildnisse  malt  der  Künstler.** 

Erwähnt  finde  ich  Jungblut  noch  bei  einer  Aufzählung  Düsseldorfer 
Künstler  als  Geschichtsmaler  aus  Aachen  in  dem  Werke  von  C.  A.  Menzel 
„Die  Kunstwerke  vom  Altertum  bis  auf  die  Gegenwart"*.  Weitere  An- 
gaben sind  hier  nicht  mitgeteilt. 

Ich  habe  mich  vergeblich  bemüht,  Geburts-  und  Sterbetag  dieses 
Künstlers  zu  ermitteln.  Er  kann  vielleicht  mit  dem  am  28.  Oktober  1801 
(6.  Brumaire  X)  in  Aachen  geborenen  Peter  Cornel  Joseph  Jungbluth  (Sohn 
des  Knopfmachers  Franz  Joseph  Jungbluth)  identisch  sein. 

8.  Johann  Wilhelm  Marzorati. 

Er  wurde  am  25.  März  1795  (oflf)  zu  Aachen  getauft.  Der  Vater, 
Anton  Johann  Marzorati  stammte  aus  Como  in  Italien  und  war  als  Sprach- 


*)  In  Holzschnitt  bei  Baczynski  a.  a.  0.  S.  195.  Wolfgang  Müller,  Düssel- 
dorfer Künstler  aus  den  letzten  25  Jahren.  Leipzig  1854,  S.  39  hält  dieses  Bild  für 
Göttings  beste  Arbeit 

*)  Nagler  a.  a.  0. 

s)  Künstler-Lexikon  Bd.  VI  (1838),  S.  508. 

*)  8.  Ausgabe,  Trieat  1860,  Bd.  II,  S.  197. 


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lehrer  nach  Aachen  gekommen,  wo  er  am  19.  August  1804  (oflF)  verstarb; 
die  Mutter,  Anna  Maria  Paulina  Riem,  war  in  Frankfurt  a.  M.  geboren. 

Marzorati  hat  die  Düsseldorfer  Akademie  besucht  und  übernahm  1828 
die  Zeichenlehrer-Stelle  an  der  damaligen  höheren  Bürgerschule  zu  Eupen, 
wo  er  auch  im  Jahre  1830  heiratete.  An  ihn  ist  ein  im  „Echo  der  Gegen- 
wart*** abgedruckter  Brief  Alfred  Kethels  vom  4.  Juli  1833  gerichtet,  in 
welchem  dieser  sein  Urteil  über  einige  ihm  von  Marzorati  zur  Begutachtung 
übersandte  landschaftliche  Farbskizzen  und  Zeichnungen  abgibt  und  Vor- 
schlage  zu  kleinen  Änderungen  in  ihnen  macht. 

Marzorati  starb  in  Eupen  am  6.  Mai  1870  (off).  Die  Kinder  des 
Malers  Billotte  besitzen  von  ihm  eine  Landschaft:  Waldige  Berggegend 
mit  See;  in  einem  Nachen  der  Schiffer  und  ein  Jäger,  der  im  Begriffe  ist, 
mit  seinen  Hunden  ans  Land  zu  steigen. 

9.  Eduard  Johann  Nikolaus  Istas 

war  der  Sohn  eines  Arztes  aus  Hülchrath  im  Kreise  Grevenbroich,  wo  er 
am  3.  Juli  1813  geboren  wurde.  Er  besuchte  von  1828  ab  drei  Jahre 
lang  die  Düsseldorfer  Kunstakademie.  1832  ging  er  nach  München,  wo 
er  fünf  Jahre  verweilte.  In  dieser  Zeit  malte  er  ein  Portrait  des  1838 
gestorbenen  berühmten  Theologie-Professors  Johann  Adam  Möhler.  Nach 
der  Rückkehr  aus  München  Hess  Istas  sich  in  Aachen  nieder,  wo  er  zunächst 
bis  zu  seiner  Heirat  bei  seinem  geistlichen  Bruder  wohnte. 

Istas  war  Portraitmaler,  beschäftigte  sich  jedoch  auch  mit  dem  Malen 
von  Kirchenfahnen.  Vom  12.  April  1848  (off)  ab  war  er  41  Jahre  lang 
Zeichenlehrer  in  dem  Pensionsinstitut  du  sacr6  coeur  in  Blumenthal  bei 
Vaels;  erst  das  zunehmende  Alter  zwang  ihn  zur  Niederlegung  dieser 
Stelle.    Er  starb  in  Aachen  am  18.  Mai  1893  (off). 

Zwei  Halbgeschwister  dieses  Malers  haben  sich  neben  ihm  bis  heute 
in  Aachen  in  dankbarer  Erinnerung  erhalten.  Es  waren  dies  Johann  Hubert 
Joseph  Istas,  geboren  zu  Hülchrath  am  9.  August  1807,  gestorben  hier- 
selbst  am  26.  Mai  1843  (off),  ein  seeleneifriger,  armenfreundlicher  Kaplan 
an  der  Pfarrkirche  zum  hl.  Paulus,  und  Wilhelmina  Istas,  bekannt  unter  dem 
Klosternamen  Mutter  Dominika,  die  Hauptgründerin  der  Ordensgenossen- 
schaft vom  armen  Kinde  Jesu,  geboren  zu  Hülchrath  am  14.  August  1814, 
gestorben  in  Roermond  am  20.  Dezember  1893  ^ 

10.  Johann  Kaspar  Nepomuk  Scheuren 

wurde  am  21.  August  1810  (off)^  zu  Aachen  geboren.  Sein  Vater,  der 
oben  an  zweiter  Stelle  angeführte  Maler  Johann  Peter  Scheuren,  erkannte 


»)  Nr.  486  vom  17.  Juli  1896. 

*)  J.  J eiler,  Die  selige  Mutter  Franziska  Schervier.  Freiburg  i.  Br.  1893,  S.  59  und 
J.  Hess,  Festschrift  zur  600 jährigen  Jubelfeier  der  Dominikaner-  und  Hauptpfarrkirche 
vom  hl.  Paulus  in  Aachen.    Daselbst  1893,  S.  36  und  112. 

')  Die  Angabe  bei  Müller,  Düsseldorfer  Künstler  S.  363  ist  unrichtig. 


—  64  — 

frühzeitig  das  bedeutende  Talent  seines  einzigen  Sohnes  und  schickte  ihn 
1829  zur  Ausbildung  auf  die  Akademie  nach  Düsseldorf.  Bereits  Raczynski, 
der  ihn  mit  Götting  und  Alfred  Rethel  bei  den  unter  der  unmittelbaren 
Leitung  Schadows  stehenden  Akademie-Schülern  aufzählt,  hat  ihm  (1836) 
einige  Seiten  seiner  Kunstgeschichte  gewidmet  und  ihm  grosse  Erfolge 
vorhergesagt  ^  Scheuren  hat  die  hohen  Erwartungen,  die  man  schon  so 
frühe  von  ihm  hegte,  nicht  getäuscht:  er  ist  einer  der  hervorragendsten 
deutschen  Landschaftsmaler,  Aquarellisten  und  Arabeskenzeichner  geworden, 
der  auch  mit  der  Radirnadel  Treffliches  geschaffen  hat.  Dabei  war  er  ein 
sehr  fruchtbarer  Künstler;  schon  1853  sprach  Wolfgang  Müller,  auf  dessen 
Charakteristik  Scheurens  hier  verwiesen  sei,  von  der  endlosen  Menge  seiner 
Ölbilder  ^  Eine  Anzahl  der  bis  zum  Jahre  1845  geschaffenen  Gemälde  ist 
angegeben  in  Naglers  Künstlerlexikon'. 

Scheuren  starb  zu  Düsseldorf  am  12.  Juni  1887  (off).  Sein  im  Jahre 
1835  von  C.  H.  Steffens  in  Düsseldorf  gezeichnetes  Portrait  verwahrt 
unser  Suermondt-Museum,  in  dem  sich  auch  von  Scheuren  vier  kleinere 
Landschaften  und  zwei  grosse  landschaftliche  Zeichnungen,  sowie  ein  im 
Jahre  1821,  also  im  elften  Lebensjahre,  gemaltes  Aquarellbildchen,  die 
hl.  Theresia  darstellend,  befinden. 

Werke  von  Scheuren  finden  sich  ferner  in  der  Nationalgallerie  zu 
Berlin,  in  der  Neuen  Pinakothek  zu  München  und  im  Wallraf-Richartz- 
Museum  zu  Köln,  welches  auch  eine  seiner  vortrefflichsten  Schöpfungen 
besitzt,  das  aus  26  aquarellirten  Blättern  in  Querfolio  bestehende  Rhein- 
Album.  Eine  eingehende  Erklärung  dieses  herrlichen  Werkes,  über  das 
der  ganze  poetische  Zauber  ausgegossen  ist,  den  nur  der  Rhein  mit  seinem 
Sagenschatze  und  seiner  Fülle  landschaftlicher  Schönheiten  zu  bieten  vermag, 
enthält  Niessens  Museums-Führer  nach  des  Künstlers  eigenen  Angaben*. 

Scheuren  hat  es  wie  wenige  verstanden,  den  unerschöpflichen  Reiz 
seiner  rheinischen  Heimat  im  Bilde  zu  fesseln,  und  nicht  zuviel  verkündet 
die  an  seinem  Geburtshause ^  angebrachte  Gedenktafel: 


*)  Bd.  I,  S.  114  und  255—258.  Daselbst  auch  ein  Holzschnitt  nach  einer  Land- 
schaft Scheurens. 

*)  Düsseldorfer  Künstler  S.  362  flF.  Weitere  Litteratur  in  der  Zeitschrift  des  Aachener 
Geschichts-Vereins  Bd.  XVII,  S.  278. 

»)  Bd.  XV,  S.  202. 

*)  Führer  in  den  geistigen  Inhalt  der  Gemälde-Sammlung  des  Museums  Wallraf- 
Richartz  in  Köln.  Nr.  1003—1028.  Wann  werden  wir  für  unser  Suermondt-Museum 
einen  solchen  belehrenden,  handlichen  Katalog  erhalten? 

*)  Franzstrasse  Nr.  16.  Die  hochselige  Kaiserin  Augusta  gab  „bei  den  langjährigen 
Beziehungen  des  Aachener  Künstlers  zu  Ihrer  Majestät  und  bei  dem  ehrenvollen  Andenken, 
welches  Allerhöchst  dieselbe  dem  Professor  Kaspar  Scheuren  bewahren",  aus  freien  Stücken 
einen  Beitrag  von  100  Mark  zu  den  Kosten  der  Gedenktafel.  Zeitschrift  des  Aachener 
Geschichts-Vereins  Bd.  XI,  S.  298. 


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lo  diesem  Hause  wurde  geboren 
am  21.  August  1810 

DER  MALER  CASPAR  SCHEÜREN. 

Rheinische  Natur,  Sage  und  Geschichte 
leben  in  seinen  Werken. 

Gewidmet  vom  Aachener  Geschichtsverein  1890. 

11.  Alfred  Rethel. 

Rethel  ist  nicht  allein  der  hervorragendste  der  von  uns  zu  besprechenden 
Maler,  er  ist  einer  der  bedeutendsten  deutschen  Künstler  aller  Zeiten.  Ich 
kann  mich  hier  jedoch  um  so  kürzer  fassen,  als  Auskunft  über  ihn  in  jeder 
Kunstgeschichte,  in  jedem  Konversations-Lexikon  zu  finden  ist.  Zudem 
hat  sein  Freund,  der  Dichter  Wolfgang  Müller  von  Königswinter,  nachdem 
er  ihn  bereits  in  seinem  Werke  über  die  Düsseldorfer  Künstler  behandelt  ^ 
ihm  eine  ziemlich  ausführliche  Biographie  gewidmet,  deren  grosser  Wert 
im  Abdruck  einer  Anzahl  gehaltreicher  Briefe  Rethels  besteht*.  Weitere 
Litteratur  ist  verzeichnet  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins 
Band  XIT,  Seite  340,  Band  XV,  Seite  348,  Band  XVI,  Seite  203,  Band 
XVm,  Seite  395.  Die  hier  1837  erschienenen  „Westlichen  Blätter  für 
Unterhaltung,  Kunst,  Literatur  und  Leben"  enthalten  in  Nr.  47  eine 
Besprechung  des.  damals  in  Aachen  ausgestellten  Bildes  „Die  strafende 
Gerechtigkeit". 

Im  2.  Jahrgange,  Seite  43,  dieser  Zeitschrift  ist  von  A.  Curtius  über 
Rethel  ein  kleiner  Artikel  veröffentlicht  worden,  in  welchem  sich  in  der 
ersten  Zeile  die  unrichtige  Angabe  findet,  dass  er  ein  Schüler  von  Peter 
Cornelius  gewesen  sei ;  die  beiden  Maler  haben  sich  wahrscheinlich  niemals 
gesehen. 

Ein  Gedicht  auf  Rethels  durch  den  Holzschnitt  vervielfältigte  Zeich- 
nung „Der  Tod  als  Freund"  *  von  unserem  Mitbürger  Dr.  Debey  findet  sich 
in  dessen  „Büchlein  geistlicher  Lieder**. 

Zur  Genealogie  Rethels  gibt  die  Urkunde  über  die  am  22.  März  1801 
(1.  Germinal  IX  oflf)  in  Aachen  geschlossene  Ehe  seiner  Eltern  erwünschte 
Auskunft.  Danach  war  der  Vater  Johann  Rethel  am  27.  Oktober  1769 
zu  Strassburg  im  Elsass  als  Sohn  der  Eheleute  Johann  Rethel  und  Maria 
Salome  Riebel  geboren.    Die  Letztere  war  damals  bereits  verstorben. 

Alfred  Rethels  Mutter,  Johanna  Christina  Schneider '^,  war  geboren 
zu  Aachen,  bei  der  Eheschliessung  19  Jahre  alt  und  die  Tochter  des  Kauf- 
manns Daniel  Benjamin  Schneider  aus  Aachen  und  dessen  Ehefrau  Maria 

>)  8.  64  ff. 

')  Alfred  Rethel,  Blätter  der  Erinnerung  von  Wolfgang  Müller  von  Königs- 
winter.    Leipzig:  F.  A.  Brockhaas  1861.     185  S.  klein  8^ 
•)  S.  157. 

*)  Aachen  1861,  S.  252. 
')  Nicht  Schneiders  wie  in  Alfred  Rethels  Qeburtsurkande  steht. 


—  66  — 

Wilhelmina  Franziska  Kreuder.  Ausser  dem  Vater  der  Braut  fungirten  als 
Zeugen  bei  der  vor  dem  Adjoint  du  maire  Cornel  Bock  vollzogenen  Ehe- 
schliessung der  Präfekt  Nikolaus  Sebastian  Simon,  Johann  Maurojeni  und 
der  Präfekturrat  Johann  Friedrich  Jacobi,  alle  aus  Aachen. 

Alfred  Rethel  wurde  am  15.  Mai  1816  (off)  auf  dem  im  Stadtkreise 
Aachen  gelegenen  Landhause  Diepenbenden  geboren.  Er  erhielt  in  Aachen 
von  Bastin6  Unterricht  im  Zeichnen  und  kam  schon  1829  auf  die  Düssel- 
dorfer Akademie,  wo  er  unter  Schadows  Leitung  studirte.  Es  klingt  wohl 
glaublich,  dass  Rethel  hier  als  das  Wunder  der  Schule  galt.  Erst  sechzehn 
Jahre  alt  stellte  er  auf  der  Berliner  Kunstausstellung  ein  Aufsehen  erregendes 
Ölgemälde  aus,  die  Einzelfigur  des  hl.  Bonifazius.  Dem  kaum  Zwanzig- 
jährigen widmete  Graf  Raczynski  in  seiner  1836  erschienenen  Geschichte 
der  neueren  deutschen  Kunst  einen  Artikel,  welchem  er  zwei  Holzschnitte 
nach  später  in  Ol  ausgeführten  Zeichnungen  Rethels  beigabt 

1837  trieb  es  Rethel  aus  Düsseldorf  fort;  er  begab  sich  nach  Frankfurt 
und  schloss  sich  dort  an  Philipp  Veit  an.  1841  erhielten  seine  Entwürfe 
zur  Ausschmückung  des  Aachener  Rathaussaales  den  Preis.  Vier  von 
den  acht  anzubringenden  Gemälden  hat  er  dann  in  den  Jahren  1847 — 51 
eigenhändig  in  Fresko  ausgeführt.  Die  vier  anderen  Bilder  sind  nach 
Rethels  Entwürfen  von  Joseph  Kehren^  gemalt  worden.  Rethel  starb  in 
geistiger  Umnachtung  zu  Düsseldorf  am  1.  Dezember  1859. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Ausmalung  des  Aachener  Krönungssaales 
mit  Freskogemälden  mannigfachen  Hindernissen  begegnete.  Der  Krönungs- 
saal war  im  Laufe  des  vorigen  Jahrhunderts  durch  Zwischenwände  in 
mehrere  Räume  geteilt  worden,  deren  einer,  welcher  die  ganze  nur  um 
das  westliche  Gewölbefeld  gekürzte  nördliche  Hälfte  des  alten  Saales  ein- 
nahm, als  Festsaal  diente  und  dementsprechend  mit  Stuck  und  Malereien 
reich  ausgestattet  war.  Dieser  Saal,  in  welchem  am  15.  Mai  1815  die 
Huldigung  der  Rheinlande  stattfand,  sollte  um  das  genannte  Gewölbefeld 
e^rweitert  und  durch  Rethel  von  neuem  al  fresco  ausgemalt  werden.  Kaum 
war  dieses  Projekt  aufgetaucht,  als  von  Altertumsfreunden  mit  Recht  ver- 
langt wurde,  zunächst  dem  Krönungssaale  unter  Entfernung  aller  Zwischen- 
wände seine  ursprüngliche  Gestalt  wiederzugeben,  was,  falls  die  Zwischen- 
wand des  Festsaales  mit  wertvollen  Malereien  bedeckt  worden  wäre,  für 
absehbare  Zeiten  ausgeschlossen  schien.  Es  entbrannte  hierüber  ein  heftiger 
Zeitungskrieg  ^;  Prof.  C.  P.  Bock  in  Freiburg  legte  seine  Ansichten  in  einer 
Schrift  nieder,  die  auch  heute  noch  hohen  Wert  besitzt^.    Der  Krönungs- 

*)  Bd.  I,  S.  191,  wo  als  Rethels  Geburtsjahr  1812  angegeben  ist;  Raczynski  ahnte 
also  nicht  einmal,  einen  wie  jungen  Künstler  er  behandelte. 

*)  Geboren  zu  Hülchrath  am  30.  Mai  1817,  gestorben  zu  Düsseldorf  am  12.  Mai  1880. 

')  Die  Literatur  ist  teilweise  verzeichnet  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts- 
vereins Bd.  XVII,  S.  308. 

*)  Das  Rathhaus  zu  Aachen.  Schutzschrift  für  die  unverletzte  Erhaltung  des 
deutschen  Krönungssaales  von  Professor  C.  P.  Bock.  Aachen,  Druck  und  Verlag  von 
J.  Hensen  &  Comp.     1843. 


—  67  — 

saal  ist  dann  in  seiner  alten  Grösse  wiederhergestellt  worden,  die  baulichen 
Veränderungen  hatten  jedoch  lange  Zeit  in  Anspruch  genommen,  und  erst 
im  Jalire  1847  konnte  Rethel  mit  der  Ausmalung  zunächst  der  öst- 
lichen Wandfläche  beginnen.  Es  hatte  aber  der  vollen  Verwirklichung 
seiner  Pläne  ein  weiteres  Hindernis  gedroht.  Die  unverletzte  Erhaltung 
des  Krönungssaales  schloss  auch  die  Offenhaltung  der  in  der  Südwand 
gewesenen  Fenster  in  sich,  welche  ausser  dem  Licht,  das  sie  gewährten, 
auch  den  Ausblick  auf  die  Münsterkirche  gestatteten,  deren  vollständige 
Vermauerung  jedoch  durch  die  anzubringenden  Bilder  notwendig  wurde. 
Dieser  Teil  des  Wiederherstellungs-Planes,  über  welchen  der  Geraeinderat 
noch  im  Jahre  1848  verhandelte,  ist  nicht  zur  Ausführung  gelangt,  sicher 
ist  aber,  dass  Rethel  die  langjährigen  Streitigkeiten,  wodurch  er  die  Aus- 
führung seiner  Arbeiten  verzögert  und  grösstenteils  gefährdet  sah,  schmerz- 
lich empfand,  und  dass  ihm  das  Leben  dadurch  verbittert  wurde. 

Man  hat  die  Behauptung  aufgestellt,  Rethels  religiöses  Bekenntnis  — 
er  war  bekanntlich  Protestant  —  sei  auf  den  Widerstand,  den  die  ihm 
übertragene  Arbeit  fand,  nicht  ohne  Einfluss  gewesen ;  so  Wolfgang  Müller  ^, 
dem  hierin  ein  Artikel  über  Rethel,  der  vor  einigen  Jahren  im  „Echo  der 
Gegenwart"  erchien  ^  in  etwa  beipflichtet.  Beweise  für  derartige  Behaup- 
tungen und  Vermutungen  hat  jedoch  niemand  zu  erbringen  für  nötig  erachtet. 
Zurückzuführen  sind  dieselben  wohl  auf  einen  Aufsatz  des  Düsseldorfer 
Akademie-Professors  Wiegmann  in  der  Beilage  zu  Nr.  101  der  Aachener 
Zeitung  des  Jahres  1847,  welcher  Andeutungen  dieser  Art  enthielt,  die 
jedoch  der  Aachener  Arzt  und  Stadtverordnete  Dr.  Debey  in  einer  vom 
13.  April  1847  datirten  Flugschrift  „Die  Erneuerung  des  Rathhaus-Saales 
zu  Aachen**  entschieden  zurückgewiesen  hat^ 


>)  A.  Rethel  S.  92  und  144. 

•)  Nr.  211  n  vom  12.  September  1893. 

■)  In  dieser  Schrift  findet  sich  S.  10—11  die  Angabe,  dass  die  Idee,  den  Festsaal 
des  Rathauses  mit  Fresken  auszumalen,  ursprünglich  von  dem  hiesigen  Kunstliebhaber 
und  -Sammler  G.  Schwenger  angeregt  worden  ist.  —  Bezüglich  der  Rethel  aus  konfessio- 
neUen  Gründen  entstandenen  Unannehmlichkeiten  hat  sich  auch  Peter  von  Cornelius  einmal 
geäussert.  Hermann  Riegel  erzählt  in  seinem  Buche  „Peter  von  Cornelius''  (Berlin  1883, 
S.  120):  „Ich  hatte  Cornelius  die  Photographien  der  Zeichnungen  Alfred  RethePs  zu  den 
Malereien  im  Kaisersaale  zu  Aachen,  wovon  unlängst  die  Rede  gewesen,  geschickt,  und  er  hatte 
sie  nun  angesehen.  Er  tadelte  (am  2.  Juni  1865)  sie  in  Bezug  auf  die  Komposition  und  den 
Geist.  ,Das  ist  nicht  der  grosse  Karl  !^  sagte  er  mehrere  Male.  Dass  aus  ,konfes8onellen 
Gründen*,  wie  die  (von  wem?)  beigegebene  Erläuterung  berichtete,  zwei  Bilder  nicht  aus- 
geführt worden  seien,  fand  er  abgeschmackt.^  —  Mir  scheint  hieran  nichts  abgeschmackt, 
wie  die  unüberlegte  Äusseruug  von  Cornelius,  der  sicher  nicht  geduldet  hätte,  dass  irgend 
etwas  seinen  Anschauungen  Widersprechendes  auf  seine  Kosten  ausgeführt  worden  wäre. 
Aus  „konfessioneUen  Gründon''  kann  aber  höchstens  die  eine,  die  Frankfurter  Synode  des 
Jahres  794  darstellende  Zeichnung  nicht  zur  Ausführung  gelangt  sein,  auf  welcher  Karls 
Anteil  an  der  Ubri  Carolini  genannten  Schrift  verherrlicht  wird.  Karls  Anteil  an  dieser 
Schrift  gehört  aber  sicher  nicht  zu  seinen  Grossthaten.  (Über  die  betr.  Synode  und  die 
libri  Carolini  siehe  Hefele,  Conciliengeschichte  Bd.  III,  2.  Aufl.,  S.  678  und  694.  ff.) 


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Ohne  Zweifel  hat  aber  auch  Rethels  Persönlichkeit  und  Konfession 
bei  den  erwähnten  archäologischen  Streitigkeiten  keine  Rolle  gespielt. 
Sollte  Rethel  dies  geglaubt  haben,  so  ist  zu  bedenken,  dass  er  ein  miss- 
trauischer  Mann  war,  auf  dessen  spätere  Geisteskrankheit  eine  in  den 
Kinderjahren  erlittene  schwere  Verletzung  am  Kopfe,  durch  die  er  damals 
jahrelang  taub  war,  vielleicht  seit  langem  schon  ihre  Einflüsse  geltend 
gemacht  hatte. 

Als  Rethel  im  Sommer  1848  in  unserem  Rathaussaale  am  „Sturz  der 
Irraensäule**  malte,  fand  in  Aachen  eine  Ausstellung  von  Bildern  älterer 
und  neuerer  Meister  statt  zum  Besten  eines  katholischen  Wohlthätigkeits- 
Unternehmens,  des  St.  Vinzenz-Spitals.  Zu  dem  Geschäfts-Ausschusse  war 
auch  Alfred  Rethel  zugezogen  *,  ein  Beweis  sowohl,  dass  man  in  ihm  nicht 
den  zu  meidenden  Andersgläubigen  sah,  als  auch,  dass  er  in  Aachen  nicht 
so  vernachlässigt  wurde,  als  er  es  selbst  wohl  glaubte  und  andere  glauben 
machte.  In  ähnlicher  Weise  meinte  er  früher  während  seiner  Düsseldorfer 
Periode  von  Schadow  zurückgesetzt  zu  werden,  während  das  Gegenteil  als 
erwiesen  gilt. 

Werke  von  Rethel  finden  sich  vor  allem  in  unserem  Krönungssaale; 
einige  Skizzen  und  Zeichnungen  enthält  das  Suermondt-Museum,  welches 
auch  eine  kleine  1839  von  August  von  Nordheim  modellirte  Büste  Rethels 
besitzt.  Weiterhin  sind  Werke  von  Rethel  in  der  National-Gallerie  zu 
Berlin,  im  Wallraf-Richartz-Museum  zu  Köln,  im  Römer  und  Städelschen 
Kunst-Institut  zu  Frankfurt  a.  M.  u.  s.  w.  Den  künstlerischen  Nachlass 
Rethels  hat  im  Laufe  dieses  Jahres  das  Königl.  Kupferstichkabinet  zu 
Berlin  für  die  Summe  von  80000  Mk.  erworben  ^ 

An  Alfred  Rethel  schliessen  wir  an  seinen  jüngeren  Bruder 

12.  Otto  Rethel, 

welcher  am  26.  Dezember  1822  (off)'  ebenfalls  auf  dem  Landgute  Diepen- 
benden  geboren  wurde  und  dort  seine  Kinderjahre  verlebte,  bis  die  Eltern 
im  Jahre  1829  nach  Wetter  an  der  Ruhr  übersiedelten.  Er  hatte  anfangs 
den  kaufmännischen  Beruf  ergriffen,  widmete  sich  aber  nachher,  spätestens 
seit  dem  Frühjahr  1842,  der  Malerkunst  ^,  zu  welchem  Zwecke  er  die 
Düsseldorfer  Akademie  besuchte.  Hier  bildete  sich  Otto  Rethel  als  Ge- 
schichtsmaler aus.  Es  entstanden  in  dieser  frühesten  Periode  einige  neu- 
testamentalische  Bilder,  wie  der  Gang  nach  Em  aus  und  Christus  ui\d  Judas. 
Später,  in  den  fünfziger  Jahren,  zog  Rethel  nach  Aachen,  wo  er  auch  die 
Portraitmalerei  pflegte*.  Zuletzt  hatte  er  seinen  Wohnsitz  wieder  nach 
Düsseldorf  verlegt.    Im  Auftrage  des  Kunstvereins  für  die  Rheinlande  und 

>)  Stadt- Aachener  Zeitung,  1848,  Beilage  zu  Nr.  240. 

')  Echo  der  Gegenwart  Nr.  -258  vom  9.  April  1897. 

^  Die  Angabe  bei  W.  Müller,  Düsseldorfer  Künstler,  S.  43,  ist  unrichtig. 

*)  W.  Müller,  A.  Rethel  S.  100. 

*)  W.  Müller,  Düsseldorfer  Künstler  S.  43. 


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Westfalen  malte  er  hier  für  die  evangelische  Kirche  za  Oppeln  ein  Bild 
„Christus  am  Olberg"  (1857),  und  für  die  evangelische  Kirche  zu  Zippnow 
ein  Altarbild,  den  segnenden  Christus  darstellend  (1862).  Ein  Genre- 
gemälde „Der  Dorfbriefschreiber"  kaufte  der  genannte  Kunstverein  zur 
Auslosung  an  (1876). 

Otto  Rethel  starb  zu  Düsseldorf  am  7.  April  1892. 

13.  Johann  Baptist  Nikolaus  Salm 

wurde  in  Köln  am  20.  September  1809  (oflf)  geboren.  Er  besuchte  dort 
das  Gymnasium  und  bezog  dann,  nachdem  er  bei  den  Deutzer  Pioniren 
seiner  Militärpflicht  als  Einjährig-Freiwilliger  Genüge  geleistet,  die  Düssel- 
dorfer Akademie.  Im  Jahre  1837  ward  er  in  Aachen  bei  der  damals  kom- 
binirten  höheren  Bürger-  und  Gewerbeschule  als  Lehrer  für  Zeichnen  und 
Modelliren  angestellt  und  er  hat  diese  Stelle,  auch  nachdem  die  Schule 
später  geti*ennt  worden  und  die  Neubildungen  den  Namen  wiederholt  ge- 
wechselt hatten  (jetzt  Realgymnasium,  Oberrealschule  und  Handwerker- 
Fortbildungsschule),  bis  zu  seinem  am  12.  Juni  1883  (oflf)  erfolgten  Tode 
innegehabt. 

Salm  hat  wenig  gemalt,  es  gibt  jedoch  von  ihm  eine  Menge  litho- 
graphisch vervielfältigter  Zeichnungen  aller  Art.  Insbesondere  hat  ihm 
die  Geschichte  unseres  Vaterlandes,  wie  er  sie  miterlebte  und  augenschein- 
lich mit  grossem  Anteil  verfolgte,  Stoflf  zu  manchen  Darstellungen  gegeben. 
So  zeichnete  er  1842  ein  Gedenkblatt  zur  Wiederaufnahme  des  Kölner 
Dombaues.  1847  entwarf  er  ein  Bild  zu  Freiligraths  Gedicht  „Die  Aus- 
wanderer", welchem  er  die  Unterschrift  „Handel  mit  Weissen*  gab:  Aus- 
wanderungs-Agenten in  Fuchsgestalt  verführen  deutsche  Bauern  zum  Aus- 
wandern. In  demselben  Jahre  entstand  ein  Blatt:  Schleswig  und  Holstein 
fordern  Deutschland  zur  Wahrung  ihrer  verbrieften  Rechte  auf.  Von  1859 
datirt  eine  Germania,  die  ein  Ungeheuer  zertritt,  welches  ein  Spruchband 
im  Rachen  hat  mit  Napoleons  Worten:  L'empire  c'est  la  paix.  1864  gab 
die  schleswig-holsteinische  Frage  Stoflf  zu  einem  humoristischen  Blatte, 
welches  photographisch  vervielfältigt  wurde :  Österreich  und  Preussen 
prügeln  die  europäischen  Mächte  aus  dem  Gasthof  „Zum  deutschen  Haus*. 
Von  1870  ist  wiederum  eine  grosse  Germania  mit  Schild  und  Fahne  auf 
einem  Drachen. 

Als  besonders  erwähnenswerth  muss  angeführt  werden  eine  Allegorie 
auf  den  Tod  Alfred  Rethels,  mit  welchem  Salm  befreundet  gewesen,  und 
der  in  seinem  Hause  verkehrt  hatte.  Die  schönen  Künste,  von  denen 
Malerei,  Bildhauerei,  Architektur  und  Poesie  sichtbar  sind,  tragen  die 
Bahre,  auf  welcher  der  entschlafene  Künstler  ruht,  über  den  ein  Friedens- 
engel das  Bahrtuch  deckt.  Am  Vater  Rhein  vorbei  führt  der  Trauerzug, 
dessen  Geleit  die  Gestalten  bilden,  welchen  Rethels  künstlerisches  Schaflfen 
neues  Leben  verliehen.  Am  fernen  Horizonte  verschwindet  die  Sonne, 
hell  aber  strahlt  Rethels  Ruhmesstem  um  nimmermehr  zu  erblassen. 


—  70  — 

Neben  solchen  lithographirten  Blättern,  wozu  auch  noch  einzelne 
Portrait«  zu  rechnen  sind,  entstand  eine  Menge  anderer  Zeichnungen,  Ent- 
würfe zur  Ausmalung  des  Elisenbrimnens  mit  Bildern  aus  der  Geschichte 
Aachens,  köstliche  Szenen  aus  dem ^  Eulenspiegel,  Karikaturen  und  der- 
gleichen mehr. 

Von  dem  Ernste,  mit  welchem  Salm  seine  Lehrthätigkeit  auflfasste, 
zeugt  es,  dass  er  nicht  nur  eine  grosse  Anzahl  von  Vorlegblättern  ent- 
warf, Centauren,  griechische  Helden,  Genien,  antike  Gruppen  und  Jagd- 
szenen, stilisirte  und  naturalistisch  behandelte  Tiere  und  Tierköpfe  u.  s.  w., 
was  wohl  seiner  ausserordentlichen  Kompositionsgabe  und  seiner  Lust  am 
Komponieren  Befriedigung  gewährte,  sondern  auch  einen  „Elementar-Ünter- 
richt  im  Linearzeichnen**  verfasste  (Aachen  1868,  16  S.  8^  mit  Xu  Tafeln 
^'iguren). 

14.  Heinrich  Franz  Karl  Billotte. 

Billottes  Vater,  Claudius  Billotte,  in  Metz  um  das  Jahr  1745  geboren, 
ein  unternehmender  und  intelligenter  Mann,  war  nach  Aachen  übergesiedelt 
und  hatte  hier  ein  Geschäft  gegründet*. 

In  Aachen  hatte  Claudius  Billotte  die  20  Jahre  jüngere  Bürgers- 
tochter Elisabeth  Bonn  geheiratet,  welche  ihn  am  28.  Januar  1801  (off)? 
dem  ersten  Karlstage  dieses  Jahrhunderts,  mit  einem  Knaben,  unserem 
Maler,  beschenkte.  Das  Kind  sollte  bald  verwaisen.  Am  26.  August  1807 
(oflf)  starb  der  Vater,  den  die  Mutter  nur  um  einen  Monat  überlebte;  sie 
verschied  am  26.  September  1807  (off). 

Der  elternlose  Knabe  fand  nun  Aufnahme  bei  den  Brüdern  seiner 
Mutter,  nicht  unbegtiterten  und  geachteten  Zuckerbäckern.  Ihr  Handwerk 
erlernte  auch  Franz  Billotte  und  betrieb  es  noch,  als  er  am  15.  April 
1 826  (off)  die  in  Hodimont  geborene  Johanna  Theresia  Dechamps  heiratete. 
Der  Tod,  der  so  unerbittlich  das  Jugendleben  Billottes  getrübt  hatte,  raubte 
ihm  auch  bald  die  Gattin,  welche  am  24.  April  1829  (off)  verschied. 

Nach  dem  Tode  seiner  Frau  hing  Billotte  das  Handwerk  an  den 
Nagel.  Als  er  am  4.  Juli  1836  (off)  zur  zweiten  Ehe  mit  Maria  Gertrud 
Coonen  aus  Sittard  schritt,  war  aus  dem  Konditor  ein  Maler  geworden. 

*)  Es  ist  TOD  ihm  aus  der  Zeit  um  die  Wende  des  Jahrhunderts,  als  man  in  Aachen 
noch  nach  reichsstädtischcr  Münze  rechnete,  ein  in  deutscher  und  französischer  Sprache 
gedruckter  Geschäftsanzeige-Brief  vorhanden,  dessen  Wiedergabe  bei  der  Seltenheit  der- 
artiger Geschäfts-Empfehlungen  aus  jeuer  Zeit  nicht  unangebracht  erscheint.  „Unter- 
schriebener Krämer  hat  ein  Magazin  Pariser  Tapeten,  velutirt,  gemahlt,  und  andere, 
Supporten,  Lambrien,  Enkadrements,  von  22  Mark  bis  14  Schill,  das  Stück  Aachener  Geld; 
er  backet  auch  Bisquiten,  Macronen  aller  Art,  allerhand  trockene  und  weiche  Confitüren, 
gemeiner  und  feiner  Dragee,  gemeiner  und  feiner  Chokolad,  Chokolad-Desaert,  Gersten- 
zucker in  Teuten,  er  drucket  en  taille  douce  für  die  Kauflente  und  andere,  er  gravirt  in 
Holz,  macht  die  Wappen  für  auf  die  Tücher,  alles  an  einen  billigen  Preis.  AUen  Personen, 
welche  ihn  mit  ihrer  Gunst  beehren  wollen,  verspricht  er  schleunige  Bedienung.  C.  Billotte, 
in  Marsicherstrasse  Nr.  1214  in  Aachen."  Die  Schreibweise  „Marsicherstrasse**  beruht  ofiTen- 
bar  auf  einem  Druckfehler. 


—  71  — 

Schon  in  den  Enabenjahren  war  Zeichnen  seine  liebste  Beschäftigung 
gewesen;  jeden  freien  Augenblick  seiner  Lehr-  und  Gesellenzeit  hatte  er 
seiner  geliebten  Kunst  gewidmet,  manche  Nacht  ihr  geopfert.  Er  besuchte 
Bastin6s  Zeichenschule  und  ward  von  diesem  in  dem  Vorhaben,  sich  der 
Malerei  zu  widmen,  bestärkt.  In  Bastinö  hatte  Billotte  nicht  allein  einen 
tüchtigen  Lehrer  im  Zeichnen  und  Malen,  er  übte  sich  unter  seiner  Leitung 
auch  im  Modelliren.  Noch  besitzen  seine  Nachkommen  eine  von  ihm  nach 
der  Totenmaske  modellirte  Büste  der  schönen,  im  August  1831  hierselbst 
verstorbenen  Gemahlin  des  Regierungsrats  Krüger.  Billotte  hat  die  Ver- 
blichene, welche  ein  Alter  von  nur  21  Jahren  erreichte,  in  idealer  Auf- 
fassung als  Schlummernde  dargestellt. 

Den  Schluss  von  Billottes  künstlerischer  Ausbildung  machte  der  Besuch 
der  Düsseldorfer  Kunstakademie.  Aus  dieser  Zeit  stammt  das  im  hiesigen 
Suermondt-Museum  befindliche,  vielleicht  durch  Grillparzers  Sappho*  ver- 
anlasste Gemälde  „Die  Dichterin  Sappho  stürzt  sich  ins  Meer**,  ein  Bild 
nach  Gegenstand  und  Ausführung  ganz  der  sauberen  aber  kraftlosen,  süss- 
liehen  Manier  der  damaligen  Düsseldorfer  Schule  entsprechend*. 

In  Aachen  widmete  Billotte  sich  vornehmlich  der  Portraitmalerei  und 
hat  hierin  Tüchtiges  geleistet.  So  besitzt  die  Pastorat  von  St.  Peter 
hierselbst  von  ihm  das  Portrait  des  1872  verstorbenen  Oberpfarrers  und 
Stadtdechanten  Dilschneider;  ein  anderes  Bild  desselben  hat  er  wie  auch 
sonstige  Portraits  und  Darstellungen  zum  Zwecke  lithographischer  Verviel- 
fältigung auf  Stein  gezeichnet^.  Billotte  hat  aber  auch  die  Landschafts- 
malerei und  das  Stillleben  gepflegt  und  namentlich  in  letzterem  Genre 
schöne  Blumen-  und  Fruchtstücke  geschaffen.  Als  Bilderkopierer  und 
Restaurator  suchte  er  seinesgleichen.  Alte  Schüler  des  Realgymnasiums 
werden  es  auch  nicht  ohne  Interesse  vernehmen,  dass  die  Schulfahne  mit 
dem  Bilde  Karls  des  Grossen  ein  Werk  Billottes  ist. 

Im  späteren  Alter  liebte  Billotte  es,  kleinere  Bilder  mit  religiösen 
Darstellungen  in  der  Art  altdeutscher  Meister  zu  malen;  als  Achtzigjähriger 
hat  er  noch  das  kleine  Altarbild  für  die  Maria  vom  guten  Rat-Kapelle  in 
der  St.  Peterskirche  hierselbst  ausgeführt.  So  blieb  er  thätig  bis  an  das 
Ende  seines  Lebens,  welchem  ein  sanfter  Tod  am  25.  April  1892  (oflF)  ein 
Ziel  setzte. 

Der  alte  Billotte  war  ein  schöner,  ehrwürdiger  Mann.  Langes  Silber- 
haar umrahmte  seine  edlen  Züge;   bis  in   das  höchste  Alter  bewahrte  er 


*)  Dieses  1818  erschienene  Trauerspiel  wurde  in  unserem  am  15.  Mai  1825  eröffneten 
Theater  zuerst  am  26.  Juli  1825  aufgeführt.  In  der  Titelrolle  trat  Sophia  Schröder  auf, 
welche  diese  Rollo  auch  bei  der  Erstaufführung  im  Wiener  Burgthoater  gegeben  hatte. 

*)  Die  Besichtigung  auch  dieses  Bildes  ist  fast  unmöglich  gemacht.  Es  hängt 
zwischen  zwei  Fenstern  hinter  einem  BildergesteU. 

')  Eine  Lithographie  Billottes  nach  dem  Gemälde  von  üonthorst  im  Hochaltar  der 
St.  Michaelskirche  hierselbst  erwähnt  Käntzeler,  Aunalen  des  bist.  Vereins  für  den  Nieder- 
rhein, Heft  17,  S.  41. 


—  72  — 

gerade  Haltung  und  leichten,  elastischen  Gang.  Die  Hälfte  seines  langen 
Lebens  hatte  er  in  der  Peterspfarre  gewohnt,  in  deren  Pfarrkirche  er 
täglich  die  hl.  Messe  besuchte.  So  war  er  eine  in  seinem  Stadtviertel 
allgemein  bekannte  aber  auch  beliebte  Persönlichkeit  geworden,  deren  Hin- 
scheiden allenthalben  betrauert  wurde. 

Totenzettel  sind  häufig  unzuverlässige  Geschichtsquellen,  was  er  aber 
von  Billotte  meldet,  entspricht  der  Wahrheit:  „Sein  ganzes  Leben  war 
geteilt  zwischen  Gott,  dem  er  in  der  Einfalt  seines  Herzens  und  mit  tief 
gläubiger  Gesinnung  diente,  und  den  Seinigen,  denen  er  als  Muster  der 
Bescheidenheit,  Friedensliebe  und  treuer  Pflichterfüllung  voranleuchtete." 

15.  Ludwig  Scheins. 

Dieser  treffliche  Landschafter  wurde  zu  Aachen  am  14.  September  1808 
(oflf)  geboren,  er  nahm  seinen  Wohnsitz  in  Düsseldorf,  wo  er  auch  die  Akademie 
besucht  hatte  und  starb  daselbst  am  23.  Oktober  1879  (oflf).  Schon  Naglers 
Künstler-Lexikon  erwähnt  seiner  rühmend ' :  „Scheins  ist  schon  seit  mehreren 
Jahren  durch  Werke  bekannt,  welche  ihm  unter  den  tüchtigsten  Meistern 
seines  Faches  eine  Stelle  sichern.  Es  oflfenbart  sich  darin  ein  glücklicher 
Farbensinn  und  ein  genaues  Studium  der  Natur  in  ihren  mannigfaltigen  For- 
men und  Erscheinungen.  Von  besonderer  Schönheit  sind  immer  seine  Bäume, 
so  wie  denn  Scheins  überhaupt  einer  der  tüchtigsten  Baumzeichner  ist. 
Seine  selbstständigsten  Arbeiten  datiren  ohngeföhr  von  1836.  Es  sind  dies 
landschaftliche  Bilder  mit  Figuren,  Thieren  und  Architektur.  Seine  Wald- 
plätze, Sumpf-  und  Waldgegenden  sind  öfter  mit  Jägern,  Hunden  und 
jagdbaren  Thieren  belebt,  auf  Triften  und  Haiden  erscheinen  Schafheerden, 
auf  andern  Gründen  Arbeiter  in  verschiedenen  Beschäftigungen  u.  s.  w. 
Einige  Bilder  dieses  Künstlers  führen  uns  an  friedliche  Kirchhöfe,  an  Ruinen, 
und  an  ländliche  Gebäude,  an  Seen  und  Flüssen.  Scheins  ist  ein  talentvoller 
Künstler,  und  immer  glücklich  in  der  Wahl  seiner  Gegenstände.  Im  Jahre 
1840  war  er  einer  derjenigen  Maler,  die  auf  der  Kunstausstellung  zu  Ant- 
werpen die  für  Auswärtige  bestimmte  Verdienstmedaille  erhielten". 

Auch  Wolfgang  Müller,  welcher  Scheins  zu  den  landschaftlichen 
Stimmungsmalern  der  Düsseldorfer  Schule  zählt,  nennt  ihn  einen  guten 
Waldmaler.  „Freie  Waldplätze,  Sumpf-  und  Moorgegenden,  Haiden,  Strauch- 
und  Hochwald  weiss  er  in  verschiedenen  Beleuchtungen  und  meistens  in 
melancholischen  Stimmungen  in  anziehender  Weise  wiederzugeben.  Seine 
Bilder  haben  zwar  häufig  eine  ziemliche  Ähnlichkeit  untereinander,  aber 
sie  interessiren  doch  gewöhnlich,  obgleich  sich  in  ihnen  eine  gewisse 
Schwermut  der  Auffassung  kundgibt*." 

In  der  städtischen  Gemälde-Sammlung  zu  Düsseldorf  befindet  sich 
von  Scheins  eine  Winterlandschaft. 


»)  Bd.  XV  (1845),  S.  171. 

*)  Düsseldorfer  Künstler  S.  356. 


—  73  — 

16.  Lambert  Hastenrath. 

Hastenrath  wurde  am  21.  Februar  1815  (off)  zu  Ratheim  im  Kreise 
Heinsberg  geboren.  Er  erhielt  seine  künstlerische  Ausbildung  auf  der 
Düsseldorfer  Kunstakademie  und  liess  sich  dann  in  Aachen  nieder;  später 
verzog  er  in  die  Schwesterstadt  Burtscheid,  wo  er  am  2.  Mai  1882  (off) 
gestorben  ist. 

Hastenrath  hat  fast  ausschliesslich  Portraits  gemalt,  Landschafts- 
und Genregemälde  von  ihm  kommen  nur  ganz  vereinzelt  vor.  Er  war 
ein  tüchtiger  Meister  in  seinem  Fache,  dessen  Werke  auf  vielen  Herr- 
schaftssitzen Westdeutschlands  bis  nach  Belgien  und  England  hin  an- 
zutreffen sind.  In  öffentlichen  Sammlungen  werden  sich  Bilder  von  ihm 
nicht  finden,  doch  sind  manche  seiner  Gemälde  in  der  früheren  Jacobischen 
Permanenten  Gemäldeausstellung  bierselbst  der  öffentlichen  Besichtigung 
zugänglich  gewesen. 

Hastenrath  malte  in  Öl  und  Aquarell,  mit  besonderer  Vorliebe  zeichnete 
er  aber  auch  Portraits  mit  bunter  Kreide  (falschlich  oft  Pastell  genannt) 
und  er  hatte  es  hierin  zu  grosser  Meisterschaft  gebracht.  Es  gibt  auch 
nach  seinen  Zeichnungen  lithographisch  vervielfältigte  Bildnisse. 

17.  Johann  Michael  Theodor  Maassen. 

Dieser  tüchtige  Künstler  erblickte  das  Licht  der  Welt  in  Aachen  am 
1.  Februar  1817  (off)*.  Maassen  kam  sehr  früh  auf  die  Düsseldorfer  Kunst- 
akademie. Raczynski*  führt  ihn  unter  denjenigen  Schülern  an,  welche  im 
ersten  Halbjahr  1834  unter  Leitung  von  Karl  Sohn  studierten.  Für  ein 
bestimmtes  Kunstfach  hatte  Maassen  sich  damals  noch  nicht  entschieden. 

Als  Raczynski  vier  Jahre  später,  am  20.  April  1838,  Düsseldorf 
wieder  besuchte,  sah  er  von  unserem  Künstler  ein  „ausserordentlich  fleissig 
ausgeführtes  Bild":  Ein  Mönch  und  ein  Pilger  in  einer  Landschaft'. 

Aus  dem  folgenden  Jahre  ist  der  Artikel  über  Maassen  in  Naglers 
Künstler-Lexikon  * : 

„Er  lebt  gegenwärtig  in  Düsseldorf  als  ausübender  Künstler.  Man 
hat  Historien-  und  Genrestücke  von  seiner  Hand,  und  einige  dieser  Bilder 
sind  in  J.  Scottis  Schrift:  Der  Kunstschule  zu  Düsseldorf  Leistungen  in 
den  Jahren  1837  und  1888  S.  29  verzeichnet.  Seine  Gemälde  werden  mit 
Beifall  aufgenommen,  da  sich  in  ihnen  ein  tüchtiger  Künstler  offenbart. 
Der  Rheinisch-Westfälische  Kunstverein  hat  einige  käuflich  an  sich  gebracht, 
und  von  da  aus  kamen  sie  durch  Verlosung  in  verschiedene  Hände.* 

Wolfgang  Müller,  der  sein  Buch  über  die  Düsseldorfer  Künstler  im 


*)  In  der  Geburtsnrkande  ist  als   Gebortshaus  angegeben   „CöUenstr.  Nr.  1050'^, 
jetzt  Kleinkölnstrasse  Nr.  14. 

*)  Geschichte  der  neueren  deutschen  Kunst  Bd.  I,  S.  117. 
^)  A.  a.  0.  Bd.  III,  S.  400. 
*)  Bd.  Vm  (1889),  S.  152. 


—  74  - 

Jahre  1858  vollendete,  führt  Maassen  unter  denjenigen  Malern  auf,  deren 
Arbeiten  aus  dem  religiösen  Geiste  der  Meister  des  Apollinarisberges  her- 
vorgegangen sind  ^    Sonstige  Angaben  über  ihn  bringt  er  nicht. 

Über  weitere  Schöpfungen  Maassens  bis  zum  Jahre  1860  kann  ich  keine 
Angaben  machen.  Aus  dem  genannten  Jahre  gibt  es  jedoch  eine  Beschrei- 
bung eines  Maassenschen  Gemäldes,  die  ich  vollständig  mitteile,  weil  sie 
keinen  Geringeren  zum  Verfasser  hat,  als  Adalbert  Stifter  ^  welcher  das 
beschriebene  Bild  auf  der  Ausstellung  des  Linzer  Kunstvereins  sah: 

„Der  Klosterorganist  von  Maassen  Theodor  in  Düsseldorf  erscheint 
uns  so  schön,  wie  es  Weniges  in  unserer  Zeit  und  in  der  Kunst  überhaupt 
gibt.  Ohne  die  geringste  Sucht  nach  Virtuosentum  oder  Anwendung  ein- 
zelner Kunststückchen  hat  der  Maler  eine  technische  Wirkung  hervor- 
gebracht, die  erstaunlich  ist.  Noch  höher  aber  steht  die  künstlerische. 
Wir  befinden  uns  auf  dem  Musikchor  einer  Kirche,  ziemlich  weit  zurück, 
da  wir  den  grösseren  Teil  des  Chors  und  die  Gewölbung  und  die  Fenster 
der  Kirche  erblicken  können.  Der  Chor  ist  im  Helldunkel,  die  Kirche 
durch  die  Fenster  klar  erleuchtet.  An  der  Orgel  sitzt  ein  Mönch  und 
spielt.  Von  der  Andacht  und  seinem  Spiele  ergriffen,  zeigt  er  uns  ein  von 
seitwärts  erblicktes,  erhobenes  Antlitz.  Ein  Kirchenförst,  der  in  einem 
Seitenstuhle  sass  und  in  einem  grossen  Buche  las,  lässt  das  Buch  sinken 
und  blickt  auf  ihn.  Ein  junger  Mönch  an  der  Chorthür,  halb  stehend  und 
halb  auf  einem  Stuhle  knieend,  stützt  sein  gesenktes  Haupt  mit  der  Hand. 
Ein  Ministrant  an  der  Chorbrüstung  sollte  aus  einem  Buche  beten,  er  blickt 
aber  seitwärts  auf  den  Orgelspieler.  Neben  ihm  ein  Mönch  mit  der  Kapuze 
über  dem  Haupte  ist  in  tiefer  Andacht  versunken.  Aus  der  Tiefe  der 
Kirche  steigt  Weihrauch  empor.  Aus  dieser  schwachen  Beschreibung  möge 
man  die  Vergeistigung  dieses  Bildes  entnehmen.  Aber  nur  der  wirkliche 
Anblick  bringt  sie  erst  ins  rechte  Bewusstsein.  Wie  gleich  bewunderungs- 
würdig ist  das  Aufhorchen  des  Greises  und  des  Knaben,  und  doch  wie 
verschieden!  Hier  das  milde  des  Greises,  der  viel  gesehen  und  gelitten, 
dort  das  frische  des  Knaben,  vor  dem  erst  die  Zukunftswelt  liegt.  Im 
jungen  Mönche  sind  Gefühle  der  Wehmut,  in  dem  älteren  mit  der  Kapuze 
ist  die  gewohnte  Andacht,  die  durch  die  Orgel  gesteigert  ist,  aber  er  lebt 
der  Andacht,  nicht  den  Tönen.  Zu  dieser  geistigen  Durchbildung  gesellt 
sich  eine  Technik  des  Vortrags,  die  kaum  freier  und  vollendeter  sein 
könnte.  Jeder  Gegenstand,  von  der  Orgel  bis  zum  letzten  Bücherdeckel 
herab,  stellt  sich  wirklich  und  körperlich  dar,  er  steht,  liegt,  lehnt  frei, 
und  zeigt  nur  sich,  nicht  Farben.  Zugleich  ist  eine  Ruhe  und  künstlerische 
Anordnung  aller  Dinge  vorhanden,  die  vom  Gefühle  eines  Meisters  spricht, 
dem  Bilde  einen  grossartigen  Ernst,  und  dem  Beschauer  einen  völligen 
Abschluss  in  seinem  Gemüte  gibt.** 


')  S.  54  f. 

*)  Vermischte  Schriften,  herausgegeben  von  Johannes  Aprent,  Bd.  1,  S.  278. 


—  75  — 

Über  die  Lebensverhältnisse  Maassens,  der  mir  als  biederes,  freund- 
liches, gutgelauntes  altes  Herrchen  geschildert  wird,  gibt  der  Totenzettel 
Auskunft,  den  ich  wegen  seines  wannen  Tones  und  seines  von  vertrauter 
Bekanntschaft  mit  dem  Verstorbenen  zeugenden  Inhalts  gern  wörtlich 
wiedergebe : 

„Er  lebte  seit  1851  mit  Elisabeth  geb.  Trimborn,  die  ihm  im  Jahre 
1877  in  die  Ewigkeit  vorangegangen  ist,  in  glücklicher  Ehe.  Er  besuchte 
frühzeitig  die  Akademie  zu  Düsseldorf,  wo  er  sich  mit  grossem  Fleisse 
seinem  Berufe  als  Maler  widmete,  und  er  hat  sich  in  dieser  Kunst  durch 
ernstes  Streben  und  Schaffen,  das  vom  Geiste  der  Wahrheit  und  Rein- 
Tieit  getragen  war,  ein  bleibendes  ehrenvolles  Andenken  erworben. 

Mit  dem  lebendigen  Glauben  an  die  heiligen  Religionswahrheiten 
verband  er  einen  bescheidenen  und  gottesfürchtigen  Lebenswandel,  einen 
biederen  Sinn  und  eine  kindliche  Herzensgüte;  wie  sein  Leben  erbaulich 
war,  so  auch  die  Vorbereitung  auf  die  Heimkehr  zu  seinem  Erlöser,  indem 
er  die  Leiden  seiner  Krankheit  mit  christlicher  Geduld  ertrug  und  mit 
grossem  Tröste  seinem  Heilande  entgegen  sah,  in  dessen  Hände  er  ver- 
trauensvoll seine  gläubige  Seele  empfahl;  wohl  vorbereitet  durch  den  erbau- 
lichen Empfang  der  heil.  Sakramente  der  röm.-katholischen  Kirche,  ist  er 
zu  Düsseldorf  am  27.  Mai  1886  (oflf)  unter  dem  Gebete  der  Seinigen  fromm 
und  ergeben  im  Herrn  entschlafen. 

Segnen  wir  das  Andenken  des  lieben  Dahingeschiedenen  und  beten 
wir  besonders  beim  heiligen  Messopfer  für  seine  gläubige  Seele,  damit  sie 
durch  Jesus  Christus  zur  ewigen  Seligkeit  gelangen  möge.** 

18.  Aloys  Hubert  Michael  VenthS 

geboren  zu  Aachen  am  21.  Juni  1809  (oflF),  daselbst  gestorben  am  22.  Juli 
1868  (oflf),  war  ein  Schüler  Bastin^s  und  hat  später  die  Düsseldorfer  Aka- 
demie besucht,  wo  man  grosse  Erwartungen  von  ihm  hegte.  Er  lebte  in 
Aachen  und  war  Geschichts-  und  Portraitmaler,  mir  sind  jedoch  nur  wenige 
seiner  Werke  bekannt.  Im  hiesigen  Suermondt-Museum  befindet  sich  von 
seiner  Hand  das  im  Jahre  1839  geraalt«  kleine  Bildnis  des  hiesigen  Stifts- 
propstes Classen.  Herr  Stadtrentmeister  Zarth  besitzt  von  Venth  eine 
kleine  Winterlandschaft,  die  Aussicht  aus  dem  Atelierfenster  des  Künstlers 
darstellend:  im  Vorder-  und  Mittelgrunde  ein  Hof  und  Gebäulichkeiten,  im 
Hintergrunde  der  Salvator-  und  Lousberg,  alles  mit  tiefem  Schnee  bedeckt. 
Zwei  von  Venth  auf  Seide  gemalte,  sogenannte  Schwenkfahnen  mit 
den  Figuren  der  Gottesmutter  und  des  hl.  Aloysius  besass  das  Kaiser- 
Karls-Gymnasium  hierselbst.  Eine  dritte  derartige  Fahne  mit  dem  Bilde 
des  hl.  Petms,  welche  der  St.  Petersverein  in  Aachen  besass,  war  ausge- 
zeichnet durch  einen  besonders  schönen  Arabeskenrand.    Als  ihr  Stoff  Ende 


^)  Naglor   nennt   ihn   irrtümlich  Alexander  Venth  (Kttustler-Lexikon  Bd.  XX, 
(1850),  S.  73). 


—  76  — 

der  siebziger  Jahre  durch  den  vielen  Gebrauch  schadhaft  geworden  war, 
wurde  durch  den  Maler  Billotte  eine  Copie  hergestellt.  Jetzt  sind  der- 
artige Fahnen,  welche  nicht  selten  hohen  Kunstwert  besassen,  meist  durch 
geschmacklose  fabrikmässig  hergestellte  Samtfahnen  mit  steifen  Stickereien 
nach  unkünstlerischen  Vorlagen  verdrängt  worden. 

19.  Angnst  Adolf  Chauvin  ^ 

Die  Wiege  dieses  bedeutenden  Künstlers  stand  in  Lüttich,  wo  er  am 
25.  Oktober  1810  geboren  wurde  ^  Aber  schon  in  seinem  sechsten  Lebens- 
jahre kam  Chauvin  nach  Aachen,  wo  seinem  Vater  eine  staatliche  Stelle  als 
Verwaltungsbeamter  übertragen  war.  Er  besuchte  hier  nach  der  Elementar- 
schule das  Gymnasium  und  die  Gewerbeschule;  an  letzterer  Anstalt  wurde  er 
auch  sogleich  als  HülfslehVer  verwendet.  In  Gemeinschaft  mit  Alfred  Rethel 
erlernte  er  bei  Bastinß  die  Anfangsgründe  im  Zeichnen  und  Malen,  wurde 
aber  dann  Architekt^  blieb  4 — 5  Jahre  ausübender  Maurermeister  und  hatte 
als  solcher  eine  ziemlich  ausgebreitete  Beschäftigung.  Inzwischen  fand  er 
kein  Genügen  darin  und  es  handelte  sich  bei  ihm  nur  darum,  wo  und  auf 
welche  Weise  er  am  sichersten  seine  Liebe  zur  Malerei  würde  befriedigen 
können. 

Damals  hatte  das  nahe  Düsseldorf  mit  der  Schadowschen  Malerschule 
bereits  einen  grossen  Ruf  gewonnen,  und  was  Chauvin  davon  gehört  und 
gesehen,  zog  ihn  mehr  an,  als  Antwerpen  und  Brüssel.  Er  ging  im  Jahre 
1831  nach  Düsseldorf. 

Schadow  nahm  den  21jährigen  Jüngling,  als  er  sein  Anliegen  vor- 
brachte mit  sehr  bedenklicher  Miene  auf  und  stellte  ihm  die  Schwierigkeit 
seines  Unternehmens  eindringlich  vor,  bei  der  fortgesetzten  festen  Willens- 
äusserung  Chauvins  entschloss  er  sich  aber  doch  dazu,  ihn  einen  Versuch 
machen  zu  lassen.  Chauvin  musste  eine  Zeichnung  machen  nach  dem  Abguss 
eines  antiken  Kopfes,  und  so  befriedigend  fiel  diese  aus,  dass  fortan  Schadow 
des  eifrigen  Jüngers  sich  mit  besonderer  Liebe  annahm,  und  dass  Chauvins 
Vater  sich  mit  dem  Wagstück  des  Sohnes  aussöhnte.  Freilich  hatte  dieser 
noch  mit  anderen  Hindernissen  zu  kämpfen,  als  mit  etwaiger  Ungunst  der 
Kunst;  er  war  sehr  beschränkt  in  seinen  Subsistenzmitteln,  so  dass  er  u.  A. 
genötigt  war,  sein  Zimmer,  ja  eine  Zeit  lang  sogar  sein  Bett,  mit  einem 
andern  armen  Teufel  zu  teilen. 

Das  alles  hinderte  ihn  aber  nicht,  eifrig  der  Kunst  zu  leben,  und  so 
gelangte  er  denn  auch  bald  an  eine  Erwerbsquelle,  aus  der  er  Befriedigung 
seiner  bescheidenen  Ansprüche  schöpfte:  er  wurde  Zeichenlehrer  des  Prinzen 
von  Wied  und  blieb  in  dieser  Stellung,  die  ihn  immer  auf  mehrere  Monate 
im  Jahr  von  Düsseldorf  entfernt  hielt,  bis  zum  Jahre  1841. 

^)  Nach  dem  Aufsatze  Ton  £rnst  Förster  in  Westermaims  Jahrbuch  der  iUustirten 
deutschen  Monatshefte,  Bd.  XVII  (Braunschweig  1865),  S.  657,  dem  ein  Portrait  Chauvins 
beigegeben  ist. 

^)  Müller,  Düsseldorfer  Künstler  S.  41  gibt  irrtümlich  an,  Chauvin  sei  im  Jahre 
1818  zu  Aachen  geboren. 


—  77  — 

Talent  nnd  Fleiss  hatten  ihm  bald  eine  achtenswerte  Stellung  ver- 
schafft, die  Offenheit,  Festigkeit  und  Zuverlässigkeit  seines  Charakters  ihm 
bald  mehr  als  einen  guten  Freund  gewonnen.  Mit  Rethel  war  er  von 
früher  her  schon  bekannt;  von  den  anderen  Kunst  genossen  war  es  vor- 
nehmlich Christian  Köhler,  der  Maler  alttestamentalischer  Fraueugestalten, 
zu  dem  er  in  das  innigste  Freundschaftsverhältnis  trat.  Wohl  auf  seine 
Veranlassung  geschah  es,  dass  dieser  mit  Schadow  und  noch  14  andern 
Düsseldorfer  Malern  eine  Reise  nach  Belgien  unternahm,  wobei  Chauvin 
das  Amt  des  Führers  übernahm.  Es  war  dies  die  erste  grössere  deutsche 
Ktinstlerfahrt  nach  Belgien,  durch  welche  ein  Verhältnis  zwischen  den  beider- 
seitigen Künstlern  angeknüpft  wurde,  wenn  auch  die  Teilnahme  der  Deutschen 
vornehmlich  von  den  Werken  der  altflandrischen  Meister  in  Gent,  Antwerpen 
und  Brügge  in  Anspruch  genommen  wurde. 

August  Chauvin  hatte  indessen  mit  einem  , Abschied  des  Tobias* 
seinen  Eintritt  in  die  eigentliche  Künstlerlaufbahn  bezeichnet.  Er  Hess 
diesem  Bilde  ein  zweites  folgen  mit  einem  Falkenjungen  in  mittelalterlicher 
Tracht,  der  so  allgemein  gefiel,  dass  er  alsbald  in  verschiedenen  Variationen 
von  Anderen  wiederholt  wurde.  Nun  malte  er  in  kurzer  Zeit  „Das  Gebet 
Mosis*,  eine  „Ruhe  auf  der  Flucht"*,  „Die  Baumläufer**,  ein  heiteres  und 
sehr  gefälliges  Konversationsbild,  den  „Schutzengel**,  „Hagar  in  der  Wüste** 
u.  m.  a.,  Gemälde,  die  sämtlich  in  Privatbesitz  übergegangen  sind. 

Chauvin  hatte  sich  so  eingelebt  in  Deutschland,  dass  er  bereits  anfing, 
sich  ganz  als  Deutscher  zu  fühlen,  als  er  plötzlich  den  Ruf  bekam,  an  der 
Kunstakademie  seiner  Vaterstadt  eine  Lehrerstelle  zu  übernehmen.  Wie 
schwer  es  ihm  auch  wurde,  aus  dem  Kreis  der  Freunde  und  einem  reichen, 
vielbewegten  Künstlerleben  zu  scheiden  und  einzutreten  in  eine  Stellung, 
in  der  ein  grosser  Teil  seiner  Zeit  einer  nicht  künstlerischen  Thätig- 
keit  gewidmet  sein  musste,  und  wo  er  für  diese  weder  auf  besondere  Teil- 
nahme, noch  auf  eine  der  Düsseldorfer  ähnliche  Genossenschaft  rechnen 
konnte,  so  tiberwog  doch  der  Gedanke  an  einen  ehrenvollen  Wirkungskreis 
mit  festgegründeter  Existenz  um  so  mehr  jedes  Bedenken,  als  ihm  damit 
die  Aussicht  sich  eröfi'nete,  die  Ergebnisse  seiner  Studien  der  deutschen 
Kunst,  der  er  sich  mit  ganzer  Seele  gewidmet  hatte,  auch  in  seine  Heimat 
übertragen  zu  können.  Im  Jahre  1841  zog  er  mit  seiner  jungen  Frau, 
einer  geborenen  Koblenzerin,  nach  Ltittich,  wo  er  bei  einem  glücklichen 
Familienleben  eine  immer  weiter  ausgedehnte  Thätigkeit  fand. 

Von  den  Gemälden  Chauvins  hat  vornehmlich  eines  vom  Jahre  1849 
eine  grosse  Verbreitung  durch  Nachbildung  in  Kupferstich,  Lithographie 
und  Photographie  gefunden:  eine  „Flucht  nach  Aegypten**,  wo  die  heilige 
Familie  in  einer  Barke  sitzt,  und  ihre  Fahrt  von  einem  Engel  beschützt 
wird.  In  der  Werkstatt  des  Künstlers  sah  Ernst  Förster  (1865)  ein  ange- 
fangenes Pendant  dazu:  eine  „Ruhe  auf  der  Flucht",  ferner  „Die  Anbetung 
der  Könige",  „Die  drei  Marien  am  Grabe  Christi**  und  Carton  und  Farben- 
skizze zu  einem  grösseren  Gemälde  „Die  Bekehrung  des  Saulus**. 


—  78  — 

Im  Besitze  der  Stadt  Lüttich  befinden  sieh  von  Chauvin  vier  Gemälde: 
Die  letzte  Sitzung  der  Bürgermeister  Beeckmann  und  Lamelle  im  Rathause  zu 
Lüttich  (1631),  Judas  Iscariot  (Mattb.  27),  ein  Portrait  des  Bürgermeisters 
Jamme  (1830 — 1838)  und  ein  grosses  Geschichtsbild :  „Der  heilige  Bischof 
Lambert  von  Lüttich  wirft  Pippin  von  Heristal  während  eines  Gastmahles 
sein  unsittliches  Leben  vor."  Es  verdient  erwähnt  zu  werden,  dass  Cor- 
nelius, der  weder  für  die  Bestrebungen  der  Düsseldorfer  Schule,  noch  für 
die  Leistungen  der  belgischen  Maler  sehr  eingenommen  war,  über  dieses 
Gemälde  Chauvins  sich  gegen  ihn  wie  gegen  Andere  mit  grosser  Aner- 
kennung ausgesprochen  hat.  — 

Ernst  Förster  entwirft  von  unserem  Künstler  folgende  Charakter- 
schilderung : 

„Chauvin  wurde  in  Düsseldorf  von  seinen  Kunstgenossen  nur  ,der 
Franzos'  genannt.  Er  hat  sich  aber  sowohl  in  seinem  künstlerischen 
Thun,  als  in  seiner  allgemeinen  Denk-  und  Handelsweise  deutsch  und 
Deutschen  freundlich  erwiesen.  Unablässig  war  und  ist  er  bemüht,  der 
deutschen  Kunst,  vornehmlich  den  Arbeiten  der  Düsseldorfer  Schule,  Ein- 
gang und  Anerkennung  in  Belgien  zu  verschaffen.  In  trauter  Verbindung 
ist  er  mit  seinen  alten  Freunden  geblieben  und  namentlich  hat  Köhler  zu 
wiederholten  Malen  in  seinem  Hause  ausgedehnte  Gastfreundschaft  genossen. 

Chauvin  ist  eine  stramme,  nervige  Natur,  obschon  nicht  ohne  Spuren 
einer  anstrengenden  Thätigkeit;  frisch  aber  und  elastisch,  wo  es  Neues 
aufzunehmen,  Gutes  und  Nützliches  zu  schaffen  gibt.  Feurig  in  der  Rede 
und  beredt  im  Vortrag,  voll  Phantasie  und  glücklicher,  treffender  Einfälle, 
und  unterstützt  von  einem  nicht  leicht  wankenden  Humor,  ist  sein  Auf- 
treten stets  erfolgreich.  Er  ist  ein  treflücher,  und  bei  seinem  Reichtum 
von  Lebenserfahrungen  unerschöpflicher  Erzähler  und  darum  überall  will- 
kommener Gesellschafter.  Er  verbindet  auf  die  erfreulichste  Weise  deutsche 
Gemütlichkeit  mit  französischer  Lebendigkeit  und  Leichtigkeit,  und  wenn 
bei  beiner  öffentlichen  Thätigkeit  die  letzteren  Eigenschaften  mehr  zu  Tage 
treten,  so  wird  der  Deutsche  den  eigenen  Grundcharakterzug  vornehmlich 
in  seinem  Familienleben  ausgeprägt  finden. 

Geist,  Talent,  Kenntnisse  und  Thätigkeit  haben  ihm  sowohl  die  Achtung 
seiner  Mitbürger,  als  auch  das  Vertrauen  der  Regierung  gewonnen,  die  ihn 
häufig  zu  Kommissionen  beruft  oder  mit  Reisen  beauftragt;  erst  im  Jahre 
1868  wurde  er  mit  Direktor  Alvin  nach  München  geschickt,  um  Bericht 
über  die  dortige  Ausstellung  der  baierischen  Zeichnungsschulen  zu  erstatten  ^ 

Es  liegt  in  den  lokalen  Verhältnissen,  dass  die  Akademie  zu  Lüttich 
besondere  Rücksicht  auf  die  Industrie  und  die  Gewerke  nehmen  muss.  Chauvin 
lässt  es  sich  sehr  angelegen  sein,  nicht  nur  die  besten  Methoden  des  unter- 

')  Er  erschien  unter  dem  Titel:  Expositions  des  travaux  graphiques  et  plastiquea 
exöcut^es  dans  les  ^coles  de  Bavi^re,  de  France,  et  du  royaume  de  Württemberg,  rapport 
adress6  ä  M.  Vandenpereboom,  ministre  de  rinterieur  par  M.  Alvin  et  M.  Chauvin. 
BruxeUes  1S63. 


—  79  — 

richts  im  Zeichnen,  Modelliren  und  Malen  zu  ernuttehu  sondern  auch  den 
Geschmack  der  Schüler  nach  den  besten  Mustern  zu  bilden  und  die  Kenntnis 
der  verschiedenen  Stilarten  ihnen  beizubringen.  Überhaupt  logt  er  einen 
grossen  Wert  auf  wissenschaftlichen  Unterricht»  wohl  wissend,  dass  Kennt- 
nisse  und  Bildung  dem  Handwerker  wie  dem  Künstler  eine  ehrenhaftere, 
freiere  Stellung  in  der  Gesellschaft  und  einen  grösseren  Wirkungskreis 
sichern.  Wie  er  sich  in  seiner  Vaterstadt  einen  dauernden  Ruhm  untl  ein 
dankbares  Andenken  gegründet,  so  ist  ihm  auch  die  Anerkennung  seiner 
Verdienste  in  weitere  Kreise  gesichert,  und  sowie  viele  deutsche  Künstler 
ihn  zu  ihren  Freunden  zählen,  so  wird  die  deutsche  Kunst  in  ihm  den 
Verwandten  erkennen  und  ehren." 

Kommen  wir  noch  kurz  zurück  auf  Chauvins  äussern  Lobensgang. 

Im  Jahre  1856  wurde  Chauvin  interimistischer  Direktor  der  Lütticher 
Kunstakademie,  1858  übernahm  er  dieses  Amt  definitiv  und  er  hat  es  bis 
zum  Jahre  1880  verwaltet,  wo  er  mit  dem  Titel  eines  Khrendirektor»  in 
den  verdienten  Ruhestand  trat.  An  Anerkennung  seiner  Verdienste  hatte 
es  ihm  auch  sonst  nicht  gefehlt;  er  war  Ritter  des  Leopold-Ordens  (seit 
dem  8.  Oktober  1861)  und  korrespondirendes  Mitglied  der  Königlichen 
Akademie  in  Brüssel.  Als  er  aber  am  29.  Mai  1884  das  Zeitliche  gesegnet 
hatte,  gestaltete  sich  die  Begräbnisfeier  nochmals  zu  einer  grossartigen 
Ehrung  des  verstorbenen  Meisters.  Alle  staatlichen  und  städtischen  (>ivil- 
und  Militärbehörden  nahmen  an  derselben  teil;  (yhauvins  NachfolgiT  in  der 
Leitung  der  Akademie,  Direktor  Drion,  schilderte  in  einer  Rede  den  Lebens- 
lauf des  Verblichenen  und  hob  seine  grosse  Bedeutung  für  die  Kntwicke- 
lung  der  belgischen  Kunst  hervor,  das  schönste  Lob  aber  ward  dem  ver- 
storbenen Künstler  und  Lehrer  damals  wie  auch  später  bei  dor  Feier  des 
fünfzigjährigen  Bestehens  der  Lütticher  Kunstakademie  aus  dom  Munde 
seiner  ehemaligen  Schüler:  dass  er  sie  wie  seine  Kinder  geliebt  habe  und 
dass  es  sein  unablässiges  Bestreben  gewesen  sei,  sie  den  Höhen  der  Kunst 
zuzuführen  ^ 

20.  Lambert  ClemenH  Jakob  Hewer. 

Er  wurde  am  29.  Mai  1820  (off)*  zu  Aachen  geboren,  war  seit  1837 
in  Düsseldorf  Schüler  von  Karl  Sohn,  bis  er  1841  nach  Paris  ging,  wo  er 
zunächst  in  das  Atelier  vim  Paul  Ddaroche  trat,  dann  unter  Ary  ScheflTer 
Copien  nach  alten  Meistern  ausführt*'  und  sirh  <lom  Kinfliisie  der  lebenden 
französischen  Maler  hingab.  1847  kehrte  er  nach  l>tj>-^i*ldorf  zurück,  wo 
er,  mit  Ausnahme  tr^ringer  durch  R^^is^'n  verursachUrr  (Jnterbn*chungen, 
bis  zu  seinem  Tode  lebte.    Wegen  «einer  hervorragenden  Leistungen  hatte 

')  Nekrol'^  unfl  Hf-Tifhi  über  di«  \jf'it'h*u{*-\f,r  mit  den  Juden  de»  lürnktorn  Vr'u/h 
und  dea  Bildhaaerrf  Achill**  ('hainaw;  in  d^r  Lriiti'her  /jt-iuiui:  ,f.a  M*'»J4*''  St.  W4  and 
131  vom  30.  Mai  aud  2.  Jiiüi  ISH4.  h.  JVbeur,  Ia-  cinquantenaire  de  V'Aiiu\kmu:  d*^« 
beanxHtrU  1837— IS89.    N^uvenir  Amu  <i*-ve.     Li^jre  \HH'a,  p,  20. 

*)  Die  Aüt:<i^f^  U;i  W.  Müller,  l;tj-<(*  Idorf«r  Knti*U"f  *;.  1V*J  j*t  nunnhüy;. 


—  80  — 

er  den  Professor -Titel   erhalten.     Er  starb  zu  Bonn  am  2.  September 
1884  (ofl). 

Bewers  Gemälde  behandeln  vorzugsweise  romantische  Gegenstände, 
bei  denen  malerisch  bunte  Trachten,  prächtige  Stoffe  und  Geräte  Gelegen- 
heit zu  malerischen  Zusammenstellungen  bietend  „Die  Zusammenstellung 
ist  weniger  Komposition  als  Arrangement,  aber  trotzdem  anmutig,  hübsch 
und  massvoll.  Ohne  Zweifel  kann  man  die  Individualitäten  tiefer  und  ent- 
schiedener wünschen,  sie  zeigen  indes  feine  und  reine  Formen  und  einen 
ansprechenden  Ausdruck;  besonders  lobenswert  sind  auch  die  Licht-  und 
Farben-Effekte.  So  eignen  sich  diese  Bilder  trefflich  für  den  modernen 
Salon."  Dieses  Urteil  Wolfgang  Müllers*  über  zwei  Gemälde  Bewers 
(Tasso  am  Hofe  zu  Ferrara  und  der  Sängerkrieg  auf  der  Wartburg)  mag 
auch  von  seinen  übrigen  Werken  gelten. 

Bewer  war  auch  Bildnismaler,  und  hier  wird  ihm  ebenfalls  Geschmack 
und  Eleganz  nachgerühmt'. 

Im  Museum  Wallraf-Richartz  zu  Köln  findet  sich  von  Bewer  ein 
grosses  Ölgemälde:  Judith  mit  dem  Haupte  des  Holofernes.  Die  Düssel- 
dorfer städtische  Gemälde-Sammlung  besitzt  das  Bild:  Herodias'  Tochter 
empföngt  das  Haupt  Johannes  des  Täufers,  welches  Bild  der  Kunstverein 
für  die  Rheinlande  und  Westfalen  dorthin  gestiftet  hat.  Für  diesen  Verein 
hat  Bewer  auch  drei  der  im  Eathaussaale  zu  Münster  befindlichen  Portrait- 
bilder  gemalt,  darstellend  den  Minister  von  Fürstenberg,  Freiherrn  von 
Stein  und  Clemens  August  von  Droste-Vischering. 

21.  Leonhard  Rausch. 

Dieser  Künstler  wurde  zu  Jülich  am  5.  Februar  1813  (off)  geboren 
und  starb  zu  Düsseldorf  am  19.  April  1895.  Wolfgang  Müller*  zählt  ihn 
zu  der  Klasse  naturalistischer  Landschaftsmaler,  welche  ihre  Motive  meistens 
in  der  Schweiz  und  in  Tyrol  holten,  und  er  rühmt  von  ihm,  dass  seine 
Bilder  sich  durch  Fleiss  und  Naturtreue  auszeichnen. 

Ich  erwähne  ihn  hier  als  Schöpfer  von  neuen  hübschen,  in  Stahl 
gestochenen  Blättern  mit  Ansichten  aus  Aachen  und  seiner  Umgebung 
(ungefähr  18 — 20  cm  breit,  15 — 16  cm  hoch),  aufweichen  ein  ausgeführtes 
Mittelbild  von  darauf  bezüglichen  Randzeichnungen  umgeben  ist. 

Diese  Bilder  sind: 

1.  Der  Dom,  im  Rand  Wolf,  Artischocke,  Evangelienstuhl,  Kaiser- 
stuhl, Kronleuchter  und  die  hierunter  befindliche  Denkplatte. 

2.  Das  Rathaus  (vor  der  Restauration),  im  Rand  die  gothische  Fassade. 


*)  Nach  Ni essen,  Führer  in  den  geistigen  Inhalt  des  Museums  Wallraf-Richartz 
in  Köln. 

')  Düsseldorfer  Künstler  S.  159. 

^  Niessen  a.  a.  0. 

*)  Düsseldorfer  Künstler  S.  347. 


—  81  — 

3.  Der  Elisenbrunnen,  im  Rand  die  Therme  und  die  Büste  der  Königin 
Elisabeth,  Wappen  u.  s.  w.  (1842). 

4.  Das  Theater,  im  Rand  das  Innere  (1842). 

5.  Der  Lousberg,  im  Rand  die  Salvatorkirche,  die  Sage  von  der  Ent- 
stehung des  Lousbergs  (Teufel  und  Bauernweib)  und  Ansicht  von 
Aachen  (1842). 

6.  Burtscheid,  im  Rand  der  Viadukt,  die  Michaels-  und  Abtei-Kirche, 
der  Kurgarten  (1843). 

7.  Frankenburg,  im  Rand  die  Schlossthürme,  Sage  vom  Ring  der 
Fastrada  (1842). 

8.  Drimbom,  im  Rand  die  im  Wäldchen  befindlichen  Altertümer  u.  s.  w. 
(1842). 

9.  Emmaburg,  im  Rand  die  Sage  von  Eginhard  und  Emma  (1842). 


Mit  Leonhard  Rausch  schliesst  die  Reihe  der  in  Betracht  kommenden 
mir  bekannten  Maler,  welche  die  Düsseldorfer  Akademie  besucht  haben. 
Im  Anschlüsse  an  den  eben  genannten  Maler  folgen  noch  drei  Künstler, 
von  denen  ebenfalls  Ansichten  aus  Aachen  vorhanden  sind\    Es  sind  dies: 

22.  Thomas  Cranz, 

Zeichner  im  architektonischen  und  landschaftlichen  Fache,  gebürtig  aus 
Neisse  in  Schlesien,  seit  längerer  Zeit  abwechselnd  in  Köln  und  Aachen 
sich  aufhaltend.    Nach  ihm  wurden  u.  A.  lithographirt: 

Aachen  und  seine  Umgebungen.  Nach  der  Natur  gezeichnet  von  Cranz. 
Lithographirt  bei  A.  Senefelder  in  Paris,  herausgegeben  in  6  Heften  (zu  6  Blättern) 
bei  J.  La  Kuelle  Sohn.  Qu.  4^* 

Er  ist  am  24.  Juni  1853  im  Bürger-Hospital  zu  Köln  gestorben, 
67  Jahre  alt.  In  der  amtlichen  Eintragung  ist  sein  Name  mit  K  geschrieben. 
Dieser  Mann  war  als  Zeichner  nicht  ohne  Geschicklichkeit;  auch  mit  der 
Malerei  hat  er  sich  befasst. 

23.  Anton  Wfinsch, 

geboren  zu  Godesberg  bei  Bonn  im  Jahre  1800,  hatte  sich  anfangs  für  die 
Malerei  bestimmt,  der  er  jedoch  entsagte,  um  sich  der  Lithographie  zu 
widmen.  In  Gemeinschaft  mit  F.  A.  Mottu  errichtete  er  1817  in  Köln 
eine  lithographische  Anstalt,  für  welche  er  mit  angestrengtem  Fleisse 
gewirkt  hat.    Eine  nicht  unbeträchtliche  Anzahl  zum  Teil  sehr  lobens- 


*)  Die  Angaben  über  diese  drei  Künstler  sind  Merlos  Werk  über  die  Kölnischen 
Künster  (neu  bearbeitet  und  erweitert  von  Firmenich-Richartz  und  Keussen,  Düssel- 
dorf 1895)  wörtlich  entnommen. 

*)  Angektlndigt  in  der  Beilage  zu  Nr.  124  der  Rheinischen  Flora  Bd.  I  (1825)  das 
Heft  zu  1  Rtblr. 


—  82  — 

werter  Blätter,  welche  er  auf  Stein  gezeichnet  hat,  sichern  ihm  ein  ehren- 
volles Andenken  in  der  Künstlergeschichte  Kölns.  Schon  in  seinem  33. 
Lebensjahre  wurde  er  durch  Schwindsucht  am  25.  Januar  1833  dem 
Irdischen  entrissen. 

Man  hat  u.  A.  von  ihm  ein  Blatt:  Frankenberg.  Lith:  v:  Wünsch.  Qu.  8^. 

24.  Anton  Ditzler  (Dietzler), 

geboren  zu  Koblenz,  Sohn  des  Landschaftsmalers  Jakob  Ditzler,  widmete 
sich  ebenfalls  diesem  Fache  und  hat  sich  besonders  durch  eine  Folge  von 
kleinen  Panoramen  der  wichtigsten  Städte  und  einiger  durch  Naturschönheit 
oder  geschichtliche  Denkwürdigkeit  berühmter  Punkte  aus  der  ßheingegend 
und  Belgien  vorteilhaft  bekannt  gemacht;  sie  wurden,  im  Auftrage  des 
unternehmenden  Kölner  Buch-  und  Kunsthändlers  F.  C.  Eisen  und  zum 
Zwecke  der  Vervielfilltigung  durch  Kupferstich  von  Ditzler  an  Ort  und 
Stelle  nach  der  Natur  aufgenommen,   zuerst  gezeichnet  und   dann  nach 

einem  gleichförmigen,  sehr  beschränkten  Massstabe,   genau  mit  dem  Um- 

__  •• 

fange  der  Kupferstiche  in  schmal  gr.  Qu.  Folio  übereinstimmend,  in  Ölfarbe 
ausgeführt,  und  zwar  mit  solcher  Treue  und  Sauberkeit,  dass  man  diesen 
fleissigen  Arbeiten,  für  das,  was  sie  sein  sollen,  eine  gerechte  lobende 
Anerkennung  nicht  wird  versagen  dürfen.  Sie  wurden  von  schweizer 
Künstlern  in  Aquatinta-Manier  gestochen  und  zwar  die  Ansicht  von  Aachen 
durch  den  Kupferstecher  Ruff. 

Mitten  in  einem  strebsamen  und  sehr  thätigen  Wirken  starb  Ditzler 
zu  Köln  am  27.  April  1845,  erst  dreissig  Jahre  alt. 

Noch  verdient  erwähnt  zu  werden,  dass  Ditzler  eine  ungemeine 
Geschicklichkeit  im  Copiren  der  Werke  anderer,  auch  alter  Meister  besass. 
Es  gibt  in  dieser  Art  Arbeiten  von  ihm,  die  in  der  That  zur  Täuschung 
geeignet  waren. 


Wir  haben  jetzt  noch  die  Berufsmaler  zu  behandeln,  welche  ausser- 
halb Düsseldorfs  ihre  künstlerische  Ausbildung  erhielten. 

25.  Ludwig  Schleiden. 

Dieser  Künstler  wurde  am  4.  Dezember  1802  geboren  ^  Seine  Eltern 
stammten  aus  Aachen;  hier  und  in  dem  nicht  weit  entfernten  holländischen 
Städtchen  Sittard  bei  Verwandten  seiner  Mutter  hat  er  auch  seine  Kinder- 
jahre verlebt. 

„In  frühester  Jugend  widmete  er  sich  mit  vielem  Talent  und  bestem 
Erfolge  der  Malerkunst  und  ward  von  den  Freunden  dieser  schönen  Kunst 
viel  gesucht  und  gerühmt  2. "  Er  hatte  in  Aachen,  wie  fast  alle  seine  dortigen 

*)  Nach   dem  Totenzettel,  auf  dem   der  Geburtsort  nicht  angegeben  ist.    In   die 
Geburtsregister  der  Stadt  Aachen  ist  Schleideus  Geburt  nicht  eingetragen. 
«)  Totenzettel. 


—  83  — 

Kunstgenüssen  jener  Zeit,  im  Zeichnen  und  Malen  Unterricht  von  Bastinß 
erhalten  und  sich  dann  zu  seiner  weiteren  Ausbildung  nach  Paris  gewandt; 
welchem  Meister  er  sich  dort  angeschlossen,  konnte  jedoch  nicht  ermittelt 
werden.  Nach  der  Rückkehr  von  Paris  Hess  Schieiden  sich  in  Aachen 
nieder.  Er  war  Portrait-  und  Geschichtsmaler.  Es  gibt  von  ihm  ein 
Gemälde,  welches  den  Tod  des  Grafen  Wilhelm  IV.  von  Jülich,  der  bei 
dem  Überfalle  Aachens  in  der  Nacht  vom  16.  zum  17.  März  1278  erschlagen 
ward,  zum  Gegenstand  hat.  Wo  dieses  Bild  sich  jetzt  befindet,  ist  mir 
nicht  bekannt. 

Schieiden  war  der  vertraute  Freund  des  Malers  Billotte,  mit  dem  er 
seine  täglichen  Spaziergänge  machte.  Der  Totenzettel  rühmt  ihn  als  ehren- 
haften, pflichttreuen  und  opferwilligen  Mann,  ein  Lob  in  das  die,  welche 
ihn  noch  gekannt  haben,  einstimmen.  Er  war  nicht  verheiratet  und  starb 
zu  Aachen  am  7.  September  1862  (oflf)- 

26.  Karl  Schmid. 

In  der  Einleitung  des  vorliegenden  Aufsatzes  lernten  wir  diesen  Maler 
schon  als  Schöpfer  trefflicher,  in  einer  hiesigen  Gemälde-Ausstellung  des 
Jahres  1837  befindlicher  Portraits  kennen.  Genaueres  habe  ich  jedoch 
über  seine  Lebensumstände  nicht  erfahren  können. 

Eaczynski,  welcher  ihn  den  Bildnis-Malern  der  Berliner  Schule  zuzählt, 
hat  über  ihn  den  folgenden  Vermerk*: 

Schmidt  Karl;  jetzt  (1839)  ungefähr  34  Jahre  alt  Er  ist  aus  Berlin,  und 
lebt  seit  mehreren  Jahren  in  Aachen.  Er  ist  als  Portraitmaler  sehr  ausgezeichnet. 
Das  Bild  des  Obersten  von  Schepeler  ist  eines  der  ähnlichsten  und  besten,  die  ich 
von  ihm  gesehen  habe. 

Nagler  *  hat  aus  Unkenntnis  der  französischen  Übersetzung  des  Wortes 
Aachen  unserem  Maler  die  beiden  nachstehenden,  einander  unmittelbar 
folgenden  Artikel  gewidmet,  die  sich  vielleicht  ergänzen: 

Schmidt  oder  Schmid  Carl,  Maler,  bildete  sich  um  1820  auf  der  Akademie 
in  Berlin,  lieferte  aber  schon  zu  dieser  Zeit  schätzbare  Werke.  Diese  bestehen  in 
Bildnissen,  so  wie  in  Copien  nach  historischen  und  landschaftlichen  Originalgemälden 
berühmter  Meister.  Später  begab  sich  der  Künstler  nach  Frankreich,  zunächst  nach 
Paris,  wo  er  mehrere  Portraite,  auch  historische  Darstellungen  und  Genrebilder 
malte  und  BeifaU  erntete.  Nach  einiger  Zeit  scheint  er  sich  zu  AiX'la-Ohapelle 
niedergelassen  zu  haben. 

Schmidt  oder  Schmid  Carl,  Maler  zu  Aachen,  erhielt  daselbst  den  ersten 
Unterricht  im  Zeichnen,  und  begab  sich  dann  zur  weiteren  Ausbildung  nach  Berlin, 
wo  er  an  der  Akademie  der  Ktlnste  seine  Studien  fortsetzte.  Er  studirte  auch  die 
Kunstschätze  der  k.  Gallerie  und  copirte  mehrere  Werke  derselben,  besonders  im 
historischen  Fache,  da  er  selbst  der  Historienmalerei  sich  widmete.  Die  Werke 
dieser  Art  gehören  aber  zu  den  selteneren,  da  der  Künstler  meistens  Bildnisse 
malte,  Brustbilder  und  ganze  Figuren,  teilweise  in  Lebensgrösse.   Überdies  hat  man 


*)  Geschichte  der  neueren  deutschen  Kunst,  Bd.  III,  S.  133. 
»)  Künstler-Lexikon  Bd.  XV  (1845),  S.  293. 


—  84  - 

auch  einige  Genrebilder  von  der  Hand  dieses  Meisters.  Ira  Jahre  1841  copirte  er 
die  Bildnisse  Napoleons  und  der  Kaiserin  Josephine,  welche  der  König  von  Pr«»ussen 
der  Stadt  Aachen  geschenkt  hatte  ^  Schmidt  ist  Professor  der  Zeichenkunst  in  Aachen. 

Im  Aachener  Adressbuch  von  1845  (die  darauf  folgenden  Jahrgänge 
standen  mir  nicht  zur  Verfügung)  wird  Schmid,  welcher  den  Professor- 
Titel  führte,  noch  als  Portraitmaler  aufgeführt;  in  den  fünfziger  Jahren 
soll  er  nach  Manchester  verzogen  und  dort  gestorben  sein. 

27.  Peter  Ludwig  Kühnen. 

Vaterstadt  dieses  Malers  ist  Aachen,  wo  er  am  14.  Februar  1812 
(oflf)  geboren  wurde.  Seine  grossen  Anlagen  zur  Zeichenkunst  zeigten  sich 
sehr  frühe,  so  dass  er,  mit  13  Jahren  verwaist,  durch  die  Stadtverwaltung 
die  nötige  Beihülfe  erhielt,  um  sich  als  Lithograph  ausbilden  zu  können. 
Als  solcher  arbeitete  er  bei  der  hiesigen  Firma  La  Ruelle  &  Co.,  die  ihn 
durch  überaus  günstige  Bedingungen  an  ihr  Haus  band.  Kühnen  strebte 
jedoch  weiter.  Seine  freien  Stunden  benutzte  er  unter  Bastin^s  Leitung 
zu  Übungen  in  der  Malerkunst.  Zunächst  malte  er  Wappen  und  Miniatur- 
bilder, und  die  grosse  Genauigkeit,  welche  er  bei  diesen  Arbeiten  anwandte, 
verschaffte  ihm  bald  einen  weiten  Ruf.  Namentlich  als  Portrait-Miniatur- 
maler  leistete  er  Tüchtiges  und  er  kam  hierdurch  in  Beziehungen,  welche 
ihn  veranlassten,  sich  in  Belgien  niederzulassen.  Der  Herzog  Prosper  von 
Aremberg  beauftragte  ihn  Mitte  der  dreissiger  Jahre  die  Bildnisse  seiner 
Söhne  zu  malen.  Durch  diese  Bilder  wurde  er  in  den  Kreisen  belgischer 
Kunstliebhaber  bekannt  und  von  diesen  aufgefordert,  Brüssel  zu  seinem 
Wohnorte  zu  wählen.  Kühnen  kam  ihrem  Wunsche  im  Jahre  1836  nach, 
war  jedoch  kaum  nach  Brüssel  gezogen,  als  ihn  in  Folge  des  bei  seiner 
Kunstgattung  notwendigen  fortwährenden  Gebrauchs  der  Lupe  eine  Augen- 
krankheit befiel,  die  ihn,  auch  nachdem  er  wiederhergestellt  war,  zwang, 
dieser  Art  der  Kunstthätigkeit  zu  entsagen. 

Kühnen  widmete  sich  nun  der  Landschaftsmalerei  und  hierin  fand 
er  erst  seinen  wahren  Beruf.  Seine  Fortschritte  waren  ausserordentlich 
und  stärkten  seinen  immer  wachsenden  Ruf.  Im  Jahre  1842  erkannten 
ihm  die  Preisrichter  des  Brüsseler  Salon  die  silberne  Medaille  zu;  drei 
Jahre  später  erhielt  er  die  goldene  Medaille.  Im  Jahre  1846  stellte  er 
in  Paris  aus  und  trug  den  höchsten  Ehrenpreis  davon.  Mit  demselben 
Glücke  stellte  er  in  der  Folge  auf  verschiedenen  Ausstellungen  Europas 
und  Amerikas  aus. 

Einen  besonderen  Verehrer  seiner  Kunst  hatte  Kühnen  in  dem  Könige 
der  Belgier  Leopold  L,  der  ihn  auch  für  seine  Tochter  Charlotte,  die  nach- 
malige unglückliche  Kaiserin  von  Mexiko,  als  Lehrer  im  Zeichnenund  Malen 

^)  Diese  Angabe  ist  anrichtig.  Die  beiden  Bilder  sind  ein  der  Stadt  von  Napoleon 
gemachtes  Qeschenk.  ISIS  Hess  Friedrich  Wilhelm  III.  sie  nach  Berlin  überführen, 
Friedrich  Wilhelm  IV.  gab  sie  im  Dezember  1840  nach  Anfertigung  einer  Copie  der  Stadt 
zurück.    (Pick,  Aus  Aachens  Vergaugeuhcit.     Aachen  1895,  S.  522  f.) 


—  85  — 

wählte.  Es  zeugt  von  der  Anhänglichkeit,  welche  die  Kaiserin  ihrem  ehe- 
maligen Lehrer  bewahrt  hatte,  dass  ihm  auf  ihre  Veranlassung  Kaiser 
Max  um  Neujahr  1865  den  Orden  Unserer  Lieben  Frau  von  Guadalupe  ver- 
lieh. Das  Ritterkreuz  des  Belgischen  Leopoldsordens  hatte  Kühnen  schon 
am  10.  Oktober  1856  erhalten. 

Nicht  allein  als  Landschaftsmaler  hat  Kühnen  Hervorragendes  ge- 
leistet, er  schuf  auch  treffliche  Zeichnungen  und  Eadirungen,  die  von  den 
Liebhabern  sehr  gesucht  werden. 

Kühnen  starb  zu  Brüssel  am  22.  November  1877. 

Landschaften  von  ihm  befinden  sich  in  der  Mus6^  moderne  zu  Brüssel 
und  in  unserem  Suermondt-Museum  (Flusslandschaft,  im  Treppenhaus  Nr.  278). 

Wie  Kühnen  war  auch  seine  Gemahlin 

28.  Fran  Anna  Barbara  Josephina  Hnbertina  Knhnen, 

geb.  Beckers 

eine  tüchtige  Landschaftsmalerin.  Sie  wurde  geboren  zu  Aachen  am 
23.  November  1807  (oflf)  und  starb  zu  Brüssel  am  9.  Mai  1867  im  84.  Jahre 
einer  glücklichen  Ehe. 

29.  Georg  van  Haanen 

wurde  am  23.  August  1807  (off)  in  Utrecht  geboren,  den  Abend  seines 
Lebens  verlebte  er  in  Burtscheid,  wo  er  am  17.  Juli  1879  (off)  gestorben 
ist.    Weitere  Lebensnachrichten  über  ihn  kann  ich  nicht  geben. 

Nagler^  bringt  über  einen  Maler  C.  van  Haanen  die  folgende  Notiz: 
„C.  van  Haanen,  ein  jetzt  lebender  Maler  zu  Utrecht,  dessen  Landschafts- 
bilder mit  Achtung  genannt  werden  müssen.  Seiner  wird  im  Kunstblatt 
1835  Nr.  75  erwähnt,  und  da  heisst  es,  dass  sich  seine  Werke  an  jene 
Schoteis  verdienstlich  anreihen.** 

Auch  Raczynski  berichtet  von  einem  Maler  van  Haanen  in  Utrecht, 
dessen  Werke  er  auf  einer  Reise  durch  Holland  im  April  1838  kennen 
lernte.  „Kirchen  von  Innen,  gotische  Bogen-Gänge,  dies  sind  die  Gegen- 
stände, die  er  am  häufigsten  behandelt.    Seine  Arbeiten  werden  geschätzt**  ^ 

Ob  sich  die  Angaben  dieser  beiden  Schriftsteller  auf  unseren  Maler 
beziehen,  oder  vielleicht  auf  seinen  Vater,  welcher  den  Vornamen  Casparis 
führte,  kann  ich  nicht  entscheiden.  Ich  habe  die  Stelle  aus  Nagler  her- 
gesetzt, weil  sich  unrichtige  Vornamen  auch  sonst  in  seinem  Künstler- 
Lexikon  finden. 

Von  unserem  Maler  Georg  van  Haanen  befanden  sich  fünf  kleinere 
Ölgemälde  in  der  Sammlung  des  Dr.  Portz,  welche  im  August  1880  hier- 
selbst  versteigert  wurde. 

Es  waren  dies  zwei  Waldlandschaften,  eine  Mondscheinlandschaft,  ein 


»)  Künstler  Lexikon  Bd.  V  (1837),  S.  478. 

*)  Geschichte  der  neueren  Kunst  Bd.  III,  S.  459  und  465. 


—  86  — 

brennendes  Dorf  an  einem  Flusse  bei  Mondbeleuchtung  und  ein  Genre- 
geraälde:  Ein  Kind  droht  einem  Hunde,  der  aus  dem  Küchenschranke  ein 
Stück  Fleisch  gestohlen  hat. 

30.  Franz  Ewerbeck  ^ 

Ewerbeck  wurde  geboren  am  15.  April  1839  zu  Brake  bei  Lemg-o 
in  Lippe-Detmold.    Nach  bestandener  Abgangs-Prüfung  am  Gymnasium  zu 
Lemgo  besuchte  er  von  1857 — 61   das  Polytechnikum  zu  Hannover  und 
die  Bauakademie  zu  Berlin.     Im   Anschlüsse  daran  unternahm  er  seine 
erste  und   für  sein   ganzes  späteres  Leben   bedeutungsvolle  Studienreise 
durch  Frankreich,  das  nördliche  Spanien,  Nord-  und  Mittelitalien  und  Süd- 
deutschland  und  trat  dann  nach  seiner  Rückkehr  auf  Hases  Bureau  in 
Hannover  ein.   Bis  Herbst  1863  finden  wir  ihn  mit  Unterbrechungen  dort 
thätig,   während  er  durch  Fortsetzung  seiner  Studien  auf  dem  Polytech- 
nikum zu  Hannover  sowie  durch  zeitweiligen  Besuch  der  Kunstakademie 
zu  Nürnberg  und  mehrere  Studienreisen  durch  Süddeutschland  und  West- 
falen seinen  künstlerischen  Gesichtskreis  beständig  zu  erweitern  strebte. 
Schon  jetzt  errang  er  sich  durch  Veröffentlichung  der  auf  seinen  Reisen 
gesammelten  Skizzen  (1864  bei  Schmorl  und  von  Seefeld,  Hannover),  die 
vermöge  der  genialen  Darstellung  grosses  Aufsehen  erregten  und  besonders 
in  den  Kreisen  der  Hannoverschen  Schule  begeisterte  Anerkennung  fanden, 
einen  ehrenvollen  Namen. 

Nach  kurzer  Thätigkeit  beim  Bau  des  Königl.  Schlosses  Marienburg 
übernahm  Ewerbeck  sodann  im  April  1864  die  Bearbeitung  der  Pläne  für 
die  Hochbauten  der  Bahn  Almelo-Salzbergen  und  der  nicht  zur  Ausführung 
gelangten  Strecke  Harlingen-Heerenveen.  Daran  schlössen  sich  in  den 
nun  folgenden  Jahren  Entwurf  und  Ausführung  der  Bahnhöfe  zu  Bentheim 
und  Gildehaus.  Neben  dieser  Thätigkeit  ward  ihm  vielfach  Gelegenheit, 
in  grösseren  und  kleineren  Privatbauten  verschiedenster  Stilforraen  sein 
vielseitiges  Talent  zu  schulen. 

Im  Februar  1867  wandte  sich  Ewerbeck  wieder  nach  Hannover,  um 
auf  dem  Bureau  der  dortigen  Eisenbahn-Direktion  ausser  Entwürfen  zu 
Empfangs-  und  Dienstgebäuden  für  Hannover  die  Hochbauten  der  Süd- 
Harzbahn  zu  bearbeiten.  Nach  IV2  Jahren  bot  sich  ihm  eine  vorteilhafte 
Stellung  in  Osnabrück  bei  der  Paris-Hamburger  Bahn  unter  dem  Ober- 
baurat Funk,  in  der  er  bis  zum  Jahre  1870  verblieb.  In  diesem  Jahre 
folgte  er  dem  ehrenvollen  Rufe  an  die  neuerrichtete  Königl.  Technische 
Hochschule  zu  Aachen,  wo  er  als  Lehrer  der  Architektur  bis  zu  seinem 
Lebensende  eine  fruchtbringende  und  vielseitige  Wirksamkeit  entfaltet  hat. 


*)  Aus  dem  Nekrolog  in  der  deutschen  Bauzeitung,  23.  Jahrgang,  Berlin  1889,  S.  830. 
Ein  in  den  Mitteilungen  des  K.  K.  Oestorr.  Museums  für  Kunst  und  Industrie.  N.  F. 
Jahrgang  IV,  S.  444  enthaltener  Nekrolog  ist  notirt  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Ge- 
schichtsvereins Bd.  XII,  S.  340. 


—  87  — 

Auch  in  Aachen  fand  Ewerbeck  neben  seinem  Lehramte  Müsse  zu 
einer  rastlosen  privaten  Thätigkeit;  viele  Entwürfe  und  Bauausführungen 
entstanden,  unter  denen  als  Hauptwerk  die  künstlerische  Gestaltung  des 
neuen  chemischen  Laboratoriums  der  Technischen  Hochschule  zu  Aachen 
hervorzuheben  ist.  Grosse  Erfolge  erzielte  er  ausserdem  durch  Bearbeitung 
zahlreicher  Entwürfe  und  Wettbewerbungen,  unter  denen  mehrere  den 
ersten  Preis  davontrugen.  U.  a.  sind  hier  zu  erwähnen  die  mit  dem  ersten 
Preise  gekrönten  Entwürfe  zum  Bahnhofe  der  Aachen-Jülicher  Bahn  und 
zum  Bau  eines  Atriums  für  den  Dom  zu  Aachen,  dessen  künstlerische  Aus- 
gestaltung zu  seinen  Lieblingsplänen  gehörte.  Der  hochbedeutende  Ent- 
wurf zur  Wiederherstellung  der  Kathausthürme  in  Aachen,  der  durch  einen 
unglücklichen  Formfehler  gegen  das  Programm  von  der  Preisbewerbung 
ausgeschlossen  werden  musste,  brachte  ihm  nicht  geringeren  Ruhm  ein. 
Als  eine  mit  besonderem  Reiz  ausgestattete  Arbeit  der  letzten  Jahre  ist 
der  gleichfalls  durch  eine  Wettbewerbung  veranlasste  Entwurf  für  den 
Kölner  Volksgarten  zu  nennen. 

In  den  weitesten  Kreisen  machte  sich  Ewerbeck  bekannt  durch  seine 
zahlreichen  und  vorzüglichen  Veröffentlichungen.  Hier,  vor  allem  in  der 
unübertrefflichen  Darstellung  dessen  was  er  erdacht  oder  auf  seinen  vielen 
Reisen  geschaut,  ist  auch  wohl  der  Schwerpunkt  seiner  künstlerischen 
Lebensthätigkeit  zu  suchen.  Seine  köstlichen,  mit  vollendeter  Meister- 
schaft hingeworfenen  Aquarelle  und  die  prächtigen  Aufnahmen,  besonders 
farbiger  Dekorationen  sind  wohl  nur  engern  Kreisen  bekannt  geworden, 
ihretwegen  verdient  er  aber  voll  und  ganz  einen  Platz  in  der  Reihe 
Aachener  Maler.  Um  so  weitere  Verbreitung  fanden  seine  architektonischen 
Reiseskizzen  —  so  das  schon  erwähnte  Erstlingswerk,  sowie  insbesondere 
die  Hauptarbeit  der  letzten  Jahre,  die  Renaissance  in  Belgien  und  Holland, 
ausserdem  zahlreiche  grössere  und  kleinere  Aufsätze  und  Darstellungen  in 
den  verschiedensten  Zeitschriften,  in  denen  er  mit  besonderer  Vorliebe 
Gegenstände  der  Dekoration  und  des  Kunstgewerbes  alter  und  neuer  Zeit 
behandelte.  Sein  letztes  Werk,  eine  Auswahl  eigener  Entwürfe  (Berlin 
bei  Ciaessen)  förderte  er  noch  bis  zu  seinen  letzten  Tagen  mit  unermüd- 
lichem Eifer. 

In  der  Fülle  der  Schaffenskraft  erlag  Ewerbeck,  nach  kaum  voll- 
endetem 50.  Lebensjahre  einer  schweren  Nervenkrankheit,  die  ihn  infolge 
von  Überanstrengung,  mitten  in  der  Bearbeitung  der  im  Februar  1888 
ausgeschriebenen  Preisaufgabe  zu  einem  Gesellschaftshaus  christlicher  Kauf- 
leute in  Breslau,  befallen  hatte.  In  wunderbarer  Weise  war  ihm  auch 
während  seines  länger  als  ein  Jahr  währenden  Leidens  der  wunderbare 
Schaffenstrieb  erhalten  geblieben;  es  war  als  ob  beim  Hinsiechen  seiner 
körperlichen  Kräfte  die  Energie  seines  Geistes  fort  und  fort  sich  gesteigert 
hätte.  Noch  wenige  Wochen  vor  seinem  Ende  unternahm  der  todkranke 
Mann  eine  Reise  nach  Brüssel,  um  dort  Studien  zu  machen  und  Geschäfte 
für  seine  Bauausführungen   abzuschliesseu.    Eine  Brustfellentzündung,  die 


—  88  — 

er  sich  hierbei  zuzog,  brachte  den  völlig  abgezehrten  Körper  zu  Falle. 
Widerstrebend,  fast  bis  zur  letzten  Stunde  rastlos  schaffend,  rang  sich  der 
feurige  Geist  endlich  los  von  seiner  kraftlosen  irdischen  Hülle  und  nach 
hartem  Kampfe  entriss  ihn  der  erlösende  Tod  seiner  Familie  und  seinen 
zahlreichen  Freunden.  Ewerbeck  starb  zu  Aachen  am  16.  Juni  1889  (off)- 
Ein  echter  Künstler,  ein  pflichttreuer,  von  seinen  Schülern  begeistert  ver- 
ehrter Lehrer,  ein  edler,  liebenswürdiger  Mensch  ist  in  ihm  zu  Grabe 
getragen  worden. 

Zwei  Aquarelle  Ewerbecks  befinden  sich  unter  Glas  und  Rahmen  ira 
Kupferstich-Kabinet  unseres  Suermondt-Museums.  Sie  stellen  dar  ein  Stadt- 
thor zu  Kampen  in  Holland  und  die  Kirche  zu  Wilderswyl  in  der  Schweiz. 

31.  Maximin  (Max)  Wilhelm  Hubert  Kratz 

wurde  anj  5.  Novejnber  1810  (off)  zu  Comelimünster  bei  Aachen  geboren 
und  starb  zu  Aachen  am  22.  Juli  1889  (off).  Er  war  namentlich  geschätzt 
als  tüchtiger  Bilderrestaurator,  daneben  malte  er  Landschaften,  er  hat 
aber  auch  Geschichtsbilder  gemalt.  So  befand  sich  von  ihm  in  der  schon 
erwähnten  Sammlung  des  Dr.  Portz  neben  fünf  Flusslandschaften  (darunter 
vier  mit  Mondlicht)  auch  eine  Grablegung  Christi. 

32.  Johann  Peter  Neidinger 

wurde  zu  Trier  am  22.  Februar  1811  (off)  geboren.  Am  I.Oktober  1844 
wurde  er  als  Nachfolger  Bastin^s  Zeichenlehrer  am  hiesigen  (Kaiser  Karls-) 
Gymnasium  und  er  hat  diese  Stelle  bis  zu  seinem  am  20.  Dezember  1875 
(off)  erfolgten  unerwarteten  Hinscheiden  bekleidet. 

Soviel  ich  weiss,  hat  er  nicht  gemalt,  war  aber  ein  geschickter 
Zeichner.  Nicht  ohne  poetische  Anlagen  war  Neidinger  auch  ein  beliebter 
Gesellschaftsredner  und  der  Verfasser  vieler  Festgedichte  und  geselliger 
Lieder. 

33.  Karl  Alexander  Lambris 

wurde  am  18.  Mai  1841  (ofl)  zu  Düsseldorf  geboren,  hat  aber  den  grössten 
Teil  seines  Lebens  in  Aachen  zugebracht,  wo  er  auch  am  28.  Mai  1896 
(off)  gestorben  ist.  Lambris  war  Architekt  und  ein  Zeichner  von  hervor- 
ragender Begabung,  der  namentlich  für  kunstwissenschaftliche  Werke  viele 
Zeichnungen  angefertigt  hat,  ich  führe  z.  B.  an  das  bekannte  von  unserem 
Mitbürger  Dr.  Franz  Bock  herausgegebene  dreibändige  Werk  „Rheinlands 
Baudeökmale  des  Mittelalters**.  Als  Nachfolger  Salms  war  Lambris  später 
Zeichenlehrer  an  mehreren  hiesigen  höheren  Schulend 


*)  Lambris'  Vater,  Matthias  L.  geboren  zu  Krefeld,  60  Jahre  alt  gestorben  zu  Aachen 
am  5.  September  1877  (off)  war  Lithograph.  Von  ihm  gibt  es  eine  lithographisch  ver- 
vielfältigte künstlerische  Spielerei,  eine  aus  nur  zwei  ununterbrochenen  Linien  gezeichnete 
Abbildung  des  Reiterstandbildes  des  Kurfürsten  Johann  Wilhelm  auf  dem  Markte  zu 
Düsseldorf,  umgeben  von  einer  verschnörkelten  Eahmenverzierung. 


—  89  — 

Den  vorgenannten  Künstlern  reihe  ich  noch  einige  Dilettanten  an, 
welche  auch  die  schöne,  Niemanden  zur  Last  fallende  Kunst  der  Malerei 
g-epflegt  haben. 

34.  Jakob  Joseph  Hubert  Lanffs, 

geboren  zu  Aachen  am  15.  Mai  1804  (off)  und  daselbst  am  12.  Oktober  1875 
(oflf)  gestorben,  war  emeritirter  Pfarrer  und  bis  zu  seinem  Tode  Geistlicher 
an  dem  im  Sommer  1896  abgetragenen  St.  Michaels-Kapellchen  auf  dem 
katholischen  Kirchhofe  am  Adalbertssteiuweg.  Der  fromme  und  würdige 
Priester  hat  sich  während  seines  ganzen  Lebens  gerne  mit  Zeichnen  und 
Malen  beschäftigt.  Er  malte  religiöse  Darstellungen,  arme  Kirchen  ver- 
danken ihm  auch  gemalte  Mittelschilder  für  Kirchenfahnen. 

35.  Johann  Willems, 

geboren  zu  Aachen  am  5.  April  1807  (off),  ein  Schullehrer  zu  Burtscheid, 
erhielt  seine  Ausbildung  im  Seminar  zu  Brühl.  Er  lebte  37  Jahre  in  glück- 
licher Ehe  mit  Katharina  Oslender,  welche  zehn  Jahre  vor  ihm  das  Zeit- 
liche segnete.  Am  29.  Januar  1877  feierte  Willems  sein  fünfzigjähriges 
Lehrerjubiläum,  bei  welcher  Gelegenheit  er  den  Adler  der  Inhaber  des 
hohenzoUemschen  Hausordens  erhielt.  Er  starb  zu  Burtscheid  am  1.  Juli  1884 
(off).  Vielseitig  künstlerisch  veranlagt  (er  war  vor  allem  ein  tüchtiger 
Geigenspieler)  hat  Willems  sich  auch  mit  der  Malerei  befasst,  und  seine 
kleinen  Landschaftsbildchen,  die  er  wohl  in  der  früheren  Jacobischen  per- 
manenten Gemälde-Ausstellung  ausstellte,  sind  in  vielen  Häusern  unserer 
Stadt  zu  finden. 

36.  Nikolaus  Joseph  Balck, 

ein  Kunsttischler  und  Holzschnitzer,  wurde  zu  Aachen  am  10.  Mai  1812 
(off)  geboren.  „Bis  zu  seinem  Alter  war  derselbe  ein  begeisterter  und 
begabter  Jünger  der  christlichen  Kunst,  und  manche  Kirche  ist  geziert 
durch  erbauendes  Bildwerk  von  seiner  Hand^"  In  seinen  Mussestunden 
beschäftigte  Balck  sich  auch  mit  der  Malerei  und  zwar  copirte  er  Bilder 
religiösen  Genres,  es  gibt  von  ihm  z.  B.  eine  Copie  des  im  hiesigen  Museum 
befindlichen,  dem  Franzisco  de  Zurbaran  zugeschriebenen  Bildes,  das  den 
hl.  Franziskus  darstellt  (Saal  IV,  Nr.  301).  Balck  starb  zu  Aachen  am 
17.  September  1887  (off). 

37,  Dr.  Matthias  Hubert  Debey  (De  Bey)^ 

geboren  zu  Aachen  am  23.  August  1817  (off),  daselbst  gestorben  am  19.  März 
1884  (off)  war  nicht  allein  ein  tüchtiger  Arzt,  sondern  auch  ein  eifriger  Pfleger 

0  Totenzettel. 

*)  Nekrolog  von  J.  Becker  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  Bd.  IX,  S.  233. 


—  90  — 

der  Kunst,  was  seine  unser  Münster  und  Rathaus  betreffenden  Schriften 
und  sein  „Büchlein  geistlicher  Lieder"  beweisen.  Aber  auch  der  Malerei 
hat  Debey  sein  Interesse  zugewandt,  er  besass  eine  nicht  unansehnliche 
Bildersammlung  und  hat  selbst  nach  altdeutschen  Vorbildern  gemalt. 

38.  Jakob  Gustav  Compes, 

Oberpfarrer,  Ehrenstiftsherr  und  Deflnitor,  wurde  am  22.  Mai  1832  in 
Korschenbroich  geboren.  Am  1.  September  1857  in  Köln  zum  Priester 
geweiht,  war  er  nacheinander  Kaplan  in  Borbeck,  an  St.  Andreas  in  Köln, 
Pfarrverwalter  in  der  Diözese  Speyer,  Kaplan  an  St.  Jakob  in  Aachen, 
Pfarrer  in  Bleibuir  und  seit  dem  30.  August  1886  bis  zu  seinem  Tode  an 
St.  Foillan  in  Aachen.  Er  starb  zu  Aachen  am  12.  Mai  1890  (oflf).  Compes 
war  Landschaftsmaler. 


Es  soll  endlich  hier  noch  einer  Künstlerin  Erwähnung  gethan  werden, 
welche  zwar  weder  gemalt  noch  gezeichnet  hat,  aber  trotzdem  in  den 
Rahmen  dieser  Arbeit  hineinpasst  und  auch  wohl  zu  verdienen  scheint,  dass 
ihr  Andenken  erhalten  bleibe.    Es  ist  dies 

39.  Johanna  Maria  Agnes  Hnbertina  Scharschmann, 

geboren  zu  Aachen  am  16.  Juli  1819  (off),  daselbst  gestorben  am  5.  November 
1847  (oflf).  Von  ihr  heisst  es  in  dem  Berichte  *  über  eine  Gemäldeausteilung, 
welche  1848  im  Haamannschen  Saale  hierselbst  stattfand,  nachdem  zuerst 
eine  Anzahl  spätmittelalterlicher  Bilder  besprochen  worden: 

„Von  der  deutschen  Schule  sei  es  gestattet,  im  Vorübergehen  einen 
Blick  auf  die  , Aachener  Schule  vom  jüngsten  Datum*  zu  werfen. 

Wir  haben  schon  bei  einer  früheren  Ausstellung  auf  die  ganz  im 
Geiste  der  alten  Kunst,  ohne  allen  vorherigen  Unterricht  im  Zeichnen, 
erfundenen  und  in  schwarzem  oder  farbigem  Papier  ausgeschnittenen  Ar- 
beiten der  im  vorigen  Jahre  nach  ISjähriger  unausgesetzter  Krankheit 
verstorbenen  Agnes  Scharschmaim  aus  Aachen  aufn(?erksam  gemacht.  Da- 
mals gewannen  die  vier  Bilder  aus  dem  Jahre  1844  Anerkennung.  Seitdem 
hat  die  Künstlerin  bis  zum  Ende  ihres  Lebens  bedeutende  Fortschritte 
gemacht,  wie  die  vorliegende,  aus  den  Leistungen  der  Jahre  1844 — 1847 
getroffene  Auswahl  von  28  der  besten  Arbeiten  beweist.  Die  Schönheit 
der  Komposition,  die  Vollendung  der  Zeichnung  haben  mehr  noch  als  die 
Überwindung  der  technischen  Schwierigkeiten  bei  Mangel  alles  Unterrichts 
tüchtige  Kunstkenner  in  Staunen  gesetzt.  Wir  hegen  die  Hoffnung,  dass 
ein  künftiges  städtisches  Museum  die  besten  Werke  unserer  verewigten 
Mitbürgerin  der  Nachwelt  aufbewahren  werde,  und  dass  ihnen  dann  eine 


*)  Echo  der  Gegenwart,  Jahrgang  I,  Nr.  5  vom  16.  Juli  1848. 


^m  I 


—  91  — 

bessere  Stelle  wird  eingeräumt  werden,  als  man  ihnen  in  der  gegenwärtigen 
Ausstellung  anzuweisen  für  gut  gefunden  hat/ 

Weiteres  über  diese  Künstlerin  kann  ich  nicht  mitteilen. 


Zum  Schlüsse  mögen  einige  Mitteilungen  über  Aachener  Bildersamm- 
lungen Platz  finden. 

Es  gab  im  Laufe  dieses  Jahrhunderts  in  Aachen  mehrere  Gemälde- 
Sammlungen  von  bedeutendem  Bufe. 

Der  am  1.  März  1887  in  Aachen  verstorbene  Barthold  Suermondt* 
hat  zweimal  eine  grosse  Gemälde-Sammlung  zusammengebracht.  Die  erste 
Sammlung,  welche  auch  die  von  Suermondt  1852  erworbene  Gallerie  (etwa 
150  Bilder)  des  Obersten  von  Schepeler  umfasste,  welcher  preussischer 
Geschäftsträger  in  Madrid  gewesen  und  den  Abend  seines  Lebens  in 
Aachen  verlebt  hatte,  wird  im  amtlichen  „Führer  durch  die  Königlichen 
Museen  zu  Berlin*  als  die  beste  Privat-Gallerie  Deutschlands  bezeichnet. 
Sie  ging  1874  durch  Kauf  zum  grössten  Teil  in  den  Besitz  des  Preussi- 
schen  Staates  über  und  bildet  jetzt  einen  Teil  der  Königl.  Gemälde-Gallerie 
in  Berlin. 

Der  Hauptbestand  der  zweiten  Suermondtschen  Sammlung,  mehr  als 
130  Bilder,  wurde  in  den  Jahren  1882  und  1883  von  Suermondt  der  Stadt 
Aachen  geschenkt.  Suermondt  gründete  durch  dieses  reiche  Geschenk  die 
Gallerie  des  nach  ihm  benannten  städtischen  Suermondt-Museums. 

Ich  übergehe  eine  Reihe  kleinerer  Gemälde-Sammlungen,  wie  sie  in 
Führern  durch  Aachen,  Adressbüchern  u.  s.  w.  aufgeführt  werden  und 
will  nur  noch  die  Bettendorfsche  Sammlung  kurz  erwähnen. 

Diese  Gemälde-Sammlung  aus  dem  Anfange  dieses  Jahrhunderts  ent- 
hielt ungefähr  370  Bilder,  darunter  Werke  der  Gebrüder  van  Eyck,  „herr- 
liche" Memlings^,  ferner  Gemälde  von  Dürer,  Hugo  van  der  Goes,  Bernhard 
van  Orley,  Rogier  van  der  Weyden,  Rubens,  Titian,  Correggio  u.  s.  w.  Ende 
der  zwanziger  Jahre  ward  die  Sammlung  zersplittert*.  Sie  war  zu  ihrer 
Zeit  weit  berühmt  und  wurde  vielfach  von  Künstlern  und  Kunstfreunden  be- 
sichtigt. Während  des  Monarchen-Kongresses  im  Jahre  1818  hatte  König 
Friedrich  Wilhelm  IIL  sie  in  Begleitung  des  Kronprinzen  und  seines  Gefolges 
in  Augenschein  genommen*.  Fünf  Jahre  später  sah  sie  Johann  Friedrich 
Böhmer,  der   bekannte  Frankfurter  Historiker  und   begeisterte  Patriot*. 


')  Nekrolog  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschieh ts Vereins  Bd.  IX.  S.  235. 

*)  Raczynski  a.  a.  0.  Bd.  I,  S.  96. 

•)  Qu  ix,  Hist.-topogr.  Beschreibung  der  Stadt  Aachen  S.  121.  —  Ein  Gedicht  von 
J.  ß.  Rousseau  auf  ein  altdeutsches  Marienbild  der  Bettendorfschcn  Gemälde-Sammlung, 
Rheinische  Flora,  I.  Jahrgang  (1825),  S.  762. 

*)  Meyer,  Aachen,  der  Monarchen-Kongress  im  Jahre  1818.     Aachen  1819,  S.  72. 

*)  Janssen,  Johann  Friedrich  Böhmers  Leben,  Briefe  und  kleinere  Schriften.  Frei- 
barg i.  Er.  1868,  Bd.  I,  S.  99. 


—  92  — 

Böhmer  war  damals  eifrig  mit  Kunststudien  beschäftigt.  „Mir  war*,  schrieb 
er,  „der  Satz  klar  geworden,  den  einer  meiner  Lieblingsdichter  irgendw^o 
ausspricht:  ,Das  Schöne  will  das  Heilige  bedeuten',  und  fortan  liess  ich 
mir  .die  näheren  Kenntnisse  der  Gegenstände  deutscher  Malerei  angeleg-eii 
sein,  und  liess  Andere  über  die  Verzeichnungen  der  Hände  und  Fasse  sich 
unterhalten,  womit  sie  sich,  wie  ich  höre,  auch  noch  beschäftigen  und  also 
wohl  nie,  die  Extremitäten  verlassend,  zu  dem  Herzen  vordringen  werden.  ** 
„Die  ächte  Kunst  ist  eine  Predigt  vom  Jenseits,  eine  Predigt  des  Evan- 
geliums d.  h.  der  Demut  und  Selbstverläugnung.**  Und  in  diesem  Sinne 
schrieb  er  unter  dem  Eindrucke,  den  die  Bettendorfsche  (Tallerie  auf  ihn 
gemacht,  einem  Freunde  das  folgende  Sonett  ins  Stammbuch: 

Zur  schönen  Kunst  meint*  ich  den  Schritt  zu  lenken, 
Als  ich  hetrat  des  Bildersaales  SchweUe, 
Doch  edler  Saft  floss  mir  aus  dieser  Quelle, 
Mit  höherer  Labung  meinen  Durst  zu  tränken. 

Mich  selbst  vernichtend  musst'  ich  mich  versenken, 
Van  Eyck,  so  tief  in  deiner  Landschaft  Helle, 
Und  Hemlings  Farbenglut  verbrannte  schneUe 
Zu  besserem  Phönix  aU'  mein  irdisch  Denken. 

Nicht  Maler,  nein,  Apostel  seid  ihr  Meister, 
Das  ew'ge  Wort,  ihr  sprecht  es  aus  in  Farben; 
Nicht  Ohren  zwar,  doch  predigt  ihr  den  Augen. 

Abglanz  des  Beichs,  das  ihr,  verklärte  Geister, 
Nun  schaut,  um  welches  eure  Märtyrer  starben, 
Ist  mir  vergönnt,  aus  euerem  Werk  zu  saugen. 


Max  von  Schenkendorf  am  Rhein  und  in  Aachen. 

f 

Von  K.  Wacker. 

„Wenn  ich  das  herrliche  Land  übersehe,  durch  welches  ich  gewandert 
bin",  schrieb  Max  von  Schenkendorf  im  Dezember  1812  an  Frau  von  Auers- 
wald,  „als  Einfassung  des  Gemäldes  einen  silbernen  Strich  mache  von  den 
Flüssen,  die  dem  Knaben  schon  so  lockend  und  badelabend  klangen,  als 
Oder,  Elbe,  Pleisse,  Mulde,  Ihn,  Werra,  Main  Neckar,  Rhein  —  wenn  ich 
zur  Staffage  die  herrlichen  Menschen  hinzurechne,  die  mir  begegnet  sind, 
so  erscheint  mir  der  letzte  Sommer  wie  ein  Traum  und  ich  fürchte  zu 
erwachen."  Von  Königsberg  war  er  um  die  Mitte  Juli  1812  aufgebrochen 
und  im  September  in  Karlsruhe  angekommen  —  seine  Heimat  sollte  er 
nicht  wiedersehen.  Er  entbehrte  sie  fürs  erste  auch  nicht,  seine  Eltern 
und  die  Verwandten  seiner  Frau  besassen  nicht  die  Liebe  des  jungen 
Dichters.  Die  Ideale,  die  des  Dichters  Herz  bewegten,  als  er  seine  öst- 
liche Heimat  verliess,  wurden  am  Rhein  gestärkt  und  vermehrt.  Wenn 
Rückert  ihn   den    „Kaiserherold**    nennt,  so   will  er  ihn   preisen  als  den 


—  93  — 

sinnigen  Lobsänger  der  grossen  deutschen  Vergangenheit  und  den  ernsten 
Mahner  an  die  Pflichten,  die  Volk  und  Fürsten  dem  Vaterlande  gegenüber 
in  der  Zukunft  zu  erfüllen  haben.    Seine  Freude  und  sein  Schmerz  hatten 

• 

ihre  Quelle  im  Hoffen  und  Verzagen  an  der  Wiederherstellung  alter  Reichs- 
herrlichkeit. Wie  musste  sich  sein  dichterisches  Gemüt  angeregt  fühlen, 
als  er  zum  ersten  Mal  den  Strom  sah,  an  dem  sich  deutsche  Geschichte  und 
Sage,  deutsches  Heldentum  und  freies  Bürgerleben  ihre  Stätte  erkoren  hatten! 

Es  klingt  ein  heUer  Klang, 

Ein  schönes  deutsches  Wort 

In  jedem  Hochgesang 

Der  deutschen  M&nner  fort: 

Ein  alter  König  hochgeboren, 

Dem  jedes  deutsche  Herz  geschworen  — 

Wie  oft  sein  Name  wiederkehrt, 

Man  hat  ihn  nie  genug  gehört. 

Er  sieht  im  tiefen  Bett  des  sagenumwobenen  Stromes  nach  dem  Hort, 
den  Hagen  in  ihn  versenkt  hat: 

Tief  unten  in  dem  Grunde, 
Am  feuchten,  kohlen  Ort, 
Da  ruht  noch  diese  Stunde 
Der  Nibelungenhort. 

Auch  dem  stolzragenden  Münster  zu  Strassburg  und  dem  ehrwürdigen 
Dom  zu  Speyer  sandte  er  seinen  tiefempfundenen  Dichtergruss.  Zu  Worms 
suchte  er  die  Geister  der  Helden  heraufzubeschwören,  die  einst  hier  gelebt, 
des  grimmen  Hagen,  der  Burgunderkönige,  des  erschlagenen  Siegfried. 

Die  Geister  und  die  Sagen, 
Der  alten  Tage  Zier, 
Die  kann  kein  Feind  erschlagen, 
Sie  weilen  ewig  hier. 

Auch  fliesset  noch  zur  Stunde 
Der  alte  Rhein  vorbei, 
Der  blieb  dem  Heldenbunde, 
Den  Heldenzeiten  treu. 

In  Baden-Baden  und  Karlsruhe  wohnte  er  Volksfesten  bei,  beteiligte 
sich  an  der  Weinlese  und  besuchte  mit  Frau  und  Kin(\  die  Ruinen  und 
Berge  des  Schwarzwaldes,  wo  er  sich  nahe  wähnte  der  Wohnung  der 
, seligsten  Gestalt**,  dem  , süssen  Engelsbild**,  das  nicht  nur  am  Sternenzelt, 
sondern  auch  bei  grünen  Bäumen  in  dem  lust'gen  Wald  seinen  Reigen  führt. 

0  Freiheit,  Freiheit,  komm  heraus, 
So  kraftig  und  so  fromm, 
Aus  deinem  grünen,  dunklen  Haus, 
Du  schöne  Freiheit,  komm! 

Dort  unten  lass  dich  wieder  schaun, 
Im  fernen  deutschen  Land, 
Bewahre  du  die  treuen  Gaun 
Vor  welschem  Sklavenstand. 


—  94  — 

Und  sie  sollte  kommen,  die  Stunde,  in  der  die  selige  Gestalt  der 
Göttin  Freiheit  aus  den  Klüften  des  Schwarzwaldes  herniederstieg  an  die 
Rebenhügel  des  Rheines.  Mit  dem  Ausgang  des  Jahres  1813  war  das 
rechte  Rheinufer  dem  deutschen  Volke  wiedergegeben.  Aber  in  fremden 
Skavenketten  trauerte  noch  die  alte  Krönungsstadt  mit  dem  Stuhle  Karls 
des  Grossen. 

Frei  geworden  ist  der  Strom, 
Ist  das  Land  am  deutschen  Rheine; 
Doch  der  Stuhl  von  Felsgesteine 
Trauert  noch  im  Aachner  Dom. 

Drauf  des  grössten  Kaisers  Macht 
Sass  als  eine  stumme,  bleiche, 
Würmern  hingegebne  Leiche, 
In  der  gold'nen  Kronen  Pracht. 

Welchen  Otto  kühn  erhob, 
starker  Hoffnung  Grabesblüte, 
Gar  nicht  ahnend  im  Gemüte, 
Was  die  dunkle  Zukunft  wob. 

Steht  er  wohl  noch  lange  leer? 
WiU  sich  drauf  kein  Kaiser  setzen 
AUen  Völkern  zum  Ergötzen, 
Der  Bedrängten  Schirm  und  Wehr? 

Ach,  die  Sehnsucht  wird  so  lautl 
Wollt  ihr  keinen  Kaiser  küren? 
Kommt  kein  Ritter,  heimzuführen 
Deutschland,  die  vcrlass'ne  Braut? 

Komm  vom  Himmel  uns  herab. 
Den  wir  alle  froh  begrüssen, 
Dem  wir  sinken  zu  den  Füssen, 
Steig*  empor  aus  tiefem  Grab! 

Einen  hat  sich  Gott  ersehen. 
Dem  das  Erbteil  zugefallen, 
Der  ein  Stern  wird  sein  vor  allen. 
Und  was  Gott  will,  mag  geschehen! 

Als  aber  der  1000.  Jahrestag  des  Todes  Karls  des  Grossen  nahte 
und  in  dem  wiedereroberten  Aachen  die  Banner  der  Verbündeten  flatterten, 
da  ruft  er  den  grossen  Kaiser  an  als  Schutzgeist  seines  Volkes. 

Nun  sind  es  tausend  Jahr, 
Dass  Kaiser  Karl  geschlafen. 
Wer  zählt  der  Greuel  Schar, 
Die  in  der  Zeit  uns  trafen? 

Hat  Dir  von  unsrer  Welt 
Im  Grabe  nicht  geträumt? 
0  frommer  Christenlield, 
Du  hast  sehr  viel  versäumt. 


—  95  — 

Das  ganze  Deatschland  schaut 
Voll  Schmerz  nach  Deinen  Zeiten, 
Der  heirge  Morgen  graut, 
Zu  dem  wir  uns  bereiten. 

Nun  rufen  wir  Dir  zu: 
Geliebtes  Haupt,  erwache! 
Ersteh'  von  langer  Ruh, 
Vollziehe  Du  die  Rache! 

Steh'  auf  in  Herrlichkeit 
Nimm  Schwert  und  Scepter  wieder, 
Dann  kommt  die  bess're  Zeit 
Vom  Himmel  zu  uns  nieder. 

Nur  einen  solchen  Herrn 
Einmal  nach  tausend  Jahren, 
Dann  soll  der  deutsche  Stern 
Hoch  leuchten  in  Gefahren. 

Lass,  heil'ger,  stark  und  weich. 
Dich  uns're  Liebe  binden. 
Ein  tausendjähriges  Reich 
In  Deutschland  neu  zu  gründen! 

Wenn  sich  Schenkendorf  schon  jahrelang  auf  die  „Welt  von  Genüssen** 
gefreut  hatte,  die  ihm  mit  einer  Rheinfahrt  aus  dem  Badischen  herunter 
bis  gen  Koblenz  und  Köln  eröffnet  werden  sollte,  so  hat  ihm  leider  das 
Geschick  nicht  gegönnt,  die  „herrliche  Fahrt**,  wie  sie  seinem  Geiste  vor- 
schwebte, als  gesunder  Mann  anzutreten.  Schon  seit  einigen  Monaten  hatte 
er  über  körperliche  Leiden  geklagt;  die  Anstrengungen  der  Kriegsjahre, 
die  arbeitsvollen  Tage,  die  er  unter  von  Steins  Präsidium  im  Dienste  der 
Centralverwaltung  der  Kriegsbewaffnung  meist  zu  Frankfurt  a.  M.  zubrachte, 
schienen  sich  rächen  zu  wollen.  „Nervenreiz,  Kopfschmerz,  Schwindel  und 
schwarze  Hypochondrie  —  ich  kann  nie  länger  als  eine  Viertelstunde  an- 
haltend schreiben  —  das  hat  auf  alle  meine  Ansichten,  Studien  und  Arbeiten 
Einfluss.**  Nun  wäre  er  am  liebsten  nach  dem  benachbarten  Baden-Baden 
gegangen,  um  Heilung  zu  suchen;  das  öftere  Zusammensein  mit  seiner  in 
Karlsruhe  verbleibenden  Familie,  der  stete  Verkehr  mit  Freunden  am  Bade- 
orte selbst,  hätten  seinem  Geist  und  Gemüt  eine  die  Genesung  des  Körpers 
fördernde  Frische  bewahrt.  Aber  sein  Freund,  der  Arzt  Friedländer,  ver- 
ordnete energisch  den  Gebrauch  der  Aachener  Bäder. 

Auf  seiner  Reise  nach  Aachen  berührte  er  Koblenz,  wo  er  mit  dem 
grossen  Görres  verkehrte,  und  das  heilige  Köln,  wo  er  mit  heiligem  Schauer 
den  Dom  betrat,  „den  Wald  voll  hoher  Bäume**,  wo  er  altdeutsche  Gemälde 
sah,  denen  er  das  wärmste  Interesse  zuwandte;  und  wenn  ihm  anfänglich 
nicht  alles  behagte,  so  wurde  er  immer  mehr  zu  Gunsten  der  Stadt  und 
ihrer  Bewohner  umgestimmt.  Später  schrieb  einmal  Frau  von  Schenken- 
dorf über  Köln:   „Köln  scheint  die  Eigenschaft  zu  haben,  dass  der  unan- 


—  96  — 

genehme  Eindruck,  den  es  am  Anfange  macht,  sich  nicht  allein  verliert, 
sondern  sich  in  Anhänglichkeit  an  diesen  Ort  vorwandelt  — **,  welchem 
Briefe  ihr  Gatte  die  Zeilen  hinzusetzte:  „Hier  ist  gut  sein,  Kirchen  und 
Bilder  sind  gar  zu'  schön,  und  die  Menschen  sind  lieb  und  traut/ 

Gegen  Ende  November  oder  Anfang  Dezember  1814  betrat  Schenken- 
dorf zum  ersten  Mal  den  Boden  der  Reichs-  und  Krönungsstadt  Aachen, 
um  ungefähr  5  Monate  zum  Kurgebrauch  daselbst  zu  bleiben.  Wer  die 
Eigenart  seines  menschlichen  und  dichterischen  Empfindens  kennt,  kann 
erraten,  mit  welchen  Gefühlen  er  den  Zeugen  grosser  Vergangenheit  ent- 
gegentrat, die  er  hier  zum  ersten  Male  sah.  Wenn  den  Knaben  Schenken- 
dorf schon  die  gelegentlichen  Mitteilungen  eines  Pfarrers  über  lokalgeschicht- 
liche Ereignisse  seiner  litthauischen  Heimat  mächtig  anregten,  wenn  er  in 
Königsberg  den  Blick  nicht  ohne  poetisches  Empfinden  auf  die  Ruinen 
eines  Klosters  richten  konnte,  wenn  er  als  Jüngling  durch  einen  gehar- 
nischten Zeitungsartikel  dem  an  der  Marienburg  ausgeübten  Vandalismus 
Einhalt  that,  dann  musste  er  als  Mann  mit  edler  Begeisterung  und  weh- 
mütiger Erinnerung  den  baulichen  Resten  aus  der  Zeit  Karls  des  Grossen 
gegenüberstehen.  Jetzt  entsprach  seine  Umgebung  der  bei  ihm  vorwiegenden 
Gemütsrichtung:  dem  stillen  Sichversenken  in  die  Grösse  der  Vergangen- 
heit unseres  Volkes,  dem  plötzlichen  Emporflackern  dieser  Stimmung  und 
ihrer  Verdichtung  in  den  ungestümen  Forderungen  nach  Erneuerung  alter 
Reichsherrlichkeit  und  Kai  ^^rwürde. 

Aber  zunächst  waren  es  diese  Empfindungen  nicht,  die  sich  nach 
oben  drängten  und  zum  poetischen  Ausdruck  zu  gelangen  strebten.  Auf 
dem  allgemeinen  Untergründe  einer  romantisierenden  Sentimentalität  er- 
langten zunächst  die  Stimmungen  die  Oberhand,  die  sich  au  die  fernen 
Lieben  und  das  schmerzlich  entbehrte  Familienleben  anknüpften.  So  sandte 
er  denn  seiner  Gattin  einen  „Gruss  aus  der  Fremde",  ihr  und  sich  selbst 
zur  Tröstung  (Dezember  1814): 

Du  liebes,  frommes  Wesen, 
An  dem  dies  Herz  genas, 
Das  ich  mir  nicht  erlesen, 
Das  mir  mein  Gott  erlas. 

Du  Holde,  Schöne,  Süsse, 
Du  meines  Lebens  Stern, 
Ich  grüsse  Dich,  ich  grüsse 
Ans  weiter,  weiter  Fem! 

Sind  wir  auch  fern  geschieden, 
Die  Lieb'  hat  süssen  Brauch, 
Ich  fühle  Deinen  Frieden 
Und  atme  Deinen  Hauch. 

Arger  noch  beschlich  ihn  die  Sehnsucht  nach  Frau  und  Kind  am 
hl.  Christabend.    Als  die  Lichter  der  Weihnachtsbäume  durch  die  Fenster 


—  97  — 

auf  die  Strassen  schienen  und  traute  Kreise  um  sich  sammelten,  denkt  der 
Dichter  daran 

„—  was  vordem  geschah, 
Und  was  ihm  heute  fehlt.** 

Wir  fühlen  mit  ihm  das  Heimweh,  wir  fühlen  mit  ihm  das  Verlangen 
nach  dem  süssen  Frieden,  den  er  wie  Goethes  Wanderer  in  seine  Brust 
wünscht. 

Willkommen,  trautes  Dämmerlicht! 
Willkommen,  Mondenschein; 
Ihr  bleibt  getreu  —  verlasst  mich  nicht, 
Sonst  bin  ich  ganz  aUein. 

Nicht  mag  ich  zu  dem  heUeu  Stern, 
Nicht  auf  zum  Himmel  schaun, 
Es  ziehet  mich  in  weite  Fem* 
Wohl  fort  nach  andern  Au'n. 

Zu  meinem  Hof,  zu  meinem  Haus, 
Zu  ihr,  der  keine  gleicht. 
Die  Gabe  mir  und  Blumenstrauss 
Zum  Feste  sonst  gereicht. 

0  Hausfrau,  schön  und  fromm  und  mild, 
Die  jede  Tugend  schmückt. 
Und  Du,  mein  Muttergottesbild, 
Nach  dem  sie  sinnend  blickt, 

Und  Du,  viel  stlsses,  liebes  Kind, 
Das  uns  der  Herr  geschenkt. 
Das,  wie  die  Mutter  stiU  gesinnt. 
Des  fernen  Wandrers  denkt. 

Ich  grtlss'  euch,  ihr  geliebten  Drei, 
Dich  grttss'  ich,  kleine  Welt, 
In  der  mein  Herz  und  meine  Treu* 
Sich  gar  zu  wohl  gefäUt. 

Wie  krank  ich  bin  und  einsam  hier, 
Mir  träumt  vom  Wiedersehn, 
Von  .unserm  Haus;  da  wollen  wir 
Noch  manches  Fest  begehn. 

Willkommen,  süsse  Weihnachtslust, 
0  wunderbarer  Schein! 
Vom  Himmel  zeuch  in  meine  Brust 
Und  nimm  sie  gänzlich  ein. 

Was  wir  sonst  noch  an  dichterischen  Erzeugnissen  der  Muse  Schenken- 
dorfs aus  der  Zeit  seines  ersten  Aufenthalts  in  Aachen  haben,  trägt  vor- 
wiegend den  Charakter  des  Religiösen,  erinnernd  an  die  Liederdichtung 
des  17.  Jahrhunderts.  Dem  Rationalismus  stand  Schenkendorf  kalt  und 
fremd  gegenüber,  ihm  behagte  die  Richtung  der  Romantiker,  er  sah  die 
Grösse  des  deutschen  Volkes  im  Mittelalter,   in   der   Einigung  desselben 


—  98  — 

unter  einem  Kaiser,  unter  einem  religiösen  Bekenntnis.  Das  war  auch 
ein  Grund,  dass  er  sich  mit  den  Rheinländern  so  gut  verstand  und  Freunde 
unter  ihnen  gewann.  Die  Offenheit,  mit  der  er,  ohne  andere  zu  verletzen, 
seine  Ansichten  über  die  schwebenden  hochpolitischen  Fragen  aussprach, 
die  Wertsciiätzung  der  im  Westen  des  Reiches  pulsierenden  deutschen 
Volkskraft,  mussten  ihm  das  Herz  der  Rheinländer  gewinnen,  unter  ihnen 
wünschte  er  auch  zu  bleiben  und  freute  sich  der  ihm  eröffneten  Aussicht 
auf  eine  Anstellung  am  Rliein.  Ein  „Stock-Preusse*  wollte  er  nicht  sein, 
er  fühlte  sich  nicht  wohl  im  Kreise  der  preussischen  Offiziere  und  Beamten. 
„Als  ich  im  Herbst  1814  nach  dem  Mittel-  und  Niederrhein  kam",  schreibt 
er  selbst  in  einem  Briefe,  „behagte  es  mir  gar  nicht  unter  den  Preussen. 
Die  Offiziere  schienen  mir,  der  ich  doch  selbst  noch  die  Uniform  trage, 
arrogant,  stolz  und  dumm,  die  Civilisten  beschränkt  und  einseitig  preussisch. 
Ich  habe  bis  in  den  Januar  hinein  im  ewigen  Streit  mit  ihnen  gelebt,  und 
sie  nennen  mich  dort  alle  Österreicher.*  Mit  Aufregung,  aber  immer 
steigendem  Missmut  verfolgte  Schenkendprf  von  Aachen  aus  die  Entwicke- 
lung  der  Dinge  auf  dem  Wiener  Kongress.  Sie  verstimmte  ihn  mehr  und 
mehr.  Er  hatte  auf  ein  grosses  deutsches  Reich  unter  einem  mächtigen 
Kaiser  gehofft  und  sah  vorausblickend  die  Zeit  des  Bundestages  kommen. 
Da  kam  neue  Kunde  von  Westen:  Napoleon  war  wieder  auf  dem  Plane 
erschienen.  Wieder  erhub  der  Freiheitssänger  seine  Stimme  und  dichtete 
in  Aachen  ein  „Gebet**  zu  Gott  um  nochmaligen  Beistand  im  erneuten 
Kampfe. 

„Noch  ist  nicht  ganz  verdorben 
Das  reine  deutsche  Blut, 
Noch  ist  nicht  ganz  gestorben 
Der  Deutschen  Treu  und  Mut. 
Ach,  aUes  mag  noch  Werden 
Viel  besser,  als  es  war, 
Und  endlich  wohl  zur  Erden 
Kommen  das  grosse  Jahr.*^ 


Der  Kriegslärm  verscheuchte  den  Dichter  von  den  Bädern  Aachens, 
aber  schon  im  Juli  und  August  finden  wir  ihn  wieder  dort.  Er  nahm  dies- 
mal Wohnung  in  Frankenberg  und  überliess  sich  ganz  der  Stimmung,  die 
die  Erinnerung  an  die  Vergangenheit  dieses  Ortes  in  Geschichte  und  Sage  in 
ihm  wachrief.  Am  See  sitzt  der  Dichter,  wie  einst  der  grosse  Karl,  als 
er  dem  Ring  der  Fastrada  nachtrauerte.  Auch  er  hat  sein  Leid,  den 
Schmerz  unbefriedigter  Sehnsucht,  dessen  er  sich  nicht  erwehren  kann  am 
trüben  Wasser  —  er  sucht  ihn  zu  vergessen  im  weiten  grünen  Walde. 

Ich  zieh^  in  euch,  ihr  Mauern, 
Mit  Wehmut  und  mit  Lust, 
0  Vorzeit,  reich  an  Schauern, 
Du  ziehst  in  meine  Brust 


—  99  — • 

Ihr  Wände  habt  belauschet 
Des  alten  Kaisers  Glück, 
Von  Saitenklang  dnrchraascbet, 
Erbellt  vom  Sonnenblick. 

Hier  bat  der  Held  gesessen, 
Als  ihm  sein  Lieb  entschlief: 
Die  Lust  war  onermessen, 
Das  Leid  war  gar  zu  tief. 

und  was  ihn  so  gekränket, 
Was  ihm  sein  Herz  bezwang, 
Liegt  hier  im  See  versenket 
Schon  tausend  Jahre  lang. 

Den  Ring  von  seiner  Lieben, 
Den  sie  trug  an  der  Hand, 
In  dem  ein  Wort  geschrieben 
Von  ewigem  Liebespfand; 

Den  hat  der  See  verschlungen: 
Da  war  der  Karl  geheilt.  — 
Der  Pilger  blickt  gezwungen 
Zur  Tiefe  nun  und  weilt. 

Wohl  jeder  hat  getrunken 
Vom  Becher,  voll  und  süss, 
Wohl  jedem  liegt  versunken 
Ein  frtlhes  Paradies. 

Drum  ist  der  See  so  trttbe. 
Mit  Laub  und  Schilf  bedeckt, 
Weil  ihren  Oram  die  Liebe 
Gern  aller  Welt  versteckt. 

Ihr  Glück  lässt  Liebe  scheinen 
Und  zeigt  es  unverstellt; 
Doch  muss  die  Liebe  weinen. 
So  flieht  sie  vor  der  Welt. 

0  Sehnsucht,  allgewaltig, 
Halb  dunkel,  halb  bewusst, 
0  Sehnsucht,  vielgestaltig 
Beschleichst  du  meine  Brust  I 

Ich  will  nun  in  die  Felder 
Und  an  die  klaren  Seen, 
Durehschweifen  grüne  Wälder 
Und  alte  Felsenhöhn. 

Am  16.  Juli  1815  richtet  er  warme  Sehnsuchtsworte  an  die  lieben 
Freunde  in  Baden-Baden,  in  deren  Mitte  er  8ich  gern  befände: 

Denkt  auch  mein  nut  guten  Worten, 
Der  euch  täglich  Kränze  flicht. 
Dem  sich  öffnen  hundert  Pforten, 
Aber,  achl  die  liebste  nicht. 


—  100  — 

Der  ich  irre,  der  ich  wandre 
Manche  Nacht  und  manchen  Tag, 
Aber  nimmermehr  mir  and're 
Freud'  und  Freundschaft  suchen  mag. 

Noch  einmal  steht  der  Dichter  (August  1815)  am  Franken  berger  See; 
er  sieht,  wie  des  Himmels  Bläue  sich  in  ihm  spiegelt  —  das  erinnert  ihn 
an  den  Blick  ins  Auge  der  Liebst^en  —  und  der  gefällt  ihm  noch  besser. 

Und  wenn  ich  hier  am  Wasser  steh', 
In  diesem  klaren  Spiegel  seh, 
Den  Himmel  und  die  Bäume, 
So  zieht's  mich  wohl  hinab,  hinab, 
Qeru  sänken  in  das  feuchte  Grab 
Die  Sehnsucht  und  die  Träume. 

Doch  ist  es  nur  ein  eitler  Wahn, 
Dein  eigen  Bildnis  schaust  du  an. 
Und  all  das  Sterngefunkel, 
Mag's  locken  dich  zu  Lust  und  Kuss  — 
Steig'  nicht  hinab  zum  kalten  Fiuss, 
Denn  unten  ist  es  dunkel. 

Doch  wenn  ich  vor  der  Liebsten  steh', 
Ihr  in  die  klaren  Augen  seh'. 
Das  ist  kein  Traum,  kein  Wähnen, 
Du  mildes,  fronmies  Angesicht, 
Du  Himmelslicht,  du  reines  Licht, 
Du  täuschest  nicht  mein  Sehnen. 

Es  ist  nicht  mehr  mein  armes  Ich, 
Das  eitel  in  dem  Spiegel  sich, 
Nur  ewig  sich  beschauet: 
Ein  zweites  Leben,  das  mir  blüht, 
Ein  bess'res,  dran  sich  mein  Gemüt 
In  Ewigkeit  erbauet. 

0  süsser  Bund  von  Ich  und  Du, 
Nun  fliesse  hin  in  Lust  und  Buh', 
Mein  liebes,  schönes  Leben! 
0  starker  Bund  von  Eins  und  Zwei, 
Daraus  wird  sich  der  heil'gen  Drei 
Vollkommne  Zahl  erheben. 

Weil  der  Dichter  „vom  Waffenklang  nicht  lassen  kann**,  will  er  sich 
stählen  durch  den  stärkenden  „Sprudelquell",  um  das  Schwert  wieder 
führen  zu  können. 

So  hell  in  der  Sonne 
#  Wachset  der  Wein; 

Auch  unten,  o  Wonne! 
Giebt's  ein  Qedeih'n. 

Die  Wasser,  sie  ringen 
Sich  freudig  los, 
Die  Erze  durchdringen 
Der  Erde  Öehoss. 


—  101  — 

So  wirke  von  innen, 

Da  Eisenflut,  v 

Und  st&hle  mir  Sinnen 

Und  Leib  und  Mat! 

Wie  will  ich  dann  stehen 
Ein  Eisenmann, 
Will  eilen  und  gehen 
Zum  Kämpferplan. 

Die  Unbilde  rächen, 
Am  Schandgeschlecht. 
Und  streiten  und  sprechen 
Für  Gott  und  fiecht. 

0  heilige  Wasser, 
Willkommen  mir! 
Ein  liebender  Hasser 
Trink'  ich  euch  hier. 

Das  sind  die  letzten  Worte,  die  Schenkendorf  in  Aachen  dichtete. 
Aber  die  „heiligen  Wasser",  brachten  ihm  keine  Heilung,  ebenso  wenig 
wie  die  von  Baden-Baden  und  Ems.  Am  11.  Dezember  1817  raffte  ihn  an 
seinem  34.  Geburtstag  die  tückische  Krankheit  dahin. 


Zur  Geschichte 
des  Ortes  Schevenhütte  im  Landkreise  Aachen. 

Von  A.  Bommes. 

1.  Lage  und  Bodenbeschaffenheit. 

Der  Ort  Schevenhütte  mit  seinen  Nebenörtchen  Joaswerk  und  Bend 
gehört  in  bürgerlicher  Hinsicht  zur  Bürgermeisterei  Gressenich,  in  kirch- 
licher zum  Dekanate]>Eschweiler  und  bildet  nach  Osten  hin  die  äusserste 
Grenze  des  Landkreises  Aachen.  Er  liegt  in  dem  engen  aber  anmutigen 
Wehbachthale,  umgeben  von  üppig  bewaldeten  Bergeshöhen,  die  nach  Osten 
sehr  st'eil  sich  erheben,  nach  Westen  aber  bei  nur  massiger  Steigung  und 
geringerer  Bewaldung  seine  Umgrenzung  bilden,  und  wird  durchflössen  von 
dem  klaren,  schnell  dahinrauschenden  Wehbache.  Dieser  durchfliesst  von 
seiner  Quelle  in  den  sogen.  Wehrmeisterei- Waldungen  d.  h.  in  den  Wald- 
distrikten westlich  von  Germeter  bei  Vossenack,  die  mitunter  steilen  und 
felsigen  Höhenzüge  durchbrechend,  das  tiefe  Querthal  bis  Wenau  und 
Langerwehe  und  ergiesst  seine  krystallhellen  Wasserwellen  von  da  über 
Luchem  beim  Orte  Lamersdorf  in  das  Indeflüsschen.  Einstens  haben  wohl 
mächtigere  Wassermassen  sich  diesen  Felsenweg  gebrochen  und  dann  im 
Laufe  der  Jahrhunderte  Steingeröll,  Sand  und  Lehm  von  den  umliegenden 
Höhen  mit  sich   fortreissend  die  tiefen  Thalschluchten  allmählich  geebnet 


—  102  — 

und  bis  zur  jetzigen  Höhe  angefüllt.  So  ist  der  früher  so  tiefe  und  breite 
Wasserstrora  gleich  vielen  anderen,  allmählich  zu  einem  Bache  herab- 
gesunken, zwischen  dessen  Ufern  und  den  angrenzenden  Felsenhöhen  sich 
jetzt  zu  beiden  Seiten  Streifen  grünender,  saftiger  Wiesen  gebildet  haben, 
die  nunmehr  üppigen  Graswuchs  hervorbringen  wo  früher  brausende  Wogen 
gewaltsam  dahinstürzten  und  Felsen  durchbrachen.  Während  er  in  seinem 
Oberlaufe  durch  Grauwacken-  und  Thonschiefergebirge,  deren  schroffe, 
felsige  Höhenschichten  er  bis  Schevenhütte  quer  durchbricht,  dahineilt, 
bestreicht  er  von  da  bis  Langerwehe  das  Kalksteingebirge  von  Breinig, 
Vicht,  Gressenich  und  Wenau, 

Die  Beschaifenheit  des  Bodens  ist,  wie  der  meiste  Gebirgsboden,  von 
ebenso  grosser  Verschiedenheit,  wie  seine  grösseren  oder  geringeren 
Schichtengebilde.  Dort,  wo  das  Steingebirge  mehr  hervortritt,  ist  er  arm 
und  dürftig,  in  den  Niederungen  dagegen  fruchtbar  und  ergiebig.  Bei 
seiner  Erhebung  von  nur  521  Fuss  oder  163  Meter  über  dem  Meeres- 
spiegel und  seiner  durch  die  umgebenden  Waldeshöhen  geschützten  Lage 
erfreut  sich  der  Ort  eines  gesunden  und  milden  Klimas  und  einer  reichen 
Vegetation,  alles  Annehmlichkeiten,  welche  durch  prachtvolle  Kunststrassen 
nach  allen  Richtungen  noch  bedeutend  vermehrt  werden  und  welche  be- 
sonders zur  Sommerszeit  Fremde  von  Nah  und  Fern  zum  Besuche  und  zu 
Erholungstouren  zu  Fuss  und  zu  Wagen  zahlreich  anziehen.  Dazu  nährt 
das  saftige  Grün  der  Waldesgründe  einen  vorzüglichen  Wildstand  besonders 
an  Rehen  und  Hasen,  so  dass  auch  die  Liebhaber  des  Waidwerkes  aus 
der  Umgebung  mit  Vorliebe  den  Einladungen  zur  Jagd  nach  Schevenhütte 
Folge  leisten. 

2.  Entstehung  des  Ortes. 

Soviel  über  die  Lage  des  Ortes  und  seine  Bodenbeschaffenheit.  Suchen 
wir  nun  auch  etwas  über  seinen  Ursprung  und  seine  Entstehung  zu  erfahren. 
Überschauen  wir  die  isolierte,  einsame  Lage  des  Ortes  Schevenhütte  in 
dem  schmalen  Wehbachthale,  eingezwängt  zwischen  dicht  bewaldeten 
Bergeshöhen,  fast  abgeschlossen  von  allem  Weltverkehre,  dann  drängt 
sich  uns  sogleich  die  Frage  auf:  „Was  mag  wohl  die  Menschen  hier  zur 
Ansiedelung  veranlasst  und  bestimmt  haben?"  Der  Ackerbau  war  es 
sicher  nicht;  denn  es  fehlten  die  fruchtbaren  Gefilde  und  hinreichenden, 
grastragenden  Wiesenflächen.  Es  waren  andere  Gründe  und  zwar  haupt- 
sächlich drei,  welche  zweifellos  die  Veranlassung  zur  Ansiedelung  und 
Niederlassung  von  Menschen  in  dieser  ursprünglichen  Einöde  geboten  haben: 
Zunächst  war  es  wohl  der  Metallreichtum  der  anschiessenden  Gegend  von 
Gressenich,  Werth,  Mausbach,  Krehwinkel  und  Stolberg,  speziell  die  indu- 
strielle Ausbeutung  und  Bearbeitung  der  hierselbst  lagernden  Eisen-  und 
Kupfererze;  ferner  die  leicht  gebotene,  bequeme  Benutzung  der  Wasserkraft 
des  Wehbaches  zum  Betriebe  von  Eisenhämmern,  von  denen  noch  zwei  bis 


—  103  — 

jetzt  teilweise  erhalten  sind,  der  eine  am  sogen.  Hammer  nördlich  und  der 
andere  am  Joaswerk  südlich  am  Eingange  des  Ortes;  und  endlich  die 
ebenso  leicht  gebotene  Gelegenheit,  aus  dem  unerschöpflichen  Holzreichtume 
der  umliegenden  Waldungen  die  damals  zum  Schmelzen  des  Eisenerzes 
allgemein  benutzte  Holzkohle  zu  bereiten.  Also  westlich  die  Metallschätze, 
östlich  die  billige  Schmelzkohle  und  in  der  Mitte  zwischen  beiden  die 
kostenlose  Wasserkraft,  das  waren  drei  Faktoren,  die  gewiss  zur  Ansiede- 
lung sehr  einladend  erscheinen  mussten.  Dazu  kommt  noch  weiter,  dass 
die  umliegenden  Walddistrikte  eine  reiche  Fülle  üppiger  Futterkräuter  zur 
Unterhaltung  von  Viehherden  boten,  wodurch  die  Ansiedler  sich  in  ihrer 
abgeschlossenen  isolierten  Lage  wenigstens  mit  den  unentbehrlichsten  Lebens- 
bedürfnissen versehen  konnten. 

So  finden  wir  auch,  dass  die  Bewohner  der  Orte  Schevenhütte, 
Joaswerk  und  Bend  seit  den  ältesten  Zeiten  ihres  Bestehens  neben  der 
Eisenindustrie  als  Haupterwerbszweig  auch  im  weiten  Umfange  die  Vieh- 
zucht betrieben,  wozu  die  Wiesen  am  Wehbache  entlang  reiches  Futter 
lieferten,  besonders  aber  auch  die  üppig  wachsenden  und  damals  wenig 
benutzten  Eichenwaldungen,  die  zum  sogen.  Wildbann  (d.  h.  Forst-  und 
Walddistrikte,  in  denen  nur  das  Jagd-  und  Fischereirecht  dem  Eigen- 
tümer ausschliesslich  und  ungeteilt  reserviert  war,  nicht  aber  das  Nutzungs- 
recht auf  Holz  und  Graswuchs)  des  Herzogs  von  Jülich  gehörten  und 
Jülichsches  Dominialgut  waren  im  Sinne  gemeinsamer  Benutzungsweise 
nach  damaligem  Gebrauche.  Dieses  Recfit  der  Mitbenutzung  namentlich 
hinsichtlich  des  Holz-  und  Grasaufwuchses  musste  nach  den  Verhältnissen 
und  Anschauungen  jener  Zeit  von  den  Landesherren  und  Haupteigen- 
tümern den  anliegenden  Höfen  und  Ansiedelungen  in  der  Umgebung  not- 
gedrungen zugestanden  und  verliehen  werden,  damit  überhaupt  Ansiede- 
lungen in  unwirtlichen  und  entlegenen  Gegenden  zu  Stande  kommen 
konnten,  wodurch  dann  hinwiederum  diese  Waldungen  für  beide  Teile 
erst  ihrem  ganzen  Umfange  nach  nutzbar  wurden.  Dieses  Recht  der  Mit- 
benutzung der  anschiessenden  Waldungen  hinsichtlich  des  Holzes  und 
besonders  des  Weidganges  für  das  Vieh  erhielt  auch  Schevenhütte  mit 
seinen  zwei  Nebenorten  Joaswerk  und  Bend,  welche  in  früheren  Zeiten 
sogar  drei  Hirten  unterhielten,  die  drei  Viehherden  von  zusammen  150 
Stück  Rindvieh  in  den  Wald  trieben. 

Die  Hauptveranlassung  zur  Ansiedelung  von  Menschen  und  Ent- 
stehung dieser  Orte  bot  aber  unstreitig  die  Eisen-  und  Kupferindustrie  der 
anschiessenden  Gegend,  und  es  liegt  sehr  nahe,  wenn  auch  Urkunden  darüber 
fehlen,  dass  die  Herzöge  vorl  Jülich,  zu  deren  Dominialgütern  das  ganze 
Gebiet  von  Schevenhütte  gehörte,  die  Anlage  von  Eisenhütten  und  Hammer- 
werken hierselbst  veranlasst  oder  wenigstens  gefördert  haben,  infolge- 
dessen dann  durch  allmähliche  Ansiedelung  und  ständige  Niederlassung 
der  herbeigezogenen  Arbeiter  und  Meister  der  Ort  mit  seinen  Nebenurten 
entstanden  ist.    Das  Alter  der  Ausbeutung  der  Eisen-,  Kupfer-  und  Bleierze 


—  104  — 

der  genannten  Gegend  von  Schevenhütte,  Gressenicli  u.  s.  w.  überhaupt 
ist  nicht  genau  zu  bestimmen,  jedocli  hält  H.  Hub.  Koch,  Divisionspfarrer 
in  Frankfurt  a.  M.  in  seiner  Abhandlung  über  Handel  und  Industrie  in 
den  Rheinlanden  es  für  nicht  unwahrscheinlich,  dass  schon  vor  den  Römern, 
welche  zu  Gressenich  eine  dauernde  Niederlassung  gründeten  und  die  Aus- 
beutung der  umliegenden  Metall-Lager  eifrig  betrieben,  die  einheimische  Be- 
völkerujig,  nämlich  die  Eburonen,  in  der  dortigen  Gegend  Metallerze  ge- 
graben und  bearbeitet  haben,  worauf  die  mächtigen  Schlackenhalden  bei 
dem  nahen  Orte  Gressenich,  welche  bis  5  Meter  tief  unter  der  Erdober- 
fläche liegen  sollen,  hindeuten.  Nach  demselben  Verfasser  wird  diese 
Annahme  noch  besonders  dadurch  bestärkt,  dass  hier  die  Kelten,  welche 
vor  den  Römern  das  Eisen  künstlich  bearbeiteten,  schon  vor  den  Zeiten 
der  Eburonen  und  später  mit  ihnen  zusammen  gewohnt  haben.  So  berichtet 
auch  schon  der  römische  Feldherr  Julius  Caesar,  dass  die  Balken  der 
gallischen  Schiffe  mit  schweren  eisernen  Nägeln  zusammengefügt  sind,  dass 
ihre  (der  Gallier)  Schiffsanker  an  eisernen  Ketten  hingen  anstatt  an  Seilen 
und  die  Gallier  schon  vor  den  Römern  eiserne  Schwerter  und  Panzer  be- 
sassen.  Aber  erst  durch  die  Römer  selbst  gewann  die  Ausbeutung  der 
Erzlager  hiesiger  Gegend  an  Ausdehnung  und  Bedeutung.  Dafür  zeugen 
u.  A.  die  zahlreichen  Funde  römischer  Münzen  und  Alterthümer  in  der 
Umgebung  des  nahegelegenen,  kaum  2  Kilometer  entfernten  Gressenich, 
sowie  der  noch  bis  1892  in  Betrieb  gewesene  Bleierz-Förderschacht,  genannt 
„Auf  dem  Römerfeld**,  an  der  Strasse  zwischen  Gressenich  und  Hasten- 
rath.  Dass  die  Römer  damals  auch  bis  Schevenhütte  ihre  Thätigkeit  aus- 
gedehnt und  wahrscheinlich  im  sogen.  „Daenz**  (vielleicht  von  Silva  densa), 
zwischen  Schevenhütte  und  Gressenich  gelegen,  Eisenerz  gegraben  haben, 
lässt  sich  auch  daraus  vermuten,  dass  während  des  Neubaues  der  hiesigen 
Pfarrkirche  im  Jahre  1888  beim  Ausgraben  der  Fundamente  an  der  Seite, 
wo  die  Sakristei  sich  befindet,  in  einer  Tiefe  von  2  bis  3  Metern  unter 
der  Erdoberfläche  mehrere  römische  Wasserkrüge  ausgegraben  wurden. 
Ausserdem  betrieben  die  Römer  damals  in  hiesiger  Gegend  bedeutende 
Bleiausgrabungen,  z.  B.  im  sogen.  Schieferling  bei  Gressenich,  nicht  minder 
förderten  sie  Kupfererz  zu  Tage.  Noch  jetzt  führt  das  Haus  Nr.  1,  zu 
Schevenhütte  gehörig  und  in  der  Richtung  nach  Wenau  bloss  5  Minuten 
vom  Orte  entfernt  gelegen,  den  Namen  „die  Kupfermühle",  woraus  hervor- 
geht, dass  man  die  von  den  Römern  bereits  entdeckten  Kupfererze  später 
auch  hier  bearbeitete.  In  der  nachrömischen  Zeit  aber  gewann  diese 
Metallindustrie  erst  ihre  grossartigste  Ausdehnung.  So  gab  es  nach  H.  H. 
Koch  a.  a.  0.  in  der  Gegend  von  Stolberg  (früher  Stalberg  genannt)  im 
Jahre  1667  bereits  33  Firmen  von  Messingfabrikanten  und  1748  schon  52 
solcher  Firmen.  Daselbst  brannten  in  der  Regel  130 — 140  Schmelzöfen. 
Später  jedoch  hat  dieser  Industriezweig  in  der  ganzen  Gegend  wieder  sehr 
an  Bedeutung  verloren.  So  ging  es  auch  in  Schevenhütte,  dessen  Haupt- 
blütezeit um  das  Jahr  1700  begann.    Fremde  Konkurrenz,  Kostspieligkeit 


—  105  — 

der  Fönlerung  und  ^  des  Transportes,  besonders  aber  die  verminderte  Er- 
giebigkeit  und  allmähliche  Erschöpfung  mancher  Metallgruben  haben  zum 
allmählichen  Verfalle  und  endlichen  Erlöschen  dieses  Industriezweiges  in 
Schevenhütte  und  seiner  unmittelbaren  Umgebung  geführt.  So  schrieb 
schon  Dorsch  in  seiner  1804  verfassten  Statistik:  „Les  mines  de  Gresse- 
nich,  Schevenhtitte,  Vicht  et  Büsbach  .  .  .  rapportent  fort  peu/  Jedoch 
waren  noch  bis  zum  Jahre  1849  zwei  Eisenhämmer  zum  Schmieden  des 
Eisens,  welche  von  der  Wasserkraft  des  Wehbaches  getrieben  wurden, 
und  deren  Überreste,  wie  bereits  bemerkt,  sich  hierselbst  noch  befinden, 
in  Betrieb;  desgleichen  ein  Eisenschmelzofen  mit  Giesserei  bis  zum  Jahre 
1870,  der  in  der  Mitte  des  Dorfes  auf  dem  sogen.  „ Hüttenplatz "  stand 
und  im  Jahre  1889  niedergelegt  wurde.  So  ist  also  mit  Ausnahme  der  er- 
wähnten Hammerüberreste  nunmehr  auch  die  letzte  Spur  des  früheren  geschäf- 
tigen, industriellen  Wirkens  und  Schaffens  hierselbst  verschwunden,  woran 
man  ausserdem  nur  noch  zuweilen  erinnert  wird  durch  die  gusseisernen, 
hierselbst  angefertigten  Kamintafeln,  meistens  mit  Jahreszahlen  aus  dem 
17.  und  18.  Jahrhundert,  die  sich  hier  in  manchen  Häusern  noch  voi-finden; 
auch  bestehen  noch  jetzt  hierselbst  an  sieben  verschiedenen  Stellen  an  dem 
Wehbache  Wasseranlagen,  durch  welche  die  Wasserkraft  zum  Betriebe 
von  Eisenhämmern  und  Blasebälgen  in  den  Giessereien  früher  nutzbar  ge- 
macht wurde,  die  aber  jetzt  ihrem  Verfalle  immer  mehr  entgegen  gehen. 
Infolgedessen  muss  also  die  jetzige  Bevölkerung  sich  ihren  Unterhalt  haupt- 
sächlich in  den  umliegenden  Fabriken  zu  Eschweiler,  Stolberg,  auf  der 
Bleigrube  Diepenlinchen  bei  Mausbach,  sowie  durch  Holzhandel  und  Vieh- 
zucht beschatten. 

Nicht  aber  ging  der  Gemeinde  Schevenhtitte  das  Weidrecht  in  den 
anschiessenden  Walddistrikten  (Kannenhau,  Hüttenhau, .  Krahnenbroicher, 
Frenzerköpfen)  verloren,  obschon  es  an  gewaltsamen  Versuchen,  ihr  das- 
selbe zu  nehmen,  nicht  gefehlt  hat.  Mit  schweren  Opfern  und  grossen 
Anstrengungen  hat  sie  äich  dasselbe  erhalten  und  für  immer  gesichert. 
Den  ersten  Angriff  auf  dieses  anerworbene  Recht  machte  der  Herzog  Karl 
Theodor  von  Jülich  selbst,  als  derselbe  das  gemeinsame  und  verworrene 
Eigentumsrecht  über  die  sogen.  Dominialwaldungen  zwischen  der  herzog- 
lichen Hofkammer  einerseits  und  den  Erbforstern  und  andern  Erbberech- 
tigten d.  h.  den  Besitzern  anschiessender  Höfe  andererseits  ordnete  und 
letzteren  als  Abfindung  für  ihre  sämmtlichen  Ansprüche  einen  Teil  der 
Waldungen,  nämlich  die  schon  genannten  Distrikte  Kannenhau,  Hüttenhau, 
Kranenbroicher  und  Frentzerköpfe  in  der  Grösse  von  2028  Morgen  durch 
die  Teilungsurkunde  vom  16.  Januar  1776  als'  ausschliessliches  Privat- 
eigentum zuerkannte,  während  alle  übrigen  Waldungen  der  herzoglichen 
Hofkammer  als  alleiniges,  unbeschränktes  Eigentum  verblieben.  Die  erb- 
berechtigten Höfe  waren  folgende:  der  Hof  von  Düren,  Frentz,  Frau- 
wüllesheim.  Echtz,  Kreuzau,  Lendersdorf,  Gürzenich.  Derichsweiler,  Palant^ 
luden,  Pier-Merken   und  Gressenich,  welch   letzterer  jedoch  zur  Zeit  der 


—  106  — 

Teilung  des  Waldes  eingegangen  war.  In  dieser  Teilungsurkunde  und 
einem  dazu  gehörigen  Begleitschreiben  vom  selben  Datum  hob  er  die  Weid- 
berechtigung für  Schevenhütte,  Joaswerk  und  Bend  auf,  desgleichen  das 
Recht  der  Verkohlung  des  Holzes  im  sogen.  Hüttenhau  für  die  Hütten- 
besitzer hierselbst.  Die  Gemeinde,  d.  h.  die  eben  genannten  drei  Ort- 
schaften, wahrte  jedoch  ihr  Recht,  indem  auf  die  Hornaignale  ihrer  Vieh- 
hirten die  Einwohner,  Alt  und  Jung,  in  den  Wald  zusammenströmten,  den 
Hirten  mit  ihren  Herden  gegen  die  Förster  der  Waldbeerbten  zu  Hülfe  eilten 
und  die  Förster  mit  Gewalt  vertrieben.  Auf  eine  Klageschrift  der  Waldeigen- 
tümer hin  vom  Jahre  1787,  worin  sie  den  Widerstand  der  mit  Stöcken,  Mist- 
gabeln u.  s.  w.  bewaflFneten  Einwohner  gegen  ihre  Förster  schildern,  ver- 
schärfte der  Herzog  sein  früheres  Verbot  des  Weidganges  durch  eine  Ver- 
ordnung vom  14.  Juni  1788,  hob  dieses  Verbot  jedoch  aus  unbekannten 
Gründen  durch  seine  Verordnung  vom  12.  Februar  1789  zu  Gunsten  der  Ge- 
meinde wieder  auf.  Als  später  die  Waldeigentümer  den  Weidgang  jedoch 
trotzdem  immer  mehr  einzuschränken  versuchten  und  die  Berechtigung  der 
Gemeinde  abermals  bestritten,  schritt  letztere  zur  gerichtlichen  Klage  beim 
Landgerichte  zu  Aachen  am  4.  Oktober  1847,  zunächst  gegen  einen  derselben, 
nämlich  den  Kaufmann  Franz  Josten  zu  Neuss.  In  diesem  langwierigen 
Prozesse  bewies  die  Gemeinde  ihr  Recht  durch  eidliches  Zeugenverhör  der 
ältesten  Personen  aus  der  Gemeinde  und  der  Nachbarschaft  und  siegte  in 
demselben  durch  Urteilsspruch  vom  21.  Oktober  1848.  Was  nunmehr  für 
diesen  einen  galt,  das  galt  auch  für  alle  anderen  Waldeigentümer,  und  so 
wurden  im  Laufe  des  Jahres  1849  durch  13  öffentliche  Urkunden,  teils 
gerichtliche  Urteile,  teils  notarielle  Anerkennungsurkunden. die  einzelnen 
Eigentümer  zur  Anerkennung  dieses  Weidrechtes  veranlasst,  und  dasselbe 
für  alle  Zukunft  unbestreitbar  festgestellt.  In  neuerer  Zeit  versucht  man 
jedoch  dieses  Recht  indirekt  durch  zahlreiche  Nadelholzpflanzungen  an  Stelle 
des  Eichenholzes  illusorisch  zu  machen.  So  verdankt  also  Schevenhütte 
mit  seinen  Nebenorten  seine  Entstehung  an  der  Grenze  des  genannten 
Metallgebietes  im  wasserreichen,  waldumkränzten  Wehbachthale  vor  allem 
den  hier  lagernden  Metallerzen,  der  Wasserkraft  des  Wehbaches  und  den 
anschiessenden  futterreichen  Waldungen. 

3.  Namen  des  Ortes  und  seiner  Umgebung. 

Nicht  bloss  der  Ursprung  und  die  Lage,  sondern  auch  der  Name  des 
Ortes  Schevenhütte  steht  in  engster  Beziehung  zu  der  erwähnten  Metall- 
industrie. Er  erhielt  nämlich  seine  Benennung  von  den  frühereu  Eisen- 
hüttenwerken, bestehend  aus  Schmelzöfen,  Eisengiessereien  und  Eisen- 
hämmern, die  hierselbst  vor  dem  Jahre  1550  angelegt  wurden.  Von  diesen 
Hüttenwerken  erhielt  der  Ort  anfangs  einfach  den  Namen  „uff  der  Hütten**; 
so  wird  er  stets  genannt  in  Urkunden  vom  Jahre  1558  bis  1666.  Von 
1667    bis    1691    heisst   er   abwechselnd    „scheivenhütteu**    und    „Hütfeen**. 


—  107  — 

Später  in  der  Pfarrerhebungsurkunde  vom  6.  Dezembnr  1699  heisst  er 
ScheiflFenhütten;  vom  Jahre  1727  bis  1748  Scheivenhütte  und  darnach  bis 
zur  Jetztzeit  schreibt  man  Schevenhtitte,  während  man  im  gewöhnlichen 
Sprachgebrauche  noch  immer  kurzweg  sagt  „auf  der  Hütte**.  In  der  ersten 
Zeit  mag  die  einfache  Benennung  „uff  der  Hütten'*  d.  h.  „auf  der  Hütte** 
für  die  Bezeichnung  des  Ortes  genügend  gewesen  sein,  da  jedoch  die  An- 
zahl der  Hüttenwerke  in  der  Gegend  mit  dem  Aufschwünge  der  Industrie 
sehr  zunahm,  so  mochte  dieser  allgemeine  Name  bald  nicht  mehr  hingereicht, 
sondern  vielmehr  oft  Anlass  zu  manchen  Verwechselungen  gegeben  haben, 
weshalb  man  ihn  spezialisieren  musste  und  zwar  sehr  naheliegend  nach  dem 
Namen  des  damaligen  Eigentümers  des  Haupthtittenwerks,  als  den  wir  einen 
gewissen  Scheyff  oder  Scheiffen  annehmen  müssen.  Dass  vermögende  Leute 
dieses  Namens  in  der  hiesigen  Gegend  zur  damaligen  Zeit  gelebt  haben,  geht 
schon  daraus  hervor,  dass  ein  Jakob  Scheyff  bei  Gürzenich  im  Jahre  1492  dem 
nur  2,5  Kilometer  von  Schevenhütte  entfernt  liegenden  ehemaligen  Kloster 
Schwarzenbroich  sein  Haus,  Gut,  Hof,  Benden  und  Weiher  verkaufte.^ 
Ahnlich  sind  wohl  auch  die  Ortsbezeichnungen  Joaswerk,  Junkershammer 
bei  Zweifall,  Bernhardshammer  bei  Vicht,  Moulardshütte  u.  s.  w.  entstanden. 

Der  Bach,  an  dessen  Ufern  Schevenhütte  liegt,  heisst  „Wehbach**; 
derselbe  hat  zugleich  dem  ganzen  Thale  den  Namen  „  Webach thal**  gegeben 
mit  Ausnahme  der  Strecke  von  Wenau  bis  Langerwehe,  welche  jetzt  „Schön- 
thal** genannt  wird.  Er  hat  seinen  Namen  erhalten  von  den  vielen  Wiesen 
oder  Viehweiden,  die  in  mehr  oder  minder  breiten  Streifen  an  seinen  beiden 
Ufern  entlang  sich  erstrecken  und  welche  hierselbst  in  der  Volkssprache 
„Wehen**  genannt  werden.  Der  Name  des  Baches  hat  also  die  Bedeutung 
von  ;, Wiesenbach**  oder  „Weidenbach**.  Diese  Annahme  findet  auch  ihre 
Bestätigung  in  der  Bezeichnung  des  Baches  mit  dem  Namen  „die  Wei**, 
unter  welchem  derselbe  in  einer  Urkunde  vom  21.  Dezember  1322  aufge- 
führt wird,  welche  die  Umgrenzung  des  sogen.  Wildbannes  des  Herzogs 
von  Jülich  angibt. 

Desgleichen  verdankt  das  benachbarte  Wenau  diesen  Wiesen  oder 
„Wehen**  seinen  Namen.  Er  ist  nämlich  entstanden  aus  Wiese  oder  „Webe**, 
womit  dann  noch  das  Wort  „Hau**  als  Bezeichnung  für  einen  Walddistrikt 
verbunden  wird.  Die  Bedeutung  seines  Namens  ist  also  „Wiesenbau",  im 
Volksmunde  „Wehen-Hau**  oder  abgekürzt  „Wenhau**,  welches  jetzt  Wenau 
geschrieben  wird.  Ahnlich  heissen  ja  auch  jetzt  noch  zwei  andere,  unmittel- 
bar an  Wenauer  Gebiet  angrenzende  Walddistrikte:  Kannenhau  und  Hütten- 
hau,  dann  ein  bei  letzterem  gelegener  Distrikt  Herzogenhau:  dazu  kommen 
noch  die  beiden  Ortschaften  Grosshau  und  Kleinhau,  welche  gleichfalls 
innerhalb  des  Jülichschen  Wildbannes  liegen.  Demselben  Ursprünge  ver- 
dankt auch  Langerwehe,  am  Ausgange  des  Wehbachthaies  resp.  Schön- 
thales  gelegen,  seinen  Namen;  denn  er  ist  entstanden  aus  „Lange  Wehe** 
in  der  Bedeutunpr  von  ^Lange  Wiese**,  oder,  was  wahrscheinlicher  ist,  aus 

*)  Vgl.  Zeitachrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  Bd.  IV,  Ö.  0. 


—   108 — 

„Längs  der  Wehe**,  d.  i.  „Längs  des  Wehbaches",  da  der  genannte  Ort 
wirklich  an  den  Ufern  des  Wehbaches  liegt. 

4.  Alter  des  Ortes  und  seine  allmähliche  Entwickelung. 

Wann  nun  in  der  nachrömischen  Zeit  hierselbst  das  erste  Eisenhütten- 
werk und  damit  zugleich  der  Ort  Schevenhütte  entstanden  ist,  kann  nicht 
genau  ermittelt  werden,  jedoch  jedenfalls  zwischen  den  Jahren  1500  bis 
1550.  Soviel  steht  allerdings  mit  Sicherheit  fest,  dass  die  Ortschaft  schon 
im  Jahre  1558  bestand.  Dies  geht  hervor  aus  einer  Eisenhammer-Rechnung 
für  den  Herzog  von  Jülich  auf  seinem  bei  Stalberg  (jetzt  Stolberg)  gelegenen 
Hammerwerke  vom  Jahre  1558,  welche  nach  H.  H.  Koch,  Über  Handel 
und  Industrie  in  den  Rheinlanden,  Seite  104,  im  Düsseldorfer  Stadtarchive 
beruht  und  in  welcher  ein  gewisser  Flips  Scholss  „von  der  Hütten**  und 
Kryns  Kyrstgen  „von  der  Vaidt**  (d.  i.  Philipp  Scholls  von  Schevenhütte 
und  Quirin  Kyrstgen  von  Vicht)  als  Schmiede  aufgeführt  werden,  denen 
der  Lohn  für  dort  geleistete  Arbeiten  ausgezahlt  werden  soll.  Es  heisst 
darin:  „In  diesem  Jaer  (15)58  bis  59  ist  uf  dem  Hamer  durch  Scholss 
Flips  „van  der  Hütten**  und  Kryns  Kyrstgen  van  der  Vaidt  und  Wyn  uf 
Roloff  gesmit  an  Iser  und  durch  Mister  Franz  van  dem  Zwefel  (jetzt  Zwei- 
fall) und  Jakob  Recker  gereckt  90,250  Punt.**  Ferner  kommt  in  der  ge- 
nannten Rechnung  vom  Jahre  1558  ein  Eisengiesser  Johann  Kremer  „van 
der  Hütten**,  jetzt  Schevenhütte,  vor:  „Item  dit  Jaer  58  bis  59  ist  uf  dem 
Hamer  gegossen  durch  Johann  Kremer  „van  der  Hütten**,  wie  vor  Waldung 
van  der  Arbit  synes  Verdienst  gedaen  ad  8913  Punt.**  Zudem  befinden 
sich  unter  den  ältesten  hierselbst  noch  bestehenden  Wohnhäusern  des  Ortes, 
die  sämmtlich  in  Eichenholzfachwerk  errichtet  sind,  noch  zwei  mit  ein- 
gemeisselten  Jahreszahlen,  die  über  ihre  Erbauung  genauen  Aufschluss 
geben.  Das  eine  trägt  in  einem  eichenen  Balken  die  Jahreszahl  1571  und 
liegt  in  der  Mitte  der  Dorfstrasse;  dasselbe  trägt  jetzt  die  Hausnummer 
57.  Das  andere  mit  der  Jahreszahl  1596  liegt  in  der  sogen.  „Hohl**  und 
trägt  jetzt  die  Hausnummer  32. 

Nach  der  Tradition  sollen  die  ersten  Ansiedler  in  der  damals  noch 
ganz  unwirtlichen  und  unwegsamen  Waldgegend,  welche  auf  dem  ursprüng- 
lich angelegten  Hüttenwerke  arbeiteten,  aus  Lendersdorf  im  benachbarten 
Kreise  Düren  stammen,  woselbst  auch  jetzt  noch  Eisenindustrie  betrieben 
wird,  und,  nachdem  sie  sich  eigene  Wohnungen  errichtet,  mit  ihren  Familien 
herübergezogen  sein.  Diese  Angaben  scheinen  dadurch  an  Wahrscheinlich- 
keit zu  gewinnen,  dass  nachweislich  die  Einwohner  von  Schevenhütte  bis 
zum  Jahre  1668,  wo  kirchlicherseits  ein  Beneficium  (Beneficium  Simplex) 
daselbst  errichtet  wurde,  und  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  noch  darüber 
hinaus  bis  zur  Pfarrerhebung  im  Jahre  1699  zur  Pfarre  Lendersdorf  ge- 
hörten, obwohl  der  Ort  den  benachbarten  Pfarreien  Gressenich,  Vicht  u.  s.  w. 
bedeutend   näher  gelegen  war.     Obgleich  nämlich  Schevenhütte  sich  vom 


—   109  — . 

Jahre  1668  an  als  Rektorat  (Beneficiuin)  der  Pfarre  öressenicl»  ausohltvss, 
und  der  jedesmalige  Beneficiat  vom  Pfarrer  zu  Gressenich  instnUiert  wunle^ 
blieb  dasselbe  dennoch  in  einem  gewissen  AbhÄngisrkcitsverhÄltnisse  »ur 
ursprünglichen  Pfarre  Lendersdorf,  weshalb  auch  die  IMarrerhebun^urkuude 
vom  6.  Dezember  1699  in  ihrem  ersten  Teile  seine  Dismembratiou  von 
Lendersdorf  und  Gressenich  zugleich  ausspricht.  Si^  ist  aus  dem  awischeu 
1500  und  1550  angelegten  ersten  Eisenhüttenwerk  mit  seinen  ursprüng- 
lichen Arbeiter  Wohnungen  am  Ufer  des  Wehbaches  mitten  zwischen  ein- 
samen, dicht  bewaldeten  Höhenzügen  der  Ort  Schevenhiltte  mit  seinen 
Nebenorten  entstanden,  den  man  deshalb  auch  anfangs  mit  doiti  sehr  nahe 
liegenden,  einfachen  Namen  „auf  der  Hütte*  bezeichnete.  Derselbe  zählte 
im  Jahre  1699,  wie  die  vorhin  genannte  Pfarrerhebungsurkuiule  angibt,  im 
Ganzen  70  Familien,  deren  Anzahl  mit  dem  Aufschwünge  der  Eisenindustrio 
sich  sehr  vermehrte,  mit  ihrem  allmählichen  Veiialle  aber  spftter  auch  wieder 
abnahm.  Die  Blütezeit  des  industriellen  Lebens  und  Schaffens  begann  für 
Schevenhütte  um  das  Jahr  1700,  als  die  wohlhabenden  Familien  Wingen 
und  Rösseler  Hauptbesitzer  der  hiesigen  Hüttenwerke  wurden.  .\us  dieser 
Zeit  stammen  auch  die  ältesten,  massiv  in  Bruchsteinen  aus  den  angn^izen- 
den  Schieferlagern  erbauten  Häuser,  welche  meistens  nach  ein  und  der- 
selben Bauart  mit  ganz  ähnlichen  Thür-  und  Fenstereinfassungen  in  kurzer 
Aufeinanderfolge  hierselbst  errichtet,  als  laut  redende  Zungen  der  Blilte- 
periode  von  Schevenhütte  in  die  Jetztzeit  hineinragen  und  die  Jahreszalilnn 
ihrer  Errichtung,* sowie  die  Anfangsbuchstaben  der  Namen  ihrer  Krbauer 
resp.  Eigentümer  noch  an  sich  tragen.     Es  sind  folgende  im  Orte  selbst: 

1.  Das  im  Jahre  1695  von  Gilles  Wingen  erbaute  Haus  in  der  Kirch- 
gasse mit  den  in  der  oberen,  steinerneu  Thürschwelle  eingraphierten  Zeidu^n 
„G.  W.  1695'',  nebst  einem  „wSchlüssel'*  mit  der  jetzigen  Ht^usnumnier  IH, 
wahrscheinlich  früher  eine  Schlosserei. 

2.  Das  im  Jahre  1697  von  Heinrich  Wingen  und  Petronella  ItÖHseler 
erbaute  Wohnhaus  und  Nebengel)äude  mit  den  durch  eiserne  Anker  an  der 
Frontseite  ausgedrückten  Zeichen  ^11.  W.  1697**.  jetzt  mit  der  HauH- 
nummer  48  bezeichnet.  Kh  liegt  unmittelbar  neben  der  neuen  Pfankirche 
in  südöstlicher  Richtung.  Dassellie  hiess  früher  „das  Haus  Gülicli**  (Jülich) 
und  wurde  durch  Testament  vom  22.  AuguHt  MHH  von  den  Eheleulen 
Heinrich  Wingen  und  Petronella  Kössler  ihrer  .Nicht«*  ('hristina  (Vumbach 
vermacht. 

3.  Die  in  den  Jahren  1694  bis  1698  von  Johann  Schieren  und  Anna 
Scholl  am  Wehbache   iin   oberen  1\»ile   des  Ortes  erbaut«*  Wohnung,  jetzt 

eine  Frnchtmahlmühle,  nebst  ()kon>ini(*gebau«len  mit  den  Jahreszahlen  1694 
und  1698. 

4.  Das  im  Jahre  1702  von  d#-r  Frimilie  Winjren  erbaut/*  Haus  und 
Nebengebäude  mit  der  in  der  Kteinernen  oberen  Thür^^ch welle  eingravierten, 
jetzt  aber  durch  C'em<'nt  verputz  verdeckten  Jahreßzahl  1702  mit  der  HaUK* 


—  110  — 

nunimer  14.  Dieses  Haus  kauften  die  Eheleute  Arnold  Offermanns  und 
Christina  Crumbach  von  der  Familie  Wingen  und  verkauften  es  nach  einer 
im  Kirchenarchive  beruhenden  Ratificationsurkunde  vom  10.  Januar  1776 
im  Jahre  1775  an  die  Gemeinde  Schevenhtitte  zum  Preise  von  250  Reichs- 
thalern  zur  Wohnung  für  ihren  Geistlichen,  der  bis  dahin  in  Rott  bei 
Gressenich,  an  der  sogen.  Gracht,  anschiessend  an  die  Pfarramtswiese,  in 
der  vom  Herzoge  von  Jülich  erbauten  Beneficialwohnung  gewohnt  hatte, 
1,5  Kilometer  von  seiner  Kirche  entfernt.  Seitdem  dient  diese  angekaufte 
Wohnung  als  Pfarrhaus. 

5.  Das  im  Jahre  1705  von  Cilles  Wingen  in  der  Kirchgasse  erbaute, 
dem  Pfarrbaus  gegenüberliegenden  Haus  mit  dem  Zeichen  „G.  W.  1705" 
und  der  jetzigen  Hausnummer  15. 

6.  Das  im  Jahre  1738  von  Johann  Schieren  und  Anna  Scholl  erbaute 
Haus  mit  den  Zeichen  „J.  S.  A.  S.  1738"  und  einem  „Schwanen".  Das- 
selbe wird  auch  heute  noch  „Im  Schwan"  genannt,  welche  Bezeichnung 
vielleicht  darauf  hindeutet,  dass  es  ursprünglich  ein  Gasthaus  gewesen 
ist.    Es  trägt  jetzt  die  Hausnummer  44. 

7.  Das  im  Jahre  1744  von  der  Familie  Rösseler,  südlich  neben  dem 
Hause  Gülich  errichtete  Haus  mit  den  Zeichen  „P.  R.  IHS.  1744.  E.  R.", 
sowie  das  „am  Sief"  (Hohlstrassenecke)  1772  erbaute  Haus  mit  Neben- 
gebäuden und  der  Hausnummer  39. 

8.  Das  im  Jahre  1756  von  der  Familie  Sieberg  am  Joaswerk  er- 
richtete  Haus  nebst  Okonomiegebäuden  mit  den  Zeichen  „M.  S.  G.  H. 
1756"  und  der  jetzigen  Hausnummer  92. 

Gegen  das  Jahr  1800  begann  die  Zeit  des  Verfalles  der  hiesigen 
Eisenindustrie,  jedoch  waren  bis  zum  Jahre  1849  noch  zwei  Eisenhämmer 
und  bis  1870  noch  die  grosse  Eisenschmelzerei  und  Giesserei  auf  dem  sogen. 
Hüttenplatze  in  der  Mitte  des  Ortes  in  Betrieb,  zuletzt  unter  dem  Besitzer 
Heinrich  Hoesch  zu  Junkershammer  bei  Zweifall.  Mit  ihrem  Verfalle  ging 
auch  der  Ort  selbst  zurück. 

Noch  in  der  ersten  Hälfte  unseres  Jahrhunderts  gab  es  im  Orte 
keine  Strasse,  sondern  nur  enge  Gassen  und  Fusspfade.  Dieselben  sind 
aber  allmählich  zu  ordentlichen  Strassen  erweitert  und  hergestellt  worden. 
So  wurde  die  Kirchgasse  gegenüber  dem  Thurme  der  neuen  Pfarrkirche 
zweimal  erbreitert;  das  erst^  Mal  im  Jahre  1851  durch  Verkauf  eines 
Streifens  seitens  der  Kirche  an  die  Civilgemeinde  und  das  zweite  Mal  im 
Jahre  1891  durch  notariellen  Tausch  vertrag  zwischen  der  Kirche  und 
der  Civilgemeinde  vom  21.  September  1891.  Ebenso  mangelhaft  waren 
früher  die  Verbindungswege  mit  den  Nachbarorten.  Nach  Gressenich 
führten  ausser  der  alten  in  Verfall  geratenen  Römerstrasse  (Dtiren- 
Schwarzenbroich- Schevenhtitte -Krehwinkel  etc.)  nur  schmale  Pfade  durch 
Wald  und  Gestrüpp  und  als  Fahrweg  nach  Wenau  und  Langerwehe  diente 
grösstenteils  das  flache  Bett  des  W'ehbaches.    Diesem  Übelstande  ist  jetzt 


—  111  — 

durch  Anlegung  herrlicher  Chausseen,  zu  deren  Herst^illung  au  niehrcMon 
Stellen  Felsblöcke  gesprengt  und  entfernt  werden  mussten,  abgeholfen. 

Nach  dem  gänzlichen  Erlöschen  der  Metallindustrio  und  der  Mor- 
Stellung  guter  Verkehrsstrassen  wurde  hierselbst  ein  Holzsägework  errichtet, 
welches  noch  im  Betrieb  ist,  gelegen  an  dem  oben  unter  Nr.  IJ  erwähnte» 
Hause.  Gleichzeitig  entstand  von  da  an  ein  regerer  Handel  mit  Holz  aus 
den  angrenzenden  Privat-  und  fiskalischen  Waldungen  nach  den  umliegenden 
Bergwerken  und  Städten,  wodurch  ein  Teil  der  Einwohner  seinen  Lebens- 
unterhalt sich  beschafft,  während  andere  durch  Arbeiten  im  Walde  oder 
Holzfuhrwerkbetrieb  sich  ernähren.  Der  grössere  Teil  der  Bevölkerung 
beschäftigt  sich  jedoch  jetzt  auf  den  Messingfabriken  und  Glashütten  in 
Stblberg,  in  den  Eisengiessereien  zu  Eschweiler-Aue  und  Rothe  Erde,  in  der 
Bleigrube  Diepenlinchen  bei  Mausbach  u.  s.  w.  Seit  einer  Reihe  von  Jahren 
ist  in  dem  angrenzenden  Walde,  gegenüber  dem  letzten  Hause  von  Joas- 
werk,  genannt  „In  den  Wolfsiefen*^,  durch  einen  Pächter  ein  Schieferstein- 
bruch  in  Betrieb  gesetzt  worden,  welcher  recht  schöne  und  grosHC  Schiefer- 

* 

Steinplatten  liefert,  die  teils  zum  Belegen  von  Hausfluren,  Küchen  und 
Wegen,  teils  zu  Treppenstufen.  Fensterbänken  und  Mauerdecksteinen  vi#d- 
fach  Verwendung  finden.  Unter  diesen  Verhältnissen  ist  kaum  eine  Weiter- 
entwickelung des  Ortes  Schevenhütte  zu  erwarten,  während  seine  Jmiden 
Nebenorte  sogar  im  Rückgang  begrifl^en  sind.  Die  ganze  Gemeinde  besteht 
jetzt  aus  ungefähr  100  bewohnten  Häusern  nebst  Kirche  und  Hchule. 


Kleinere  Mitteilnngen. 

1.  Reihenfolge  der  Pfarrer  in  der  Oeneinde  Haarea  bei  Aaeben, 

Auf  der  Röck.'-eir**  dan  Tit^Ihlattei  des  ält^^un  d^r  h^M^rn  Haareiw^T  Kif*^li*^nMW*irf ' 
befinden  sieh  Terw:hif*d#me  von  der  Hand  d*^r  Pfiir^r  HrKw^rr  or,^  Moer#  h^.ff1ihr^.p4n  Ku' 
^ben,  die  »ich  anf  die  Eirichtfin^^  d'.r  VUrr^.  und  d»  r^-n  -^rr.-»  "Uif  i^L4/>ffif'rf  ht^.7.\f,h*mr 
Da  die  An^bfrn  (iif  di*r  Pf/irr-  ^>*•z»r,  li^karut^'a'  -^/h;' hfe  ni  hr  ^,h'.r  UVft  «ind,  *o  hriAt('',n 
wir  die«elb»m  hi^r  wort2'*^frt'Ti  znm  S'*f\Tiif'M.  \)\^.  ^;' K  *n*rh..'^*'"-r.d'*  Vt>ruri.mt\i/i  d*9« 
Verzeichni-He'9  d'^r  H.iat*'t.*'T  f'f>4rr*;f  bi<  zfir  ('K-ir^uwtn  t'i  Vi.«  'l'r,  Tof^nf^fifMfAfn  d^r 
Kirchen bnc her,  t^iU  and^r**»  0*i'  .i**ft  ^fituomrri*-n,  dt*-  *r.  S-'/'i/.frftAf  -*'>IU  j^'d^*  M»l  b^i' 
gefugt  sind. 

pastore*  in  ^^  l-x^r ,*,*  *^/(,  r.v» 

♦ff   d.*r    li   f^-'f,  ,f;*     M/,  ,       i/t    fr.fi-t.M    '  in*iMt    I  »^  rr       f.M:,f    jp-«*«    dommir**    fflrtif-AtM   '^^ 

Bi«,r<  1  '*i.,  *  ,?^  y f%    4*11  •,,,* 


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—  112  — 

III.  Tertius  Adm.  R.  D.  Faber  seil  Schmitz  filius  Harensis  rcxit  parochiam  ab  anno 
1635  asqae  ad  annum  1648  obiit  8  decemb. 

IV.  Quartus  ego  Heiiricus  Brewer  Juliacensis  ex  Pauflfendorpf  factus  hie  pastor  1649 
die  XIV  febr.  induetus.  Von  der  Hand  seines  Nachfolgers  beigefügt:  Anno  1679 
7  Jalii  obiit  Adm.  E.  D.  pastor  Hcnricus  Brewer  cujus  anima  requiescat  in  pace. 

Von  der  Hand  des  Pfarrers  Moers  geschrieben: 

V.  Anno  1679  22  may  hie  factus  est  pastor  Joannes  Schieffer  aquensis  aedate  25  annorum 

et  7  mensium. 
VI.  Anno  1690  ipso  festo  App.  Petri  et  Pauli  titulo   permutationis  introductus  sum  in 
pastoratum   ab   Adm.  B.  D.  Mathia  Bettendorf  pastore   wurselensi  Joannes  Moers 
Aquensis  P.  loci  in  Haaren,    obiit  2  Sept.  1695. 

Aus  dem  Totenregister  der  Kirchenbücher: 

VII.  Anno  1735  20  Junii  obiit  omnibus  sacramentis  mnnitus  Adra.  R.  D.  Henricus  Fibns 

olira  hie  pastor  per  38  [?]  annos.     (1695—1735). 
VIII.  Mathias  Peters,  gestorben  als  Expastor  am  8.  März  1779,  war  Pfarrer  von  1735—1771. 
IX.  J.  H.  Beys  obiit  1799  die  11  Julii;  war  Pfarrer  von  1771— 1799  ^ 
X.  Theodor  Alertz,  1799—1814. 
XL  Lambertus  Jo^ef  Frank  1814—1832. 

XII.  Joannes  Leonardus  Ruland  (natus  1793  20.  febr.  Borceti)  pastor  in  Haaren  de  anno 
1832—8  Sept.  1852.  Inschrift  auf  dem  Leichensteiu,  der  im  Sockel  der  neuen 
Kirche  eingemauert  ist. 

XIII.  Ferdinandus  Brandt,  geboren  zu  Aachen  am  5.  Oktober  1811,  war  Pfarrer  von  Haaren 
1852—1868;  gegenwärtig  ist  er  Pfarrer  von  Gangelt  im  Dekanat  Geilenkirchen  und 
Ehrenstiftsherr  am  Liebfrauenmünster  in  Aachen.  Handbuch  dor  Erzdiözese  Köln. 
16.  Auflage. 

XIV.  Johann  Anton  Lambertz  aus  Floisdorf,  geb.  14.  Juli  1816,  Pfarrer  in  Haaren  von 
1868  bis  zum  3.  Juli  1883.    Handbuch  der  Erzdiözese  Köln.     14.  Auflage. 

Nach  dreijähriger   Pfarrverwaltung  durch   den  Vikar  Heinrich  Dörnemann, 
jetzt  Pfarrer  in  Bardenberg,  folgte 
XV.  Johann  Heinrich  Josef  Loerper  aus  Corschenbroich,  geb.  18.  Februar  1838,  Pfarrer 
seit  1886.     Handbuch  der  Erzdiözese  Köln.     16.  Auflage. 

Aachen,  H.  Schnock. 


2.  Ein  Brief  Ernst  Moritz  Arndts  an  den  Maler  Salm. 

Nach  Drucklegung  des  im  laufenden  Jahrgange  dieser  Zeitschrift  enthaltenen  Artikels 

über  Aachener  Maler  wurde  mir  ein  Brief  Ernst  Moritz  Arndts   an   den  Maler  Nikolaus 

Salm   zur   Verfügung   gestellt,   der   den   Dank    für  eine   übersandte  Zeichnung    enthält. 

AVelchen  Gegenstand   diese  Zeichnung  darstellte,   konnte  ich  nicht  ermitteln.    Der  Brief 

lautet: 

Herrn  N.  Salm,  Lehrer  an  der  höhern  Bürgerschule  in  Aachen. 

Bonn,  den  22.  des  Sturmmonds  1846. 

Nehmen  Sie,  theurer  Herr  und  Freund,  meinen  besten  herzlichsten  Dank  für  Ihr 
werthes  Geschenk  und  Andenken,  und   für  die  Gesinnung,   aus  welcher  es  entstanden  ist. 

Wir  Einzelne  müssen  uns  ansehen  als  das,  was  wir  sind,  Tropfen  im  grossen  Strom, 
gleichsam  als  Namenlose.  Nur  Einen  grossen  ewigen  Namen  soll  es  geben  nächst  dem 
höchsten  Namen,  das  Vaterland. 


')  Dieser  Pfarrer  iist  au<-li  der  Verfasser   ili  r  in  Nr.  3  dieses  Jahrganges  veröffentliclit«n  „Merk« 
würdigen  b'egebenlioiten*. 


—  113  — 

In  diesem  Sinne  drücke  ich  Ihnen  die  Hand  mit  dem  Wunsche,  dass  wir,  indem 
wir  nach  nnsem  Kräften  dazu  thnn,  nur  Freude  und  Ehre  an  demselben  erleben  mögen. 

Ihr  E.  M.  Arndt. 

Aachen.  J.  Fey, 

3.  Ein  Agent  in  Aachener  Diensten  während  des  Pfälzischen  Krieges. 

Im  Jahre  1689  erklärte  der  Reichstag  zu  Äegensburg  den  von  Ludwig  XIV.  1688 
gegen  Deutschland  eröffneten  (Pfälzischen  oder  Orleansschen)  Krieg  (1688—97)  zum  Reichs- 
krieg. Aber  schon  vorher  hatte  Ludwig  seine  Truppen  in  die  Pfalz  einrücken  lassen; 
Deutschland  mnsste  jenes  unmenschliche  Verfahren  erdulden,  das  der  Minister  Louvois 
erfunden  hatte,  um  Frankreich  unangreifbar  zu  machen:  die  blühenden  Ufer  des  Rheins 
wurden  in  Einöden  verwandelt,  1 200  Ortschaften  wurden  eingeäschert.  Diese  kriegerische 
Zeit,  deren  furchtbare  Zerstörungswut  noch  heute  Ruinen  halbverbrannter  Kirchen  zu 
beiden  Seiten  des  Oberrheins  beweisen,  machte  es  auch  für  unsere  Gegend  um  so  eher 
notwendig,  aussergewöhnliche  Massregeln  zu  ergreifen,  um  einer  etwaigen  Gefahr  möglichst 
vorzubeugen,  als  bald  darauf  die  Niederlande  der  Hauptschauplatz  des  Krieges  wurden. 
Die  Reichsstadt  Aachen  versicherte  sich  daher  eines  Agenten,  dem  es  oblag,  von  den  Be- 
wegungen französischer  Truppen  sofort  Nachricht  zu  geben.  Die  Verwendung  dieses  Agenten 
ergiebt  sich  aus  dem  nachstehend  abgedruckten  Bericht  über  seine  Thätigkeit  und  die 
gleichzeitige  Beanspruchung  einer  Entschädigung  hierfür. 

Der  herr  pastor  Franciscus  Schmitz  hat  mich  unterschriebenen  in  oktobri  negst- 
abgefloßenen  jahrB  requirirt,  mit  demselben  wegen  obhandener  franzosischer  gefahr  zu 
correspondiren  und  falß  einige  nachricht  von  franzosischen  trouppen  erhalten  wurde, 
daßelb  alßo  thatUch  per  expressum  hiehin  auf  Aachen  zu  berichten.  Deme  nachtrucklich 
ich  sieben  expressos  vor  undt  nach  inß  Lutzenburgische  Land  gescMcket,  umb  gewiße 
kundtschafft  der  franzosen  halber  einzuhohllen,  dem  expresso  jedeßmahll  zu  lohn  geben 
einen  halben  reichsthaller,  auch  zwolff  missiven  hiehin  ahn  wolgemelte  herrn  pastoren  Schmitz 
geschrieben,  und  darin,  waß  mir  vor  notable  erfahren  können,  berichtet,  rechne  vor  meine 
mühewalthungh  undt  außgelegte  bottenlohnen  zusahmen  ad  zehen  reichsthaller. 

Salvo 
Johann  Wilhelm  Keßeler. 

Aus  verordtnungh  herren  bürgermeisteren  wollen  herren  rhentmeistere  negstoben 
vermelt  zehn  reichßthaler  zu  behoiff  herrn  Johan  Wilhelm  Keßeler  wegen  geführter  corres- 
pondenten  überschreiben. 

Signatum  den  15.  Julii  1690.  Johann  Jacob  Mois 

Licentiatus  secretarius. 
Auf  der  Rückseite: 

Laus  Deo  1690:  15.  Julii. 

Camer 

wollet  außrichten   hern   Willem  Kesseler  vohr  gevuhrte  correspondentie  zu  dienst  von 

einem  ehrbarn  raadt  zehn  reichsthaler  courant  oder  gülden  632:  8:  — 

Herr  Comelis  Weissenburg. 

Aachen,  M,  SchoUen, 

4.  Löhnungsliste  der  Soldaten  der  Reichsstadt  Aachen 

vom  26.  April  1667. 

Nachstehende  Löhnungslistc  ist  eine  der  ältesten,  wenn  nicht  gar  die  älteste,  die 
uns  überkommen  ist*.    Wir  ersehen  aus  ihr  die  Präsenz-Stärke*  der  beiden  Kompagnien, 

>;  Die  Urdcljrift  Ut  in  meinem  Besitze. 

«)  Xvr  19.  Dezember  1679  brachte,  wie  Haapjen,  Geschieht*»  Achens  Bd.  IT,  S.  279  berichtet^  die 
Stadt  ihre  Miliz  auf  600  Mann  und  beBohloss  am  13.  Oktober  sie  auf  600  Mann  zu  bringen.    Daa.  S.  297. 


—  114  — 


die  einzelnen  Chargen  und  deren  Einkommen.  Der  Sold  der  gemeinen  Soldaten  ist  eben- 
falls in  ihr  angegeben,  er  betmg  „13  gülden  3  mark"  für  die  angegebene  Zeit.  Von 
den  vorkommenden  Namen  sind  heute  noch  manche  in  der  Stadt  vertreten. 

Verzeichnuß  deren  Soldaten,  welche  in  der  25  vierzebnuacht  anno  1657  ady  26  aprilis 
auß  der  malß  kassa  per  sieur  Carlen  von  Munster  bezaltt  seindt. 


tambours 


Haubtmann  Niclaes  Husson 

Lieutenant  Oeorg  Kölle 

Fendrich  Lennertt  Thonnis 

Veldwebel  Adam  Radermecher 

Nellis  Stickelman 

Mattheis  Jacobß  '  corporals 

Gerhartt  von  Aachen 

Bartholomees  von  Aachen 

Gebärdt  Raweyßer 

Heindrich  Thorn 

Pier  Claeßenn 

Bernard t  Kreinß 

Guilliaum  Euerarz 

Lennertt  Grümmerz  >  gefreite 

Arnold  Pennings 

Jann  Giellen 

Jacob  Lina 

Olaeß  Janßen 


} 


Qalden 
40 
28 
22 
19 
17 
17 
17 
13 
18 
15 
15 
15 
15 
15 
15 
15 
15 
15 


Mark 


8 
3 


Jann  Wolff 

Gulls  Rüttings 

Peter  Peters 

Emerjch  von  Amolzweyler 

Reynhartt  Scheinß 

Lambertt  Portt 

Peter  Seyden 

Jann  Gillis 

Franß  Ciaer 

Daniell  Alartt 

Philips  Geußen 

Michaeli  Frank 

Weynant  Dhamen 

Frambach  Walderman 

Jakob  Lohne 

Jakob  Bonner 

Michiel  Raweyßer 

Jann  Braß 

Petter  Neißenn 

Peter  Maeßen 

Gerhardt  Schleumer 

Engeil  von  Eyß 

Johann  Reutter 

Claeß  Steinmetzer 

Jann  Welstatt 

Jacob  Eich 


Johannes  Parenty 
Caspar  Alberti 
Johann  Schlick 
Johannes  Massim 
Mattheis  Braun 
Lennertt  Probst 
Peter  Kooll 
Peter  von  den  HöflF 
Claes  Schleiper 
Willem  Schüirman 
Gilliß  Stickelman 
Jann  Chonen 
Clemens  Han 
Jann  Peters 
Peter  Schleumer 
Peter  Lamerstorflf 
Jacob  Stoufsack 
Johann  Silemau 
Jann  Kersten 
Steffen  Trouffell 
Niclaes  Vrehc 
Hanß  Caspar  Husson 
Simon  Albertus  Kolle 
Jan  Costnitz 
Jacob  Jacobs 


—  115  — 


Oaldea  *  Mfirk 

Haubtman  Schwerten 

40 

Lieutenant  Melchior  Roß 

28     . 

Fendrich  Nyß  ZiUis 

■    22     ' 

Veldwebel  Dieterich  Heusch 

.;    19    ' 

Ludowich  Weber 

-i     17 

Joost  Ambß                  corporals 

17     ( 

Dierich  Schlagman  J 

17 

Mattheuis  Beyer  1 
Johannes  Zinck  J  ^^ 

13 

3 

bours 

13     i     3 

Claeß  Wirtß 

15 

Pier  Fantzon 

15 

Willem  Moeren 

15 

Jann  yon  Schiebach,  walmeister 

23 

I 

Jann  Arnolz 

15 

Heindrich  Rasch 

15 

Adam  Reißener            ] 

15 

Peter  Lintze 

^Za.^ 

15 

Bartholomees  Cortten 

'  gefreite 

15 

Balthes  von  Thenen     . 

15 

Peter  Uammell 

1                        1 

Eueret  Hoen 

Servaes  Vaeßen 

Adam  Claeßen 

Peter  Keffer 

Matteiß  Dierichs 

Peter  Bott 

Jann  von  Rahe 

Mattheis  Tauber 

Jacob  Hecker 

Veit  Heindrich 

Jacob  Laußberg 

Jann  Recklingshausen 

Gerhartt  Probst 

Willem  Gast 

Philips  Gerharz 

Remeis  Min 

• 

Jann  Morian 

Peter  Jacobs 

Willem  Lamberz 

Jann  Hermann 

Niclaus  Schepen 

Jann  Ostlender 

Heindrich  Schreiber 

Mertten  Weber 

Heindrich  Meyer 

Hnprecht  Lorquer 

Heindrich  Barz 

Gerhartt  Janßen 

Mattheiß  ReuU 

Amoldt  Schaffarz 

Johann  Kerff 

Jann  Schnieders 

Peter  Janßenn 

Querin  Fega 

Joost  die  Fooß 

Everart  Silver 

Creutz  Mertzenich 

Jann  Schmitz 

Jacob  Mageraw 

Dierich  Brack 

Simon  Gastenn 

Claeß  Simens 

Davidt  Reyner 

Giell  Muller 

Hanss  Drowe 

Jann  Langohr 

Tilman  Bieuerz 

Willem  Heisterbaum 

Johann  Hilger 

Laus  Deo.    Anno  1657  ady  26  april 

C 

is. 
/amer 

außrichten    sieur  Carll  von   Munst( 

3r  vor 

I>czalung 

dero   st 

^at    so 

vierzehnnacht  laudt  liste  ertragend t  mark  12183. 


Aachen, 


Herr  B.  Feibns. 
Gierlach  Maw. 

M,  Sehollen, 


-   116  — 


5.  Kosten  eines  Festessens  in  Aachen  im  Jahre  1700. 

Ans  Anlass  der  Gebart  eines  österreichischen  Erzherzogs  fand  bei  dem  reg:ierendeu 
Bürgermeister  von  Maw  ein  Festessen  statt,  zu  dem  durch  Beschluss  des  Rats  vom 
17.  November  1700  die  hierselbst  anwesenden  „kaiserlichen  Herreu  subdelegati  nomine 
raagistratus"  eingeladen  wurden.  Ausserdem  nahmen  die  „Herren  beamtcn",  im  ganzen 
also  etwa  22  Personen,  an  dem  Festessen  Teil.  Die  Rechnung  der  zu  jenem  Essen  ge- 
lieferten Lebensmittel  bringen  wir  nachstehend,  genau  der  Urschrift  entsprechend,  zum 
Abdruck.  Es  wäre  zwar  zu  gewagt,  aus  den  Preisen  allein  dieser  Rechnung  einen  Rück- 
schluss  auf  die  wirtschaftliche  Stufe  jener  Zeit  zu  ziehen.  Zur  Preisgeschichte  der  Lebens- 
mittel jedoch,  wie  als  Beitrag  zur  Gastronomie  ist  sie  immerhin  interessant. 

Die  Preise  der  Lebensmittel,  die  bedeutend  geringer  sind,  als  die  heutigen,  stehen 
untereinander  doch  ziemlich  im  selben  Verhältnisse  wie  heute.  Für  die  von  weither  zu 
transportierenden  Citronen  wurden  trotz  der  schlechteren  Verkehrsverhältnisse  ein  Preis 
gezahlt,  der  dem  heutigen  nicht  nachsteht. 

Eine  blosse  Durchsicht  der  Rechnung  ergiebt,  dass  bei  der  Tafel  ein  erheblicher 
Luxus  entfaltet  wurde.  Das  Fehlen  von  Kartoffeln  in  der  Rechnung  darf  nicht  auffallen, 
weil  die  damals  in  hiesiger  Gegend  noch  wenig  angebaute  Kartoffel  nicht  das  unentbehr- 
liche Nahrungsmittel  war,  das  sie  heute  ist.  Die  Zubereitung  der  Speisen  lag,  wie  wir 
aus  dem  Namen  des  Kochs  wohl  mit  Recht  vermuten  dürfen,  in  den  Händen  eines  Fran- 
zosen. Es  darf  uns  das  in  jener  Zeit  der  Voreingenommenheit  für  französische  Sitten  um 
so  weniger  wundern,  als  die  grosse  Geschicklichkeit  der  Franzsosen  in  der  Kochkunst  bekannt 
und  gerühmt  war,  ein  französischer  Koch  aber  auch  der  die  Heilquellen  besuchenden 
Franzosen  wegen  notwendig  sein  mochte. 

Anno  1700  ady  22.  und  23.  Novcmbris. 

Per  ordre  herrn  bürgermeister  Maw  zu  behouff  deß  tractaments,  der  herrn  commissarien,  als 
herrn  beampten,  zu  ehren  deß  erbprintzen  deß  königs  in  Ungarn  an  allerley  außgegeben  wie  folgt. 


Ahn  m[eiste]r  Guilliam  den  Koch 

2  schrauthahnen 

4  par  schneppen 

2  hasen  10  gülden  und  7  par  bahnen  16  gülden  4  mark  .  .  .  . 
48  daubel  crammelvogei  21  gülden  2  mark  und  2  huner  4  gülden 
1  par  velthöner  6  gülden  und  1  ganß  3  gülden  4  mark    .     .    .    . 

1  knein  2  gülden  2  mark  und  2  enden  4  gülden 

ahn  eyer  4  gülden  4  mark;  ahn  lardier'  speck  3  gülden  4  mark  . 

4  citronen  2  gülden;  an  zellerey  und  andiff  3  gülden 

15  pfund  butter  ad  7  mark 

ahn  kasteyen  4  gülden;  ahn  blomköhl  4  gülden 

P/,  pfund  bronnelen  3  gülden  3  mark 

ahn  spansche  kappern  und  comkommeren 

dito  zein  lauth  compitum 

„     drachen* 

ahn  allerley  fleisch  lauth  compitum 

1  tonn  hier  lauth  compitum 

ahn  brod  und  mehl  lauth  compitum 

ahn  allerley  gekräutz  lauth  compitum .     .    .  • 

herrn  Minderjan  vor  knechswein  13Vg  maß  &  20  mark  .  .  .  . 
herrn  Brewcr  im  keyserhad  22^2  uiaß  wein  ä  28  mark  .  .  .  . 
noch  von  herni  Brewer  82 '/^  maß  wein  ä  28  mark  .    .    .   _^_^ ._ 

Summa  .     . 

»;  von  larder,  spicken.    «;  Vielleicht  DragonV 


Gulden 

Mark 

14 

24 

25 

26 

4 

25 

2 

9 

4 

6 

2 

8 

2 

5 



17 

3 

8 

3 

3 

4 

— 

11 

1 

1 

4 

50 

V. 

22 

- 

Iß 

3 

35 

— 

45 

— 

105 

- 

151 

4 

615     ,  2Vj 


—  117  — 

Nota 

Waß  an  holtzkohlen  and  bocherkohlen  und  sonsten  dargegeben  stelle  ahn  dero  berren 

discretion. 

Anna  Maria  Maw. 

Aoß  Verordnung  herm  bürgermeistem  Maw  wollen  h.  h.  rentmeistern  dieß  überschreiben. 

Signatum  6  decembris  1700. 

S.  Pelsser,  secretarius. 

Auf  der  Bückseite: 

Rechnung  an  die  berren  Beampten  vom  23.  November  1700. 

Darunter: 

Laus  deo.  ad  6  decembris  1700. 

Camer 

wollet  außrichten  der  joffrau  Anna  Marya  Maw  ehr  Unkosten   vorhinnen,  waß  den  22. 

und  23.  novembris  verschossen  zu  dienß  eines  ehrbaren  rhat  bey  tracktehrung  derren 

berren  commissarij  bey  haltung  des  fruden  vest  wegen  den  neuen  geborenen  Ertzhert- 

zhogen  zu  Osterrig  mark  3692  —  6. 

Amolt  Heitgens. 

Aachen.  M.  SchoVen, 


Vereinsangelegenheiten. 

Bericht  Aber  das  Vereinsjahr  1897. 

Die  satzungsmässige  Haupt -Versammlung  des  „Vereins  für  Kunde  der  Aachener 
Vorzeif*  fand  am  letzten  Tage  des  Monats  November  statt.  Dieselbe  eröffnete  und 
leitete,  da  der  bisherige  Vorsitzende,  Herr  Seminardirektor  Wacker,  seit  kurzem  seinen 
neuen  Wirkungskreis  am  Königl.  Lehrerinnenseminar  zu  Saarburg  im  Kreise  Trier  ange- 
treten, der  zweite  Vorsitzende,  Herr  Strafanstalts-Pfarrer  Schnock.  Dieser  erstattete 
zunächst  den  Jahresbericht,  dem  die  erfreuliche  Thatsache  zu  entnehmen  ist,  dass  der 
Verein  bei  unveränderter  Mitgliederzahl  auch  im  abgelaufenen  Jahre  mit  ungeschwächter 
Kraft  und  unermüdlichem  Eifer  an  der  Erreichung  der  schönen  und  edlen  Ziele,  die  er 
sich  bei  seiner  Gründung  gesteckt,  gearbeitet  hat.  Der  zehnte  Jahrgang  des  Vereins- 
orgaus, der  sich  nunmehr  vollständig  in  den  Händen  der  Mitglieder  befindet,  enthält  eine 
Reihe  ebenso  interessanter  wie  wichtiger  Aufsätze  und  kleinerer  Mitteilungen  orts- 
geschichtlichen Inhalts,  welche  sicherlich  den  Beifall  der  Geschichtsfreunde  finden  werden. 
Da  mit  der  bisherigen  Erscheinungsart  der  Zeitschrift,  derzufolge  acht  Mal  im  Jahre  ein 
einzelnes  Heft  ausgegeben  werden  soll,  grosse  Schwierigkeiten  verknüpft  sind,  so  dürfte 
der  Vorstand  bald  der  Frage  nahetreten  müssen,  ob  es  nicht  angezeigt  erscheine  in 
Zukunft  die  Zeitschrift  zwei  Mal  im  Jahre,  je  drei  bis  vier  Bogen  stark,  herauszugeben. 
Für  den  frischen  Geist,  der  im  Vereine  herrscht,  sprechen  auch  die  andauernd  rege  be- 
suchten Monatsversammlungen.  Die  in  denselben  behandelten  Themata  lassen  wir  hier  folgen: 

Montag,  den  21.  Januar:  Herr  Staatsanwaltschafts-Sekretär  Schollen  gab 
Kulturbilder  aus  der  Geschichte  Aachens  im  15.  Jahrhundert.  Herr  Landgerichts-Sekretär 
J.  Fey  sprach  über  den  Musiker  und  Xylophonisten  Gussikow,  der  einer  israelitischen 
polnischen  Familie  entstammend,  im  Jahre  1837  in  Aachen  ein  frühes  Grab  fand. 

Dienstag,  den  16.  März:  Herr  Schollen  schildert  den  Besuch  Napoleons  in 
Aachen  nach  dem  Berichte  eines  Augenzeugen.  Herr  Fey  sprach  über  den  Aufenthalt 
Fr.  Aug.  von  Klinkowströms  in  Aachen  im  Jahre  1814,  der  hier  als  chef  de  bureau  des 
Generalgouverneurs  Sack  bei  Organisierung  der  Landwehr  thätig  war.  Herr  Dr.  Brüning 
teilte  das  Protokoll  einer  Stadtratssitzung  aus  dem  Jahre  1819  mit,  nach  welchem  aus 
Rücksicht  auf  die  bedenkliche  Leere  der  Stadtkasse   die  Strassenbeleuchtung  abgeschafift 


—  118  — 

wurde,  trotzdem  die  hochlöbliche  Regierung  lebhaft  dagegen  protestierte.  Herr  Ober- 
lehrer Oppenhoff  wies  auf  Grund  einer  „Eechnungs- Ablage  ttber  die  Konstruktions- 
kosten des  Hauses  vom  Louisberge  bei  Aachen  von  Selten  des  Herrn  Körfgen  als  dessen 
Direktor,  Verwalter  und  Hauptactionnaire"  (4.  August  1818)  den  hervorragenden  Anteil 
Körfgens  an  der  Schaffung  der  Anlagen  auf  dem  Lonsberg  nach.  M.  Körfgen  war  während 
der  Fremdherrschaft  Präfektur-Gteneralsekretär. 

Donnerstag,  den  3.  Juni:  Herr  Schollen  hielt  einen  Vortrag  über  Aachener 
Strassen-,  Flur-  und  Ortsnamen.  Herr  Architekt  Rhoen  sprach  über  Italienische  und 
Aachener  Mosaiken. 

Am  Mittwoch,  den  30.  Juni  veranstaltete  der  Verein  einen  wissenschaftlichen 
Ausflug,  dessen  Ziel  das  ehemalige  Prämonstratenserkloster  Wenau  und  die  Ruine  des 
frühem  Kreuzherrenklosters  Schwarzenbroich  war.  Nach  eingehender  Besichtigung  der 
in  archäologischer  und  historischer  Beziehung  merkwürdigen  Denkmäler  der  heutigen 
Pfarr-  frühern  Klosterkirche  zu  Wenau,  deren  Erklärung  Herr  Pfarrer  Schnock  über- 
nommen, begaben  sich  die  Teilnehmer  an  dem  Ausflug  unter  der  Führung  des  gräflich 
Merodischen  Försters  Herrn  Overmann  zur  Ruine  des  Klosters  Schwarzenbroich,  das  auch 
in  seinem  jetzigen  zerfallenen  Zustand  noch  die  einstige  Ausdehnung  und  Grösse  ahnen 
lässt.  Eingehende  Nachrichten  über  das  Kloster  enthält  der  Aufsatz  des  Frhm.  v.  Vorst- 
Gudenau  im  vierten  Bande  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins.  Nach  kurzer 
Rast  im  „Schönthaler  Hof*  traten  die  Ausflügler  hochbefriedigt  den  Heimweg  an. 

Am  Abende  des  28.  Oktober  veranstaltete  der  Verein  zu  Ehren  seines  scheidenden 
langjährigen  Vorsitzenden,  des  Herrn  Dr.  Wacker,  der  zum  Königl.  Seminardirektor  mit 
dem  Range  der  Räte  vierter  Klasse  befördert  worden,  eine  mit  einem  gemeinsamen  Abend- 
essen verbundene  Abschiedsfeier  im  VereinslokaL,  dem  „Gasthof  zum  König  von  Spanien", 
die  sich  einer  sehr  regen  Beteiligung  zu  erfreuen  hatte,  was  allerdings  bei  der  grossen 
Beliebtheit  und  dem  hohen  Ansehen,  das  Herr  Dr.  Wacker  in  allen  Kreisen  der  Stadt 
Aachen  genoss,  nicht  anders  zu  erwarten  war.  Den  Dank  des  Vereins  sprach  dem 
Scheidenden  in  warmen  Worten  der  zweite  Vorsitzende  aus.  Wenn  derselbe  hervorhob, 
dass  Herr  Dr.  Wacker  sich  sowohl  durch  seine  umsichtige  und  thatkräftige  Leitung  als 
auch  durch  seine  hervorragende  Mitarbeit  an  den  Publikationen  der  Zeitschrift  unver- 
gängliche Verdienste  um  den  Verein  für  „Kunde  der  Aachener  Vorzeit"  erworben  habe, 
80  durfte  er  der  ungeteilten  Zustimmung  aller  Vereinsmitglieder  gewiss  sein,  wie  er  auch 
ihnen  aus  der  Seele  sprach,  als  er  betonte,  dass  der  Gefeierte  durch  seine  edelen  Charakter- 
eigenschaften und  seine  herzgewinnende  Liebenswürdigkeit,  die  er  stets  im  Umgang  mit 
Angehörigen  des  Vereins  und  seinen  zahlreichen  Freunden  an  den  Tag  gelegt,  sich  in 
deren  Herzen  ein  monumentum  aere  perennius  gesetzt  habe.  In  seiner  Erwiderungs-  und 
Abschiedsrede  verbreitete  der  Herr  Direktor  sich  noch  ein  Mal  ausführlich  in  begeisterten 
und  begeisternden  Worten  über  die  hohe  Bedeutung  der  lokalgeschichtlichen  Studien  für 
die  allgemeine  Geschichte  und  schloss  mit  einem  Hoch  auf  den  ihm  liebgewordenen  Verein 
für  „Kunde  der  Aachener  Vorzeit**.  Dessen  kann  sich  Herr  Dr.  Wacker  für  versichert 
halten,  dass  sein  Andenken  unter  den  Geschichtsfreunden  Aachens  sobald  nicht  erlöschen 
wird.  An  die  Erstattung  des  Jahresberichtes  schloss  sich  der  Bericht  über  die  finanzielle 
Lage  an,  welchen  der  Schatzmeister  des  Vereins,  Herr  Stadtverordneter  F.  Kremer  mit- 
teilte.   Ein  Bild  der  Kassenverhältnisse  gibt  folgende  Zusammenstellung: 

Einnahmen:     . 

An  Kassenbestand  aus  dem  Jahre  1895    .    .     .     .  M.  592.56 

Zwei  rückständige  Beiträge  für  1895 „  6.— 

195  Jahresbeiträge  für  1896 „  585.— 

Zinsen  der  Sparkasse „  12.88 

Summa    .     .     .    M.  1196.44 


—  119  — 

Ausgaben: 

Druckkosten  der  Vereinszeitschrift M.  481.78 

Inserate „  26.95 

Porto- Auslagen  und  Botenlöhne „  15.55 

Buchbind  er- Arbeiten „  5.75 

Kassenbestand „  666.41 

Summa    .    .    .    M.  1196.44 

Nachdem  die  Herren  Schneider  und  Fey  die  Kasse  auf  ihre  Richtigkeit  geprüft, 
wurde  dem  Schatzmeister  die  nachgesuchte  Entlastung  erteilt  und  ihm  sowie  den  Revi- 
soren für  ihre  Mühewaltung  der  wohlverdiente  Dank  ausgesprochen.  Den  zweiten  Punkt 
der  Tagesordnung  bildete  die  Neuwahl  des  Vorstandes.  Der  Vorsitzende  machte  zunächst 
darauf  aufmerksam,  dass  ausser  der  Stelle  des  ersten  Vorsitzenden  auch  die  des  Schrift- 
führers frei  geworden  sei,  da  der  bisherige  Schriftführer,  Herr  Oberlehrer  Oppenhoff, 
erklärt  habe,  dass  er  wegen  Überbürdung  mit  Arbeiten  sein  Amt  im  Verein  nicht  weiter 
versehen  könne,  aber  wohl  geneigt  sei,  noch  weiter  dem  Vorstande  anzugehören  und  dass 
ebenfalls  die  Herren  Dr.  Jardon  in  Düren,  Kaufmann  Classen  und  Stadtverordneter 
Schaffrath  hierselbst  aus  dem  Vorstand  ausschieden.  Der  Vorstand  schlug  der  General- 
Versammlung  vor  für  den  Herrn  Dr.  Wacker  als  ersten  Vorsitzenden  den  Herrn  Ober- 
lehrer Dr.  Fritz  Kelleter  und  an  Stelle  des  Herrn  Oppenhoff  den  Hilf s- Archivar  Herrn 
Dr.  Brüning,  sowie  an  Stelle  der  ausgeschiedenen  Beisitzer  die  Herren  Oberlehrer  Oppenhoff, 
Dr.  Savelsberg  und  Vorschullehrer  Pschmadt  zu  wählen.  Die  General -Versammlung 
erklärte  sich  mit  diesem  Vorschlage  einverstanden  und  wählte  durch  Zuruf  den  ganzen 
Vorstand  mit  den  angegebenen  Veränderungen  wieder,  der  sich  nun  folgcndermassen 
zusammensetzt:  Erster  Vorsitzender:  Kelleter,  Dr.  Fritz,  Gymnasial-Oberlehrer;  zweiter 
Vorsitzender  und  Redakteur:  Schnock,  H.,  Strafanstalts-Pfarrer;  Schriftführer:  Brüning, 
Dr.  W.,  Hilfs -Archivar;  Bibliothekar:  Schollen,  M.,  Staatsanwaltschafts -Sekretär; 
Kassirer:  Kremer,  F.,  Buchhändler  und  Stadtverordneter;  Beisitzer:  Menghius,  W., 
Fabrikant;  Oppenhoff,  Frz.,  Oberlehrer;  Pschmadt,  Vorschullehrer;  Rhoen,  C, 
Architekt;  Savelsberg,  Dr.,  Oberlehrer;   Spoelgen,  Dr.  J.,  Professor  und  Oberlehrer. 

Hiermit  hatte  der  geschäftliehe  Teil  der  Haupt- Versammlung  sein  Ende  erreicht. 
Die  Leitung  übernahm  nunmehr  der  neugewählte  erste  Vorsitzende,  Herr  Gymnasial- 
Oberlehrer  Dr.  Fritz  Kelleter.  Nachdem  derselbe  für  die  auf  ihn  gefallene  Wahl  in 
herzlichen  Worten  gedankt,  das  beabsichtigte  Programm  seiner  Thätigkeit  entwickelt  und 
versprochen,  nicht  nur  des  Vereins  „erster  Vorsitzender*,  sondern  auch  „erster  Arbeiter** 
sein  zu  wollen,  erteilte  er  das  Wort  dem  Herrn  Dr.  W.  Brüning.  Derselbe  teilte  zunächst 
einen  Originalbericht  mit  über  die  Feierlichkeiten  bei  einer  der  letzten  Königskrönungen 
in  Aachen  und  sodann  den  Bericht  eines  Augenzeugen  über  die  Überbringung  des  Leichen- 
tuches Ludwigs  XV.,  Königs  von  Frankreich  nach  Aachen  durch  den  General-Intendanten 
Ludwigs  XVI.,  Papillon  de  la  Fert6.  Herr  Fey  sprach  über  den  hierselbst  noch  in  bestem 
Andenken  stehenden,  ehemaligen  Zeichenlehrer  Salm,  dessen  eminente  künstlerische  Be- 
gabung und  fruchtbare  Thätigkeit  er  durch  Vorzeigung  von  105  Blättern,  die  zum  grossen 
Teil  historische  Gebäude  der  Stadt  und  Umgegend  zum  Vorwurf  haben,  illustrierte.  Erst 
gegen  11  Uhr  erreichte  die  anregend  verlaufene  Sitzung  ihr  Ende. 


—  120  — 

Verzeichnis  der  Mitglieder. 

I.  Vorstand. 

Erster  Vorsitzender:  Kelleter,  Dr.  Fr.,  Gymnasial-Oberlehrer. 

ZjMreiter  Vorsitzender  nnd  Redakteur:  Schnock, H.,  Strafanstalts-Pfarrer. 

Schriftftihrer:  Brtining,  Dr.  W.,  Hilfs- Archivar. 

Bibliothekar:  Schollen,  M.,  Staatsanwaltschafts-Sekretär. 

Kassirer:  Krem  er,  F.,  Buchhändler  und  Stadtverordneter. 

Beisitzer:  Meughius,  W.,  Fabrikant. 
Op penhoff,  F.,  Oberlehrer. 
Pschmadt,  Vorschullehrer. 
Khoen,  C,  Architekt. 
Savelsberg,  Dr.,  Oberlehrer. 
Spo eigen,  Dr.  J.,  Professor  und  Oberlehrer. 

IL  Mitglieder. 

Adams,  Hubert,  Königl.  Notar  in  Aachen. 

Alertz,  W.,  Bureauchef  in  Aachen. 

A Isters,  Dr.,  Professor  in  Aachen. 

Barth,  Apotheker  in  Aachen. 

Baurmann,  Dr.  L.,  Arzt  in  Aachen. 

Becker,  J.,  Pfarrer  in  Weidesheim. 

B eissei,  M.  W.,  Bentnerin  in  Aachen. 

Berdolet,  P.,  Lehrer  in  Aachen. 

B  er  taut,  L.,  Färbereibesitzer  in  Aachen. 

Bibliothek  dos  Landkreises  Aachen. 

Bibliothek  der  Stadt  Frankfurt  a.  M. 

Biesing,  Fritz,  Rentner  in  Aachen. 

Rischoff,  Adolf,  Gutsbesitzer  in  Haus  Linde. 

Bock,  Dr.  Frz.,  Rentner  in  Aachen. 

Böckeier,  H.,  Ehrenkanonikus  und  Direktor  des  Gregoriushauses 

in  Aachen. 
Bongartz,  J.,  Apotheker  in  Aachen. 
Brückner,  Dr.,  Arzt  in  Aachen. 
Brüning,  Dr.,  Hülfs-Archivar  in  Aachen. 
Bruns,  Fritz,  in  Werden  a.  d.  Ruhr. 
Buch  holz,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Buchkremer,  Jos.,  Privatdozeut  in  Aachen. 
Bücken,  Win..,  Uhrmacher  in  Aachen. 

Busch,  von  den,  Gerichtsvollzieher  a.  D.  in  Paulinerwäldchen. 
Capellmann,R.,  Geometer  in  Aachen. 
Cazin,  Frz.,  Ingenieur  in  Denver,  Co.  Amerika. 
Chan tra ine,  Dr.,  Arzt  in  Aachen. 
Charlier,  Ludw.,  Restaurateur  in  Forst 
Clar,  M.,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Aachen. 
Classen,  J.,  Kaufmann  in  Aachen. 
C lassen,  Dr.  J.,  Arzt  in  Aachen. 
Classen,  Jac.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Classen,  M.,  Kaufmann  in  Aachen. 


—  121  — 

Clansmann,  Eestauratour  in  Aachen. 

Cornely,  Bürgermeister  a.  D.  in  Elchenrath. 

Cossmann,  Th.,  Möbelfabrikant  in  Aachen. 

Cremer,  Jos.,  Baunntemehmer  in  Aachen. 

Cremer,  M.,  Lehrer  an  der  Lehrerinnenbiidungs- Anstalt  in  Aachen. 

Creutzer,  A.,  Buchhändler  in  Aachen. 

D ahmen,  F^nzs,  Kaufmann  in  Aachen. 

Daverkosen,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Deterre,  Jos.,  Buchdrnckereibesitzer  in  Aachen. 

Dodenhöft,  Emil,  Oberlehrer  in  Aachen. 

Dornemann,  Rechtsanwalt  in  Aachen. 

Dresemann,  Dr.  0.,  Bedakteur  in  Köln. 

Dujardin,  Peter,  Architekt  in  Aachen. 

Eibern,  M.,  Baumeister  in  Aachen. 

Ernstes,  Rieh.,  Kratzen  Fabrikant  in  Aachen-Bnrtscheid. 

Eschweiler,  Pfarrer  in  Gürzenich. 

Feld  mann,  Fritz,  Kaufmann  in  Strassburg  1.  E. 

Fey,  Job.,  Landgerichts-Sekretär  in  Aachen. 

Fey,  Jos.,  Rentner  in  Aachen. 

Firmanns,  Jac.  Juwelier  in  Aachen. 

Firmanns,  Job.,  Rentner  in  Aachen. 

Flamm,  G.  F.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Forckenbeck,  von,  Rentner  in  Aachen. 

Förster,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 

F  ranzen,  Deservitor  in  Eller. 

Geschwandner,  Dr.,  Direktor  an  der  Viktoriaschule  in  Aachen- 

Burtscbeid. 
Genien,  Peter,  Kaufmann  in  Aachen-Burtscheid. 
Geyer,  Dr.  H.,  Gymnasiallehrer  in  Wesel. 
Gilliam,  M.,  Brunnenmeister  in  Aachen. 
Göbbels,  Jos.,  Architekt  und  Stadtverordneter  in  Aachen. 
Goblet,  Aug.,  Seifenfabrikant  in  Aachen. 
Goecke,  Dr.,  Professor  in  Aachen. 
Gott  in  g,  J.,  Staatsanwaltschafts-Sekretär  in  Aachen. 
Greve,  Dr.  Th.,  Professor  in  Aachen. 
Grimmendahl,  Dr.  P.,  Gymnasial-Oborlehrer  in  Aachen. 
Gross,  H.  J.,  Pfarrer  in  Osterath. 
Hammels,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Hammers,  Job.,  Rentner  in  Aachen. 
Heim,  Dr.  Oberlehrer  in  Aachen. 
Heinen,  Dr.  L.,  Arzt  in  Aachen. 
Heller,  Geometer  in  Aachen. 
Hennes,  Leo,  Kaufmann  in  Aachen. 
Hen trieb,  Gerichtsschreiber  in  Hillesbeim. 
Hermens,  Jos.,  Stadtverordneter  in  Aachen. 
Herren,  L.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Hess,  Job.,  Kaplan  in  Köln. 
Heucken,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Heu  sc  b,  A.,  Fabrikant  in  Aachen. 
Hochscheid,  Jos.,  Rektor  in  Aachen. 
Hoesch,  Otto,  Kaufmann  in  Aachen. 
Hoff,  von  den,  H.,  Justizrath  in  Aachen. 
Honnef  eller,  P.,  Photolithograph  in  Aachen. 


—  122  — 

Habe,  M.,  Geschaftsbücberfabrikant  in  Aachen. 

Hnsmann,  Fabrikant  in  Aachen. 

Hunold,  Apotheker  in  Aachen. 

Hüffer,  Bob.,  Maschinenfabrikant  in  Aachen. 

Hüntemann,  Jol.,  Schneidermeister  in  Aachen. 

Janssen,  Rechtsanwalt  in  Aachen-Bnrtscheid. 

Jardon,  Dr.  A.,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Düren. 

Janlns,  Dr.  H.,  Babbiner  in  Aachen. 

Jörissen,  Albert,  Gerichtsreferendar  in  Aachen. 

Kaatzer,  H.,  Wtw.,  Bnchdnickereibesitzerin  in  Aachen. 

Kaentzeler,  Jos.,  Vikar  in  Glehn. 

Kaltenbach,  J.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Kelleter,  Dr.  F.,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Aachen. 

Kersting,  Dr.,  Zahnarzt  in  Aachen. 

Kelleter,  Dr.  H.,  Stadtarchiv- Assistent  in  Köln. 

Klausener,  Bürgermeister  in  Aachen-Bnrtscheid. 

Kleinen,  Rechtsanwalt  in  Aachen. 

Kl e Tisch,  Greg.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Koch,  H.  H.,  Dr.  theol.,  Militär-Oberpfarrer  und  Divisions-Pfarrer 

in  Frankfurt  a.  M. 
Koehn,  Dr.,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Aachen. 
Kölges,  Beferendar  in  Aachen. 
Körfer,  H.,  Brennereibesitzer  in  Bothe  Erde. 
Kranz,  Dr.,  Arzt  in  Aachen. 
Kremer,  Ferd.,  Stadtverordneter  in  Aachen. 
Kruszewski,  Dr.  A.,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Aachen. 
Kuetgens,  P.,  Stadtverordneter  in  Aachen. 
Lamberz,  Emil,  Ingenieur  in  Aachen. 
Lauf f 8,  Fr.,  Pfarrer  in  Satzvey. 
Lentzen,  Pet.  Ant.,  Fabrikdirektor  in  Aachen. 
L  er  seh,  Dr.,  Arzt  in  Aachen. 
Lessenich,  M.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Linnartz,  Direktor  der  Provinzial-Taubstummenanstalt  in  Aachen. 
Lippmann,  Otto,  Fabrikant  in  Aachen. 

Lörkens,  Dr.  J.,  Professor  der  Bechte  in  Freiburg  i.  d.  Schweiz. 
Loersch,  Dr.  H.,  Geh.  Justizrath,  Professor  der  Bechte  in  Bonn. 
Lovens,  Jak.,  Pianoforte-Fabrikant  in  Aachen. 
Macco,  H.  F.,  Kaufmann  in  Aachen. 
Mahr,  Gerh.,  Heizungsfabrikant  in  Aachen. 
Mai,  H.,  Musiklehrer  in  Aachen. 
Maus,  Heinrich,  Bentner  in  Aachen. 
Med  er,  Dr.  J.,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Aachen. 
Menghius,  C.  W.,  Stadtverordneter  in  Aachen. 
Messe w,  Frz.  W,,  Bentner  in  Aachen. 
M eurer,  Dr.  A.,  Professor  in  Aachen. 
Michels,  Jos.,  Hotelbesitzer  in  Aachen. 
Möhlig,  Job.,  Königl.  Amtsanwalt  in  Aachen. 
Müllenmeister,  J.,  Tuchfabrik  in  Aachen-Bnrtscheid. 
Müller,  Dr.,  Oberlehrer  in  Aachen. 
Niederau,  W.,  Sparkassenbearoter  in  Aachen-Burtscheid. 
Ni essen,  Jos.,  Kaufinann  in  Aachen. 
Ochs,  H.,  Dechant  in  Steinfeld. 
Oi  dt  mann,  Dr.  H.,  Glasmalerei  in  Linnich. 


—  123  — 

Opboven,  Lehrer  in  Aachen. 

Oppenhoff,  F.,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Aachen. 

Otten,  Heinr.,  Cigarrenfabrikant  in  Aachen. 

Paulssen,  Frz.,  Stadtverordneter  in  Aachen. 

Peppermüller,  Oberbibliothekar  in  Aachen. 

Pier,  von,  Heinr.,  Nadel fabrikant  in  Aachen. 

Pohl,  Wilh.,  Bildhauer  in  Aachen. 

Polis,  Peter,  Fabrikant  in  Aachen. 

Polis,  Pierre,  Tnchfabrikant  in  Aachen. 

Pschmadt,  J.,  Realgymnasial-Vorschnllehrer  in  Aachen. 

Pütz,  Jak.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Quadt,  Max,  Rektor  in  Aachen. 

Querinjean,  Fabrikant  in  Aachen. 

Beinartz,  Job.,  Architekt  in  Aachen -Burtscheid. 

Reinkens,  Heinr.,  Polizeisekretär  in  Aachen. 

Rey,  yan,  A.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Rey,  Dr.,  Jos.,  Arzt,  Aachen. 

Rhoen,  C,  Architekt  in  Aachen. 

Ross,  Kaufinann  in  Aachen. 

Rossum,  Rudolf,  Kaufmann  in  Aachen. 

Rüben,  J.,  Bauunternehmer  in  Aachen. 

Rütgers,  F.  J.,  Juwelier  in  Aachen. 

Saedler,  H.,  Pfarrer  in  Derendorf. 

Savelsberg,  Dr.  H.,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Aachen. 

Sommer,  Professor  in  Aachen. 

Schäfer,  Kaufmann  in  Aachen. 

Schaf frath,  J.,  Stadtverordneter  in  Aachen. 

Schervier,  Aug.,  Fabrikant  in  Aachen. 

Schiffers,  Hubert,  Steinmetzmeister  in  Raeren. 

Schillings,  Jos.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Schlesinger,  M.,  Redakteur  in  Aachen. 

Schmitz,- H.,  Realgymnasial-Oberlehrer  in  Aachen. 

Schmitz,  C,  Architekt  und  Stadtverordneter  in  Aachen. 

Schmitz,  F.,  Havanna- Import-Geschäft  in  Aachen. 

Schneider,  Frz.,  Rentner  in  Aachen. 

Schnock,  H.,  Strafanstalts-Pfarrer  in  Aachen. 

Schnütgen,  M.,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Aachen. 

Schollen,  M.,  Staatsanwaltschafts-Sekretär  in  Aachen. 

Schulze,  Job.,  Gymnasial-Vorschullebrer  in  Aachen. 

Schumacher,  W.,  Maler  in  Aachen. 

Schwartzenberg,  von,  Frz.,  Steinmetzmeister  in  Aachen. 

Schweitser,  J.,  Buchhändler  in  Aachen. 

Sim^on,  Polizeiassessor  in  Aachen. 

Spies,  Hub.,  Aktuar  in  Bemkastel. 

Spölgeu,  Dr.  J.,  Professor  in  Aachen. 

Springsfeld,  Dr.,  Arzt  in  Aachen. 

Strom,  Frz.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Tal  bot,  Hugo,  Rentner  in  Aachen. 

Theissen,  Job.  Pet.,  Regierungs-Sekretär  in  Aachen. 

Theissen,  Heinr.,  Hotelbesitzer  in  Aachen. 

Thelen,  Dr.,  Arzt  in  Aachen. 

Thelen,  P.,  Bauunternehmer  in  Aachen. 

Thoma,  Dr.,  Arzt  in  Aachen. 


—  124  — 

Thomas,  Bechtsanwalt  in  Aachen. 

Thom6,  Friedr.,  Buchhalter  in  Aachen. 

Thönissen,  Wilh.,  Pfarrer  in  Borheck. 

Thyssen,  Edm.,  Architekt  in  Aachen. 

Treuge,  Oberlehrer  in  Aachen. 

Vaassen,  Dr.  B.,  Bechtsanwalt  in  Aachen. 

Valtmanu,  H.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Viehöfer,  Dr.  E.,  Assistenzarzt  in  Aachen. 

Vigier,  L.,  Schirmfabrikant  in  Aachen. 

Vincken,  Mich.,  Oberpostdirektions-Sekretär  in  Aachen. 

Vogelgesang,  C,  Kaufmann  in  Aachen. 

Voissem,  B.,  Kaplan  in  Aachen. 

Wacker,  Dr.  C,  Seminar- Direktor  in  Saarburg. 

Wangemann,  Dr.  P.,  Zahnarzt  in  Aachen. 

Weber,  Arthur,  Kaufmann  in  Aacheb. 

Weber,  A.,  Lehrer  an  der  Webeschule  in  Aachen. 

Wehrens,  Johann,  Goldschmied  in  Aachen. 

Welter,  H.,  Bechtsanwalt  in  Aachen. 

Wendland,  Dechant  in  Bheinbach. 

Weyers,  Bodr.,  Buchhändler  in  Aachen. 

Wilden,  Dr.,  Bechtsanwalt  in  Aachen. 

Wings,  Dr.  Fr.,  in  Aachen. 

Wirtz,  P.,  Beg.-Sekretär  in  Aachen. 

Zentis,  Kaufmann  in  Aachen. 

Zimmermann,  Bürgermeister  a.  D.  in  Aachen. 


Verlag  der  Cremer^schen  Buchhandlung  (C.  Cazin)  in  Aachen. 

Die  Aachener  Geschichtsforschung. 

Entgegnung  auf  die  „Kritische  Studie"  des  Herrn  Dr.  Lulvfes 

über 

,,Die  gegenwärtigen  Geschichtsbestrebungen  in  Aachen". 

Mit  Unterstützung  Aachener  Geschichtsfreunde  herausgegeben  von  Dr.  C.  Wacker. 

96  S.  gr.  8°.    Preis  Ji  1.80. 

Die  römischen  Thermen  zu  Aachen. 

Eine  archäologisch- topographische  Darstellung 

von  C.  RHOEN. 

70  S.  8»  mit  einer  Tafel.    Preis  1.20  M. 

P.  Giemen,   Die  Porträtdarstellungen  Karls  des  Grossen.  VIII, 

234  S.;  mit  siebzehn  Abbildungen Mk.  6. — 

Dr.  0.  Dresemann,  Die  Jakobskirche  zu  Aachen.  Geschichtliche 

Nachrichten  und  Urkunden.  124  S Mk.  2. — 

C.  Rhoen,  Die  ältere  Topographie  der  Stadt  Aachen.  IT,  142  S. 

mit  4  Plänen Mk.  2.— 

Leben  und  Werke  des  Aaetaier  Gescliichteclireibers  Christian  ^uix. 


Von  Dr.  C.  WACKER.  | 


74  S.  gr.  8».    Preis  M  1.20. 

DbUCK  YOK  HkKUASII  KaATZEB  IK  AACffl». 


il7S  4äC11HS  foiIEIf. 


iTTEILWl  DES  VEREINS  FÜR  KUNDE  DER  AACHER  VORM 


IM  AUFTRAG  DES  VEREINS  HERAUSGEGEBEN 


HEINRICH  SCHNOCE. 


BLFTEB  JAHRGANG. 


AACHEN. 

Kohmb3Ion3-Vebiaq  dkb  Cbemebschen  Buchhandlung  (C.  C'azin). 


—  124  — 

Thomas,  Bechtsanwalt  in  Aachen. 

Thom6,  Friedr.,  Buchhalter  in  Aachen. 

Thönissen,  Wilh.,  Pfarrer  in  Borheck. 

Thyssen,  £dm.,  Architekt  in  Aachen. 

Treuge,  Oberlehrer  in  Aachen. 

Vaassen,  Dr.  B.,  Bechtsanwalt  in  Aachen. 

Valtmann,  H.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Viehöfer,  Dr.  E.,  Assistenzarzt  in  Aachen. 

Vigier,  L.,  Schirmfabrikant  in  Aachen. 

Vincken,  Mich.,  Oberpostdirektions-Sekretär  in  Aachen. 

Vogelgesang,  C,  Kaufmann  in  Aachen. 

Voissem,  B.,  Kaplan  in  Aachen. 

Wacker,  Dr.  C,  Seminar- Direktor  in  Saarburg. 

Wangemann,  Dr.  P.,  Zahnarzt  in  Aachen. 

Weber,  Arthur,  Kaufmann  in  Aacheh. 

Weber,  A.,  Lehrer  an  der  Webeschule  in  Aachen. 

Wehrens,  Johann,  Goldschmied  in  Aachen. 

Welter,  H.,  Bechtsanwalt  in  Aachen. 

Wendland,  Dechant  in  Bheinbach. 

Weyers,  Bodr.,  Buchhändler  in  Aachen. 

Wilden,  Dr.,  Bechtsanwalt  in  Aachen. 

Wings,  Dr.  Fr.,  in  Aachen. 

Wirtz,  P.,  Beg.-Sekret&r  in  Aachen. 

Zentis,  Kaufmann  in  Aachen. 

Zimmermann,  Bürgermeister  a.  D.  in  Aachen. 


Verlag  der  Cremer'schen  Buchhandlung  (C.  Cazin)  in  Aachen. 

Die  Aachener  Geschichtsforschung. 

Entgegnung  auf  die  „Kritische  Studie"  des  Herrn  Dr.  Lulvös 

über 

„Die  gegenwärtigen  Geschichtsbestrebungen  in  Aachen*^ 

Mit  Unterstützung  Aachener  Geschichtsfreunde  herausgegeben  von  Dr.  C.  Wtwker. 

96  S.  gr.  8^    Preis  JH  1.80. 

Die  römischen  Thermen  zu  Aachen. 

Eine  archäologisch-topographische  Darstellung 

von  C.  RHOEN. 

70  S.  8»  mit  einer  Tafel.    Preis  1.20  M 

P.  Giemen,  Die  Porträtdarstellungen  Karls  des  Grossen.  VIII, 

234  S.;  mit  siebzehn  Abbildungen Mk.  6. — 

Dr.  0.  Dresemann,  Die  Jakobskirche  zu  Aachen,  (ireschichtliche 

Nachrichten  und  Urkunden.  124  S Mk.  2. — 

C.  Rhoen,  Die  ältere  Topographie  der  Stadt  Aachen.  II,  142  S. 

mit  4  Plänen Mk.  2.— 

Leben  und  Werke  des  Aachener  GescIiichtecWbers  Christian  ftuix. 

Von  Dr.  C.  WACKER. 

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Dbcok  vor  Hkkicass  £aat2kb  im  Aacrbv. 


Ans  4^r=3f  s  Tcezbit: 


—  124  — 

Thomas,  Rechtsanwalt  in  Aachen. 

Thom6,  Friedr.,  Buchhalter  in  Aachen. 

Thönissen,  Wilh.,  Pfarrer  in  Borheck. 

Thyssen,  £dm.,  Architekt  in  Aachen. 

Treuge,  Oberlehrer  in  Aachen. 

Vaassen,  Dr.  B.,  Bechtsanwalt  in  Aachen. 

Valtmann,  H.,  Kaufmann  in  Aachen. 

Viehöfer,  Dr.  E.,  Assistenzarzt  in  Aachen. 

Vigier,  L.,  Schirmfabrikant  in  Aachen. 

Vincken,  Mich.,  Oberpostdirektions-Sekretär  in  Aachen. 

Vogelgesang,  C,  Kaufmann  in  Astchen. 

Voissem,  B.,  Kaplan  in  Aachen. 

Wacker,  Dr.  C,  Seminar- Direktor  in  Saarburg. 

Wangemann,  Dr.  P.,  Zahnarzt  in  Aachen. 

Weber,  Arthur,  Kaufmann  in  Aacheh. 

Weber,  A.,  Lehrer  an  der  Webeschule  in  Aachen. 

Wehre  US,  Johann,  Goldschmied  in  Aachen. 

Welter,  H.,  Rechtsanwalt  in  Aachen. 

Wendland,  Dechant  in  Rheinbach. 

Weyers,  Rodr.,  Buchhändler  in  Aachen. 

Wilden,  Dr.,  Rechtsanwalt  in  Aachen. 

Wings,  Dr.  Fr.,  in  Aachen. 

Wirtz,  P.,  Reg.-Sekretär  in  Aachen. 

Zentis,  Kaufmann  in  Aachen. 

Zimmermann,  Bürgermeister  a.  D.  in  Aachen. 


Verlag  der  Cremer'schen  Buchhandlung  (C.  Cazin)  in  Aachen. 

Die  Aachener  Geschichtsforschung. 

Entgegnung  anf  die  „Kritische  Studie"  des  Herrn  Dr.  Lulvfes 

über  . 

„Die  gegenwärtigen  Geschichtsbestrebungen  in  Aachen^^ 

Mit  Unterstützung  Aachener  Geschichtsfreunde  herausgegeben  von  Dr.  C.  Wacker. 

96  S.  gr.  8^    Preis  ^  1.80. 

Die  römischen  Thermen  zu  Aachen. 

Eine  archäologisch-topographische  Darstellung 

von  C.  RHOEN. 

70  S.  8»  mit  einer  Tafel.    Preis  1.20  JL 


P.  Clemen,  Die  Porträtdarstellungeii  Karls  des  Grossen.  VIII, 

234  8.;  mit  siebzehn  Abbildungen Mk.  6. 

Dr.  0.  Dresemann,  Die  Jakobskirche  zu  Aachen.  Geschichtliche 

Nachrichten  und  Urkunden.  124  S Mk.  2. 

C.  Rhoen,  Die  ältere  Topographie  der  Stadt  Aachen.  II,  142  S. 

mit  4  Plänen Mk.  2. 

Leben  und  Weite  des  Aachener  Geschichteclirefcrs  Christian  ftuix. 

Von  Dr.  C.  WACKER. 

74  S.  gr.  8^     Preis  M.  1.20. 

Dbuok  voh  Uermakn  Kaatzbk  IX  Aachks. 


4i7s  4acbeis  foiKEIl 

nmiGEN  DES  VERMS  FÜR  KIDE  DER  AACHENER  VORZEIT 

IH  AUFTEAa  DES  VEREINS  HEBÄUSGEOEBEN 

HEINRICH  SCHNOCK. 


ELFTER  JAHRGANG. 


AACHEN. 

Kommissions- Verlag  der  Gbemebschem  BuCHHANbLONo  (C.  Cazin), 
1898. 


INHALT. 


Seite 

1.  Zur  Geschichte  der  Pfarre  SchcTenhötte.    Von  A.  Bommcs.    .    .    .        1 

2.  Handschriftliche  Chronik,  1770-1796.     Von  W.  Bröninjr 18 

3.  Vertrag  der  Aachener  RnpferschlS^nnuift  mit  Brabant.   Von  Heinrich 
Kelleter 70 

4.  Kleinere  Mitteilung: 

Zur  Frage  der  Freilegung  des  Granusturmt^s.  Von  Heinrich 
Schnock 78 

5.  Die  Aachener  Knmnngsfahrt  Friedrich  III.  im  Jahre  1442.    Von 

W.  Bröning 81 

6.  Wcistömer  Ton  Comelimünster.    Von  Heinrich  Kelleter     ....     106 

7.  Kleinere  Mitteilungen: 

1.  Verleihung  eines  Brustkrenzes  an  die  Kanoniker  des  Aachener 
Liebfrauen -Münsters  durch  Kaiser  Josef  II.  Von  Heinrich 
Schnock 112 

2.  Stadtsyndicus  Anton  Wolf.    Von  W.  Brüning 115 

3.  Handelspolitisches  aus  der  „Reichsherrlichkeit**  Burtscheid.    Von 

W.  Brüning 116 

4.  Ein  Grenzschub  im  17.  Jahrhundert.    Von  H.  Kelleter.    .    .     117 

5.  ,I)cr  Historienmaler   Adam   Ebcrle   aus   Aachen   (1805—1832).* 

Von  J.  FoT 118 

6.  Zum  Niedergang  der  Reichsstadt  Aachen.     Von  W.  Brüning  .  120 

7.  Die  Ankunft  des  Generals  Dumouriez  in  Aachen.  Von  W.  Brüning  122 

8.  Bericht  über  das  Vereinsjahr  1898.     Vom  Herausgeber 123 


Jithrlich  8  NumiDeni  Komm issions -Verlag 

A  1  Bogen  Royal  Oktav.  **'' 

Cremei'Bchen  BachhaDdlnng 
Preis  des  Jahrgangs  ^j  ,,^,, 

4  Mark.  in  Aachen. 


Mitteilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit, 

Im  Anftrage  des  Vereins  heraasgegeben  von  E.  Sohaook. 

Nr.  1/5.  Elfter  Jahrgang.  1898. 


Inhalt:    A.  Bommcs,  Zur  Oescbivhte  der  Pfarre  Schevenhütte.  —  W.  BrQning,  Hand- 

schriftlicbe  Chronik,   ItTO — 1796.  —  Heinrich   Kellcter,  Vertrag  der  Aachener  Knpfer- 

Bcblägcrzunft  mit  Brabant,   angehend  eine  UalmeJlieferang  ans  dem  Altenberg,  a.  184S 

Nov.  28.  -~  Kleinere  Mitteilung:  Zur  Frage  der  Freilegung  des  Oiannstarmea. 


Zur  Qeschichte  der  Pfarre  Schevenhütte. 

Von  A.  Bommes. 

1.  Schevenhütte  als  Rektorat  (Beneficiam  smplex) 
1668—1699. 

Wie  im  vorigen  Abschnitte  tlber  das  Alter  und  die  Entwickelung 
des  Ortes  Schevenhütte  bereits  mitgeteilt  wurde,  gehörten  seine  ersten 
Bewohner  zur  katholischen  Pfarrgemeinde  Lendersdorf  im  Kreise  Düren, 
welche  gegen  3  Stunden  oder  13,50  Kilometer  Wegs  entfernt  liegt.  Für 
ihre  religiöse  Gesinnung  spricht  die  Überlieferung,  dass  sie  sich  nach 
ihrer  Niederlassung  an  dem  hiesigen  Eisenhüttenwerke  hierselbst  ein  Bet- 
kapellchen  erbaut  haben  sollen,  um  darin  gemeinsam  ihre  Andacht  zu 
verrichten.  Wegen  der  sehr  weiten  Entfernung  von  ihrer  Pfarrkirche  zu 
Lendersdorf  und  der  nahen  Lage  der  Kirche  von  Gressenich  (2,25  Kilo- 
meter) hielten  sie  sich  jedoch  zu  dieser  letztem  Pfarre,  um  dort  ihren 
religiösen  Pflichten  als  Katholiken  nachzukommen  und  ihre  Toten  zu  be- 
graben. So  kam  es,  dass  sie  mit  der  Zeit  den  Pfarrer  von  Gressenich 
als  ihren  Seelsorger  anerkannten.  Als  jedoch  die  Bevölkerung  mit  der 
Zunahme  der  Eisenindustrie  hierselbst  immer  mehr  an  Zahl  und  die  Ort- 
schaft au  Ausdehnung  zunahm,  erbauten  in  den  Jahren  1664  bis  1666  der 


—  2  — 

Jülichsche  Wehrraeister  (d.  i.  Oberförster  über  die  herzoglich  Jülichschen 
Waldungen  und  Vorsitzender  bei  dem  Banngerichte  betreffend  Wald-  und 
Wildfrevel)  Theodor  von  Leers  und  seine  Ehefrau  Anna  Richmnndis  von 
Berchem  (Bergheim)  aus  eigenen  Mitteln  eine  neue  grosse  Kapelle  zu 
Ehren  der  Allerheiligsten  Dreifaltigkeit  (in  honorem  ss.  ac  individuae 
Trinitatis),  welche  auch  späterhin  bis  zum  Jahre  1890,  den  19.  März,  als 
Pfarrkirche  diente.  Dieselbe  war  aus  rauhen  Schieferbruchsteinen  aus  den 
hiesigen  Schieferlagem  in  romanischem  Baustile  einschiffig  erbaut,  mit 
den  Mauern  und  der  Chorapsis  19  Meter  lang,  T*/,  Meter  breit  und  bot 
als  innem  Raum  für  die  Eirchenbesucher  nur  eine  Bodenfläche  von  12'/2 
Meter  Länge  und  5  Meter  Breite,  also  62'/^  Quadratmeter.  Der  Thurm 
war  rechts  neben  der  Eingangsthüre  in  das  Innere  der  Kirche  hinein- 
gebaut.  Sie  lag  zwischen  der  jetzigen  neuen  Pfarrkirche  und  der  Kirch- 
gasse d.  h.  der  nach  Gressenich  fuhrenden  Prämienstrasse,  in  der  Richtung 
dieser  Strasse  und  nahe  an  derselben,  mit  dem  Thurme  bis  auf  etwa 
8  Meter  an  die  alte  Pfarrwohnung  hei*anreichend.  Der  sie  umgebende 
freie  Platz  wurde  später  seit  der  Pfarrerhebung  am  6.  Dezember  1699  als 
Kirchhof  benutzt  und  war  rund  von  Mauern  umgeben.  Nach  Erbauung 
der  Kirche  stiftete  derselbe  Wehrmeister  mit  seiner  Ehefrau  am  20.  März 
1668  zur  Zeit  des  Jülichschen  Herzogs  Philipp  Wilhelm,  in  dessen  Terri- 
torium Schevenhütte  lag.  an  der  von  ihm  errichteten  Kirche  ein  einfaches 
Beneficium  unter  dem  Titel  ^Beneficiura  siraplex  perpetuura  ad  ss.  Trini- 
tatem*  und  bestimmte  zum  Unterhalte  des  anzustellenden  Beneficiaten  ein 
Kapital  von  liXH)  Goldgulden,  welches  als  Hypithekarschuld  auf  den 
herzoglichen  Waldungen  in  der  Forstmeisterei  bezw.  Kellnerei  Montjoie  stand. 
In  der  bereits  vorher  eingeholten  landesherrlichen  Bestätigungsurkunde 
vom  21.  Januar  166S  bestimmte  Herzog  Philipp  Wilhelm,  dass  die  Zinsen 
zn  5^  0  ^'^D  diesem  Kapitale  im  Betrage  von  50  Königsthalem  alljährlich 
Von  dem  Hüttenmeister  Hieronymus  Hoesch  und  dessen  Erbfolgern  und 
Inhabern  der  Hütte  zu  .Tunkershammer  bei  Zweifall  dem  zeitlichen  Bene- 
ficiaten und  dessen  Nachfolgern  ausgezahlt  und  der  jedesmalige  Betrag 
bei  Berechnung  der  Holzkohlenlieferungen  aus  den  herzoglichen  Waldungen 
demselben  vom  herzoglichen  Forstmeister  nach  Vorzeigung  der  Quittung 
des  Benedcidten  in  Abrechnung  gebracht  werden  sollte.  «Nachdem  dan 
HiHrhstg*  Ihre  Fürstl.  Dchlt.  zu  desto  mehrer  beforderung  des  Grottesdiensts 
als*  »Icher  Pitt  in  gnaden  gewilfahrt,  alss  ist  deroselben  ggstr.  Befelcb 
hiemit,  das  ol^ng*'  Hüttenmeister  Hoesch  und  dessen  successoren  von 
Stichen  tausent  iroldtg.  Hauptgeldts  das  tlährliche  Interesse,  wie  vorg' 
alss  lang  kein  ander  Verordtnung  wirt,  alle  und  jedes  Jahrs  in  abschlag 
Ihrer  Schuldigkeit  der  Kohlfelder  bezahlen,  und  den  Forstmeistern  ein- 
pringen  sollen,  der  dan  solche  Aussgaab  hinwiederumb  ebenfallss  seines 
Orts  zu  berechnen,  gezeichnet  zu  Düsseldorf,  den  21.  ^Januar  1668. 
Philipp  Wilhelm  (L.  S.»  gez:  Diethr.  Quiexs.*  Zum  besseren  Unterhalte 
des  Benencidien  fugte  der  Herzog  selbst  noch  6  Morgen  (nach  Prenssischem 


—  3  — 

Maasse  jedoch  8V2  Morgen  od6r  2  Hektar  15  Ar  27  Quadratmeter)  Ge- 
hölz hinzu,  welches  die  Gemeinde  Schevenhütte  zu  Wiesen  machte,  gelegen 
bei  Gressenich  im  sogen.  Langenbroich,  diesseits  des  Omerbaches,  welcher 
die  Grenze  zwischen  dem  Gebiete  des  Herzogthums  Jülich  und  dem  Corneli- 
münsterschen  Gebiete  bildete,  im  Kataster  bezeichnet:  „Gemeinde  Gresse- 
nich, Flur  38,  Nr.  223."  Ausserdem  Hess  der  Herzog  im  Jahre  1666  dem 
Beneficiaten  unmittelbar  neben  dieser  Wiese  eine  Wohnung  erbauen,  welche 
später  nach  herzoglicher  Verordnung  vom  3.  Januar  1776  öffentlich  zu 
Gunsten  der  Kirche  verkauft  wurde,  nachdem  für  den  Geistlichen  im 
Jahre  1775  eine  andere  Wohnung  im  Orte  Schevenhütte  beschafft  worden 
war.  Zu  damaliger  Zeit  gehörten  die  Ortschaften  Rott  und  Eller,  d.  h. 
sämtliche  diesseits  des  Omerbaches,  also  auf  jülicher  Gebiet  gelegenen 
Häuser  zu  Schevenhütte.  Bei  der  Pfarrerhebung  von  Schevenhütte  am 
6.  Dezember  1699  werden  die  Orte  Rott  und  Eller  nicht  mit  aufge- 
führt, jedoch  erst  bei  der  neuen  Einteilung  der  Pfarreien  durch  das 
Dekret  des  Aachener  Bischofs  Berdolet  vom  1.  März  1804  kamen  Rott 
und  Eller  definitiv  zur  Pfarre  Gressenich,  während  die  Ortschaften  Scheven- 
hütte, Joaswerk  und  Bend  die  neue  Pfarrgemeinde  Schevenhütte  bildeten. 
Gemäss  der  Stiftungsurkunde  des  Wehrmeisters  Theodor  von  Leers  vom 
20.  März  1668  und  der  Genebmigungsurkunde  der  Erzbischöflichen  Be- 
hörde zu  Köln  vom  28.  März  1668  hatte  der  Beneficiat  die  Verpflichtung, 
an  Sonn-  und  Feiertagen  eine  Frühmesse  mit  kurzer  Predigt  und  Nach- 
mittags für  die  Jugend  eine  Katechese,  sowie  wöchentlich  zwei  heilige 
Messen  zu  halten  für  die  Stifter,  ihre  Rechtsnachfolger,  Verwandten  und 
Freunde,  jedoch  nur  falls  keine  zwei  Feiertage  in  die  Woche  flelen.  Auch 
das  von  dem  Fundator  Theodor  von  Leers  für  sich  und  seine  Rechts- 
nachfolger sich  vorbehaltene  Patronatsrecht  wurde  von  der  vorgesetzten 
kirchlichen  Behörde  gleichfalls  genehmigt  und  anerkannt.  In  der  genannten 
Stiftungsurkunde  vom  20.  März  1668  präsentierte  Theodor  von  Leers  zu- 
gleich als  ersten  Beneficiaten  den  Kandidaten  der  Theologie  aus  Düren 

Johann  Werner  Gross  (1668—1677). 

Am  24.  März  1668  erfolgte  die  Ernennung  desselben  seitens  des 
Erzbischöflichen  Officialates  und  am  8.  Juni  desselben  Jahres  die  Besitz- 
ergreifung des  Beneficiums  vor  dem  herzoglichen  Notar  Joh.  Schmidts  an 
der  Hofkanzlei  zu  Düsseldorf.  Nach  ungefähr  9  jähriger  Wirksamkeit 
verliess  derselbe  im  Jahre  1677  aus  unbekannten  Gründen  sein  Beneficium, 
ohne  jedoch  ausdrücklich  auf  seine  Rechte  Verzicht  zu  leisten.  Später 
soll  er  eine  Pfarrstelle  bei  Speyer  erhalten  haben.  Seine  sämtlichen  auf 
die  Anstellung  desselben  als  Beneficiaten  bezüglichen  Schriftstücke,  wie 
Tauf-,  Firmungs-,  Weihe-Zeugnisse,  Ernennungs-  und  Besitzergreifungs- 
urkunde, sowie  die  Stiftungs-  und  kirchliche  Genehmigungsurkunde  des 
Beneficiums  wurden  in  einem  hohlen  Pfeiler  des  Hauptaltars  der  alten  Kirche 
fast  unversehrt  beim  Abbruche  desselben  anfangs  April  1890  aufgefunden; 


—  4  — 

seitdem  werden  sie  im  hiesigen  Kirchenarchive  aufbewahrt.  Weiteres  ist  über 
ihn  nicht  bekannt.  Nachdem  die  Patres  des  benachbarten  Klosters  Schwarzen- 
broich,  Kreuzherren  genannt,  eine  Zeit  lang  den  Gottesdienst  in  der 
Kirche  zu  Schevenhütte  versehen  hatten,  wurde  im  Jahre  1678  als  zweiter 
Beneficiat  nach  Schevenhütte  berufen 

Johann  Peter  Schmitz  (1678—1699  als  Beneficiat). 

Als  solcher  wurde  er  im  Jahre  1678  vom  Pfarrer  Frings  von  Gresse- 
nich  eingeführt,  obwohl  das  Beneficium  damals  mangels  der  förmlichen 
Resignation  des  Werner  Gross  nicht  unbestritten  erledigt  und  Gross  vor- 
läufig noch  ohne  anderweitige  Anstellung  gewesen  zu  sein  scheint.  Peter 
Schmitz  versah  jedoch  sein  Amt  ohne  jede  Störung  12  Jahre  hindurch, 
bis  im  Monate  Dezember  1690  der  alte  Wehrmeister  starb.  Zu  dessen 
Lebzeiten  schon  scheinen  Differenzen  in  Betreff  des  Patronates  entstanden 
zu  sein,  da  sich  derselbe  einige  Monate  vor  seinem  Tode  das  Patronats- 
recht  dui'ch  ein  Schriftstück  vom  21.  August  1690  zu  sichern  sucht.  Das- 
selbe lautet:  „Ich  Theodorus  de  Leers  des  hohen  gewäldiss  und  wildban- 
nischen  gerichts  Im  Hertzogthum  Gülich  zeitlicher  wehrmeister  thue  kund, 
zeuge  und  bekenne  öfifendlich  vor  Jedermänniglichen,  wass  gestalt  die 
Kirch  uff  der  Hütten,  Hertzogthumbss  Gülich  wie  kundbahr  durch  mich 
und  meine  seelige  Haussfrau  Annen  Richraond  von  Bergheim  auss  dem 
grundt  auferbawet  gantz  und  zumahlen  privative  und  allein  fundirt  mit 
allem  Kirchen  ahn-  und  zubehor  versehen,  auch  zum  priesterlichen  ünder- 
halt  mit  guldrhenten  und  anders  lauth  der  fundation  Ehrlich  dotirt  worden 
ist,  ich  Ein  und  alleinig  legitimus,  verus  et  independens  Collator  und 
patronus  laicus  nemine  contradicente  hierüber  zu  sein  pleno  et  piano  iure 
Erkendt  worden.  Zu  mehrer  Glaubwürdigkeit  diesses  und  der  Sachen 
habe  diesses  eygenhändig  underschrieben  und  mit  meinem  gewöhnlichem 
Pittschaft  befestigt,  geschehen  Deuren,  ahm  21.  August  1690.  (L.  S.) 
gez:  Dieth.  v.  Leers.  Quod  haec  ex  originali  desumpta  clausula  concemens 
originali  consona  sit,  attestor  ego  Philippus  Bernardus  Reitz,  notarius 
mpr."  Diese  Streitigkeiten  kamen  aber  zum  vollen  Ausbniche  zwischen 
seinem  Erbnachfolger  und  Neffen  Johann  Philipp  von  Leers  zu  Loersfeldt 
einerseits  und  dem  Beneficiaten  Peter  Schmitz  anderseits  im  Jahre  1691,  so 
dass  Ersterer  dem  Beneficiaten  einen  Teil  seiner  Einkünfte  vorzuenthalten 
versuchte,  da  Letzterer  ihm  unter  Anderm  den  Vorwurf  machte,  er  habe 
einen  Betrag  von  19  Reichsthaler  dem  Beneficium  „abzwacken"  wollen. 
Desgleichen  machte  Phil,  von  Leers  den  Versuch,  einen  Johann  Schramm 
auf  das  Beneficium  zu  präsentieren,  jedoch  erst  gegen  Mitte  des  Jahres 
1692,  indem  er  zur  Begi'ündung  und  Rechtfertigung  dafür  angab:  da 
Werner  Gross  das  Beneficium,  ohne  zu  resignieren  oder  ein  anderes  Beneficium 
zu  erhalten,  verlassen  habe,  so  sei  Peter  Schmitz  nur  als  zeitweiliger  Deser- 
vitor  oder  Verwalter  des  Beneficiums  von  seinem  Oheime  vorgeschlagen 
und  mit  den  kirchlichen   Funktionen  beauftragt  worden,  auch  könne  er 


—  5  — 

kein  Aktenstück  ttber  seine  Präsentation  und  Anstellung  als  Beneficiat 
vorzeigen.  Peter  Schmitz  gab  dagegen  die  Erklärung  ab,  er  könne  bloss 
aus  dem  Grunde  seine  CoUationsurkunde  nicht  vorlegen,  weil  ihm  dieselbe 
bei  der  Einäscherung  Lendersdorfs  verbrannt  sei,  der  Fundator  Theodor 
von  Leers  habe  das  Patronatsrecht  gar  nicht  besessen,  weil  derselbe  das 
fragliche  Beneficium  nicht  allein  fundiert  habe,  sondern  die  Gemeinde 
Schevenhütte  habe  die  Kirche  gebaut  und  der  Kurfürst  die  Morgen  Gehölz, 
welche  die  Gemeinde  zu  nutzbringenden  Wiesen  gemacht  habe,  geschenkt; 
auch  habe  sein  Oheim  Theodor  von  Leera  eine  Messstiftung  hinzugefügt; 
er  sei  übrigens  vom  alten  Wehrmeister  präsentiert  und  vom  Pfarrer  von 
Gressenich  im  Jahre  1678  eingeführt  worden;  die  Patres  von  Schwarzen- 
broich  hätten  das  Beneficium  nur  eine  kurze  Zeit  lang  (1677 — 1678)  ver- 
waltet, bis  man  nämlich  erfahren  hätte,  dass  Gross  eine  Pfarrstelle  bei  Speyer 
erhalten  habe;  dass  seine  Einführung  durch  den  Pfarrer  von  Gressenich 
im  Jahre  1691  nochmals  stattgeftinden  habe,  sei  nur  vorsichtshalber 
geschehen;  wäre  er  nicht  als  wirklicher  Beneficiat  angestellt  worden,  so 
würde  er  sein  bisheriges  Beneficium  unter  keinen  Umständen  verlassen 
haben  und  das  um  so  weniger,  als  er  seine  sehr  alte  Mutter  mit  zu  unter- 
halten habe  und  zudem  ohne  Privatvermögen  sei.  Die  Dauer  dieser 
Streitigkeiten  kann  nicht  ermittelt  werden,  jedoch  blieb  P.  Schmitz  in 
seiner  Stellung  und  starb  in  Schevenhütte  im  Jahre  1711. 

2.  Schevenhütte  als  Pfarre  seit  1699. 

Am  6.  Dezember  1699  wurde  Schevenhütte  unter  seinem  bisherigen 
Beneficiaten  P.  Schmitz  vom  Kölner  Erzbischofe  Joseph  Clemens  zur  Pfarre 
erhoben.    In  Folge  dessen  fungierte 

Johann  Peter  Schmitz  (1699—1711) 

weiter  als  erster  Pfarrer.  Die  Pfarrerhebungsurkunde  spricht  zunächst 
die  Dismembration  der  Orte  Schevenhütte,  Joaswerk  und  Bend  aus  dem 
Pfarrverbande  von  Lendersdorf  und  Gressenich  aus  und  erhebt  dieselben 
dann  zu  einer  selbständigen  Pfarre  unter  dem  Namen  Schevenhütte,  führt 
dann  die  Einkünfte  des  Beneficiums,  das  Haus  nebst  Stiftungen  und  Stol- 
gebühren, welche  letztere  seitens  der  Gemeinde  in  einem  beigefügten 
Schi'iftstücke  vom  22.  März  1699  genau  fixiert  sind,  als  Einkünfte  des 
Pfarrers  auf,  der  nunmehr  ausser  den  Verpflichtungen  des  Beneficiums  auch 
die  pfarramtlichen  Obliegenheiten  zu  erfüllen  hatte.  Gleich  nach  der 
Pfarrerhebung,  nämlich  im  Jahre  1700,  Hess  Schmitz  den  Taufstein  anfertigen, 
der  noch  heute  benutzt  wird.    Ihm  folgte  als  zweiter  Pfarrer 

Werner  Herper  (1711—1733). 

Derselbe  verrichtete  zuerst  12  Jahre  lang  die  pfarramtlichen  Funktionen 
und  stellte  dieselben  dann  aus  unbekannten  Gründen  plötzlich  ein,  behauptend, 
er  sei  nicht  Pfarrer,   sondern  einfacher   Beneficiat  (beneficiatus   simplex). 


—  6  — 

Von  der  Gemeinde  Schevenhütte  und  dem  Pfarrer  in  Gressenich  beim 
Dechanten  Andreas  Holtz  in  Rödingen  dieserhalb  verklagt,  wurde  er  von 
diesem  darüber  am  26.  März  1725  zur  Verantwortung  gezogen.  Aber 
vergebens  stützte  er  sich  bei  seiner  Rechtfertigung  auf  ein  Schriftstück 
des  General  Vikars  de  Reux  zu  Köln  vom  12.  September  1724,  worin  er 
beneficiatus  simplex  genannt  wird;  denn  bereits  am  30.  März  1725  wurde 
ihm  unter  Androhung  der  kirchlichen  Suspension  aufgetragen  die  pfarr- 
amtliche Seelsorge  wieder  aufzunehmen,  widrigenfalls  ein  anderer  Geist- 
licher auf  seine  Kosten  mit  seiner  Vertretung  beauftragt  würde.  Gegen 
dieses  Dekret  des  Dechanten  legte  W.  Herper  beim  geistlichen  Gerichte 
in  Köln  Berufung  ein  und  Hess  seine  Gegengründe  durch  seinen  Anwalt 
Hoening  daselbst  vorbringen :  Unter  Anderm,  er  sei  als  einfacher  Beneficiat 
durch  Philipp  von  Lees  zu  Loersfeldt  präsentiert  worden  ohne  jede  Ver- 
pflichtung zur  Pfarrseelsorge  (quod  teste  dicto  adiuncto  clericus  sie  praesen- 
tatus  institutus  ad  nihil  aliud  teneatur,  quam  ut  singulis  dominicis  ac 
festivis  diebus  ....  sacrum  missae  sacrificium  peragere  debeat  .  .  .  ., 
quod  iisdem  diebus  in  dicta  capella  beneficiatus  brevem  exhortatiunculara 
faceret,  pro  animabus  dictorum  fundatorum  .  .  .  orare  ac  etiam  dominicis 
diebus  iuventutem  in  fide  catholica  instruere  obligeturj  und  wenn  er  die 
Pfarrseelsorge  eine  Zeit  lang  ausgeübt  habe,  so  habe  er  das  nur  auf  Ver- 
anlassung des  Pfarrers  zu  Gressenich  aus  freien  Stücken  gethan;  aus  der 
Vorladung  des  Dechanten  Holtz  vom  26.  März  1725  habe  er  erst  erfahren, 
dass  die  Kirche  zu  Schevenhütte  eine  Pfarrkirche  sein  solle;  zudem 
sei  die  Ausscheidung  der  Gemeinde  Schevenhütte  aus  den  Pfarreien  Lenders- 
dorf  und  Gressenich  widerrechtlich  geschehen,  ohne  den  Patronus  darüber 
zu  hören,  gegen  Wissen  und  Willen  des  Pfarrers  von  Gressenich  und  auf 
unrichtige  Angaben  hin,  auch  sei  für  die  Unterhaltung  der  Kirche  und 
des  Geistlichen  nur  ungenügend  gesorgt,  seine  Wohnung  beßlnde  sich  ebenso 
weit  von  Schevenhütte,  als  von  Gressenich,  die  Einwohner  von  Scheven- 
hütte hätten  stets  den  Pfarrer  in  Gressenich  als  ihren  Seelsorger  betrachtet, 
hätten  dort  die  hl.  Sakramente  empfangen  und  bis  vor  wenigen  Jahren 
ihre  Verstorbenen  beerdigt.  Nach  den  vorhandenen  Abschriften  der  Prozess- 
akten gewann  W.  Herper  diesen  Prozess  am  geistlichen  Gerichte  zu  Köln 
durch  Entscheidung  vom  8.  Mai  1725,  aber  nebenbei  blieb  Schevenhütte 
auch  unter  den  unmittelbaren  Nachfolgern  des  W.  Herper  zugleich  Pfarre. 
Herper   starb    Ende  Januar   1733. 

Nicht  lange  nach  Beendigung  des  Prozesses,  nämlich  am  8.  März 
1727,  stifteten  die  Eheleute  Heinrich  Wingen  und  Petronella  Rös- 
seler, sowie  der  Geistliche  Joh.  Wilhelm  Rösseler,  Bruder  der  Letz- 
tern, an  der  Kirche  zu  Schevenhütte  ein  zweites  Beneflcium  zu  Ehren 
der  allerseligsten  Jungfrau  Maria  (Beneflcium  simplex  perpetuum  sub 
invocatione  B.  M.  V.).  Die  Verpflichtungen  des  Beneflciaten  sind  fol- 
gende: 1.  Soll  der  Beneficiat  an  allen  Sonn-  und  Feiertagen  die  Früh- 
messe   für  die    Stifter    halten,    nach   ihrem    Tode    aber    für    ihre,  ihrer 


—  7  — 

Eltern  und  Anverwandten  Seelenruhe,  ferner  eine  Lesemesse  alljährlich 
am  Sterbetage  jedes  der  drei  Stifter;  2.  nach  einer  notariell  beglaubigten 
Erklärung  mehrerer  Erbnachfolger  oder  Verwandten  der  Stifter  vom 
9.  Januar  1750  hat  der  Beneficiat  zudem  infolge  eines  jetzt  verloren 
gegangenen  Codicills  zu  obiger  Stiftung  noch  alle  Monate  eine  Lesemesse 
für  die  Stifter  und  im  Monate  Juni  noch  eine  Lesemesse  für  Joh.  Wilhelm 
Eösseler  zu  halten.  Die  Revenuen  sind  folgende:  1.  Nach  der  Stiftungs- 
urkunde a)  von  Heinrich  Wingen  und  Petronella  Eösseler:  eine  Fahr- 
rente taxiert  zu  22  Reichsthaler  und  an  Zinsen  18  Reichsthaler;  b)  von  Joh. 
Wilhelm  Rösseler  20  Reichsthaler  Zinsen,  demnach  zusammen  60  Reichs- 
thaler; 2.  nach  der  obigen  notariellen  Erklärung  vom  9.  Januar  1750  wurden 
die  vorstehenden  Revenuen  entsprechend  den  vermehrten  Verpflichtungen 
bis  auf  82  Reichsthaler  erhöht,  zu  welchem  Betrage  a)  Joh.  Wilhelm 
Rösseler  20  Reichsthaler  und  die  Eheleute  Heinrich  Wingen  und  Petronella 
Rösseler  62  Reichsthaler  Revenuen  in  Kapitalien  und  der  genannten  Fahr- 
rente gestiftet  haben.  Joh.  Wilhelm  Rösseler  war  ein  kränklicher,  resig- 
nierter Geistlicher  und,  wie  schon  bemerkt,  ein  Bruder  der  Petronella 
Rösseler,  bei  der  er  wahrscheinlich  Wohnung  genommen  hatte.  Die  Fahr- 
rente von  4^2  Malter  Roggen  und  4^2  Malter  Hafer,  welche  alljährlich 
Abends  vor  Allerheiligentag  auf  dem  Hause  Gürzenich  bei  Düren  abgeholt 
wurde,  ging  am  29.  August  1839  durch  gerichtliches  Urteil  verloren;  die 
zugehörigen  Prozessakten  befinden  sich  im  Kirchenarchiv.  Die  Besitzer 
der  belasteten  Grundstücke,  nämlich  die  Erben  von  Schellart,  weigerten 
sich  die  Rente  fernerhin  abzuliefern  und  auch  einen  Titel  zu  stellen;  sie 
verloren  zuerst  gegen  die  klagende  Kirche  den  Prozess  am  königlichen 
Landgerichte  zu  Aachen  am  30.  Juni  1836,  gewannen  ihn  jedoch  später 
am  rheinischen  Apellationsgerichtshofe  zu  Köln  durch  Urteil  vom  29.  August 
1839.  Ferner  gingen  seit  1803  verloren  254  Thaler  oder  762  Mark  vom 
Stiftungskapitale,  welche  bei  Joseph  OfFermanns  hierselbst  standen.  Die 
Niederschlagungsordre  des  Erzbischöflichen  Generalvikariats  zu  Köln  erfolgte 
am  9.  Juli  1839  und  seitens  des  Landratsamtes  zu  Aachen  am  13.  Dezember 
1839.  Die  Stiftung  dieses  Beneficiums  sowie  die  Präsentation  des  ersten 
Beneficiaten  Johann  Peter  Crumbach,  welcher  nebst  seinen  Nachfolgern 
die  genannten  heil.  Messen  an  dem  im  Jahre  1700  von  Heinrich  Wingen 
und  Petronella  Rösseler  geschenkten  Altare  in  honorem  B.  M.  V.  et  s. 
Joseph  zu  halten  hatte,  waren  vom  Erzbischöflichen  Generalvikar  Johann 
Arnold  de  Reux  am  6.  Mai  1727  anerkannt  und  genehmigt  worden.  Der 
dritte  Pfarrer  war 

Johann  Abel  Maassen  (1733 — 1742). 

Er  kam  nach  Schevenhätte  im  Monate  Dezember  1733  und  wurde 
im  Jahre  1742  zum  Pfarrer  in  Lövenich  ernannt.  Aus  Unvorsichtigkeit 
entstand  unter  ihm  am  21.  April  1738  im  Orte  ein  bedeutendes  Brand- 
unglttck,   bei  welchem  9  Häuser  eingeäschert,  während   die   Kirche   und 


—  8  — 

9  andere  Grebäude  vom  Feuer  gleichfalls  ergriffen  und  beschädigt, 
jedoch  durch  thatkräftige  Hülfeleistung  der  Einwohner  der  umliegen- 
den Ortschaften  Gressenich,  Rott,  Ellen,  Hamich  und  des  Klosters 
Schwarzenbroich  vor  der  gänzlichen  Zerstönmg  bewahrt  wurden.  In  dem- 
•  selben  Jahre  liess  Pfarrer  Maassen  vom  20.  bis  80.  Juli  eine  Volksraission 
durch  die  Jesuitenpatres  Kellershofen,  Hermanns  und  Wilhelmi  halten. 
Die  Hauptbesitzer  der  damaligen  Eisenhüttenwerke  hierselbst,  nämlich  die 
Eheleute  Heinrich  Wingen  und  Petronella  Rösseler,  schenkten  und  errichteten 
bei  dieser  Gelegenheit  das  aus  Schmiedeeisen  hergestellte  Missionskreuz, 
welches  auf  einem  eisernen  Schildchen  in  der  Mitte  des  Hauptbalkens  die 
heute  noch  eben  lesbaren  Zeichen  „H.  W.  P.  R.  1738**  trägt.  Dieses  alte 
Missionskreuz  stand  bis  zum  Jahre  1891  fast  hinter  der  Chorapsis  der 
alten  Kirche  zwischen  zwei  Lindenbäumen,  nach  dem  Abbruche  derselben 
aber,  also  seit  Oktober  1891,  befindet  es  sich  ungefähr  inmitten  der  Stelle 
worauf  dieselbe  gestanden,  also  vor  dem  Hauptportale  der  neuen  Pfarr- 
kirche, zu  der  die  alte  quer  lag  mit  dem  Chore  nach  Südosten, 

Durch  Testament  vom  22.  Oktober  1738  vermachten  dieselben  kinder- 
losen Eheleute  H.  Wingen  und  P.  Rösseler,  welche  in  dem  kurz  neben  der 
neuen  Pfarrkirche  gelegenen  und  von  ihnen  im  Jahre  1697  erbauten  Hause 
„Gttlich**  wohnten,  ihre  sämtlichen  Häuser,  Mobilien  und  Grundstücke  ihren 
Verwandten,  gedenken  dabei  aber  auch  der  hiesigen  Pfarrkirche,  indem 
sie  unter  pos.  7  des  genannten  Testaments  200  Reichsthaler  zur  beständigen 
Beleuchtung  des  Allerheiligsten  Sakramentes  hergeben.  Es  heisst  daselbst; 
„Vermachen  und  assigniren  wir  Eheleu th  obgemelt  hiessiger  pfarkirchen 
zur  beständiger  beleuchtung  des  Hochwürdigsten  sacramentes  vor  Oel 
zweyhundert  rthlr.  in  capitali,  so  bey  Gerarden  Lamertz  gegen  ländliches 

interesse  ad  5  rthlr.  pro  cento   aussstehen  thun Alsso  geschehen 

auf  scheiwenhtttt  in  unsserer  wohnbehaussung  d.  22.  S^"^  Ein  Tausend 
siebenhundert  dreyssig  undt  acht,  gez:  Heindrich  Weingen,  Petronella 
Rösseler."  Dieses  Stiftungskapital  scheint  später  in  das  Eigentum  der 
Kirche  fibergegangen  zu  sein,  weshalb  dieselbe  auch  jetzt  den  Ölbedarf 
für  die  Chorlampe  aus  ihren  eigenen  Einkünfte  beschafft.  Der  folgende 
Pfarrer  liiess 

Michael  Heymanns  (1742 — 1775). 

Während  seiner  Wirksamkeit  kamen  die  Eheleute  Johann  Rubens, 
wohnhaft  in  den  von  den  Eltern  der  Frau  Rubens,  nämlich  Johann  Schieren 
und  Anna  Scholl,  im  obern,  südlichen  Teile  des  Ortes  errichteten  baulichen 
Anlagen,  der  jetzigen  Mahlmühle,  bei  der  Erzbischöflichen  Behörde  zu  Köln 
in  einer  Bittschrift  vom  12.  Juli  1748  um  die  Genehmigung  ein,  in  einer  inner- 
halb ihrer  Wohnung  hergerichteten  Hauskapelle,  von  dem  Kaplan  Klee  zu 
Gressenich,  der  ihren  Kindern  als  Hauslehrer  Unterricht  erteilte,  an  den 
Wochentagen  das  hl.  Messopfer  darbringen  lassen  zu  dürfen.  Diese  Bittschrift 
wurde  dem  Pfarrer  Heymanns  durch  den  Geistlichen  Klee  am  22.  Juli  zur 


—  9  — 

Befürwortung  und  Einsendung  überreicht.  Allein  PfaiTer  Heymanns  wider- 
legte das  Gesuch  als  gänzlich  unbegründet,  indem  er  u.  A.  ausführte,  Klee 
könne  gegen  eine  billige  Entschädigung  an  die  Kirche  und  den  Küster  in 
der  nahe  gelegenen  Pfarrkirche  celebrieren,  er  verlange  von  den  Bittstellern 
Rubens  nur  jährlich  dafür  1  Reichsthaler  für  die  Kirche  und  V2  Reichs- 
thaler für  den  Küster,  welcher  billigen  Forderung  sich  dieselben  jedoch 
nicht  fügen  wollten;  auch  die  angeführte  Begründung,  dass  ihren  Kindern 
der  Besuch  der  Pfarrkirche  wegen  oftmaliger  Überschwemmung  des  Baches 
lebensgefahrlich  werden  könnte,  sei  nicht  stichhaltig,  weil  derartig  gefähr- 
liche Überschwemmungen  nicht  vorkämen  und  ihre  Kinder  zudem  öfters 
tagsüber  ohne  Begleitung  ins  Dorf  gingen,  auch  könnte  man  noch  auf  einem 
andern  Wege,  nämlich  „über  das  Gräfe  feldt",  zur  Kirche  gelangen,  wo 
keine  Wassei-sgefahr  zu  befürchten  stände,  es  mfisste  denn  eine  zweite 
Sündflut  entstehen;  zudem  stehe  Johann  Rubens  sowie  auch  sein  Schwieger- 
vater Johann  Schieren  der  Kirche  keineswegs  wohlwollend  gegenüber,  Johann 
Schieren  wie  auch  seine  beiden  Schwiegersöhne  behaupteten,  die  Kirche 
schulde  ihnen  52  Reichsthaler  und  benutzten  auf  diese  grundlose  Behaup- 
tung hin  2V2  Morgen  Kirchenwiese  ohne  jede  Vergütung,  auch  habe  die 
Gattin  des  nunmehr  verstorbenen  Johann  Schieren,  nämlich  Anna  Scholl, 
vier  Quatember-Anniversarien  gestiftet,  jedoch  weigerten  sich  die  beiden 
Schwiegersöhne  die  jährlichen  Zinsen  des  dafür  bestimmten  Kapitals 
von  100  Reichsthalern  zu  zahlen,  dieselben  verhinderten  auch  eine  not- 
wendige Reparatur  der  Kirchhofsmauer,  nun  habe  gerade  ihr  Schwieger- 
vater Johann  Schieren  auf  sein  Betreiben  die  Pfarrerhebung  in  Düsseldorf 
und  Köln  durchgesetzt,  wobei  die  Gemeinde  sich  zur  reichlichen  Beschaffung 
der  kirchlichen  Bedürfnisse  verpflichten  musste,  was  allerdings  nicht  ge- 
schehe, wozu  sie  aber  gerichtlich  angehalten  werden  könnten  u.  s.  w. 
Auf  diesen  Bericht  hin  scheint  das  obige  Gesuch  ohne  Erfolg  geblieben 
zu  sein. 

Unter  ihm  wurde  ferner  die  jetzt  noch  gebrauchte  kleine  Glocke  an- 
geschafft, welche  vom  Glockengiesser  Chaudoir  im  Jahre  1761  gegossen 
wurde.  Dieselbe  ist  von  sehr  schönem  Gusse  und  trägt  als  Inschrift  auf 
der  einen  Seite  das  Chronogramm: 

SanCta  VrsVLa  InterCeDe  pro  Me 

(1761,  Jahr  der  Anschafi^ung) 

et  sanCte  patrone  noster  MaLa  DepreCare 

(1750  =  SOjähriges  Pfarrjubiläum)  und  auf  der  anderen  Seite  die  Worte: 

Chaudoir  f.(ecit)  1761. 

Seit  dem  Jahre  1760  waren  dem  Pfarrer  die  Zinsen  des  vom  Stifter 
des  Beneficiums  ad  ss.  Trinitatem,  Wehrmeister  Theodor  von  Leers,  her- 
rührenden, auf  der  Forstmeisterei  zu  Montjoie  stehenden  Kapitals  vorent- 
halten worden,  weshalb  der  Herzog  Karl  Theodor  durch  den  Grafen  von 
Goldstein  die  Verordnung,  datiert  Düsseldorf,  den  9.  Januar  1768,  erliess, 


—  10  — 

dass  dem  Pfarrer  sowohl  die  rückständigen  als  auch  die  in  Zukunft  ver- 
fallenden Zinsen  mit  5  Prozent  auszuzahlen  seien.  Nach  23jähriger  segens- 
reicher Wirksamkeit  starb  Pfarrer  Heymanns  in  Schevenhütte  am  10.  April 
1775.    Ihm  folgte  als  4.  Pfarrer 

Peter  Gillessen  (1775—1805). 

Derselbe  war  geboren  zu  Breinig  bei  Stolberg  am  21.  Juli  1735  und 
starb  zu  Schevenhütte  am  13.  Januar  1805.  Kurz  nach  seiner  Ernennung- 
beschloss  die  Gemeinde,  da  die  bisherige  im  Jahre  1668  vom  Herzog-e 
Philipp  Wilhelm  von  Jülich  erbaute  und  bei  Gressenich  gelegene  Beneflcial- 
Wohnung  so  hinfällig  geworden  war,  dass  schon  sein  Vorgänger  dieselbe 
in  den  letzten  Jahren  nicht  mehr  bewohnen  konnte,  unterm  15.  Dezember 
1775,  das  unmittelbar  neben  der  alten  Pfarrkirche  gelegene  Wohnhaus  von 
dem  Riethmeister  Arnold  Offermanns  als  Pfarrhaus  anzukaufen.  Dasselbe 
war  für  250  Reichsthaler  käuflich  und  sollten  zur  Bezahlung  des  Kaufpreises 
die  vom  verstorbenen  Pfarrer  Heymanns  noch  schuldigen  45  Reichsthaler 
und  55  Reichsthaler  rückständige  Zinsen  des  „Bierzapfers**  Jakob  Stiel 
aus  der  Ölstiftung,  sowie  100  Reichsthaler,  die  durch  Kultussteuer-Ümlagen 
von  der  Gemeinde  aufzubringen  seien,  verwendet  werden.  Der  Rest  von 
50  Reichsthalern  sollte  auf  der  Pfarrwohnung  lasten  bleiben,  wofür  der 
Pfarrer  und  seine  Nachfolger  jährlich  zwei  Anniversarien  zu  seinen  Lasten 
halten  sollte,  das  eine  für  Arnold  Offermanns  und  Christina  Crumbach  und 
das  andere  für  Marzellus  Offermanns.  Nach  einer  bei  der  Stiftungs-Urkunde 
Nr.  9  (Stiftung  Arnold  Offermanns  und  Chiistina  Crumbach)  beigehefteten 
Abrechnung  des  Kirchenrendanten  Tilmann  Joseph  Esser  hat  jedoch  später 
die  Gemeinde  die  Restschuld  von  50  Reichsthalern  übernommen,  die  Reve- 
nuen dem  Geistlichen  alljährlich  ausgezahlt  und  nachher  das  Kapital  (50 
Reichsthaler)  in  zwei  Zahlungsterminen  am  11.  Mai  1830  und  am  17.  März 
1831  nebst  andern  schuldigen  Geldern  in  die  Kirchenkasse  eingezahlt,  so 
dass  von  da  ab  die  Kirche  zur  Zahlung  der  Revenuen  an  den  Geistlichen 
verpflichtet  ist.  Am  3.  Januar  1776  genehmigte  der  Kurfürst  und  Herzog 
Karl  Theodor  diesen  Antrag  der  Gemeinde  mit  der  Bestimmung,  dass  die 
alte  Beneficialwohnung  zu  Gunsten  der  Kirche  verkauft  werden  sollte. 
In  einer  Eingabe  vom  24.  Februar  1776  remonstrierte  jedoch  Pfarrer 
Gillessen  gegen  diese  Verordnung  des  Herzogs,  betreffend  den  Verkauf  der 
alten  Wohnung  nebst  Garten  und  die  Überführung  des  Erlöses  in  die  Kirchen- 
kasse und  bittet,  das  Haus  mit  Zubehör  zu  Gunsten  des  Beneficiums  zu 
belassen,  da  es  zu  den  Einkünften  dieser  Stiftung  gehöre,  indem  er  unter 
Anderem  ausführte:  „Die  Gemeinde  zur  Scheivenhütten  hat  nachher  mittels 
Zusatz  einiger  Rhenten  einen  zeitlichen  beneficiaten  ad  curam  pastoralem 
beliebet,  diesem  Beispiel  bin  ich  und  vor  mir  die  seitherige  beneficiaten 
gefolget;  eine  dismembratio  aut  suppressio  istius  beneficii  ist  aber  nie 
geschehen  und  da  also  das  beneficium  für  sich  bestehet,  so  ist  es  ein 
unbedenklicher  Satz,  quod  contra  primaevam  fundationem  dies  Hauss  mit 


—  11  — 

Zubehör  ad  alium  finem  nicht  verwendet  werden  möge/  Ueber  den  Erfolg 
dieser  Bitte  geben  die  hiesigen  Urkunden  keinen  Aufschluss,  jedoch 
befindet  sich  das  Haus  nebst  Garten  jetzt  in  fremden  Händen  und  wird 
nach  vorgenommener  Restauration  desselben  noch  heute  von  einer  Familie 
bewohnt.  Von  der  ursprünglichen  Wohnung  sind  nur  noch  die  Parterre- 
Räume  vorhanden,  auf  welche  später  eme  neue  Etage  *  aufgebaut  wurde. 

Gegen  Ende  seines  Lebens  traf  den  68jährigen  Pfarrer  noch  ein 
von  ihm  beklagtes,  schweres  Leid,  nämlich  die  projektirte  Einpfarrung 
von  Schevenhütte  in  die  neu  zu  errichtende  Pfarre  Wenau.  Nachdem 
nämlich  durch  die  päpstliche  Bulle  vom  29.  November  1801  ein  neues 
Bistum  Aachen  errichtet  worden  war,  welches  den  ganzen  linksrheinischen 
Teil  der  früheren  Erzdiözese  Köln  und  einige  Teile  der  benachbarten 
Diözesen  Trier,  Lüttich  und  Roermond  umfasste  und  der  erste  Bischof 
Marcus  Antonius  Berdolet  am  25.  Juli  1802  in  Aachen  eingezogen  war, 
erliess  derselbe  am  1.  März  1804  ein  allgemeines  Dekret  über  die  projektierte 
neue  Einteilung  der  Pfarreien  in  79  Kantonal-  und  754  Succursalpfarreien. 
Der  Entwurf  für  die  neue  Circumskription  der  einzelnen  Pfarreien  wurde 
vom  Bischöfe  dem  Dechanten  des  Kantons  Eschweiler,  Pfarrer  Vogel  zu 
Eschweiler,  zur  Begutachtung  vorgelegt.  Darnach  sollte  Schevenhütte  in 
die  neu  zu  enichtende  Pfarre  Wenau  eingepfarrt  werden.  Gegen  diese 
neue  Einteilung  erhob  sich  ein  Sturm  von  Petitionen.  Auch  Pfarrer 
Gillessen  petitionierte  dagegen  und  bat,  ihn  doch  bei  seiner  Heerde  zu 
belassen,  die  er  seit  28  Jahren  nach  Kräften  und  ohne  jeden  Tadel  geführt 
habe,  indem  er  unter  Anderm  zur  Begründung  anführt,  dass  Wenau  im 
Walde  liege,  die  Wege  (stellenweise  morastige  Fusspfade,  die  sich  teils 
durch  Wiesen,  teils  durch  Wald  und  Gestrüpp  schlängelten  und  den  Bach 
entlang  führten)  dorthin  rauh  und  weit  seien,  dass  man  dreimal  den  Bach 
überschreiten  müsse  und  es  fast  unausfithrbar  sei,  bei  Tag  oder  Nacht 
die  Kranken  zu  versehen,  die  Täuflinge  und  die  Verstorbenen  dorthin  zu 
bringen.  Diese  Petition  wurde  dem  Bischöfe  durch  den  Apostolischen 
Notar  Konrads  überreicht,  blieb  jedoch  vorläufig  erfolglos.  Die  Begründung 
derselben  erschien  dem  Berichterstatter  und  Dechanten  Vogel  so  stichhaltig 
und  schwerwiegend,  dass  er  an  einem  günstigen  Erfolge  nicht  zweifelte. 
Er  schreibt  darüber:  „Wird  sie  aber  nicht  berücksichtigt,  dann  wird  der 
neue  Pastor  von  Wenau  wenig  Freude  an  dieser  Gemeinde  haben.  Mit 
ihrem  dermaligen  Geistlichen  ist  Schevenhütte  zufrieden;  derselbe  kennt 
die  Gemeinde  seit  vielen  Jahren  und  weiss  sich  so  klug  zu  benehmen, 
dass  er  Ruhe  behält. **  Darüber  starb  der  alte  Pfarrer  kurz  nachher  in 
Schevenhütte  bereits  am  23.  Januar  1805,  als  die  Verhältnisse  der  neuen 
Pfarre  Wenau  noch  nicht  geordnet  waren;  denn  der  erste  Pfarrer  war 
noch  nicht  ernannt,  als  welcher  erst  am  24.  Juni  1805  Arnold  Mainz  ein- 
geführt wurde.  Vorläufig  hatte  also  Schevenhütte  seine  Selbständigkeit 
als  Pfarre  verloren.  Damm  folgte  nach  dem  Tode  des  Pfarrers  Gillessen 
in  demselben  Jahre  nicht  als  Pfarrer,  sondern  als  Deservitor 


—  12  — 

Johann  Franz  Spöltgen  (1805— 1811). 

Unter  ihm  reisten  am  25.  Januar  1808  der  Orts  Vorsteher  und  Kirchen- 
rendant  Tilmann  Joseph  Esser  und  der  Küster  Christian  Scholl  nach  Aachen 
und  überreichten  dem  Bischöfe  nochmals  eine  Bittschrift  um  Erhaltung 
der  Pfarre,  wofür  sie  laut  Kirchenrechnung  ihre  Auslagen  mit  12  Reichs- 
thalern  vergütet  erhalten.  Daraufhin  erzielte  endlich  Schevenhütte  den 
langersehnten  Erfolg;  es  wui'de  wieder  selbständige  Pfarre.  Spöltgen 
blieb  bis  zum  Jahre  1811,  wurde  dann  als  Vikar  nach  Schlich  versetzt 
und  versah  dort  zugleich  das  Amt  eines  Rentmeisters  beim  Grafen  von 
Merode.    Ihm  folgte 

Baltasar  Berkes  (1811—1812) 

aus  Breinig,  gewesener  Kapuziner  mit  dem  Klosternamen  P.  Simon,  als 
Pfarrer  eingeführt  am  7.  Juni  1811.  Auf  dem  ersten  Blatte  der  von  ihm 
neu  angelegten  Tauf-,  Sterbe-  und  Copulationsregister  bemerkt  er,  dass 
diese  Register,  welche  staatlich  konfisziert  und  den  Civilstandsbeamten 
überwiesen  worden  waren,  fehlten.  Ihm  wurde  nur  eine  kurze  Zeit  der 
Wirksamkeit  als  Pfarrer  beschieden,  da  er  im  Alter  von  52  Jahren  bei 
der  'Ruckkehr  von  einer  Reise  in  Wen  au  am  Pfarrgarten  den  dunkelen 
Waldweg  am  Abende  des  13.  April  1812  verfehlte  und  in  den  ange- 
schwollenen Bach  stürzte,  worin  man  ihn  andern  Morgens  tot  auffand. 
Er  ist  nicht  das  einzige  Opfer,  welches  in  früherer  Zeit  der  Bach  bei  den 
höchst  mangelhaften,  vom  nahen  Walde  dicht  beschatteten  Fuss wegen  den 
Ufern  entlang  bei  abendlicher  Dunkelheit  und  hohem  Wasserstande,  sogar 
im  Orte  selbst,  gefordert  und  durch  Ertrinken  dem  Leben  gewaltsam  ent- 
rissen hat.    Nach  seinem  beklagenswerten  Tode  erhielt  die  Pfarrstelle 

Johann  Leonard  Donneux  (1812 — 1813) 

aus  Montjoie.    Derselbe  war  zuerst  Vikar  in  seiner  Heimat,    wurde  am 

5.  Mai  1812  vom  Kapitularvikar  Fonk  zu  Aachen  nach  Schevenhütte  ernannt, 
begann  am  28.  Mai  daselbst  die  pfarramtliche  Seelsorge  und  wurde   am 

6.  Juli  desselben  Jahres  vom  Kantonalpfarrer  Bauer  zu  Eschweiler  kirchlich 
in  sein  Amt  eingeführt,  welche  Angaben  in  dem  von  seinem  Vorgänger 
neu  angelegten  Taufregister  von  ihm  mit  eigener  Hand  eingetragen  sind. 
Seine  letzte  Eintragung  in  die  Register  ist  am  4.  Mai  1813  geschehen. 
Kurz  darnach  verliess  er  Schevenhütte  und  soll  in  Holland  gestorben  sein. 
Nach  ihm  wurde  Pfarrer 

Johann  Daniel  Hansen  (1813—1818) 

gebürtig  aus  Burtscheid,  zum  Priesterstande  verholfen  durch  die  Unter- 
stützung des  Amtmannes  und  Kanzleirates  Franzen  zu  Burtscheid.  Er 
amtierte  vom  27.  Juni  1813  bis  zum  5.  April  1818,  an  welchem  Tage  er 
infolge  Versetzung  nach  Olef  bei  Gemünd  in  Schevenhütte  seine  Wirksamkeit 
beendigte.    Zur  damaligen  Zeit  wurde  unter  dem  Ortsvorsteher  Tilmann 


—  13  — 

Joseph  Esser  auf  dem  Pfarreigentum  (Kataster  Flur  V,  Nr.  140)  unmittel- 
bar an  das  Pfarrhaus  anstossend  die  alte  Schule  nebst  Lehrerwohnung 
errichtet,  wozu  die  Königliche  Regierung  100  Thaler  oder  300  Mark  her- 
gab und  die  Gemeinde  die  Hand-  und  Spanndienste  leistete,  welches  Gebäude 
die  Pfarrkirche  später  durch  notariellen  Kaufvertrag  vom  4.  Juli  1886  mit 
Gutheissung  der  geistlichen  und  weltlichen  Behörden  für  den  Preis  von 
400  Mark  und  das  dazu  gehörige  Schulgärtchen  am  Pastroratsgässchen 
(Kataster  Flur  V,  Nr.  146,  gross  1  Ar  94  Quadratmeter)  für  100  Mark 
ankaufte.  Darauf  wurde  das  angekaufte  Schulgebäude  mit  dem  Pfarrhause 
zu  einem  Ganzen  vereinigt.    Ihm  folgte 

Johann  Michael  Scheper  (1818—1829) 

aus  Lechenich  gebürtig.  Seine  Ernennung  datiert  vom  1.  Mai  1818  und 
seine  nachherige  Berufung  auf  die  Pfarrstelle  zu  Derichsweiler  vom  1.  April 
1829.  Als  er  wegen  Schwäche  sein  Amt  nicht  mehr  verwalten  konnte, 
verzog  er  nach  Bessenich  in  der  Pfarre  Ztilpich,  woselbst  er  geisteskrank 
starb.  Er  errichtete  hierselbst  am  1.  Oktober  1820  die  Bruderschaft  von 
Jesus,  Maria  und  Joseph,  welche  noch  heute  besteht. 

Während  der  französischen  Herrschaft  in  den  Rheinlanden  war  das 
Kapital  des  Beneficiums  ad  ss.  Trinitatem  im  Betrage  von  1000  Goldgulden, 
welches  auf  der  Herzogl.  Jülichschen  Forstmeisterei  bezw.  Kellnerei  zu 
Montjoie  stand,  als  Douiinialgut  eingezogen  und  sequestrirt  worden.  Um 
die  Zeit  der  Ernennung  des  Pfarrers  Scheper  nach  Schevenhütte  wurde 
dasselbe  bei  der  General-Liquidations-Kommission  der  Schulden  gegen 
Frankreich  zu  Aachen  vom  Kirchenvorstande  reklamiert;  jedoch  erfolglos, 
allein  auf  nochmalige  Reklamation  als  fromme  Stiftung  wegen  der  darauf 
lastenden  Messen  und  sonstigen  kirchlichen  Funktionen  endlich  im  Jahre 
1885  anerkannt. 

Am  18.  Januar  1824  fasste  Pfarrer  Scheper  und  der  Kirchenvorstand 
mit  Johann  Wilhelm  Schüller  von  Gressenich,  der  sich  als  Grenznachbar 
das  Miteigentumsrecht  an  der  die  Pfarrwiese  gegen  Osten  begrenzenden 
Schutzhecke  anzuzeignen  versucht  hatte,  eine  schriftliche  Erklärung  ab, 
dahin  lautend,  dass  die  Hecke  ganz  auf  dem  Boden  der  Pfarrwiese  stehe 
und  mit  allem  Aufwüchse  Pfarramtseigentum  sei,  weshalb  er  nie  mehr 
Eigentumsrechte  daran  beanspruchen  wolle.  Das  Aktenstück  ist  im  Kirchen- 
archive aufbewahrt.  Ferner  vollendete  Pfarrer  Scheper  am  14.  Dezember 
1826  eine  Materialiensammlung  und  Vorarbeit  zur  Anlegung  eines 
Kirchenlagerbuches,  welches  unter  seinem  Nachfolger  in  zwei  Exemplaren 
angefertigt  und  am  5.  und  12.  Oktober  1833  von  der  Königlichen  Regierung 
zu  Aachen  endgültig  festgestellt  und  genehmigt  wurde.  Nach  seiner  Ver- 
setzung wurde  zum  Pfarrer  ernannt 

Johann  Adam  Lauterborn  (1829—1833) 
aus  Jackerath,  welcher  aber  bereits  am  15.  März  1833   als  Pfarrer  nach 
Gierath  versetzt  wurde  und  nach  23jähriger  Wirksamkeit  als  emeritierter 


—  14  — 

Pfarrer  in  Köln  an  St.  Gereon  und  Ritter  des  rothen  Adlerordens  4.  Klasse 
im  Jahre  1878  starb.  Unter  ihm  wurde  im  Jahre  1832  das  alte  Missale 
mit  Silberbeschlag  angeschafft.    Sein  Nachfolger  war 

Johann  Joseph  Vorage  (1838—1840). 

Als  Wittwer  mit  3  Söhnen  und  2  Töchtern  widmete  er  sich  im  Jahre 
1815  dem  Studium  der  Theologie,  wurde  1825  ordinirt  und  kam  1833  nach 
Schevenhütte,  wirkte  daselbst  bis  zum  Jahre  1840,  worauf  er  zum  Pfarrer 
von  Stetternich  bei  Jülich  ernannt  wurde.  Er  war  geboren  am  10.  Oktober 
1780  zu  Kirchrath  (Holland),  wirkte  vor  seiner  Anstellung  in  Schevenhütte 
als  Kaplan  in  Haaren  und  starb  zu  Stetternich  am  23.  Juli  1856.  Einer 
seiner  Söhne  wurde  Pfarrer  in  Breberen,  ein  anderer  Pfarrer  in  Rösberg 
bei  Bonn.  Durch  Ernennung  des  Letztern  zum  Pfarrer  nach  Welldorf 
ging  einer  seiner  sehnlichsten  Wünsche  in  Erfüllung,  nämlich  einen  seiner 
geistlichen  Söhne  als  Pfarrer  in  seiner  Nähe  zu  haben,  jedoch  soll  seine 
Freude  darüber  ihn  so  sehr  angegriffen  haben,  dass  er  plötzlich  vom 
Schlage  gerührt  starb,  als  er  die  Herüberknnft   seines  Sohnes  erwartete. 

Während  der  ganzen  Zeit  seiner  Wirksamkeit  führte  die  Kirche 
einen  Prozess  wegen  der  zur  zweiten  Frühmessenstiftung  in  honorem 
B.  M.  V.  gehörigen  Fahrrente,  nämlich  vom  Jahre  1833  bis  1839,  welcher 
am  30.  Juni  1836  in  Aachen  gewonnen  wurde,  aber  schliesslich  am  Rhei- 
nischen Appellationsgerichtshofe  in  Köln  am  29.  August  1839  füi'  die 
Kirche  verloren  ging,  obwohl  die  Rente  bis  zum  letztverflossenen  Jahre 
vor  Erhebung  der  Klage  (9.  Januar  1833)  von  den  Erben  der  belasteten 
gräflich  von  Schellartschen  Grundstücke,  gelegen  in  der  Bürgeimeisterei 
Birgel,  Kreis  Düren,  eingeliefert  worden  war.  Die  Erben  weigerten  sich 
auch,  einen  neuen  Titel  zu  stellen.  —  Am  13.  April  1835  kaufte  die 
Gemeinde  laut  Akt  vor  Notar  Vossen  zu  Eschweiler  von  Jakob  Müller  in 
Schevenhütte  einen  Baumgarten  zum  Preise  von  250  Thalern  oder  750  Mark 
an,  der  dem  Pfarrgarten  beigefügt  wurde.    Dann  folgte  als  Pfarrer 

Theodor  Joseph  Siegeler  (1840—1882), 

geboren  zu  Aachen  am  13.  Oktober  1798,  zum  Priester  ordiniert  am  13.  Mai 
1824;  er  fungierte  als  Vikar  in  Gemünd,  Eynatten,  Brachein  und  Weiden 
und  wurde  am  1.  Juni  1840  zum  Pfarrer  von  Schevenhütte  ernannt.  Da- 
selbst feierte  er  am  13.  Mai  1874  sein  50jähriges  Priesterjubiläum  und 
starb  am  10.  Oktober  1882.  Die  Verschönerung  des  Gottesdienstes  und 
der  Kirche  lag  ihm  sehr  am  Herzen.  So  besorgte  er  im  Jahre  1845 
die  Anschaffung  der  neuen  Thurmglocke  mit  der  Inschrift:  „Sub  pastore 
Siegeler  —  in  honorem  B.  M.  V.  et  sti  Josephi  me  —  fecit  anno  1845  — 
J.  B.  Du  Bois.**  Ferner  beschaffte  er  im  Jahre  1853  eine  Orgel  mit  der 
Aufschrift:  „Assidua  cura  Th.  Jos.  Siegeler  et  benefactorum  ope  me  fecit 
Jos.  Kaischeuer  ex  Nörvenich.  Anno  MDCOOLIII.*'  Auf  dem  Nebenorte 
Bend  Hess  er  ein  Kapellchen  in  honorem  s.  Donati  Ep.  Ms.  und  in  der 


—  15  — 

Nähe  des  Dorfes  auf  Gressenich  zu  ein  Kapellchen  in  honorem  B.  M.  V. 
erbauen.  Unter  ihm  ging  die  Pfarrgemeinde  auch  mit  dem  Plane  um, 
eine  neue  Pfarrkirche  zu  errichten,  weil  die  alte  Kirche  wegen  Raum- 
mangels nicht  mehr  hinreichte,  jedoch  wagte  er  es  seines  Alters  wegen  nicht 
mehr,  die  damit  verbundenen  Sorgen  und  Beschwerden  am  sich  zu  nehmen. 
Da  zur  Zeit  seines  Todes  wegen  des  sogen.  Kulturkampfes  und  der  damit 
verbundenen  Behinderung  der  Ausübung  der  bischöflichen  Amtsgewalt  die 
Anstellung  eines  neuen  Pfarrers  nicht  ausführbar  war,  verwaltete  nach 
seinem  Ableben  Hermann  Joseph  Müller,  Kaplan  zu  Mausbach  die  Pfarre, 
während  die  Kapläne  von  Stolberg:  Karl  Schmitz,  Th.  Heuel,  Ant  Höhne 
und  Dr.  Jos.  Sommer  an  den  Sonn-  und  Feiertagen  abwechselnd  die  hl. 
Messe  celebrierten.  Im  Juli  1884  kam  dann  nach  Scbevenhütte  der  am 
11.  Juni  1881  zum  Priester  ordinirte,  aus  Bardenberg  gebürtige 

Joseph  Neilessen  als  Hülfsgeistlicher  (1884—1887). 

Derselbe  war  zunächst  besorgt  für  die  Beschaffung  und  teilweise 
Erneuerung  kirchlicher  Geräte  und  Paramente,  er  beschaffte  ferner  einen 
eisernen  Tabemakeleinsatz,  einen  Kirchenarchiv-  und  Paramentenschrank, 
sowie  im  Jahre  1884  die  Kleinschen  Kreuzwegstationen  und  das  Bild 
Maria  de  succursu  perpetuo,  welches  durch  die  PP.  Redemptoristen  von 
Rom  aus  bezogen  und  mit  den  päpstlichen  Ablässen  versehen,  am  81.  Mai 
1885  feierlich  errichtet  wurde.  Unter  ihm  wurde  vom  6. — 10.  März  1886 
durch  die  Rektoren  Joh.  Sittard  zu  Aachen,  Joh.  Hohlmann  zu  Nieder- 
bardenberg und  Kaplan  Anton  Höhne  zn  Stolberg  eine  Volksmission  abge- 
halten und  bei  dieser  Gelegenheit  das  jetzt  an  der  neuen  Pfarrkirche 
stehende,  hölzerne  Missionskreuz  errichtet. 

Mit  regem  Eifer  bestrebte  er  sich,  das  bereits  unter  Pfarrer  Siegeler 
angeregte  Kirchenbauprojekt  zu  fördern,  zu  dessen  Ausführung  die  Civil- 
gemeinde  15000  Mark  herzugeben  am  5.  Mai  1885  mit  Genehmigung  der 
Königlichen  Regierung  zu  Aachen  vom  29.  Juli  1885, 1,  Nr  14278  beschloss, 
während  eine  Kirchenkollekte  im  Jahre  1886  in  der  Erzdiözese  Köln 
7665  Mark  57  Pfennige  und  eine  Hauökollekte  in  den  Regierungsbezirken 
Aachen  und  Köln  7634  Mark  19  Pennige  ergaben,  so  dass  30300  Mark  ohne 
die  Sammelgelder  in  der  eigenen  Pfarre  sichergestellt  waren.  Ein  vom  Archi- 
tekten P.  Peters  zu  Aachen  ausgearbeiteter  Bauplan  in  einfachem,  frtthgo- 
thischem  Baustile  erforderte  jedoch  zur  Ausführung  gemäss  dem  Kosten- 
anschlage die  Summe  von  34200  Mark.  Derselbe  wurde  mit  einigen  un- 
wesentlichen Abänderungen,  die  jedoch  noch  ungeftlhr  2000  Mark  wegen  der 
verlangten  Verstärkung  des  Mauerwerkes  mehr  erforderten,  von  der  Erz- 
bischöflichen Behörde  zu  Köln  am  10.  April  1886,  Nr.  185  und  von  der 
Königlichen  Regierung  zu  Aachen  am  3.  Dezember  1887, 1  Nr.  24 188  endgültig 
genehmigt.  Grosse  Schwierigkeiten  entstanden  nun  aber  in  der  Gemeinde 
selbst  bei  der  Auswahl  der  Baustelle.  Eine  Partei  erwählte  dazu  den 
Pfarrgarten,  eine  andere  Partei  den  sogen.  „Hüttenplatz"  mit  den  Ueber- 


—  16  — 

resten  einer  alten  Eisengiesserei,  der  von  der  Familie  Erben  Heinrich 
Hoesch  zn  Junkershammer  käuflich  erworben  werden  sollte.  Nach  vielen 
Verhandlungen,  die  zu  keiner  Einigung  führen  wollten,  bestimmte  die 
Erzbischöfliche  Behörde  am  19.  November  1886,  Nr.  13758  endgültig  den 
Pfarrgarten  als  Baustelle.  Allein  die  Streitigkeiten  bestanden  fort.  Da 
wurde  am  1.  April  1887  der  Hülfsgeistliche  Neilessen  zum  Vikar  von  Berg.- 
Gladbach  ernannt,  und  der  benachbarte  Pastor  Peter  Straaten  von  Gressenich 
übernahm  die  Verwaltung  der  Pfarre,  bis  am  3.  Oktober  1887  der  bisherige 
Vikar  zu  Alsdorf, 

Johann  Anton  Bommes  (1887), 

gebürtig  aus  der  Pfarre  Corschenbroich,  ordiniert  am  24.  August  1872,  als 
Vikar  nach  Alsdorf  berufen  am  3.  September  1872,  nach  Schevenhütte 
ernannt  wurde.  Da  der  Erzbischof  und  nunmehrige  Kardinal  Philippus 
zu  Köln  damals  in  der  Anstellung  der  Pfarrer  durch  die  sogen.  Maigesetze 
noch  behindert  war,  so  wurde  Bommes  zunächst  als  Hülfsgeistlicher  (pres- 
byter  auxiliaris)  am  3.  Oktober  1887  in  Schevenhütte  angestellt,  dann  am 
30.  November  1888  zum  Pfarrer  ernannt  und  am  1.  Januar  1889  vom 
Dechanten  des  Dekanates  Eschweiler  und  Ehrendomherrn  Joseph  Johnen, 
Pfarrer  zu  Rohe,  kirchlich  als  Pfarrer  eingeführt.  Bei  seiner  Ernennung 
für  Schevenhütte  erhielt  er  von  seiner  vorgesetzten  kirchlichen  Behörde  den 
besondern  Auftrag,  die  schwebende  Kirchenbauangelegenheit  daselbst  zu 
einem  günstigen  Abschlüsse  zu  bringen.  Bald  nach  dem  Antritte  seiner 
neuen  Stelle  machte  er  den  Vorschlag,  beide  streitigen  Baustellen  fallen 
zu  lassen  und  das  bald  zur  öfi'entlichen  Vei'steigerung  kommende,  an  die 
alte  Kirche  und  Pastorat  anschiessende  Grundstück  Flur  V,  Nr.  291/142  und 
292/143,  in  der  Gesamtgrösse  von  18  Ar,  33  Quadratmetern  als  Baustelle 
anzusteigern,  mit  welchem  Vollschlage  sowohl  beide  Parteien  im  Orte,  wie 
auch  die  geistliche  und  weltliche  Behörde  einverstanden  waren.  Demnach 
wurde  das  fragliche  Grundstück  am  6.  Februar  1888  zum  Preise  von 
3000  Mark  und  300  Mark  Aufgeld  für  die  Kirche  als  Baustelle  angesteigert. 
Zur  Deckung  des  Kaufpreises  und  der  Mehrkosten  der  projektierten  Kirche 
wurde  dann  noch  eine  Hauskollekte  in  dem  zur  Kölner  Erzdiözese  gehö- 
rigen Teile  des  Regierungsbezirkes  Düsseldorf  bewilligt,  welche  4784  Mark 
28  Pfennige  einbrachte,  wozu  noch  ein  Geschenk  der  Familie  Pelzer  von  750 
Mark  kam.  Nach  Auswerfung  der  Fundamente  wurde  der  Bau  am  20.  Juni 
1888  begonnen  und  im  Herbste  1889  ohne  Unfall  vollendet.  Die  feierliche 
Einsegnung  der  Fundamente  und  des  Grundsteins  vollzog  der  Herr  Dechant 
Johnen  von  Rohe  unter  Assistenz  von  5  Geistlichen  am  22.  Juli  1888, 
während  die  kirchliche  Konsekration  des  vollendeten  Baues  am  Feste  des 
Kirchenpatrons,  des  heil.  Nährvaters  Joseph,  am  19.  März  1890,  durch 
den  hochwürdigsten  Herrn  Weihbischof  Dr.  Anton  Fischer  von  Köln  unter 
Assistenz  von  16  Priestern  vorgenommen  wurde. 

Die  Kirche  kostet  in  runder  Summe  36  000  Mark  ohne  die  Baustelle. 


—  17  — 

Gleich  nach  Vollendung  derselben  wurde  auch  fftr  die  innere  AusstAtttiUff 
Sorge  getragen  und  in  den  Jahren  1800—1893  zwei  AltÄro,  eine  Konw 
munionbank,  eine  Kanzel,  ein  Mariahilf-AltÄrchen,  KirchonHnko  \u  8.  w. 
teils  durch  einzelne  grössere  Geschenke,  teils  durch  die  Sammhmgon  dos 
St.  Joseph-Bauvereins  neu  beschafft. 

Beim  Abbruche  des  Hauptaltai^s  in  der  alten  Kirche  anfangs  April 
1890  fanden  sich  im  Innern  eines  der  hohlen  Altarpfeilor  die  Hftmmtliohon 
auf  die  Ordination,  Ernennung  und  Anstellung  des  ersten  Boneflciaton 
Werner  Gross  (1668 — 1677)  bezüglichen  Schriftstücke  nebst  dem  Originale 
der  Stiftungsurkunde  des  ersten  Beneflciums  ad  ss.  Trinitatem  von  TluMxlor 
von  Leers  und  Richmundis  von  Berchem  unversehrt  vor  und  auHHcrdoni 
eine  silberne  Medaille  mit  der  Inschrift  a)  auf  der  Vorderseite:  »S.  Mointil- 
phus  diaconus  Paderbornensis  1663**  nebst  der  Heiligenfigur,  b)  auf  der 
Rückseite:  „Ferdinaudus  D.  G.  Episc.  Padorb.  S.  R.  J.  Princcps  Oom. 
Pyrm.**  nebst  Wappen.  Beim  Wegräumen  des  Altares  fand  sich  noch  ein«» 
zweite  Medaille  von  Silber  im  Innern  der  Kirche  mit  der  Inschrift  a)  auf 
der  Vorderseite:  „Sola  bona  honesta.  1690."  nebst  einer  Pfordeflgur,  b)  anl 
der  Rückseite:  „Ernest.  August.  D.  G.  Episc.  Osna,  I).  B.  et  Lunob.** 
nebst  Wappen.  Eine  dritte  hierzu  gehörige  silberne  Medaille  wurde  Mchon 
seit  einer  langen  Reihe  von  Jahren  im  hiesigen  Kirchonarchivo  authewahrt 
mit  der  Inschrift  a)  auf  der  Vorderseite:  „Hede  vacanto  Cap.  cath.  Pad<»rb. 
1761  nebst  12  Wappen,  b)  auf  der  Rückseite:  Papst-  und  Kainorflgiir 
nebst  12  Wappen  der  adeligen  Kapitulare.  Diese  Medaillen  werden  mit 
samtlichen  in  dieser  Abhandlung  citierten  und  im  Besitze  der  Kirche 
befindlichen  Akten  und  Urkunden  im  hiesigen  Kirchenarchive  aufbewahrt. 

Mit  Erlaubnis  der  Erzbischöflichen  Behörde  zu  Köln,  datiert  vom 
13.  Februar  1891,  Xr.  1283,  wurde  im  Jahre  1891  die  alte  Kirche  nieder- 
gelegt und  ans  dem  Baumateriale  derselben  der  Kanal  und  die  Kinfriedi' 
gangsmauem  an  beiden  Strassen  entlang  und  um  die  ganze  neue  Kirrthü 
hemm  durch  die  Kirchenverwaltung  hergestellt  Beim  Abbruche  denselben 
fand  sich  auch  der  alte  Grundstein,  der  in  die  Mauer  der  i'Aiom\min  ein- 
gefügt und  mit  Verputzmörtel  bedeckt  war.  Er  ist  vcrwjhen  mit  folgender 
Inschrift,  einem  Chron»gTamm,  das  nicht  nur  Ann  Jahr  des  Bautieginne^ 
1C64,  vmdem  auch  zugleich  die  allerheiligste  Dreifaltigkeit  al^  damalii/ren 
Patn^nuü  der  Kirche,  zu  dfe%<en  Ehre  j^ie  crrichU.'t  warde,  angibt ;  ^[>aVf)etVr 
saM'tlüAlMa  irlnlta^*   d.  u  I^udetur  MncXtmmsi  TrinitaA, 

r>er  alte  Kir^hh-^f  in  der  L'rngebunir  der  alten  Kirche  verbleibt  laut 
einmal  von  der  zu^tä:;  li^'en  Behörden  am  7,  (>kl/;t^r  IH'^1,  Nr  H2ffi  nnd 
zu  Aa^-beri  am  \<K  M4rz  Ih'rJ.  L  Xr,  ';217  geriehmiift^o  Verlras(e  zwivihen 
der  KiPf.e  wr.d  d^r  (?*[':( f:n.^l:Af:  vom  2\.  H*Kptf:xh\ff.r  l^'/il  nuU'Mriti^trf^r^ 
E:i.fef,um    d^r  Kirr.*-,    w ,j<i'/j^tu    d're   Kirrrhe    v/^n    ihrem    HU^:f\i*,^^u4f':u 

au  d>r  ^ ,W\\;c/ttuitl:A^,  a^-A-.-/. 

racerm  2'$.  A*^"*At  \^rZ  ^-jUf-Ai.  d*^  Kttthti  mr  fftffmm  VtHtuUi  de^r 


—  18  -- 

ganzen  Pfa^rgemeinde  eine  Reliquie  von  dem  nunmehrigen  Kirchenpatrone, 
nämlich  eine  Partikel  ex  pallio  s.  Joseph  sponsi,  von  der  Bischöflichen 
Behörde  zu  Brügge,  welche  mit  Genehmigung  der  Erzbischöflichen  Behörde 
zu  Köln  vom  9.  März  1893  zum  ersten  Male  am  Festtage  des  hl.  Joseph, 
am  19.  März  1893,  öfi^entlich  zur  Verehrung  in  der  Kirche  ausgestellt  wurde. 
A.  Bommes  wurde  im  Jahre  1895  auf  die  Pfarrstelle  Rosellen  bei 
Norf  im  Dekanate  Neuss  berufen;  zu  seinem  Nachfolger  in  Schevenhütte 
wurde  von  der  kirchlichen  Behörde  ernannt  der  im  Jahre  1838  zu  Steele 
geborene 

Wilhelm  Ludwig  Klumbeck, 

welcher  bis  dahin  Vikar  zu  Frechen  im  Dekanate  Brühl  gewesen  war. 


Handschriftliche  Chronik. 

1770—1796. 
Von  W.  Brüning. 

Die  Vorlage  (Quer-Oktav,  40  Blätter,  am  Ende  anscheinend  unvoll- 
ständig) befindet  sich  im  Besitze  des  Herrn  Kaufmanns  Lennartz  zu  Aachen  *. 

Zur  Kennzeichnung  der  Zeit,  die  die  Chronik  umfasst,  schicke  ich 
Folgendes  voraus.  An  dem  dritten  schlesischen  Kriege  nahm  das  Reich, 
und  mit  ihm  Aachen,  zu  Gunsten  Maria  Theresias  teil.  Die  erheblichen 
Kosten  für  das  Reichskontingent  und  mehrfache  Einquartierungen,  von 
denen  die  Stadt  auch  in  der  ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  oft 
heimgesucht  worden  war,  luden  ihr  eine  grosse  Schuldenlast  auf.  Die 
Kriegsdrangsale  entzogen  ihr  ausserdem  die  Hauptquelle  ihrer  Einnahmen, 
da  sie  die  Besucher  der  Bäder  verscheuchten.  Besonders  drückend  war 
die  Einquartierung  der  französischen  Truppen.  Als  sie  im  Spätherbst  1761 
die  Stadt  verliessen,  hatte  diese  ausser  40000  Rthlr.  an  das  Reichskontingent 
373  000  Rthlr.  für  Kriegsaufwendungen  verausgabt.  Die  Kosten,  welche 
die  einzelnen  Bürger  tragen  mussten,  sind  dabei  nicht  in  Anschlag  gebracht. 
Die  Bürgerschaft  Aachens  hatte  durch  den  siebenjährigen  Krieg  überhaupt  so 
schwer  zu  leiden,  dass  sie  fast  verarmte.  Der  Abschluss  des  hubertusburger 
Friedens  wurde  deshalb  freudig  von  ihr  begrüsst.  Die  Jahre  der  Ruhe 
nach  1763  brachten  den  Wohlstand  wieder  etwas  in  die  Höhe.  Der  Besuch 
der  Bäder,  namentlich  seitens  fürstlicher  Persönlichkeiten,  war  ein  reger 
und  einträglicher,  die  Industrie  hob  sich  und  die  Stadtregierung  störte 
wenigstens  die  ruhige  materielle  Entwickelung  nicht,  wie  vorher  und  nachher 
so  oft.    Aber  die  im  Jahre  1768   ausbrechenden   Zwistigkeitcn   mit  dem 

*)  Herr  Stadtarcbivar  Pick,  der  die  Chronik  behufs  VeröffentlichuDg  bereits  hatte 
abschreiben  lassen,  hat  mir  in  zuvorkommender  Weise  seine  Abschrift  überlassen.  Nach 
Anfertigung  einer  neuen,  den  Bestimmungen  über  die  Herausgabe  handschriftlicher  Texte 
entsprechenden  Abschrift  übergebe  ich  die  Chronik  dem  Drucke. 


—  19  — 

Kurfürsten  von  der  Pfalz  und  Herzog  von  Jülich,  Karl  Theodor,  der  die 
jülichschen  Bestrebungen,  Aachen  seiner  Selbständigkeit  zu  berauben,  mit 
Energie  aufnahm,  unterbrachen  wieder  für  Jahr  und  Tag  die  gedeihliche 
Entwickelung.  Zwar  behauptete  die  Stadt  ihre  Reichsunmittelbarkeit,  aber 
sie  musste  diesen  idealen  Vorzug  mit  einem  schweren  Stück  Geld  bezahlen. 
Die  kaiserlichen  Zopfträger  am  Wiener  Reichshofrat  und  Regensburger 
Reichstag  und  die  schiedsrichterlichen  Kommissare  suchten  natürlich  die 
Aachener  Sache  so  einträglich  wie  möglich  zu  gestalten,  denn  sie  wussten, 
dass,  „wann  Mindermächtige  mit  den  Mächtigeren  und  Grösseren  in  Kollision 
geraten",  nur  der  Geldbeutel  erstere  vor  dem  Schicksal  bewahren  konnte, 
allemal  „den  kürzeren  zu  ziehen".  Darüber  braucht  man  sich  nicht  zu 
wundern,  dass  in  dieser  Zeit  der  Rechtsunsicherheit,  in  der  es  desto  weniger 
Recht  gab,  je  mehr  allerorten  Recht  gesprochen  wurde,  der  pfälzische  Kur- 
fürst ein  kaiserliches  Mandat,  das  ihm  jede  Gewaltthat  untersagte  und  ihn 
auf  den  Weg  Rechtens  verwies,  einfach  ignorierte,  am  10.  Februar  1769 
die  Thore  der  Stadt  erbrechen  liess  und  diese  mit  einer  Einquartierung 
von  2000  Mann  belegte,  um  sie  so  seinen  Wünschen  gefügiger  zu  machen. 
Der  Rat  beriet  recht  lange  und  protestierte  energisch  gegen  diese  Gewalt- 
thätigkeit;  es  half  nichts.  Er  wurde  kleinlaut,  als  die  Mörser  der  Pfalzer 
über  den  Marktplatz  rasselten  und  ihre  Mündungen  dem  Stadthaus  zukehrten. 
Der  Konflikt  entwickelte  sich  für  ihn  gar  noch  zu  einem  häuslichen  Schrecken, 
als  die  Truppen  seinen  Mitgliedern  und  den  Bürgermeistern  zu  10  bis  50 
Mann  ins  Quartier  gelegt  wurden.  Der  Bürgermeister  von  Kahr  erhielt 
sogar  200  Mann.  Auch  die  Bürgerschaft  lernte  die  Freuden  der  Einquar- 
tierung wieder  gründlichst  kennen.  Monate  hindurch  war  Aachen  die  ebenso 
hülfslose  wie  bedauernswerte  Stätte  der  von  Deutschen  in  einer  deutschen 
Stadt  verübten  Willkür.  Auf  eine  ausführliche  Schilderung  der  durch  sie 
geschaffenen  Zustände  wollen  wir  hier  verzichten  und  uns  mit  folgenden 
Angaben  begnügen.  Die  Bemühungen  der  Stadt,  durch  den  Reichstag  von 
der  pfälzischen  Heimsuchung  befreit  zu  werden,  blieben  erfolglos.  Der  Sekretär 
P.  M.  Becker  hatte  im  Auftrage  der  Stadt  an  ihren  Komitialgesandten  in 
Regensburg,  von  Münsterer,  geschrieben:  „Weilen  durch  derlei  eigen- 
mächtige denen  Reichskonstitutionen  schnurgradt  zuwieder  laufende  und 
hochstverbottene  Unternehmungen  und  gewaltthätige  Okkupationes  die 
niedern  Stände  von  denen  mächtigern  ohne  behörende  Rücksicht  auf  die 
kaiserliche  Autorität  undt  die  von  kaiserlicher  Autorität  erlassende  pönali- 
sierte Mandaten  forth  den  Landtfriedcn  bedrucket,  die  gemeine  Ruhe  ge- 
störet, forth  das  Land  zwischen  Haupt  und  Gliedern  getrennet  und  also 
die  ganze  Konstitution  undt  Verfassung  des  Heil.  Rom.  Reichs  umbgekehret 
wird,  hicrumb  so  habe"  u.  s.  w.  Becker  bittet  den  Gesandten  „behörigen 
Orts  die  nachdrucksambste  Anzeig  dieser  unverantwortlicher  Eigenmacht 
willkürlicher  Betrangnus  zu  verfuegen  und  umb  gedeihliche  Vorschrift,  auch 
nachdrückliche  Dehortatorium  zu  ungesäumter  Abstellung  dieses  besonders 
allen  und  jeden  Reichsstädten  und  schwachen  Ständen  gemeinschädt-  und 


—  20  — 

höchst  präjudicierlichen  Vorgangs  zu  implorieren  und  über  den  Erfolg  beliebig 
zu  berichten".  Dieser  Erfolg  bestand  in  folgender^  zum  Teil  schon  ange- 
gebenen, sehr  zeitgemässen  Antwort:  Es  ist  ,,allzeit  zu  bedauern,  wann 
Mindermächtige  mit  den  Mächtigeren  und  Grösseren  in  Kollision  gerathen, 
anerwogen,  dass  erstere  gemeiniglich  den  kürzeren  ziehen  müssen,  womit 
die  Ehre  habe,  mit  besonderer  Estime  zu  sein  Euer  Hochwohlgebohren 
ganz  ergebenster  Diener  J.  ß.  von  Münsterer/  Die  Bemühungen  der  Stadt 
bei  dem  Kurfürsten  selbst,  in  Düsseldorf  und  Mannheim,  hatten  gleichfalls 
keinen  Erfolg.  Karl  Theodor  wollte  von  einer  Unterhandlung  nichts  wissen, 
bevor  die  Stadt  ihre  Unterwerfung  erklärt  hätte. 

Nur  der  Kaiser  nahm  sich  der  Stadt  an,  Joseph  II.  Am  17.  März 
genehmigte  er  ein  Gutachten  des  Reichshofrats,  das  für  Aachen  günstig 
lautete.  Damit  war  allerdings  wenig  erreicht,  denn  in  welchem  Ansehen 
ein  solches  reichshofrätliches  Gutachten  stand,  erhellt  daraus,  dass  der 
pfalzische  Vogtmeier  in  Aachen,  ein  Geyr  zu  Schweppenburg,  es  nicht  ein- 
mal für  nötig  hielt,  davon  Notiz  zu  nehmen.  Er  verweigerte  einfach  die 
Annahme  der  Abschrift  desselben,  die  ihm  von  der  Stadt  überreicht  wurde. 
Ja,  er  erweiterte  sogar  noch  die  Last  der  Einquartierung.  Der  Rat  musste 
sich  noch  einmal  an  den  Kaiser  wenden.  Erst  nachdem  dieser  einen 
Exekutionsauftrag  an  die  beiden  kreisausschreibenden  Fürsten  des  nieder- 
rheinisch-westfälischen Kreises,  den  Kurfürsten  zu  Köln  als  Bischof  zu 
Münster,  und  den  König  in  Preussen,  Kurfürsten  von  Brandenburg,  als 
Herzog  zu  Kleve,  erlassen  hatte  und  Münstersche  und  Klevische  Kreis- 
truppen zum  Schutze  Aachens  aufgeboten  wurden,  bequemte  sich  Karl 
Theodor  dazu,  seine  Truppen  aus  der  Stadt  zu  ziehen.  Am  17.  Juni  1769 
erfolgte  der  Abmarsch.  Der  Rat  musste  aus  Anlass  desselben  Vorkehrungen 
treffen,  um  einem  Ausbruch  des  allgemeinen  Unmuts,  der  die  Bevölkerung 
erfüllte,  vorzubeugen. 

Der  Streit  mit  Kurpfalz  war  jedoch  mit  der  Entfernung  der  Truppen 
nicht  erledigt.  Er  machte  'der  Stadt  noch  im  selben  Jahre  und  auch  in 
den  späteren  zu  schaffen.  Dafür  sorgte  schon  der  ränkevolle  jülichsche 
Vogtmeier,  der  Freiherr  Rudolf  Konstanz  von  Geyr  zu  Schweppenburg. 

War  das  Jahr  1769  ein  wenig  erfreuliches  für  die  Stadt  gewesen, 
so  kann  man  das  Jahr  1770  ein  geradezu  unglückliches  nennen.  Nöte 
aller  Art  machten  es  zu  einem  solchen:  Erdbeben,  Missernte,  Viehseuche, 
Rückgang  der  Industrie,  Verarmung,  Entsittlichung  und  Unruhen  der 
Arbeiterbevölkerung,  Mangelhaftigkeit  der  öffentlichen  Zustände  u.  a.  m. 

In  dieser  trübseligen  Zeit  setzt»  die  Chronik  ein.  Die  Aachener 
Geschichts-Litteratur  ist  nicht  reich  an  Chroniken -Ausgaben.  Deshalb 
darf  die  nachfolgende  einiges  Interesse  beanspruchen.  Sie  bringt  manche 
dankenswerte  und  wichtige  Mitteilung,  wenn  auch  weder  der  geschichtliche 
Sinn  noch  der  litterarische  Geist,  die  in  ihr  zu  Tage  treten,  eine  sonder- 
liche Beachtung  verdienen.  Das  Bächlein  geistiger  Bildung,  das  vor  100 
Jahren  in  Aachen  rieselte,   war  recht  seicht.    Es  befreite  auch  in   den 


~  21  — 

Tagen  L^?s^iügs  ond  ln>ethes  die  weui^Mi  schreil^ftvbeu  Söhne  der  Si«dl 
nicht  von  deo  Eioflassen  eiaes  Volksidiomsi,  das  es  Hebt»  die  Re^^du  der 
deotscheo  Sprache  geradezu  auf  den  Kopf  xu  stelleiK 

Oronicae, 
was  sich  merkwürdiges  in  Aachen  i\igetrai;xMK 

Anno  1770.  Dieses  jähr  hat  die  ganze  sUdt  in  einen  bedunrungs- 
würdigen  zustand  gesetzt.  Sonderlich  was  die  lebensmittel  angeht»  diese» 
wie  sie  immer  zu  nennen,  sind  über  die  nmss  liooli  gestiegen,  dass  sie  alU> 
mehr  als  doppelt  bezahlt  worden,  und  diss  dauerte  bis  anno  1771,  Sonder- 
lich, was  das  brod  belangt,  dieses  ist  dermassen  hoch  gestiegen,  dass  der 
preis  auf  14  mark  gesetzt  worden,  und  diss  hat  angehalten  bis  den  15,  julij, 
an  welchem  tag  hat  der  preis  des  brodes  aj^gel'angen  zn  teilen,  Uis  anf 
den  5.  august,  auf  kreuzbrüder  kirmesmontag,  ist  es  anf  einmal  li  niftrk 
abgeschlagen,  blieb  also  der  preis  noch  9  mark  den  10.  angnst  anf  S,  Lanjvn« 
tag,  nemblich  auf  einen  sambstag;  weilen  die  becker  fllr  geld  kein  brod 
geben  wolten,  ist  es  wiederum  10  pfennig  anfgeschlagen. 

Anno  1771.  December  deji  27.,  zwischen  12  et  1  nhr  mittags,  ist 
Leonard  Bingel  oben  der  krenzbrUderkircho  anf  der  Strasse  von  einem 
schuhlepper,  Johann  Vogel  genant,  mit  einen»  messerstich  ins  herz  jfimmor- 
lieh  ermordet  worden. 

Anno  1772  merz,  freitag  den  27.,  ist  der  schuhlepp(»r,  welcher  Leonard 
Bingel  ermordt,  nachdem  er  dreizehn  wochen  in  verhalt  gesosson,  den  tod 
angekündiget  worden  und  den  darauf  folgenden  niontag,  den  ;J0.  detto, 
ins  Grasshaus  mit  dem  schwerd  hingericht,  unter  regierenden  bürgi^r- 
meister  Kahr. 

Anno  1773  September,  freitag  den  10.,  ist  durch  den  herrn  HuirnigunluH 
von  Luttig*  die  jesuiterkirch  geschhmsen  und  versiegelt  worden  und  die 
aufiiebnng  der  gesellschaft  angekündiget ". 

*)  Aachen  gehörte  bis  zum  Jahre  1801  ssur  DIU/oko  1^(11  tirli. 

')  Am  21.  Juli  1778  hatte  Pa|mt  Ckmmn  XIV.  (Iuh  Itrrve  UomhiuN  ac  ItcihMiiptor 
noätcr  unterzeichnet,  das  die  Aufhebung;  dcH  JenuittMiordiiu  bcHtlmiiitf*,  ciiio  That,  von 
der  er  selbst  Haj^te:  ('oactUH  feci.  V^l.  K.  F.  Moycr,  Aachent*(;hn  (Jt^Hrliichh'ii  Dd.  I, 
S.  763.  Nach  Meyera  Anjjjabe  tnif  der  JiUttl<'lM«'lM!  Wj'lbbisrhof,  Karl  AbxaiMbir  (iraC  von 
Arl)crg,  in  Bogloitung  den  l)echantr;n  d<'H  Stlftr«  zum  lil.  KnMiz  in  I.Uttlili,  b«'n'ltM  am 
9.  September  in  Aachen  ein.  Sie  „beigaben  hU'U  fol(((»nd«Mi  Ttn^n  zwIhi'Uvü  H  und  ü  UhrDii 
Morgens  mit  dem  AachcuHchen  Krz-lViontcr  H<rrn  Kranz  Antmi  Tewln  in  dax  KolloKlnm^ 
allwo  sie  dem  HfkUfr  Heinrich  Kirzer  und  d<*n  Ubrijc-n  Vau*rn  ihn  l*iibitli<'be  Hrev«  vor- 
lasen, hierauf  die  HchKhKel  dW^on  llnUHtn  fordcrt^'n,  Holeb«;  doi'b  auch  na<'h  ((''hornam 
geschehener  Vorlegung  wi<<b'rgalH;n,  aUdann  in  thr  Kirche  di«?  Altar^K'-rzen  annbincbf^rn, 
da«  Oottejfhaus  hclbHt  verMchlorinen,  und  biebey  «>»  fur  diM>imal  m  b<?w«tnd<*n  llewwm/  Narh 
dem  Z*iOgnij<4e  Meyern,  der  im  Jahre  177;*  aU  N'olar  in  An^^hen  b'bt^,  war  der  Orden  hier 
sehr  beliebt.  H^ine  Aufhebung  wurd«'  allgemein  lH;klagt,  Dun  treht  auch  tmn  den  Auf- 
zeichnangffU  'hn  Iibrgrrmei*terei-I>i<'ner«  Johann*'«  Jan^Mjn  hervor;  «Man  hat  die  liebe 
geselscbaft  alb'nihan>''n  aii»g<'kl*;idet,  uw\  geli^n  '//i*'m\U'h  v^rMtn'uH  dahin,  eben  wie  fremden, 
die  kein  heimat  faal>en,  ,  ,  ,  leb  htfÜH  »^mr  umU  4en  Tag  zu   leben,  ihnen  wider  In  die 


—  22  — 

Anno  1774  freitags  den  3.  junij,  abends  zwischen  9  et  10  uhr,  hat 
der  herr  Cornelins  Chorus,  regierender  bürgermeister,  das  zeitliche  mit 
dem  ewigen  verwechselt,  dessen  tod  den  folgenden  tag  um  mittag  durch 
läutung  aller  glocken  der  ganzen  Stadt  kund  gemachte 

September,  sambstag  den  24.,  ist  Heiliger  Kuckelen  den  tod  angesagt, 
und  den  darauf  folgenden  montag  den  26.  ins  Grass  mit  dem  schwerd 
hingericht*. 

Anno  1775,  montag  den  26.  junij •'^,  ist  mit  grossem  gepräng  durch  einen 
gesandten  von  Frankreich,  welcher  bei  herrn  Kouis  in  Kleinkölnstrass 
gegen  dem  Minderbrüdergäsgen  sein  logis  genohmen,  das  leichentuch  von 
Ludwig  XV.,  könig  in  Frankreich,  in  begleitung  vier  bürger  von  Aachen, 
nemblich  herr  Rouis,  gastgeber,  et  herr  Eiserpfey,  prokurator,  sieur  Fischer, 
sadelmacher,  sieur  Lirtz,  Schneider,  als  deputierte  in  der  münsterkirche 
tiberbracht,  welche  sodann  an  der  wolfsthtir  von  dem  hochlöblichen  kapitul 
und  clerisei  empfangen  worden. 

Dienstag  den  27.,  nachmittags  um  3  uhr,  haben  nach  läutung  aller 
kirchenglocken  die  todte  vigilien  angefangen,  und  dieses  ampt  mit  läutung 
aller  glocken  geendet  worden. 

Mittwochs  den  28.,  morgens  um  10  uhr,  ist  ein  feierliches  musicalisches 
hohe  ampt  durch  den  herrn  dechant  baron  von  Bierens  gehalten  worden, 
welches  ebenfalls  durch  läutung  aller  glocken  angefangen  und  geendiget. 

Donnerstag  den  29.'  auf  Petri  et  Pauli  tag,  morgens  um  11  uhr,  ist 
ein  feierliches  hohe  ampt  für  Wohlfahrt  jetzt  regierender  könig  in  Frank- 
reich, Ludwig  XVL,  gehalten,  und  diese  festivität  mit  absingung  des  Te  Deum 
und  läutung  aller  glocken  beschlossen  worden. 

Anno  1776  freitag  den  28.  junij,  zwischen  11  et  12  uhr  abends,  hat 
der  herr  Kahr  als  abgestandener  bürgermeister  das  zeitliche  mit  dem 
ewigen  verwexelt. 

August  den  25.,  sontags  nachmittag,  wurde  der  hochedeler  herr  Mathaeus 
Joseph  Wildt,  da  er  das  primat  auf  der  philosophischen  fakultät  zu  Löven 
erobert,  folgendermassen  empfangen*. 

Es  begaben  sich  nachmittag  zwo  reiterei-kompagnie,  deren  eine  aus 
philosophisch  et  theologisch-kandidate  und  die  andre  aus  der  kaufmännisch 
oder  sonst  ansehnlichen  bürgerklasse  bestünde,  nach  Junkersthor  hinaus 
bis  an  dem  sogenannten  Bildchen,  wo  sie  den  sieger  mit  einem  stattlichen 
gefolge  antrafen.    Da  sie  ihn  nun  unter  pauken-  und  trompettenschall  bewill- 


vurrige  würde  zu  sehen"  (v.  Fürth,  Aachener  Patrizier-Familien  Bd.  III,  .S.  370).  — 
Ülicr  die  Besitznahme  und  Verwaltung  der  Ordensgüter  durch  den  Hat  vgl.  Haagcn, 
Geschichte  Acheus  Bd.  II,  S.  362  ff.  Sie  lag  hauptsächlich  in  der  Hand  des  späteren 
Bürgermeisters  Stephan  Dauvcn. 

')  V.  Fürth  Bd.  III,  S.  372,  4.  Juni. 

*)  Üher  das  Grashaus  als  Gefängnis  und  Richtstätte  s.  R.  Pick,  Aus  Aachens 
Vergangenheit  S.  258  ff. 

«)  Unrichtige  Daten  bei  v.  Fürth  a.  a.  ü.,  Bd.  III,  S.  378. 

*)  Vgl.  Meyer  a.  a.  0.  Bd.  I,  S.  769  f.,  wo  die  Schilderung  teilweise  gleichlautend  ist. 


—  23  — 

komt  et  glück  gewünscht,  tratten  sie  ihren  zug  zur  stadt  in  folgender 
Ordnung  an:  sechs  kaiserliche  postillons  machten  den  vortrap;  hierauf  folgte 
die  bürgerliche  reiterkompagnie;  hinter  diese  die  philosophisch  et  theologische 
herren  kandidaten  mit  ihren  pauken  et  trorapetten;  alsdann  eine  anzahl 
herren  von  den  hohen  schulen  zu  Löwen,  zu  pferd  mit  sechs  weisse  Standarten; 
zwischen  diese  ritte  der  weise  überwinder,  in  einem  mantelkleide  von  schwarz- 
seidenem damast,  mit  einem  blumenstrausse  an  seinem  mit  lorbeem  um- 
wundenen hüte  und  einem  lorbeerzweig  in  der  band;  hierauf  dessen  eitern 
in  einem  sechsspännigen  wagen  des  herren  Johann  Hagheu,  praelat  zu 
Klosterrode;  hierauf  folgten  in  einem  vierspännigen  wagen  4  herren  Professoren 
zu  Löven;  weiter  die  herren  professoren  aus  dem  hiesigen  Franziskanerkloster 
und  noch  22  mit  herrschaften  besetzte  wägen.  Einen  schuss  weit  von  den 
ringmauern  stunden  die  5  untern  schulen  aus  dem  marianischen  lehrhausse 
mit  fahnen  und  erwarteten  den  sieger,  und  da  er  durch  einige  kanonschüss 
von  dem  sogenannten  bernsteinswerke  ^  begrüsset,  geschähe  der  einzug  unter 
läutung  aller  stadtglocken  zum  Junkersthor  hinein,  vor  welchem  die  grenadier- 
kompagnie  der  Stadt  parade  stand.  Man  zog  durch  die  St.  Jacobstrasse, 
Klappergasse  et  Rennbahn  bis  zur  grossen  kirche,  woselbst  der  überwinder 
bei  der  wolfsthür  empfangen  und  zum  chor  hinein  in  das  gestühl  des  herrn 
probsten  geführt  ward,  auch  alsdann  ein  feierliches  Te  Deum  unter  pauken- 
et  trompettenschall  abgesungen  ward;  welchem  nach  der  ganze  statt  sich 
davon  dannen  in  voriger  Ordnung  über  den  Fischmarkt,  durch  die  Schmied- 
strasse, über  den  Eadermarkt,  durch  die  St.  Aldegundsstrasse,  Eselsgasse, 
über  den  Büchel,  den  Holzgraben  vorbei,  zum  Comphausbadt,  die  grosse 
Kölnerstrasse  hinauf  et  über  dem  Markt  zum  rathauss  verfügte,  woselbst 
er  unter  dem  donnern  des  schweren  geschüzes  von  den  wällen  an  der 
grossen  stiege  von  einem  herrn  sindikus  empfangen,  hinaufgeführt  und  beim 
eintritte  von  einem  andern  herrn  sindikus  mittels  einer  lateinischen  anrede 
im  namen  der  zugegen  stehenden  herren  bürgermeister  und  beamten  mit 
einer  schweren  silbernen  giesskanne  et  schüssel  beschenket  worden  ^ 
Selbigen  abends  beehrte  der  magistrat  denselben  mit  einem  soupee  auf 
dem  grossen  königssaal,  unter  der  herrlichsten  musik,  an  einer  tafel  von 
70  gedecken,  wobei  sich  die  gesammte  regieruug,  der  gedachte  herr  praelat, 
des  Siegers  eitern  et  anverwandte,  die  herren  professoren  et  übrige  junge 
herren  von  Löven  einbinden;  nicht  nur  die  vorbemerkten,  sondern  auch 
noch  andere  Strassen  et  gassen  waren  mit  triumphbogen,  mit  lorbeer  et 
wilden  Ölbäumen,  mit  piramiden  et  birkenstöcken  reihenweisse  besetzt,  alle 
häuser  bis  unter  den  tächern  beleuchtet,  auch  sehr  viele  mit  rühm-  und 
glückwünschungsreimen  ausgeschmückt.  Am  folgenden  tag  verdankten 
sich  die  eitern  des  edlen  beiden  durch  ein  mittagsmahl  in  dem  kollegio 


')  Vgl.  0.  Rhocn,  Die  ältere  Topographie  der  Stadt  Aachen  S.  117.  —  Pick  a.  a.  0. 
S.  123.  —  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  Bd.  II,  S.  346  ff.  und  Bd.  IX, 
S.  100,  Anm.  2. 

*)  Stadtrechnung.    Vgl.  Pick  a.  a.  0.  S.  56,  Anm.  2. 


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der  exjesuiten;  selbigen  abends  wurde  Marschierstrass  bis  an  dem  kollegio 
wie  auch  die  übrige  Strassen  illuminiert.  Am  dritten  tage  wurden  alle 
exjesuiten  wie  auch  alle  professoren  beehrt  an  einer  tafel  von  80  gedecken. 
Am  vierten  tage  wurden  an  dem  sieger  seinem  älierlichen  hause  alle 
philologisch  et  theologischen  kandidaten  mit  einem  herrlichen  soupee  er- 
lustiget,  et  also  beschloss  sich  diese  feier,  welche  der  kronstadt  Aachen 
ehre  macht. 

Anno  1777  april  den  22.,  dienstags  nachmittag  zwischen  6  et  7  uhr, 
hielte  der  herr  bürgermeister  Dominicus  Dauven  seine  heimkunft  von  Wien 
in  hiesige  stadt,  woselbst  er  sich  wegen  wichtige  stadtsaflfairen  lange 
zeit  aufgehalten  ^ 

April  den  24.,  donnerstags,  wurde  der  herr  Thimus  zum  bürger- 
meister  erwählt**.  Vier  tage  nacheinander  waren  alle  häuser  in  Kölnstrass, 
Komphausbad,  Seilgraben,  den  Büchel  et  Neupfortstrasse  auf  das  herrlichste 
illuminiert  und  mit  den  sinnreichsten   Inschriften  et  lobsprtich  ausgeziert. 

Anno  1778  julij  den  6.,  montags,  wurde  der  herr  btirgermeister  Dauven 
mit  einem  stattlichen  gefolg  als  mayer  in  Burdscheid  eingeführte 

Anno  1779  junij  den  23.  hat  man  angefangen  den  chor  des  Münstei'S 
zu  bauen.  Man  nahm  die  steine  aus  den  fenstern  et  setzte  eiserne  Stangen 
hinein  et  machte  auch  die  fenster  schuh  hoch  zu;  man  nähme  etliche  felder 
aus  dem  gewölbe  et  sezte  neuen  hinein;  et  weiter  wurde  der  ganze  chor 
erneuert;  inmittels  hielte  man  das  chorgesang  in  der  ungarischen  kapeil. 

August  den  11.,  mitwochs  nachmittag,  ereignete  sich  ein  mit  donner 
und  blitz  vermengtes  ungewitter,  welches  eine  schwere  wolkenbruch  begleitete, 
wodurch  alle  Strassen  mit  wasser  überschwemmt,  welches  grossen  schaden 
verursachte,  besonders  auf  dem  Seilgraben,  welcher  erst  neu  gepflastert, 
wurden  von  dem  wasser  bald  alle  stein  ausgeworfen. 

Dezember  den  8.,  am  tag  der  unbefleckten  Empfängnis  Maria,  hatten 
die  herren  canonicos  im  Münster  ihre  chorkleidung  verändert,  welches 
Privilegium  sie  von  papst  Pius  VI.  erhalten,  welche  erst  in  einem  schwarzen 
chorrock  et  die  beff*  oder  pelz  auf  den  linken  arm  bestand;  jez  aber  in 
einem  violetten  chorrock  et  die  sogenannte  beflfe  über  die  achsel,  auch 
ein  unterscheid  in  der  färb,  den  die  7  priester  tragen  rote  et  die  andere 
canonicus  weisse  beff'en. 

1780  junij  den  29.  wurden  die  kanonen  ausgesezt,  um  den  könig  von 
Schweden  zu  empfangen*. 

Julij  den  13.,  donnerstag  abends  zwischen  11  et  12  uhr,  hielte  seinen 
einzug  zum  Kölnerthor  hinen  der  könig  von  Schweden,  Gustav,  aber  in- 
kognito, grafen  von  Haga.  Er  nähme  sein  logis  aufm  Komphausbadt  bei 
herrn  Marneffe  im  Karlsbadt. 


')  Vgl.  V.  Fürth  Bd.  III,  S.  385. 
«)  Ebenda  S.  385. 
«)  Ebenda  S.  387. 
♦)  Ebenda  S.  889. 


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Sontags  den  16.  dito  erhielten  der  herr  dechant  et  der  magistrat 
audienz;  weilen  er  nun  begierig  wäre,  die  grosse  reliquien  zu  sehen,  erklärte 
er  sich  als  könig  von  Schweden. 

Dienstag  den  18.  zeigte  man  ihme  das  rathaus,  die  statua  des  kaiser 
Karls  und  den  warmen  brunnen  im  Kaisersbad.  Nachdem  wie  gewöhnlich 
der  Sekretär  Xoufen  ^  den  könig  eine  Schüssel  badschwefel  im  naraen  der 
magistrat  verehrte,  schenkte  er  ihm  eine  güldene  uhr. 

Mitwochs  den  19.  wurden  den  könig  mit  der  grössten  solemnität  die 
grosse  reliquien  und  andere  raritäten  des  Münsters  gezeigt,  nach  welchem 
höchstderselbe  sehr  stattliche  presenten  austeilte,  nemlich  an  den  herrn 
probst  baron  von  Belderbusch  einen  mit  köstlichen  steinen  besetzten  ring, 
an  den  herrn  dechant  baron  von  Bierens  einen  dito  und  an  den  herrn 
kanonikus  baron  von  Millius  einen  dito,  noch  ferner  an  den  kapitelsekretär 
herrn  Weseler  eine  goldene  metaillon  und  auch  noch  an  den  herrn  vogtmajor 
baron  von  Geyer  einen  güldenen  ring.  Sambstags  den  22.  verliesse  seine 
königliche  majestät  hiesige  Stadt  und  verreiste  auf  Spaa. 

1781  januarius  den  7.  wurden  im  Münster  nach  läutung  aller  stadt- 
glücken  die  totenvigilien  der  verstorbenen  kaiserin-königin  Maria  Theresia 
gehalten,  wobei  der  magistrat  und  scheflfenstuhl  erschiene. 

Folgenden  tags  den  8.,  morgens  um  10  uhr,  wurde  ein  feierliches 
seelenampt  gehalten,  welches  nach  läutung  aller  kirchenglocken  beschlossen 
wurde.  Das  totengerüst  war  mitten  in  der  kirche,  unter  der  aldort  auf- 
gehenkten kröne  gestelt,  weil  man  noch  immer  mit  bauung  des  chors 
beschäftiget  war. 

Januarius  den  10.  hielte  der  magistrat  auf  dem  rathaus  für  unserer 
Stadt  besonderen  schirmfrauen  Maria  Theresia,  kaiserin-königin,  ein  besonderes 
seelenampt.  Sodan  wurden  nachmittags  nach  läutung  aller  kirchenglocken, 
ausserhalb  des  Münsters,  die  totenvigilien  angefangen.  Den  11.  morgens 
um  10  uhr  wurde  von  pater  Amadeus  Jacobi,  franziskanern  und  sontags- 
predigern,  eine  leichenrede  gehalten,  dessen  text  wäre:  ubi  est  mors  victoria 
tua?  I.  Corint.,  15.  kap.,  55.  vers.  Wo  ist,  o  tode,  dein  siege?  Um 
11  uhr  wurde  das  hohe  ampt  musikaliter  gehalten,  welchs  nach  läutung 
aller  vorigen  glocken  angefangen  und  geendiget  worden. 

1781  april  den  23.,  montags  nach  osterfest,  wurde  nach  einer  spezial- 
messe  in  St.  Foilanskirche,  so  für  glücklichen  kirchenbau  yon  dem  herrn 
proffion  Tewis  gehalten  ^,  das  hochwürdige  gut  in  der  exjesuitenkirch  getragen 
und  sodan  noch  selbigen  tags  den  bau  angefangen. 

Julij  den  17.,  dienstags  abends  um  1 1  uhr,  käme  zum  Sandkuhlthor  hinein 
und  beehrte  mit  seiner  gegenwart  hiesige  stadt  unserer  durchlauchtigster 
kaiser  Joseph  der  zweite^,  aber  inkognito  grafen  von  Falkenstein.  Er  nähme 


*)  Jakob  Couven. 

«)  Vgl.  V.  Fürth  Bd.  III,  S.  523.  —  Über  die  Bedeutung  des  Titels  Profiion  s. 
Haagen  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  57. 

«)  Pick  a.  a.  0.  S.  552  ff.  ^ 


—  26  - 

sein  logis  aufm  Kompesbadt  bei  herrn  Groyen  in  St.  Corneli  badt.  Andern 
tags,  den  18.,  wäre  von  allen  ecken  und  enden  der  st^d  wie  auch  von 
den  umliegenden  örtern  ein  unsäglichen  Zulauf,  jeder  wolte  den  grosseu 
Joseph  sehen.  Nachdem  seine  majestät  nachmittag  in  einen  lehnkutschen 
durch  die  Stadt  gefahren,  marschirte  er  um  4  uhr  wieder  ab. 

1782f,  februarius  den  2.,  am  Maria  lichtmesstag,  wurde  das  hochwürdige 
gut  in  begleitung  der  herren  bürgermeister  et  beamten  durch  den  herrn  profRou 
aus  der  exjesuitenkirch,  wo  bis  hiehin  die  pfahrdiensten  geschahen,  prozessions- 
weise nach  St.  Foilans  pfahrkirche  getragen,  wo  den  um  8  uhr  durch  den  herrn 
kanonikus  baron  von  Millius  ein  musikalisches  hohe  ampt  unter  abfeuerung 
der  kammern  gehalten,  nach  welchem  von  den  herrn  Brandten,  exjesuit,  eine 
lobrede  gehalten.  Nachmittag  um  4  uhr  wurde  vom  herrn  Mayer,  exjesuit 
und  ehemaligen  feiertagsprediger,  im  Münster  eine  predigt  gehalten,  welcher 
aber  nach  gehaltener  anrede  von  einem  schlagfluss  auf  den  kanzel  getrofen 
et  etliche  tag  hernach  gestorben. 

Diese  kirch  ist  vom  23.  april  vorigen  jahrs  bis  hiehin  in  den  schönsten 
flor  gesezt  worden,  den  man  hat  einen  totenkeller  gemacht  von  402  öfen, 
die  ganze  kirch  mit  blau  und  weisse  stein  gepflastert,  neue  fenster  ein- 
gesezt,  die  kirch  geweisst,  ein  neu  orgel  gemacht,  welches  aber  noch 
nicht  fertig,  et  in  summa  die  ganze  kirch  renoviert. 

Julij  den  24.,  mitwochs  nachmittag  zwischen  4  et  5  uhr,  wurde  die 
hiesige  Stadt  von  ihro  kaiserliche  lioheit  Paul  Petrowitsch  ^  grossfürst  von 
Russland,  und  seine  gemahlin  Maria  Feodorowna,  princessin  von  Würtem- 
berg  Stuttgard,  sambt  ein  zahlreiches  gefolg  beehrt.  Er  käme  zum  Junkers- 
thor hinein  und  nähme  sein  logis  aufm  Kompesbadt  bei  herrn  Groyen  in 
St.  Corneli  badt.  Etwa  um  6  uhr  verfügte  er  sich  nach  der  Mtinsterkirche, 
wo  ihm  die  kleine  reliquien  und  übrige  raritäten  gezeigt;  von  dannen  begäbe 
er  sich  nach  dem  Kaiserbad,  wo  ihm  den  warmen  brunnen  gezeigt;  nach 
diesem  besähe  er  das  rathaus  und  begäbe  sich  wieder  in  sein  logis. 
Donnerstag  den  25.,  morgens  zwischen  6  et  7  uhr,  marschierte  er  von  hier 
auf  Düsseldorf.  Dieser  herr  aber  käme  inkognito  eines  grafen  et  gräfin 
von  Norden. 

Bis  hiehin  sind  viele  sachen  ausgelassen. 

1782,  august  den  1.  donnerstags,  hat  man  angefangen  den  ersten  bäum 
auf  der  promenade  abzuhauen,  um  plaz  zu  machen  für  einen  neuen  balsaal 
zu  bauen,  welches  werk  etliche  herrn  von  der  Stadt,  naclidem  sie  im  rat 
suppliziert,  angefangen  haben.  September  den  IB.,  freitags,  ist  der  erste 
stein  zum  balsaal  aufm  Komphausbad  gelegt  worden  ^ 

Dezember  den  5.,  donnerstag  zwischen  8  et  9  uhr  abends,  hat  es  in  einem 
haus  in  Grosskölnstrass,  die  Siebenbei'g  genant,  bei  einem  beck^ermeister, 
Koch  genant,  gebrent,  ist  aber  durch  die  grosse  hülfe  bald  gelöscht  worden. 


*)  Der  nachherige  Kaiser  Paul  I. 
»)  ¥gl,  V.  Fürth  Bd.  Ill,  S.  516. 


—  27  — 

Anno  1783  januarij  den  13.,  dienstags  vormittag,  ist  Jacob  Goldhausen, 
leiendeckergesell,  von  das  tach  der  behausung  des  herrn  geheiinrat  von 
Collenbach  auf  der  Pau^  herunter  gefallen   und  also  stein   tot  geblieben. 

Januarij  den  17.,  freitags,  ist  ein  weibsperson  von  hier,  N.  Jacobi 
genant,  durch  den  Scharfrichter  gegeisselt,  weil  sie  ungefehr  5  monat  vorher 
den  herrn  baron  von  Ripperda  ein  beutel  mit  etliche  Karolinen  auf  den 
Seilgraben  diebischerweisse  aus  seine  bände  genohmen. 

November  den  9.,  sonntags,  haben  die  kanonikus  in  unser  lieber  frauen 
Münster,  nachdem  der  bau  des  chors,  welchen  sie  anno  1779  den  23.  juuij 
angefangen  und  nun  jez  in  so  weit  vollendet  ist,  die  ungarische  kapeil 
verlassen  und  die  diensten  und  gesang  wiederumb  in  den  chor  angefangen. 

November  den  11.,  dienstags  morgens,  zwischen  8  und  9  uhr,  hat  ein 
frembder,  welcher  auf  der  Haubtmanstrass  im  Heiliger  Geist  genante  haus 
bei  sieur  Herpers  lange  zeit  logiert  gewesen,  auf  seine  schlafkammer  sich 
mit  eine  pistole  selbst  erschossen,  welcher  dann  nach  gehalter  gerichtlicher 
examination  des  nachts  von  den  Schindersknechten  auf  den  Templeigraben 
begraben  worden. 

In  diesem  Jahre  ist  das  mauer-  und  tachwerk  des  balhauses  auf  dem 
Kompesbad  verfertiget  worden.  ^ 

Man  hat  in  diesem  jähre  die  Mittelpfort  am  Kolbert  abgebrochen  und 
auf  die  bogen  des  Kolberts*  eine  behausung  gebauet. 

Auch  hat  in  diesem  jähre  besonders  im  monat  julio  und  augusto  die 
krankheit  der  roten  rühr  gewaltig  gewütet,  woran  sehr  viele  menschen 
gestorben. 

Anno  1784.  Januarius  den  19.  hat  der  magistrat  und  rat  dem  herrn 
bnrgermeister  Dominicus  Dauven  ein  grundstück  ohne  massgab  von  dem 
ehemaligen  jesuiterkloster  übertragen,  um  sich  in  der  Scherbstrass  eine 
behausung  zu  erbauen,  welches  aber  die  bulla  papst  Clemens  XIV.,  durch 
welche  er  den  orden  der  societät  Jesu  aufgehoben,  ganz  zuwider  wäre. 
Kraft  gemelter  bulla  er  den  bischöfen  die  guter  der  Jesuiten  tibergeben 
und  ihnen  benebens  stark  eingebunden,  das  sie  dieselbe  nicht  anders  denn 
an  geistlichen  Sachen  zu  verwenden  hätten. 

Anno  1784.  Nachdem  der  magistrat  und  rat  das  unglück  verstanden, 
welches  den  kölnischen  Inwohnern  zugestossen  durch  Überschwemmung  des 
Rheins,  welcher  wegen  der  langwierig  anhaltenden  kälte  sehr  tief  zugefroren 
und  nun  auf  den  26.  februar  begunte  loszubrechen,  also  das  die  anwachsende 
fluten  und  losbrechende  eisschollen  mit  solcher  ungestüme  gegen  die  stadt 
anprelleten,  dass  sie  dieselbe  niederstürzten  und  sich  einen  freien  eingang 
in  die  stadt  gemacht,  wodurch  die  Strassen  an  der  rheinseite  also  hoch 
überschwemt,  dass  das  wasser  bis  an  die  tächer  gestiegen,  gar  etliche 
häuser  überstiegen,  viele  niedergeworfen,  viele  ansehnliche  und  reiche  bürger 

*)  Jetzt  Jacobstrasse  Nr.  24~24b. 

*)  Der  untere  Teil  des  Bücheis  (Chr.  Quix,  Historisch-topographische  Beschreibung 
der  Stadt  Aachen  etc.  S.  8). 


—  28  — 

alles  ihr  hab  und  gut  geraubt  und  in  einen  armseligen  stand  versetzet, 
wodurch  dan  der  magistrat  und  rat  allhie  gerührt,  haben  sie  den  17.  nt^rz 
im  rat  beschlossen,  eine  koUekte  dui-ch  die  Stadt  anzustellen,  um  die  un- 
glückliche Kölner  in  ihrer  not  beizustehen,  welche  dan  den  18.  merz  1784 
von  den  bürgerkapitänen  mit  beisein  eines  beamten  gehalten  worden,  und 
folgens  das  kollektierte  geld  durch  den  herrn  Adenau,  adjudant,  den  magistrat 
in  Köln  überschickt  ^ 

April  den  3.,  sambstags  vor  palmsontag,  ist  Henrich  Neef  von  Köln 
gegeisselt  worden,  welcher  voriges  jähr  im  december  am  Kölnerthor,  indem 
er  in  den  kölnischen  postwagen  wolte  fortfahren,  arrestiert  worden,  aus  ordre 
des  herrn  bürgermeister  Henrich  Joseph  von  Thimus,  weilen  er  bei  ihm 
als  domestique  gedient  und  seinen  eigenen  herrn  bestohlen  hatte. 

Maij  den  2.,  sontags,  wurde  bei  den  p.  p.  kapuzinern  allhie  ein  drei- 
tägiges feste  wegen  beatifizirung  des  p.  Laurentii,  ehemaligen  general 
selbigen  ordens,  gehalten.  Sambstags  zuvor  wurde  diese  feierlichkeit  durch 
läutung^  aller  kirchen-glocken  kund  gemacht.  Sontags,  als  am  ersten  tag 
wurde  ein  musikalisches  hohe  amt  durch  den  hochwtirdigen  herrn  Buschelli, 
praelat  der  abtei  zu  Klosterrath,  gehalten,  wie  auch  des  abends  die  komplet. 
Montags  wurde  das  hohe  amt  wie  auch  die  komplet  von  den  hochwürdigen 
herrn  Cornely,  kanonikus  in  unser  lieben  frauen  Münster  wie  auch  vize- 
dechant,  im  namen  des  herrn  dechanten  gehalten.  Am  dienstag  wurde  der 
gottesdieust  gehalten  von  den  herrn  Cardoll,  kanonikus  et  vizepropst;  und 
also  diese  solemnität  durch  singung  des  Te  Deum  und  läutung  aller  kirchen- 
glocken  beschlossen  worden. 

1784  den  2.  maij,  sontags  nachmittag  zwischen  6  und  7  uhr,  hat  es 
gebrennt,  auf  dem  Fischmark  gegen  das  Grashaus,  das  zweite  haus  neben 
das  Spitzgässgen  bei  einem  beckermeister,  Kreitz  genant;  ist  aber  bald 
gelöscht  worden. 

Maij  den  25.,  dienstags  zwischen  5  und  6  uhr  nachmittag,  sind  solche 
dicke  hagelsteine  gefallen,  dergleichen  fast  niemand  gesehen;  die  dicke  war 
ein  taubenei  gleich,  und  was  noch  dabei  zu  merken,  dass  es  etliche  tag 
eine  ungewöhnlich  hitzige  Witterung  gewesen. 

Maij  den  26.,  mitwochs  nachmittag,  hat  es  in  Winandsbongart  gebrannt, 
von  dem  Kapuzinergraben  gerechnet,  das  fünfte  haus  rechter  band,  bei  herr 
Esser,  schörermeister;  ist  aber  durch  baldige  hülfe  gleich  gelöscht  worden. 

September  den  17.,  freitags,  ist  in  der  kirch  St.  Michaelis,  sonst 
bei  den  p.  p.  der  gesellschaft  Jesu,  ein  dreitägiges  Jubiläum  mit  der 
grössten  feierlichkeit  wegen  hundertjähriger  Übung  der  tod  angst  bruder- 
schaft  gehalten  worden. 


^)  J.  L.  Thelen,  Ausführliche  Nachricht  von  dem  erschrecklichen  Eisgange,  und 
den  Überschwemmungen  des  Rheins,  welche  im  Jahre  1784  die  Stadt  Köln,  und  die  um- 
liegenden Gegenden  getroffen.    Köln  (1784). 


-  29  — 

Anfangs  novembris  ist  aus  forcht  des  bevorstehenden  krieges'  eine 
erstaunliclie  menge  raobilien  und  andern  kostbarkeiten  aus  den  umbliegenden 
örtern  nach  hiesige  Stadt  geflüchtet  worden. 

Dezember  den  18.,  sambstags,  ist  das  freicorpo  des  grafen  von  Stein  mit 
ofentlichen  trommenschlag  durch  hiesige  stadt  zur  anwerbung  ausgangen. 

Anno  1785.  Januarius  den  ersten  und  zweiten  haben  die  reichsbauren 
die  erste  lieferung  von  heu  und  haber  gethan,  welches  sie  nach  Haaren 
und  Weyden  haben  fahren  müssen. 

Donnerstags  den  6.  dito,  des  abends,  ist  die  erste  vorwacht  der  kaiser- 
lichen trouppen,  welches  husaren  waren,  allhie  bei  der  hauptwacht  an- 
gelangt, welche  noch  selbigen  abend  sind  nach  CapelP  gewiesen  worden. 

Freitags  morgens  den  7.  dito  ist  die  erste  cologue  husaren  hie  an- 
gelangt, welche  nach  Kölnerpfort  einkamen,  über  das  Kompesbad  und  über 
die  Graben  nach  Junkersthor  hinaus  ihren  marsch  nach  Capell  fortsetzten. 

Nachdem  es  ungefehr  14  tag  stillstand  gewesen,  dass  hier  keine 
trouppen  durchmarschiert  sind,  haben  wir  heut  mitwoch  den  26.  januar 
wiederum  einen  durchzug  eines  detachements  miniirs  gehabt,  welche  nach 
KöUerpfort  hinein,  durch  KöUerstrass  über  den  Markt,  durch  Jakobstrass 
nach  Junkers thor  hinaus  marschiert  sind. 

Mitwoch  den  26.  januarij,  nachmittags  um  2  uhr,  hat  der  magistrat 
von  hier  einen  arrestanten  nach  Burdscheid  geliefert,  weil  er  sich  etliche 
tag  zuvor  alda  ausgebrochen. 

Freitags  den  4.  februar,  morgens  um  10  uhr,  ist  ein  detachement  der 
kaiserlichen  trouppen  hier  ankommen,  welche  bei  den  patren  minderbrüdern 
einquartiert  worden  sind,  eine  stund  hernach  sind  sie  mit  etliche  ankommende 
bagagewagen  wieder  abmarschirt. 

Sontags  den  6.  februar,  um  mittag,  ist  das  regiment  deutschenmeister 
hier  ankommen,  welches  in  den  mansklöstern  und  bei  etliche  bürgern  mit 
10,  20,  30,  40  man  einquartiert  worden.  Sie  nahmen  ihre  haubtwacht  am 
Mark  in  der  Löderläuf. 

Dienstag  den  15.  februar  ist  das  regiment  deutschmeister,  welches 
hier  in  der  stadt,  wie  auch  im  Aacherreich  einquartiert  gewesen,  abmarschiert; 
sie  nahmen  eine  grosse  menge  kanonen,  bomkesselen  und  pulverwagen  mit, 
welche  etliche  tag  vorher  vor  und  nach  ankommen  waren,  und  aussei* 
Küllerport  und  Adalbertsthor  gestellt  gewesen. 

Um    10   uhr  selbigen   morgen   nahm  seinen   durchzug  durch   hiesige 


*)  Es  handelt  sich  um  den  Konflikt  Josefs  II.  mit  den  HoUändern.  Der  Kaiser 
versuchte  durch  kriegerische  Bewerbungen  die  freie  Ausfuhr  auf  der  Seheide  zu  erzwingen, 
um  den  Handel  Belgiens  und  besonders  Antwerpens  zu  heben.  Durch  seine  Verbindung 
mit  Frankreich  wurde  Holland  in  den  Stand  gesetzt,  diesem  Versuche  mit  solchem  Nach- 
druck zu  begegnen,  dass  Josef  II.  von  seinem  Verlangen  abstand  und  sich  mit  einer 
Oeldentschädigung  und  mit  der  Aufliebung  des  drückenden  Barriere-Vertrages  (Utrechter 
Frieden  ITl.'J)  begnügte,  wonach  Holland  das  Besatzungsrecht  in  mehreren  Festungen  auf 
der  Österreichisch-niederländischen  Grenze  (Meniu,  Ypern,  Tournay,  Cond^,  Lille)  zustand. 

*>  Henri-Chapelle. 


-  30  — 

Stadt  das  kaiserliche  regiment  Preis,  welches  in  den  spanischen  dörfern' 
gelegen  gewesen.  Sie  kamen  nach  Pontthor  hinein,  nahmen  ihren  marsch 
über  den  Seilgraben,  Kompesbad,  über  den  Büchel,  zum  Mark  hinauf,  nach 
Jnnkersthor  hinaus. 

Dienstag  den  12.  april  ist  herrn  Leonard  Brammertz  zum  bürger- 
meister  erwöhlt  worden. 

Mitwoch  den  20.  april  ist  A.^  Startz  ausser  Junkersthor  auf  der 
jagd  von  seinen  eigenen  kamerad  durch  ein  ungliick  erschossen  worden. 
Er  war  wohnhaft  in  S.  Jacobstrass  in  S.  Servas,  seines  handwerks  ein 
waxkerzenmacher. 

Maij  den  13.,  freitags,  ist  eine  betagte  frau,  Elisabeth  Debill  genant, 
wohnhaft  in  Königsstrass,  gegeisselt  worden,  weilen  sie  eine  junge  dienst- 
magd,  (welche  bei  sieur  Startz,  ein  hutmacher,  gedient),  angeführt  hat, 
bei  ihren  herrn  hüt  zu  stehlen,  worauf  sie  das  eilfte  mahl  erdapt  ist  worden. 

Maij  den  22.,  am  hl.  dreifaltigkeitssontag,  haben  die  pater  Franziskanern 
ein  lOOjähriges  jubilaeum  gehalten,  welches  8  tag  nach  einander  gefeiert 
worden,  von  der  bruderschaft  der  kord  des  Hl.  Francisci,  welches  Jubel- 
fest von  papst  Pius  VI.  mit  vollkommenen  ablass  begnadiget;  den  ersten 
und  letzten  tag  wurde  prozession  gehalten,  die  kirch  wäre  mit  unter- 
schiedlichen  Sinnbildern  geschmückt  und  auf  das  prächtigste  ausstaffieret. 

Maij  den  30.,  montags,  ist  Wilhelm  Nevelstein,  welcher  den  26.  januarij 
von  hier  nach  Burdscheid  geliefert,  alda  mit  dem  schwerd  hingerichtet 
worden,  und  demnach  aufs  rad  gelegt. 

Junij.  den  30.,  donnerstag,  sind  hier  durchgereist  Maximilian,  erzbischof 
und  churfürst  zu  Köln,  und  Clemens,  erzbischof  und  chuifürst  zu  Trier. 
Jener  morgens  um  drei  und  dieser  morgens  umb  7  uhr.  Sie  nahmen  ihre 
reise  auf  Spaa. 

Julij  den  5.,  dienstags,  sind  um  zwölf  uhr  mittags  nach  Junkersthor 
eingekommen  seine  kurfürstliche  durchlaucht  und  erzbischof  zu  Mänz, 
Friedrich  Karl  Joseph,  und  die  verwittibte  frau  churfürstin  von  Bayern. 
Sic  stiegen  ab  bei  herrn  Rouis  in  Kolnstrass,  und  nachdem  sie  das  mittag- 
niahl  daselbst  eingenommen,  sind  sie  um  3  uhr  nachmittags  wiederumb 
nach  Köllerthor  ausgefahren. 

November  den  3.,  donnerstag,  da  jetz  der  frieden  zwischen  der  kaiser 
und  die  Holländer  geschlossen  und  nun  die  in  Braband  abgedankte  kaiser- 
liche freikorps  dieser  tagen  hier  durchpassierten,  sind  heut  auf  befehl  des 
herrn  bürgermeister  Brammertz  alle  bürger  ins  gewehr  gezogen,  weil  man 
von  diesen  gewehrlosen  leuten  eine  gewaltthätigkeit  besorgte. 

November  den   12.,   sambstags,   sind  auf  dem  Katschhof  durch    den 

')  Im  Munde  des  Volkes  heisst  die  Gebend  bei  Kohlscheid  und  Bardenberg  das 
„Spanische  Ländchen**. 

')  In  der  Chronik  von  Lennartz  unleserlich;  aus  der  ('hronik  von  Gicsen  ergänzt, 
die  auf  dem  Archiv  beruht.  Sie  umfasst  dieselbe  Zeit,  stimmt  mit  der  von  Lennartz  fast 
ganz  übereiu,  ist  aber  nicht  so  reichhaltig  wie  diese. 


—  äl  — 

henker  etliche  Schriften  voq  den  in  arrest  sitzemlen  hoIliliHiiiiH'hon  oAinio)^ 
verbrennt  wonlen,  weil  sie  gegen  den  fur^t  Wolfenbeutel  »reiichriobiM»  wäivu, 
denn  benennter  fnrst,  nachdem  er  in  Holland  flächti^r  woriten«  jotx  hier  sein 
aafentbalt  hat,  bei  mon^enr  Groyen  in  S,  Oarlsbad  aufm  i\uu|H^sbnd, 

NoTember  den  22..  dienstags  i:st  das  kaisorliohe  tmj^nu>rn>sfi«HMU  (\)- 
bourg  hier  darchroarschiert,  ins  reich  von  Aachen  haben  sie  nxsttn^  irohalton. 
Die  Staboffizier  sind  aber  hier  in  die  Stadt  geblieben,  bis  den  24,  ojusdom, 

November  den  24.,  donnerstag,  ist  wiederum  ein  bataillon  des  kobur^ 
gischen  tragonerregiment  hier  durchmarschiert;  sie  kamen  nacli  »lunkersthor 
hinein  und  ritten  Kollerthor  hinaus. 

November  den  26.,  sambstags,  ist  ein  bat ai Hon  wurmserliusai*on  hier 
durchmarschiert;  sie  nahmen  ihi-en  weg  wie  oben. 

November  den  30..  mitwoch,  sind  drei  bataiUon  von  das  dragoner- 
regiraent  Toscana  nach  Junkersthor  einkomen  und  sintl  teils  nael»  Ki^llor-, 
teils  nach  Adalberts-  und  Marschierthor  ausgezogen, 

Dezember  den  3.,  sambstags.  sind  etliche  wagen  und  kanonon  binv 
ankörnen,  welche  zwischen  Adalberts-  und  KöUerthor  sind  gestellt  worden, 
Sie  sind  andern  tags  wieder  abgefahren. 

Dezember  den  6.,  dienstags,  sind  eine  konipagnio  kaiionier  mit  et  liehen 
wagen  und  kanonen,  wie  auch  eine  kompagnie  niusqnetier  hier  ankommen^ 
sind  aber  andern  tags  wieder  fortgangen. 

Dezember  den  9..  freitags,  ist  das  kaiserliche  infanterie-regiment  Prein 
mit  34  kanonen  nach  Junkersthor  hineinkommen;  die  truppen  nrnrnehierten 
teils  nach  Pontthor  und  teils  nach  Sankelthor  hinauK;  ein  teil  hlieh  hier 
mit  den  kanonen,  welche  ausser  Adalbertsthor  gestellt  wurden,  andern 
tags  marschierten  sie  fort. 

Dezember  den  12.,  montags,  ist  das  regiment  ileniHchmeiHter  nach 
Junkerstbor  einkomnien  und  ist  hier  einiiuartiert  worden;  andiMMi  tagH 
morgens  ist  es  nach  KöUerthor  auH  fortnuirschiert,  sunit  den  kanonen  nnd 
Wagens,  deren  sie  eine  menge  bei  sieh  halten. 

Anno  1786  jannar  den  IJ.,  dienntagH,  int  in  der  acht  anf  dem  K'atHch- 
hof  den  5  in  verhaft  geHehsenen  liollilndiHehcn  olllzierH  wegen  saelien  den 
herzogs  Wolffenbeutel  ihre  hcoUmi/  verleben  worden,  woranf  ihrer  dr*d 
frei  erklärt,  die  ander  zwei  aher  nniNten  in  24  stund  die  stadt  und  Hnrd- 
scheid  quitieren. 

JanuariuH  d(;n  5,,  donnerhtag  nior^enH  nmb  7  nhr,  hat  ex  gebrand 
an  dem  Berg  bei  einen  spiM'kraneher,  Mliller  genant.  Ileni  iht  vid  Hpcck 
verbrand. 

Merz  den  :il.,  rrcita^^H,  i»l  von  l'iiuf/Mhu  Huii*ry.oU'Uui*ii*n  \iiU'Ui*vn  eine 
Schrift,  Ijesteheuil  in  arht/jg  urtickcjcn,  in  dem  kleinen  rat  inHinuicrt  wordi^n, 
welche  herr  blh^'crMM'iHler  Stephan  l)oniinicii>s  Danven  beantwor(4*n  und 
widerlegen  nins?^. 

Maij  den  0,,  haml)h(;i;.'H,  i^(  heine  k,  k,  lioheit  Ferdinand  (Jarl  Ant4m, 
herzog  von  Mailand,  er^her/^>g  von  ihianitUM^  allhier  ankornuieu.    Kr  nahm 


—  32  — 

seine  einkehr  aufm  Korapesbad  bei  herrn  Fincken  im  Goldenen  Drach. 
Sontags  um  halb  zwölf  uhr  wohnte  er  das  amt  der  h.  messe  bei,  welches 
im  Münster  am  muttergottesaltar  vom  herrn  Corneli,  vizcdechant,  gehalten 
worden.*  Nach  diesem  wurden  ihm  alle  raritäten  der  kirche  gezeigt,  von 
(lanuen  er  sich  nach  dem  rathause  begab,  nachdem  er  nun  allda  auch 
alles  besichtiget,  verfügte  er  sich  nach  sein  logis,  von  da  er  sich  noch 
selbigen  tag  nach  Lüttig  begab. 

Maij  den  29.,  montags,  hat  magistratus  durch  die  sogenannte  meckelei  ^ 
die  beckergafFel  verspielt. 

Junij  den  3.,  sambstag,  ist  die  schmidgaffel  von  der  sogenannten  neuen 
partei  gewonnen  worden. 

Junij  den  7.,  mitwochs,  hat  die  neu  partei  das  scliörenhandwerk 
gewonnen. 

Junij  den  13.,  dienstags,  hatten  die  krämerzunft  ihren  Wahltag;  die 
von  der  alten  partei  hatten  über  hundert  unfäliige  auf  ihre  seiten;  die 
von  der  neuen  partei,  nachdem  sie  den  braten  geschmekt,  wollen  besagte 
unfähige  nicht  zur  wähl  lassen,  worüber  auf  dem  wahlsaal  einen  streit 
entstanden,  wobei  die  alte  partei  den  kürzern  gezogen;  weil  nun  wegen 
des  tumults  die  herren  gräfen  nicht  zur  wähl  schreiten  wollten,  ist  die 
ganze  alte  partei  von  der  neuen  mit  prügeln  herunter  geschlagen  und 
erwählten  folgends  unter  ihnen  neue  gräfen,  als  herren  Simon  Hennes  und 
Stephan  Brauers. 

Folgenden  tags,  welcher  zur  ratswahl  bestimmt  wäre,  liesse  sich  keiner 
von  der  alten  partei  einfinden;  uneracht  dessen  ernenten  sie  ihre  ratsherren. 

Der  herr  Stephan  Dominicas  Dauven,  welcher  über  diese  wähl  un- 
zufrieden, verbotte  allen  zünften,  unter  poen  von  200  goldgülden,  die  frohn- 
leichnamsprozession,  welche  den  15.  junij,  beizuwohnen;  diesem  ungeachtet 
fanden  sich  die  zünften  in  grosser  anzahl  ein,  ausgenohmen  die  herren  vom 
boock^,  die  herren  löder  und  die  herren  bräuer. 

Donnerstags  den  22.  junij  käme  ein  ratsüberkömmst  heraus,  in  welche 
von  einem  erbaren  rat  besclilossen,  für  dissmal  den  halben  rat  nicht  zu  reno- 
vieren, auch  weil  das  auf  und  abgehen  zu  und  von  dem  rathaus  für  die  rats- 
verwandten gefahrlich  (dan  das  volk  ihnen  ziemlich  angezepft)  sollhin  fort 
kein  rat  mehr  gehalten  werden,  bis  daran  die  sache  von  ihro  k.  k.  majestät 
untersucht  wäre,  dan  nachdem  die  krämcr  von  der  neuen  partei,  so  mit 
prügeln  ihre  gegner  abgespeist,  haben  bei  die  andere  zünften,  so  noch  zu 
wählen  hatten,  die  von  der  alten  partei  nicht  erscheinen  dürfen,  aus  forcht, 
sie  möchten  wie  die  krämer  mit  gleicher  münz  bezahlt  werden. 

So  bald  die  bürger  von  diesem  ratsschluss  gehört,  haben  sich  gleich 
etliche  hundert  mit  prügelen  vor  des  bürgermeisters  behausung  gelagert, 


')  F.  P.  E.  Croiicnberg,  Die  Mäkelei  oder  Stadtrathswahlgeschichten  aus  dem 
vorigen  Jahrhundert.  -  Diese  Schrift  vertritt  einen  einseitigen  Standpunkt.  Vgl.  Zur 
Geschichte  der  Mäkelei  bei  v.  Fürth  a.  a.  ().  Bd.  I,  S.  144  ff. 

')  Die  Bockzunft  oder  die  Zunft  der  Gelehrten. 


—  33  — 

welcher  in  der  goldsteinischen  behausung  an  der  ehemaligen  jesuiterkirch 
wohnte. 

Von  diesem  aufstand  ganz  erschreckt,  komt  der  schöpfen  bttrger- 
meister,  freiherr  von  Wylre,  sich  legend  in  die  fenster  des  bürgermeisters 
hause,  fragend  die  bürger,  was  ihr  begehren  were.  Selbige  antworteten:  wir 
wollen  morgen  die  ratsherren,  so  wir  aus  den  zunften  erwehlt,  in  dem  rat 
aufgenommen  haben.  Er  antwortet  ihnen:  rufet  nur  die  ratsdiener,  so  werd 
ich  gleich  den  rat  für  morgen  berufen  lassen.  Welches  dan  auch  geschehen, 
mithin  aber  die  bürger  in  ihrer  belagerung  verharreten,  aus  anstiftung 
des  herren  scheffen  Martin  von  Lonneux,  als  das  haupt  der  neuen  partei. 

Freitag  den  23.  junij  wurden  die  neue  ratsglieder  zum  rat  aufge- 
nommen. Nach  diesem  wurde  die  bürgerliche  belagerung  von  des  bürger- 
meisters und  anderer  beambten  häuser  fortgenohmen. 

Sambstag  den  24.  junij,  als  an  St.  Johann  Baptist  tag,  wurden  die 
herrn  beambten  erwehlt,  wobei  aber  unter  den  alten  und  neuen  rats- 
verwandten einige  misshelligkeiten  vorfielen,  so,  dass  einer  von  der  alten 
partei  den  herrn  Schöffen  Lonneux,  welcher  auch  unter  den  ratsverwandten 
gehörte,  nach  den  gurgel  griffe.  Der  pöpel,  welcher  mit  hunderten  auf 
dem  Markt  versammlet  und  mit  prügeln  wol  versehen  wäre,  sobald  sie 
einige  advis  von  dieser  faktion  erhalten,  besezen  gleich  die  unterste  stiegen 
des  rathauses  und  folgens  um  drei  uhr  nachmittags,  da  der  rat  noch  nicht 
vollendet,  laufen  sie  mit  grossem  tumult  zum  rathause  hinauf,  schlagen 
die  thtir  des  ratszimmers  auf  und  schlagen  mit  grosser  ungestüm  die  rats- 
herren und  beamten  von  der  alten  partei  vom  rathause  herunter,  und  ist 
fast  keiner  unverwund  davon  kommen,  wären  auch  schier  alle  tod  geblieben, 
wenn  nicht  die  ratsherren  von  der  neuen  partei,  wie  auch  der  herr  vogt- 
mayor,  freiherr  von  Geyer,  ihnen  so  gut  sie  konten,  beschützt  hätten. 

Nun  wäre  das  rathaus  ein  aufenthalt  des  pöbeis  bis  gegen  abend, 
da  die  bürgerkompagnie  aus  Königstrass  das  rathaus  einnähme  und  den 
pöbel  in  aller  gute  hiesse  fortgehen. 

Sontags  den  25.  junij  zog  wiederumb  eine  andere  bürgerkompagnie 
zur  wacht,  so  die  vorigen  ablöseten.  Und  so  unterhalten  sich  die  bürger- 
kompagnien  noch  täglich  auf  die  wacht  zu  ziehen. 

*  Die  bürger  wollen  sich  nicht  zur  ruhe  begeben,  es  seie  dann  kurzum 
der  bürgermeister  Stephan  Dominions  Dauven  seines  ambtes  entsezet.  Um 
diesem  lärmen  abzuhelfen,  wird  montags  den  26.  junij  nachmittags  umb  diei 
uhren  der  gross  und  kleine  rat  beruffen,  und  weillen  die  vatsverwandten 
von  der  alten  partei  nicht  erschienen,  wurden  an  dessen  stelle  von  jeder 
zunft  drei  deputierte  erwehlt.  Um  nun  fried  und  ruhe  wiederherzustellen, 
der  herr  bürgermeister  Dauven  vormittag  schriftlich  sein  ambt  quittiert 
hatte,  dem  uncracht  wird  von  dem  rath  eine  deputation  an  ihme  geschickt, 
in  dessen  gegenwart  er  nochmals  quittierte,  welches  ihm  nachgehens  gereuet 
und  als  eine  ihm  abgezwungene  sach  angegeben. 

Nach  diesem  wird  am  gemeldten  tag  anstatt  des  bürgermeister  Dauven 


—  34  — 

der  herr  scheffen  De  Lognay  als  beisitzer  erwehlt,  auch  werden  bei  jeden 
beambten  einen  beisitzer  ernennt,  welches  aber  die  herrn  bearabten  wie 
auch  die  ratsherren  von  der  alten  partei  nicht  gefallen  wolte,  deswegen 
sie  sich  samt  ihren  btirgermeister  Dauven  wie  auch  den  scheffen  bürger- 
meister,  freiherr  von  Wylre,  abwesend  und  aus  der  Stadt  gemacht,  teils 
in  Burdscheid,  in  Cornelimünster  und  anderswo,  alswo  sie  nun  für  ihro 
k.  k.  majestet  ihr  recht  suchen. 

Auch  ist  wegen  ihrer  abwesenheit  in  etliche  wochen  kein  rat  gehalten. 

Den  18.  julij,  dienstags  nachmittags  um  sieben  uhren,  ist  nach  Junkers- 
thor einkommen  Maximilian  Franz  Xavier,  churfürst  zu  Köln  \  und  dessen 
bruder  Ferdinand  Karl  Anton,  herzog  zu  Mailand,  beide  brüder  kaiser 
Joseph  der  zweite.  Nachdem  sie  aufm  Kompesbad  bei  herrn  Finken  im 
Goldenen  Drach  abgestiegen,  giengen  sie  um  halb  acht  uhr  nach  unser 
lieben  frauen  Münster,  wo  ihnen  durch  die  herren  kanonikus  die  kleine 
reliquien  und  andere  kostbarkeiten  gezeigt  worden.  Abends  wohnten  sie 
den  ball  auf  dem  neuen  ballsaal  bei. 

Den  19.  julij,  mitwochs  vormittags  um  neun  uhren,  besahen  seine  chur- 
fürstliche  durchlaucht  das  rathaus,  allwo  sie  von  dem  herrn  sindikus  Denys 
und  herrn  sekretarius  Beckers  im  nahmen  der  bürgermeister  empfangen, 
weilen  dieselben  annoch  abwesend  waren.  Um  eilf  uhren  sind  seine  durch- 
laucht wieder  fortmarschiert. 

In  diesem  monat  haben  die  herren  canonici  im  Münster  das  köstliche 
gewölb  über  den  muttergottesaltar  abbrechen  lassen. 

Den  31.  julij,  auf  Foilans  kirmesmontag,  hat  ausser  St.  Adalbertsthor 
in  der  Steinkull  sich  mit  eine  pistole  erschossen  herr  Joseph  Fischer, 
btirgerhauptmann,  in  Winandsbongart  wohnhaft.  Er  ist  etliche  jähren  närrisch 
gewesen,  darum  wurde  von  gerichtswegen  erlaubt,  ihm  in  St.  Foilans  kirche 
zu  begraben,  welches  dan  noch  selbigen  abend  ganz  still  geschehen. 

August  den  3.,  donnerstags,  ist  durch  einen  wexelär  kammerbott  hier 
an  den  Strassen  und  zunftstuben  ein  kaiserliches  mandat  angeschlagen 
worden,  welches  auch  sontags  den  6.  auf  den  kanzeln  ist  verlesen  worden, 
kraft  dessen  sich  die  abwesenden  ratsbeambten  in  zeit  von  vierzehn  tagen 
hier  auf  dem  rathause  einfinden  und  ihre  ämbter  verwalten  selten,  unter 
poen  20  mark  lötigen  golds. 

August  7.,  montags,  ist  von  den  herren  canonici  aus  unser  lieben  frauen 
Münster  in  St.  Foilan  als  proffion  eingeführt  worden  der  ehrwürdige  herr 
kanonikus  Friederich  Georg  Franz  freiherr  von  Mylius. 

August  8.,  dienstags  nachmittag  um  vier  uhr,  ist  nach  Junkersthor 
eingeritten  seine  churfürstliche  durchlaucht  von  Bonn,  Maximilian  Franz 
Xavier.  Er  stieg  ab  aufm  Kompesbad  im  Goldenen  Drach  bei  Finken;  ist 
auch  noch  selbigen  nachmittag  fortgefahren  nach  Köln. 

')  H.  Hüffcr,  Maximilian  Franz,  Kurfürst  von  Köln.  (Gub.  am  8.  Dezember  1756, 
gest.  am  27.  Juli  1801.)  Leipzig  188.j.  (Abdruck  aus  der  Allgemeinen  Deutschen 
Biographie.) 


—  35  — 

Oktober  den  9.,  monta^,  war  der  tag,  au  welchem  herr  Blaiuiiard 
in  gegenwart  tausenden  Zuschauer  seine  luftreisse  unternahm.  Um  «wei 
uhr  nachmittag  wnrde  die  neugierde  der  Zuschauer  befriediget,  da  er  aus 
dem  jesuitergarten  aufsteigend,  in  die  luft  erschiene.  Er  nahm  seinen  nuu^sch 
nach  Juukersthor  hin,  alsbald  aber  drchete  sich  der  wind  und  nötigte  ihn 
über  Pontthor  zu  fliegen,  wo  er  sich  dann  auf  die  Klinckheyd,  anderthalb 
stund  von  hier,  niederliesse.  Von  dannen  er  in  einen  vierspännigen  mit 
noch  anderen  herrschaftlichen  wägen  begleitet,  hier  auf  dem  rathause  an^ 
kam,  wo  er  von  der  dort  anwesenden  magistrat  mit  dem  bUrgorrechte 
beschenket  wurde '. 

November  den  11.,  sambstag,  ist  die  lezte  bürgerkompagnie  auf  die 
wacht  gezogen,  hinfüru  zogen  täglich  4  bttrger  auf,  um  die  neumanns- 
kammer^  zu  bewahren. 

November  den  20.  ist  zu  Wexlar  ein  decrctum  verfertiget,  wodurch 
den  akzispächtern  befohlen  worden,  an  den  in  Aachen  anwesenden  magistrat 
als  ihre  rechtmässige  obrigkeit  zu  bezahlen. 

Anno  1787. 

Den  15.  januarius,  montags  morgens  um  2  uhr,  hat  Paulus  Lonnerts, 
wirt  in  die  Fontz  in  Jakobstrass,  aus  seine  fenster  mit  einen  flintenschuss 
erschossen  Leonard  Klein,  wohnhaft  an  Jakobsthor. 

Den  6.  februarius,  dienstags,  hat  sein  demutvolles  leben  geendiget  der 
hochwürdige  herr  Guilielm  Raymund  Lamorald  Joseph  freiherr  von  Hierens, 
kanonikus  und  dechant,  welches  letztere  amt  er  42  jähr  rnhmwürdigst 
verwaltet  hat. 

Den  26.  merz,  montags,  ist  der  herr  Schöffen  de  Lonneux  sampt  ein 
wexlarischen  doktor  von  Wexlar  zurückgekommen.  Kr  wurde  von  eine 
menge  wagen  &  chaisen,  worin  die  fürnehmste  herron  der  neuen  partei  Hassen, 
wie  auch  von  den  jakobstrasser  Junggesellen  eingeholt.  Hei  dieser  aktion 
war  eine  so  grosse  menge  volks  auf  den  beinen,  desgleichen  Aachen  nieimil 
gesehen.  Sobald  sie  an  Köllerthor  ankamen,  wnnle  auf  den  wall  ein  carljong'' 
von  760  kammeren  losgebrant.    Kr  brachte  das  nrtel  über  die  strittigkeiten 

')  £.  PaulH,  Der  Luftschiffer  Fran^  lilanchtird  zu  Aachen  im  Juhro  17H0.  (Auh 
Aachens  Vorzeit,  IT.  Jahrffanjjf,  S.  53.) 

*)  Die  sechs  Neumftnnor  waren  HtäiHiMclic  Flnunzl>earnte,  wel<'.h<'  ilen  RentmeiHteru 
untersteUt  un<l  zu  deren  KnllaHtun^  in  nachinittHalterlich<;r  Zeit  (daher  der  Name)  aJH 
besondere  Keamtenklasse  anj^eordnet  wurden.  Sie  hattt^n,  weni«HtenH  zuletiit,  „den  Htadt- 
Empfan^  und  Ausj^ab"  zu  besorgen,  waren  aber  bei  beiden,  ab^eiieben  von  den  unmittel- 
baren Ordres  der  liUr^jermeihter  und  in  Bauna^then  der  Baumeister,  re^elmitsHlK  an  die 
vorherit^e  «chriftliche  Anweisunj;  der  H<*ntmeisli*r  «ebundeUf  an  die  hie  auch  alle  Vierzehn- 
nächte nach  Virlesung  ihrer  E<;chnunj(en  im  Hat  die  ÜbermdiÜHHe  abführen  muHsten.  Die 
Amtsperiode  der  N(*umiinn<T  dauert«;  drei  Jahre;  Ihr  Jahresj^ehait  betrujf  I.V)  anehener 
3fark  und  für  d<*n  Dienst  in  d<'r  Mai/waK«*  1200  Mark  i\i.  l'iek). 

^)  Von  carillon  Olockennpiel,  Toni«tüi;k,  Lftrra.  Man  verstand  darunter  ein  Ab- 
feuern der  Kanonen  (Böller)  nach  Art  eines  Peloton feuerii. 


—  36  — 

der  alten  und  neuen  partei  mit  sich,  welches  aber  durch  eine  kominission 
entschieden  werden  solte. 

Den  29.,  donnerstags,  kraft  der  von  herrn  Lonueux  mitgebrachten 
senteur  käme  bürgenueister  Wylre  samt  vor  und  nach  die  übrige  rats- 
beamten  der  alten  partei  von  Burdscheid  zurück,  wo  sie  sich  seit  vorigen 
jähr  aufgehalten  hatten. 

Den  30.  merz,  freitags,  wurde  zum  ersten  mal  von  den  ratsherren 
der  alten  partei  die  ratssession  beigewohnt,  es  wurden  aber  2  von  die 
neue  und  23  von  die  alte  partei  als  unfähig  erklärt  und  fortgewiesen,  woran 
sich  die  alte  partei  doch  nicht  gestört. 

April  den  16.,  montags,  haben  die  herren  canonici  in  unser  lieben 
frauen  Münster  den  hochwürdigen  herrn  kanonikus  und  vizeprobst  Konrad 
Hermann  Cardoll  zu  ihren  dechant  erwählt. 

April  den  24.,  dienstags,  ist  in  dem  gross  und  kleinen  rat  durch  einen 
wexlarischen  kommissarius,  doktor  Rasor,  ein  mandat  vorgelesen  worden, 
in  gemässheit  dessen  nach  kassierung  der  polizeikommission  die  vorher  aus- 
getretene, nunmehr  aber  folgens  des  urteils  wieder  erschienene  ratsglieder 
und  beamten  in  ruhigem  besitz  ihrer  ämter  wiederum  gesetzet  worden  sind. 

April  den  25.,  mitwochs,  wurde  durch  einen  kammergerichtsbotten  am 
rathaus  und  öffentlichen  platzen  ein  mandat  affigiert,  wodurch  die  bürger 
ermahnt  wurden,  den  nun  wieder  ergänzten  magistrat  als  ihre  obrigkeit 
zu  erkennen  und  zu  gehorsamen,  sich  alles  zusammenrottens  und  ruhe- 
störens  zu  enthalten. 

Maij  den  2.,  mitwoch,  ist  ein  neuer  auftritt  allhier  gewesen,  woran  die 
auf  ordre  bürgermeister  Wylre  in  Burdscheid  angeworbene  Soldaten  ursach 
gewesen.  Eine  deputatschaft  der  bürger  haben  den  bürgermeister  Wylre 
vorher  gewarnet,  er  solte  die  angeworbene  Soldaten  nicht  einrücken  lassen, 
denn  die  bürger  wölten  dieselbe  nicht  leiden.  Nichts  destoweniger  kamen 
am  maiabend  einige  manschaft  herein,  welche  die  hauptwache  einnahmen; 
am  maitag  wolten  die  alte  Soldaten  mit  diesen  neuen  nicht  paradieren, 
auch  die  bürger  beschimpten  und  schryen  ihnen  nach,  welches  sie  sehr 
verdrösse;  dorften  sich  aber  nicht  rächen;  bis  endlich  den  zweiten  maij 
ein  neuer  und  alter  soldat  in  streit  gerieten  und  sich  auf  dem  Markt  mit 
ihr  Seitengewehr  schlugen,  wo  dan  etliche  bürger  zuliefen  und  den  alten 
Soldaten  partei  hielten.  Der  Werkmeister  Buchholz  und  baumeist  er  Thenen, 
welche  auf  die  kanzlei  stunden,  gaben  order,  feuer  zu  geben,  welches  von 
den  neuen  Soldaten  gleich  geschähe  und  vier  kugeln  bei  schreinermeister 
Ridder  in  die  glasfenstern  schössen.  Sobald  die  bürger  diss  gewahr  wurden, 
rottierten  sie  sich  aus  allen  Strassen  auf  dem  Markt.  Alsbald  wollten  sie 
von  bürgermeister  Wylre  diss  sogenannte  freicorpo  abgeschaft  haben,  weil 
aber  dis  nicht  geschähe,  wollten  sie  alle  aus  die  wacht  schlagen,  welches 
auch  geschehen  wäre,  wofern  nicht  einer  vor  und  der  andere  nach  das 
gewähr  gestreckt,  freiwillig  herausgangen  und  vivat  Lonneux  gerufen,  wo- 


—  37  — 

durch  sie  durch  htilf  etlicher  bürger  ihren  rücken,  auch  wohl  ihr  leben 
gerettet,  ausgenommen  einige,  welche  etliche  schlag  und  löcher  am  köpf 
bekommen  haben.  Um  7  uhr  abends,  weil  noch  immer  ein  tuniult  wäre, 
zohe  die  königsgrafschaft  auf  die  wacht,  um  das  rathaus  zu  schützen. 

Den  6.  maij,  mitwoch  abends  zwischen  8  und  9  uhr,  sind  auf  anhalten 
der  magistrat  300  mann  churpfölzische  truppen  hier  eingeruckt,  um  die 
von  derselben  angebliche  unruhen  und  Unfreiheiten  zu  stören.  Die  offiziers 
wurden  bei  die  ratsbeamten  und  andere  anhänger  der  alten  partei,  die 
gemeine  aber  in  etliche  klöster  einquartiert. 

Den  19.  maij,  sambstags,  haben  die  kreiskommissarien  auf  dem  rat- 
hause ihre  erste  Session  gehalten,  welche  hiehin  kommen,  um  die  strittig- 
keiten der  beiden  alt  und  neuen  partei  zu  untersuchen.  Es  wäre  im  namen 
seiner  churfürstlichen  durchlaucht  zu  Bonn,  als  bischoffen  zu  Münster,  lierrn 
Pfingsten;  im  nam  seiner  königlichen  majestät  von  Preussen,  als  herzog 
zu  Kleve,  herrn  von  Dohm;  im  nam  seiner  churfürstlichen  durchlaucht  zu 
Pfalz,  als  herzog  zu  Gülich,  herrn  von  Grein. 

Maij  den  20.,  sontags,  sind  die  churpfalzische  truppen  aus  die  klöster 
genommen  und  alle  in  das  jesuiterkollegium  einquartieret  worden. 

Den  23.  maij,  mitwoch,  ist  zum  bürgermeister  erwählt  worden  der  herr 
baron  Franz  de  Broe,  ein  anhänger  der  alten  partei,  welcher  ebenso  wenig 
vermögen,  als  tugend  und  ansehen  hatte  ^  Die  churpfalzische  truppen  hatten 
an  diesen  tag,  solang  die  wähl  daurte,  alle  Strassen,  welche  zum  Markt 
führten,  stark  besetzt,  und  wurde  ausser  die  ratsherren  kein  mensch  zum 
Markt  hinauf  gelassen. 

Junij  den  2.,  sambstags,  ist  aus  ordre  der  herren  bürgermeistere  De 
Broe  und  Oliva  der  zimmerleutzunftskaste  mit  gewalt  der  pfälzischen  und 
Stadtsoldaten  aufgebrochen  und  zum  rathaus  gebracht  worden,  ungeachtet 
ein  dekret,  welches  die  kreiskommissarien,  so  etliche  tag  verreist  gewesen, 
hinterlassen  haben,  gemäss  dessen  von  beiden  parteien  zur  Störung  der 
ruhe  nichts  unternommen  werden  solte.  Weil  sie  widerstand  beförchteten, 
haben  die  pfälzische  truppen  alle  bürger  von  dem  Markt  und  umliegenden 
Strassen  weggeschaft. 

Junij  den  15.,  freitags,  ist  ein  kleinsrats  überkömst  ergangen,  kraft 
dessen  nur  8  zünften   zur  ratswahl  schreiten  selten,   nemlich   die  herren 

*)  Der  hier  charakterisierte  Franz  von  Broe  von  Diepenbend  war  der  Schwiet^er- 
vater  des  bekannten  Freiherrn  von  der  Trenk,  der  für  die  Gastfreundschaft,  die  er  in 
Aachen  fand  und  die  seinem  durch  eigene  Schuld  verdorbenen  Leben  15  verhältnismässig 
ruhige  Jahre  gewährte,  seinen  Dank  dadurch  abstattete,  dass  er  in  seinen  Memoiren  die 
ganze  ihm  eigene  Vcrleumdungskunst  aufbot,  um  Aachen  in  Verruf  zu  bringen.  Er  that 
dies  hauptsächlich  aus  dem  Grunde,  weil  er  seiner  Händelsucht  hier  tiicht  nach  Gefallen 
fröhnen  konnte  und  seinen  Bemühungen,  den  atheistischen  Aufkläricht  seiner  Zeit  in  littcra- 
rische  Münze  umzusetzen,  besonders  von  kirchlicher  Seite  erfolgreicher  Widerstand  entgegen- 
gesetzt wurde.  Es  wäre  eine  dankenswerte  Aufgabe,  dem  Treiben  dieses  halbgebildeten 
und  frivolen  Skribenten  in  Aachen  noch  tiefer  auf  den  Grund  zu  gehen,  als  es  Alfred 
von  Reumont  bereits  gethan  hat  (Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts Vereins  Bd.  VI,  S.  199). 
Das  Lügengewebe  seiner  Memoiren  ist  noch  immer  nicht  genügend  zerrissen. 


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vom  Stern  ^  Werkmeister,  fleisclihacker,  löder,  Schneider,  pelzer,  Schuhmacher 
und  bräuer.  Doch  solten  die  neu  erwehlte  nicht  zum  rat  aufgenommen, 
auch  der  halbe  rat  nicht  umgewechselt  werden,  bis  daran  die  Streitsachen 
in  Wexlar  entschieden  wären. 

Junij  den  16.,  sambstags  morgens  früh,  haben  die  neue  Stadtsoldaten 
sich  mit  gewalt  eingebroclien,  bei  Morro  an  Königswall  ins  Mermelsträsschen  ^ 
Einer  von  ihnen,  Caflfe  genannt,  ist  hart  geschossen  worden.  Etliche  von 
der  neuen  partei,  wobei  Herr  van  Hauten  wäre,  welcher  den  21.  ejusdem 
gräf  bei  der  krämerzunft  erwählt  worden,  nahmen  sie  gefänglich  mit,  letztern 
setzten  sie  gar  ins  Gras  gefangen.  Nachdem  die  arrestanten  nachmittags 
bei  die  herren  von  Dohm,  von  Grein  und  Finckenbeck  [letzterer  ist  an  platz 
des  herrn  Pfingsten  hiehin  kommen]  ^  in  verhör  gewesen,  sind  sie  alle  frei- 
gesprochen worden. 

Junij  den  18.,  montags,  ist  ein  dekret  von  Wexlar  ankommen,  gemäss 
dessen  alle  zunften  zur  wähl  schreiten  solten.  Wenn  sich  aber  eine  strittig- 
keit vorfünde,  welche  zu  den  ratspräsentationswahlen  einen  einfluss  hätten, 
solten  selbige  von  den  herren  koramissärs  entschieden  werden.  Auch  solten 
die  neuerwählte  zum  rat  angenommen  und  der  halbe  rat  renoviert  werden. 

Vom  16.  bis  den  22.  junij  sind  ausser  den  Werkmeistern,  fleisch hauer 
und  löder  alle  zunften  ratswahlen  auf  Seiten  der  neuen  partei  ausgefallen. 

Juni  den  24.,  sontags,  sind  die  erste  beamten  auf  Seiten  der  neuen 
partei  erwählt  worden.  An  diesem  Tage  hat  der  rat  bis  abends  zwischen 
10  und  11  uhr  gewährt.  Die  bürgermeistern  De  Broe  und  Oliva  sind 
wegen  vorfallenden  strittigkeiten  vor  endigung  desselben  nachmittags  früh 
fortgegangen. 

In  diesem  monat  junij  sind  die  alte  denkmäler  der  St.  Aldegunden- 
kapell  wegen  besorgenden  gefahren  niedergelegt  und  an  dessen  stelle,  zum 
favoir  und  auf  kosten  des  herrn  canonici  Moulan,  dessen  behausung  nechst 
dabei  gelegen,  ein  garten,  mit  einer  ringmauer  umgeben,  gebauet  worden. 

Julij  den  2.,  montags,  ist  einer  im  Kolbert  ersoffen  gefunden  worden, 
welcher  Krachan  hiesse,  wäre  in  Königsstrass  wohnhaft. 

Julij  den  16.,  montags,  sind  aus  ordre  der  herren  kommissarien  zwei 
arrestanten,  welche  als  klüppelmänner  angegeben,   aus  das  Gras,  wo  sie 

*)  Die  Stcrnznnft,  so  genannt  nach  ihrem  Zunfthaus  (Leufe),  dem  Haus  zum  Stern 
auf  dem  Marktplatz.  Die  Zunft  bestand  aus  Adligen.  Vgl.  Quix,  Historisch-topographische 
Beschreibung  der  Stadt  Aachen  etc.  S.  148.  —  Theodor  Oppenhoff,  Die  Aachener 
Sternzunft.  Nach  Handschriften  dargestellt  (Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtavereins 
Bd.  XV,  S.  236). 

■)  Jetzt  zur  Mauerstrasse  gehörend. 

*)  Der  Name  des  münsterschen  Kommissars  ist  Forckenbeck.  Es  handelt  sich  um 
zwei  Brüder,  Max  und  Franz.  Beide  waren  münstersche  Geheim-  [d.  h.  Regierungs-]  Räte 
und  in  der  Aachener  Angelegenheit  thätig.  Max,  der  jüngere,  wurde  zuerst  nach  Aachen 
geschickt  und  scheint  beim  Abschluss  der  Kommissionsverhandlungcn,  vielleicht  zur  Mit- 
unterzeichnung, noch  einmal  hier  gewesen  zu  sein.  Wir  verweisen  auf  die  sie  betreffenden, 
im  Anhang  mitgeteilten  Aktenstücke,  die  wir  der  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Bürger- 
meisters a.  D.  Oskar  von  Forckenbeck  verdanken. 


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gefangen  gesessen,  nacli  der  Jesuiter  kollegium  geführt  worden.  Hinforo 
sollen  alle,  so  man  habhaft  wird,  alldort  gefangen  gesetzt  werden. 

August  den  13.,  montags,  ist  ein  starkes  kommando  pfälzische  truppen 
von  hier  ausgeruckt  nach  das  land  von  der  Heiden,  allwo  sie  drei  klüppel- 
niänner,  als  Sedler,  Gärtner  und  Heidgens,  welche  allda  arrestiert  waren, 
abgeholt  und  hiehin  gebracht  haben. 

August  den  30.,  donnerstags,  hat  ein  kommando  der  hiesigen  pfalzischen 
truppen  in  Durwis  ein  klüppelraan,  Peter  Leist,  abgeholt  und  hiehin  gebracht. 

Oktober  den  3.,  mitwochs,  ist  zum  erstaunen  der  neuen  partei  und 
leidwesen  der  mehresten  burgern,  der  herr  scheffeu  De  Lonneux  und 
doktor  Vossen,  beide  häupter  der  neuen  partei,  von  den  anwesenden  herren 
komraissarien  mit  arrest  belegt  worden.  Ersterer  ist  auf  dem  rathause 
in  der  bibliothek,  letzterer  hinter  dem  rathause  in  dem  garten  geführt. 

Oktober  den  8.,  montags,  haben  die  tanzschüler  des  herru  Matthia 
einer  ihrer  mitschüler,  N.  Moss,  ein  schneidergesell,  todgeschlagen. 

November  den  20.,  dienstags,  ist  Mathias  Falkenburg,  das  haupt  der 
klüppelmänner,  welcher  in  Mastricht  arrestiert  und  hiehin  geliefert,  durch 
ein  kommando  hiesiger  pfälzische  truppen  eingeholt  und  unter  dem  rat- 
hause in  der  oflBzierwachtstub  gefangen  gesetzt  worden. 

November  den  23.,  freitags.  Heut  ist  herr  Niklas  Crumm,  dies  jähr 
erwehlter  baumeister,  ein  glied  der  neuen  partei,  auf  dem  rathaus  in 
geföngliche  haft  genommen  worden. 

Dezember  den  18.,  dienstags,  ist  Tauzenberg,  ein  goldschmids  söhn, 
von  der  neu  partei  gefangen  gesetzt  worden. 

Anno  1788. 

Februarius  den  4.,  montags  nachmittag  um  6  uhr,  hat  es  in  einen 
Schornstein  des  rathauses  gebrand. 

Februar  den  8.,  freitags,  ist  Anna  Katharina  Klebank,  bürgerin  alhie, 
von  dem  Scharfrichter  mit  ruthen  behenkt  und  ein  viertel  stund  an  dem 
Katsch  gestelt  und  darnach  nach  Pontthor  ausgeführt  worden. 

Februar  den  16.,  sambstags  abends    zwischen  5  et   6  uhr,  ist  durch 
ein    kommando   hiesiger   stadtsoldadeska  von  Sclilenacken    hiehin   geführt 
worden    ein   schreinergesell,   genant   Kaefer,   von   hier   gebürtig,    welcher* 
anno  87  den  unterm  16.  junij  bemelten  Caffe  solte  geschossen  haben. 

April  den  4..  freitags,  ist  Elisabeth  Schmitz  wegen  eine  bleiche  \  so 
gestohlen  und  bei  ihr  verborgen  worden,  auf  ewig  verband  worden. 

April  den  10.,  donnerstags,  ist  von  der  anwesenden  kreiskommission 
in  arrest  genommen  herr  Simon  Hennes,  abgestandener  gräf  der  krämer- 
zunft,  auch  von  der  neuen  partei. 

April   den  26.,  sanibsUigs,  haben  die  herren  kommissarien  21  herren 


')  Eine  Anzahl  Wäschestücke  (?). 


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von  der  neuen  partei,  worunter  8  ratsherren  et  ein  mameluck  \  prokurator 
Eychholtz,  suspendiert. 

April  den  29.,  dienstags,  sind  von  der  kommission  103  personen  von 
der  neuen  partei  suspendiert  worden,  weilen  sie  wegen  die  anno  1786  ent- 
stundenen  unruhen  verdächtig  sind. 

Im  monat  maij  ist  mit  bewilligung  der  kommission  die  bürgermeister- 
wahl  bis  den  19.  junij  ausgestellt. 

Junij  den  14.,  sambstags,  ist  in  Wexlar  ein  dekret  ergangen,  wodurch 
36  ratsherren  von  der  neuen  partei  suspendiert  worden,  weilen  sie  anno 
1786  den  26.  junij  den  rat  beigewohnt,  auch  etliche  welche  an  bemeltem 
tag  in  dem  bettendorfischen  hause  ein  sogenanntes  plebiscitum  beigewohnt. 

Montags  den  16.  junij  ist  in  Wexlar  ein  dekret  ergangen,  worin  hiesige 
kommission  befohlen  worden,  in  zeit  8  tagen  zu  berichten,  wie  viel  rats- 
herren von  jeder  zunft  nach  der  Suspension  übrig,  auch  welche  wählen 
viritim  oder  tributim  vorgenohmen  werden,  auch  den  magistrat  die  nötige 
Weisung  zu  thun,  mit  der  bürgermeister-  und  anderen  wählen  einzuhalten. 

Donnerstag  den  19.  junij  ist  sieur  Prent  als  klüppelmann  in  arrest 
gesetzt  worden. 

Freitags  den  4.  julij  sind  erstaunlich  dicke  hagelstein  allhier  gefallen, 
wovon  hier  und  dort  etliche  fenstern  zerschlagen  sind. 

Freitags  den  11.  julij  ist  ein  starkes  donnerwetter  gewesen,  welches 
eingeschlagen  an  Marilenthurn  ^,  in  ein  haus  gegen  Cracau  über. 

Montags  den  21.  julij  ist  in  Wexlar  ein  dekret  ergangen,  wodurch 
hiesige  magistrat  erlaubt  wurde,  mit  81  ratsherren  die  werk-  und  bürge r- 
meister  wählen  vorzunehmen.  Nach  gehaltenen  wählen  solte  die  kommission 
den  magistrat  anhalten,  alles  nötige  zu  offengebung  der  ratspräsentations- 
wahlen  vorzunehmen,  auch  sollen  die  stellen  der  suspendierten  ratsglieder 
durch  die  ratsrepräsentanten  ersetzt  und  den  tag  nach  aufnehmung  der 
ratsherren  die  beamtenwahlen  vorgenohmen  werden. 

Donnerstag  den  31.  julij  wurde  zum  bürgermeister  erwehlt  herr  Franz 
Carl  Neilessen  et  Johann  Jakob  von  Wylre,  beide  altparteiisch. 

Freitag  den  8.  august  wurden  die  ratspräsentationswahlen  ausgegeben. 

Den  14.,  15.,  16.,  17.  august  wurde  in  der  exjesuitenkirch  ein  feier- 
liches Jubelfest  gehalten  wegen  die  bürgersodalität,  so  alda  vor  200  jähren 
^aufgerichtet. 

Freitag  den  29.  august  ist  von  gross  und  kleinen  rat  das  lehnamt 
an  Syndikus  Peltzer  übertragen,  nachdem  der  abgestandene  bürgermeister 
Brammerz  dasselbe  quittiert,  auch  ist  ein  dekret  von  der  kommission  vor- 
gelesen, dass  die  ratspräsentanten  nicht  solten  zum  rat  aufgenohmen 
werden,  bevor  man  weitere  ordre  von  Wexlar  erhielte. 

Dienstag  den  18.  novembris  ist  herr  baumeister  Niklas  Cromm,  nach- 
dem er  ein  jähr  weniger  fünf  tag  auf  dem  rathaus  gefangen  gesessen,  von 

*)  Bezeichnung  für  eine  zweideutige  Persönlichkeit. 
*)  Vgl.  Pick  a.  a.  0.  S.  204  ff. 


—  41  — 

der  kreiskommission  seiner  gefangenschaft  entlasseu,  zur  allgemeinen  freud 
der  neuen  partei. 

Mitwoch  den  26.  noveniber  ist  ein  sicherer  Kaefer  aus  arrest  gelassen, 
nachdem  er  9  monat  und  10  tag  gefangen  gesesen. 

Anno  1789, 

freitags  den  3.  april,  sind  zufolg  eines  mandats  etliche  pasquilen,  welche 
gegen  kommission  und  magistratspersonen  geschrieben  gewesen,  auf  öffent- 
lichem Mark  verbrand  worden. 

Maij  den  17.,  sontags  abends,  ist  Peter  Classen,  ein  perruquemacher, 
von  seinem  eigenen  gesellen  geschlagen  und  etliche  stund  danach  gestorben. 
Der  gesell  ist  andern  tags  auf  dem  Katschhof  gefangen  gesetzt. 

Maij  den  22.,  freitags,  ist  das  brod  auf  13  mark  gesetzt,  auch  weil 
das  gülicher  land  geschlossen  und  nur  allein  erlaubt,  so  viel  als  hiesige 
Stadt  bedürftig,  auszuführen,  ist  den  28.  ejusdem  allen  thorschreibern 
geboten,  auf  straf  der  kassation,  kein  fruchten  noch  brod  zur  Stadt  hinaus 
in  andern  landen  führen  zu  lassen. 

Maij  den  29.  ist  Franz  Christ,  giöckner  im  Münster,  da  er  die  kerzen 
auf  die  allda  aufgehenkte  kröne  setzen  wollte,  von  der  leiter  gefallen 
und  andern  tag  gestorben. 

Maij  den  31.,  auf  pfingstag  morgens  in  aller  frühe,  ist  der  bekannte 
Falkenburg,  weil  er  noch  ins  Gras  neben  die  andere  klüppelsmänner  gefangen 
gesessen,  aus  seinem  gefangnis  entloffen. 

Aug.  den  2.,  sontags  abends,  wiederfuhr  hiesiger  Stadt  das  glück,  in 
seinen  ringmauern  zu  sehen  seine  k.  h.  den  grafen  von  Artois  \  andern  tags 
seine  churfürstliche  durchlaucht  von  Köln,  Maximilian.  Ersterer  stiege  ab  in 
dem  Hof  von  Londen  bei  sieur  Brammerz,  letzterer  im  Goldenen  Drachen: 

Aug.  10.,  montags,  ist  herr  Neilessen  samt  sein  knecht  Kreuels,  beide 
im  Lombart,  von  der  kommission  mit  hausarrest  belegt  und  durch  pfälzische 
Soldaten  bewacht  worden. 

Aug.  14.,  freitags,  ist  aus  ordre  der  kommission  in  gefolg  eines  wex- 
larischen  dekrets  die  wahlfreiheit  zu  den  bevorstehenden  ratspräsentations- 
wahlen  durch  den  trommelschlag  kundgemacht  worden. 

In  der  nacht  vom  30.  zum  31.  aug.  ist  der  peruquemacher,  welcher 
den  17.  maij  seinen  meister  totgeschagen,  aus  dem  gefangnis  entwischt. 

Montags  den  31.  aug.  ist  folgends  des  Wexlars  Urteils  der  rat  ergänzt 
worden,  und  zwarn  dass  der  halbe  rat  neu,  der  andere  halbe  alt  parteiisch 
ist.  Auch  ist  heut  aus  ordre  der  kommission  Kornelius  von  der  Scheuer, 
registrator  auf  die  neumannskammer,  weil  er  etwa  1000  bei  nachsehung 
der  bücher  zu  kurz  gekommen,  mit  hausarrest  belegt  worden. 

Donnerstag  den  3.  September  ist  zufolg  wexlarischen  Urteils  von  dem 
rat  so  viele  neue  als  alte  beamte  erwehlt  worden.    Auch  sind  heut  die 


')  Bruder  Ludwigs  XVI. 


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arretierten  Neilessen  und  von  der  Scheuer  aus  ihren  häusern  fortgenommen 
und  auf  das  rathaus  gesetzt. 

Freitag  den  4.  September  ist  durch  das  loos  ein  altparteiischer  zum 
bürgermeister  erwehlt  worden,  Johann  Michael  Kreitz;  neuparteiisch  aber 
als  scliöffenbürgermeister  Caspar  Joseph  von  Klotz. 

Montags  den*  7.  September  ist  das  brod  auf  15  mark  gesetzt  worden. 

Montags  den  14.  September,  weil  das  gülicher  land  geschlossen  worden, 
ist  der  preis  des  brods  auf  16  mark  gesetzt  worden. 

Den  31.  Oktober  ist  Wilhelm  Sädler  und  Peter  Leist  aus  ihre  gefäugnis 
entlassen.  Ersterer  ist  den  13.  august,  letzterer  den  30.  ejusdem  1787 
gesetzt  worden. 

Montags  den  2.  november  ist  das  brod  eine  mark  abgeschlagen,  galt 
also  noch  15  mark. 

Freitags  den  13.  november  sind  die  300  mann  churpfälzische  truppen 
durch  ein  kommando  von  150  mann  musquetier  abgelöset  worden ;  auch  ist 
heut  seines  arrestes  entlassen  ein  gewisser  Prent,  welcher  anno  88  den 
19.  junij  gefangen  gesetzt  worden. 

Dienstags  den  17.  november  ist.  der  gefangene  Nellessen  von  das 
rathaus  nach  der  Jesuiterkollegium,  anderen  tags  aber  wieder  von  dar 
nach  das  Grasshaus  geführt  worden. 

Freitags  den  20.  november  ist  von  der  kommission  seines  arrestes 
losgesprochen  worden  der  von  der  ganzen  neupartei  so  sehr  beliebte  herr 
Schöffen  Martin  de  Lonneux,  nachdem  er  25  monat  und  18  tag  gefangen 
gesessen.  Er  ist  aber,  alle  ausschweifungen  des  Volkes  zu  verhüten, 
welches  nichts  anders  als  vivat  vater  Lonneux  rufte,  erst  andern  tags 
morgens  um  halb  sechs  uhren  in  einen  wagen  nach  seiner  behausung 
gefahren,  allwo  er  noch  durch  eine  schildwacht  bewahrt  wird. 

Montags  abends  den  23.  november  ist  der  altparteiisch  gefangene 
Nellessen  wiederum  aus  das  Gras  nach  der  Jesuiterkollegium  geführt  worden. 

Mitwoch  den  2.  dezember  sind  nach  Pontthor  ein  und  nach  Junkers- 
thor ausmarschiert  1000  mann  münstrische  truppen,  welche  sich  im  lüttiger 
land  gelagert  haben,  um  die  zwischen  magistrat  und  bürger  in  Lüttig 
entstandenen  Streitigkeiten  beizulegen,  deswegen  auch  die  herren  kommis- 
särs  von  hier  dahin  verreiste 

Sambstag  den  5.  dezembris  ist  herr  doktor  Voussen  und  Tauzenberg 
aus  ihren  arrest  entlassen.  Ersterer  hat  von  anno  87  den  3.  Oktober, 
letzterer  selbigen  jahrs  vom  18.  dezember  gefangen  gesessen. 

Dienstag  den  8.  dezember  ist  im  Münster  an  den  neuen  marmor- 
steinernen muttergottes  altar  der  erste  gottesdienst  gehalten  worden. 

Freitag  den  11.  dezember  abends  ist  der  arretierte  Vonderscheuer  und 
Vous  von  das  rathaus,  wo  ersterer  gesessen,  nach  das  Jesuiterkollegium 

^)  Es  handelt  sich  um  die  Unterdrückung  der  sogen,  lütticher  Insurrektion,  die  im 
August  1789  begann.  Das  Volk  zu  Liittich  wollte  durch  sie  gegen  Magistrat  und  Fürst- 
bischof eine  Veränderung  der  Landesverfassung  erzwingen. 


—  43  — 

geführt,   letzterer  ist  ein  klüppelraann  und  hat  im  garten  hinters  rathaus 
gesessen. 

Montag  den  21.  dezember  ist  der  sekretarius  Joseph^  Couven,  einer 
von  der  alten  partei,  wegen  seinen  diebereien  von  der  kommission  gefangen 
gesetzt,  hinter  das  rathaus  im  garten,  im  ehemaligen  gefangnis  des  herrn 
de  Lonneux. 

Anno  1790. 

Donnerstag  den  14.  januarij  sind  die  1000  mann  müusterische  truppen, 
welche  in  Lüttig  nicht  haben  einrücken  dörfen  und  bis  jez  in  Herve  gelegen, 
allwo  sie  auch  haben  aufbrechen  müssen,  mit  bewilligung  eines  ehrbaren  rats 
allhie  nach  Junkersthor  einkomen  und  im  reich  von  Aachen  einquartiert  worden. 

Freitag  den  12.  febr.  in  der  nacht  haben  5  spizbuben  an  dem  Bildgen 
eine  karre  bestohlen,  man  hat  sie  aber  des  morgens  auf  St.  Salvator  gefangen 
genohmen  und  mit  ihre  geraubte  bündeln  eingeholt  und  gefangen  gesetzt. 

Merz  den  18.,  sambstags,  und  2  folgende  tag  ist  durch  einstimmige 
Verordnung  des  hohen  rats  und  kapitel  der  tod  seiner  k.  k.  apostolischen 
majestät  Joseph  der  zweite  durch  läutung  aller  kirchenglocken  kund  gethan, 
dienstag  den  16.  wurden  die  todtenvigilien  und  mitwochs  das  hohe  seelen- 
ampt  in  der  kronkirche  gehalten,  allwo  ein  prächtiges  über  50  schuhe  hohes 
todengerüst  errichtet. 

April  den  21.,  mitwoch,  sind  die  münsterische  truppen,  welche  den 
14.  Januar  im  reich  von  Aachen  einquartiert  worden,  wiederum  fortgezogen. 

April  den  27.,  dienstags  nachmittags,  ist  der  herr  scheifen  de  Lonneux 
mit  erlaubnis  der  kommission  das  erste  mal  durch  die  Stadt  spazieren 
gefahren,  wobei  ein  unsäglicher  zulauf  des  pöpels  aus  allen  Strassen  herbei- 
eilte, und  man  hörte  nichts  als  vivat  Lonneux;  auch  sind  heut  die  schild- 
wachten  aus  seinem  hause  fortgenommen. 

Maij  den  20.,  donnerstag,  bei  herr  gastgeber  Rouis  hat  der  k.  preus- 
sischer  hofrat  Römer  sich  todgeschossen;  er  ist  andern  tags  auf  dem  Golden 
Pflug '^  begraben  worden. 

Maij  den  22.,  sambstag,  haben  die  p.  p.  Franziskaner  ihren  i)rovinzial 
allhier  erwehlt,  welche  wähl  ist  ausgefallen  auf  den  ehrwürdigen  pater 
Berardus  Busch. 

Maij  den  22  bis  den  23  auf  pfingsnacht  hat  sich  ein  klüppelman  Pleus 
aus  seinem  gefangnis  ausgebrochen. 

Maij  den  26.,  mitwoch,  ist  Johann  Rief,  ein  klüppelsmann,  losgelassen. 

Maij  den  31.  hat  sich  ein  frembder,  welcher  neben  das  komphaus 
logierte,  selbst  todgeschossen. 

Junij  in  der  nacht  vom  3.  zum  4.  hat  sich  einer  von  den  5  spiz- 
buben, welche  den  12.  februar  gefangen  genommen,  losgebrochen. 

^)  Richtig:  Jakob. 

*)  Der  evangelische  Kirchhof  vor  dem  Kölnthor. 


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Junij  den  10.,  donnerstag,  ist  Joseph  Gillessen,  ein  klüppelsraan,  los- 
gelassen. 

Julij  den  12.,  montags,  ist  Wilhelm  Schulz,  ein  sogenannter  klüpels- 
man,  losgelassen. 

Julij  den  23.,  freitags,  sind  auf  einmal  12  klüppelmänner  freigelassen 
worden. 

September  den  13.,  montags,  ist  Hindrich  Jörgens  ausser  Köllerthor 
von  einem  pferd  todgeschlagen. 

September  den  25.,  sambstags  morgens  um  halb  neun  uhr,  sind  die 
herren  deputierte  hiesiger  stadt,  herr  Joh.  Michael  Kreitz,  bürgermeister, 
herr  Casp.  Jos.  von  Klotz,  Schöffenbürgermeister,  herr  Peltzer,  Syndikus, 
herr  Beckers  sekretarius;  vom  hiesigen  kapitel  hochwürd.  herr  Konrad 
Herrn.  Cardoll,  dechant,  herr  Bern.  Maria  Jos.  von  Guaita,  kanonikus,  herr 
Franz  Philip  von  Hertmanni,  kanonikus,  samt  ihren  herrn  sekret.  mit  den 
reichsinsignien  unter  abfeurung  der  kanonen,  unter  begleitung  eines  chur- 
pfälzischen  kavalleriedetaschements  nach  Frankfurth  abgereiset. 

Dezember  den  21.,  donnerstags  nachmittags  um  4  uhr,  sind  die  herreu 
canonici  und  herren  deputierten  hiesiger  Stadt  von  der  krönung  Leopoldi 
des  ZAveiten,  welche  den  9.  dieses  monats  zu  Frankfurth  vollzogen  worden, 
mit  den  reichsinsignien  hier  eingetroffen. 

Dass  gott  der  herr  das  deutsche  reich  einen  neuen  regenten  in 
Leopold  den  zweiten  gegeben,  wurde  aus  anordnung  der  magistrat  und 
hochwürdigen  kapitel  allhie  ein  feierliches  dankfest  gehalten.  Den  30.  dezeraber, 
sambstags  abends  um  7  uhr,  wurde  durch  das  donnern  der  kanonen  und  läutung 
aller  glocken  den  anfang  gemacht;  andern  tags  um  10  uhr  wurde  nach  läutung 
aller  glocken  von  dem  herrn  dechant  ein  solennes  hohe  amt  gehalten,  welches 
der  magistrat  beiwohnte  und  darauf  das  Te  Deum  unter  läutung  aller  glocken 
und  losbrennung  des  schweren  geschüzes  gesungen,  womit  diese  feier  ge- 
schlossen. 

Dezember  den  5.,  freitags,  sind  die  erste  Österreichesche  truppen  hier 
durch  marschiert  nach  den  Niederlanden,  um  dasige  einwohner  wiederum 
zum  gehorsam  ihres  souverains  zu  bringen,  welche  sich  dann  auch  ergaben, 
so  bald  man  ihnen  ihre  alte  geist-  und  weltliche  Privilegien  zugestanden. 

Nachdem  die  herren  kommissarien  wehrender  vierthalbjahriger  an- 
wesenheit  ihre  beutel  recht  dick  gespickt,  da  sie  der  Stadt  alle  ihre  ein- 
künften  gezogen,  anbei  derselben  noch  mit  unsäglichen  schulden  beladen 
und  doch  bis  jetz  noch  kein  püntgen  der  bürgerlichen  besch werden  erörtert, 
haben  sie  aus  lauter  Verwirrung  die  wegen  ihren  ärariums  diebereien 
gefangen  gesessenen  alt  parteiischen  Nellessen  auf  dienstag  den  14.  dezember 
und  Vonderscheucr  auf  donnerstag  den  16.  dezember  aus  ihren  gefängnis 
entlassen  und  ad  interim  mit  hausarrest  belegt.  Wenige  tag  danach  haben 
sie  auch  den  als  klüppelman  gefangenen  prokurator  Commo,  nachdem  er 
vierthalb  jähr  gefangen  gesessen,  nach  haus  geschickt. 


—  45  — 

Anno  1791. 

Den  12.  jenner,  mitwoch  morgens,  ist  Mathias  Falkenbiirg  aus  die 
hauptwacht  fortgeloffen.  Derselbe  wäre  wegen  sein  übeles  verhalten  in 
der  heiligtumsfahrt  wieder  gefangen  worden. 

Den  14.  februar,  montags,  sind  von  das  pfälzische  koramando  allhie 
100  mann  fortgezogen. 

Den  1.  merz,  dienstags,  ist  ein  nadelmachersgesell  Jennes  ersoffen, 
zwischen  Koller-  und  Sandkulthor. 

Den  6.  und  10.  merz  sind  die  münsterische  truppen  1000  mann  stark 
von  Lüttig  ab  hier  durch  nach  ihre  heimat  marschieret. 

Den  12.  april,  dienstags,  ist  ein  korps  mänzischer  truppen  samt  artillerie, 
welche  in  Lüttig  exequiert  haben,   hier  durch  marschiert,  nach  Mänz  zu. 

Den  13.  junij  haben  wir  die  ehre  gehabt,  Maria  Christina  ^,  erzherzogin 
von  Oesten-eich,  gubernantin  der  Niederlanden,  samt  ihrem  gemahl  in  unsrer 
Stadt  zu  empfangen.  Höchstdieselben  geruheten,  in  dem  hotel  Zum  Herzog 
von  Braband  abzusteigen,  auch  allda  von  regierende  herren  bürgermeistern 
das  unterthänigste  bewillkommnungskompliment  anzunehmen  und  setzten  so 
dann  nach  genommenem  mittagsmahl  ihre  reise  nach  Brüssel  fort. 

Den  13.  junij,  montags,  hat  mit  seiner  gegenwart  unsre  Stadt  beehret 
Gustav  der  dritte,  könig  von  Schweden'^.  Er  hat  sein  logis  genohmen 
in  dem  hause  des  vogt  major  von  Geyer  in  St.  Adalbertsstrass. 

Den  20.  junij,  montags,  haben  wir  in  unsre  Stadt  empfangen  Wilhelm 
äer  fünfte,  prinz  von  Oranien.    Er  ist  abgestiegen  im  Rosenbad. 

Den  21.  junij,  dienstags,  ist  seine  k.  k.  prinz  Ferdinand  von  Braun- 
schweig  samt  seine  familie  allhie  angekommen.  Sie  stiegen  ab  bei  herrn 
Dubigk  auf  dem  Kompesbad. 

Den  25.  junij,  sambstags,  ist  seine  k.  h.  prinz  Artois  allhier  an- 
gekommen; nachdem  er  das  mittagmal  genommen  in  St.  Adalbertsstrass 
bei  herrn  Strauch  hat  er  seine  reise  nach  Brüssel  fortgesezt. 

Den  4.  julij,  dienstags,  sind  unter  bedeckung  eines  churpfälzischen 
kavaleriedetaschements  seine  k.  h.  monsieur  und  madame  von  Frankreich  ^ 
samt  graf  Artois,  zwei  älteste  brüder  des  königs  von  Frankreich  nach 
Junkersthor  einkommen;  sie  haben  ihr  logis  genohmen  im  Wilden  Mann 
in  Köllerstrass. 


')  Lieblinßjstochter  Maria  Theresias.  Ihr  Gemahl  war  Herzog  Albert  von  Sachsen- 
Teschen  (vgl.  Pick  a.  a.  0.  S.  553).  Beachtenswert  ist  der  Brief,  den  sie  am  18.  November 
1792  von  Bonn  aus  in  den  Tagen  der  französischen  Invasion,  die  sie  Brüssel  zu  verlassen 
zwan^,  schrieb.  Sie  fällt  in  ihm  ein  etwas  summarisches  Urteil  über  die  revolutionären 
Bestrebangen  in  Aachen  (vgl.  Haagen  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  403). 

*)  Gustav  III.  hielt  sich  zur  Vorbereitung  seiner  Pläne,  den  gefangenen  König 
Ludwig:  XVI.  in  seine  frühere  Stellung  zurückzuführen,  einige  Zeit  in  Aachen  und  Spaa 
auf.  Vgl.  A.  von  Reumont,  König  Gustav  III.  von  Schweden  in  Aachen  in  den  Jahren 
1780  und   1791  (nicht  1792,  wie  Haagen  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  416  angibt). 

»)  Graf  und  Gräfin  von  Provence. 


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Selbigen  tags  ist  Maximilian,  churfürst  von  Köln,  liiehen  kommen; 
er  nahm  sein  legis  im  Goldenen  Drach  auf  dem  Kompesbad. 

Um  diese  zeit  ist  die  stadt  so  voller  fürsten  und  fürnehmer  stands- 
personen  gewesen,  dass  alle  gastliöfe  und  viele  bürgers  häuser  so  voll 
gewesen,  dass  fast  niemand  mehr  unterkommen  können. 

Anno  1792. 

Sambstags  den  7.  Januar  sind  150  mann  kaiserliche  tragoner  vom  prinz 
koburgischen  regiment  hier  durch  nach  den  Niederlanden  marschieret. 

Freitags  den  20.  merz  ist  doktor  Rasor  von  Wexlar  als  kommissarius 
hier  ankommen.  Hierauf  ist  am  dienstag  den  2.  april  ausserordentlicher  gross 
und  kleins  rath  gehalten,  worin  er  die  einrichtung  der  neu  geschmiedeten 
konstitution  vorgelesen. 

Den  10.  april  auf  osterdienstag  ist  als  churfürstlicher  commissaire 
hier  ankommen  herr  Fucksius  von  Düsseldorf,  um  gegen  die  von  Rasor 
hieher  gebrachte  konstitution  zu  protestieren. 

Nachdem  weiland  seine  k.  k.  apostolische  majestät  Leopold  der  zweite 
in  der  nacht  vom  29.  februar  bis  den  1.  merz  gestorben,  ist  allhie  aus 
anordnung  eines  hochwürdigen  kapitels  und  hochedeln  rats  den  14.  april 
sambstags  abends  um  7  uhr  und  3  folgende  tag  m^t  allen  kirchenglocken 
geläutet  worden;  in  dem  chor  des  Münsters  ist  ein  prächtiges,  über  50 
schuh  hohes  castrum  doloris  aufgerichtet,  welches  mit  unzahligen  Wachs- 
lichter gezieret.  Mitwochs  um  10  uhr  ist  ein  musikalisches  hohe  amt  von 
dem  hochwürdigen  herrn  dechant  Cardol  gehalten,  welches  der  hohe  rat 
und  fürnehme  herrschaften  beigewohnt. 

In  der  nacht  von  22.  bis  den  23.  april  sind  die  Stallungen  vom 
Rosenbad  ganz  abgebrand. 

Montags  den  21.  maij  sind  erstaunlich  dicke  hagelsteine  gefallen, 
wovon  fast  alle  fenstern  in  der  stadt,  welche  gegen  westen  liegen,  zer- 
schlagen sind. 

Den  23.  junij,  sambstags,  haben  die  Jülich  und  bergische  herrn  missio- 
narien  ihre  erste  predigt  in  St.  Foilan  gehalten.  Sie  haben  wehrend  ihrer 
vierzehutägigen  mission  ein  erstaunlichen  zulauf  gehabt  und  bei  der  pro- 
zession,  welche  sie  sontags  den  8.  julij  zum  beschluss  gehalten,  sind  so 
viele  menschen  gewesen,  desgleichen  man  niemalen  gesehen  hat. 

Den  30.  junij,  sambstags,  sind  die  herrn  deputierten  von  hier  mit 
den  reichs-insignien  unter  losbrennung  der  kanonen  und  bcdeckung  .eines 
churpfälzischen  kavalerie-detaschements  zu  der  kaiserkrönung  nach  Frank- 
furt abgefahren:  von  Seiten  des  hochwürdigen  kapitels  die  herren  Konrad 
Hermann  Cardoll,  dechant,  Friederich  Georg  Franz  freiherr  von  Mylius. 
protHon,  Peter  Clemens  Anton  Joseph  Heusch,  scholaster.  Von  selten  der 
magistrat  die  herren  Joh.  Michael  Kreitz,  bürgermeister,  Caspar  Josef  von 
Klotz,  Schöffenbürgermeister,  und  Pelzer,  Syndikus. 


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Den  23.  jnlij,  montags,  sind  obige  herren  deputierten,  von  der  krönung 
Franz  der  zweite  zurukkomm. 

Den  24.  jnlij,  dienstag,  sind  115  mann  pfälzische  grenadier  hier  ein- 
geruckt, zur  Unterstützung  des  pfalzischen  kommissär  herrn  von  Knap. 

Den  24.  august,  freitags,  sind  obige  115  mann  pfälzisciie  truppen 
wieder  fortgegangen. 

Den  15.  September,  sambstags,  haben  die  herren  missionnaires  ihre 
mission  in  St.  Peters  kirch  angefangen.  Sie  haben  sowohl  hier  als  in 
St.  Foilan  eine  unglaubliche  menge  zuhöver  bei  ihren  predigten  gehabt. 

Den  6.  September,  mitwochs,  ist  eine  division  kaiserl.  husaren  hier 
durch  nach  den  Niederlanden  gezogen. 

Den  25.  September,  sontags,  sind  beide  brüder  Louis  XVI.,  könig  in 
Frankreich,  monsieur  &  duc  d'Artois  von  Luttig  hieher  kommen,  weil 
Lüttig  von  den  Franzosen  gedrohet  ward,  belagert  zu  werden. 

Den  27.  September,  dienstags,  haben  sich  die  lüttiger  domherren 
hieher  retiriert,  weil  heut  vor  Lüttig  von  den  Oesterreich  &  Franzosen 
bataille  gehalten  wird,  welche  erstere  verlohren,  und  auf  Herve  geflüchtet 
haben,  worauf  Lüttig  von  den  Franzosen  eingenohmen. 

Den  28.  September,  mittwochs,  ist  der  fürstbischof  von  Lüttig  rihter 
einer  bedeckung  kaiserl.  kavalerie  hierdurch  gefahren;  nach  läutung  der 
pfortenglocke  ist  noch  eine  division  kaiserl.  tragoner  hierdurch  marschiert, 
w^elche  aus  das  hauptquartier  zu  Herve  gekommen.  Diesen  abend  sind 
noch  einige  hundert  mann  Österreicher  hier  eingetroffen,  welche  in  den 
klöstern  einquartiert  wurden,  seit  gestern  nachmittag  bis  diesen  abend 
spät  hat  man  auf  den  wällen  unsrer  stadt  eine  starke  kanonade  gehört. 
Die  durchzüge  von  österreichischem  gepäcke,  von  geflüchteten  eff'ekten  aus 
Lüttig,  von  französischen  emigranten  zu  pferd  und  zu  fuss  dauern  seit 
mehreren  tagen  unausgesetzt  tag  und  nacht  durch  fort. 

Den  30.  September,  freitags,  sind  bei  den  hiesigen  bürgern  für  etliche 
tausend  man  Österreicher  quartier  angesagt. 

Den  4.  dezember  und  folgende  tage  sind  die  reichsbauern  aufgeboten, 
um  an  die  redouten  zu  arbeiten,  welche  die  Österreicher  am  galgcnplatz, 
aufm  Aacher  Busch,  am  Losberg  aufgeworfen. 

Den  5.  dezember  sind  etliche  tausend  man  kavalerie  und  Infanterie 
von  der  österreichischen  armee  hier  eingezogen,  welche  teils  in  der  stadt, 
teils  im  reich  von  Aachen  quartier  genommen;  unter  welchen  w^aren  das 
regiment  Saxe,  Royal-AUemand  und  Berchenij,  welche  nun  in  Osterreich 
sold  genommen. 

Den  6.  dezember,  donnerstags  vormittag  um  9  uhr,  sind  die  pfäl- 
zische exekutionstruppen  durch  die  Österreicher  von  der  hauptwacht  ver- 
drängt worden,  die  stadt  wällen  sind  mit  kanonen  besetzt,  auch  ist  heute 
die  österreichische  generalität  von  Herve  hier  eingetrofl'en. 

Den  12.  dezember,  mitwochs,  nachdem  die  Österreicher  von  den  Fran- 
zosen bei  Herve  geschlagen,  ist  die  ganze  österreichische  armee  heut  hier 


—  48  — 

angekommen,  diesen  nacht  und  folgenden  tag,  den  13.  december,  haben 
die  durchzüge  der  österreichischen  arniee  unausgesetzt  ftu-tgewährt,  so  dass 
gegen  abend  7  uhr  die  stadt  ganz  gesäubert  war,  ausser  etliche  husaren, 
welche  die  nacht  über  hier  geblieben  sind.  Auch  sind  heut  die  pfälzische 
truppen,  welche  von  anno  1787  den  16.  maij  hier  auf  exekution  gelegen, 
heut  fortmarschiert,  der  zug  der  Österreicher  geschah  nach  Jurjcersthor 
ein  und  nach  Köllerthor  aus. 

Den  15.  dezember,  sambstags  vormittags,  ist  der  vortrab  der  fran- 
zösischen armee  hier  eingetroffen,  welcher  in  husaren  bestünde,  gleich  bei 
ihrer  ankunft  erschienen  mehrere  btirger  mit  national-kokarden  an  ihre  hüte. 

Den  16.  dezember,  sontags,  ist  aus  ordre  des  bürgermeisters  angesagt 
worden,  an  alle  fenstern  licht  zu  stellen,  und  sich  zum  empfang  der  soldateu 
bereit  zu  halten,  da  denn  auch  noch  des  abends  spät  ein  theil  der  fran- 
zösischen armee  unter  den  befehlen  der  generälen  Stengel  et  Desforets 
hier  eintraf,  welche  in  Burdscheid,  in  Haaren,  in  den  klöstern,  auf  die 
Zunftsläufen  und  bei  den  bürgern  einquartiert  worden. 

Den  17.  dezember,  montags,  haben  die  französische  durchzüge  ohn- 
untejbrochen  fortgewährt,  von  hier  nach  Düren  auf  Köln  zu.  Vormittags 
ist  in  der  bräuer-läuf  aus  unvorsichigkeit  der  Soldaten  feuer  ausgebrochen, 
welches  aber  durch  hülf  der  brandspritzen  bald  gelöschet. 

Den  19.  dezember,  mitwochs  vormittags  um  11  uhr,  ward  vor  dem 
hiessigen  rathhausse,  nachdem  die  besatzung  unter  gewehr  getreten  war, 
ein  steinerne  schand-säule,  vorstellend  die  hinrichtung  des  kezerischeu 
bürgermeisters  Kalckbrenner '  zertrümmert,  woran  aber  kein  bürger  teil 
nähme,  ausser  Johann  Tauzenberg,  eines  goldschmids  söhn,  wohnend  auf 
dem  Markt  im  Löwenstein,  dieser  liefe  nach  seines  vaters  haus,  nähme 
eine  eiserne  hacke  und  warffe  hiemit  das  denkmal  übernhauffen,  auf  dessen 
trümmern  der  freiheitsbaum  aufgepflanzt  wurde,  wobei  sich  nur  ein  gewisser 
Sempree,  ein  geborner  Franzos,  welcher  hier  etabeliert,  auszeichnete;  —  kein 
feierlicher  aufzug,  kein  froloken  des  nur  in  gringer  zahl  versammelten 
Volks  begleiteten  diese  handlung,  und  alles  zeigt  deutlich  genug,  dass  die 
hiessigen  einwohner  keinen  sinn  haben  für  die  französische  freiheit.  Doch 
müssen  alle  geist-  und  weltliche  die  dreifarbige  kokarde  an  ihre  hüte 
tragen.  Nachmittags  wolten  sie  den  kupfernen  adler,  welcher  oben  des 
rathshausthür  stunde,  abwerfen,  sie  wurden  aber  durch  einen  französischen 
officier  darin  gestört,  da  denn  der  adler  mit  seilern  hinauf  gezogen  worden. 

Nachmittags  Hessen  die  herren  canonici  das  kapitelwappen  oben  der 
herren  kellerthür  aushauen. 

Den  20.  dezember,  donnerstags,  Hessen  sie  die  schwarze  adlern  und 
goldene  lilien  von  den  piramiden  des  chors  und  den  kaiserlichen  adler 
oben  am  gewölbe  der  kirch  abnehmen.     Der  herr  proffion  Hess  an  seinem 

*)  Die  Säule  war  im  Jahre  1616  zum  Andenken  an  den  Führer  der  protestantischen 
Rebellen,  Johann  Kalkbemer,  errichtet  worden. 


-  4*  — 


hause,  die  9üOBe&  im  sr;i:stkw$  as  ikr  kkx^^t^r  ^lij^  ^;j^s)Yw:»|k^v«t  «itU  i^Wt^ 
übersiraekett.  kviz.  es  moss  ia  der  ^r;ju&iya  ;JttA4<  äK^  Ä^rt^x^r^s^UHkl  >\v^i\K^H, 
was  BOT  an  kaiser.  kC-ciir.  iK<*k  okrt^ke«  ertttiw^rt.  UxH^ä  4h>  ^'^vAi^Avt^*^ 
wollen  nklits  als  mar  Toa  flreihe«  uitJ  rf^icbheit  >jn$st^«^ 

Weil  die  FnMiz.^sea  ein;ce  ^walukaiuWit^u  ft^to».  isl  ftviU^ii>  sK^^ 
21.  dezenber  T.m  Seiten  des  sreaerÄls  l^muwr  eiti^^  prv4.lÄW<^U\^^  v^^u^v- 
beftet.  des  inhalts,  dass  das  eigeatiu«  und  die  pers^ui  dt\>i  luu>i\M^  Sxvnu  Uovl 
seien,  und  wer  dagegen   fehlte^  nach  der  schirtV  j^xs^U^rt  x^x^M^^  J^\v\lh^^ 

Den  23.  dezember,  sontags>  ist  der  s^mesiiii^ist  hus  dio  >v>tuih^rKi\vh 
nach  die  COlestiner  verlegt  wonlen,  weil  die  ^>anir\K>it^u  iu  t^^'sl^iv  d^?* 
magazin  machten. 

Den  27.,  donnerstags,  haben  die  Fi^u/i^tM)  unt  K^UIovwhU  dio  Kniuv^um 
aufgepflanzt.   Es  wurde  ein  deki'et  von  dem  wutioimlkouvout  ^\\  \S\\\^  rtU«t^ 


')  Diese  Proklamaiion  des  Geuonils  l^umourier  Uoruht  \^\\f  \U^\\\  i^\^\U\^^\\\\\  \\\\\\  \\M 


folgenden  Wortlaut: 

Au  nom 

de  hl 

r^pnbliqne  fran<^aise. 

Proclamation 

du  g^n^ral  cn  chef  de  Tarm^e  de  la  Rel^itjuo. 

Le  g^neral  d'armee  coiisid^rant  quo  INuibli 
des  devoirs  envers  la  propri^'t^,  la  !*An»tt^  ot 
la  liberte  individuelle  des  citoyena  de  la  villo 
et  du  pays  d*Aix-la-ChapelIo  quo  noiiH  dev(»MH 
traiter  commes  nos  freres,  est  un  crime  pro- 
pre ä  ternir  les  lauricrs  dont  Parm^'o  fraii- 
(;aise  vient  de  se  couvrir;  et  voulant  Avitrr 
quc  les  droits  les  plu«  sacroH  soient  m^«*on 
.nus  par  aucun  de  nos  frCsros  d*urincM. 

Ordonne  au  nora  de  la  putrle  aux  mlN- 
taires,  aux  cmplo.v^'s  et  A  tous  autrrH  <*ltoyi»ii« 
composants  Tarm^c  de  la  liel((ique,  do  reH)M;('< 
ter  les  propii^'t^s  de  quclque  naturi)  i*lii*H 
puissent  ^tre,  ainsique  la  liliert«';  individiit«il<* 
des  r/itoyens  de  la  ville  et  du  pal«  d*AU-la- 
Chai)elle;  de  veiller  ä  leur  rnunt'.rvtii\fm  <•( 
de  le9  d^fendre  Mmirtt  touU'N  atti'ifitcH,  höh»' 
peine  de  mort,  tant  envers (t^ux  qui  \UiU'r*tU'Ul 
ces  droit«  jtaer/rH  qu«'  tutulr*'  Umn  t't'ux  qul 
voyant  commeltre  U*  i*nmH  ua  ko  turoU  hi 
pas  mi«  en  devoir  U?  V*'mit^ *'\n'r  tt  dair»/!«  r 
OD  de  faire  Arri-Utr  Iftp  fjfup:i))\i  *., 

Fait  an  quartier  ü*'Ufr4\  k  i,u^*  \U.  d« 
cembr«  I7V2  K  puh\\(  U.  20,4  AiiJ«  ^  Up«  iU^ 
Taa  prtmittr  Ah  1«  t^yu^n^i^t^  fraw/Air^'. 


\\\\  Namen  d«*r  rirtu«!\v*i'*\^luM*  UopubliK 

des  Uout^raN  eu  riiel'  der  bolulnohen  Av«ure 

Naohdem  der  iloneml  der  Armee  \\\  Me 
traehtunu'  u^Koueu,  \\\\^^  die  lliu<untieU\M)H 
der  riiiehte»  uo^oh  dutt  Kiueulum,  die  »SleluM  • 
heil  und  die  individuelle  Kveiheil  der  Mth^ev 
von  Aueheu  und  ihre»«  lleytiilm,  ^olehe  wli' 
uIm  unnero  lltlhler  iiohandelu  milMNtMi,  ein 
LuMh^r  iitt,  wrhdie«  Mur  Verduiil«e|uMu  der 
von  der  frany.iUlmlieu  Armee  enuiiM.eueii 
liorheereu  tfei^itfuet  IhI  |  und  da  wir  veilihi 
dem    Wollen,   diiHM   die    uitheitiuidiiM    lleidllrt 

Von  niemanden  iMimrer  Wallt  nlirlhier  niixt 
kannt    werilm   Noileni   aU  ijrhieii«!   »ir   Im 
Nami*n  den  Viilerlitndia  den  HoldultMi,  diMi 
An((e»t<i/iitn  und  iillen  andern  JiiHj/i  in,  dli' 
die  h(dKi"''ite  Armei*  MMitmaehon,  dun  Klt/en 
tum  Von  Ji'dfr  Art  Mowold  al»  die  Individiodl" 
J'Vi'Ihrlt  ^t*t  hurtjer  dir  Hla^ll,  Aurlo  n  und 
ihre«  \U*/,\rVn  au  HiM'n,  ant  ihr«'  \'UUn\hnt^ 
'/M  w»''lM*n  lind  »j«  (^''i(«'n  J*'d*'M  Anfall  /n 
hi'^<'hni/''ni  und  /war  nnl«'»  'rod''*»ir»*fe  so- 
wohl ifi  u.'U  dJ<'J<*n)K''n,  w«hh**dl'  i-'-  K*ii<  ^Ij^ir 
i*'ii  Iti'itM'   UtühUtit,  uU  uoi  h  i/<  i/'n  iit» 
y  htiftu,  w*  h  h'  d«  rjrj« )'  h**!*  //»uu^  *<  Im  n  nnd 
hj'hi  AU  }ft'tU\n'it  nt  t^ifh'h,  t'tti  di*    *' hi*l 
tit'/m  ni'ht  «ff*')'ij<  ft  ti'Mt  r  Hrn*^i*  f^  u  )#*«« 
VfiH^t u  hi /«-(/^^n Utt iinuiti^iUHt i Hf /u i,uitu U 
4*u  l't,  <>*/*wh*r  i /4t,    i  tt4  yMiAhiri  /u 
/wh'u  4i  u  Ph  * i*if4i  $u  nu  « /*•<«  w /^^i^r  do 


—  50  — 

heftet,  wodurch  alle  geist-  und  weltliche  korporationen,  alle  zünften,  accisen, 
Zoll  &  weeggelder  aufgehoben,  den  magistrat  abgesetzt  und  volksrepräsen- 
tanten  zu  erwehlen  verordnet  und  dergleichen  lappereien  mehr.  Auch  ist 
hier  am  berg  ein  sichre  frau  Schwarz  von  2  Franzosen  erstochen  worden. 
Den  31.  dezember,  montags  um  mittag,  haben  die  Franzosen  ange- 
fangen in  den  Stiftern  und  klöstern  alle  eiFekten  zu  versiegeln,  am  abend, 
bei  läutung  der  pfortenglocke,  Hess  der  general  Dampierre  einen  neuen 
freiheitsbaura  aufrichten,  die  Franzosen  schryen  vive  la  liberte,  aber  kein 
bürger  folgte  ihnen  nachzuruffen. 

Anno  1793. 

Den  1.  jenner,  am  neujahrstag  und  folgende  tag,  hat  man  aus 
mangel  der  levitenkleider  im  Münster  das  holie  amt  mit  einem  priester 
gehalten,  wodurch  sich  die  Franzosen  ein  unversöhnlicher  bürgerhass 
zugezogen. 

Den  3.  januar,  donnerstag,  ist  gross  und  kleins  rath  gehalten,  worin 
der  magistrat  angesagt  worden,  dass  nunmehr  ihre  regierung  aufhöre,  und 
man  solte  die  nothige  anstalten  treflFen  zu  den  bevorstehenden  wählen  der 
volksrepräsentan  ten . 

Januar  den  6.,  sontags,  haben  die  bürgerkapitainen  aus  ordre  des 
französischen  generals  den  bürgern  angesagt,  des  andern  tags  in  gewissen 
kirchen  zu  erscheinen,  um  nach  der  französischen  konstitution  volksrepräsen- 
tauten  zu  erwehlen,  als  sie  aber  in  die  angewiesenen  kirchen  erschienen, 
wurde  eine  Instruktion  des  generals  en  chef  Dampierre  vorgelesen,  nach 
welcher  die  wähl  sollte  gehalten  werden.  Uneracht  dessen  widersetzten 
sich  die  bürger,  wollten  das  fransösische  System  nicht  annehmen,  noch  zur 
wähl  schreiten. 

Den  8.  januar,  dienstags,  ist  bürgermeister  Kreitz  mit  hausarrest 
belegt  und  durch  Franzosen  bewacht  worden.  Heut  haben  die  Franzosen 
den  klub  eröfnet,  auf  das  rathhaus  in  dem  rathssaal. 

Bis  den  10.  jenner  haben  alle  grafschaften  ihre  repräsentanten  erwehlt, 
ausser  die  Marsch ierstrasser,  welche  in  der  kapuzinerkirch  versammlet 
waren  und  unerachtet  allen  Vorstellungen  des  französischen  generals  des 
abends  um  6  uhr  unverrichter  Sachen  nach  haus  gangen. 

Den  11.  januar,  freitags  abends  um  9  uhr,  ist  durch  die  thorwächter 
angesagt  worden,  an  alle  fenstern  licht  zu  stellen,  weil  1500  mann  fran- 
zösischer truppen  ankämen,  sie  sind  aber  erst  andern  tags  um  mittag  ein- 
getroffen, kamen  Köllerthor  ein  und  Junkersthor  aus. 

Den  13.,  sontags,  sind  wieder  etliche  hundert  mann  nationalfrei- 
willige von  Lüttig  hier  eingetroffen  und  nach  ihrer  weiteren  bestimmung 
beordert;  auch  ist  heut  aus  anstellung  des  klubs  in  unser  lieben  frauen 
Münster  ein  feierliches  hohe  ambt  gehalten  zur  danksagung,  dass  die  fran- 
zösische Waffen   uns  die   aufgetrungene   freiheit  verschaffet  haben;  diese 


—  51  — 

feier  desto  glänzender  zu  machen,  haben  gestern  um  4,  heut  um  6,  um  9 
und  um  10  uhr  alle  glocken  läuten  müssen. 

Den  15.,  dienstags,  sind  aus  ordre  des  französischen  generals  Dam- 
pieri'e  die  bürger  der  Marschierstrasser  grafschaft  zum  6.  mal  in  die 
kapuzinerkirch  beruflfen,  weil  sie  aber  auch  dismal  weder  durch  drohen 
noch  militärische  gewalt  zur  wähl  konten  gezwungen  werden  und  wieder 
nach  haus  giengen,  haben  ihrer  etliche  insgeheim  ihre  repräsentanten 
erwehlt.  Nachmittags  sind  sämtliche  repräsentanten  durch  den  general 
von  seine  behausung  in  Köllnstrass  im  Wildenman  nach  das  rathhaus  oder 
nun  gemeindehaus  geführt,  allwo  sie  den  eid  ablegten  und  wieder  nach 
haus  giengen.    Abends  um  10  uhr  hat  es  in  die  löderläuf  gebraut. 

Den  16.  Januar,  mitwochs,  ist  Theodor  Bettendorf  zum  President  und 
doktor  Ulrici  zum  Vizepresident  erwählt.  Auch  ist  heut  ein  bataillon 
nationalgarden  und  das  kavalerieregiment  Berry  hierdurch  nach  dem  jülicher 
land  gezogen. 

Jenner  den  17.,  nach  dem  die  Volksrepräsentanten  auf  dem  gemeinde 
haus  installiert,  ist  der  Jakobinerklub  allda  verdrängt,  drum  haben  diese 
sich  heut  in  der  krämerläuf  versammelt. 

Den  22.  jenner,  dienstags,  sind  die  bürgergrafschaften  in  ihre  be- 
stimmte kirchen  versammelt  gewesen,  um  den  maire  zu  erwehlen.  Heut 
sind  etliche  100  mann  französischer  truppen  nach  Köllerthor  aus,  auch 
etliche  herin  kommen. 

Den  23.  jenner,  mitwoch,  hat  es  bei  den  p.  p.  predigern  gebrant. 
Auch  hat  sich  ein  Franzos  tod  gesoffen,  bei  Krombach,  ein  wirt  in  Wirichs- 
bongart. 

Den  25.  Januar,  freitags,  ist  der  nadelfabrikant  Stephan  Beissel  als 
maire  und  aus  jeder  grafschaft  oder  Sektion  der  stadt  ein  tribunal  auf  dem 
gemeindehaus  durch  den  general  Dampierre  eingeführt. 

Die  hinrichtung  Ludwigs  der  XVI.,  könig  in  Frankreich,  welche  heut 
den  26.  Januar  aus  der  zeitung  bekant  wurde,  machte  auf  die  gemüter 
der  hiesigen  bürgern  ein  heisser  eindruck,  den  man  sähe  auf  ihren  gesichtern 
mit  lebhaften  färben  den  gerechten  schmerzen  gegen  diesen  unglücklichen 
fürsten  abgemalt;  die  französische  garnison  geriet  auch  bei  ihnen  in  einen 
sehr  Übeln  kredit. 

Den  29.  Januar,  dienstags,  ist  in  die  kapuzinerkirch  das  kornhaus 
gemacht,  aus  letzteres  ein  pferdsstall. 

Den  30.  Januar,  mitwoch  morgens  um  2  uhr,  ist  in  das  jesuiter- 
kolegium  feuer  ausgebrochen. 

Den  5.  februar,  dienstag,  sind  aus  ordre  des  französischen  komman- 
dant  Dampierre  die  hiesige  Sektionen  versammelt  gewesen,  um  ein  national- 
konvent  zu  formieren,  die  bürger  aber  wollten   nicht  zur  wähl   schreiten. 

Den  6.  februar,  mitwochs,  ist  Philip  von  Thenen  und  Erkens  arretiert 
worden,  weil  sie  kaiserliche  kokarden  fabriziert  haben;  auch  haben  die  stadt- 
soldaten  ihre  wehr  und  waffen  an  den  fransösischen  general  abgeben  müssen. 


—  52  — 

Den  7.  februar,  donnerstag,  sind  die  Sektionen  zum  2.  mal  beruffen, 
ist  aber  niemand  erschienen,  heut  ist  von  Thenen  durch  list  entwischt  und 
Erkens  nach  Lüttig  transportiert. 

Den  12.  februar,  dienstags,  haben  die  Sektionen  ihre  wahlmänner 
erwehlt,  zum  nationalkonvent.  Diesen  abend  ist  Erkens  von  Lüttig  frei 
zurückgekommen.  Man  ist  gegenwertig  beschäftigt,  einen  pflasterweg  von 
Jacobsthor  auf  Lüttig  zu  und  von  Pont-  bis  Junkersthor  eine  Spazierfahrt 
zu  machen. 

Februar  den  19.,  dienstags,  hat  ein  französischer  kommissär  im  gast- 
haus  krank  gelegen,  welcher  sich  heut  selber  den  hals  abgeschnitten,  und 
nachdem  in  St.  Foilan  begraben  wurde. 

Februar  den  20.,  mitwoch,  sind  etliche  bataillon  infanterie  samt 
artillerie-  und  munitionswägen  hier  ankommen.  Andern  tags  sind  dieselbe 
teils  zur  Unternehmung  der  belagerung  von  Mastricht  dahin,  teils  zu  der 
Ruhrarmee  abmarschiert. 

Februar  den  21.,  donnerstags,  ist  die  kriegserklärung  «an  Engeland 
und  Holland  sämtliche  offiziers  der  hiesigen  garnison  mit  viele  Zeremonien 
auf  dem  Mark  vorgelesen  worden. 

Februar  den  26.  sind  wieder  neue  truppen  hier  eingetroflfen,  welche 
zur  Verstärkung  der  französischen  armee  an  der  Ruhr  dahin  abziehen.  Seit 
dem  22.  d.  m.  hören  wir  täglich  von  Mastricht  her  mehr  oder  weniger 
heftige  kanonaden.  Die  belagerten  geben  sich  viele  mühe,  die  Franzosen 
in  ihren  ernstlichen  angriflfsmassregeln  zu  stören.  ^Der  nationalkonvent 
ist  hier  jezt  formiert,  und  es  wird  hiernach  darauf  ankommen,  eine  Verfassung 
zu  entwerfen,  die  dem  volk  zur  Sanktion  vorgelegt  werden  soll. 

Februar  den  26.,  dienstags,  haben  die  französische  kommissarien  zum 
2.  mal  in  der  münsterkirch  alle  geistliche  effekten  versiegelt. 

Merz  den  1.,  freitags  zwischen  10  &  11  uhr  vormittags,  verbreitete 
sich  hier  das  gerücht,  dass  die  Österreicher  über  die  Ruhr  gesetzt  und 
die  ganze  französische  armee  überfallen  hätten,  wodurch  die  hiesige  garnison 
mit  forcht  und  schrecken  überfallen,  sich  gleich  zum  aufbruch  rüstete,  um 
die  Ruhrarmee  zu  unterstüzen;  es  mai'schierten  auch  wirklich  etliche 
bataillon  dahin  ab  unter  anstimmung  des  französischen  lieds  (ja  ira,  aber 
in  der  nacht  kam  die  ganze  armee  samt  kanonen  und  munition  mit  hasen- 
schritten  zurück  und  liefen  auf  Lüttig,  so  dass  sie  andern  tags  um  9  uhr 
morgens  die  Stadt  geräumt  hatten,  nachdem  sie  dieselbe  11  wochen  besessen, 
in  welcher  zeit  sie  uns  viel  zu  schaffen  gegeben.  Wie  oben  angemerkt  haben 
sie  die  effekten  der  Stifter  und  klöster  versiegelt,  aber  nichts  mitgenommen, 
wofür  wir  die  gute  gottes,  den  schuz  Maria  als  unsre  beschüzerin  und  die 
veimittelung  des  mairs  und  Volksrepräsentanten  anerkennen  und  danken. 
Kaum  waren  die  Franzosen  fort,  traf  ein  piquet  scharfschüjtzen  hier  ein. 
Ich  kan  die  freud,  das  jauchzen  und  frolocken  des  herbei  laufenden  volks 
nicht  beschreiben,  denn  es  geht  über  alle  einbildung.  Man  führte  dieselbe 
in  der  grösten  geschwicdigkeit  zum   freiheitsbaum,  in  einem  hu  taumelte 


—  53  — 

diese  fantastische  missgeburt   übern    häufen,  welcher  dan   mit  samt  der 

freiheitskappe  von  den  bürgern  zerrissen  wurde,  etliche *  dauzeu- 

bergische  haus  begehrten  eine  leiter,  um  die  jakobinerkappe  von  die  statua 
kaiser  Karls,  welche  auf  die  fontain  steht,  herunter  zu  nehmen.  Allein 
auf  diese  heisse  sonne  folgte  eine  Wetterwolke.  Zwischen  10  &  11  uhr 
hörte  man  die  französische  trommel  wieder,  und  es  verlautete,  die  fran- 
zösische armee  käme  wieder  zui^ück.  Das  volk,  ganz  erschroken,  eilten 
in  ihre  häuser,  schlössen  thür  und  fenstern,  und  die  wenige  Scharfschützen 
machten  sich  davon.  Wirklich  kamen  etliche  hundert  mann  Franzosen  von 
dem  hauptquartier  zu  Herzogenrath  nach  Pontthor  ein;  ein  teil  zog  nach 
Jacobsthor  aus,  die  andre  besezten  Köllerthor  und  wall,  allwo  sie  die 
kanonen  pflanzten  und  die  stadtthore  schlössen,  um  sich  der  ankommenden 
österreichischen  armee  zu  widersetzen,  welche  bis  an  die  Stadtgraben 
anrückte.  Ungefähr  um  halb  ein  uhr  nachmittag  fiengen  beide  teile  an, 
auf  einander  zu  kanonieren;  ein  teil  der  üesterreicher  drang  nach  Sandkul- 
thor  ein;  sobald  die  Franzosen  davon  wind  bekommen,  fiengen  sie  schnei 
an  zu  retirieren,  nachdem  die  kanonad  eine  stunde  gedaurt  hatte.  So  bald 
die  Franzosen  die  wälle  verlassen,  liefen  die  bürger  an  die  Stadtmauern, 
gaben  den  belagercrn  ein  zeichen  mit  ihren  hütten  zum  anrücken,  eröfneten 
die  thore,  und  gleich  sprengten  die  österreichischen  Scharfschützen  herein, 
welche  die  Franzosen  nacheilten,  diese  aber  sezteu  sich  verschiedene  mal 
entgegen,  gaben  feur,  aber  die  scharfschüzen  brachten  sie  jedesmal  zum 
weichen.  Inzwischen  käme  die  österreichische  Infanterie  nach  Sandkul-  und 
Köllerthor  ein;  sobald  die  Franzosen  dieselbe  gewahr  wurden,  warfen  etliche 
ihr  gewehr  und  ranzel  von  sich  ab,  um  nur  laufen  zu  können,  welche  ihre 
kameraden  zum  fallen  brachten,  so  dass  oft  10  bis  12  auf  einander  lagen. 
Jedoch  stellten  sie  sich  auf  die  Hauptmann  in  Köllerstrass,  auf  den  Markt, 
in  Jakobsstrass  in  Schlachtordnung,  feuerten  mit  kanonen  und  kleinem 
gewähr  aufeinander,  aber  die  Franzosen  zogen  den  kürzern  und  wurden 
nach  Jakobsthor  ausgejagt  und  von  den  Österreichern  in  einem  lauf  bis 
Luttig  verfolgt.  Sie  hinterliessen  hier  5  kanonen,  wovon  zwei  durch  die 
bürger  erobert  worden,  ungefehr  40  mann  an  toten,'  ohne  blessierte  und 
gefangene.  Bei  dieser  aktion  ist  nur  ein  bürger,  Gerard  Gütten,  tot 
geblieben.  Auf  diese  weis  sind  wir  von  den  königsmördern  befreiet 
worden.  Noch  diesen  nachmittag  hat  lien*  maire  Beissel  die  Schlüssel  und 
kommando  an  den  alten  bürgermeister  Kreiz  übergeben.  Dieser  liesse  den 
bürgern  ansagen,  diesen  abend  an  alle  fenstern  licht  zu  stellen,  den  Soldaten 
2  tag  speiss  und  trank  zu  geben,  und  wer  etwas  von  den  Franzosen  gekauft 
hätte,  müsste  sich  melden,  den  die  häuser  sollten  untersucht  werden,  und 
in  betretungsfall  würde  man  gestraft  werden.  Den  ganzen  nachmittag  bis 
abends  spät  währte  das  einrücken  der  truppen  und  bagage,  womit  sich 
dieser  für  Aachen  so  merkwürdige  tag  endigte. 


')  Durchschriebeues  und  unleserliches  Wort  oder  zwei  Worte. 


m  - 


—  54  — 


Merz  den  3.,  sontags,  ist  fürst  von  Würtemberg  samt  die  generalität 
von  hier  auf  Lüttig  gegangen.  Baron  Palant,  einer  aus  den  klub,  ist 
von  den  kaiserlichen  gefänglich  nach  das  rathaus  geführt. 

Merz  den  4.,  montags,  sind  120  mann  kriegsgefangene  Franzosen, 
3  kanonen  und  pulverwägen  nach  Düren  transportiert.  Gestern  und  heut 
sind  alle  thoren  geschlossen,  es  darf  einer  herein,  aber  nicht  herausgehen. 
Diesen  morgens  ist  eine  eroberte  kanoue.  3  pulverwägen,  ein  munitions- 
wagen  hier  eingebracht. 

Merz  den  6.,  mitwoch,  sind  ungefehr  70  mann  gefangene  Fran- 
zosen, 1  kanon,  2  pulverwägen.  2  munitionswägen  nach  Düren  geführt; 
um  mittag  sind  30  wägen  blessierte  von  Lüttig  hier  ankommen,  welche  bei 
den  p.  p.  Dominikaner  und  Franziskaner  einquartiert  worden.  Aus  ordre 
der  magistrat  haben  fürnehme  bürger  bethen,  matraxen  und  decken  in 
die  gemelte  klöster  liefern  müssen. 

Vor  läutung  der  portenglock  haben  die  kaiserliche  musikanten  auf 
die  kanzlei  des  ratshaus  türkisch  musik  gemacht  unter  beständigem  zuruf 
des  in  grosser  zahl  versammelten  volcks:  es  lebe  kaiser  Franz. 

Merz  den  10.,  sontags,  war  der  freudenvolle  tag,  an  welchem  wir 
dem  allmächtigen  dankten,  dass  er  unsre  Vaterstadt  von  den  feinden  Deutsch- 
lands befreiet  hat.  Gestern  abend  kündigte  der  kanonendonner  von  unsern 
Stadt  wällen  und  das  geläute  aller  gloken  die  würdige  Vorbereitung  zu 
der  grossen  feier  an.  Heute  um  6  uhr  wurde  in  unser  lieben  fraueu 
Münster  das  höchste  gut  ausgestellt,  um  10  uhr  von  dem  hochw.  herrn 
dechant  ein  feierliches  hochamt  unter  wiederholten  artillerie-  und  drei- 
maliger Salven  einer  kompagnie  vom  regiment  Deutschmeister,  welche  auf 
dem  kirchhof  paradierten,  gehalten.  Nachmittags  um  4  uhr  das  Te  Deum 
unter  läutung  aller  glocken  abgesungen,  und  jeder  einwohner  durch  fest- 
lichkeiten,  die  den  ganzen  tag  über  dauerten,  zur  reinen  freude  gestimmt. 
Abends  war  die  ganze  Stadt  beleuchtet  und  unter  fortwährendem  kanonen- 
donner, musik,  jubeln  und  freudenbezeugungen  aller  art  fühlte  sich  die 
bürgerschaft  bis  in  die  späte  nacht  hingerissen  von  dem  genusse  des 
glucks,  mit  warmer  brüst  den  ruf  in  die  lüfte  zu  schicken:  Es  lebe  kaiser 
Franz!     Segen  den  deutschen  waffen! 

Den  10.  merz  ist  eine  division  österreichischer  kürassier  hier  durch 
gegen  Mastricht  gezogen,  wo  der  kommandierende  k.  k.  general-feldmar- 
schall  prinz  von  Koburg  sein  hauptquartier  genommen.  Nachdem  die 
jesuiterkirch  von  dem  neufränkischen  staub  gesäubert,  hat  man  diesen  nach- 
mittag um  4  uhr  in  einer  solemnen  prozession  das  höchste  gut  aus  der 
Cölestiner  wieder  in  bemelte  kirch  getragen. 

Merz  den  15.  sind  wieder  25  mann  Franzosen  unter  österreichischer 
bedeckung  nach  KöUen  transportiert. 

Merz  den  18.  ist  die  prinz  von  koburgische  equipage  hier  eingetrofifen 
und  andern  tags  auf  Mastricht  gefahren. 


—  55  — 

Merz  den  20.  ist  ein  starker  artillerietrain  und  über  200  munition- 
uiid  bagagewägen  nach  Köilerthor  ein  und  Pontthor  aus  auf  Mastricht 
zur  kaiserlichen  armee  gefahren. 

Merz  den  28.,  am  grünendonnerstag,  ist  in  die  kapuzinerkirch  wiederum 
der  gottesdienst  gehalten,  denn  2  nionat  lang  ward  dieselbe  zum  kornhaus 
gebraucht. 

April  2.,  osterdienstag,  ist  ein  starker  artillerietrain  nach  Köilerthor 
ein  und  Pontthor  ^aus,  auf  Mastricht  zur  koburgischen  armee  gefahren, 
auch  200  mann  gefangene  Franzosen  unter  österreichischer  bedeckung  sind 
Köilerthor  eingebracht  worden  und  auf  der  kräraerläuf  einquartiert,  allwo 
sie  rastag  gehalten,  und  nach  diesem  auf  Luttig  transportiert  wurden. 

April  3.,  mitwoch,  ist  wieder  ein  starker  zug  artillerie  nach  Köiler- 
thor einkommen  und  auf  Luttig  gefahren. 

April  9.,  dienstags,  ist  wieder  ein  starker  artillerietrain  auf  Mastricht 
gefahren. 

April  12.,  freitags,  sind  drei  divisionen  Barcohusaren  nach  Pontthor 
ein  und  Jacobsthor  aus  auf  Luttig  marschiert,  auch  sind  heut  800  mann 
französische  gefangene,  worunter  30  offizier  unter  österreichischer  bedeckung 
nach  Köilerthor  eingebracht,  selbige  sind  in  den  klöstern  und  zunftsläufen 
einquartiert  und  andern  tags  auf  Namur  transportiert. 

April  16.,  mitwochs,  ist  der  französische  general  en  chef  Dumourier, 
welcher  zu  den  Österreichern  übergegangen,  unter  begleitung  eines  seiner 
adjudanten  hier  durch  passiert. 

Den  30.,  dienstag  nachmittag,  wurde  der  kupferne  adler  am  rathaus, 
welcher  den  19.  dezember  v.  j.  um  den  Franzosen  willen  hat  müssen  fort- 
genommen werden,  unter  musik  und  vi vat rufen  wieder  aufgerichtet;  heut 
sind  wieder  etliche  hundert  mann  französische  kriegsgefangene  hier  einge- 
bracht, welche  den  13.  april  fortgeführt  wurden;  nachdem  sie  rasttag 
gehalten,  sind  sie  nach  Köilerthor  ausgeführt. 

Maij  den  1.  ist  ein  grosser  artillerietrain  hier  durch  auf  Luttig  zur 
koburgischen  armee  gefahren. 

Maij  den  11.  ist  wieder  ein  starker  zug  artillerie,  worunter  etliche 
24  pfundige  kanonen,  hier  durch  nach  den  Niederlanden  gefahren. 

Den  12.,  sontags,  ist  aus  anordnung  unseres  hochw.  bischofs  zu  Lüttig 
und  kapitel  in  unser  lieben  frauen  Münster  ein  allgemeiner  bettag  ange- 
stelt,  dem  allmächtigen  zu  danken  für  die  schnelle  befreiung  der  Franzosen 
und  den  segen  der  kaiserlichen  waffen  zu  erflehen,  damit  diese  feinden  der 
religion  mögten  ausgerottet  werden.  Um  10  uhr  wurde  die  prozession  aus- 
geführt, welche  die  ganze  klerisei  und  eine  unzählige  menge  volks  bei- 
wohnte. Nachmittags  war  ein  donnerwetter  mit  überaus  dicken  hagel 
vermischt,  hat  aber  kein  schaden  gethan. 

Den  15.,  mitwoch,  ist  ein  bataillon  münstersche  truppen  samt  artillerie 
und  munitionswägen  hier  eingerückt,  den  16.  hatten  sie  rastag,  den  17. 
marschierten  sie  nach  den  Niederlanden  ab. 


—  56  — 

Den  17.,  freitag,  ist  ein  korps  trierischer  trnppen  hier  eingerückt; 
nachdem  selbige  hier  rastag  gehabt,  sezten  sie  ihren  marsch  nach  den 
Niederlanden  ab. 

Den  23.,  donuerstag,  sind  die  französische  kriegsgefangene  Bournon- 
ville,  Camus,  Lamarque  et  konsorten  von  Mastricht  hier  durch  nach  Köln 
geführt. 

Den  25.,  sambstags,  sind  aus  den  Niederlanden  400  mann  französische 
kriegsgefangene  hier  einbracht  und  ins  grashaus  eingesperrt  worden. 

Den  26.,  sontags,  haben  die  p.  p.  Karmelitern  den  gottesdienst  wieder 
in  ihre  kirche  gehalten,  denn  die  Franzosen  hatten  nicht  allein  das  kloster, 
sondern  auch  die  kirch  zum  Bpital  gemacht. 

Den  28.,  dienstags,  ist  das  salzburgische  infanterieregiment  hier  durch 
nach  den  Niederlanden  marschiert. 

Vom  2.  merz  bis  im  junij  währen  die  durchzüge  der  kanonen  vom 
schweren  kaliber,  mörser,  haubitzen,  munitionswägen  mit  kriegs-  und  mund- 
vorrat  nach  den  Niederlanden  fast  täglich  ununterbrochen  fort. 

Junij  den  19.  ist  das  k.  k.  graf  von  walshische  grenadierbataillon 
mit  einer  vorzüglichen  schönen  türkischen  musik,  hier  durch  auf  Luttig 
marschiert. 

Junij  den  27.  ist  der  preis  des  brods  auf  15  mark  gesetzt. 

Junij  den  28.  ist  ein  korps  hessischer  truppen,  4000  mann  stark,  hier 
eingerückt,  welcher  folgenden  tags,  auf  Petri  und  Pauli  tag,  in  gegenwart 
eines  englischen  kommissärs  auf  den  Seilgraben  geschworen,  und  folglich 
in  englischen  sold  genommen.  Den  30.  sind  selbige  nach  den  Niederlanden 
zur  koburgischen  armee  abgegangen,  diesen  morgen  sind  noch  2  bataillon 
hessische  Infanterie  und  eine  division  kavalerie  hier  durch  gezogen,  heut 
ist  noch  ein  bataillon  Österreicher  hier  eingerückt,  welche  rastag  gehalten 
und  sodan  zur  armee  abgegangen  sind. 

Junij  den  29.  hat  sich  ein  Franzos  selbst  ermordet,  bei  herrn  Rouisse 
in  der  Grünen  Burg  logierend. 

Julij  den  12.  Die  durchzüge  österreichischer  und  hessischer  kavalerie 
und  infanterie  hier  durch  Aachen  nach  ihrer  weiteren  bestimmung  dauern 
seit  14  tagen  zu  tausenden  fort,  die  Hessen,  8000  mann  stark,  haben  hier 
auf  dem  Seilgraben  für  den  könig  von  England  geschworen. 

Julij  den  19.,  freitags  nachmittags,  sind  die  400  mann  französischer 
kriegsgefangene,  welche  seit  den  25.  maij  ins  Gras  gefangen  gesessen, 
unter  hiesiger  stadtmilitärischer  bedeckung  nach  Kölln  transportiert. 

Julij  den  28.,  sontags,  sind  von  dem  kriegsgefangenen  garnison  in 
Conde  ungefehr  1000  mann  unter  österreichische  bedeckung  hier  ange- 
kommen und  ins  Gras  eingesperrt,  die  Offiziers  aber  ins  lapatierschen 
haus  und  in  etliche  klöster  eingesperrt  worden. 

September  den  1.  stand  die  schandsäule  vor  dem  rathause  wieder 
völlig  da,  welche  voriges  jähr,  den  19.  dezember,  übern  häufen  geworfen 
worden,  da  der  französische  freiheitsbaum  aufgerichtet  ward. 


—  57  — 

September  den  8.  ist  die  jungeseilen-  und  bnrgersodalität  aus  St. 
Stephans  kirch,  wohin  sie  sich  wegen  der  Franzosen  haben  flüchten  müssen, 
mit  einer  zahlreichen  prozession  wieder  auf  ihren  alten  sodalitätssall  ein- 
gegangen. 

September  den  29.,  sontags,  nachdem  vorige  woche  die  franz.  Kriegs- 
gefangene weiter  nach  Deutschland  transportiert  worden,  sind  heut  aufs 
neue  2000  mann,  am  dienstag  und  donnerstag  noch  stärkere  transporte 
hier  eingetroffen,  welche  aber  folgenden  tags  weiter  geschafft  wurden;  sie 
waren  von  der  garnison  zu  Quesnoy,  welches  ganz  zu  kriegsgefangenen 
gemacht  worden. 

September  den  16.,  sambstags,  ist  Martin  Weiskirchen,  ein  wohl- 
habender btirger,  auf  dem  Gasborn  tot  gefunden.  Diese  woche  ist  ein 
regiment  Hessen-Darmstädter,  heut  ein  regiment  Baaden-Durlacher  hier 
eingetroffen.  Nachdem  sie  hier  rastag  gehalten,  sind  selbige  zur  kobur- 
gischen  armee  abmarschiert. 

1794. 

Merz  den  2.,  am  jahrtag,  dass  wir  von  den  franz.  königsmördern 
sind  befreiet  worden,  ist  durch  anordnung  eines  hochl.  kapitels  in  unser 
lieben  frauen  Münster  ein  dankfest  gehalten  worden;  tags  vorher,  abends 
um  7  uhr,  wurde  dasselbe  durch  läutung  aller  kirchenglocken  kund  gemacht, 
morgens  um  10  uhr  wurde  eine  feierliche  spezialmesse  gehalten,  nach  der- 
selben das  Te  Deum  unter  pauken-  und  trompettenschall  und  läutung  aller 
glocken  abgesungen,  womit  diese  feier  beschlossen. 

Merz  den  14.  sind  etliche  hundert  man  Hnannoveraner  hier  ankommen 
und  andern  tags  fortmarschiert. 

Merz  den  23.,  sontags,  sind  wieder  etlich  bataillon  hannoverische 
truppen  hier  ankommen,  wovon  ein  korps  Jäger  nach  Burtscheid  verlegt 
worden;  den  25.  sind  selbige  zur  armee  des  herzogs  von  York  in  den 
Niederlanden  abmarschiert. 

April  den  8.,  nachmittags  um  2  uhren,  haben  wir  die  ehre  gehabt, 
unsern  kaiser  Franz  den  zweiten  hier  durch  fahren  zu  sehen,  zur  nieder- 
ländischen armee,  auch  zugleich  sich  in  Brüssel  huldigen  zu  lassen. 

Maij  den  27.,  dienstags,  ist  die  erste  kolonien  von  7000  mann  fran- 
zösische kricgsgefangene  hier  eingetroffen  und  der  gröste  teil  im  korn- 
haus einquartiert  worden,  welches  man  einstweilen  im  kapitels  kreuzgang 
verlegt  hat.  Den  28.  sind  selbige  auf  Aldenhoven  transportiert,  um  die 
2.  kollonie  plaz  zu  machen,  welche  den  29.  eintrift. 

Maij  den  29.  ist  ein  detachement  hiesiger  stadtsoldaten  auf  Luttig 
marschiert,  um  mit  andern  truppen  vereinigt  der  heraudringenden  Franzosen 
sich  zu  widersezen, 

Junij  den  4.  sind  selbige  ihrer  unwilligkeit  halben  wieder  zurück 
gekommen. 


—  58  — 

Den  22.  julij  ist  der  füi-stbischof  von  Luttig  samt  sein  gepäck  aus 
seinen  Staaten  fliehend  liier  durcli  passiert. 

Den  23.  julij  ist  das  luttiger  stadtmilitär  hier  eingerückt  und  io 
kaiserl.  sold  getretten. 

Den  24.  julij  sind  die  österreichische  poutons  und  ander  gepäck  hier 
durch  auf  Köln  gefahren. 

Den  26.  julij  sind  die  pontons  wieder  zurückkommen  und  ausser 
hiesige  Stadt  gestellt. 

Den  19.  august  hörte  man  hier  stark  kanonieren,  auf  der  seite  von 
Mastricht;  am  nämlichen  tage  hat  ein  kaiserl.  korps  von  3  bataillon  Infanterie 
von  Wartensleben  und  2  divisionen  kavalerie  von  Nassau-Usingen  und 
Blankenstein  mit  6  sechspfünder  und  6  zwölfpfünder  sich  in  unserer  nähe 
bei  Berg,  1  stund  von  hier  gelagert.  Den  24.  ejusdem  ist  das  ganze 
korps  nach  Luxemburg  aufgebrochen. 

Den  25.  august  ist  die  vor  der  Stadt  stehende  bagage  aufgebrochen 
bis  Aldenhoven,  den  27.  ist  selbe  wieder  zurückgekommen. 

Den  1.  September,  morgens  um  2  uhr,  hat  es  gebrand  im  jesuiter- 
kollegio,  in  der  allda  gebauten  bäckerei. 

Den  ....  *  September  ist  prinz  Koburg  hier  durch  nach  Wien  ver- 
reist, nachdem  er  in  dem  hauptquartier  zu  Fouron  lo  Comte  das  Ober- 
kommando abgelegt. 

Vom  9.  bis  13.  September  sind  die  kaiserl.  besazungen  von  Conde 
und  Valenciennes  hier  durch  auf  Köln  marschiert,  welche  nach  übergab 
beider  städte  das  gewehr  haben  strecken  müssen.  Fast  täglich  ziehen 
ansehnliche  verstärkungskorps  Österreicher  zur  Maasarmee.  Der  vor 
einigen  tagen  nach  begleitung  des  prinzen  von  Koburg  bis  Bonn  bei  der 
armee  zurückgekommene  erzherzog  Karl  ist  heute  wieder  hierdurch  nach 
dem  Rheine  passiert,  wohin  ihm  auch  sein  gepäck  folgen  wird. 

Den  18.  September,  nachmittags  um  5  uhr,  ist  die  ganze  sUidt  in 
bestürzung  geraten,  da  wir  die  bagage  der  kaiserl.  armee  hierher  kommen 
sahen,  woraus  zu  schliessen,  deiss  die  armee  an  der  Maas  retirierte. 

Den  20.  September,  sambstags,  hörten  wir  die  kanonade  beider  armeen 
von  Henry-Chapelle  her,  die  ganze  Stadt  war  in  angst  und  schrecken  vor 
den  Franzosen. 

Den  21.,  sontags,  devilierte  die  kaiserl.  kavalerie  und  infanterie  durch 
unsere  Stadt. 

Den  22.,  montags,  eine  stund  vor  abend,  kanonierten  die  kaiserl. 
gegen  den  Franzosen  auf  dem  aacher  wald,  hierdurch  wurden  wir  in  furcht 
gesezt,  unsere  stadt  möchte  von  den  Franzosen  bombardiert  werden. 

Den  23.,  dienstags  morgens  um  G  uhr,  sind  die  Vorposten  der  Fran- 
zosen hier  eingerückt.  Naciidem  sie  von  den  bürgern  Avohl  beschunken 
gewesen,  haben  sie  sich   an  verschiedene  häuser  mit  gewalt  geld  geben 


•)  Tag  fehlt. 


—  59  — 

lassen.  Mittags  um  halb  ein  ulir  ist  der  franz.  general  Jourdan  mit  der 
avantgarde  unter  läutung  aller  glocken  hier  ankommen,  auf  dem  Markt 
wurde  er  unter  beständigem  musizieren  der  stadtmusikanteu  durch  eine 
anrede  von  dem  stadtsyndikus  Fell  bewillkommt;  er  gelobte  den  bürgern 
schuz  und  marschierte  nach  Köllerthor  zu. 

Den  24.,  mitwochs,  hat  man  aus  jeder  haus  ein  paar  schuh  für  die 
armee  liefern  müssen,  auch  mussten  100000  brod,  24000  maas  haber,  5000 
paar  neue  schuh,  20  000  ehl  blau  und  rot  tuch  geliefert  werden. 

Den  25.,  donnerstags,  haben  die  bürger  all  ihr  wehr  und  waffeu  auf 
dem  rathaus  abgeben  müssen. 

Den  26.,  freitags,  wurde  angesagt,  aus  jedes  haus  ein  paar  beth- 
lachen  einzuliefern,  die  Stadtkanonen  wurden  auf  dem  Markt  geführt. 

Den  27.,  sambstags,  hat  man  angefangen  aus  ordre  des  franz.  generals 
das  bleierne  tach  von  unser  lieben  frauen  Münster  abzudecken,  nicht  ohne 
wehthun  der  mehresten  bürger.  Es  wurde  geboten  die  franz.  assignaten 
auszugeben  und  anzunehmen,  die  etfekten  der  österreichischen,  französischen 
und  hiesiger  emigranten  auf  schwerester  straf  anzuzeigen,  alle  bürger 
musten  ihre  sacke  einliefern  u.  d.  gl. 

Den  4.  Oktober  sind  300  österr.  gefangene,  einige  eroberte  kanoneu, 
viele  flinten  eingebracht  worden,  dagegen  sind  viele  wägen  mit  verwundeten 
hier  anlvommen;  heute  ist  die  hiesige  garnison  um  2  bataillon  vermindert 
worden,  welche  nebst  dem  bisherigen  kommandanten  den  brigadechcf 
Schelhammer  weiter  nach  Gulich  gezogen  sind.  Den  2.  dieses  ist  der 
famose  rekognoszierballon  der  Sambre-  und  Maasarmee  durch  die  aero- 
statenkompagnie  von  Luttig  durch  die  luft  hieher  bracht  worden,  und 
ruhet  in  einer  wiese  bei  Burtscheid,  wo  er  gefüllt  ist  und  von  jedermann 
allgemein  bewundert  wird. 

Den  6:  Oktober  ist  der  preis  des  brods  auf  18  merk  gesezt  worden. 

Den  9.  Oktober  haben  die  krämer  das  in  requisition  gesetzte  und 
eingelieferte  Icinentuch  wieder  zurück  erhalten. 

Den  10.  Oktober.  Da  die  Franzosen  Gülich  eingenommen,  ist  gesagte 
festungsartillerie  heute  hier  durch  weiter  nach  Frankreich  abgeführt  worden. 

Den  11.  Oktober  ist  1  pfund  brod  auf  5  sous  gesetzt;  1  U  ochsen- 
fleisch 16  sous,  kuhfleisch  12  sous,  hammelfleisch  16  sous,  speck  24  sous. 

Den  15.  october,  mitwoch  vormittag  um  10  uhr,  ist  in  gegenwart 
des  französischen  general  Dubois  der  freiheitsbaum  samt  der  freiheits- 
müze  unter  beständiger  nmsik  aufgepflanzt  worden  auf  die  stelle  vor  dem 
rathaus,  wo  er  vor  18  monat  ist  umgehauen  worden. 

Oktober  18.  ist  verlesen  worden,  die  kaufleut  und  krämer  hätten  aufs 
neu  ein  genaues  Verzeichnis  von  ihrem  leinentuch  einzubringen. 

Oktober'  ist  das  Waisenhaus  auf  8t.  Mathias  hof  im  Marienthal  ver- 
legt worden;  aus  jenem  wurde  ein  hospital  für  die  Franzosen  zugericht. 


»)  Tag  fehlt. 


—  60  — 

Oktober  22.,  haben  die  Franzosen  die  kupferne  statua  kaisers  Caroli 
Magni,  welche  auf  dem  Mark  auf  der  fontaine  stand,  herunter  nehmen 
lassen.  Der  kupferne  adler  in  dem  gipfel  des  rathaua  ist  schon  vor  etlichen 
tagen  nach  Paris  abgeführt. 

Oktober  24.,  freitags,  nachdem  die  Franzosen  den  inwendigen  abriss 
des  Mttnstei's  genommen,  haben  sie  heut  um  8  uhr  die  kirch  zugeschlossen 
und  darauf  die  Überlegung  gemacht,  auf  welche  art  sie  die  marmor-  und 
andere  steinerne  säulen  herunter  nehmen  könten. 

Oktober  25.,  sambstags,  ist  die  kezerische  schandsäule  vor  dem  rat- 
haus  wieder  abgebrochen  worden,  welche  der  magistrat  voriges  jähr  im 
august  wieder  neu  hatte  aufrichten  lassen.  Die  sogenannte  kaiser  Karls 
jagd ',  sehr  kunstreich  in  stein  ausgehauen,  ist  heut  aus  der  münsterkirch 
fortgeführt  nach  Frankreich,  wie  auch  die  kunstreiche  altargemählde  aus 
der  kapuziner-  und  franziskanerkirche. 

In  den  leztern  tagen  oktobris  hat  der  Volksrepräsentant  von  Paris, 
Frecine,  Caroli  Magni  grab  30  schuh  tief  ausgraben  lassen,  der  meinung, 
verborgene  schätze  allda  zu  finden;  man  hat  angefangen  die  sternerne  (!) 
Säulen  in  dem  obcrn  teil  des  Münsters  abzubrechen;  die  aus  dem  tempel 
Salomon,  welche  am  kreuzaltar  standen,  waren  die  erste,  der  wolf  an 
der  wolfsthür  und  die  gegen  ihm  stehende  artischok  sind  in  des  Frecine 
logis  abgeführt. 

Von  der  belagerten  Stadt  Mastricht  hört  man  alhier  die  kanonade 
so  laut,  dass  auch  an  etliche  häuser  die  fenstern  rasseien. 

Den  7.  novembris,  freitags  nachmistags  um  5  uhren,  ist  alhier  durch 
läutung  aller  glocken  die  einnähme  der  festung  Mastricht  bekant  gemacht 
worden. 

Den  9.  et  10.  november  ist  die  französische  belagern ngsarmee  von 
Mastricht,  30000  mann  stark,  durch  unsere  Stadt  und  gegelid  passiert, 
nach  dem  Rhein. 

Den  15.  november  ist  die  grosse  statua  kaiser  Caroli  Magni,  welche 
man  bei  den  feierlichen  prozessionen  pflegte  umzutragen,  wie  auch  das 
abgedeckte  blei  von  unser  lieben  frauen  Münster  auf  etlichen  waagen  nach 
Paris  abgeführt. 

Den  18.  november,  dienstags,  sind  hfesige  stadtkanonen,  unter  andern 
der  sogenannte  Blütsch,  nach  Frankreich  abgeführt  worden. 

Den  erstem  tagen  decembris  ist  das  Waisenhaus  aus  dem  Marien- 
thal in  das  haus  des  ausgewanderten  vogtmajor  von  Geyer  in  St.  Albert- 
strass  verlegt;  die  nonnen  aus  gesagtem  kloster  sind  bei  verschiedenen 
bürgern  zu  kost  gegangen.    Das  kloster  ist  zum  franz.  spital  bestimmt. 

Den  11.  decembris,  donnerstags,  ist  das  gymnasio  an  dem  jesuiter- 
koUegio  samt  der  bürger  sodalitätssaal  fast  ganz  abgebrannt. 

Den  19.  decembris,  freitags,  ist  ein  Franzos  arquebusicrt  worden. 


*)  Proserpina-Sarkophag. 


—  61  — 

Den  20.  decerobris,  sambstags  am  decade,  haben  die  Franzogen  (!), 
den  grossen  redoutensaal  den  gott  der  Vernunft  zum  tempel  einge weihet; 
bei  diesem  feste  haben  sie,  ein  jedes  departement  mit  seinen  national- 
fahnen  eine  lächerliche  prozession  durch  die  Stadt  gehalten.  Der  volks 
repräsentant  hielte  allda  eine  lange  rede  von  ausrottung  der  tyrannen  (so 
nennten  sie  die  forsten),  von  freiheit,  gleichheit  und  bruderliebe  u.  dgl. 

Den  27.  dezember  ist  die  kontribution  der  länder  zwischen  Maas  und 
Ehein  in  druck  erschienen,  eine  summe  von  fünfundzwanzig  million,  wovon 
unsere  Stadt  und  distrikt  fünf  roillionen  zahlen  muss. 

Die  karmeliten-  und  regulirherrenkirch  sind  zu  pferdsställe  gebraucht 
worden. 

1795. 

Den  4.  Januar,  abends  um  11  uhr,  hat  es  in  die  bäckerläuf  gebrannt. 

Den  21.  Januar  ist  alhier  die  hinrichtung  des  lezten  königs  von  Frank- 
reich, Ludwigs  des  Sechszehnten,  gefeiert  worden,  ein  jedes  departement 
zog  mit  seinen  fahnen  nach  dem  vemunftstempel,  allwo  von  B.  Dorsch, 
President  der  Zentralverwaltung,  eine  rede  gehalten  wurde,  worin  er  sagte, 
heut  sinds  2  jähren,  als  der  tyrann  der  Franzosen  zum  leztenmal  das 
glänzende  gestirne  sah,  vor  welchem  trug  und  verbrechen  sich  zu  ver- 
kriechen suchen.  Nach  wiederholten  artilleriesalven  wäre  dies  fest  be- 
schlossen. 

Den  23.  Januar  ist  durch  läutung  aller  glocken  der  Übergang  des 
Rheins,  die  einnähme  der  Städte  Utrecht,  Leiden,  Delft  bekant  gemacht 
worden. 

Februar  den  12.,  etliche  tag  vor  und  nach,  hat  zum  behuf  der  spitäler 
jedes  haus  ein  pfund  alt  leinen  an  die  Franzosen  abliefern  müssen. 

Februar  den  19.  ist  unt^r  läutung  aller  glocken  von  der  munizipalität 
an  den  Strassen  die  freie  handlung  mit  Frankreich,  nachlass  der  kontri- 
bution bis  auf  8  million  livres,  welche  halb  in  hallten  münzsorten  und  halb 
in  assignaten  erlegt  werden  muss,  proklamiert. 

Februar  den  28.  ist  in  den  eroberten  länder  zwischen  Maas  und  Rhein 
ein  btirgerfest  gefeiert  worden,  welches  alhier  auf  folgende  art  gehalten 
wurde.  Morgens  um  9  uhr  begaben  sich  sämtliche  konstituierte  gewalten 
mit  ihren  fahnen  nach  den  grossen  redoutensaal,  der  sitz  der  zentralver- 
waltung,  allwo  von  dem  president  derselben  eine  diesem  feste  angemessene 
rede  von  den  fortschritten  der  republikanischen  waflfen,  von  den  siegen  in 
Holland,  von  den  nuzen  und  vorteil,  den  wir  davon  hoffen  könten,  gehalten 
worden.  Aisdan  gieng  der  zug  unter  läutung  aller  glocken  über  den 
Kapuzinergraben,  durch  die  Kleine  Marsch ierstras  nach  dem  Markt  hin, 
allwo  der  vaterlandsaltar  errichtet  war.  Die  knaben  von  8  bis  12  jähren 
trugen  eine  fahne  mit  der  Inschrift:  „Hofnung  des  Vaterlandes**,  die  Jüng- 
linge eine  fahne  mit  der  Inschrift:  „Stüze  der  freiheit",  die  akersleute  eine 
mit  der  Inschrift:    „Nährväter  des  Staates",  die  bürger  von  Aachen  und 


—  62  — 

Burdscheid  eine  mit  der  inschrift:  „Alle  menschen  sind  frei  geboren". 
Darnach  folgten  die  musikanten  der  Stadt,  nach  diesen  verschiedene  departe- 
menten,  darnach  die  kriegerische  musik,  dan  die  Zentralverwaltung  und 
der  Stab;  als  der  zug  alda  angelangt,  erstieg  bürger  Vossen  die  bühne, 
hielt  wiederum  eine  lange  rede  von  Vertilgung  der  tyrannei,  von  süssig- 
keit  der  freiheit,  von  nachlass  ein  teil  der  kontribution  u.  dgl.  Darnach 
wurde  vom  President  der  zentralverwaltuug  ein  Scheiterhaufen  angezünd, 
worauf  etliche  adelsurkuiiden  und  insigno  verbrandten  \  und  also  diese  feier 
beschlossen.  Die  munizipalitäten  der  umliegenden  örter  mussten  hiehin 
berichten,  auf  welche  art  sie  dieses  fest  gefeiert  hätten. 

Den  8.  merz,  sontags  morgens  vor  4  uhr,  ist  ein  starkes  erdbeben 
gewesen. 

Den  10.  merz  haben  die  hiesige  munizipalität  den  beckern  geboten, 
auf  300  livres  straf,  kein  waizenbrod  zu  backen. 

Den  21.  merz,  sambstags,  haben  die  Franzosen  den  hiesigen  bekern 
ihr  vorrätiges  mehl  aus  den  häusern  mit  gewalt  fortgenommen. 

Den  1.  april  ist  Franz  Delvoet  ä  Hensilvan  auf  dem  Mark  gegen 
die  hauptwacht  über  wegen  seinen  diebereien  an  einen  pranger  gestellt 
und  dan  auf  die  galeere  geführt. 

Den  2.  und  3.  april,  am  grüneudonnerstag  und  kahrfreitag.  haben 
aus  ordre  der  munizipalität  beide  prozessionen  nicht  dürfen  gehalten  werden. 

Die  lebensmitteln  sind  im  preis  zum  höchsten  grad  gestiegen,  das 
brod  kost  20  mark  und  dabei  so  rar,  dass  den  5.  april  am  h.  ostertag 
viele  menschen  für  geld  kein  brod  haben  konnten. 

Den  4.  april  haben  etliche  bürger  ihre  fruchten,  womit  sie  sich  aus 
Vorsorge  der  theurung  proviantiert,  aus  ordre  der  munizipalität  an  die 
Franzosen  abliefern  müssen,  um  bei  ihnen  den  grossen  mangel  in  etwa 
abzuhelften. 

Den  5.  et  6.  april  sind  etliche  bataillons  Franzosen  durch  unsere 
Stadt  und  gegend  passiert. 

Den  13.  april  ist  das  brod  auf  21  mark  gesezt. 

Den  15.  april  ist  der  frieden  zwischen  Frankreich  und  Preussen  auf 
dem  Mark  die  hiesige  französische  garnison  publiziert  worden. 

Den  18.  april,  sambstag,  ist  Joh.  Bey  ä  Ehlendorf  auf  dem  Mark 
am  pranger  gestellt  und  darnach  zu  einer  16jährigen  gefangniss  ver- 
urteilt worden. 

Den  22.  april,  unerachtet  die  Franzosen  fast  alles  hornvieh  aufge- 
trieben haben,  ist  doch  heut  an  den  Strassen  angeheftet  worden,  dass  in  den 
Ländern  zwischen  Maas  und  Rhein  ganz  geschwind  6000  küh  müssten  in 
kontribution  genommen  werden,  wovon  der  aacher  distrikt  259  stück  liefern 
muss,  jedoch  soll  pr.  ^  60  sols  bezahlt  werden. 


')  W.  Brüuing,  Aktenstücke   au3   dem  aacheuer  Stadtarchiv  (1795—1805).     (Aus 
Aachens  Vorzeit  IX.  Jahrg.,  S.  94.) 


-  63  — 

Den  5.  maij  ist  aus  ordre  der  zentralverwaltung  der  neue  kirchhof 
ausser  Köllerthor  durch  hiesige  pastores  eingeweiht  worden,  wo  folgens 
alle  büiger  sollen  und  müssen  begraben  werden. 

Den  29.  maij  haben  alle  glocken  geläut  wegen  gestillten  aufruhr  in 
Paris  wider  den  konvent. 

Den  1.  junij  ist  das  brod  auf  24  merk  gesezt  .worden. 

Hiesige  eraigranten  sind  fast  alle  zurückgekommen,  nachdem  sie  sich 
bei  der  munizlpaütät  eingestellt,  auch  wieder  in  besitz  ihrer  guter  gesetzt. 

Junij  den  4.  ist  die  fronleichnamsprozession  wie  gewöhnlich  gehalten 
worden,  nur  dorften  keine  bilder  dabei  getragen  werden;  bei  diesem  feste 
haben  die  grosse  glocken  im  Münster  wiederum  geläutet,  welche  von  ankunft 
der  Franzosen  bis  hiehin  bei  keinem  feste  haben  läuten  dörfen.  NB.  heutige 
Prozession  wohnte  die  munizipalität  mit  fackelen  tragend  bei. 

In  der  nacht  vom  10.  zum  11.  haben  von  halb  zwölf  bis  halb  4  uhr 
alle  glocken  läuten  müssen  wegen  einnähme  der  festung  Luxemburg  durch 
die  Franzosen. 

Den  11.  junij  hielten  alle  gerichter  und  departements  mit  ihren  fahnen 
vortragen  eine  prozession  durch  die  Stadt,  unter  vielmaligem  ausruf  vive 
la  republique. 

Das  brod  kostet  gegenwertig  27  merk,  und  weilen  schlechte  polizei 
ist,  kostet  es  bei  etlichen  beckern  28,  20  bis  30  merk. 

Anfangs  julij  haben  die  Franzosen  viele  ausschweifungen  allhie  be- 
gangen, indem  sie  die  zu  Markt  kommende  bauern  geplündert,  unter  andern 
fielen  sie  die  magd  an  von  Ludwig  Heusch  auf  dem  Weyenberg  alhie, 
welcher  aber  mit  seinen  bauersknechten  auf  ihnen  laurte  und  sie  so 
abprügelte,  dass  einer  von  ihnen  tod  bliebe.  Heusch  wurde  vor  der  munizipali- 
tät berufen  und  darnach  auf  die  hauptwacht  geführt.  Am  7.  julij  wolten 
die  Franzosen  sich  wegen  ihren  tod  geschlagenen  kameraden  rächen,  sie 
nahmen  bürger  und  bauren  ihre  stocke  ab,  wolten  Heusch  heraus  geschaft 
haben,  droheten  sogar  das  haus  desselben  zu  plündern,  die  offizier,  welche 
besser  dachten,  gaben  um  3  uhr  ordre  zum  abmarsch,  und  in  der  grössten 
eil  marschierte  das  bataillon  nach  Köllerthor  aus,  sonst  wäre  der  marsch 
erst  andren  tags  bestimt. 

Julij  15.  sind  die  pontons  hier  durch  nach  der  französischen  Rhein- 
armee gegangen. 

Julij  26.,  auf  Foilans  kirmestag,  abends  um  7  uhr,  haben  alle  glocken 
läuten  müssen,  als  am  jahrtag,  dass  Roberspierre,  welcher  Frankreich  als 
republique  tyrannisierte,  zu  Paris  seinen  köpf  verlor. 

Julij  29.  entstand  ein  aufruhr  unter  die  hiesige  garnison,  welche  ihr 
brod  und  geld  haben  wolten;  der  kommandant,  der.  brigadechef  sind  durch 
Säbelhiebe  mishandelt  worden.  Den  31.  ibidem  sind  von  dem  aufrührischen 
grenadierbataillon  mehrere  officiers  entwafnet  und  kassiert,  die  gemeine 
aber  nach  Charlemont  marschiert  ausser  18  brauseköpf,  welche  dem  rev»»- 
lutionstribunal    übergeben   und   im    Gras   gefangen    sitzen.     Abends  nach 


—  64  — 

11  iihr  haben  wieder  alle  glocken  läuten  müssen,  wegen  eine  siegesnach- 
richt,  welchen  die  republikaner  gegen  die  Engländer  und  emigrierte  zu 
Quiberon  erhalten  haben  sollten. 

Vom  26.  julij  bis  1.  august  ist  grosser  mangel  an  brod  alhie  gewesen; 
viele  ansehnliche  und  reiche  bürger  haben  einen  kronenthaler  für  ein  brod 
anerbotten  und  keins  erhalten  können,  gemeine  bürger  und  arbeitsleute 
zu  tausenden  haben  in  zwei  bis  drei  tag  vor  geld  kein  brod  haben  können, 
der  preis  desselben  ist  nach  willkühr  der  becker  36,  38,  42  bis  44  merk. 
Gott,  nach  dessen  willen  sich  alles  richten  muss,  wolle  bei  diesen  betrübten 
Zeiten  unser  vater  und  helfer  sein. 

August  den  4.  haben  die  Franzosen  die  letzte  säulen  aus  unser  münster- 
kirch  fortgefahren,  deren  38  an  der  zahl,  und  jede  von  ächten  kennern 
300000  livres  geschätzet  worden. 

August  den  8.,  sambstags,  ist  das  brod  9  merk  abgeschlagen,  die 
becker  haben  noch  nemlichen  tags  an  dem  neuen  preis,  welcher  21  ist, 
verkaufen  müssen,  abends  zwischen  8  et  9  uhr  haben  alle  glocken  drei 
pausen  läuten  müssen,  weilen  die  Franzosen  viele  insuln  von  den  Engländern 
erobert  haben. 

Den  10.  august,  morgens  um  11  uhr,  wurde  auf  dem  paradeplaz 
verlesen,  dass  heut  der  jahrtag  seie,  dass  in  Frankreich  die  königswürde 
abgeschaft  und  die  republique  gegründet  seie,  darum  mussten  widerum 
alle  glocken  läuten. 

Den  16.  august,  sontags  nachmittags  nm  5  uhr,  sind  6  Franzosen, 
welche  den  mehresten  anteil  an  der  aufruhr  vom  29.  julij  gehabt,  auf 
dem  Tempelergraben  allhie  füsiliert  worden,  sie  erhielten  ihren  tod  stehend 
mit  offenen  äugen. 

Den  25.  august,  dienstags,  ist  citoyen  Kaefer,  gegenwertiger  fran- 
zösischer küh-  und  schaafkommissär,  wovon  unterm  16  febre  et  29  novem- 
bre  anno  88  meidung  geschehen,  arretiert  und  ins  Gras  gefangen  gesezt. 

Den  26.  august,  mitwochs,  ist  Joh.  Peter  Wedua  et  Joh.  Peter  Pütz 
am  pranger  gestellt,  weilen  sie  das  magazin  der  republique  bestohlen  haben. 

Heut  ist  das  brod  3  mark  abgeschlagen,  gilt  noch  18  merk. 

Den  8.  septembris,  vormittags,  ist  durch  losbrennung  der  kanonen 
und  läutung  aller  glocken  die  annähme  der  französischen  konstitution  von 
der  hiesigen  garnison  bekant  gemacht;  da  die  offizielle  nachricht  ein- 
getroffen, dass  die  französische  armee  bei  Düsseldorf  und  Urdingen  über 
den  Rhein  gegangen,  ist  solches  abermal  nachmittags  6  uhr  durch  läutung 
aller  glocken  bekant  gemacht  worden.  Die  munizipalität,  welche  ihre 
freude  und  Zufriedenheit  hierüber  bezeigen  wollte,  haben  die  garnison  mit 
etliche  tonnen  hier  auf  offener  Strassen  beschunken. 

Septembris  14.  hat  um  die  gewöhnliche  zeit  am  abend  die  portenglock 
wiederum  geläut,  welche  seit  des  franz.  einzugs  allhie  eingestellt  gewesen. 

Septembris  22.,   nachmittags,  hat  man   durch  läutung  aller  glocken 


—  65  — 

das  fest  des  folgenden  tags  angekündigt,  als  den  jahrtag,  an  welchen  die 
Franzosen  ihren  einzug  alhie  gehalten. 

Septembris  23.,  nach  dem  hohen  arat  in  unser  lieben  frauen  Münster 
wurde  das  Te  Deum  zur  danksagung  abgesungen. 

Novembris.  Die  erste  woche  dieses  monats  wurde  von  den  Franzosen 
die  kontribution  für  unsere  Stadt  ausgeschrieben.  In  zeit  24  stund  sollten 
200000  livres  erlegt  werden,  welche  summe  die  geistlichkeit  und  reicheste 
bürger  erlegen  mussten.  Weil  nun  besagte  summe  auf  bestimmte  zeit  nicht 
beisammen,  haben  sie  mehrere  bürger  und  geistliche  in  arrest  genohmen, 
und  selbige  als  geissein  behalten.  —  Weil  ihnen  von  den  Österreichern 
bei  Mainz  eine  schlappe  angehängt,  wodurch  die  belagerung  gesagter  Stadt 
aufgehoben  worden,  haben  sie  hier  ihre  magazinen  eingepackt. 

Novembris  9.  ist  das  kornhaus  aus  der  Franziskaner  kreuzgang  in 
die  kapuzinerkirch  verlegt  worden ;  ersteres  wurde  zum  spital  eingerichtet. 
Heute  wurden  2  junge  herren  Beissel  und  Heusch,  beide  anstatt  ihrer 
Väter  als  geissei  nach  dem  französischen  hauptquartier  fortgeführt. 

Novembris  14.  wurde  angesagt  in  zweimal  24  stund  die  kontribution, 
welche  auf  jedes  haus  angeschlagen,   zu  erlegen  auf  straf  der  exekution. 

Novembre  26.  hat  man  angefangen  diejenigen  bürger  zu  exekutieren, 
welche  ihre  kontribution  noch  nicht  erlegt  haben. 

Dezember  1.  haben  die  Franzosen  Sandkul-,  Adalberts-  und  Junkers- 
thor geschlossen,  weilen  dieselben  wegen  schwäche  der  garnison  nicht  mit 
wachten  konten  besezt  werden. 

Dezember  den  6.,  sontags,  haben  die  Franzosen  2  kaiserl.  kriegs- 
gefangene,  weil  sie  tjmigranten  waren,  erschossen,  allhie  auf  dem  Tempeler- 
graben. 

Dezember  den  22.  Wegen  den  vielen  diebereien,  welche  etliche 
nachten  nacheinander  sind  geübt  worden,  haben  anlass  gegeben,  dass  die 
munizipalität  befohlen,  dass  abends  nach  10  uhr  sich  niemand  ohne  licht 
auf  der  Strasse  solle  betretten  lassen,  widrigenfalls  solle  er  arretiert,  auf 
die  haubtwacht  geführt  und  30  sous  straf  zu  erlegen  haben. 

Dezember  den  .4.,  montags,  ist  aus  ordre  der  munizipalität  angesagt, 
dass  jeder  bürger  soviel  merken  bei  die  bürgerkapitains  einbringen  solle, 
als  viel  reichsthaler  er  bei  der  kontribution  bezahlt  hat,  welche  für  öl  in 
die  laternen  solle  verwend  werden. 

1796. 

Januar  21.,  donnerstag,  ist  von  der  hiesigen  garnison  und  sämtlich 
konstituirten  gewalten  die  hinrichtung  Ludwigs  des  Sechszehnten  in  beisein 
des  general  en  chef  Jourdan,  welcher  heut  hier  ankommen,  unter  los- 
brennung  der  kanonen  gefeiert  worden. 

Januar  25.  hat  die  munizipalität  auf  anweisung  der  distriktsverwal- 
tung  den  bestbegüterten  bürgern  durch  gedruckte  zettel  ansagen  lassen, 
in  zeit  12  stunden  all  ihr  vermögen  nach  abzug  der  schulden  gewissenhaft 


—  66  — 

anzuzeigen,  widrigenfalls  sie  muthmasslich  taxiert  und  den  ihnen  dadurch 
entstehenden  schaden  abzuwarten  hätten. 

Den  6.  februar  ist  durch  veranlassung  dreier  rebellischen  brüdem 
bei  den  Alexianern  oder  Begaden,  als  Nickel,  Herbeeks,  Büeken,  von  den 
Franzosen  eine  kommission  in  besagten  kloster  niedergesetzt  zur  Unter- 
suchung ihrer  vorgeblichen  beschwerden;  man  hat  aber  nicht  lange  unter- 
sucht, sondern  weil  die  französische  gesetze  nichts  von  gelübd  noch  Unter- 
werfung halten,  haben  jene  drei  malcontenten  in  den  fastnachtstägen  ihre 
kutten  am  nagel  gehenkt,  hierauf  ist  Herbeeks  und  Nickel  von  den  Fran- 
zosen für  krankenwarteren  in  den  spitäleren  amploiert. 

Den  16.  februar  und  folgende  tage  hat  die  munizipalität  von  den 
reichsbauren  die  3  jahrig  rückständige  mehlaccis  eingefordert. 

Den  26.  februar  ist  Jourdan,  general  en  chef  der  Rhein  und  Mosel- 
armee, von  Paris  zurück  alhie  ankommen;  er  stieg  ab  bei  witwe  Brand 
auf  dem  Seilgraben. 

Den  8.  merz  und  folgende  tag  hat  die  munizipalität  diejenige  bürger, 
welche  ihren  anschlag  zu  dem  gezwungenen  anlehn  noch  nicht  entrichtet, 
mit  exekution  belegt. 

Merz  den  11.  hat  man  ein  gewisser  Drissen,  von  hier  gebürtig  ersoffen 
gefunden,  in  die  Reih,  in  der  dortigen  bach. 

Merz  den  15.  hat  die  munizipalität  allen  bürgern  geboten,  gewissen- 
haft den  etat  ihres  Vermögens  anzugeben,  damit  man  in  anschlag  der  kon- 
tribution  rücksicht  darauf  nehmen  könte. 

April  den  2.,  sambstags,  hat  die  munizipalität  ein  plakat  anschlagen 
lassen,  worin  allen  bäckern  gebothen  wird,  auf  50  reichsthaler  straf,  in 
zeit  einer  dekade,  das  ist  10  tag,  ihren  ganten  die  osterwecke  abzuliefern, 
den  die  mehreste  bäcker  hatten  sich  vereinbart,  unterschrieben  und  12  tonnen 
hier  straf  angesezt  demjenigen,  welcher  osterwecken  backen  sollte. 

April  den  26.,  nachmittags  haben  alle  glocken  läuten  müssen,  weil 
die  Franzosen  in  Italien  einen  sieg  über  die  Österreicher  erhalten  haben. 

April  den  30.  haben  mittags  und  abends  jedesmal  eine  stunde  alle 
glocken  geläutet,  weil  die  Franzosen  einen  zweiten  sieg  über  die  öster- 
reichisch und  piemontesische  truppen  erhalten  haben. 

Zu  dem  gezwungenen  anlehn,  wovon  8  millionen  für  hiesigen  distrikt  an- 
gesetzt, haben  die  bürger  diese  woche,  jeder  seinen  anschlag  einbringen  müssen. 

Der  gülich  und  aacher  bezirk  muss  wiederum  in  dem  französischen 
magazin  liefern  roggen  18750  cent.,  waizen  6250  cent.,  stroh  10000  cent., 
haber  10000  cent.,  heu  20000  cent.,  fleisch  10000  cent.;  deshalben  die 
munizipalität  die  erste  woche  im  maij  den  bürgern  ein  gedrucktes  billet 
zugeschickt,  worauf  ihren  anschlag  bemerkt,  und  in  zeit  24  stund  auf  straf 
der  exekution  einzubringen  geboten  wird^ 

*)  Hier  schliessen  die  MitteiluDgen  der  Chronik.  Eine  Fortsetzung  bis  zum  4.  Februar 
1797  ermöglicht  die  sogenannte  gicsenscho  Chronik,  aber  wir  verzichten  darauf,  weil  sie 
nichts  Wissenswertes   bietet.    Die  Angaben   beider  Chroniken  über  die  Fremdherrschaft 


—  67  — 

Anhang. 

Aktenstücke,  die  mttnsterschen  Hofräte  Franz  und  Max 

Forckenbeck  betreffend. 

I.  Maximilian  Franz  von  gottes  gnaden  erzbischof  zn  Köln,  des  heiligen  römischen 
reichs  durch  Italien  erzkanzler  und  karfürst,  geborener  legat  des  heiligen  apostolischen 
Stuhls  zu  Bom,  königlicher  prinz  von  Uungarn  und  Boheim,  erzherzog  zu  Österreich,  herzog 
zu  Burgund  und  Lothringen,  administrator  des  hochmeistertums  in  Preussen,  meister 
deutschen  ordens  in  deutsch  und  wälschen  landen,  bischof  zu  Münster,  in  Westfalen  und 
zu  Engern  herzog,  graf  zu  Habsburg  und  Tyrol,  burggraf  zu  Stromberg,  herr  zu  Odenkirchen, 
Bockelohn,  Freudenthal  und  Eulonberg  etc.  etc.  Ehrsam  und  hochgelehrter,  lieber,  getreuer! 
Da  wir  unsern  kurkölnischen  geheimen  und  hochfürstlich  münsterschcn  hofraten  Maximilian 
Forckenbeck  nacher  Münster  zurück  berufen  haben,  die  von  seiner  kaiserlichen  majestät 
unterm  21.  merz  1781  dem  niederrheinisch- westfälischen  Jcreis  allergnädigst  aufgetragene 
kommission  aber  fortgesetzet  wird  und  unser  geheime  rat  und  kreisgesandter  Wenner  bei 
denen  noch  obwaltenden  krankheitsumständen  dieser  kommission  beizuwohnen  ausser  stand 
ist,  so  geben  wir  dir  hiermit  die  gnädigste  Weisung,  dich  sofort  ohnverzüglich  nach  Aachen 
zu  begeben,  obbemeldeter  kreiskommission  beizuwohnen  und  über  den  verschlag  von  zeit 
zu  zeit  an  uns  zn  berichten.    Wir  sind  dir  übrigens  mit  gnaden  gewogen. 

Bonn,  den  12.  august  1788.  Max  Franz,  churfttrst. 

An  den  hofrat  Franz  Forckenbeck.    Puncto  beiwohuung  der  kreiskommission  zu  Aachen. 

Adresse :  . 

Dem  ehrsam  und  hochgelehrten,  unserem  münsterischen  hofraten  Franz  Forckenbeck, 
lieben,  getreuen  Münster. 

II.  Maximilian  Franz  etc.  etc.  trägt  mit  Bücksicht  auf  die  Lage  der  lütticher 
Sache,  die  in  den  Händen  des  geheimen  und  Kreisdirektorialrats  von  Kempis  liege  und 
diesen  ganz  in  Anspruch  nehme,  das  aachener  Subdelegationsgeschäft  Max  Forckenbeck 
auf,  dem  „das  dasige  geschäft*^  bereits  bekannt  sei. 

Bonn,  den  6.  Mai  1790. 

III.  Erneuerung  dieses  Auftrages  am  9.  Juli  1790. 

IV.  Kommissorium  für  den  kurfürstlich  geheimen  und  hochfürstlichen  münsterischen 
hofrat  Franz  Forckenbeck. 

Maximilian  Franz  etc.  etc.  Nachdem  von  dem  kaiserlichen  und  reichskammergericht 
durch  eine  unterm  14.  junius  laufenden  jahrs  in  Sachen  dos  grösseren  und  ansehnlichem 
teils  des  Stadtrats  wie  auch  der  gesamten  bürgcrschaft  zu  Aachen  wider  die  ausgetretene 
magistratsglieder,  so  dann  bürgermeister,  magistrat  und  rat  der  kaiserlichen  freien 
reichstadt  Aachen  eröfnete  sentcuz  an  uns  eine  manutenenz  und  exekutionskommission 
erlassen,  dieser  auftrag  zugleich  durch  eine  unterm  10.  v.  m.  verkündete  anderweite  urtel 
auf  die  hauptsache  und  einführung  der  unterm  17.  februar  1.  j.  vorgeschriebenen  ver- 
besserten konstitution  cum  ordinatione  erstrecket  ist  und  wir  zugleich  beschlossen  haben, 
uns  diesem  oberstreichsrichterlichen  auftrag  zu  unterziehen:  so  ernennen  wir  unsern  kur- 
fürstlich geheimen  und  hochfürstlich  münsterischen  hofrat  Franz  Forckenbeck  als  unseren 


decken  sich  fast  vollständig,  vor  allem  stimmen  sie  in  der  scharfen  Verurteilung  derselben 
überein.  Sic  beweisen  wieder  aufs  deutlichste,  dass  die  Bürgerschaft  Aachens,  deren 
gebildeterem  Teile  unser  Chronist  wohl  angehört  hat,  nicht  franzosen  freund  lieh  gesinnt 
gewesen  ist.  Die  Streitfrage:  „Franzosenfeindiichkeit  oder  Franzoseufreundlichkeit**  dürfte 
nunmehr  endgültig  beantwortet  sein.  Vgl.  W.  Brüning,  Aachen  während  der  Fremd- 
herrschaft und  der  Befreiungskriege  (Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  Bd.  XIX  2, 
S.  171—210). 


—  68  -- 

sabdcle^icrten  za  dieser  kaiserlichen  kommissionssache  mit  dem  gnädigsten  befehl  nnd  aaf- 
trag,  dass  derselbe  als  unser  subdelegatns  mit  unserem  ihm  als  sekretaire  zugeordneten 
geheimen  kanzellisten  Aulicke  sich  nach  der  reichsstadt  Aachen  begeben,  daselbst  den 
oberstreichsrichte.rlichen  auftrag,  zufolge  der  ihm  dieserhalb  erteilten  besondern  Instruktion 
mit  benebmung  und  in  gemeinschaft  des  klcTischen  subdelegati  bestens  befolgen  und  an 
uns  Yon  dem  geschäftsgange  von  zeit  zu  zeit  seinen  gehorsamsten  bericht  erstatten  solle. 
Urkund  unseres  gnädigsten  handzeichens  und  Torgedrückten  geheimen  kanzleiinsiegels. 

Bonn,  den  4.  September  1792.  Max  Franz,  churfürst 

Vt.  J.  Ch.  J.  freiherr  von  Waiden  fels. 

V.  Instruktion  für  den  geheimrat  Forckenbeck. 

Nachdem  das  kaiserliche  reichskammergericht  in  sacben  des  grösseren  nnd  ansehn- 
licheren teils  des  Stadtrats  wie  auch  der  gesamten  bürgerschaft  zu  Aachen  wider  die 
ausgetretene  magistratsglieder  als  die  beide  bürgermeister  Wylre  und  Brammerz,  die  rats- 
verwandte Buchholz  und  konsorten,  sodann  bürgermeister,  magistrat  und  rat  der  freien 
reichsstadt  Aachen  intervenienten  den  14.  august  extensio  mandati  de  respective  manute- 
nendo  et  exequendo  s.  c.  cum  clausula  samt  und  sonders  et  cum  ordinatione  auf  ihro 
kurfürstliche  durchlaucht  zu  Köln,  als  fürstbischofen  zu  Münster,  und  dem  könig  von 
Preussen,  als  herzog  von  Kleve,  ist  erkannt  worden,  und  beide  kreisausschreibende  herren 
fürsten  diesen  auftrag  übernommen  haben,  so  subdelegieren  ihro  kurfürstliche  durchlaucht 
zu  diesem  ende  höchstihro  geheimenrat  Forckenbeck  und  erteilen  ihm  hiemit  die  Weisung: 

1.  nach  vorgängiger  benehmung  mit  dem  klevischen  kreisgesandten  von  Dohm  sich 
nach  Aachen  zu  begeben, 

2.  in  gemeinschaftlicher  beratung  mit  dem  klevischen  snbdelegato  das  urtel  vom 
17.  februar  a.  c.  und  der  sub  lit.  a  beigefügten  verbesserten  konstitntion  auf  koston  der 
renitenten  zum  Vollzug  zu  bringen.    Da  man 

3.  voraussetzet,  dass  nur  die  in  die  Verfassung  eingeschlichene  mängel  von  dem 
kaiserlichen  reichskammergericht  abgestellt  worden,  und  man  nicht  vermuten  kann,  dass 
selbiges  die  demokratische  konstitution  der  stadt  Aachen  habe  abänderen  wollen,  so  wird 
dem  münsterschen  subdelegato  hiemit  aufgetragen,  dass,  wenn  der  magistrat  oder  die 
bnrgerschaft  bei  der  kommission  gründlich  bescheinigen  und  dieselbe  finden  wird,  dass 
die  demokratische  Verfassung  abgeändert  werden  solte,  solches  dem  kaiserlichen  reichs- 
kammergericht durch  einen  gemeinschaftlichen  kommissionsbericht  anzuzeigen  und  die 
nähere  Weisung  abzuwarten.    Es  ist  aber 

4.  auf  die  zwischen  der  bürgerschaft  unter  dem  schütz  des  Vizekanzlers,  freiherm 
von  Knapp,  getroffene  Vereinbarung  vor  der  band  keine  rücksicht  zu  nehmen,  weil  dieselbe 
dem  kaiserlichen  reichskammergericht  noch  nicht  ist  vorgelegt  worden,  und  dasselbe  in 
der  urtel  vom  14.  august  dafür  hält,  dass  bei  der  verbesserten  konstitution  nicht  von  einigen 
zwischen  der  bürgerschaft  und  einem  teil  der  ratsglieder  entstandenen  Streitigkeiten,  son- 
dern von  ausrottung  der  im  Justiz-,  finanz-  und  polizeiwesen  vorgefundene,  der  ganzen 
Stadt  und  bürgerschaft  seit  langen  jähren  zum  äussersten  verderben  und  unfehlbaren  unter- 
gang  gereichenden  misbräuchen,  wie  auch  insbesondere  von  gänzlicher  Vertilgung  und 
abstellung  der  dem  gemeinen  wesen  so  nachteiligen  mäkelei,  als  der  hauptquelle  alles 
bisherigen  Übels,  mithin  von  einem  das  Interesse  publicum  civitatis  betreffenden  gegen- 
ständ die  frage  sei. 

Was  5.  kurpfalz  als  herzog  von  Jülich  betrift,  wäre  darauf  zu  bestehen,  dass  die 
zu  Aachen  sich  noch  befindende  kurpfölzische  tmppen  nach  maasgab  der  kammergericht- 
lichen urtel  zurück  gezogen  werden.    Glaubt 

6.  dieser  hof,  dass  von  dem  k.  reichskammergericht,  welches  die  gerechtsamme  des 
herrn  herzogs  von  Jülich  in  der  verbesserten  konstitution  ausdrücklich  vorbehalten  hat, 
denenselbcn  zu  nahe  getreten  sei,  so  muss  dieses  von  Kurpfalz  entweder  interveniendo 
oder  separatim  bei  demselben  vorgestelt  werden.    Solte  man  sich  darüber  an  die  sub- 


—  69  — 

dclegatioDS-kommission  wenden,  so  hat  der  münstcriscbe  subdejcfi^atns  dabin  zu  stimmet], 
dass  diese  vorstellnng  an  das  kaiserliche  reichskammergcricht  einzusenden  sei.    So  lang 

7.  keine  Widersetzlichkeit  von  selten  der  aachener  bürgerschaft  verspürt  wird,  können 
zu  erleichternng  der  Stadt  die  exekutionstruppen  wegbleiben. 

Sobald  aber  diese  notwendig  werden  solten,  bat  subdelegatus  darüber  an  ihro  kar- 
fürstliche durchlaucht  die  berichtliche  anzeige  zu  machen. 

Bonn,  den  4.  September  1792.  Max  Franz,  churfürst. 

Vt.  J.  Ch.  J.  freiherr  von  Waidenfels. 


Nennmänner  aydt^ 

(Vgl.  8.  35,  Anm.) 

Ihr  sollet  globen  und  schweren  zu  gott  und  seinen  lieben  heiligen,  dass  ihr  die 
nogstkunftige  drei  ihar  längs  [ihr  wurdet  dan  inmittels  zgm  andern  ambt  crwehlet],  von 
paeschen  bis  Remigii*  morgens  von  acht  uhren  bis  zehen,  von  Remigii  bis  wiederum 
paeschen  von  ncunen  bis  elf  and  dan  auf  den  nachmittag  das  ganze  ihar,  auss  von  zweien 
bis  vier  uhren,  nach  euer  ordtnung  auf  der  accins  cammeren  sein,  daselbst  der  statt 
accins  und  inkommen  aufbnhren^  und  ein  jedes  ahn  sein  gebuhreudt  ort  underscheidtlich 
aufschreiben  und  registriren  lassen,  keine  quitantien,  so  durch  die  rentmeister  zuvor  nicht 
verzeichnet,  entrichten  oder  bezahlen,  noch  in  bezahlung  nehmen,  snnst  auch  kein  gelt 
ausgeben,  es  wurde  euch  dan  durch  die  herren  burgermeistern  solches  geheischen  oder  ein 
zettul  durch  die  rentmeister  derwegen  geschrieben  oder  und ersch reiben  vorbracht  oder 
durch  die  baumeistern  zu  behoif  eines  ehrbaren  ratts  und  gemeiner  statt  baues  abgefordert, 
solche  eueres  eropfangs  und  ausgebens  registcr  formlich  halten,  beschliessen,  einen  ohr- 
baren ratt  mit  erster  gelegenheit  und  vor  ahnfang  euer  negstfolgendcr  vierzehen  nachts 
zeit  vorbringen,  dan  selbst  ofifentlich  verlesen  lassen  und  zu  sambt  denn  uberschiesseDden 
Pfenningen  den  rentmeistern  uberliebern,  auf  der  accins  cammeren  kein  gelt  anders,  dan 
eines  ehrbaren  ratts  munzordnung  mitpringt,  empfangen,  desselben  nichts  in  eueren  nutzen 
verwenden,  von  dem  ratthaus  abtragen  oder  verwechselen,  sonderen  alles  in  ebener  gestalt, 
wert,  speciebus  und  gewicht  ausgeben,  dass  ihr  es  vermögh  der  munzordnung  eingc- 
nohmen  habet,  alle  eines  ehrbaren  ratts  ausstehende  schulden,  welche  euch  vermögh  der 
taffeien  einzumahnen  obligt,  vermögh  derselben  und  sunsten  eines  ehrbaren  ratts  uber- 
kombsten^  so  albereit  ergangen  und  künftig  ergehen  sollen,  fleissig  einmahnen  lassen,  und 
euch  derselben  bemuhen,  mit  euer  zu  verordneter  belohnung  begnngig  sein,  auch  ferner 
alles  und  iedes  thuen  sollet,  das  ein  getreuer  neunmanu  zu  thuen  schuldig  ist,  alles  ohne 
gepferd  und  argelist*. 

Da  der  vorstehende  Eid  auf  das  amtliche  Verhältnis  zwischen  neumänneru  und 
Bentmeistern  Bezug  nimmt,  lassen  wir  auch  den  Eid  der  letzteren  folgen^. 

Herren  rentmeistern  aydt 

Ihr  sollet  globen  und  schweren  zu  gott  und  seinen  lieben  heiligen,  dass  ihr  negst- 
kunftige  drei  ihar  lang  [ihr  wurdet  dan  inmittels  zum  anderen  ambt  erwöhlet]  der  statt 

»)  Aus  dem  Index  jaramentorum  S.  82  (Eidbuch,  I.  Teil),  der  auf  dem  Stadtarchiv  beruht.  Die 
hier  gegebene  Fassung  des  Neumännereids  rührt,  wie  die  der  meisten  anderen  im  Index  enthaltenen» 
aus  der  Eweiten  Hälfte  des  17.  Jalirhunderts  her.  —  Das  Wort  Ncucmänner  ist  eine  ebenso  beliebte 
wie  sinnlose  Verdrehung  der  Bezeichnung  Neumänner. 

«)  Von  Ostern  bis  1.  Oktober. 

*)  Empfangen,  einsammeln. 

*)  Die  BatsbeschlUsse  führten  den  Namen  Überkömmst. 

*)  Stehende  Sohlussformel.  (Jev  aerde  (mhd.),  mitteld.  gevdrde  und  gev§rd  —  Betrug,  böse 
Nebenabsicht. 

«)  A.  a.  O.  S.  la 


—  70  — 

rentmeister  sein  und  des  rentmeisterambts  Sachen  za  gemeiner  statt  besten,  urbar',  nutz 
und  wolfahrt  möglichs  fleisses  und  ganz  treulich  auf  der  rcntcammer  verwalten,  keine 
quitantien  noch  zettulen  schriben  oder  underschreiben,  es  wehren  dan  die  renten  zuvorn 
verfallen  oder  der  zettulen  begriff  euem  verstand  und  wissenschaff  nach  eines  ehrbaren 
ratt  aufrichtiger  schuld  schuldig;  der  neunmänner  beim  ratt  verkommene  und  öffentlich 
verlesene  register  in  die  rent  taglicher  kosten  und  andere  bncher,  so  ihr  zu  halten  schuldig, 
und  sunsten  ein  iedes  ahn  sein  orth  gebührlich  einschreiben,  die  einbrachte  Pfenningen 
alspald  in  eines  ehrbaren  ratts  cassa  einzuwerfen,  euere  rechnung  des  ganzen  ihars- 
empfangs  und  ausgebens  nach  ausgang  eines  iedwederen  ihars  mit  auch  den  ganzen  stand 
eines  ehrbaren  ratts  bei  demselben  verfassen,  öffentlich  verlesen,  nichts  von  gemeiner  statt 
mittelen  in  eueren  nutzen  verwenden  oder  gebrauchen  und  euch  mit  euer  zu  verordneter 
bclohnung  begnügen  lassen,  auch  forter  alles  und  iedes  thuen  sollen,  das  ein  getreuer 
rentmeister  zu  thuen  schuldigk  ist,  alles  ohne  gepferde  und  argelist. 


Vertrag  der  Aachener  Kupferschlägerzunft  mit  Brabant, 
angehend  eine  Galmeiliefernng  aus  dem  Altenherg,  a.  1648  Not.  28. 

Von  Heinrich  Kelleter. 

Die  Kupfergiesser  und  Kupferschläger,  welche  eine  der  wichtigsten 
Bevölkerungsgruppen  des  industriereichen  Aachens  bildeten,  haben  kunst- 
gewerbliche Erzeugnisse  ersten  Ranges  geschaffen,  deren  eine  stattliche 
Anzahl  sich  in  hiesigen  Kirchenschätzen  und  im  Privatbesitz  altaacheuer 
Familien  erhalten  hat. 

Allerdings  haben  diese  Leistungen  des  edlen  Handwerks  der  Kupfer- 
schläger und  der  mannigfaltigen  damit  verbundenen  anderen  metallurgischen 
Gewerbe  noch  immer  keine  eingehende  historische  Würdigung  erfahren; 
geradeso  wenig  ist  aber  auch  der  wirtschaftlichen  Bedeutung  dieser  Han- 
tierungen eine  gebührende  Aufmerksamkeit  geschenkt  worden.  Und  doch  hat 
die  alte  einheimische  Kupferindustrie  und  ihre  zahlreichen  Splisse  einem 
sesshaften  Stamm  von  Meistern,  Knechten  und  Händlern  lange  Zeit  hin- 
durch ein  lohnendes  Arbeiten  und  Auskommen  geboten;  ja  zeitweilig  hat 
dieselbe  die  bedeutendsten  andern  hiesige  Gewerbe,  die  Tuchmacherei  nicht 
aus<ro?cli]()ssen,  weitaus  überflügelte 

An  sich  ist  die  Aachener  Metallindustrie  sehr  alt;  in  der  Römerzeit 
und  unter  Karl  dem  Grossen  finden  wir  Bergbau  und  Erzguss  hier  ein- 
heimisch und  ihre  Geschichte  lässt  sich  trotz  der  Mangelhaftigkeit  unserer 
ältesten  Tradition  von  jenen  frühen  Zeiten  an  bis  auf  uns  Moderne  hinauf 
verfolgen.    Manche  der  heute  bestehenden  Hütten  und  Metallwerke   des 


>)  Zusammengesetzt  aus  nr  —  aus,  anfUngrlicIi,  ursprünglicJi  und  einem  Substantivum  bor  (Part, 
dos  Präteritums  von  ahd.  pöran,  gebÄren).  Das  urbar  oder  urbor  ist  eigentlich  ein  zinstragendes 
Grundstück,  ein  Zinsgut,  oder  die  Rente,  Lehensabgabe  von  einem  Grundstücke.  An  dieser  SteUe  ist 
es  synonym  mit  „nutz  und  Wohlfahrt*. 

*)  Da  ich  Materialien  zu  einer  erschöpfenden  geschichtlichen  Darstellung  der  hiesigen 
Kupferschmiedekunst  und  des  Kupferschmied egewerbes  sammle,  so  werde  ich  Jedem,  der 
mich  nach  dieser  Seite  durch  Nachrichten  unterstützt,  verbunden  sein. 


—  71  — 

Aachener  Reviers  sind  nichts  weiter  als  die  fröhlich  gedeihenden  Töchter 
der  uralten  Erzkunst*. 

Aus  den  stärksten  politischen  Stürmen  und  aus  den  schwersten  wirt- 
schaftlichen Krisen  hat  speziell  das  Handwerk  der  Kupferschmiede  sich 
stets  zu  retten  gewusst,  bis  es  in  unserni  Jahrhundert  durch  die  Fort- 
schritte des  Maschinenbaues  beinahe  völlig  verdrängt  wurde.  Um  aus 
vielen  Beispielen  eines  zu  wählen:  So  konnte  nur  eine  unverwüstliche 
Leistungsfähigkeit,  verbunden  mit  grosser  kaufmännischer  Erfahrung,  dies 
gelUhrdete  Handwerk  durch  das  Elend  und  den  Jammer  des  dreissigjährigen 
Krieges  bringen.  Nicht  ohne  Staunen  wird  man  die  Einzelheiten  des  unten 
abgedruckten  Vertrages  lesen  können,  in  welchem  unmittelbar  nach  Schluss 
des  Westfälischen  Friedens  die  Aachener  Kupfermeister  der  Kupferschläger- 
zunft sich  gegenüber  dem  Finanzrat  von  Brabant  zur  Abnahme  von  10 
Millionen  Pfund  Galraei  verpflichten.  Die  vom  26.  November  1648  datierte 
Urkunde  ^  enthält,  wie  des  weitern  auszuführen  und  aus  dem  Wortlaut  selbst 
zu  ersehen  ist,  durchweg  schwere  Bedingungen  und  Pflichten  für  die 
Aachener  Meister. 

Man  vergegenwärtige  sich  zuvor  die  Zeitumstände.  Die  schweren 
Keulenschläge  der  Kriegsfurie  waren  auch  auf  Aachen  niedergefahren. 
Schon  1614  hatten  königliche  Truppen  die  St^dt  besetzt  und  bis  zum 
19.  Juni  1632  war  diese  Einquartierung  für  Aachen  dauernd  eine  sehr 
grosse  Last  geblieben.  Aber  auch  nachher,  als  die  Garnison  durch  kaiser- 
liches Dekret  aufgehoben  war^  benahmen  sich  die  kaiserlichen  Feld- 
herren noch  manchmal  gegen  Aachen  wie  gegen  eine  Feindesstadt,  die 
unglückliche  Einwohnerschaft  trafen  häufige  •Kontributionen,  darunter 
anno  1640  eine  bedeutende  Zwangslieferung  von  Waffen,  und  selbst  die 
Schrecken  und  Schäden  einer  Beschiessung  sind  ihr  nicht  erspart  geblieben*. 
Von  diesen  kaum  erlebten  Ereignissen  ist  aber  in  dem  angezogenen  Kauf- 
vertrag durchaus  nicht  die  Rede.  Aus  der  nüchternen  kaufmännischen 
Fassung  desselben  erhellt  nur  das  eifrige  Bestreben  der  Aachener  Kupfer- 
meister*, möglichst  bald  die  anbrechende  Aera  ungestörten  Bürgerfleisses 
zu   nutzen  und   sich   auf  geraume   Zeit  ein  treffliches  Material   für  ihre 


*)  Die  jetzt  beinahe  vöUig  erschöpften  Gruben  des  Altenbergs  sind  seit  Jahrhunderten 
in  Betrieb.  Eine  Altenborger  Bergwerks ge Seilschaft  wird  in  einer  auf  dem  hiesigen 
Stadtarchiv  beruhenden  Urkunde  schon  zum  Jahre  1445  Oktober  7  erwähnt. 

*)  Siehe  unten  die  mit  Nr.  1  bezeichnete  Urkunde  in  der  Anlage. 

*)  Siehe  darüber  die  Bemerkung  des  alten  Chronisten  Noppius  am  Schluss  des 
UI.  Bandes  S.  152. 

*)  Haagen,  Geschichte  Achens  Bd.  II,  S.  247  und  250. 

*)  Knpfenneister  genannt  im  Gegensatz  zu  den  übrigen  Meistern  der  Eupferschläger- 
zunft.  Ihre  Hauptbeschäftigung  bildete  die  Verarbeitung  des  Galmeis  mit  Rotkupfer, 
d.  h.  die  Herstellung  von  Messing  und  Messingwaren.  Der  Altachener  nennt  heute  noch 
das  Messing  Kupfer.  Über  die  Anzahl  der  den  eigentlichen  Kontrahenten  zuständigen 
Schmelzöfen  siehe  S.  75,  Anm.  4.  Eine  Liste  von  Aachener  Kupfermeisterfinuen  findet 
sich  S.  77. 


—  72  — 

Schmelzöfen  zu  sichern,  deren  Anzahl  für  die  25  kontrahierenden  Meister 
auf  50  angegeben  ist.  Jedenfalls  hatten  diese  Öfen  lange  feiern  müssen. 
Dies  geht  schon  aus  dem  Umstände  hervor,  dass  der  letzte  Lieferungs- 
kontrakt vom  17.  Mai  1632,  der  ebenfalls  auf  10  Millionen  Pfund  gelautet 
hatte,  als  erloschen  bezeichnet  ist  ^  Die  Lieferungszeit  des  neuen  Vertrages 
beträgt  10  Jahre  für  10  Millionen  Pfund;  da  dieselbe  Quantität  auch  im 
vorletzten  Kontrakt  vorgesehen  war  und  die  Bedingungen  des  neuen  Ab- 
schlusses nach  denjenigen  des  Vorvertrags  gestellt  waren,  so  mtisste  die 
Frist  des  älteren  Vertrags  bereits  mit  dem  17.  Mai  1642^  zu  Ende  gegangen 
sein.  Auch  lagert  als  ferner  greifbarer  Beweis  einer  starken  Flaue  in  den 
Magazinen  des  Altenbergs  eine  Masse  von  14  bis  15  Millionen  Pfund 
gebrannten  Galmeis,  der  aber  (infolge  der  Lagerung)  bedeutend  an  Qualität 
verloren  hat  ^.  Im  neuen  Vertrag  wird  jiemgemäss  dieser  alte  Lagerbestand 
vollständig  ausgeschlossen,  den  alten  Kontrahenten  aber  nachgeliefert  gegen 
eine  besondere,  in  einem  ebenfalls  vom  28.  November  des  Jahres  1648 
datierten  Nebenvertrag*  stipulierte  Entschädigung,  welche  für  die  sechs 
Zunftgreven  4000,  für  jeden  Kupfermeister  oder  dessen  Witwe  3500,  für 
neu  beitretende  Meister  1500  und  für  den  Knappen  des  Aachener  Hand- 
werks 2000  Pfund  Galmei  beträgt. 

Der  Hauptvertrag  regelt  in  seiner  ersten  Position  die  Masse,  die 
Termine  und  die  Steuer  der  Neulieferung.  Die  neuen  10  Millionen  sollen, 
beginnend  mit  dem  1.  Januar  1649,  in  Terminen  von  4  zu  4  Monaten 
in  einer  jährlichen  Menge  von  einer  Million  Pfund  frisch  aus  dem  Berg- 
werk geliefert  werden.  Die  in  Aussicht  genommene  Kontraktfrist  betrug 
also  10  Jähret  An  König  Philipp  IV.,  Herrn  des  Territoriums,  in  dem 
die  Galmeigruben  liegen,  sollen  50  brabantische  Stüber®  als  Steuer  pro 
100  Pfund  Galmei  erfallen.  Bei  diesem  Satz  wird  das  Ganze  das  stattliche 
Sümmchen  von  5  Millionen^  eingebracht  haben,  eine  für  jene  Zeit  ganz 
staunenswerte  Abgabe  und  eine  erhebliche  finanzielle  Kraftprobe,  welche 
allein  von  den  Kupfermeistern  der  Aachener  Kupferschlägerzunft  zu  er- 
bringen war. 


^)  Vprl.  Einleitung  in  Nr.  1  unten. 

-)  Vgl.  Anm.  5  hier  unten. 

3)  Siehe  Urkunde  Nr.  1,  Pos.  1. 

*)  Siehe  Urkunde  Nr.  2  in  der  Anlage. 

*)  Vgl.  Anm.  2  hier  oben. 

^)  Nach  der  Münztabelle  bei  Noppius,  Chronick  Bd.  II,  S.  161,  ist  der  brabantische 
Stüber  gleich  einer  Mark  zwei  Schillingen  Aachener  Währung  im  Jahre  1622  anzusetzen. 
Demnach  würde  die  obige  Summe  von  5  MiUionen  brabantischer  Stüber  70  Millionen 
Aachener  Schillinge  sein. 

^)  Als  solche  „cens**  in  der  Urkunde  bezeichnet.  Es  ist  bis  heute  durchaus  dunkel, 
wie  der  Herzog  von  Brabant  dazu  gekommen  ist,  die  Erträgnisse  des  Galmeibergs  mit 
einer  solchen  Abgabe,  besonders  für  Aachen,  zu  belasten,  da  nach  der  Urkunde  des  Königs 
Sigismund  yon  1423  Oktober  20  der  Galmeiberg  noch  im  Besitz  der  Stadt  erscheint  Die 
betreffenden  Ausführungen  bei  Haagen  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  22  ff.  reichen  zur  Erklärung 
nicht  aus. 


—  73  — 

Dieser  schweren  Steuer  hätten  billigermassen  entsprechende  Ver- 
günstigungen für  die  Abnehmer  gegenüberstehen  müssen.  Das  ist  aber 
keineswegs  der  Fall.  Sind  z.  B.  die  Bedingungen  in  Position  9  und  14^, 
welche  das  Markenrecht  und  die  Solidarhaft  für  die  Gesammtheit  festlegen, 
Massregeln,  welche  ebenso  wie  die  Berücksichtigung  etwaiger  Konjunk- 
turen in  Position  12,  den  Mitgliedern  der  Genossenschaft  allenfalls  zu 
Gute  kommen  konnten,  so  sind  andererseits  die  platte  Befreiung  der  braban- 
tischen  Messingindustrie  von  einem  Normalpreis,  Position  13,  die  Kontrole 
der  Arbeitseinstellungen  der  Aachener  Werke  seitens  des  brabantischen 
Generalrentmeisters,  Position  4,  und  femer  das  Verbot  des  Zwischenhandels, 
Position  8,  ausschliesslich  nur  der  brabantischen  Konkurrenz  förderliche 
und  durchaus  im  Sinne  einer  rücksichtslosen  Schutzzollpolitik  arbeitende 
Vorschriften.  Die  Höhe  dieser  Anforderungen  setzt  aber  nothwendig  ein 
Bewusstsein  um  die  eigene  wirtschaftliche  und  technische  Kraft  voraus, 
wie  sie  nun  einmal  den  Aachener  Kupfermeistern  innewohnte  und  die  haupt- 
sächlich darin  bestand,  dass  der  Einkauf  und  die  Abgabe  des  Rohmaterials 
sowie  die  korrekte  Verarbeitung  desselben  für  alle  Genossen  unter  gleichen 
Bedingungen  innerhalb  des  einheimischen  Fabrikationsgebietes  zu  erfolgen 
hatten. 

Zur  bequemern  Übersicht  der  nunmehr  im  Wortlaut  folgenden  ein- 
zelneu Positionen  des  Kontraktes  setze  ich  eine  gedrängte  Inhaltsangabe 
denselben  voran,  entsprechend  der  Reihenfolge,  welche  sie  in  der  Original- 
kopie einnehmen. 

1.  Kauf  einer  zweiten  Quantität  von  10  Millionen  Pfd.  gut  gesäuberten 
Altenberger  Galmeis,  lieferbar  nach  Verkauf  des  gegenwärtigen  nicht  fehlerfreien 
Lagers  von  14 — 15  Millionen  Pfd.  gegen  eine  Abgabe  von  50  brabanter  Stüber 
pro  100  Pfd. 

2.  Die  Lieferung  erfolgt  aus  dem  Berg  und  nicht  aus  den  Magazinen  in 
Terminen  von  4  zu  4  Monaten,  beginnend  mit  1649  Januar  1.  Der  Galmei  wird 
von  den  Aachener  Kupfermeistem  abgeholt  und  ohne  Zusatz  verarbeitet.  Die  25 
Kupfermeister  arbeiten  mit  je  zwei  Öfen.  (Werkgenossenschaft.) 

3.  Jede  Terminzahlung  erfolgt  zu  Antwerpen  an  den  limburgischen 
Generalrentmeister  Peter  Straet. 

4.  Tritt  bei  einzelnen  Meistern  oder  für  deren  Gesammtheit  ein  Arbeits- 
stillstand ein,  so  wird  die  bis  dahin  verarbeitete  oder  kontraktlich  abzunehmende 
Quantität  Galmei  in  Berechnung  gebracht,  nach  erfolgter  Prüfung  der  Ursachen 
der  Arbeitseinstellung. 

5.  Die  Entnahme  des  Galmeis  ist  quantitativ  für  die  einzelnen  Mitglieder 
der  Kupfermeistergenossenschaft  unbeschränkt  innerhalb  der  zu  liefernden  Ge- 
sammtmenge. 

6.  Die  der  Werkgenossenschaft   beitretenden  Kupfermeister   oder  neuen 


*)  Vgl.  die  betr.  Positionen  in  Nr.  L 


—  74  — 

Meister  der  Kupferschlägerznnft  erhalten  je  nach  dem  Zeitpunkt  ihres  Eintritts 
ratierlichen  Anteil  an  der  Gesammtmenge. 

7.  Dem  limburgischen  Generalrentmeister  wird  eine  jährliche  beglaubigte 
Mitgliederliste  der  Genossenschaft  eingereicht,  enthaltend  Namen  der  ausübenden 
Meister,  Verbrauch  der  einzelnen  Öfen  und  eingetretene  Veränderungen,  behufs 
Kontrole  der  Rechnungen  und  Lieferungen. 

8.  Verbot  des  Zwischenhandels  für  die  Kupfermeister. 

9.  Die  Genossen  sind  verpflichtet,  strenge  Aufsicht  über  die  reine  Ver- 
arbeitung des  Galmeis  zu  führen ;  Fälschung  und  Zusätze  zum  Gut  sind  strafbar, 
die  Anbringung  des  privaten  Markenzeichens  ist  verboten,  so  gezeichnete  Ware 
wird  konfisziert  unter  einer  zusätzlichen  Poen  von  10  Goldrealen,  die  zu  ^/g  dem 
König,  zu  ^/s  dem  Denunzianten  zufällt. 

10.  Die  Witwen  der  Kupfermeister  unterliegen  denselben  Bestimmungen. 

11.  Andere  Lasten  treffen  die  Galmeilieferung  nicht.  Im  Falle  von  Krieg 
und  eintretenden  Repressalien  des  Galmeipächters  ist  der  König  zum  Schaden- 
ersatz verpflichtet. 

12.  Erhalten  Nichtkontrahenten  günstigere  Preise  oder  Bedingungen,  so 
sollen  dieselben  der  Aachener  Werkgenossenschaft  ebenfalls  zugebilligt  werden. 

13.  Ausgenommen  hiervon  sind  die  Kupfermeister  von  Namur  und  Bou- 
vines,  sowie  andere  brabantische  Unterthanen. 

1 4.  Im  Falle  der  Insolvenz  des  Einzelnen  geht  die  Zahlungspflicht  auf  die 
übrigen  Greven  und  Kupfermeister  über;  die  Wechselbriefe  sind  durch  die  Greven 
zu  sammeln  und  an  den  Rentmeister  einzusenden. 

15.  Treugelöbnis  der  Kontrahenten. 

16.  Ratifikation  durch  den  Finanzrat.   Namenliste  der  Aachener  Teilhaber. 

Nr.  1.  Aachen  1648  November  28.  —  Op  heden  den  28.  Novembris  XVI'  achten- 
vertich  syn  d'heere  Peeter  Roose,  beere  van  Seclin  *,  raedt  ende  gecommitteerde  van  zyne 
maiesteiten  doraeynen  ende  finantien,  ende  Philipe  van  Eyck,  auditeur  van  zyne  maiesteiten 
rekencamere  in  Brabaut,  als  commissa rissen,  tot  tgene  naer  beschreven  is,  geauthoriseert 
jende  gemachticht  by  myne  beeren  die  hooffden  tresorier-generael  *  ende  gecommitteerde 
van  de  voers.  syne  maiesteiten  domeynen  ende  finantien,  naer  diverse  communicatien, 
gehouden  met  die  zcsse  greven  van  het  coperslaghers-am backt  binnen  de  keyserlycke 
Stadt  van  Aecken,  soe  voer  hen  selven,  als  vollemacht  hebbende  van  de  andere  mede 
ondcrgenoemde  meesters  derselver '  coperslaghers-ambacht,  aengaende  een  nyeuw  contract 
van  zeeckere  qaantitcyt  van  calmynuen  met  hen  te  maeeken,  ovcrmits  hunnen  voergaenden 
lesten  contracte  van  den  17.  Maij  XVP  tweendertieh,  geexpireert,  is  ten  lesten  met 
deselve  ovcrcomen  ende  geaccordeert  in   der  vuegen  ende   manieren  als  bernaer  volght: 

1.  Dat  voerierst  de  voers.  greven  ende  bier  ondergenoemde  meesters  van  het 
coperslagbers-ambacbt  binnen  Aecken  van  de  voers.  beeren  commissarissen  gecocbt  hebben 
eone  andere '  qnantiteyt  van  tbien  mlllioenen,  dat  is  hondert  mael  bondert  duysent  ponden 
oprechter  Oudenbergbor*  calmynnen  uyt  zyne  maiesteiten  calmynbercb  in't  quartier  van 
Limborcb,  wel  doer  de  bercbknecbten  van  alle  ondeught*  volcomentlyck  gesuyvert  ende 


*)  Haaptort  des  gleiobnamigen  Kantons,  Dep.  Nord,  Arrond.  Lille.  —  Über  die  Herren  von  S. 
vgl.  Reoneil  g6n6alogique,  Rotterdam  1775,  Bd.  I,  S.  5- -11. 

•)  Oeneralschatzmeister.    ■)  zweit©.    *)  Altenberg  b.  Aachen. 
»)  wörtlich:  Untugend,  Fehler.    Vgl.  neadialektisch :  ondogh. 


—  75  — 

gcbrant,  soe  als  dat  behoert  ende  van  oiiden  tyden  is  gebmyckt  geweest,  droegh  liever- 
bar  goet,  gelyck  van  voergenoemden  berch  gelieyert  plach  te  woirden  ende  in  snlcke 
vnegen  ende  manferen,  dat  de  voers.  greven  ende  copermeesters  metter  daet  moghen 
woirden  gestelt  buyten  alle  wettighe  oirsaecken  ende  redenen  van  hiemaermals  daervan 
meer  te  claeghen,  soe  over  de  deught'  van  den  voers.  calmyn  (die  van  na  voertaen  sai 
geprepareert,  gebrant  ende  aen  de  voers.  greven  ende  meesters  gelievert  woirden,  naer 
dat  de  tegenwoirdighe  provisie,  op  den  berch  ter  deser  obren  gebrant  liggende,  die  men 
verstaet  soe  goet  nyet  te  syn,  als  dat  wel  soade  behoeren,  geestimeert  synde  ontrent  de 
veerthien  a  vyfthien  hondert  dnysent  ponden,  min  oft  meer,  aen  de  voers.  contrahenten 
ende  andere  sal  uytgelieveit  syn)  als  oyck  ten  opsichte  van  den  gewichte  des  voers. 
calmyns  daerinne  daetelyck  sai  woirden  versicn,  soe  dat  behoert,  op  dat  de  voers.  gebreken, 
die  men  sende  moghen  bevinden  hiertevorens  geschiedt  te  syn,  voertaen  woirden  gereme- 
diert  tot  redelycken  contentement  der  selver  contrahenten;  alles  op  conditie  van  voer  elok' 
hondert  ponden,  der  voers.  calmyn,  soe  gebrande  als  noch  te  branden,  tot  proifyte  van 
zyne  voers.  maiesteit  te  betaelen  vyftich  stnyvers  cens  in  goeden  gepermitterden  brabant- 
sehen  gelde,  munte  naer  de  valvatie  ende  placcaerte^  desselfs  zyne  maiesteit  totte  volle 
lieveringe  toe  der  voers.  thien  miUioenen. 

2.  Welcke  lieveringe  der  voers.  thien  miUioenen  calmynnen  an  voers.  greven 
ende  copermeesters  sal  gedaen  woirden  van  den  berch,  ende  nyet  uyt  de  magazynnen 
bnyten  den  voers.  berch,  met  termynen  van  vier  tot  vier  maenden,  waervan  den  iersten 
termyn  sal  beginnen  loop  te  hebben  met  den  iersten  Janaarii  van  den  naestkomende 
iaere  XVP  negenveortich,  eyndende  den  lesten  April  desselven  iaers  ende  soe  voirts  van 
vier  maenden  tot  vier  maenden  totter  expiratie  toe  van  desen  tegenwoirdighen  contracte 
ende  de  volle  lieveringe  der  voers.  thien  milb'oencn  ende  dat  ter  concurrentie  van  der 
thien  hondert  dnysent  ponden  tUaers,  welcke  de  voers.  greven  ende  copermeesters  hen 
oyck  hebben  verbonden  endo  verbinden  mets  desen  van  den  voers.  berch  op  ieder  iaer, 
dosen  contracte  gedurende,  te  doen  haelen  om  te  verwercken  als  synde  soe  veel,  als  sy 
daertoe  van  noode  senden  moghen  hebben,  denselven  calmyn  puer  ende  snyver  verwercken, 
gelyck  dat  behoert,  volgens  sommaire  calcnlatie  daervan  gomaeckt,  ende  deselve  genomen 
op  het  getal  van  vyffentwiutich  copermeesters,  daerinne  begrepen  de  voers.  sesse  greven, 
effectinelyck  werckende  met  twec  hovens*. 

3.  Ende  sal  ter  expiratie  van  ieder  der  voers.  termynen  de  voers.  botaelinge  pre- 
ciselyck  moeten  geschieden  by  de  voers.  greven  ende  copermeesters  binnen  de  .Stadt  van 
Antwerpen  ten  contentement  van  den  rentmeester-generael  van  Limborch  Peeter  Straet  in 
syne  banden  oft  van  synen  commis  aldaer,  sonder  einighen  laste  oft  coste  van  de  voers. 
zyne  maiesteit. 

4.  Wel  verstaeude  nochtans  *  dat  in  dyen  het  soe  gevele,  datter  eenich  oft  eenighe 
van  de  voers.  vyffentwintich  •  copermeesters-hovens  zeeckeren,  merckeliycken  tyt,  als  van 
veerthien  daghen  oft  daerover,  quaemen  stille  te  staen  oft  onder  allen  eenen  gemeynen 
stillestand  viele,  't  sy  by  oirloghc,  cleen  verthier^  ende  neringhe  van  de  coperhandel, 
dootsuekte"  van  eenige  derselver  copermeesters,  oft  andersints*  dat  in  snlcken  gevalle 
men  de  voers.  contrahenten  sal  laeten  gestaen  mit^  betaelende  naer  rate  van  tyde,  dat 
men  in  de  voers.  hovens  sal  gewerckt  hebben  ende   van  de  quantiteyt,  die  sy  op  dycn 


>)  Tauglichkeit. 

*)  placitum  d.  h.  nach  dem  von  dem  Fürsten  erlassenen  MUnEdekret. 

*)  jede,  vgl.  engl.  oach. 

*)  In  Aachen  wnrden  die  Kupferöfen  Kupferhöfo  genannt,  Beispiel,  das  heute  noch  so  benannte 
Fabrikgebäude  auf  der  Ecke  Sphweinomarkt-Eilfschornsteinstrasse.  Letsrt^ror  Name  steht  ebenfalls  Eum 
Kupfersohlägergewerbe  in  Besiehung.  —  Die  obengenannten  Meister  arbeiteten  also  auf  A&nfzig  Oefen. 

^)  jedoch. 

")  Bezieht  sich  auf  die  Anzahl  der  Meister,  nicht  der  Öfen. 

^  Konsum. 

«0  tötliche  Krankheit. 

*)  wörtlich:  andern  Sinnes  d.  h.  andernfalls. 


—  76  — 

termyii  sollen  bebben  gehaclt  eude  ontfanghen,  oft  hadden  moeten  docn  baelen  ende  ont- 
fangben  volgens  banne  obligatie,  bierboven  yennelt,  mitt  docnde  aen  de  voers.  rentmeestcr- 
generael  van  Lünborcb  volcomenlycken  yan  den  yoers.  particulieren  oft  algemeyneu  stille- 
stant  by  beboirlycke  certifficatie  daertoe  dienende;  dewelcke  hy  gebenden  sal  wesen  op 
syne  rekening  te  exbiberen. 

5.  Ende  oft  ter  contrarie  daer  eenich  yan  de  yoers.  copermeesters  waere,  die 
meerder  qnantiteyt  calmyns  tot  syne  wercken  yersocbt*,  als  syne  obligatie  in  desen  is 
gedraegende,  sal  bem  denselyen  oyck  geleyert  woirden  op  gelyckeu  pryss  ende  conditien, 
als  den  anderen  calmyn  ende  tsamen  comen  in  mindernisse  yan  den  yoers.  tbien  millioenen. 

6.  Is  mede  oyck  ondersproken  ende  geconditionneert,  dat  in  geyalle,  daer  eenige 
meestors  yan  de  yoers.  coperslagbers-ambacbt  tot  Aecken,  dewelcke  tot  nocbtoe  nyet 
gewerckt  en  bebben,  bet  selye  werck  quaemen  aen  te  yatten,  oft  datter  andere  nyenwe 
meesters  aen  qoaemen,  soe  sal  oyck  yolgens  dyen  op  den  yoet  ende  naer  adyenant*  yan 
de  qnantiteyt,  hierboyen  yermelt,  de  lieyeringe  yan  de  voers.  calmyn  vermeerdert  woirden; 
voerd  voers.  contrabenten  ben  oyck  sterck  maecken  ende  voerd  botaelinge  van  dyes  oyck 
syn  verantwoordende. 

7.  Ende  sal  tot  dyen  eyude  van  iaere  tot  iaere  totter  expiratie  toe  van  den  yoers. 
contracto  aen  den  yoers.  rentmecster-generael  van  Limborcb  by  de  voers.  contrabenten 
gelievert  worden  eenc  pertinentie-liste  van  alle  de  voers.  copermeesters,  dicwelcke  bei 
werck  ende  coperhandel  geexerceert  suUen  bebben  ende  van  qnantiteyt  van  de  bovens, 
beboirlyck  geverifliceert  met  de  veranderinge,  die  van  tyde  tot  tyde  daerinne  sal  gescbiedt 
syn,  om  alles  oyck  te  dienen  op  syne  rekening  ende  te  comen  sien  ende  bemercken,  oft  de 
lieyeringe  van  de  calmyn  ende  de  bctaelinge  van  dyes  naer  advenant  suUen  gescbiedt  syn. 

8.  Is  oyck  wel  exprcsselyek  ondersproken,  dat  dat  de  yoers.  greven  ende  coper- 
meesters egeenen  calmyn  uyt  de  voers.  qnantiteyt,  die  aen  ben  tegenwoirdigblyck  woirdt 
vereocbt,  en  sallen  mogben  voirts  vercoopen  oft  overlaeten  aen  iemandt  anders,  wie  dat 
bet  oyck  sye  overmits  men  gevoecbte  binnen  is',  dat  zy  de  voers.  qnantiteyt  selver  van 
doen  bebben  tot  bunne  wercken  gelyck  sy  dat  selver  oyck  bekennen,  op  dat  men  deste 
mcer  verzeeckert  sy,  dat  sy  egeen  vremden  calmyn  en  gebruyckeu. 

9.  Synde  de  voers.  greven  ende  meesters  daerom  wel  expresselyck  gcobligeert, 
goet  scberp  toesicbt  te  nemen  ende  te  doen  nemen,  dat  zyne  maiesteit  calmyn  snyver, 
sonder  mengelingen  van  eenige  andere,  verbrocbt  woirden,  gelyck  dat  alsoe  van  weghen 
syne  voers.  maiesteit  wel  uytdrnckelyck  is  ondersproken  ende  van  wegben  de  voers. 
greven  ende  copermeesters  beloft;  ende  in  dyen  men  can  bevinden  oft  vernemen,  dat 
cenicb  syn  goet  vervalscbt  met  mengeling,  oft  eenich  goet  merckc  met  syn  ordinaris  cygen 
merck,  dat  met  vremde  calmyn  gemaeckt  waere,  dieselve  sal  verleeren*  die  wercken, 
die  men  sal  bevinden  oft  vernemen  also  gemerckt  oft  geteekent  te  syn,  ende  daerenboven 
de  pene  van  tbien  gonden  realen,  dot  twae  derden  deelen  tot  proffyte  van  zyne  maiesteit 
ende  bet  restereudc  derdendeel  tot  proffyte  van  den  aenbrenger.  Ende  soe  men  absolcke 
goederen  binnen  syne  maiesteiten  lande  can  acbterbaelen  ^  sal  men  deselve  aenslaen  ^  ende 
confisqaeren. 

10.  Oyck  sullen  de  weduwen  van  de  voers.  greven  ende  copermeesters  gehenden 
syn  te  achtervolgben  ^  alle  de  conditien  van  desen  tegenwoirdigben  contracte  totter 
expiratie  toe  desselfs  contracts. 

11.  Item  sal  den  calmyn  vry  ende  onbelast  gelievert  woirden  ende  soe  verre  yet 
daerop  sende  mogben  gepretendeert  woirden,  t'sy  ter  saecke  van  oirlogbe,  retorsien, 
represallien,  beschadicbeden  van  den  pachter  des  voers.  calmynberchs  oft  anderssints, 
sal  syne  maiesteit  die  contrabenten  daeraff  indcmneren  ende  schadeloos  bonden. 

12.  Ende  by  soeverre  aen  de  naerby  wooncnde,  nytbeymscbe  oft  inheymsche  coper- 
slagbers  oft  coopluyden,  die  in  desen  contracte  nyet  begrepen  en  syn,  de  voers.  calmyn 
beter  coop  op  den  berch  oft  uyt  de  magazynen  vercocht  wierde  oft  naerdere  conditien 


*)  fordert.    •)  Vgl.  das  modem-dialeküsclie  noveuant   -  verliältniBirÄssig. 

*)  unterdessen.  *)  verlieren.  *)  ergreifen,  habhaft  werden.  *)  mit  Beschlag  belegen.  ^  befolgen. 


—  77  — 

gegeven,  dat  zy  contrahenten  alsdan  deselvc  mede-genieten,  oyck  den  calmyn,  dio  sy  naer 
dato  van  voers.  vcrcoopinge,  aen  andere  gedaen,  ontfanghen  snllen  hebben,  nyet  hooger 
schuldich  sullcn  syn  te  betaelen  als  de  voers.  andere  coperslagers. 

13.  Behalyen  nochtans  ende  uytgenomen,  dat  men  nyet  en  yerstaet  hierinne  begrepen 
te  syn  de  copermeesters  van  Namen*,  Bouvignes*  ende  andere  onder  de  gehoersaemheyt 
Tan  zyne  voerj.  maiesteit  geseten. 

14.  Voirts  alnoch  bevoerwaert:  soeverre  iemandt  van  de  voers.  cooperen  nyet  en 
betaelden  op  de  voers.  termyn,  dat  in  dyen  gevalle  alle  de  hier  naergenoemdo  groven 
ende  meesters  van  haerentweghen  dat  selve  aen  zyne  maiesteit  rentmeester-generael  voers. 
oft  synen  commis  schnldicb  ende  verpflicht  snllen  syn,  oyck  dat  de  voers.  greven  gehenden 
suUen  syn  de  wisselbrieven  te  ontfanghen  van  de  copermeesters  in't  generael  ende  dieselve 
den  voers.  rentmeester-generael  toe  te  schicken,  gelyck  men  hier  tevoiens  geploghen  heeft. 

15.  Voirts  hebben  de  voers.  contrahenten  beloft,  desen  contract  in  alles  getreu welyck 
naer  te  comen,  sonder  immermeer  hiertegens  te  doen,  oft  verschaf t '  gedaen  te  laeten  woir- 
den  sonder  frande  oft  argelist;  ende  van  gelycken  beloven  de  voers.  beeren  commissarissen 
van  zyne  voirs.  maiesteits  weghen  bnyten  inhondt  van  desen  contract  de  voers.  greven 
ende  meesters  voertaen  In^t  minste  oyck  nyet  te  beswaeren  oft  too  te  moeden. 

16.  Ende  sal  desen  legen woirdighcn  contract  gepresenteert  woirden  in  den  voers. 
raede  van  de  finantien  om  geagrert*  te  woirden  naer  gewoonte  mits  alles  onder  deselve 
hanne  aggreatie  alsoe  is  besloten. 

Ende  dit  syn  de  voers.  zes  greven  ende  andere  copermeesters  mitsgaders  eenighc 
wednwen  ende  des  contracts  legen woirdige  cooperen:  Wilhelmus  Clocker*,  Isaac  Blanche, 
Gerardt  Schörer,  Jan  van  Pime,  Caerl  van  Mnnster,  Albert  van  Vriesshem,  Adam  Ramaecker, 
Jan  Thielen,  Goddaert  Kulant,  Frans  Bon,  Amolt  van  Wachtendonk,  Peeter  Kulant  den 
ouden,  Peter  Carlier,  Hans  Stonpart  den  ouden,  Gerardt  Schörer  den  ionghen,  Bartholomees 
Schörer,  Carl  Huicheler,  Mathis  Anthoni,  Godefried  van  Vrieshem,  Hermanus  Wemerus 
Clockcr,  Jan  Bodden,  Jan  van  Eschwylcr,  Jan  Baptista  Stoupart,  Abraham  Bon,  Jan  Speck- 
heuwer,  Niclas  Schörer,  Peter  Kulant  den  ionghen,  Joannes  Kulant  Peters  son,  Niclaes 
Rulandt,  Adam  van  Eschwyler,  Derich  Decker,  Niclaes  Fibus  Niclaes  son,  Jan  Kulant, 
Niclaes  Fibus  Balthazars  son,  Fanken  Fibus,  Geerlach  Mouw,  Comelis  Wissenberch,  de 
weduwe  Bartholomees  Schörer,  de  weduwe  Gillis  Bon,  de  weduwe  Jacop  Calckberncr,  de 
weduwe  Jean  Bcaumout,  de  weduwe  Werner  Crassel,  de  weduwe  Willem  Duppengiesser,  de 
weduwe  Jan  van  Schel,  de  weduwe  Winant  Moers,  de  weduwe  Peter  Huicheler,  de  weduwe 
Peter  Lcrs,  de  weduwe  Lennart  Brouwer  ende  de  wedouwe  Jan  Moers;  ende  hebben  de 
voers.  sess  greven,  soe  voer  hen  selven,  als  voUemacht  hebbend  van  de  voers.  andere  coper- 
meesters ende  weduwen  dit  tegenwoirdick  contract  beneffens  de  voers.  beeren  commissa- 
rissen mit  hunne  eygene  hantteekenen  hier  onderschreven  ende  bevesticht. 

Aldus  gedaen  ende  gepasseert  binnen  de  voers.  keyserlycke  stadt  van  Aecken  ter 
daghe,  maende  ende  iaere  als  boven,  ende  was  onderteekent  P.  Koose,  P.  van  Eyck  ende 
nederwarts  Wilhelmus  Clocker,  Isaac  Blansch,  Gerhardt  Schörer,  Johan  van  Pim,  Caerl 
van  Mnnster  ende  Albert  van  Frieshem. 

AfiTfirreatie. 
(Brüssel,  1649  Februar  5.) 

Die  van  de  domeynen  ende  finantien  s'conincx  gesien  ende  gevisiteert  hebbende 
het  boven  gestelt  contract,  hebben  van  weghen  ende  uytten  naemcn  van  zyne  maiesteit  selve 


>)  Namar.    *)  Bouvines  bei  Lille,  bekannter  darob  die  Sohl  acht  von  1214. 

*)  Wehrsohail.    *)  Statt  geagreert  =  gutgeheissen  eu  werden. 

*)  Die  vorher  flgarierende  beständige  Zahl  von  25  Meistern  ist  in  dieser  Aufzählung  weit  tiber- 
schritten, die  Anzahl  der  hier  aufgeführten  Firmen  beträgt  einschliesslich  der  Witwen  49,  ohne  die- 
selben 37.  Hier  sind  also  wahrscheinlich  alle  Kupfersdilägerfirmen  überhaupt  als  Abnehmer  (s.  oben 
des  contracts  legen woirdige  cooperen),  nicht  nur  die  eigentlichen  Kontralienten  genannt.  Die  Qesammt- 
zahl  dieser  49  nährt  sich  der  Gesammtzahl  der  zu  beschickenden  Werköfen. 


—  78  — 

geaggeert  ende  geapprobeert,  aggreereu  ende  approberen  *t  selve  mits  desen  in  alle  de 
poincten  ende  articalen  daerinne  begrepen,  ordonnerende  aen  Peeter  Straet,  raedt  ende 
ontfangher-gcnerael  van  de  lande  van  Limborch  ende  aen  alle  anderen  die  't  selve  soude 
moghen  aengaen  hun  djen  volgende  te  reguleren. 

Gedaen  tot  Brasseil  ten  bureele  der  voirs.  finantien  den  vyffden  Februarii  XVP 
negenenyeertich  ende  was  onderteckent  H.  comte  de  Noyelle,  Rasse  de  Gaurß-Fokinschot, 
J.  B.  Maes  ende  Philippe  le  Roy  ende  is  geregistrert  in  't  regjster  van  de  rekenkamere 
tot  Brüssel  geteeckent  metter  letteren  M.,  folie  35  et  seqaontibas. 


Nr.  2.  Aachen,  1648  November  28,  —  Andere  copie  ende  ordonnantie.  Die  raedt 
ende  rentmeester-generael  van  Limborch  Peter  Straet  sal  moghen  laeten  volgen  aen  ieder 
der  ses  greven  van  de  coperslaghers  tot  Accken  de  quantiteyt  van  vier  duysent  pondcn 
calmyn  ende  aen  ieder  van  de  andere  copermeesters  ende  weduwen  in  den  nyeuwen  con- 
tract  begrepen  de  quantiteyt  van  dryc  duysent  vyflfhondert  ponden  calrayns  uyt  syue 
maiesteits  Oudenberch  in  ^t  quartier  van  Limborch,  die  de  ondergeteekende  aen  hen 
gratuitelyck  geaccordeert  hebben,  sonder  daervoer  yct  hoenen  te  betaelen,  ende  dat  voer 
alle  pretensien,  die  sy  souden  moghen  hebben  tot  laste  van  zyne  maicsteit  ter  oirsaekcn 
van  diverse  beschadigheden,  die  sy  snstineren  gcieden  te  hebben  in  de  lieverrnge  van  de 
thien  millloeneu  van  hen  lest  geexpireert  contract  ende  om  deselve  desto  meer  te  obli- 
geren  van  punctuelyck  te  achtervolgen  de  puncten  ende  conditien  van  het  uyeuw  contract 
van  andere  thien  millioenen  op  huyden  mit  hen  acngegaen,  mitsgaders,  oyck  de  andere 
nyeuwe  meesters,  die  noch  sullen  moghen  aencomen  ende  in  de  voirs.  nyeuwen  contract 
begrepen  sullen  syn,  aen  de  welcke  oyck  gratuitelyck  van  nu  voer  alsdan  gegunt  is  vyf- 
thien  hondert  ponden  des  voers.  calmyns  voer  ieder  van  hen  ende  aen  den  knap  van  het 
hantwerck  *  der  voers.  greven  ende  meesters  twee  duysent  ponden  alles  sonder  getrockeD 
te  mögen  woirden  in  eenige  consequentie  wel  verstaende,  dat  aen  de  voers.  greven  ende 
meesters  de  lieveringe  van  de  voergenoemde  quantiteyt  sal  moeten  geschieden  in  drye 
termynen  van  vier  tot  vier  maenden  by  egale  portie  ende  dat  voer  alles  volcomeutlyck 
sal  moeten  blycken  aen  den  voers.  rentmeester-generael  Straet  dat  sulcke  greve  oft  meester 
oft  weduwe  die  de  voers.  leveringe  sal  heysschen  effectinelyck  wercke  ende  syne  hovens 
ontsclven  heeft  ende  in  het  werck  continuert  alles  oyck  op  adven  ende  aggreatie  van 
myne  beeren  die  hooffden  tresorier-generael  ende  gccommitteerde  van  zyne  maiesteiten 
domeynen  ende  finantien. 

Gedaen  tot  Aecken  den  28.  Novembris  XVP  achtenveertich,  ende  was  onderteckent 
P.  Roose  ende  P.  van  Eyck. 

AfiTfirreatie. 

Desen  is  gecollationecrt  tegens  eene  copie  geextraheert  uyt  het  orrgineel  en  gere- 
gistrert in  de  rekencamer  tot  Brüssel  en  bevonden  concordeerend  by  my  onderscreven 
controlleur  van  Calmynberch  in  't  laut  Limborch.    Attestor 

J.  Franck  m.  p.  controlleur. 


Kleinere  Mitteilung. 

Zar  Frage  der  Freilegnug  des  (jranastarmes. 

Länger  als  200  Jahre  hatten  sie  hinausgeschaut  auf  unsere  Vaterstadt,  die  beiden 
zopfigen  Hauben  des  Granus-  und  Marktturmes,  als  am  29.  Juni  1883  ein  verheerendes 
Flugfeuer  sie  in  wenigen  Stunden  in  Asche  legte.    Ihren   schmucken  gothischen  Vor- 


*)  Vgl.  als  Parallele  zu  dieser  Bezeichnung  den  Ausdruck  knap  van  wapen. 


—  79  — 

gängerinnen  war  es  schon  beim  grossen   Stadtbrande   im  Jahre  1656  ebenso  ergangen. 
Zum  zweiten  Male  sah  sich  die  alte  Kaiserstadt  ihrer  beiden  Wahrzeichen  beraubt;  zam 
zweiten  Male  stand  sie  vor  ihrem  trümmerhaften  Bathans.    Es  dauerte  nicht  allzulange, 
bis  die  Koncurrenz  zum  Wiederaufbau  der  Türme  ausgeschrieben  werden  konnte.    Nam- 
hafte Meister  der  Baukunst  beteiligton  sich  an  dem  Wettbewerb;  als  Sieger  ging  aus 
demselben  ein  Sohn  unserer  Stadt,  der  königl.  Begierungsbaumeister  und  Professor  an  der 
Polytechnischen  Hochschule,  Herr  Georg  Frentzen  hervor.    Nachdem   derselbe  noch  den, 
Wünschen   der  Akademie  des  Bauwesens  Bechnung  tragend  an  seinem  preisgekrönten 
Projekte   verschiedene   Änderungen   vorgenommen   hatte,   durfte  dasselbe  im  Jahre  1893 
als  zur  Ausführung  geeignet  und  fertig  erachtet  werden.    Sie   erheischte  aber  so  hohe 
Summen,  dass  an  deren  Bcschafifung  auf  breiterer  Grundlage,  als  die  Steuerkraft  der 
Aachener  Bürgerschaft  sie  bot,  gedacht  werden  musste.    Der  Gedanke  erschien  um  so 
berechtigter,  als  ja  das  Aachener  Bathaus  von  dem  gesamten  deutschen  Vaterland  die 
weitestgehende  Beachtung  beanspruchen  kann.    Es  wurde  zu  dem  Ende  der  Plan  einer 
grossen  Geldlotterie  in  Aussicht  genommen,  deren  Ertrag  ausser  der  ehemaligen  Beichs- 
pfalz  auch  dem  karolingischen  Münster,  der  altehrwürdigen  Krönungsstädte  so  vieler 
deutschen  Könige,  zu  gut  kommen  sollte.     Die  Vorbereitungen  sind   soweit  gediehen, 
dass  wohl  in  allernächster  Zeit  auf  die  Bewilligung  der  Lotterie  gerechnet  werden  darf. 
Mittlerweile  aber  blieb  die  Stadtverwaltung  nicht  unthätig,  sondern  machte  die  Mittel 
flüssig,  um  die  stark  bedrohte  Standfähigkeit,  namentlich  der  Hinterfronte  des  Bathauses, 
wieder  ins  Gleichgewicht  zu  bringen.    Diese  südliche  Seite  hatte  bereits  in  den  vierziger 
Jahren   bedeutende   Lotabweichungen   gezeigt.     Zu   ihrer  Hebung  brachte  man   damals 
einen  weit  ausladenden  Vorbau  an,  der  zugleich  die  Haupttreppe  aufzunehman  bestimmt 
war,  die  zu  dem  an  ^seiner  Südseite  durchbrochenen  Festsaal  fähren  sollte.    Wir  müssen 
es   den  Fachleuten   überlassen   zu  beurteilen,  ob,   vom   bautdchnischen  Standpunkt   aus 
betrachtet,  die  Anbringung  eines   so  ausgedehnten  neuen  Bauteiles  notwendig  war,  oder 
ob  sich  die  Stabilität  der  Hinterfronte  auf  eine  andere,  ihre  Originalität  weniger  beein- 
trächtigende Weise  herbeiführen  Hess.     Die  Neuanlage  der  Treppe,  den  Durchbruch  der 
Südmauer  und  die  Zumauerung  der  dortigen  Fenster  müssen  wir  auch  heute  noch  in 
Übereinstimmung   mit  so  vielen  Autoritäten  jeuer  Zeit  als  eine   archäologisch-historische 
Verirrung  ansehen.     Der  in  den  vierziger  Jahren  errichtete  Treppenhausbau  hatte  nicht 
verhindern  können,  dass  die  Lotabweichungen  des  alten  Gemäuers   der  Südseite  in  einer 
die  Standföhigkeit  des   ganzen  Baues   bedrohenden  Weise  zunahmen.    Deshalb  sah  sich 
der  Leiter  der  gegenwärtigen  Bestaurationsarbeiten,  Herr  Professor  Frentzen,  genötigt, 
hier  zunächst  die  rettende  Hand  anzulegen.    Ein  überaus  stark   fundamentierter  Wider- 
lagsturm verlieh  der  baufälligsten  Stelle  der  Südwand  unmittelbar  neben  dem  Marktturm 
die  erforderliche  Festigkeit  und  wurde  zugleich  Stütz-  und  Ausgangspunkt  einer  sehr 
gefälligen  auf  Strebern  ruhenden  Arkadengallerie,  die   nunmehr  der  westlichen  Hälfte 
entlang  bis  zum  Treppenhaus  hin   fertiggestellt  ist.    Mögen  wir  auch  in  diesen  Anord- 
nungen weitere  Abweichungen  vom  mittelalterlichen  Bau   vor  uns  haben,  so  darf  doch 
nicht  vergessen  werden,  dass  dieselben  um  das  Gebäude  überhaupt  zu  erhalten  notwendig 
waren   und   dass   sie  ausserdem  in  einer  Weise  angebracht   und  ausgeführt  sind,   die 
das  ästhetisch   und   stilistisch  geschulte  Auge  durchaus  befriedigt.    Die  östliche  Hälfte 
der  Südseite  des  Bathauses  und  des  angrenzenden,  in  derselben  Flucht  liegenden  Granus- 
turmes  war  bis  vor  kurzem  durch  vorgebaute  Privathäuser  verdeckt,  weshalb  eine  Fort- 
führung der  Gallerie  an  dieser  Stelle  unthunlich  war.    Die  Häuser  sind  aber  unterdessen 
von  der  Stadtverwaltung  angekauft  und  niedergelegt  worden.    Damit  schien  denn  auch 
das   letzte   Hindemiss   hinweggeräumt,  das  der  vollständigen  Ausführung  der  in   dem 
preisgekrönten  Projekte  vorgesehenen  Bcstauration  des  Bathauses  nach  dem  Chorusplatze 
hin  entgegenstand.    Nach  diesem  Projekte  sollte  sich  an  den  Granusturm  ein  Anbau  an- 
lehnen, der  einerseits  entsprechend  dem  Dreiviertelsturm  auf  der  andern  Seite  als  Wider- 
lage  für  die  auch  hier  anzubringende  Arkadengallerie  dienen  und  anderseits  Verwaltungs- 
zweckon  nutzbar  gemacht  werden  sollte.  Neben  diesen  technischen  und  praktischen  Gründen 


^  80  — 

machten  sich  auch  ästhetische  Motive  geltend,  welche  zu  einem  solchen  Anhan  goradcza 
herausforderten.  Das  massige  Mauerwerk  des  Granusturroes,  der  sich  ohne  jede  archi- 
tektonische Gliederung  aufbaut,  würde  an  sich  und  im  Gesamtbilde  einen  störenden 
Eindruck  hervorrufen,  wenn  es  nicht  durch  Anbauten  teilweise  verdeckt,  belebt  und  in 
harmonischen  Zusammenhang  gehracht  würde.  In  der  That  beweisen  denn  auch  die  iu 
der  Nähe  des  Turmes  aufgefundenen  Fundamentreste,  sowie  die  iu  verschiedener  Höhen- 
lage befindlichen  alten  Thüren  und  Fenster,  dass  Anbauten  stets  vorhanden  gewesen  sind 
und  der  Turm  niemals  frei  gestanden  hat.  Als  seiner  Zeit  die  preisgekrönten  Pläne,  auf 
denen  sich  auch  der  fragliche  Anbau  befindet,  öffentlich  ausgestellt  waren,  Hess  sich  eine 
dissentierende  Stimme  auch  bezüglich  des  Anbaues  nicht  vernehmen.  Erst  als  vor  wenigen 
Monaten  die  Stadtverordneten-Versammlung  beschloss,  das  Dach  des  Anbaues  stellenweise 
aus  Zweckmässigkeitsgründen  um  einige  Meter  höher  zu  ziehen,  ging  der  Zeitungskrieg: 
los  nicht  nur  gegen  diese  kleine  Änderung  des  ursprünglichen  Projektes,  sondern  gegen  einen 
Anbau  überhaupt,  ja  gegen  die  ganze  Art  der  Restauration  des  Rathauses,  soweit  sie  nicht 
nur  in  früheren  Jahren  sondern  auch  in  unsern  Tagen  durchgeführt  worden  ist.  Abweichend 
von  der  Anschauung  aller  bisherigen  Lokalhistoriker  wurde  der  Granusturm  jetzt  als  ein 
Baudenkmal  aus  der  Karolingerzeit  bezeichnet,  der  unbedingt  frei  von  jeder  beengenden 
Zuthat,  in  seiner  „imponierenden  Majestät''  für  alle  Zukunft  erhalten  bleiben  müsste. 
Man  muss  zugeben,  dass  die  für  die  karolingische  Provenienz  des  Turmes  beigebrachten 
Gründe  Vieles  für  sich  haben,  wenn  auch  die  Untersuchung  noch  zu  keinem  endgültigen 
Resultate  gelangt  ist.  Dagegen  stehen  die  Belege  für  die  Notwendigkeit  einer  völligen 
Freistellung  des  Turmes  auf  thönernen  Füssen,  wie  wir  oben  bereits  angedeutet  haben. 
Es  wurde  auch  der  Versuch  gemacht,  die  hierorts  bestehenden  Geschichtsvercine  in  die 
Streitfrage  „für  oder  wider  den  Anbau**  hereinzuziehen.  Der  Vorstand  des  Aachener 
Geschichtsvereins,  an  den  dks  Ersuchen  gestellt  worden,  war  eine  Versammlung  zu  berufen 
zwecks  Stellungnahme  zu  der  Frage  des  Anbaues,  lehnte  einstimmig  eine  Einmischung 
in  die  Sache,  als  nicht  zu  seiner  Kompetenz  gehörig,  ab.  Auch  der  Vorstand  des  ^Vereins 
für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit**  kam  wiederholt  zusammen,  um  unter  Hinzuziehung 
archäologisch  gebildeter  Mitglieder  zu  beraten,  ob  und  welche  Schritte  in  der  fraglichen 
Angelegenheit  zu  thun  seien.  Schliesslich  kam  man  dahin  überein,  eine  Eingabe  an  die 
Stadtverwaltung  zu  machen,  in  der  die  Bitte  zum  Ausdruck  gehracht  werden  sollte  1.  den 
Turm  auf  seine  zeitliche  Herkunft  genau  untersuchen  zu  lassen,  2.  photographische  Auf- 
nahmen, die  zu  einem  massigen  Preise  zugänglich  seien,  herstellen  zu  lassen  und  3.  dem 
Verein  von  allen  historisch  wichtigen  Funden  zwecks  Veröffentlichung  in  der  Zeitschrift 
Kenntnis  geben  zu  wollen.  Das  bezügliche  Antwortschreiben  des  Herrn  Oberbürgermeisters 
auf  die  am  28.  März  eingereichte  Eingabe  lassen  wir  zur  Kenntnisnahme  unserer  Mit- 
glieder nunmehr  wörtlich  folgen:  „Eine  Untersuchung  des  Mauerwerks  des  Granusturmes 
hat  stattgefunden  und  es  wird  darüber  seitens  der  damit  beauftragten  Sachverständigen 
ein  Gutachten  abgegeben  werden,  welches,  ähnlich  wie  die  Nachrichten  über  sonstige 
Altertumsfunde  in  hiesiger  Stadt,  dem  städtischen  Archiv  überwiesen  wird.  Über  die 
archäologischen  Funde  wird  ausserdem  seitens  des  Stadtbauamtes  eine  laufende  Zusammen- 
stellung geführt  und  die  Fundorte  in  einer  Karte  der  Stadt  bezeichnet.  Ich  gebe  anheim, 
von  den  Aufzeichnungen  im  Archiv  oder  beim  Stadtbauamt,  Abteilung  für  Hochbau,  behufs 
ihrer  litterarischen  Verwendung  Einsicht  zu  nehmen  und  bemerke,  dass  die  Aufzeichnungen 
des  Stadtbauamtes  binnen  kurzem  zur  Drucklegung  fertig  gestellt  sein  und  demnächst 
zur  allgemeinen  Benutzung  zur  Verfügung  stehen  werden.  Von  der  photographischen 
Aufnahme  des  Granusturmes  befindet  sich  nur  noch  ein  Exemplar  im  Besitze  der 
Stadtverwaltung.  Weitere  Exemplare  können  indessen  durch  Vermittlung  des  Stadt- 
bauamtes angefertigt  werden  und  gebe  ich  anheim,  dieserhalb  mit  letzterem  in  Ver- 
bindung zu  treten.** 

Aachen.  Heinrich  Schnoek, 


Dkuck  voh  Hkrmash  Xaaterk  ix  Aacukk. 


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4  Mark.  in  Aachen. 

Mitteüimgen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Im  Anrtrage  des  Vereine  berausgegeben  von  H.  Sshnoak. 

Xr.  6/a  Elfter  Jahrgang.  1898. 


Inhalt:  W.  RrUning,  Diu  Aachener  Krünnnga fahrt  Friedrichs  III.  im  Jahre  1442.  — 
H.  Kcllot<!r,  Weistiiiner  von  Corueliiniinstor.  —  Kleinere  Mitteilungen:  l.  Verleihung  eines 
goldenen  Brnstkreuzcs  an  die  Kanoniker  des  Aachener  Licbfrunea-MUnslürs  darcli  Kaiser 
Josef  I.  —  2.  Stadtsyndikus  Anton  Wolf.  —  3.  Handelspolitisches  aus  der  ,Reii;hsherr- 
lichkcit"  Knrtschcid.  —  4.  Ein  Grenzschub  im  17.  Jobriiundert.  —  5.  „Der  Historienmaler 
Adam  Eberlo  aus  Aachen  (1805-1882)."  —  8.  Zum  Niedergang  der  Reichsstadt  Aachen.  — 
7.  Die  Ankunft  des  Oencmls  Duraourieü  in  Aachen.  —  Bericht  über  das  Vereinsjahr  1B9S. 


Die  Aachener  Krönungsfahrt  Friedrichs  m.  im  Jahre  1442. 

Von,.W.  BrUnlng. 

Die  Bedeutung:  Aachens  in  der  mittelalterlichen  Geschiclite  liegt  in 
seiner  Eigenschaft  als  KrönuDg:sstadt  der  deutschen  Könige.  Ks  blieb  nls 
solche  lange  der  Sitz  der  angesehensten  rheinisch-fränkischen  Pfalzgrafcn 
und  besass  grosse  Rechte  und  Freiheiten.  Seine  Bürger  waren  im  ganzen 
Reiche  frei  von  Hand-  und  Kriegsdiensten,  Gefängnis  und  allen  Abgaben. 
„Aachener  Luft  machte  jeden,  selbst  den  Reichsgeächteten,  frei." 

Der  Terfassungs-  und  rechtsgeschichtliche  Wert  der  KfSnigskrÖnungen 
wird  nach  allen  Richtungen  für  Aachen  festgestellt  werden  können,  wenn 
seine  sämtlichen  Kaiserurkunden  rerüffentlicht  sein  werden.  Vorläufig  muss 
man  sich  auf  die  Schilderung  des  vorwiegend  kulturgeschichtliches  Interesse 
bietenden  Herganges  der  Krönungen  beschränken. 

Die  Aachener  Ortsgcschichtsforschung  hat  auf  diesem  Gebiete  bereits 
dankenswerte  Arbeiten  geliefert.    0.  Dresemann'  beschrieb  die  Krönung 

')  Hittcilungeu  des  Vereins  fitr  Kunde  der  Aachener  Vurzeit  [Mitteilungen] 
B3.  i,  S.  52  ff.  —  Vgl.  auch  Drescmtinn,  Zur  Geschichte  der  Reichsstadt  Aachen  im 
XIV.  Jahrhundert,  mit  itczug  auf  Kaiser  und  Reich  SS.  8  und  49. 


—  82  — 

Wenzels  und  die  Karls  V.  A.  von  Rcumont',  dessen  Darstellung  darch 
E.  Fromm*  ergänzt  wurde. 

„Zur  Krönung  König  Friedrichs  ITI.  in  Aachen  im  Juni  1442**  ver- 
öffentlichte J.  Hansen  die  „Festsetzungen  des  Erzbischofs  Dietrich  von 
Köln  fUr  die  . . .  Krönung  .  .  .^  und  den  „Bericht. des  Augenzeugen  Jobann 
Burn  von  Mohausen  über  die  Krönung  und  die  sich  an  dieselbe  knflpfenden 
Feierlichkeiten*'*. 

Eine  sehr  wertvolle  Vermehrung  unserer  Kenntnisse  ttber  die  Krönung 
Friedrichs  III.  und  vor  allem  ttber  den  Verlauf  seiner  Reise  nach  Aachen 
und  von  hier  zurttck  nach  Wien  erhalten  wir  aus  dem  Itinerar  eines  Teil- 
nehmers an  der  Fahrt,  das  Josef  Seemttller  herausgegeben  hat^ 

Der  Verfasser  des  Reisetagebuches  sagt  selbst  nichts  ttber  seinen 
Namen  und  Stand  und  seine  Eigenschaft,  in  der  er  die  Reise  nach  Aachen 
mitmachte,  noch  deutet  er  darüber  etwas  an.  Aber  aus  seinem  Interesse 
fQr  militärische  Dinge,  fttr  ritterliche  Kampfspiele,  Fttrsten-  und  Herren- 
versammlungen ,  staatliche  Besitzverhältnisse,  Empfangsfeierlichkeiten, 
Ehrungen,  Belehnungen,  schöne  Frauen  n.  s.  w.  schliesst  Seemttller  im 
Gegensatz  zu  einer  früheren  Annahme,  dass  er  kein  Kleriker,  sondern  ein 
Laie  gewesen  ist,  und  zwar  ein  adliges  Mitglied  des  Hofstaates  Fried- 
richs III.  Seemttller  hält  ihn  für  einen  Steiermärker.  Sein  Bericht  trägt 
keinen  offiziellen  Charakter,  wenn  er  auch  in  manchen  Angaben  von  der 
Rücksicht  auf  den  König  beeinflusst  ist,  aber  nur  insofern  als  er  alles  auf 
Friedrichs  Person  oder  dessen  Familie  Bezügliche  stärker  hervorhebt. 
Der  Verfasser  beabsichtigte,  eine  Arbeit  zu  liefern,  die  dem  König  die 
Erlebnisse  der  Krönungsfahrt  in  angenehme  Erinnerung  bringen  sollte. 
„Der  Hauptreiz  des  Büchleins  liegt  in  seiner  Unmittelbarkeit:  der  Verfasser 
berichtet  meist  nur,  was  er  selbst  gesehen  und  erlebt  hat,  seltener  nach 
Hörensagen.  Sein  Hauptwert  liegt  in  den  genauen  Zeit  und  Ortangaben  — 
durch  die  es  fttr  den  Historiker  vornehmlich  brauchbar  wird  —  ferner  in 
einigen  kunst-  und  kulturhistorischen  Angaben/ 

Man  lernt  aus  dem  Bericht  ganz  genau  die  Art  und  Weise  des 
Reisens  fürstlicher  Personen  im  15.  Jahrhundert  kennen.  Friedrich  m. 
legte  den  weiten  Weg  von  Graz  nach  Aachen  zumeist  im  Sattel  zurück. 
Das  Reisen  im  Wagen  war  bei  ritterlichen  Herren  jener  Zeit  nicht  beliebt 
und  bei  dem  schlechten  Zustande  der  Strassen  in  den  meisten  Gegenden, 
zumal  bei  andauerndem  Regenwetter,  selbst  im  Sommer  ttberaus  beschwerlich. 


1)  Zeitschrift  des  Aachener  Oeschichtsyeroins  [ZAG]  Bd.  VI,  S.  271  ff.  n.  Bd.  VU, 
S.  284  ff. 

*)  ZAG  Bd.  XVII,  S.  211  ff.  —  In  den  Annalen  des  historischen  Vereins  fttr  den 
Niederrhein  [AH VN]  veröffentlichte  J.  Baader  den  Bericht  des  Ritters  Ludwig  Ton  Eyb 
über  des  Komischen  Königs  Maximilian  Krönung  zu  Aachen  im  Jahre  1486  (Bd.  XV,  S.  1  f.). 

«)  ZAG  Bd.  IX,  S.  211  ff. 

*)  Hitteilungen  des  Instituts  fttr  österr.  Geschichtsforschung  Bd.  XVII,  S.  584  ff. 
aus  Cod.  mus.  brit.  16592  (v.  Liebenau  hatte  1884  nach  der  Berner  Hs.  A.  45  ein  Bmoh- 
stück  des  Berichts  ediert.) 


—  83  — 

„In  dem  namen  des  alraechtigen  gots  rit  wier  aws  zu  Gretz  des  sambs- 
tags  nach  vnnser  frawen  zu  liechraeß  in  das  heillig  reich,  da  man  zalt 
nach  Cristi  gepurt  vierzehenhundert  vnd  darnach  in  dem  zwainunvierzigistn/ 
Die  Fahrt  ging  über  Fronleiten,  Brück  an  der  Mur,  Aussee,  Kremsmünster 
und  Ischl.  Am  27.  Februar  erreichte  man  Salzburg.  Vier  Meilen  weit 
war  der  Bischof  Friedrich  von  Salzburg  seinem  königlichen  Herrn  ent- 
gegengeritten, um  ihn  zu  empfangen.  Drei  Tage  verweilte  der  reisige 
Zug  in  der  schönen  Bischofsstadt,  die  mit  ihrem  Münster,  deren  gros^se 
Orgel  damals  eine  Seltenheit  war,  und  ihrer  wehrhaften  Befestigung  die 
Aufmerksamkeit  des  Berichterstatters  fesselte.  Am  9.  Februar  traf  man 
in  Innsbruck  ein  und  hielt  sich  dort  sechs  Wochen  lang,  bis  zum  14.  April, 
auf.  Bei  Landsberg  wurde  der  König  von  dem  Herzog  Albrecht  von 
Baiern  und  dessen  Gemahlin  Anna  von  Braunschweig  begiüsst;  desgleichen 
von  dem  Herzog  Ludwig  von  Baieru.  „Dy  riden  gegen  meines  herrn 
gnaden  aws  vnnd  empfingen  in  gar  hochwirdigklichen  vnd  hetten  ain  groß 
frewd  mit  ainander  vnntzt  an  den  drittn  tag.^  Am  20.  April  öffnete  die 
Reichsstadt  Augsburg  den  Reisigen  ihre  Thore  und  am  ^9.  desselben  Monats 
Nürnberg.  Hier  blieb  man  vier  Wochen  lang.  Im  Verlaufe  der  Fahrt 
schlössen  sich  fürstliche  Persönlichkeiten,  Grafen,  Freiherren,  Ritter  und 
Knechte  dem  Zuge  an.  In  Nürnberg  stiessen  zu  ihm  der  Herzog  von 
Sachsen,  des  Reiches  oberster  Marschall,  und  sein  Bruder,  der  Herzog  von 
Meissen.  Den  ersteren  begleitete  seine  Gemahlin,  eine  Schwester  des 
Königs.  Als  diesem  die  bevorstehende  Ankunft  der  Gäste  aus  Sachsen 
gemeldet  war,  ritt  er  ihnen  im  Weichbilde  der  Stadt  entgegen.  Sobald 
die  Herzogin  ihren  königlichen  Bruder  zu  Gesicht  bekam,  sprang  sie  vom 
Pferde  und  ging  ihm  eine  weite  Wegstrecke  zu  Fuss  entgegen.  „Und 
geschach  grosse  frewd  da  von  konig  Fridrich  vnnd  seiner  swester,  der  sy 
mit  ainannder  phlagen,  wan  sy  in  langer  zeitt  nit  anainander  gesehen  hetten.^ 

In  Nürnberg  fand  zu  Ehren  des  hohen  Herrn  und  seiner  Gäste  ein 
Turnier  statt,  ein  scharfes  Lanzenreinien  unter  dem  Eisenhut  und  Schild.  Bei 
ihm  zeichnete  sich  besonders  der  streitbare  Markgraf  Albrecht  (Achilles) 
von  Brandenburg  aus,  „der  ritterlich  rannt  mit  her  Jörgen  Fuchssen".  Neben 
ihnen  werden  noch  erwähnt  die  Ritter  Graf  Bernhard  von  Schaumburg, 
Hans  von  Starhenberg,  Jörg  von  Volkensdorf,  der  fränkische  Ritter  Jörg 
von  Waldenfels,  bekannt  als  Parteigänger  des  Markgrafen  Albreclit  im 
Krieg  mit  Nürnberg,  ein  Hans  von  Bairat,  wahrscheinlich  ein  Mitglied 
des  berühmten  fränkischen  Geschlechts  der  Wallenrod,  u.  a. 

Bezeichnend  für  den  frommen  Sinn  der  Zeit,  in  welcher  der  einige 
Glaube  alle  Akte  des  privaten  und  öffentlichen  Lebens  sittlich  vertiefte 
und  ihnen  religiöse  Weihe  verlieh,  ist  der  Brauch,  dass  dem  König  überall, 
wo  ein  solches  vorhanden  war,  das  „hailtum**,  d.  h.  die  Heiligtümer,  der 
kostbarste  Schmuck  und  heiligste  Besitz  jeder  Stadt,  bei  seinem  Einzüge 
entgegen  getragen  wurde.  Die  stehende  Ausdrucksweise  des  Bericht- 
erstatters ist  bei  der  Beschreibung  dieses  Aktes  immer:  „Auch  ward  meins 


—  84  — 

herrn  guad  gar  wiidigklich  empliaiigen  mit  dem  liailtmu/  Der  erste  Weg 
fßhrte  den  König  fast  in  jeder  «Stadt  zum  Gotteshause.  Als  er  die  St. 
Sebalduskirche  in  Nürnberg  betrat,  verbrannten  die  Priester  ein  Bündel 
Werg  vor  seinen  Augen  und  warnten  ihn  mit  den  Worten  des  Psalmisten 
vor  Hochmut  und  Überschätzung  weltlicher  Ehre,  die  so  schnell  vergänglich 
sei  wie  das  Werg  leicht  verbrenne*. 

Am  22.  Mai  verliess  der  König  mit  seinem  jetzt  schon  sehr  statt- 
lichen Gefolge  Nürnberg  und  erreichte  am  23.  Würzburg  im  Frankenland. 
„Daz  ist  ein  guttland**,  schreibt  der  steirische  Ritter,  „aber  wilder  tuemherren 
hab  ich  auf  diser  reis  nie  gesehen,  als  ich  auf  dem  tuem  hab  gesehen.^ 
Diese  Bemerkung  bezieht  sich  nach  Seemüllers  Ansicht  auf  die  im  Würz- 
burger Kapitel  herrschenden  üblen  Zustände,  mit  denen  der  König  sich  später 
noch  beschäftigen  sollte.  Weiter  gings  am  24.  Mai  über  Wertheim  an  der 
Tauber  nach  Aschaffenburg,  einer  Stadt  des  Bischofs  von  Mainz.  In  dessen 
mit  Meisterstücken  der  Webekunst  gezierten  „Hause**  übernachtete  der 
König  mit  seinen  Dienern  nach  reichlicher  Bewirtung.  Sonntag  den 
27.  Mai  ritt  man  nach  Frankfurt.  In  der  Begleitung  dreier  Kurfürsten, 
des  Herzogs  von  Sachsen  und  der  Erzbischöfe  von  Trier  und  Mainz,  zog 
der  König  in  dessen  Thore  ein.  Feierlich  und  würdig  wurde  er  von  den 
Frankfurtern  empfangen  und  nach  dem  Münster  geführt.  Hier  hatte  man 
geharnischte  Männer  aufgestellt,  damit  der  König  nicht  durch  das  Gedränge 
belästigt  würde.  Am  Arme  zweier  Kurfürsten  betrat  er  den  Dom.  Mit 
Gewalt  hoben  sie  ihn  im  Chor  auf  den  Altar.  [?]  Der  Bischof  von  Mainz 
stand  auf  seiner  rechten,  der  von  Trier  auf  seiner  linken  Seite  und  der 
Biscliof  von  Augsburg  zwischen  beiden.  Auch  der  Herzog  von  Sachsen 
stand  dabei.  Die  machtvollen  Klänge  des  Te  Deum  laudamus  und  Veni 
sancte  spiritus  durchbrausten  bei  der  kirchlichen  Feier  den  Dom.  Am 
Schluss  derselben  schenkte  der  König  dem  Messner  nach  alter  Sitte  das 
von  ihm  im  Münster  getragene  Gewand,  einen  Rock  von  braunem  Saramet*. 


M  Vgl.  Deutsche  Städto-Chroniken  Bd.  III,  S.  363  f.:  und  als  nu  die  colccten  auß 
waß,  nam  derselb  pfarrer  (zu  sant  Sebolt)  flaß  und  wcrck  und  zünde  das  an,  ließ  eß 
prynnen  und  sprach  mit  lauter  stymme:  ,,allerdurchlenchtigister  kunigkl  also  zergeet  die 
ecr  der  werlt.^  Weil  im  christlich-germanischen  Mittelalter  die  Religion  den  richtigen 
Maasstab  fHr  alle  Werte  lieferte,  war  ihm  eine  byzantinische  Überschätzung  der  Majestät 
fremd.  Ohne  die  Stützpunkte  fester  religiöser  Überzeugungen  kann  weder  bei  Indivi- 
duen noch  bei  Völkern  eine  wahrhafte  und  vor  allem  freie  Wertschätzung  der  Autorität 
bestehen.  Erst  nachdem  die  Neuzeit  die  religiöse  Grundlage  der  deutschen  Volksseele 
erschüttert  und  verödet  und  an  die  Stelle  der  Ehrfurcht  gegen  Oott  und  göttliche  Ordnung 
im  Staatsleben  die  Menschenfurcht  und  den  Egoismus  gesetzt  hatte,  kam  die  blinde  ab- 
göttische Verehrung  der  Majestät  empor,  die  im  Absolutismus  ihren  Ausdruck  und  in  der 
Bevolution  zum  Teil  ihr  Ende  fand. 

')  Die  Feierlichkeiten  während  des  elftägigen  Aufenthalts  in  Frankfurt,  besonders 
anlässlich  des  Frohnleichnamszuges  am  81.  Mai,  schildert  der  Berichterstatter  nicht.  Weil 
sie  für  den  Charakter  der  Krönungsfahrt  bezeichnend  sind,  gehen  wir  auf  sie  hier  etwas 
näher  ein,  und  zwar  an  der  Hand  von  Aufzeichnungen  aus  dem  Frankfurter  Stadtarchiv, 


—  85  — 

Erst  ara  6.  Juni  verliess  Friedrich  die  Stadt  mit  einem  grossen  Ge- 
folge von  Kurfürsten,  Kardinälen,  Bischöfen,  Grafen,  Freiherren,  Rittern 
und  Knechten  auf  Schiffen,  von  deren  Masten  des  Reiches  Banner  und 
Oesterreichs  Adler  im  Winde  wehten  ^  Als  der  König  am  selben  Tage  in 
Mainz  an  Land  stieg,  empfing  ihn  der  Herzog  Ludwig,  Pfalzgraf  bei  Rhein. 
Auf  dem  Wege  zum  Dom  umgab  ihn  eine  grosse  Volksmenge.  Er  herbergte 
bei  dem  Bürgermeister  in  einem  schönen  Hause,  „nach  lust  erpawt**.  Er 
ass  in  einer  schönen  Stube,  in  der  eine  gläserne  Kette  hing,  und  bei  dem 
Hause  war  ein  Garten  mit  einem  Brunnen  und  einem  Lusthaus,  das  die 
Bewunderung  des  steirischen  Ritters  erregte.  Der  König  besuchte  das 
Frauenkloster  zu  Aldenmflnster  (vetus  cella  oder  vetus  monasterium),  um 
dessen  berühmte  Heiligtümer  zu  verehren. 

Am  9.  Juni  verliess  man  Mainz  und  fuhr  rheinabwärts.  In  der  Elt- 
viller  Au  stieg  der  König  an  Land  und  nahm  im  Grase  sitzend  ein  Mahl 
ein.  Von  seinem  Gefolge  veranstalteten  die  Herzöge,  Grafen  und  Frei- 
herren während  der  Rast  eine  muntere  Jagd  auf  Kaninchen,  die  es  dort 
in  grosser  Menge  gab.  In  dem  dem  Pfalzgrafen  bei  Rhein  gehörigen 
Städtchen  Bacharach  wurde  übernachtet.  Am  10.  Juni  gelangte  man  nach 
Koblenz,  einer  Stadt  des  Kurfürsten  von  Trier.     Die  Stadt  illuminierte 


die  uns  im  Original  vorgclegon  haben.  (Vgl.  J.  Janssen,  Frankfurts  ßcichskorrcspondenz 
Bd.  II,  S.  45.)  Die  Feier  dos  Frobnloichnamsfestcs  war  aus  Aulass  der  Anwesenheit  des 
Königs  von  solcher  Schönheit  und  Herrlichkeit,  „des  gliche  zu  Frankonfurt  nye  gehord 
oder  gesehen  als  uff  dasmale  in  mentschen  gedechtnis  was**.  Das  hl.  Sakrament  trug  der 
Erzbischof  von  Köln,  angethan  mit  kostbaren  Ornamenten,  die  der  Erzbischof  von  Mainz 
ihm  zur  Verfügung  gestellt  hatte.  Seine  unmittelbare  Umgebung  bildeten  während  der 
Prozession  die  Grafen  Hans  von  Wertheim  und  Reinhard  von  Hanau,  seine  Weihbischöfe 
und  zwei  Prälaten.  Der  Kämmerer  von  Mainz,  ein  Kanonikus,  trug  vor  ihm  das  Kreuz, 
soin  Vikar,  Johann  de  Lesura,  den  Bischofsstab.  Vier  Grafen  trugen  den  Baldachin. 
Hinter  der  anderen  Geistlichkeit  gingen  zunächst  vor  dem  Sakrament  die  Sänger  des 
Königs,  „die  gar  hoffelicben  gesang  sungen*^.  Hinter  den  Heiligtümern,  die  der  König 
hatte  nach  Frankfurt  bringen  lassen  und  die  von  den  Sängern  getragen  wurden,  folgte 
dieser  selbst,  in  einer  Kleidung  und  einem  Schmucke,  deren  Wert  man  auf  25000  Gulden 
schätzte.  Vor  ihm  schritten  der  Herzog  von  Sachsen  mit  dem  Schwerte,  zu  beiden  Seiten 
die  Frzbischöfc  von  Köln  und  Trier  und  hinter  ihm  die  Bischöfe  von  Kcgensburg,  Augs- 
burg, Chiemsee,  von  Gnrk  und  viele  andere  Bischöfe,  Prälaten,  Äbte  und  sonstige  Scharen. 
Der  Zug  glänzte  im  Farbenspiel  seidener  Gewänder  und  kostbaren  Schmuckes.  Zehn 
Mitglieder  des  Rat«  von  Frankfurt,  umgaben  mit  ihren  Richtern,  Dienern  und  Spähern, 
die  Stangen  trugen,  das  Allerheiligste  und  den  König,  um  dem  Andränge  des  Volkes  zu 
wehren.  Es  verlief  aber  alles  „so  erberclich  und  ordenlich,  das  iß  groß  zu  loben  und  czu 
prisen  was".  Auch  die  geistlichen  Orden  beteiligten  sich  mit  ihren  Heiligtümern  gegen 
ihre  sonstige  Gewohnheit  an  der  Prozession,  desgleichen  die  Zünfte. 

*)  Die  Schiffe  stellten  die  Erzbischöfe  von  Mainz  und  Trier.  Eine  Aufzeichnung  im 
Frankfurter  Stadtarchiv:  „Königliche  abreiß  zur  crönung**  schildert  sie  als  gross  und  herr- 
lich. Der  König  benutzte  das  geräumige  Marktschiff,  das  wohl  Eigentum  der  Stadt  war. 
Auch  sogenannte  Kücheuschiffo  gehörten  zur  Flotille,  die  aus  etwa  einem  Dutzend  Fahr- 
zeuge bestand.  Unter  den  fröhlichen  Weisen  der  Spielleute,  die  sich  an  Bord  befanden, 
stiess  man  vom  Lande.  Die  Pferde  wurden  auf  dem  Landwege  über  Limburg  nach  Bonn 
geschafft.    (Vgl.  J.  Janssen  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  48.) 


—  86  — 

aus  Anlass  der  Anwesenheit  des  Reichsoberhauptes,  und  in  jedem  Hause 
brannten  etwa  zwei  bis  drei  Lichte.  ,,Gegeu  Koblenz  über  liegt  ein 
gutes  Schloss  der  Irmelstein**  (Ehrenbreitsteiu).  In  der  Au  am  Fusse  des 
Schlossberges  „ass  der  König  mit  seinen  Kurfürsten,  Bischöfen,  Prälaten, 
Grafen,  Herren,  Rittern  und  Knechten  ein  grosses  Mahl",  und  wieder  ver- 
schaffte man  sich  Kurzweil  mit  der  Kaninchen jagd.  Am  13.  Juni  traf  man 
in  Bonn  ein  und  erreichte  damit  die  erste  Stadt  im  Gebiet  des  Kurfürsten  von 
Köln.  Der  Berichterstatter  unterlässt  nicht  zu  bemerken,  dass  von  Mainz 
nach  Köln  hin  auf  beiden  Ufern  des  Rheins  viele  schöne  Schlösser  lagen.  In 
Bonn  stieg  man  wieder  zu  Pferde,  bog,  ohne  Köln  zu  berühren,  landeinwärts 
ab  und  gelangte  nach  Lechenich.  Das  dortige  kurfürstliche  Schloss  hatte 
man  mit  „hübschen  Tüchern"  geschmückt.  In  dem  dasselbe  umgebenden 
Wassergraben  fischte  der  König  mit  dem  Kurfürsten  von  Köln,  und  zwar 
mit  so  gutem  Erfolge,  dass  Jedermann  Fische  genug  hatte".  Dann  über- 
nachtete man.  Am  14.  Juni  ritt  man  gen  Düren.  Unterwegs  stiess 
der  Herzog  Gerhard  von  Jülich  und  Berg  mit  „manchem  guten  Hofmann" 
zum  Zuge. 

Über  Düren,  wo  man  gleichfalls  übernachtete,  gelangte  man  schliess- 
lich am  15.  Juni  nach  Aachen  ^ 


*)  Die  Fahrt  hatte  somit  4  Monate  nnd  12  Tage  in  Ansprach  gcuoraineu.  Die  Ent- 
fernungen zwischen  den  Haltepunkten  sind  im  Itinerar  regelmässig  in  Meilen  angegeben. 
Die  von  Seemüller  mit  anderen  Itineraren  angestellte  Vergleichung  ergiebt  für  den  Begriff 
Meile  das  Maas  von  zwei  Gehstunden.  Es  entspricht  unserer  Meile  =  7,5  km.  Die  zu 
Pferde  zurückgelegte  Strecke  betrug  täglich  im  Durchschnitt  15  bis  etwa  40  km.  Man 
mutete  sich  und  den  Pferden  also  nicht  gerade  zu  viel  zu,  aber  es  müssen  dabei  die 
damaligen  Wegeverhältnisse  in  Betracht  gezogen  werden.  Nachdem  die  schönen  dauer- 
haften Strassen  der  Römer  gänzlich  in  Verfall  geraten  waren,  schleppte  man  sich  das 
ganze  Mittelalter  hindurch  mühselig  auf  schlechten,  teilweise  ungebahnten  Wegen  fort. 
Friedrich  Ludwig  hat  ;,die  Reise-  und  Marschgeschwindigkeit  im  12.  und  13. 
Jahrhundert**  zum  Gegenstande  einer  Untersuchung  gemacht.  Seine  Ermittelungen  sind 
auch  für  das  14.  und  15.  Jahrhundert  massgebend,  da  der  sich  gleich  bleibende  Znstand 
der  Strassen,  dem  in  der  neueren  Zeit  erst  Napoleon  durch  Anlage  eines  musterhaften 
Strasscnnetzes  in  Mitteleuropa  ein  Ende  machte,  keine  nennenswerten  Unterschiede  in 
der  SchneHigkeit  zuliess.  Aus  Ludwigs  Zusammenstellungen  ergeben  tich  20  bis  30  km 
als  durchschnittliche  Marschgeschwindigkeit  für  den  Tag,  die  aUerdings  in  einzelnen  Fällen 
bedeutend  höher  war.  So  weist  z.  B.  das  Reisebuch  Friedrich  Barbarossas  für  Reisen  in 
Deutschland  90  km  in  iVg— 2  Tagen  als  höchste  Leistung,  17  km  als  Mindestdurchschnitt 
für  eine  halbjährige,  ununterbrochene  Reise  auf;  für  die  Alpenübergänge  nach  Italien  sind 
20-28  km,  in  umgekehrter  Richtung  33  km  nachgewiesen;  bei  den  zahlreichen  Märschen 
in  Italien  wurden  durchschnittlich  25—30  km  zurückgelegt.  Nicht  wesentlich  verschieden 
hiervon  waren  die  aus  den  Reisebüchern  der  französischen  Könige  und  der  Päpste  fest- 
gestellten Ergebnisse.  Die  Marschleistungen  der  Kreuzfahrer  sind  meist  erheblich  niedriger, 
weil  den  Führern  das  Land  unbekannt  und  die  Wege  noch  schlechter  waren,  als  in  der 
Heimat.  Zu  Schiff  legte  König  Friedrich  bei  seiner  Fahrt  auf  Main  und  Rhein  täglich 
35-50  km  zurück,  je  nachdem  das  Reiseziel  gesteckt  war.  Für  die  Wasserfahrten  hat 
Friedrich  Ludwig  einen  Durchschnitt  nicht  ermitteln  können,  da  sie  vorwiegend  aus 
Küstenfahrten  bestanden  und  jede  Angabe  darüber  fehlt,  in  welchem  Umfange  man  der 
Küste  folgte  oder  die  Einbuchtungen  durch  eine  gerade  Linie  abschnitt;   sodann   übten 


—  87  — 

Von  Düren  bis  Aachen  umwogte  den  König  eine  so  grosse  Menge 
Volks,  dass  man  sie  nicht  zählen  konnte.  Fünf  Tage  und  flinf  Nächte 
wurden  die  Strassen  nicht  leer  von  Reitern  und  Fussgängern.  Auch  die 
Schar  der  eigentlichen  Begleiter  des  Königs,  der  Kurfürsten,  Bischöfe,  Äbte 
und  anderen  Prälaten,  der  Herzöge,  Grafen,  Freiherren,  Ritter  imd  Knechte, 
der  Vertreter  der  Städte,  hatte  sich  auf  der  letzten  Wegstrecke  noch 
immer  vermehrt,  so  dasi  es  ein  überaus  stattlicher  und  farbenprächtiger 
Zug  gewesen  sein  muss,  dem  sich  die  Thore  der  alten  Krönungsstadt  am 
15.  Juni  des  Jahres  1442  Öffneten  ^  Es  vollzog  sich  in  ihren  Mauern  wieder 
einmal  ein  Akt  von  grosser  reichsgeschichtlicher  und  tiefer  symbolischer 
Bedeutung ',  den  Jedermann  mit  gespanntem  Interesse  verfolgte  und  gleich- 
sam wie  ein  allgemeines  lleichsfest  feierte'. 

hier  die  Witterangsverhältnisse,  Windrichtnng,  Seegang  u.  s.  w.  einen  für  uns  nicht  mehr 
nachweisbaren  Einflnss  auf  die  Fahrgeschwindigkeit  aus.  So  legte  Kaiser  Friedrich  II. 
an  den  Küsten  Italiens  durchschnittlich  nur  35—48  km  zurück,  während  auf  seinem  Kreuz- 
zuge der  mittlere  Durchschnitt  79  Kilometer  beträgt.  Bei  Papst  Alexander  III.  beträgt 
der  Durchschnitt  für  längere  Strecken  40—50  km.  Das  Beisebuch  des  Abtes  Nikolaus 
von  Tingayrar,  der  1151—1154  eine  Wallfahrt  von  Island  nach  dem  heiligen  Lande  unter- 
nahm, ergiebt  145-150  km  täglich  für  die  Fahrt  auf  hoher  See,  190  km  für  die  Fahrt 
um  Island  und  von  Island  nach  Norwegen.  Orösserc  Stetigkeit  zeigen  die  Flussfahrten. 
Papst  Innoconz  IV.  brauchte  im  November  1244  für  eine  Strecke  von  100  km  rhoneauf- 
wärts  bis  Lyon  drei  Tage  und  der  Abt  Beruhard  von  Clairvaux  im  Dezember  1146  für 
Zurückl^nng  der  Fahrt  von  Strassburg  bis  Speicr  (103  km)  die  nämliche  Zeit.  Mit 
ungewöhnlicher  Schnelligkeit  reiste  Friedrich  Barbarossa,  als  er  sich  nach  seiner  Wahl 
von  Frankfürt  nach  Aachen  zur  Krönung  begab.  Am  6.  März  1152  von  Frankfurt  auf- 
brechend, reiste  er  zu  Schiff  main-rheinabwärts  bis  Sinzig  (135  km)  und  ritt  von  da  nach 
Aachen  (90  km),  wo  er  am  8.  ankam;  er  kann  also  kaum  mehr  als  IV«  Tage  für  die 
Flussfahrl  von  Frankfurt  nach  Sinzig  gebraucht  haben.  —  Eine  hervorragende  Reitcr- 
leistung,  die  den  heutigen  Distanzritten  gleichwertig  ist,  finden  wir  in  einem  Briefe  aus 
dem  Ende  des  17.  Jahrhunderts  verzeichnet  Joannes  Beckum  schreibt  von  Frankfurt  aus 
fun  28.  4^uni  1678  an  „Leonard  Dautzenberg,  capitaino  d'infanterie  du  regiment  de  la 
ville  d'Aix-Ia-Chapelle  4  Cologne,  in  der  Brewergaffel**,  dass  er  „die  Reise  von  Collen  bis 
Mayntz  reitend  in  2  tag  hab  verrichten  müssen**.  Der  Ritt  hatte  ihn  allerdings  derartig 
angegriffen,  dass  man  ihn  vom. Pferd  heben  musste,  weil  ihm  „händt  und  fues  übermäßig 
geschwollen'*.    (Kriegsakten  im  Aachener  Stadtarchiv.) 

*)  Vgl.  das  unter  Nr.  I  im  Anhang  abgedruckte  Verzeichnis  der  bei  der  Anwesen- 
heit Friedrichs  in  Frankfurt  vor  seiner  Reise  nach  Aachen  zur  Krönung  zugegen  gewesenen 
Fürsten,  Bischöfe,  Botschafter,  Grafen,  Herren  und  Städteboten  etc.,  das  eine  Vorstellung 
von  der  Menge  der  Notabilitäten  giebt,  die  der  König  um  sich  versammelte.  Es  ist  nicht 
nur  für  die  Frankfurter,  sondern  auch  für  die  Aachener  Ortsgeschichtc  von  Wert,  da  die 
Mehrzahl  dieser  Standespersonen  an  dem  Krönungsakt  teilnahm.  Wir  geben  es  mit  einigen 
Abweichungen  von  dem  Abdruck  bei  J.  Janssen  (a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  42)  wieder  und  mit 
Feststellung  der  Namen,  soweit  sich  diese  ermöglichen  Hess. 

')  Über  „den  wichtigsten  staatsrechtlichen  Akt**  vgl.  Köpke-Düromler,  Kaiser 
Otto  der  Grosse  S.  27. 

')  Die  Regierung  der  Reichsstadt  Aachen  hatte  sich  bei  Zeiten  über  den  Thron- 
wechsel und  die  aus  ihm  sich  ergebenden  Vorgänge  unterrichtet,  und  zwar  durch 
Korrespondenz  mit  Frankfürt.  Am  27.  Oktober  1439  war  König  Albrecht  II.  gestorben 
und  am  17.  November  desselben  Jahres  bat  Aachen  Frankfurt  um  Nachricht  von  den 
Verhandlungen  des  Frankfurter  Tages,  der  noch  zu  Lebzeiten  Albrecbts  zusammenberufen 


—  88  — 

Musste  der  König  in  Frankfurt  dem  Messner  seinen  Sammetrock 
tiberlassen,  so  machten  bei  seinem  Einritt  in  Aachen  die  Stadtknechte  ihr 
altes  ßecht  geltend,  indem  sie  ihm  sein  Ross  abnahmen  ^  So  fiel  auf  diesen 
Krönungsreisen  für  alle  etwas  ab^ 

worden  war.  (Vgl.  Anhang  Nr.  II.)  Am  25.  November  antwortete  Frankfurt,  das«  die 
Gesandten  des  Königs  und  der  Fürsten  anf  die  Knude  vom  Tode  des  Königs  Frankfurt 
verlassen  hätten,  und  dass  der  Erzbischof  von  Mainz  vorhabe,  einen  Wahltag  auf  den 
25.  Januar  1440  zu  berufen.  Am  8.  Januar  dieses  Jahres  ersuchte  Aachen  Frankfurt  um 
Niicbrichten  von  dem  bevorstehenden  Wahltage.  (Vgl.  Anhang  Nr.  III.)  Am  2.  Februar 
meldete  Frankfurt  an  Strassburg,  Ulm,  Aachen  und  Nürnberg  die  an  diesem  Tage  vcUzogcae 
Wahl  Friedrichs  von  Österreich  zum  Römischen  König.  Am  6.  Februar  sprach  Aachen 
seinen  Dank  für  die  erhaltene  Nachricht  von  der  erfolgten  Wahl  aus.  (Vgl.  Anhang 
Nr.  IV.)  Und  am  13.  April  1442  erbat  sich  Aachen  von  Frankfurt  Mittheilung  über  die 
Beise  des  Königs.    (Vgl.  Anhang  Nr.  V.) 

*)  Für  diese  Sitte  führt  Seemüller  noch  die  Angabc  eines  andern  Begleiters  des 
Königs,  Georg  Scharadocher,  an:  „Item  kunig  Fridrich  hct  ain  valbs  ros^  Darauf  ward 
rr  Römischer  kunig.  In  wclich  rcyclisteteu  er  rayt  und  so  er  für  dy  herbcrg  kam,  so 
was  dvr  statknccht  und  schergen  gerechtigkait,  das  sy  das  ros  naraen."  (Oefele,  SS.  rer. 
Boie.  I,  317  a.)  Nach  diesen  Zeugnissen  zweier  Augenzeugen  ist  die  Angabe  in  den 
Deutschen  Städte-Chroniken  Bd.  XII,  S.  365,  Anm.  4  wohl  irrtümlich:  „Wenn  der  König 
in  Aachen  einritt,  so  gehörte  das  Pferd  dem  Cölncr  Erbmarschall.**  Nach  anderen 
Bestimmungen  „reiten  Bürgermeister  und  Rat  dem  einzielienden  König  innerhalb  der 
Bannmeile,  die  Canonici  gehen  ihm  bis  ans  Thor  entgegen,  mit  St.  Carls  heuft**.  Nach 
ihr  „erhält  der  Stadtpförtnor  des  Königs  Ross,  dieser  besteigt  ein  neues,  das  an  der 
Pforte  des  Münsters  dem  Vogt  von  Aachen  verfällt".  (Locrsch,  Aachener  Chronik 
aus  einer  Handschrift  der  königlichen  Bibliothek  in  Berlin.  AHVN  Bd.  XVII, 
S.  1  flf.)  —  Über  das  Recht  des  Erbmarschalls  des  Erzstiftes  Köln,  das  Pferd  in 
Empfang  zu  nehmen,  das  der  Kaiser  ritt,  wenn  er  in  Aachen  gekrönt  wurde,  vgl. 
Giers  berg,  Das  Erbmarschallamt  im  ehemaligen  Erzstifte  -  Köln  (AHVN  Bd.  XXVI, 
S.  319  f.) 

•)  Der  Verfasser  des  Itinerars  giebt  an  dessen  Schluss  (a.  a.  0.  S  659  ff.)  die 
Namen  der  Fürsten,  Prälaten,  Grafen,  Freiherren,  Ritter  und  Knechte  an,  die  als  Hof- 
gesinde und  Diener  des  Königs  in  Aachen  einzogen.  Es  waren  im  Ganzen  134  Per- 
sonen. Dazu  kamen  viele  der  im  Frankfurter  Verzeidmis  Genannten.  Aus  dem  Bericht 
des  Johann  Burn  von  Mohauson  (ZAG  Bd.  IX,  S.  213  f.)  erhalten  wir  weitere  Angaben 
über  die  Aachen  für  einige  Tage  füllenden  Scharen.  Den  Herzog  Friedrich  II.  von 
Sachsen  begleiteten  32  Ritter,  80  Schützen,  40  Fusssoldatcn,  40  Bannerträger  und  anderes 
Volk.  Das  Gefolge  Ludwigs  IV.,  Pfalzgrafen  bei  Rhein,  bestand  ausser  anderen  Persön- 
lichkeiten aus  700  Reitern,  dius  des  Herzogs  Gerhard  von  Jülich  und  Berg  au&  400,  das  des 
Erzbischofs  von  Köln,  Dietrich  II.  von  Moers,  aus  600  Reitern.  Den  Bischof  von  Lüttich, 
Johann  VIII.  von  Heinsberg,  der  in  der  Frühe  des  15.  Juni  in  Aaciien  eingetroffen  war, 
begleiteten  600  Reiter,  den  Markgrafen  Friedricli  II.  von  Brandenburg,  der  erst  am 
16.  Juni  eintraf,  400  Reiter.  Auch  die  vier  Bettelorden,  alle  Schüler  und  Chorherren  und 
die  gesamte  Priesterschaft  Aachens  befanden  sich  in  dem  Zuge.  Diesen  eröffnete  das 
Gefolge  des  Herzogs  von  Sachsen,  dann  kam  der  Pfalzgraf  mit  seinen  Mannen,  hinter 
diesen  der  Herzog  von  Berg,  ferner  die  Schar  der  Ordensbrüder,  der  Schüler,  Chorherren 
und  Kleriker  aus  Aachen  mit  dem  Haupte  Kaiser  Karls  und  dann  der  König,  angethan 
mit  unverdecktem  Panzer,  einem  goldenen  Gürtel  mit  goldenem  „Messer",  mit  goldenem 
Halsband,  das  Haupt  bedeckt  mit  ein(*m  weissen  Schaubhut.  Vor  ihm  ritt  der  Kurfürst 
von  Sachsen  in  vollem  Harnisch,  das  entblösste  Schwert  in  der  Faust.  Neben  dem  König 
ritten    die    Erzbischöfe    von    Mainz,   Dietrich  I.   von  Erbach,   von   Köln  und  von  Trier, 


—  S9  - 

.Die  Vertreter  der  Stadt,  geistliche  und  weltliche  Herren  empfingen 
den  König  am  Thor  (Kölnthor)  ,,gar  schön  und  königlich**.  Sie  trugen  ihm 
die  Heiligtümer  entgegen  und  geleiteten  ihn  in  „unserer  Frauen  Kirche** 
vor  den  Altar  ^  Hier  kniete  er  nieder.  Da  wurde  herbeigebracht  das 
Haubt  des  Kaisers  Karl  und  in  der  ^  Kirche  brannten  überall  Lichter,  die 
von  den  Ratsfreuuden  getragen  wurden.  Es  ist  eine  schöne  Kirche  mit 
einem  herrlichen  Chor;  in  letzterem  befinden  sich  sechs  Säulen,  von  denen 
jede  einen  grossen  Engel  von  Messing  trägt.  Auch  ein  Pult  ist  in  dem 
Chor  von  vortreflUchem  Guss*.  In  der  nächsten  Nacht  entstand  durch 
die  Schuld  der  Diener  des  Herzogs  Ludwig  ein  Auflauf.  Man  musste 
sich  wundern,  dass  niemand  dabei  zu  Schaden  kam^  Sonntag  den  17.  Juni 
fand  der  Krönungsakt  vor  dem  Altar  der  Münsterkirche  statt.  Er  begann 
zwischen  sieben  und  acht  Uhr  vormittags.  Die  geistlichen  Kurfürsten 
begaben  sich  vor  den  weltlichen  in  die  Kirche.  Als  der  König  diese 
betrat,  gingen  ihm  die  Erzbischöfe  von  Mainz  und  Trier  und  hinter  diesen 
der  von  Köln  entgegen,  um  ihn  zu  empfangen.  Während  ein  Psalm  ge- 
sungen wurde,  lag  der  König  auf  dem  Antlitz  .vor  dem  Altar,  angethan 
mit  einem  schwarzen  Gewände.  Während  des  Hochamts,  das  der  Erz- 
bischof von  Köln  celebrierte,  legte  man  ihm  das  Kleid  des  Kaisers  Karl 


Jakob  I.  von  Sirk,  und  hinter  dem  König  viele  andere  Bischöfe  und  Herren,  „wol  mit 
tawsend  pfärden**.  —  Vgl.  die  Angaben  über  den  glanzvollen  Einzug  Karls  V.  bei  Robert 
Roealcr,  Die  Kaiserwahl  Karls  V.,  S.  229  f.  Roesler  verwechselt  die  Büste  Karls  des 
Grossen  mit  der  Biesenfigur.  (R.  Pick,  Aachener  Sitten  und  Bräuche  in  älterer  Zeit  in 
Rhein.  Oeschicbtsbl.,  2.  Jahrg.,  S.  309 :  Das  Umtragen  der  Riesonligur  Karls  des  Grossen.) 
*)  Diese  kirchlichen  Empfangsfeierlichkeiten  deutet  das  von  Hansen  herausgegebene 
Kölner  Ceremoniell  an  (ZAG  Bd.  IX,  S.  212).  Die  darauf  bezügliche  Stelle  lautet  in  der 
Übersetzung:  „Sobald  der  römische  König  die  Thore  der  Stadt  Aachen  erreicht  hat,  zieht  der 
Herzog  von  Sachsen  oder  der  Ritter,  welcher  das  Schwert  vorträgt,  dieses  aus  der  Scheide 
und  schreitet  vor  ihm  her  bis  an  den  Thüren  der  Kirche.  Dort  wird  der  König  vom 
Klerus  empfangen  und  in  das  Chor  geführt.  Beim  Eintritt  in  die  Kirche  stösst  der 
Träger  des  Schwertes  dieses  in  die  Scheide.  Aus  der  Kirche  begiebt  sich  der  König  in 
seine  Herberge.**  Als  Herberge  diente  den  Königen  bis  zum  Ende  des  13.  Jahrhunderts 
die  ihnen  gehörige  Pfalz.  Diese  verfiel  in  der  genannten  Zeit  und  wurde  unbenutzbar. 
Albrecht  I.  wohnte  bereits  in  der  Propstci;  dasselbe  dürfen  wir  wohl  auch  von  den 
meisten  nach  ihm  in  Aachen  gekrönten  Königen  annehmen;  von  Siegmund  und  Karl  V. 
steht  es  fest.  Die  Propstei  nahm  die  Stelle  der  heutigen  Kanonikatshäuser  auf  dem 
Klostcrplatz  (Jakobstrasse)  ein.  (Siehe  R.  Pick,  Aus  Aachens  Vergangenheit  S.  370.) 
In  dem  auf  der  Stätte  der  verfallenen  Pfalz  (aula)  etwa  in  den  Jahren  1334  bis  1350 
erbauten  Rathause  hatten  die  Könige  ein  Zimmer,  das  sie  vor  dpm  Festmahl  zum  Um- 
kleiden benutzten  (Pick  a.  a.  0.  S.  295). 

•)  Vgl.  Ouix,  Münsterkirche  S.  17  ff. 

')  Vgl.  Eberhard  Windeck,  Historia  imp.  Sigismundi  (bei  Mencken,  SS.  rcrum 
Germanicarum  Bd.  I,  Sp.  1285  f.)  Auf  seinem  Bericht  beruht  die  Darstellung  bei  Haagcn, 
Geschichte  Achcns  Bd.  II,  S.  48  ff.  Ferner  finden  wir  Angaben  über  den  Aufruhr  in 
dem  Bericht  des  Vertreters  der  Stadt  Frankfurt,  Walter  von  Scliwarzenberg,  über  die 
Anwesenheit  des  (zu  krönenden)  Königs  in  Aachen  und  über  dessen  Rückkehr  nach  Frank- 
furt.   (Vgl.  J.  Janssen  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  47.) 


—  90  — 

aD.  Nachdem  der  König  niedergesetzt  war^  trat  der  Erzbischof  von 
Mainz  auf  seine  rechte  Seite,  der  von  Trier  auf  seine  linke  Seite.  Die 
weltlichen  Herren  standen  hinter  einander  auf  der  linken  Seite.  Letztere 
trugen  alle  lange  Mäntel  von  rotem  Sammet  mit  hermelingef&tterten  Chor- 
kappen oder  Ougelein  *  und  auf  dem  Kopf  scharlachene  Hauben,  die  gleich- 
falls mit  Hermelin  gefüttert  waren.  Darauf  traten  neben  deö  König  der 
Herzog  Ludwig,  Pfalzgraf  bei  Rhein,  mit  dem  Reichsapfel,  der  Herzog 
von  Sachsen  mit  Kaiser  Karls  Schwert,  mit  dem  der  König  nach  der 
Messe  manchen  zum  Ritter  schlug,  und  der  Markgraf  von  Brandenbürg 
mit  dem  Szepter.  „Ss  was  alles  wolbestelt.^  Als  die  Epistel  zu  Ende  war^ 
da  hub  der  Erzbischof  von  Köln  an  zu  krönen.  Er  ttbergab  dem  König  das 
Reichsschwert.  Danach  sang  man  versus  und  versiculi,  und  die  Kurf&rsten 
schwuren  dem  König  den  Eid  der  Treue  und  dieser  denselben  Eid  dem 
heiligen  römischen  Reich.  Darauf  begannen  zwischen  der  Epistel  und 
dem  Evangelium  die  drei  Erzbischöfe  den  König  mit  dem  heiligen  Öl  za 
salben.  Das  dauerte  fast  anderthalb  Stunden.  Dann  setzte  iban  ihm  die 
Krone  auf  und  fiberreichte  ihm  den  Reichsapfel  und  das  Szepter  ^    Nach- 


*)  Auf  einen  im  Chor  des  Münsters  errichteten  Königssitz. 

')  Die  Kogel,  ein  im  Hochdeutschen  veraltetes,  aber  noch  in  einigen  oberdeutschen 
Gegenden  übliches  Wort,  das  eine  Art  Kopfputz,  besonders  des  weiblichen  Oeschlechts, 
bezeichnet;  er  hatte  eine  kugelförmige  Gestalt  und  wird  deshalb  von  altem  SchriftstcUem 
Gugel  oder  Kugel  genannt,  besonders  wenn  es  sich  um  die  Kappen,  wie  sie  z.  B.  die 
Mönche,  die  Bergleute  u.  a.  an  ihren  Kleidern  trugen,  handelte.  (Vgl.  Johann  Christoph 
Adelung,  Grammatisch-kritisches  Wörterbuch  der  hochdeutschen  Mundart    Lelpig  1 796.) 

')  Die  Schicksale  der  deutschen  Reichskleinodien  sind  wechselreich  und  teilweise 
noch  dunkel.  Nach  allgemeiner  Annahme  kann  man  unter  den  Karolingern  an  eigene 
vererbliche  Beichsinsignien  kaum  denken.  Erst  unter  den  Sachsenkaisem,  besonders  unter 
Otto  dem  Grossen,  tritt  eine  zuverlässige  Kunde  von  solchen  auf.  Bis  zu  den  Tagen 
der  Hohenstaufen  bewahrte  jeder  der  gekrönten  Besitzer  die  Insignien  an  eignem  Orte 
auf;  so  werden  genannt  unter  den  sächsischen  Kaisern:  Merla  oder  Tilleda  und  Kjffhausen; 
das  Beichsschlöss  zu  Nürnberg,  die  kaiserliche  Plalz  Hagenau  im  Elsass.  Unter  den 
Hohenstaufen  das  feste  Beichsschlöss  Trifels,  welches  die  Auszeichnung  bis  zum  Inter- 
regnum genoss.  Friedrich  U.  verlor  bei  dem  Überfall  zu  Vittoria  einen  Teil  der  Krönungs- 
insignien an  die  Bewohner  von  Parma ;  ein  anderer  Teil  ging  durch  Brand  wahrend  der 
Anwesenheit  Wilhelms  von  Holland  in  Aachen  zn  Gmnde.  Erstere  ersetzte  Friedrich  II. 
aus  Sicilien,  woher  die  sarazenischen  Ornamente  und  Inschriften  auf  den  deutschen 
Beichskleinodien  sich  erklären,  letztere  liess  Richard  von  Comwallis  für  seine  Krönung 
aus  England  kommen  (vgl.  AHVN  Bd.  XXXV,  S.  77  f.)  Rudolf  von  Habsburg  brachte 
sie  auf  sein  festes  Schloss  Kyburg  in  Sicherheit;  Albrecht  I.  liess  sie  dort.  Dann  hatten 
sie  vielerPei  Aufenthaltsorte:  unter  Ludwig  dem  Baiem  in  München,  unter  Karl  IV.  auf 
dem  Hradschin  zu  Prag,  unter  Wenzel  auf  Schloss  Karlstein  in  Böhmen,  unter  Siegmund 
gar  in  Ungarn.  Das  erregte  jedoch  den  Unwillen  der  deutschen  Fürsten  und  auf  ihr 
Andringen  wurden  sie  1424  von  zwei  Nürnberger  Ratsherren  nach  Nürnberg  gebracht. 
Hier  ruhten  sie  unangefochten,  obschon  oft  Gegenstand  des  Streites  zwischen  Nürnberg 
und  Aachen  (vgl.  AHVN  H.  XVIII,  S.  78  f.),  bis  zum  Jahre  1796,  wo  sie  von  den  Franzosen 
unter  Jourdan,  der  Befehl  hatte,  sich  ihrer  um  jeden  Preis  zu  bemächtigen,  so  eben 
gerettet  und  nach  Prag  geschafft  wurden.  Dann  ruhten  sie  lange  zu  Regensburg  und 
1818  fanden  sie  ein  Unterkommen   in  der  Hofburg  zu  Wien.    Im  Jahre   1848  verlangte 


—  91  — 

dem  dies  geschehen  und  der  König  gekrönt  war,  führten  sie  ihn  auf  den 
königlichen  Stuhl  des  Hochmiinsters,  der  mit  einem  golddurchwirkten 
Teppich  bedeckt  wai*.  So  lange  als  man  ein  Vaterunser  betet,  sass  der 
König  auf  dem  Stuhle.  Damit  war  seine  Krönung  vollbracht*  und  er 
stieg  unter  seiner  königlichen  Krone  gar  würdevoll  wieder  hinab  in  die 
Kirche.  Während  des  Evangeliums  trug  bei  dem  Opfergang  der  Pfalzgraf 
bei  Rhein,  Herzog  Ludwig,  vor  dem  König  den  Reichsapfel  und  der  Herzog 
von  Sachsen  Kaiser  Karls  Schwert;  der  Markgraf  von  Brandenburg  ging 
auch  mit.  Und  da  nun  der  König  in  seiner  Majestät  war  und  das  Szepter 
in  der  Hand  trug  und  die  Erzbischöfe  von  Mainz  und  Trier  auch  in  der 
Fülle  ihrer  Würden  sich  zeigten,    nahm  die  Krönungsfeierlichkeit  einen 


eine  Deputation  der  revolutionären  Aula  ihre  Herausgabe,  um  sie  der  Nationalversammlung 
zu  Frankfurt  zu  überbringen.  Dies  Verlangen  wurde  zurückgewiesen.  Jetzt  beruhen 
sie  in  der  k.  k.  Schatzkammer.  Die  Zahl  der  Insignien  wird  verschieden  angegeben. 
Mit  den  drei  (ein  mit  Gold  beschlagener  und  mit  Steinen  besetzter  Säbel  ohne  Gehänge, 
ein  kostbares  Kapsel  mit  den  Eeliqnien  des  hl.  Stephanus  und  ein  Evangelienbnch),  die 
sich  bis  zum  Jahre  1794  in  Aachen  befanden,  sind  es  ihrer  siebzehn  Stück.  Die  drei 
wurden  von  dem  Krönungsstift  im  Jahre  1794  zuerst  nach  Belgien,  dann  nach  Paderborn 
und  1798  nach  Wien  geschafft,  wo  sie  noch  heute  bertihen.  (Vgl.  L.  Stacke,  Deutsche 
Geschichte,  4.  x\ufl.,  nach  S.  812;  R.  Wilmanns,  Die  Schicksale  der  Reichskleinodien  und 
des  Kirchenschatzes  des  Aachener  Krönungsstiftes  w&hrend  der  französischen  Revolution 
in  Zeitschrift  für  preussischc  Geschichte  und  Landeskunde  Jahrg.  9  (1872),  S.  178  ff.; 
Hansen  in  ZAG  Bd.  XI,  S.  160  ff.)  —  Den  Krönungsinsignien  wohnte  zur  Zeit  des  mittel- 
alterlichen Kaisertumes  eine  tiefe  symbolische  Bedeutung  inne.  An  sie  war  die  königliche 
Machtfülle  und  Majestät  geknüpft.  Nur  dadurch,  dlass  dem  gekürten  Mann  das  Schwert 
um  den  Leib  gegürtet,  die  Krone  auf  das  Haupt  gesetzt,  Speer  und  Szepter  in  die  Hand 
gegeben  wurden,  ward  sein  deutsches  Königtum  geschaffen.  Ohne  die  Cercmonie,  zu  der 
vor  allem  auch  das  Besteigen  der  sedes  regia  gehörte,  war  er  nicht  König  und  vermochte 
nicht  eines  seiner  Königsrechte  auszuüben.  Als  Hüterin  dieser  Reichskleinodien  war 
Aachen  die  bevorzugteste  Stadt  im  Reich  und  wem  sie,  wie  Otto  IV.  und  Ruprecht  von 
der  Pfalz,  den  Zutritt  zu  ihnen  verwehrte,  der  war  nur  dem  Namen  nach  ein  deutscher 
König.  Es  verlor  an  Ansehen,  als  —  seit  1531  ~  sein  ehrwürdiger  königlicher  Stuhl 
verwaist  blieb  und  die  Krönungen  — -  seit  1562  —  in  Frankfurt  stattfanden. 

*)  Bezüglich  des  Krönungsrituals  vgl.  St.  Beisse l  S.  J.,  Der  Aachener  Krönungs- 
stuhl (ZAG  Bd.  IX,  S.  14  ff.).  Diese  vortreffliche  Abhandlung  enthält  vier  Teile:  I.  Der 
Thron  bei  der  Krönung  der  deutschen  Könige.  —  II.  Die  Stadt  Aachen  als  Königsstuhl.  — 
in.  Sinn  und  Wert  der  Erhebung  der  Könige  auf  den  Thron  von  Aachen.  —  IV.  Der 
heute  auf  dem  Hochmünster  befindliche  Marraorstuhl.  —  So  erschöpfend  diese  Abhandlung 
auch  ist,  so  lässt  sie  doch  die  Frage  offen,  ob  „die  beiden,  durch  Schönheit  und  Reliquien- 
inhalt ausgezeichneten  Säulen**,  die  in  Beziehung  zu  dem  Königsstuhl  standen,  „an  jene 
freistehenden  Erzsäulcn  erinnern  sollten,  welche  Salomon  am  Thore  seines  Tempels  auf- 
stellte**, oder  „ob  sie  Bogen  und  Gebälk  trugen,  wodurch  die  Empore  über  der  Vorhalle 
abgeschlossen  wurde**  (a.  a.  0.  S.  41).  Die  von  Herrn  Privatdozent  Buchkremer  in 
einer  Sitzung  des  Aachener  Geschichtsvereins  (12.  April  1899)  ausgesprochene  Ansicht, 
dass  die  beiden  Säulen  die  vor  dem  Königsstnhl  stehenden  zwei  Säulen  des  Oktogons 
gewesen  seien,  scheint  uns  aus  den  Nachrichten  der  Geschichtsschreiber  nicht  gefolgert 
werden  zu  können.  Widukinds  von  ('orvey  Angabe  (Mon.  Germ.  SS.  III,  p.  438) 
über  den  Königsstuhl  in  seinen  „Sächsischen  Geschichten**  aus  Anlass  der  Krönung  Ottos  I. 
im  Jahre  936  lautet  in  der  Übersetzung:  „Da  nun  die  Weihe,  wie  sich  gebührt,  voll- 
ständig vollendet  war,  ward  er  (Otto)  von  eben  denselben  Bischöfen  zum  Thron  geführt. 


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köuiglichen  Verlauf  uud  das  Hochamt  wurde  vollbracht.  Darauf  schlug 
der  Köuig  mancheo  zum  ßitter^  Sodann  begab  er  sich  in  seiner 
königlichen  Majestät  mit  den  Kürfürsten  zum  Rathaus  ^  Hier  wurde  er 
zu  Tisch  geführt;  desgleichen  jeder  Kurfürst.  Viele  Bischöfe  und  Prälaten, 


zu  welchem  man  auf  einer  Wendeltreppe  hinanstlcg.  £r  (der  Thron)  war  zwischen 
zwei  marmornen  Säulen  von  herrlicher  Schönheit  errichtet,  von  wo  aus  der  König  alle 
sehen  und  wo  er  selbst  von  allen  gesehen  werden  konnte."  Petrus  a  Beeck  (Aquis- 
granum  S.  159)  sagt  aus  Anlass  der  Krönung  Karls  V.  im  Jahre  1520:  «Der  König 
steigt  auf  einigen  Marmorstufen  empor  und  wird  von  den  Kurfürsten  auf  einen  weiten 
Stuhl  von  demselben  Marmor  gesetzt,  der  vor  dem  Altar  der  heiligen  Apostel  Simon  und 
Juda  zwischen  zwei  Säulen  auf  erhöhtem  Platze  stand,  wo  er  von  allen  gesehen  werden 
und  er  selbst  alle  sehen  konnte.*  Aus  der  Urkunde,  durch  die  der  Aachener  Propst  Wilhelm 
von  Drachenfels  im  Jahre  1207  in  der  Marienkirche  ein  stets  brennendes  Wachslicht  zu 
Ehren  der  Apostel  Simon  und  Juda  stiftet,  scheint  hervorzugehen,  dass  die  Säulen  vor 
dem  Königsstuhl  standen,  dass  es  also  vielleicht  zwei  Säulen  des  Oktogons  gewesen  sein 
können  (Lacomblet,  Urkundenbuch  Bd.  U,  S.  12).  Aber  die  Präposition  „ante*  bedarf 
in  dieser  Urkunde  bezüglich  ihrer  Bedeutung  genauer  Prüfung.  Im  mittelalterlichen  und 
auch  im  klassischen  Latein  heisst  „ante*  nicht  unbedingt  »vor*,  sondern  beispielsweise 
auch  „nach  vorn*,  während  bei  der  Präposition  „inter*  eine  andere  Bedeutung  aU 
„zwischen*  ausgeschlossen  ist.  D^c  beiden  Säulen  standen  nach  unserer  Meinung  frei  zu 
beiden  Seiten  des  Königsstuhls.  Im  Anschluss  daran  möchten  wir  auch  zur  Erörterung 
einer  anderen  zum  Königsstuhl  in  Beziehung  stehenden  Frage  etwas  beitragen.  Sic  betrifft 
den  Platz  des  Simon-  und  Judaaltars.  Dieser  wurde  im  Jahre  1225  von  dem  Kardinal- 
Legaten  Konrad  geweiht  „in  honore  ss.  apostolorum  Symonis  et  Jude  ac  b.  Karuli  rcgis* 
(Lacomblet  a.  a.  0.  Bd.  II,  S.  12,  Anm.  4).  Eine  Ansicht  geht  dahin,  dass  der  Altar 
vor  dem  Köuigsstuhl  hinter  dem  Gitter  des  Uochmünsters  auf  der  70  cm  breiten  Aus- 
kragung gestanden  habe.  Dieser  Platz  scheint  uns  für  einen  Altar  etwas  schmal  und 
auch  ungewöhnlich  zu  sein.  Ausserdom  war  das  Messelesen  an  ihm  erschwert,  da  dem 
Priester  nur  das  Thürchcn  des  Gitters,  das  nach  dessen  Öffnung  den  Altar  rechts  und 
links  zum  Teil  deckte,  Zutritt  zum  Altäre  Hess.  Wir  glauben,  dass  dieser  vor  dem  Gitter 
gestonden  hat.  In  den  Aufzeichnungen  des  Syndicus  Fell  zu  einer  Ausgabe  des  Noppius 
von  1632  heisst  es:  „Der  Simonis-  und  Judaaltar  stunde  vor  den  Konigenstuhl  über  das 
Gegittcr."  Diese  Stelle  ist  etwas  unklar.  Ihr  Verständnis  erleichtert  der  Satz  bei  Quix, 
Historische  Beschreibung  der  Münsterkirche  S.  35:  „Dieser  Altar  war  unter  der  ehe- 
maligen Orgel  vor  dem  sogenannten  Königs-Stuhl.*  Die  Orgel  konnte  sich  aber  in  keinem 
Falle  über  das  Gitter  hinaus  erstrecken. 

')  Nach  Erteilung  des  llitterschlages  „nahten  sich  zwei  Vertreter  des  Aachener 
Kapitels  und  zeigten  dem  Gekrönten  an,  jeder  deutsche  König  pflege  gleich  nach  seiner 
Weihe  zu  ihrem  Mitkanonikus  aufgenommen  zu  werden  und  einen  althergebrachten  Eid 
zu  leisten;  auch  er  möge  sich  dem  uralten  Gebrauch  fügen,  den  Eid  leisten,  dadurch  die 
Kirche  zu  Aachen  in  seinen  Schutz  nehmen  und  sie  bei  ihren  Gerechtsamen  erhalten* 
(St.  ßeissel  a.  a.  0.  S.  22).  Die  Sitte,  dass  der  König  ein  Kanonikat  in  Aachen  annahm, 
„dürfte  —  nach  Bcisscl  —  wohl  in  der  Gewohnheit  Karls  des  Grossen,  mit  der  Geist- 
lichkeit seiner  Pfalzkapelle  das  Chorgebet  zu  verrichten,  seinen  Ursprung  finden.*  Wie 
alt  sie  ist,  lässt  sich  niciit  feststellen.  Doch  „bestand  die  Stelle  der  beiden  Vikare,  welche 
die  Obliegenheiten  des  Königs  beim  Chordienst  versahen  und  die  Einkünfte  seiner  Präbcnde 
bezogen,  lange  vor  1318*  (a.  a.  0.  S.  23). 

*)  Nach  R.  Pick,  Aus  Aachens  Vergangenheit  S.  295,  begaben  sich  die  Könige  und 
ihr  Gefolge  auf  der  inneren  Stiege  des  Rathauses,  die  übrigen  Festteilnchraer  aber  auf 
der  Treppe  des  Marktturmes,  wenigstens  zeitweise,  zu  den  Festlichkeiten  auf  den 
Kaisersaal. 


—  93  — 

Herzöge  und  Grafen,  Freiherren,  Ritter  und  Knechte  nahmen  an  dem 
Mahle  teil,  auch  viele  Gäste  aus  England  und  Burgund,  aus  Savoyen, 
Frankreich  und  andern  Königreichen.  Und  sie  assen  alle  königliche  Speise. 
Die  Herolde  trugen  diese  auf  ^  Trompeter,  Pfeifer  und  sonstige  Spielleute 
in  grosser  Zahl  Hessen  während  des  Mahles  ihre  Weisen  erklingen.  Nach 
Beendigung  desselben  wollten  die  Diener  des  Erzbischofs  von  Köln  die 
golddurchwirkten  Tücher,  mit  denen  die  Tische  gedeckt  waren,  die  Becher 
und  andere  kostbare  Tafelgeräte  an  sich  nehmen.  Man  verwehrte  es 
ihnen  aber. 

Das  Rathaus  nennt  den  Berichterstatter  „allerhubsch**,  wie  er  seines 
gleichen  weder  aus  eigener  Anschauung  noch  von  Hörensagen  kannte.  Es 
ist  von  Steinwerk  erbaut  und  vor  ihm  steht  einer  schöner  Brunnen,  gleich- 
falls von  Steinwerk.  Am  Krönungstage  Hess  der  König  einen  ganzen  Ochsen 
für  die  Volksmenge  braten,  dessen  Hörner  und  Klauen  vergoldet  waren. 
In  dem  Ochsen  befanden  sich  ein  Kalb,  ein  Schwein  und  eine  Henne.  Aus 
einem  Hause  lief  durch  ein  Rohr  vom  Frühmahl  bis  nach  der  Vesper 
Wein.  Auch  für  Brotvorrat  war  gesorgt,  so  dass  arm  und  reich  gespeist 
werden  konnte.  Da  frohlockte  jedermann,  ob  edel  oder  unedel,  und  die 
ganze  Gemeinde,  dass  Gott  ihnen  einen  königlichen  Herrn  gegeben  habe. 
Auch  hat  der  König  in  Aachen  ein  Haus  und  eine  Chorherrenpfründe  für 
seinen  dortigen  Aufenthalt. 

Montag  den  18.  und  Dienstag,  den  19.  Juni  verlieh  der  König  in 
Gegenwart  der  Kurfürsten,  dem  Pfalzgrafen  bei  Rhein,  dem  Herzog  von 
Sachsen,  dem  Markgrafen  von  Brandenburg  und  dem  Herzog  von  Berg 
unter  grossen  FeierHchkeiten  ihre  Lehen.  Der  Pfalzgraf  empfing  seine 
Lehen  mit  drei  Bannern,  der  Herzog  von  Sachsen  mit  dreizehn,  der  Mark- 
graf von  Brandenburg  und  der  Herzog  von  Berg  mit  vier  *.  Am  Mittwoch 
wurden  dem  König  die  Heiligtümer  vorgezeigt. 


«)  über  die  Tischordnong  vgl.  ZAG  Bd.  IX,  S.  212  und  Joh.  Hub.  Kessel,  Das 
Bathaus  zu  Aachen  S.  78  ff.;  bezüglich  des  Auftragens  der  Speisen  vgl.  B.  Pick  a.  a.  0. 
S.  295  und  298  f. 

')  Dem  heidnischen  Germanenheer  deuteten  heilige,  fahnenartig  an  Speerstangen 
befestigte  Zeichen  die  persönliche  Anwesenheit  des  Kriegsgottes  Ziu.  des  Mars  Thingsus, 
an.  Auf  diese  symbolische  Bedeutung  der  Fahnen  bezog  sich  die  Bezeichnung  als  bandva 
(Signum),  woraus  durch  Vermittelung  der  romanischen  Sprachen  unser  Banner  abgeleitet 
ist  Im  spät-mittelalterlichen  Beichsheer  zerfiel  das  Heer  in  die  einzelnen  Kontingente, 
deren  Herren  als  Bannerherren  ein  eigenes  von  dem  Beichsbanner  verschiedenes  Banner 
fährten.  Bei  den  Belehnungen  weltlicher  Fürsten  war  das  Banner,  die  an  der  Speerstange 
befestigte  Fahne,  das  Investitursymbol,  das  Wahrzeichen  des  königlichen  Hoheitsrechtes, 
des  übertragen  wurde.  Die  weltlichen  Fürstenttimer  wurden  zu  „Fahnenlehen**.  (B.  Schröder, 
Lehrbuch  der  deutschen  Bechtsgeschichte  SS.  31,  887,  499).  Die  Erteilung  der  „Fahnen- 
lehen**  bot  eine  Veranlassung  der  öffentlichen  Darstellung  königlicher  Majestät  und  war 
bei  jeder  Krönung  das  grösste  Fest.  Wir  schildern  sie  hier  mit  den  Worten  Gustav 
Frey  tags,  die  bei  ihrer  mustergültigen  Anschaulichkeit  eine  Umschreibung  nicht  ver- 
tragen. »Auf  dem  Platz  der  Beichsstadt  (in  Aachen  auf  dem  heutigen  Markt)  wurde 
ein  Gerüst  errichtet,  mit  breiten  Stufen,   es   mnsste  unter  freiem  Himmel   sein  und  es 


—  94  — 

Am  21.  Juni  *  verliess  der  König  nach  fttnftägigem  Aufenthalt  Aachen 
und  ritt  gen  Jülich,  wo  er  als  Gast  -des  Herzogs  von  Berg  tibernachtete. 
Am  folgenden  Tage  traf  er  in  der  Freistadt  Köln  ein.  Auch  hier  empfing 
man  ihn  mit  den  Heiligtümern.  In  einer  Herberge  thaten  zwei  der  weisesten 


musste  umritten  werden  können.  Darauf  der  Kaiserstnhl  und  die  Sitze  der  Kurftürsten, 
alles  mit  schönen  Teppichen  und  golddurchwirktem  Stoff  bedeckt,  in  der  Nfthe  waren 
Ankleidczimmer  für  den  Kaiser  und  die  Kurfürsten.  Zur  bestimmten  Stunde  kam  der 
Kaiser  mit  den  Kurfürsten  und  grossem  Gefolge  angeritten,  stieg  bei  seinem  Ankleide- 
zimmer ab  (hier  vor  dem  Rathaus)  und  legte  den  schweren  goldenen  Kaisermantel  und 
die  Krone  an.  Dann  schritt  er  im  Kaiserschmuck  und  der  Krone  mit  grossem  Zuge  auf 
das  Gerüst  und  setzte  sich  auf  den  Kaiserstuhl,  weit  sichtbar,  sehr  stattlich;  zur  rechten 
und  zur  linken  Hand  sassen  die  Kurfürsten,  welche  die  Reichskleinodien  im  Zuge  getragen 
hatten:  Mainz  das  EvangeUenbuch  zum  Schwur,  Sachsen  das  Schwert,  Brandenburg  das 
Szepter,  Rheinpfalz  den  Reichsapfel.  Darauf  ritt,  bis  dahin  unsichtbar,  der  Rennhaufe 
des  fürstlichen  Vasallen  heran,  der  das  Lehn  erhalten  sollte.  Es  waren  seine  YasaUen 
und  Reisigen,  in  seine  Farben  gekleidet,  die  Edelleutc  darunter  in  Sammt  mit  Federn, 
alle  kleine  Fähnlein  in  den  Händen  oder  auf  den  H&uptem  der  Rosse;  in  der  Mitte  aber 
führte  der  Haufe  die  rote  Rennfahne,  die  auch  Reichsfahne  oder  Blutfahne  genannt 
wurde.  In  gestrecktem  Rosslauf  umrannte  die  Schar  das  Gerüst  mit  dem  Kaisersitz  — 
die  schnelle  Gangart  dabei  war  uralter  Brauch  der  Deutschen,  die  auch  beim  Toumier 
so  gegeneinander  ritten,  die  Romanen  nur  im  Trabe.  —  Nachdem  der  Kaiserstuhl  zum 
ersten  Mal  „berannt''  war,  ritten  die  Boten  des  Vasallen  heran,  Reichsfürsten  von  seiner 
Freundschaft,  sie  stiegen  vor  dem  Gerüst  ab,  knieten  auf  den  Stufen  nieder,  und  knieend 
bat  der  Sprecher  unter  ihnen  den  Kaiser  um  die  Erteilung  der  Lehne.  Darauf  stand 
Mainz  auf,  besprach  sich  mit  dem  Kaiser,  dem  laut  zu  reden  gar  nicht  zugemutet  wurde, 
und  antwortete,  dass  der  Kaiser  bereit  sei.  Hatten  die  Boten  wieder  ihre  Rosse  bestiegen, 
so  kam  nach  dem  zweiten  und  dritten  Rennen  der  Blutfahne  der  Reichsfürst  selbst  unter 
Trompeten-  und  Paukenschall  mit  seinem  Gefolge  und  einem  Reiterbaufen  in  allem  Glanz, 
den  er  aufzubringen  vermochte,  angeritten,  Tor  ihm  alle  Fahnen  seiner  Lehen,  deren  Bilder 
in  den  Wappenfeldem  unserer  alten  Familien  erhalten  sind.  Auch  er  ritt  im  Galopp  an 
das  Gerüst,  stieg  ab  und  kniete  nieder.  Dann  legte  Mainz  das  Evangelienbuch  in  den 
Schoss  des  Kaisers,  der  Kaiser  fasste  mit  beiden  Händen  die  oberen  Ecken,  der  Lehns- 
fürst legte  die  Hand  auf  das  Buch  und  schwor  den  Vasalleneid.  Darauf  ergriff  der 
Kaiser  das  Schwert  am  Kreuzgriff  und  bot  den  Knopf  dem  Vasallen,  dieser  fasste  daran 
und  küsste  den  Knopf,  war  er  aber  ein  geistlicher  Fürst,  so  wurde  ihm  die  Spitze  des 
Szepters  geboten.  Darauf  wurden  die  Fahnen  gebracht,  zuerst  die  Blutfahne,  dann  die 
Lehensfahnen,  der  Kaiser  fasste  mit  der  Hand  an  jede,  und  darunter  ebenso  der  VasalL 
Waren  die  Fahnen  angefasst,  so  wurden  sie  von  dem  kaiserlichen  Herold  Germania  unter 
das  schauende  Volk  geworfen,  die  Leute  rissen  sich  darum  und  trugen  die  Fetzen  als 
Beute  heim.  Der  Belehnte  trat  unter  die  Fürsten  auf  dem  Gerüst,  War  allen  Werbern 
ihr  Lehen  erteilt,  dann  kehrte  der  Kaiser  im  Zuge  zu  seinem  Ankleidezimmer  zurück, 
legte  die  Bürde  des  Kaiserschmucks  ab,  verabschiedete  freundlich  die  Fürsten  und  ritt 
nach  seiner  Herberge.  (Gustav  Freytag,  Gesammelte  Werke  Bd.  XV,  S.  526.  —  Über 
einen  charakteristischen  Vorgang  bei  der  Belehnung  im  Jahfe  1414  nach  der  Krönung 
König  Siegmunds  vergl.  R.  Pick  a.  a.  0.  S.  868). 

*)  Die  Kanzlei  Friedrichs  entwickelte  in  Aachen  eine  eifrige  Thätigkeit.  Am  17.  Juni 
Hess  der  König  Frankfurt  seine  erfolgte  Krönung  melden  (Anhang  Nr.  VF).  Vom  16. 
bis  21.  Juni  urkundet  er  in  Aachen,  Er  bestellte  n.  a.  am  16.  Juni  den  Erzbischof  von 
Köln,  den  Bischof  von  Lüttich,  den  Herzog  von  Jülich,  die  Edlen  von  Hoynsperg  und  die 
Stadt  Aachen  zu  Defensoreu  des  Kapitels  der  L.  Frauenkirche  zu  Aachen  gegen  die  Ver- 
letzer der  Anordnungen  König  Friedrichs  IL   und   König  Karls   IV.   zur  Sicherung  der 


—  95  — 

und  besten  Männer  Dienst  und  wachten  Aber  sein  leibliches  Wohlergehen. 
Sein  Zimmer  hatte  man  mit  schönen  Tüchern  umhangen  und  umzogen.  Die 
Herren  vom  Rat  kamen  mit  guten  Fischen  und  manchem  Wagen  mit  Wein, 
rotem  und  weissem,  und  Hessen  die  fettsten  Ochsen  antreiben,  damit  es 
nicht  an  saftigen  Braten  fehle.  Täglich  fanden  sich  zu  dem  Frflhmahl  in 
der  Herberge  mehr  denn  fünfzig  Mann  ein  in  stattlichen  Gewändern;  auch 
sie  brachtqi  Wein  und  Silber  und  Gold.  Die  Schenkung  war  köstlich. 
Am  Samstag  Morgen  wurden  dem  König  die  heiligen  drei  Könige  gezeigt  ^ 
In  der  Nacht'  zum  Sonntag  begab  er  sich  nach  dem  Frauenkloster  St. 
Ursula.  Darin  liegt  der  Leib  der  heiligen  Ursula  und  ihre  Gesellschaft'. 
Dem  König  wurden  die  Heiligtümer  des  Klosters  vorgezeigt.  Sonntag 
den  24.  Juni  belehnte  der  König  den  Erzbischof  von  Köln^,  den  Bischof 
von  Lüttick  und  den  Herzog  von  Mecklenburg.  Am  27.  Juni  fand  ein 
Turnier  statt,  von  dem  die  Frauen  Kölns,  deren  Schönheit  der  steirische 
Ritter  rühmt^  sagten,  dass  sie  ein  mannhafteres  Stechen  nie  gesehen  hätten. 
Donnerstag  den  28.  Juni^  stieg  der  König  mit  seinen  Begleitern,   unter 

geistUchcn  Freiheit.  Die  dabei  ausgesprochene  Pön  gegen  die  Verletzer  ist  100  Mark 
Oold.  Am  17«,  Juni  bestätigt  er  die  Privilegien  der  Stadt  Düren  und  die  des  Kapitels 
der  L.  Frauenkirche  zu  Aachen.  (Insbesondere  zwei  Briefe  K.  Karls  IV.:  1.  Dat.  Aqui^- 
grani  1849.  Ind.  II.  YIII.  kal.  Augnsti;  2.  Dat.  Aquisgran!  1859.  Ind.  XII.  m.  Nonas 
April.)  Und  bestellt  zu  Defensoren  derselben  den  Erzbischof  von  KOln,  den  Bischof  yon 
Lttttich,  die  Herzöge  Ton  JtlUch  und  Brabant.  Pön  100  Mark  Gold.  Femer  bezeugt  er  durch 
Urkunde  vom  17.  Juni,  dass  er  zum  Kanonikus  der  L.  Frauenkirche  aufgenommen  worden 
sei.  Am  18.  Juni  verordnet  er,  dass  künftig  niemand  zum  Kanonikus  der  L.  Frauenkirche 
zu  Aachen  aufgenommen  werde,  der  nicht  ehelicher  Geburt,  adelichen  oder  ritterlichen 
Standes  (von  beiden  Eltern)  wäre,  oder  dazu  erhoben.  Pön  100  Mark  Gold.  Am  20.  Juni 
bekennt  der  König,  dass  der  Stadtrath  zu  Aachen,  dem  aus  derselben  Stadt  wegen  eines 
„yngeuerllehen*^  Totschlags  verwiesenen  Colyn  Beyssel  wieder  sicher  in  die  Stadt  zu 
kommen  erlaubt  habe.  Am  21.  Juni  erteilt  er  der  Stadt  Aachen  einen  Privilegienbrief. 
(Chmel,  Regesta  Friderici  m,  S.  72  ff.) 

')  Von  Erzbischof  Reinald  von  Dassel  am  28.  Juli  1164  nach  Köln  gebracht. 

*)  Was  inbetreff  der  Beleuchtung  und  Strassenabsperrung  während  des  Aufenthalts 
Friedrichs  m.  im  Jahre  1473  in  Köln  angeordnet  wurde,  können  wir  auch  für  das  Jahr 
1442  annehmen:  „Iten^  in  der  Stadt  sehen  wir  geordnet,  dass  alle  nacht  an  den  husem 
Inchten  mit  liecht«n  ußgehenket  und  alle  keden  an  den  gassen  zugetan  sin.^  (AHYN 
H.  6,  S.  228.)  In  Aachen  Uess  der  Rat  während  der  Krönung  Wenzels  von  Luxemburg 
(1876)  von  Knechten  Laternen  tragen,  etwa  um  den  fürstlichen  Personen  den  Weg  von 
der  Trinkstube  oder  einem  sonstigen  Versammlungsorte  zu  ihren  Absteigequartieren  finden 
zu  helfen.  Die  Absperrung  der  Strassen  durch  Ketten  war  auch  in  Aachen  üblich.  (Vgl. 
Loersch,  Aachener  Chronik  in  AHVN  Bd.  XVH,  S.  7  ff.)  Ein  Bing  an  der  Fassade  des 
Stadtarchivs  erinnert  noch  an  diese  Schutzmassregel.  Diejenigen  Bewohner  einer  Strasse, 
die  den  Dienst  an  den  Ketten  versahen,  waren  von  manchen  Verpflichtungen,  z.  B.  dem 
Wachtdienst,  befi'eit. 

•)  A.  G.  Stein,  Die  heilige  Ursula  und  ihre  Gesellschaft.  (AHVN  Bd.  XXVI,  S.  116  ff.) 

^)  Der  Erzbisehof  ftüirte  drei  Banner,  als  Kurfürst  von  Köln,  Herzog  von  West- 
falen und  Administrator  von  Paderborn. 

•)  Am  21.  Juni  berichtet  Walter  von  Schwarzenberg,  der  Vertreter  Frankfurts 
während  der  ganzen  Reise  des  Königs  von  Frankfurt  nach  Aachen  und  zurück,  seinen 
Auftraggebern  über  die  Rückkehr  des  Königs  nach  Frankfurt.  Er  deutet  in  seinem 
Schreiben  Vorgänge  In  Aachen  an,  über  die  keine  l^elle  Aufschluss  giebt.  (Anhang  Nr.  VII.) 


—  96  — 

denen  diesmal  auch  „Doctores"  genannt  werden,  zu  SchiflF  und  fuhr  nach 
Bonn.  Hier  überreichte  ihm  und  seinem  Gefolge  der  Kölner  Erzbischof 
eine  bedeutende  Schenkung  und  sorgte  aufs  beste  flir  seiner  Gäste  Wohl- 
befinden. In  Bonn  übernachtete  man.  Ebenso  in  Andernach,  in  Boppard 
und'  in  Bingen.  Am  2.  Juli  erreichte  der  König  Mainz  und  verweilte 
zwei  Tage  in  *der  Stadt.  Von  dort  aus  besuchte  er  Wiesbaden,  wo  er 
von  dem  Herzog  Johann  von  Nassau  feierlich  empfangen  wurde.  Am 
7.  Juli  traf  o^'ln  Frankfurt  ein,  wo  sich  abermals  viele  Fürsten  und 
Herren  zur  Abhaltung  eines  Reichstages  um  ihn  versammelten.  Sonntag 
den  15.  Juli  verlieh  der  König  den  Erzbischöfen  von  Mainz  und  Trier 
ihre  Lehen;  drei  Tage  darauf  dem  Markgrafen  Jakob  von  Niederbaden 
und  dem  Grafen  Wilhelm  von  Henneberg.  Diesem  Akt  wohnten  die  Ver- 
treter von  dreiundfünfzig  Haupstädten  bei^  Wieder  fanden  ritterliche 
Spiele  statt.  Es  ging  dabei  scharf  zu,  denn  man  ritt  ohne  Panzer  gegen 
einander;   den  einzigen  Schutz  boten  Helm  und  Schild. 

Erst  am  18.  August  verliess  der  König  Fmnkfurt,  um  gen  Mainz 
zu  fahren.  Als  er  unterwegs  auf  dem  Schiff  speiste,  lÄ^artete  ihm  der 
Erzbischof  von  Köln  dabei  auf.  In  Mainz  übernachtete  man,  und  dann 
gings  wieder  im  Sattel  über  Oppenheim  nach  der  Reichsstadt  Worms,  wo, 
wie  der  steirische.  Ritter  bemerkt,  des  „hurnein  Seyfrid"  Grab  ist.  Auch 
an  die  Sage  vom  Rosengarten,  in  dem  so  mancher  Recke  geblutet,  er- 
innert er.  Am  21.  August  traf  der  König  in  der  Reichsstadt  Speier  ein. 
Auch  hier  wurde  er  mit  den  Heiligtümern  empfangen  und  unter  einem 
Baldachin  in  die  St.  Peterskirche  geleitet,  wo  die  Priester  ihn  „nach  ihrer 
Gerechtigkeit**  mit  Gewalt  emporhoben  und  auf  einen  Thron  setzten.  Der 
Verfasser  des  Itinerars  gedenkt  des  ersten  deutschen  Königs  aus  dem 
habsburgischen  Geschlecht,  Rudolf  von  Habsburg,  der  zwischen  dem  Altar 
und  dem  Chor  des  Doms  zu  Speier  ruht,  und  seines  Sohnes  Albrecht,  der 
dem  Mordstahl  Johann  Paricidas  zum  Opfer  fiel  und  gleichfalls  hier  be- 
graben liegt.  Den  Altar  des  Domes  sclimückt  ein  Bild  Unserer  Lieben 
Frau,  an  welches  sich  die  Legende  knüpft,  dass  es  zu  «dem  hl.  Bernhard 
von  Clairvaux  gesprochen,  als  er  als  Pilger  von  Aachen*  nach  Speier 
gekommen  und  vor  ihm  kniete. 

Von  Speier  begab  sich  der  König  nach  dem  Elsass.  Er  ritt  über 
Weissenburg  und  Hagenau  nach  Strassburg,  wo  er  am  24.  August  ein- 
traf. Der  Empfang  war  ausserordentlich  feierlich;  der  erste  Weg  führte 
die  glänzende  Schar  zum  Dom.  Mit  Worten  naiver,  aber  um  so  eindrucks- 
vollerer Bewunderung  preist  der  steirische  Ritter,  der  doch  auf  seiner 
Fahrt  die  herrlichsten  Gotteshäuser  in  deutschen  Gauen  gesehen,  das  Werk 
des  Meisters  Erwin  von  Steinbach,  in  dem  die  deutsche  und  französische 
Gothik  zu  einer  ebenso  harmonischen  wie  gebietenden  Wirkung  sich  ver-' 


^)  Auch  Aachen  war  dabei  durch  Deputierte  vertreten.    (Vgl.  Anhang  Nr.  VIII.) 
*)  Bernhard  von  Clairvaux  predigte  im  Jahre  1147  den  Kreuzzug  in  Aachen. 


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eiDigen  und  dessen  Verständnis  drei  Jahrhunderte  später  ein  Ritter  vom 
Geiste  dem  deutschen  Volke  erschliessen  und  vermitteln  sollte,  um  auch 
seinerseits  den  hochragenden,  eindrucksmächtigen  Monumenten  mittelalter- 
licher Glaubensinnigkeit  und  der  Blüte  ihrer  Schaffensfreudigkeit  den  Tribut 
der  Bewunderung  und  Verehrung  zu  entrichten. 


Anhang. 
Nr.  I^ 

1442,  Mai,  Verzeichnis  der  bei  der  Anweaenheit  König  FriedHchs  in  Frankfurt 
vor  seiner  Heise  nach  Aachen  zur  Krönung  zugegen  gewesenen  Fürsten,  Bischöfe,  Botschafter, 
Grafen,  Herren  und  Stadt ehoten.  Dazu  Verzeichnis  der  Städteboten,  die  zum  Könige,  den 
Fürsten  und  Herren  wegen  des  Papstes  und  des  Baseler  Konzils  abgeordnet  wurden,  sowie 
ein  solches  von  den  Städteboten,  die  bei  der  Rückkunft  des  Königs  ton  Aachen  in  Frankfurt 
versammelt  waren,    J,  R,  II,  42. 

Die  nachgeschreben  forsten,  bischoffe,  botscbefte,  graven,  herrcn  and  stede  sin  zu 
Franckfordt  gewest  zu  der  zyt  als  unser  herre  konig  Fredericb  da  was  und  geen  Aiche  zu 
siner  kronunge  zoch. 

Zum  ersten  unser  aUergnedigister  herre  der  konig  mit  etwie  fast  bischoffen, 
forsten  und  herren  einsteils  hernach  benant,  wale  off  M  pcrde,  die  man  nit  aUe 
nemlicli  weiß. 

Item  unsers  heiligen  vatters  babst  Kugcnij'  treffentlichc  botscbaft. 

It  babst  Felicis'  treffentliche  botscbaft. 

It.  cardinalis  Aralatensis^ 

It.  cardinalis  sancti  Calixti. 

It.  cardinalis  Bamorbitanus  ^  und  ander  me  des  concilij  botscbefte. 

It.  der  biscboff  von  Mentze^ 

„     „         „       von  Colne'. 

„     „         »von  Triere». 

y,    zwene  hertzogen  von  Sachsen*. 

„    hertzog  Ludewig  paltzgrave  by  Rine^^ 

„    der  margrave  von  Baden  ". 

y,    der  biscboff  von  Wirtzpurg". 

n      n         y,         r,     Rcgenspurg » 

«)  Nr.  Nr.  I-VII  im  Frankfurter  StadtArohiv. 

«)  Papst  Eugen  IV.  (U81-U47). 

*)  Das  Baseler  Konzil  sprach  im  Sommer  des  Jahres  1489  die  Absetzung  Eugens  IV.  ai^s,  drohte 
allen  Geistlichen,  die  zu  ihm  als  ihrem  fechtmtissigen  Oberhaupte  hielten,  mit  Exkommunikation  und 
Suspension  und  wählte  am  5.  November  1489  den  Herzog  Amaileus  VIII.  von  Savoyen  zum  Papst,  der 
den  Namen  Felix  V.  annahm. 

*)  Arles,  das  Arelatnm  der  Bömor. 

*)  Panormitanus  (Panormus  —  Palermo). 

•)  Theoderioh  von  Erbaoh  (1484—1459). 
.      »)  Dietrich  von  Moers  (1414—1468). 

•)  Jakob  von  Sirk  (1489—1456).  Vgl.  Lager,  Jacob  von  Sirk,  Erzbischof  und  Kurfürst  von 
Trier.    (Trierisches  Arohiv  H.  H,  S.  1— 4a) 

•)  Friedrich  II.  und  sein  Bruder  Wilhelm. 

**)  In  einem  dem  Verzeichnis  angehefteten  Entwurf  steht  hinter  dem  Pfalzgrafen:    Item  ist 
man  noch  wartende  margrave  Friederich  von  Brandenburg.    (Friedrich  IT.  [der  Eiserne]  1410—1470.) 

»•)  Jakob  I.  (1481-1458). 

»>)  Sigmund  von  Sachsen  (1440-1448,  amot.,  f  1457). 

»•)  Friedridi  U.  von  Parsberg  (1487—1450). 


—  98  — 

It.  der  biscLüff  von  Augspurg '. 
y,     „  luargrave  „     Rotelu'. 
„     „    bischoff    „     Kemsehe". 
»     n         »         «     Gorkeym*. 

„  eyn  bischoff. 

„      „    mechtiger  prelate  aß  Engelant. 
y,      y,    mechtjger  apt. 

y,      y,    mechtige  treffenliche  botschaft  des  jungen  hertzogen  Ton  Saphac  ^ 

„  der  apt  von  Fulda  •. 
y,     y,      y,      r>    SeHgcnstat ». 

y,     y,    der  hoemeister  datschordens  in  dntschen  and  welschen  landen^. 

y,  fast  me  gebjcdere  wale  uff  XI. 

„  der  domprobst  zu  Wirtzburg,  des  bischoffes  von  Triere  bruder. 

y,  das  capitel  von  Mcntze. 

,1  hertzogc  Ludewigs  rat  von  Ingelstat*. 

y,  faste  epte,  prelaten,  doctores  und  botschefte,  der  namen  man  nit  weiß. 

y,  hertzogo  Henrichen  von  Beyern  botschaft. 

y,  der  hertzogen  botschaft  von  Brunswig**^. 

y,  des  bischofs  von  Saltzpnrg  botschaft '^ 

y,  der  apt  von  Wissenburg**. 

„  der  apt  von  Ochsenhusen  ". 

y,  der  apt  von  Mnlbroune**. 

y,  der  bischoff  von  Wormße*'. 
„     „         y,        \    Spire»». 

y,  eyn  hertzoge  uß  der  Slesie  van  der  Sagen,  genant  hertzoge  Rudolf. 

„  der  bischoff  von  Costentze". 
„     „    apt  von  Salmenswile ". 

y,  des  margraven  rat  von  Brandenburg. 

„  der  apt  von  Brunne. 

„  eyn  Welsch  bischoff. 

yt  der  hertzoge  von  Berge''. 

^  des  hertzogen  rat  von  Burguudien'^ 


>)  PetroB  von  Schaacnbnrg  (1424—1469). 

>)  Wilhelm  Markgraf  zu  Hochberg,  Herr  eu  Boieln  und  Sosenberg,  des  Königs  Rat  und  Land» 
vogt  im  Blsass. 

•)  Chiemsee;  Sylvester  Pflieger  (14BH-1451). 
«)  Joannes  Schallermann  (1486—1458). 

*)  Falls  anter  Saphae  Savoyen  zu  verstehen  ist,  handelt  es  sich  nm  Herzog  Ludwig  (1484 — 1465). 
*)  Hermann  II.  von  Buchenan  (1440—1449). 

')  Die  Benedikt iaerabtei  Seligenstadt,  von  Einhard,  dem  Biographen  Karls  des  Grossen,  im 
Jahre  82'»  gestiftet.  Den  im  Jahre  1443  regierenden  Abt  haben  wir  nioht  naohweisan  können.  Im 
Jalii*e  1424  war  Kuno  von  Beldenheim  Abt. 

*)  Konrad  von  Erliohshausen  (1441—1449). 
»)  Ingolstadt. 

*<>)  Otto  III.  ans  dem  Hause  Mittel-Lüneburg.    Es  kann  aber  auch  ein  Vertreter  des  Hausse 
Calenberg  (Wilhelm  I.)  oder  des  Hauses  Wolfenbttttel  (Heinrich  II.)  sein. 
")  Friedrich  IV.  von  Emmerberg  (1411—1452). 

>*)  GefUrstete   Benediktinerabtei  Weissen  bürg   im    Elsass.     Abt   derselben   war   1442  Philipp 
von  Erbach.  , 

1*)  Benediktinerabtei  Ochsenhausen  in  Württemberg  (Abt  Michael  Rassel). 
>^)  Cistercienserkloster  Maulbronn  in  Württemberg  (Abt  Johann  von  Gtoylenhavusen). 
")  Friedrich  von  Domnock  (1427—1446). 
>•)  Reinhard  von  Helmstädt  (1488-1466.) 
«7)  Heinrich  IV.  von  Höwen  (1436-1482). 

1")  Cistercienserkloster  Salmansweiler  in  Württemberg  (Abt  Goorg  von  1441-1469). 
»»)  Herzog  Gerhard  von  Jülich  und  Berg  (1437—1475). 
»)  Herzog  PhiUpp  der  Gute  (1419-1467). 


—  99  — 


It.  zwene  graven  Wilhelm  van  Henenberg,  gefaratent  grave^ 


n 


der  bischoff  von  Utrecht*. 


„  die  hertzogynne  von  Lntzelnbarg*. 

„  der  bischoff  von  Regenspurg^ 

Graven  and  herren. 

It.  drij  graven  von  Hanauwe*. 

„  eyn  grave  von  Reneckc*. 

„  gravc  Bernhart,  grave  zn  Solms. 

j,  gravc  Heinrieh  von  Swartzbnrg  und  grave  Henrich,  sin  sone. 

„  grave  Johanns    1 

„  grave  Jorge        ?  graven  zu  Wertheim. 

„  grave  Wilhelm   j 

„  grave  Philipps  von  Katzeoelnbogen. 

„  grave  Johann  von  Nassanwe^ 

„  grave  Goraprecht  von  Nnwenare,  hofferichter^. 

„  eyn  grave  von  Schau wenburg*. 
„      „        »von  Lyniugen  »^ 
„      n        n      von  Liseneoke". 
„     jt        ,      von  Morse  ^'. 
„      „        „      von  Sarwerde". 

„  herre  von  Eiverschijt ". 

j,  grave  Henrich  von  Nassauwe,  herre  zu  Vianden. 

„  eyn  herre  von  Saffenberg^\ 

„  eyn  herre  von  Renenberg". 

„  grave  Hans  von  Bichelingen. 

„  zwene  graven  von  Glichen '^ 

„  grave  Eberhart  von  Kirchberg. 

„  der  grave  von  Wydde". 

„  eyn  herre  von  Wunnenberg ". 

„  die  truchsesser  von  Walpurg*^. 

„  eyn  herre  zu  Eppen8toin'^ 


*)  Henneb^rg. 

*)  Rudolf  von  DiepbolE  (148i— 14A5). 

*)  Johanna,  geborene  Hersogin  von  Bar. 

*)  Schon  anter  Nr.  12  genannt. 

*)  Reinhard  11.,  Reinhard  III.  (Hans  Minzeuberg)  nnd  Philipp  I.  (Hans  Babenhanten). 

*)  Reneke  ==  Rineck,  Rieneck,  östlich  von  Asohaffenbarg  am  Main.    Das  Hans  Rieneck,  das 
xnm  Qesohlecht  der  Grafen  von  Hanau  gehOrte,  starb  lUO  ans. 

T)  Graf  Johann  (t49R-1480). 

^  Nenenahr  im  Ahrthal  (Gambrecht  II.  f  1465). 

•)  Graf  Otto  U.  (1426-1461). 
>^  Hesse,  gefUrstcter  Landgraf  (f  1467). 
")  Liohteneok? 

»•)  Friedrich  IV.  von  Mors  (1417-1448). 

<•)  Jakob  I.  (1481—1470).    Über  den  Namen  Sarwerden  (1149),  Sarwerde  (118'>),  Salleveme  (1404) 
nnd  Saveme  (vor  1471)  vgl.  Picks  Monatsohrift  Jahrg.  VI,  S.  178  ff. 
M)  Johann  I.  von  Reiffersoheid  (1418-1475). 
u)  Saffenberg,  Ruine  an  der  untern  Ahr. 

**)  Renenberg  [unbek.,  Diöc.  Osnabrück],  1805,  Freokenhorster  Heberegister,  Priedländer  90. 
*^  Ernst  und  Ludwig. 
»•)  Wied. 

>•)  Wttnnenberg  in  Westfalen,  R-B.  Minden? 
**)  Eberhard  I.  (Sonnenberg)  und  Jakob  (Trauchbnrg). 

**)  An  dieses  Geschlecht  erinnern  die  Trümmer  der  Burg  Eppstein,  welche  einst  den  Flecken 
gleichen  Namens  im  Taunus  überragte.  Es  hat  hftufig,  insonderheit  im  13.  Jahrhundert,  in  die  Ge- 
schicke des  deutschen  Reiches  eingegriffeh.    So  vmrden  im  18.  Jahrhundert  nach  einander  vier  Herren 


—  100  — 

It.  eyn  herrc  za  Myntzenberg^ 
„     y,        „    von  Eonigestein  *. 

y,  Jorge  graye  zu  Henenberg. 

n  her  Caspar  Slicke  herre  zur  Wiasenstad. 

y,  vier  graven  von  Monteffort,  Ulrich,  Heinrich,  Hag  und  Rudolf.* 

,,  graTe  Henrich  von  Wyda',  herrc  zu  Hanwenstein. 

,,  zuene  graycn  von  Geranwe*. 

^  eyn  herre  von  Bickenbaeh^ 

„  eyn  herre  von  Heberg*. 

„  Conrikd  herre  zu  Winsperg^ 

,,  her  Henrich  czu  Bappenheim,  des  heiligen  romischen  richs  erbmarschalk. 

„  her  Wilhelm  von  Bechberg. 

,,  der  von  Stauff  mit  zwen  sonen. 

„  ein  grave  von  Orlemunde*. 

,,  schenke  Conrat,  herre  zu  Erpach. 

„  zwene  grayen  von  Wirtenberg*. 

,,  grave  Henrich  von  Furstenberg. 

n  grave  Rudolf  von  Salteze  '*. 

,,  eyn  herre  von  Brandes". 

,,  grave  Philipp  von  Renecke. 

„  eyn  herre  von  Gemantsecke  ". 

,,  eyn  herre  von  Lutzeinstein. 

,,  eyn  probst  von  Uterich. 

„  schenke  Otto  von  Erpach. 

„  eyn  herre  von  Nipurg". 

„  eyu  herre  von  Zellel^ngen '^ 

„  herre  Cristoffd  von  Liohtenstein. 

„  eyn  herre  von  Steffel. 

„  grave  Ulrich  von  Otingen'*. 

,,  eyn  grave  von  Hoenloch. 

„  grave  Sigmunt  von  Hoenberg. 

,,  grave  Hans  von  Werdenburg. 

r,  eyn  grave  von  Helffenstein '*. 

,,  der  Ringrave. 

y,  grave  Hesse  von  Lyningen. 


von  Eppensteio  (Siegfiried  11.  and  III.,  Werner  und  Oerh«rd)  an  BrEbisohttfen  von  liaini  erwählt  und 
ttbten  als  lolohe  groesen  BinfluBS  »nf  die  Kaiserwalil  nnd  die  Ptthrung  der  Beiohigetohäfte  »os.    Der 
hier  genannte  Epp^tein  ist  entweder  (Gottfried  IX.  aas  dem  Hanse  Minsenberg  oder  Eberhard  II.  ans 
dem    Hanse  Kttnigstein.     Der  letzte  Bitter  dieses  mttohtigen  Oesohleohts,  Eberhard  IV.,  Qraf  ron 
KSnigstein,  starb  im  Jahre  1664  anf  der  Burg  Bppstein. 
>)  Minsenberg  swisohen  Oiessen  und  Priedberg. 
*)  Königstein  im  Taunns  mit  der  Baine  eines  alten  Schlosses. 
■)  Wied. 

*)  Gtoraha  b  Geran  in  Hessen? 

*)  Bloohnmbaob,  Bikenbaoh  «»  Biokenbaoh  (hass.  K.  Bensheim). 
•)  Ilebnrgh  ==  Eilenbarg  (merseb.  K.  Delitaoh)? 
^  Weinsberg. 

*>)  Qraf  Wilhelm  von  Orlamtlnde. 
•)  Ludwig  L  (141fr-14R0)  und  Ulrich  (148&-1480). 
XO  Sabca. 

")  Wolfhard  von  Brandis? 
>*)  Oeroldseok  südwestlich  von  Zabem? 
>*)  Njrperg  [unbest.,  in  der  Schweis),  Burg,  verbrannt  1488. 
M)  Zellingen  oder  Zeltingen? 
")  Kraft  V. 
>*)  Helfenstein,  Burg  bei  Geislingen,  nördlich  von  Ulm. 


—  101  — 

It.  eyn  grave  von  Assen^tein. 

M  jungher  Dietber  von  Isenbarg,  berre  zu  Büdingen. 

„  eyn  grave  von  Metscbe'. 

r,  eyn  berre  zu  Bonckel. 

y,  eyn  berre  von  Zymmem. 

y,  zwene  graven  von  Nassauwe,  gravo  Philipps  seligen  sone. 

„  drij  graven  von  Luppe'. 

,  eyn  berre  von  Westerburg. 

j,  der  landgrave  Von  Laobtenberg^ 

„  Bnpert  grave  zu  Fimbarg. 

y,  Jobann  grave  zu  Ziegenbain. 

Der  bemaeb  gescbreben  stede  sin  diese  personen  zum  ratscblagen  gemacbt. 

Meister  Jobann  von  Stommel  \ 

Jobann  von  Heynbacb         /  ^^"^  ^^^°®- 

Uiricb  Bocke  von  Strasspnrg. 

Der  Ingelsteder  von  fiegenspurg. 

Der  Hangenare  von  Angspnrg. 

Her  Hanman  Offenbarg  von  Basel. 

Uiricb  Blaweter  von  Costencze. 

Her  Henricb  von  Bomberg  von  Beme. 

Der  statscbriber  von  Zurcbe. 

Karle  Holtzscbnwer  von  Norenberg. 

Conrat  Eyerer  von  Spire. 

Der  Bcbriber  von  Hagenanwe. 

Waltber  Ebinger  von  Ulme. 

Ulriob  Biseb  von  Überlingen  ^ 

Ulri#b  Neoiiyng  von  Heilpronne. 

Waltber  von  Swartzenberg. 

Wijker  Froscbe  von  Franckfnrtb. 

Diese  frunde  sind  uß  den  stcden  gemacbt  zum  konige,  forsten  und  beren  von  des  babstes 

and  des  concilij  wegen  za  Basel. 

Meister  Joban  Stommel  von  Colne. 

Der  doctor  von  Labicke*. 

Her  Hanman  Offenbarg  rittcr  von  Basel. 

Jobann  von  Spiegelberg  von  Solotor'. 

Jorge  Leo  von  Ulme. 

Hans  von  Cappel  von  Costentze. 

Glas  Scbalant  von  Straßparg. 

Bertolt  Folkomer  von  Narenberg. 

Peter  Ergaawe  von  Augsparg. 

Die  stede,  die  zu  Franckfartb  waren,  als  ans  bere  konig  Fridericb  von  siner  cronange 

von  Aicbe  qaam.    Kiliani  [ial.  8]  anno  1442  ^ 


Colne 
Straßburg 
Begenßbnrg 
Aicbe' 


Aagspurg 

Nurenberg  von  iren  und  der  von 
Wissenbarg  und  Windßbeim  wegen. 
Swinftird. 


<)  Die  Grafen  und  Herren  von  Metsoh.  •)  Lippe.  •)  Leopold  (1808—1460).  •)  Überlingen.  >)  Lttbeok. 
•)  Solothnrn.    ^  VgL  dM  Datum  des  Textet.    •)  VgL  Anhang  Nr.  Vm. 


—  102  — 


Ulme  von  Iren  und  von  der  andern 
Btede  wogen  irer  yereyngange  in  Swaben. 
Nardelingen. 
Dinckelsbohel. 
Haue. 
Oborlingen. 
Lindauwe. 
Bachhom. 
Rotenburg. 
Rotwyi. 
Eßlingen. 
Rutlingen. 
Heilpronne. 
Winphen. 
Mencze. 
Wormße. 
Spier. 

Franckenfart. 
Frideberg. 


Weczlar. 

Geilnhnsen  ^ 

Zorche. 

Oostencze. 

Rinfelden. 

Schaffhasen. 

Basel. 

Berno. 

Lnccme. 

Soloteme. 

Swijcze. 

Wissenbnr^. 

Hagenaawe 

Colmar 

Sliczstad' 

Lnbicke. 

Lunenburg. 

Molnhnsen. 

Northnscn. 


von  iron  and  der  anderen 

richstede  wegen  cza 

Elsaß. 


Nr.  II. 

1439,  November  17,  Aachen  bittet  Frankfurt  um'  Nachricht  von  den  Verhandlungen 
des  Frankfurter  Tages  nach  dem  Tode  des  Königs,     Orig,  Pap. 

Unse  vrantligo  groisse  ind  was  wir  tayt  alro  gunst  vermögen.  Elrsame,  wyse 
besonder  live  vrando.  Want  wir  leyder  vemomen  haven,  wie  dat  nnse  alregenedicbste 
ind  lieveste  bere,  der  romische  kunig,  was  gestorven  ind  gode  bevolen  is  seliger  gedacht, 
dat  arrc  stat  ind  uns  ind  vort  allen  daytscheu  landen  ind  rychs  steden  eyne  clegelicbe  ind 
sware  sache  is,  ind  die  forsten  ind  heren  ind  yre  riede  ind  fmnde  vast  noch  bynnen  urre 
stat  by  eynander  ligen  ind  vast  rait  ind  bedryft,  als  wir  vernomen,  ander  eynandcr 
haven,  als  ir  dan  wail  wissen  moigt,  so  bidden  wir  arre  liefden  dienstlich  ind  be- 
gerlich  ind  op  den  geloabe  ind  vrantscbaff,  den  eyne  gude  stat  der  andere  billich 
bewysen  sal,  ind  wir  ach  ymmer  altzyt  gerne  ind  willentlich  bewysen  snlden,  asverre  uns 
dat  fueglich  ind  moeglich  were,  uns  in  heyroliger  vruntschaff  zoschriven  by  desen  unsme 
beide,  asverre  neb  dat  zodoen  steyt,  eynche  zydange  ind  ussdracht  van  den  forsten  ind 
heren  ind  yren  reden  nu  ytzundt  by  uch  ligent,  ind  wes  man  sich  daruff  zo  dem  besten 
vermoden  seile  mögen,  want  is  uns  umb  treffliger  veetschaff  willc  unser  stede  ytzundt 
nyet  gelegenen  is,  unse  vrundc  darumb  by  uch  zoschjcken,  als  wir  anders  gerne  godaen 
betten,  ind  wilt  urre  gnden  wille  hirynne  also  an  uns  bewysen,  als  wir  des  eyn  gantz 
betruwen  haven  zo  urre  liefden,  die  unse  here  got  lanck  livich  ind  gesont  bewairen  muessc. 
Datum  mensis  novembris  die  XVII  anno  1489. 

Burgermeister,  scheffen  ind  rait  des  kunlglichen  stoib 

der  stat  Aiche. 

Adr,:  Den  vursichtigen,  eirsamen  burgermeistem,  scheffen  ind  raide  der  stat  zo 
Franckfurdt,  unsen  besonderen  guden  vrunden. 

Nr.  m. 

1440f  Januar  8,    Aachen  bittet  Frankfurt  um  Nachrichten  von  dem  bevorstehenden 
Wahltage.     Orig,  Pap. 

Unse  vruntlige  groisse  mit  alre  gunst  ind  wat  wir  liefs  ind  guitz  vermögen.  Eir- 
same,  vursichtige,  besonder  gude  frunde.    Als  nu  kortlich  nae  dat  wir  verstanden  haven, 


<)  GelnhAiisen.   >)  Sohlettotadt. 


—  103  — 

die  howirdigeo  ind  hoigeboiren  fursten,  uiiso  genedige,  lieve  heren,  die  kurfarsten,  oif  yre 
trefllige  ambasiacten  ind  frunde  by  nch  komen  ind  vergadcren  werden,  nmb  zobetrachten 
ind  sich  zo  bekallen  van  eyme  zokumftigen  roimscben  knninge  ind  andern  Sachen,  der 
dan  in  deme  heiigen  ryche  ind  der  gantzen  cristenheit  noit  is,  darvan  ir  cirsame  lieue 
frnnde  dan  wail  ervaren  ind  verstaen  werdt,  wes  man  sich  indem  besten  versien  möge, 
so  bidden  wir  nch  frontlich  ind  begerlicb,  uns  nr  yomomen  ind  zydnnge  der  Sachen,  asvcrre 
nch  dat  zodoen  steyt,  in  heimlicher  ymntschaff  over  zoschriTen,  want  wir  dat  zodanck  ind 
heimlich  van  nch  halden  willen  inde  nren  guden  wiile  hirynne  also  an  uns  zobewysen,  als 
wir  uch  des  ind  alles  guotz  mit  besonderheit  zogetmwen  ind  als  eyno  gude  stat  der 
anderre  in  vneglichen  Sachen  billich  zn  Heye  doen  sal,  ind  wir  nch  zo  lieye  altzyt  gerne 
docn  Salden  in  gelychcn  off  meliTer  sachon.  Onse  here  got  muesse  orc  liefden  gc^parcn 
wailyarend  ind  gesont  in  frieden  zo  langen  zyden.  Datum  mensis  ianuarij,  die  octaya 
anno  1440. 

Bürgermeister,  scheffen  ind  rait  des  kuniglichen  stoils 

der  stat  yan  Aiche. 

Adr.:  Den  yursichtigen,  eirsarocn  ind  wyscn  burgermeistem,  scheffen  ind  raide  der 
stat  zo  Franckfordt,  nnsen  besonderen  gudcn  ind  lieyen  frunden. 

Nr.  IV. 

1440,  Februar  6.  Aachen  dankt  Frankfurt  für  die  Nachricht  von  der  erfolgten 
Wahl     Orig,  Pap. 

Unsen  dienst  ind  fruntougc  groisse  myt  alrc  gunst  ind  gudcn  willen.  Eirsame,  wyse, 
besonder  gude  frunde.  Als  ure  ynrsichtige  eirberheit  uns  uu  guitlich  geschreben  halt,  wie 
dat  der  alredurinchtigsto  furste  ind  here  her  Friederich,  hcrtzouge  zo  Oesterych  etc., 
seliger  hertzonge  Fmstis  son,  unsc  geucdichste  hoveste  hcro,  zo  eyme  römischen  kuningc 
yan  unsen  genedigen  heren,  den  knerfurstcn,  eynhclleclich  gekoiren  ind  ycrkundigct  sy 
worden  up  unser  lieven  yrauwen  dach  purificacionis  ncrst  Icden  etc.,  so  syn  wir  des 
sunderlingen  yroelich  ind  wail  zofriedeu,  dat  sulch  howirdich  kuer  so  loyolich  ind  eyn- 
drechtlich  zogegangen  is,  hoffend  ind  wouschend,  dat  gotz  ere,  der  heiligen  cristenheit 
ind  deme  ryche  daran  grois  nutze  ind  froroe  sy,  ind  wir  dancken  urre  liefden  duysentfalt 
sulger  urre  yerkundungon  ind  gudcn  willen,  den  wir  altzyt  an  uch  beyynden,  ind  wes  wir 
urre  irbcrheit  wicdromb  in  eynchen  sachen  zo  willen  ind  zo  Heye  yermuchten,  darzo  mach 
uns  altzyt  bereit  wissen  ure  cirbcre  yursichticheit,  die  unsr  here  got  altzyt  wailyarend  ind 
gesont  bewarcn  niucsse.     Datum  sabato  ante  dominicam  Esto  michi  anno  1440. 

Bürgermeister,  scheffen  ind  rait  des  kuniglichen  stoils 

der  stat  Aiche. 

Adr.:  Den  yursichtigen,  eirsamon  ind  wysen  burgermeistem  ind  raide  der  guder 
stat  zo  Franckfnrdt,  unßn  besonderen  lieyen  ind  guden  frunden. 

Nr.  V. 

1442f  April  13.  Aachen  bittet  Frankfurt  um  Nachricht  von  der  Reise  des  Königs. 
Orig.  Pap. 

Unso  fruntunge  groissc  myt  alrc  gunst  ind  wat  wir  altzyt  liofs  ind  guets  vermögen. 
Eirsame,  yursichtige,  besonder  live  frunde^  Want  uns  yurkomon  is,  dat  unse  alregnedichstc 
ind  lieyeste  here,  der  romische  kunig  etc.,  gestern  ayent  zo  Nurembcrgk  komen  solle  syn, 
umb  aldae  hude  dat  heylgdom  zo  sicn,  ind  sich  dan  vort  by  uch  zo  yuegcn  ind  also  yort 
her  aye  zo  komen,  als  wir  dan  yan  Vlochmeyrer  verstanden  hain,  darumb  wir  daran 
zwievelcn  ind  uns  zo  uch  vermeiden,  dat  ir  wail  ey gentlich  wissen  sult,  off  syne  kunig- 
liche  hoigmaiden  ytznndt  zo  Nurembergk  off  wae  die  daerumbtrint  syn,  ind  wes  man  sich 


—  104  — 

eygcntlich  version  möge  van  syner  kanigliehor  zokompst,  herwert  by  uch  ind  zo  desen 
landen  zo  kernen,  ind  wie  kortlich,  daromb  wir  na  desen  nnsen  beide  zo  yerre  iiefden 
schicken,  so  bidden  wir  uch  eirsame,  liove  frunde  fruntlich  ind  begeriiub,  uns  na  by  desen 
scivcn  nnsen  boide  in  gnder  heymlicheit  over  zoschrivon,  wes  uch  darvan  varkomen  lud 
wissentlich  is,  in  deme  uch  dat  vuegt  zo  doen.  Want  ir  uns  da  an  ir  lieve  ind  denck- 
liehen  doen  sollt  ind  gelych  wir  uch  des  ummcr  zogetruwen  ind  gerne  wieder  zo  live 
doen  sulden,  wes  wir  uch  zo  willen  vermachten.  Onse  here  got  wille  uch  altzyt  bewaren. 
Datum  mensis  aprilis  die  XIII  anno  1442. 

Bürgermeister,  scheffen  ind  rait  des  kuniglichen  stoils 

der  stat  Aiche. 

Adr.:  Den  vursichtigon,  eirsamen  burgermeistern,  scheffen  ind  raide  der  stat  zo 
Fanckfordt,  unsern  besonderen  lieven  ind  guden  frundeu. 

Nr.  VI. 

244JS,  Juni  17.  Friedtich  verkündet  Frankfurt  seine  in  AacJtcn  erfolgte  Krönung. 
Orig,  Pap. 

Fridreich,  von  gotes  gnaden  romischer  kunig,  zu  allen  zelten  merer  des  reichs,  hertzog  zu 

Osterreich  und  zu  Steir  etc. 

Ersamen  lieben  getruwen.  Als  wir  uns  ytzund  in  disse  des  heiligen  romischen 
reichs  lande  gefugt  haben,  sein  wir  am  freitagc  nechstvergangcn  daher  gcin  Ach  komcn, 
da  wir  durch  schickunge  des  almechtigen  gotes  uff  hüte  unser  kuniglicher  cronunge  zeir- 
heit  und  wirdikeit  durch  die  crcnwirdigen  unser  lieben  neven  und  kurfursten,  die  geist- 
lichen, in  biewcsen  der  hochgebomcn  unser  lieben  oheimen  und  swagers,  auch  kurfursten, 
der  wcrntlicher  aller,  und  vyl  anderer  Fürsten,  geistlicher  und  werentlicher,  etwevyl  ander 
kunige,  fursten  und  der  merglichsten  stete  zu  dem  heiligen  romischen  reiche  gehörende 
botschaft,  ersamlichen  emphangen  und  vollenbracht  haben,  wolten  wir  nit  lassen,  sundcm 
euch  die  da  als  wir  des  dheinen  zweifei  haben,  unser  erhohung,  ere  und  wirde  allezeit 
gerne  crfareu,  solichs  zu  wissen  tun  durch  dissen  gein  wirtigen  unsern  diner  Hansen  von 
Tirna,  der  danne  euch  gelegenheit  und  Agentschaft  solicher  zeirheit  wol  volliclicher 
crczellen  wird  et.  Geben  zu  Ach  an  nehsten  suntag  nach  sant  Viti  tag  anno  domini  etc. 
quadragesimosecundo,  unsers  reichs  im  dritten  jare. 

Ad  maudatum  domini  regis  Heinricus  Leuburg  doctor. 

Adr.:  Den  ersamen  burgermeister,  schephen  und  rate  der  stat  zu  Franckfort,  unscm 
und  des  richs  liben  getruen. 

Registraturvermef*k  auf  der  Vorderseite:  der  konig  sine  cronunge  dem  rade  verkündiget. 

Nr.  Vn. 

1442,  Juni,  21.  Bericht  Waltei's  voti  Schwarzenberg  über  die  Rückkehr  des  Königs 
nach  Frankfurt.    Orig.  Pap. 

Minen  willigen  dinst  zuvor.  Eirsamen  hern  und  guden  frund.  Alz  mir  nwer  eir- 
same wyßheid  haid  tun  schriben,  uwer  schrift  han  ich  wole  verstanden  und  lassen  ach 
wissen,  alz  ich  uch  vor  geschreben  han  mit  uwerm  baden,  Uenchin  von  Hanawe  sc  Abo 
verstee  ich  noch  niet  anders,  dan  daz  unser  gnediger  here  der  konig  wcrd  widder  zu  uch 
kommen  gen  Franckford,  wand  alle  sache,  die  noch  verbanden  sust  gewest,  die  ich  ver- 
nommen han,  dar  mercr  teyle  widder  by  uch  gen  Franckford  bescheiden  sint,  und  waiß 
noch  niet  anders  in  den  sachen,  dan  alz  ich  uch  fare  geschreben  han,  wurd  ich  aber 
ichtis  anders  gewar,  daz  fore  genommen  wurd,  ich  wolle  iß  uwer  weißheid  zu  stund 


-  105  — 

lassen  wissen.  Auch  alz  ir  schrybet  von  lehen,  die  hern  zn  cnphahen,  versten  ich  noch 
niet  anders,  dan  unser  gnediger  her  von  Manczo  sin  lehcn  werd  enphahen  by  uch  zu 
Franckford,  wand  ich  bysonder  dar  nach  gefragt  han.  Auch  versten  ich,  daz  der  langrave 
von  Hessen,  der  marggrave  von  Baden  und  myn  her  von  Wirttemburg  und  andere  auch 
ir  lehen  werden  by  uch  enphahen.  Doch  so  mocht  sich  der  heren  sache  über  nacht 
wenden,  und  alz  ir  mir  geschrcben  bald  von  der  Juden  wegen,  were  niet  nolt  gewest  ir 
botschaft  her  abc  zu  schigkken,  alz  ich  yn  daz  mit  dem  vargenenten  baden  auch  ge- 
schrcben han,  doch  alz  ir  mir  geschreben  hoid  uch  zn  liebe  dem  rade  wil  ich  gern  daz 
beste  tun.  Alz  ir  rorit  in  uwem  Schriften,  von  der  herzogen  wogen  von  Burgonie,  dar 
an  ist  nicht  yß,  band  sich  anders  wilde  leyffe  erlaffen  zu  Ache,  die  ich  uch  niet  alle 
geschreben  kan,  alz  ich  uch  abgotwil  her  noch  wole  sagen  wiL  Yß  sint  auch  von  velcn 
erbern  stctten  driftige  ha  tschaft  hie  zu  Kolne,  by  den  muß  ich  etliche  sache  wortten,  alz 
wir  dan  hie  heym  gescheyden  sin.  Ich  hoffe  allis  gutte,  da  mit  eyn  gute  nacht.  Geben 
zu  Colne  uff  sant  Albans  tag  anno  1442. 

Walther  von  Schwarczenberg 
der  aide. 

Adr.:  Den  ersamcn,  f ursichtigen  und  wysen,  den  burgermeistem,  scheffcn  und  raid 
zu  Franckford,  mynen  lieben  heren  und  bysonder  guden  frunden. 

BegisiftUurvermerk  auf  der  Vordtmeitt:  Walther  von  Colne. 

Nr.  VIII. 

Ii42y  Jidi  8.  Bericht  der  Aachener  Deputierten  über  ihren  Aufenthalt  in  Frank- 
furt an  Bürgermeister  und  Rat  ihrer  Stadt,     Orig,  Pap,  * 

Eirbere,  vursichtige,  lieve  vrunde.  Wir  erbieden  onsen  willigen  oitmoedigen  dienst 
so  uch  mit  alle  derae,  des  wir  vermögen.  Ind  begeren  nrrc  liefden  zowissen,  dat  wir 
gestcrcn  des  satterstaigs  zavent  zo  Franckefurdt  qnäemen,  dar  onse'genedige  here  der 
kunig  euch  yrst  komen  was,  vander  zyt,  dat  ho  van  heyme  was  geschciden.  Ind  hait  zo 
Wcsebaden  gelegen  ind  gebait  ind  gerast.  Ind  zo  Franckefurdt  en  synt  noch  egeync 
fursten  noch  heren,  dan  myn  here  van  Triere  ind  myn  here  van  Mentze  is  byderhant  zo 
Hoesteyn.  Ind  myn  here  van  Coelne  is  noch  dar  neden,  den  sayt  man,  dat  nyest  daigs 
her  up  werde  komen.  Doch  so  is  ons  zo  Franckefurdt  laissen  verstaen,  dat  vander  geist- 
licheiten  wail  drywerff  me  volcks  hie  sy,  dant  vurwas.  Mer  wir  enkonnen  uch  ytzund 
egeyne  Sachen  geschriven,  die  hie  gehandelt  mögen  werden,  doch  sollen  wir  onse  Sachen 
vur  ons  nemen  ind  die  ernstlich  vervolgen,  dat  beste  dar  in  zodoen  na  alle  onset  maicht. 
Ind  wir  en  vememen  noch  egeyne  zydungc  van  onss  genedigen  vrunden  van  Borgonien 
darumb  off  ir  yet  vemeympt,  dat  wilt  ons  over  schriven  mit  den  yrsten,  dat  ir  kündt, 
dat  selfft  werden  wir  uch  euch  schriven,  off  wir  yet  snnderlings  vememen.  Oot  beware 
uch  altzyt.    Gegeven  des  sondaigs  op  Kyliani  onder  segel  myn  Bncks,  anno  etc.  [14]42. 

Lambrecht  Bück  burgermeister, 
Goitschalck  von  Hokirchen  scheffen  ind  Johannes  Hartman  etc. 

Adr,:  Den  vursichtigen,  eirberen,  onsen  besondem  lieven  heren  ind  vrunden,  burger- 
meistem, scheffen  ind  raide  des  kuniglichen  stoils  der  stat  Aiche. 


1)  Aachener  Stadtarchiv.  —  Vgl.  Verseichnifi  der  Städte  in  Nr.  I. 


—  106  — 

Weistümer  von  Oornelimünster. 

Von  H.  Kelleter. 

In  einer  Handschrift  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin  *  befindet 
sich  die  nach  einem  Schßffenbuch  hergestellte  Kopie  dreier  Weistümer  des 
Ländchens  Oornelimünster.  Die  ebenfalls  in  Buchform  ausgeführte  Kopie 
ist  mit  ihrem  Original  gleichzeitig  anzusetzen.  Nach  den  auf  dem  Vorsatz- 
blatt und  im  Innern  vorkommenden  Eintragungen  war  sie  ursprünglich 
Eigentum  des  Johannes  Giesen^  eines  Mitgliedes  der  noch  gegenwärtig 
zu  Oornelimünster  blühenden  Familie  gleichen  Namens.  Das  Original  selbst 
ist  im  Laufe  der  drei  letzten  Dezennien  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahr- 
hunderts entstanden,  nämlich  zwischen  1620  ^  dem  ersten  Regierungsjahr 
des  Abts  Hermann  von  Eynatten*  und  dem  12.  Juni  1643,  dem  Datum 
unserer  Kopie. 

Den  Inhalt  der  drei  Weistümer  *  bilden  erstens  die  Vogteigerichtsrolle, 
zweitens  die  Grenzen  und  drittens  die  hohe  Gerichtsbarkeit  des  ehemaligen 
Reichsstifts. 

Aus  der  Ordnung  für  das  Vogteigericht  lernen  wir,  dass  die  alte 
auf  dem  Berge  belegene  St.  Stephanskircho  ^  als  Mutterkirche  anzusehen 
ist,  mithin  älter  ist  als  die  im  Thal  liegende  jetzige  Pfarr-  und  ehemalige 
Stiftskirche.  Der  liier  ebenfalls  genannte  Vogt  Wilhelm  von  Harff  und 
sein  Stellvertreter  Leonard  Heyendal  üben  ihre  Befugnisse  aus  auf  Grund 
der  dem  Hause  Schönforst  anklebigen  Beamtung.  Pfandherr  des  Hauses 
Schönforst  war  Wilhelm  von  Harif  seit  seiner  Heirat  mit  Maria  Schellart 
von  Obbenhoff^  Aus  dem  weitern  Inhalt  der  Rolle  sind  ersichtlich  die 
Bestimmungen  über  Bann  und  Frieden  des  Gerichts,  über  das  Geleite  dahin, 
über  die  Zuständigkeit  desselben  für  Adlige,  Bauern  und  Arme,  sowie 
über  die  Exemtion  der  Geistlichkeit.  Das  Gericht  übte  auch  das  Aichungs- 
recht  über  Masse  für  trockene  und  nasse  Waren. 

Im  zweiten  Weistum  ist  der  genaue  Verfolg  der  Grenzen  des 
Ländchens  angegeben,  etwas  südlich  bei  Brand  beginnend  und  von  da 
über  Nord,  Ost  und  West  zu  diesem  Ausgangspunkt  zurückkehrend.  Der 
Komplex,  der  auf  diese  Weise  umschrieben  wird,  stellt  sich  als  eine  mit 
dem  breiten  Ende  nach  Nord  und  mit  dem  spitzen  Ende  nach  Süd  gekehrte 


»)  M.  B.  860,  Quart. 

')  Über  die  Stiftung  einer  Kapelle  zu  Bothe  Erde  durch  die  Eheleute  Stephan 
Giesen  und  Maria  Hammers  siehe  Qu  ix,  Karmcliterkloster  S.  67  ff.  und  S.  153  ff. 

^)  und  *)  Siehe  unten  auf  S.  111,  Anm.  2. 

*)  Andere  Weistümer  von  Cornelimftnster  bei  Grimm,  Weist.  Bd.  II,  S.  778  und 
S.  784,  und  ebenda  Bd.  VI,  S.  707;  bei  Qu  ix  a.  a.  0.  S.  143  ff. 

•)  Dieser  Titel  findet  sich  oft  bei  Kirchen  der  morowingischcn  und  karolingischen 
Periode.    Siehe  weiter  unten  S.  108,  Anm.  1. 

')  Nach  Strange,  Gencal.  Beitr.,  Bd.  V,  S.  88  und  Pauls  in  der  Zeitschrift  des 
Aachener  Geschichtsvereins  Bd.  III,  S.  363,  Anm.  1. 


—  107  — 

Ovalform  dar,  die  an  dem  Bordöstlichen  Bogen  bei  Gressenich  stark  aus- 
getrieben erscheint.  In  ideellem  Sinne  wird  sie  gebildiet  durch  die 
Nordlinie,  eine  zweimal  südlich  und  zwischenher  einmal  nördlich  aus- 
buchtende Spirale  über  Eilendorf,  Stolberg-Süd  und  Gressenich-Nord,  durch 
die  Ostlinie  von  der  Nordspitze  bei  Gressenich  über  Schevenhütte,  Vicht, 
Zweifall  bis  Rötgen  und  durch  die  Westlinie,  ausspringend  von  Rötgen 
auf  Neudorf  bei  Raeren,  über  Burtscheid-Süd  nach  Brand-Eilendorf.  In 
der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  bespricht  Bräunt  diese 
Grenzen  des  Ländchens  nach  einer  Karte  des  vorigen  Jahrhunderts.  Unter 
den  von  ihm  erwähnten  Örtlichkeiten  wird  für  das  unbekannte  Repscheid 
das  an  der  neuen  Raerenerstrasse  gelegene  Hofgut  Hepscheid  zu  verstehen 
sein.  In  der  hier  unten  gegebenen  Umschreibung  finden  sich  manche 
bekannte  industrielle  Örtlichkeiten  und  daneben  merkwürdige  Grenzörter, 
deren  Namen  in  deutschen  Gemarkungen  oft  wiederkehren.  Ich  verweise 
auf  die  Namen  Bierbäumchen  ^,  Hermenstock,  Falkenberg,  Daasberg  und 
Hepscheid  und  die  mit  ihnen  übereinstimmenden  oder  an  sie  anklingenden 
Bimbäumchen ',  Birkenbäumchen ',  Mirbäumchen,  Irmensul,  Falkenburg, 
Heppendorf,  Heppiul  etc. 

Das  dritte  und  letzte  Weistum  regelt  den  Umfang  der  hohen  oder 
Straf-Gerichtsbarkeit,  besonders  mit  Rücksicht  auf  die  Rechte,  welche  Abt 
und  Vogt  darin  zustehen.  An  den  Verurteilten  ist  entsprechend  dem 
geistlichen  Charakter  des  Grundherrn  die  Todesstrafe  ohne  Blutvergiessen 
zu  vollziehen. 

Die  vorgenannten  Weistümer  haben  folgenden  Wortlaut: 

I.  Als  ein  vogtgedeing  wird  gehalten. 

Auf  die  erste  manaug  des  vogts  gibt  zur  antwort  der  äldiste  scheffcn,  wie  bernach 
geschrieben  stehet: 

Diesen  tag  erkennen  wir  zn  ihrer  furstl.  durchlaucbt  hcrtzogen  zu  Gulig,  Cleve 
und  Berg  etc.  als  einen  gnedigen  vogt,  schütz-  und  schirmherrn  dieses  landts  und  dem 
wollgebom  und  gestrengen  Wilhelmen  von  Harff',  freiherrn  zu  Alstorf  etc.,  als  einen 
gnedigen  vogt  und  pfandhcrren  des  hauscs  Sch($nforst  und  Leonarden  Heyendais  ^  als 
stadtheldern  des  vogts  und  Verwaltern  des  hauß  Schonforst  oder  welchem  sey  das  recht 
dan  befehlen  werden. 

Auf  die  zweite  mahnung  des  vogts  folgt  der  bescheid,  daz  man  ban  und  fried 
than  soll  wie  von  alders. 

Folgt  der  ban  und  fried: 


«)  A.  a.  0.  Bd.  III,  S.  380  ff. 

*)  Vgl.  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  Bd.  V,  S.  50,  ferner  die. reich- 
haltige Litteratur  über  die  Entscheidungsschlacht  am  Beeren-  oder  Birkenbaum. 

»)  Ein  Herr  W.  v.  H.  wird  erwähnt  1635  Juni  14,  Quix,  Beiträge  aur  Gegohichte  der  SUidt 
Aachen  Bd.  III,  S.  17,  er  wird  femer  bei  Str  Anir®«  Beitrag  zur  Gkschichto  der  adeligen  Oeachlechtor 
Heft  V,  S.  88  nnter  D.  aufgeführt.  Leider  fehlt  daselbst  eine  Angabe  über  die  Lebenszeit.  W.  v.  II. 
lebte  aber  jedenfalls  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrb.  (Fahne  giebt  hier  anch  nur  ungenügende 
AuakunA.) 

*)  L.  H.  liesfl  sich  bei  deoa  mir  hier  sn  Qebote  siebenden  Material  nicht  feststellen. 


—  108  — 

Auf  diesem  ietzigen  vogtgeding  so  thnt  man  bann  and  fried  in  nahmen  gottes  roa 
himmelreicb  nnd  Mariae  seiner  liebster  matter;  noch  that  man  bann  and  fried  von  wegen 
S.  Comeliß  als  einen  erbmarschalcken  dieses  lants;  noch  that  man  ban  nnd  fried  yon 
wegen  S.  Stephans  als  einen  patronen  der  heiliger  moderkirchen  anf  dem  berg';  noch 
that  man  ban  nnd  fried  wegen  ihrer  farstl.  darchlaucht  hertzogen  za  Galigh,  Cl[eve]  *  and 
Bergh  etc.  als  einen  gnedigen  yogt,  schätz-  and  schirmherm  dieses  lants;  noch  that  man 
ban  and  fried  wegen  des  woUcdelgebornen  Wilhelmen  yon  Harff,  freiherrn  za  Aistorf  etc. 
and  pfandhcrm  des  hauses  Schonforst;  noch  that  man  ban  nnd  fried  wegen  Leonarden 
Heyendais,  als  statheldem  des  yogts  and  yerwaltem  des  haas  Schonforst  oder  welchem 
sey  das  recht  befehlen  werden;  noch  that  man  ban  nnd  fried  wegen  der  scheffen  die  zu 
dieser  dynckbanck  gehörig  seint. 

Der  yogt  thnt  aach  gepieten  die  lantleathen,  die  hie  seind  and  hieher  kommen 
werden,  daß  iedermann  hnisch '  and  gatter  theiren  *  sey,  daß  niemant  den  yogten  stoaire, 
noch  die  scheffen,  noch  iemant  anders  mit  worden  noch  mit  wercken,  dardareh  sich  der 
yogt  yergessen  mögt  in  seine  mennenis*  and  die  scheffen  sich  erschrecken  in  ihrem  weiß- 
thamb,  daß  sey  das  recht  nicht  so  yolkömlig  könten  wiesen,  als  sey  dasselbige  mit  ihren 
eyden  begriffen  betten. 

Ferner  gibt  der  herr  geleit  nnd  yorwart  allen,  lang  and  alt,  inwendigen  nnd  aas- 
wendigon  rocht  za  geben  and  za  nehmen,  aasgescheiden  nachtsbrenem,  stras8cnschänder[n] 
und  mißthätigen,  welche  gegen  ihre  hochw.,  dessen  gotteshaas  oder  anderthanen  gestnirt 
oder  gcranbt  betten.  Dieselbige  sollen  kein  geleit  haben  aaf  dieser  statt  noch  aaf  keiner 
statt,  sofern  als  ihr  hochw.  za  gepieten  and  za  yerpieten  hat.  Weren  sey  aber  zar 
gnaden  and  zur  besserang  kommen,  alsdan  mögen  sey  ihres  rechtens  pflegen,  gelden  and 
yerkaufen  gleich  andern  lantleat 

Were  es  aach  sachen,  daß  ein  geistliche  person  kftme  an  dies  gericht,  die  sali  man 
wiesen  an  lad  and  stete,  da  sey  hin  gebairen  nnd  gehörig  seind. 

Were  es  auch  sachen,  daß  ein  hoffman,  der  von  der  gebort  and  einen  Schilden 
wcre,  quäme  an  dies  gericht  und  woUto  seines  adels  gefurdelt  sein  und  sich  unyordrößlich 
im  rechten  machte,  dem  sali  der  yogt  gepieten,  daß  er  beuisch  und  gutter  thieren  sey, 
recht  zu  geben  und  recht  zu  nehmen,  wie  ihme  die  scheffen  solches  yon  recht  wiesen  sollen. 

Item  der  hansmann'  der  alhie  ist  und  kommen  wird,  dem  thut  der  yogt  gepieten, 
dass  er  solle  yor  recht  geben  und  nebmen,  wie  es  die  scheffen  yor  recht  wiesen  sollen. 

Item  were  es  auch  sachen,  das  ein  armer  mensch  an  dies  gericht  qnäme,  der  seines 
patrimoniengutes  yerbistert^  were  umb  armut  und  gebrechs  halber,  der  soll  den  yogten 
pitten,  das  er  die  scheffen  mahne  umb  gottes  will.  Alsdan  sali  der  yogt  die  scheffen 
umb  gottes  will  zu  mahnen  schuldig  sein;  die  scheffen  sollen  auch  schuldig  sein  zu  wiesen 
umb  gottes  will,  der  procurator  soll  ihm  auch  schuldig  sein  zu  dienen  umb  gotteswill 
gleich  dem  reichen  umb  sein  geld. 

Femer  thnt  der  herr  gepieten,  daß  iederman  heuisch  und  gutter  thieren  seye  an 


>)  Vgl.  ttber  die  Matterkircbe  St.  Htopban,  Rhoen  in  der  Zeitachriit  des  Aachener  Qeeohiohte- 
Vereins,  Bd.  XVI  8.  116  ff,  die  arohitektonifche  Beeohreibnng  derselben. 

>)  Im  Text  eine. 

*)  huisoh  =  still.    Im  modernen  Aachener  Dialekt:  beusch. 

*)  tere  =  Art.  Vgl.  Sohiller-Lübben,  Mittelniederd.  Wttrterb.  Bd.  IV,  8.  688  goder-quader 
tere  =»  gnter,  bttser  Art. 

*)  maning,  manisse,  manenisse,  menisse«:  l'action  de  reqnirir  une  sentence  au  nom  da 
seignear  siebe  K.  Stallaert,  Qlossarium  van  verouderde  rechtstermen,  kunstwoorden  en  andere 
uitdrukkringen  Bd.  XI,  8.  187. 

*)  hausmann  ■=  Bauer  im  Qegensats  sn  dem  im  vorstehenden  Abschnitt  bezeichneten  hof&nan 
=  Adligen. 

^  verbysteren,  verdonkem,  afhandig  maken.  A.  C.  Oudemans,  Bydrage  tot  een  liiddel- 
en  Oudnederlandsch  Woordenboek  Bd.  VII,  S.  250:  Hier  mach  men  meroken,  hoe  menige  Landen  rade 
Ueerlicheden  mit  onreoht ....  verbystert  worden  van  hooren  rechten  Heer. 


—  109  — 

diesem  gerieht,  das  niemand  sprechen  soll'  ohn  nrlanh  der  herrn  oder  baassen  seinen 
gobotten  yorsprecher.  Der  darbanssen  spricht  nnd  dies  gebott  verbricht,  derselbig  soll 
dasselbig  richten  nnd  besseren  mit  solcher  bnß  als  ihme  das  recht  auferlegen  wird. 

Anf  die  dreite  mahnnng  des  vogt  dieser  bescheid,  das  die  lantlente  in  die  acht 
gehen  sollen  ein,  zwei,  drei  und  so  oft  es  nothig  sein  wird. 

Auf  £e  vierte  mahnnng  des  vogten  folgt  dieser  bescheid : 

Anf  diesem  ietsigen  hoff-  oder  vogtgeding  sollen  hie  sein  allen  die  scheffen,  die  zu 
dieser  dingbanck  gehörig  sein  nnd  sollen  helpen  hohen  und  frtfgen,  was  unserm  hoch- 
wurdig[en]  heren  zu  nah  gehet  ahn  seine  hochheit  und  herligkeit  und  dem  lantman  an 
seiner  gemeinden.  Seind  sie  alhie,  so  haben  sey  voUthan ;  seind  sey  nit  hie,  so  weist  man 
sie  anf  die  buss  oder  5  mr. 

Dieweii  nun  die  scheffen  solches  über  sich  selbsten  wiesen,  so  sollen  auch  hie  sein 
allen  die  lanUeut  welche  im  diesem  laut  gesessen  seynd  und  sollen  auch  helpen  hohen 
und  frögen,  was  unserem  hochw.  horren  zu  nah  gehet  an  seine  hochheit  und  herligkeit 
(u.  s.  w.    Wie  vor.) 

Auch  sollen  hio  sein  allen  die  maßen,  da  man  in  diesem  laut  naß  und  dreug  mit 
aus-  nnd  inmaist.  Seind  sie  alhie,  so  haben  sie  vollthan,  seind  sie  aber  nit  hie,  so  weist 
man  sie  hie  auf  die  büß  oder  5  mr. 

Auch  sollen  hie  sein  allen  die  molterfasser,  die  in  den  mnhlen  seind,  damit  man 
darzu  sehen  kan,  das  sey  gehalten  werden  wie  von  alders. 

n.  Folgt  die  lantvrog  dieses  läntlein  St.  Corneliss-Munster. 

Den  reing  der  Munsterischer  gemeinden  vrttgt  man  in  der  Schroffstrassen  an  der 
Henttenigsseif  ab  bis  auf  den  Brand;  da  liegen  weyeron,  die  man  vor  gemeinden  hftlt. 
darvon  geben  die  parteien,  so  die  weyeren  im  gebrauch  haben,  iahrlichs  der  mutterkirchen 
ein  sum  von  wachs.  So  lang  die  keirch  den  wachs  bckumpt  und  die  nachbar  des  wassers 
gebrauchen,  leist  man  es  darbei  verpleiben. 

Darvon  dannen  vrOgt  man  ab  bis  auf  den  Newenhoff'. 

Von  den  Newenhoff  vrögt  man  ab  bis  gegen  das  reich  von  Aachen  und  der 
herlichkeit  Eülendorff,  da  die  reichsvorstmeistor  und  -vörster  iahrlichs  zwischen  der 
Elydschen-*  und  Munsterbuisch  gftnger'  und  gescheider*  gehen,  das  man  darzu  sehe,  das 
sey  in  ihren  alden  gang  bleiben,  damit  ihr  hochw.  nit  verkurtzt  werde  an  ihrer  hoch- 
und  herligkeit  und  der  lantman  an  seiner  gemeinden. 

Darvon  vrögt  man  ab  bis  in  der  Baffelseif.  Von  dem  Baffelseif  bis  in  die  Endenfuhrt. 
Aus  der  Endenftdirt  vrögt  man  bis  in  die  Klierserben.  Aus  der  Kliersorben  vrögt  man 
ab  bis  in  die  Inde.  Darvon  vrögt  man  dan  den  wasserstraum  ab  bis  auf  Schnorenfeld,  da 
die  Vichtbagh  in  die  lud  f&llt  Darvon  vrögt  man  den  wasserstraum  die  Vicht  auf  bis 
gegen  die  herligkeit  Stolberg,  da  weyeren  und  deichen  gemacht  werden;  da  vrögt  man  ihr 
hochw.  zu  ihr  wehrgeld,  dass  man  auch  darzu  sehe,  dass  das  wasser  in  seinem  alden 


>)  Siehe  oben  die  BrklAnuig  von  hoiioh,  welche  dnroh  diesen  Zmats  bestätigt  wird.  Hnisoh 
ist  nioht  etwa  von  bovisoh  =  httpsoh  »bsnleiten,  wie  dies  noch  manohmal  ohne  Kenntnis  historischer 
Lautlehre  geschieht;  das  Wort  ^hübsch*  ist  sndem  im  Aachener  Dialekt  enthalten^  aber  nur  als 
Ijehnwort.  Unser  dialektisches  heusoh,  alt  hoisoh,  ist  vom  Stamme  hasch,  hnsohen  =  leise,  flttohtig 
gehen  hersoleiten. 

*)  Bei  Braan  a.  a.  O.  8.  881:  „EödigersUf . 

>)  Urkunden  ttber  N.  bei  Quiz,  Qesohiohte  des  Karmeliterklosters  S,  112  ff. 

*)  Heute  Atsoh.  Ueber  Streitigkeiten  der  Aachener  Beichsangehörigen  (Quartiere  Wttrselen, 
Haaren  und  Weiden)  mit  den  Comelimttnsterer  Unterthanen  su  Eilendorf  betr.  Nutsung  des  Atsoher 
Waldes  im  17.  Jahrb.,  siehe  v.  Fttrth,  Beitrüge  und  Material  sur  Oesohiohte  der  Aachener  Patrisier- 
famüien  Bd.  II,  S.  618.. 

•)  &^8  =  Weg. 

*)  gescheid  =  Scheidung,  Qrenze.    Schiller-Lttbben  a.  a.  O.  Bd.  II,  S.  76. 


—  HO  — 

gft&g  bleib,  damit  ihre  bochw.  nit  verkurtzt  werde  an  ihrer  bochheit  nnd  herligkeit  und 
der  lantman  [nit  an]  seiner  gemeinden. 

Von  der  herligkeit  Stolberg  vrtfgt  man  den,  wasserstranm  auf  bis  gegen  Bintfelts- 
hammer,  da  vrOgt  man  ihrer  hochw.  iährlichs  dr«y  frantzen  cronen  zn.  Darvon  dan  vrogt 
man  dan  den  wasserstranm  auf  bis  gegen  die  Vicht,  daselbst  das  wasser  vormahls  etliehe 
ansbörst  gethan  hat,  damit  man  darzn  sehe,  dass  das  wasser  in  seinem  alden  gang  pleibe 
und  ihr  hochw.  nit  yerknrtzt  werde  an  ihrer  bochheit  und  herligkeit  und  der  lantman 
an  seiner  gemeinden., 

Von  der  Vicht  vrögt  jnan  femer  den  wasserstraum  auf  bis  gegen  Junckershammer« 
Von  Junckershammer  vrögt  man  das  wasser  auf  bis  gegen  den  Alden  Hammer  und  yon 
iedem  hammer  vrögt  man  ihrer  hochw.  zu  ihr  webrgeld. 

Von  den  Alden  Hammer  vrögt  man  auf  bis  gegen  den  Zweifel  \  daselbst  das  wasser 
auch  vorroahls  einige  ansbörst  gethan  hat,  dass  man  darzn  sehe,  dass  der  straum  in  seinem 
alden  gang  pleibe,  damit  ihr  hochw.  nit  verkurtzt  werd  (u.  s.  w.    Wie  oben.) 

Von  dem  Zweifel  vrogt  man  femers  den  wasserstraum  auf  bis  gegen  das  Altwerk 
und  darvon  dannen  bis  gegen  MauUertshutten ',  da  das  wasser  auch  vormahls  etliche 
ansbörst  gethan  hat,  damit  man  darzusehe,  dass  das  wasser  in  seinem  alden  gang , bleibe, 
damit  ihre  hochw.  nit  verkurtzt  werde  (u.  s.  w.    Wie  oben.) 

Von  Maullertshutten  vrögt  man  auf  bis  in  die  Inselsfuhrt.  Aus  der  Inselsfuhrt 
bis  in  die  Enllenfuhrt.  Aus  der  EuUenfuhrt  bis  in  die  Schwartze  Waglu  Ana  der 
Schwartzer  Waagh  vrögt  man  auf  bis  in  die  Fouckersfuhrt.  Aus  der  Fouckersfuhrt  bis 
in  die  Backersfuhrt.  Aus  der  Backersfuhrt  vrögt  man  den  wasserstraum  auf  lanster  die 
Valheit,  bis  da  die  Eschbag  aus  dem  Monscher  gewelts  f%lt  in  die  Grewelsbag. 

Davon  dannen  vrögt  man  den  seif  auf  neb^n  den  Nachtsbora  oben  umb  die 
Kammelshag  die  heid  auf  bis  auf  einen  lägerstoin,  der  mit  nageln  gezeichnet  ist  und 
schetdt  das  laut  von  Munster  und  das  laut  von  Eymburg*. 

Davon  vrögt  man  durch  das  Vyen  *  die  heggen  uf  bis  auf  das  Bierbftumgen,  welches 
nunmehr  ist  vergänglich  worden;  so  wollen  wir  doch  die  malplatz  in  unserer  vrogen  und 
gcdanken  halten  bis  zur  zeit  zu,  dass  die  landherren  beyderseits  bedacht  werden  und 
setzen  daselbst  ein  new  lantscheid,  damit  ihr  hochw.  nicht  verkurtzt  werde  (u.  s.  w.) 

Von  dem  Bierbäumgen  vrögt  man  den  Reichsbuisch  ab  bis  auf  einen  stein,  welcher 
auch  mit  n&geln  gezeichnet  ist,  welcher  auch  gehalden  wird  vor  ein  landscheid. 

Von  demselbigen  vrögt  man  bis  auf  den  Hermenstock,  welcher  auch  ist  vergänglich 
worden,  so  wollen  wir  dieselbe  platz  in  unserer  vrögen  und  gedankcn  halten  bis  zur  zeit 
zn,  dass  da  gesetzt  wirt  ein  new  landscheid,  auf  das  ihr  hochw.  nit  verkürzt  werde  (u.  s.  w.) 

Von  den  Hermenstock  vrögt  man  lanster  der  Reichsbuisch  den  seif  ab  bis  in  die 
Falckcnbag,  aus  der  Falckenbag  bis  undcr  den  Falckenbe^  boven  den  grindel  in  einen 
weg,  welcher  genant  wird,  der  Muckenweg.  Von  dem  Muckenweg  vrögt  man  lanster  den 
reichsgraf  auf  hinter  der  Sehmitten  umb  bis  in  den  Alten  Geisseisbora.  Aus  dem  Alden 
Geisseisbora  vrögt  man  den  Alden  Geisselsborasseif  ab  bis  in  die  Vrischbagh,  da  liegen 
etliche  benden,  welche  vorzeiten  mit  lebendigen  gezeugen  bekundet  sind,  dass  dieselbige 
gemeinden  gewesen  seye;  so  wollen  wir  die  platz  in  unserer  vrogen  und  gedanken  halten 
bis  zur  zeit  zu,  dass  solches  abgeschafft  werde,  damit  das  erf  seye  und  gemeinden  bleibe 
umb  dass  ihr  hochw.  nit  verkurtzt  werde  (u.  s.  w.) 

Aus  der  Vrichbag  vrögt  man  ab  bis  in  die  Ytternbag.  Ans  der  Ytternbag  vrögt 
man  lanster  die  Brandenburgische  erben  bis  gegen  die  Eventheuir  ^  Von  der  Evcntheniren 
vrögt  man  bis  auf  die  Breyteweg,  von  den  Breytenwegen  vrögt  man  über  bis   in  die 


>)  j.  ZweifaU. 

«)  j.  Malart«htttte. 

')  Wahrscheinlich  verschrieben  statt  Lymbnrß. 

*)  Das  Vonn. 

*)  Abenteuer  Tom  romanischen  ad  Ventura. 


—  111  — 

Frennet  auf  einen  stein,  welcher  auch  mit  nageln  gezeichnet  ist  und  vor  ein  latitschcid 
ansgesatzt. 

Von  demselhigen  stein  vrGgt  man  bis  anf  den  Peschborn.  Von  dem  Peschborn  Trögt 
man  aber  bis  auf  den  Daasberg  auf  einen  stein  mit  nageln  gezeichnet,  welchen  man  hält 
vor  ein  lantacheid,  welcher  bei  lebzeiten  herr  Hinrichen  Ton  Binsfelt  und  durch  einen 
cantzler  aus  Brabant  in  gegen  wart  vielen  lantleut  zu  beiden  selten  ansgesatzt  ist  Tor 
ein  lantscheid. 

Von  dem^elbigen  lligerstein  vrögt  man  aber  bis  auf  den  Alden  Schornstein  zu 
Hepschcid.  Von  dem  Schornstein  viögt  man  ab  bis  in  die  Mirgelkoul.  Aus  der  Mirgcl- 
koulen  vrögt  man  ab  bis  in  die  Endcwcyeren.  Aus  den  Endcnweyeren  vrögt  man  über 
bis  in  die  Reischeider  benden  bis  in  Raashoff,  da  plagen  drey  eychen  zu  stahn,  die  man 
Tor  ein  lantscheid  hat  gehalten,  welche  eichen  nunmehr  seiud  vorgenglich  worden.  So 
wollen  wir  die  platz  in  unserer  vrogcn  und  gedanken  halten  bis  zur  zeit  zu,  das  die 
herren  zu  beiden  selten  einig  und  bedacht  seind  und  setzen  daselbst  ein  new  lantscheid, 
damit  ihre  hochw.  nicht  yerknrtzt  werd  (n.  s.  w.) 

Darvon  danncn  vrögt  man  über  bis  auf  den  Alden  Hasscnschorcnstein  zu  Heitfcld. 
Von  demselhigen  schoronstein  vrögt  man  lauster  die  Pa£fenbecken  ab  hinter  Tripshoff  umb 
in  einen  poel,  welcher  genant  wird  der  QemeindepoeP. 

Aus  dem  Gemeindepoel  vrögt  man  ab  bis  auf  den  Ncwenhoff,  da  erlieden  die 
crbgenamen  des  Newenhoffs,  dass  man  über  ihr  erb  fahret,  dessen  gebrauchen  scy  die 
Straß,  welche  mit  holz  bewachsen  ist,  darfur  und  haben  das  holz  davon  abgohawen;  zu 
welcher  zeit  nun  die  crbgenamen  ihr  erb  schlicssen  wurden,  alsdan  solle  man  die  straß 
uf  wiedernmb  thun  und  soll  sie  machen,  dass  mau  aus  einem  lant  in  das  ander  kau 
gerachen.    End  der  lantvrogen. 

III.  Weißthumb  wie  man  einen  mißthätigen  menschen  verwiesen 

und  richten  soll  etc. 

Erstlich  soU  der  Schultheis  die  scheffen  mahnen,  wer  vor  mein  hochw.  herr  der  abt 
zu  halten. 

Alsdann  so  wiesen  die  scheffen,  sey  kennen  einen  ehrw.  herren  abten  mit  namen 
Herman  von  Eynatten'  vor  einen  grundherron  und  vor  einen  herren  dieses  lants. 

Zum  zweiten  ihr  scheffen  seit  vort  gemahnt,  wem  ihr  das  hohe  gericht  zuerkent. 
So  wiesen  die  scheffen  meinen  herre[cn]  herren  dem  abt  za,  dess  daz  hohe  gericht  ist, 
und  er  mag  richten  lassen  über  hals  und  bauch,  so  oft  es  noth  ist,  verurkundt  der  stadt- 
helder  ihr  hochw.  etc. 

Zum  dritten  ihr  scheffen  seit  gemahnt,  wan  mein  herr  wllt  richten  lassen,  wie  er 
sich  mit  dem  vogt  zu  verhalten  habe.  Sollen  die  vorschrjebone  schöpfen  wiesen;  wan 
unser  ehrwürdiger  herr  richten  will  lassen,  so  sali  er  dc[n]  vogt  auf  den  tag  darbei 
Vorbescheiden  und  aldar  sali  der  vogdt  dann  bey  sein  mit  dem  glockenklang  und  sali 
meinem  herren  und  dem  lant  scliirm  thun,  so  oft  das  geburth. 

Zum  vierten  seit  fort  gemahnt,  ob  der  vogt  auf  den  benanten  tag  nit  darbey  käme, 
wie  sich  mein  herr  dan  zu  verhalten,  ob  er  seines  gerichts  darumb  entbehren  solte  etc. 
Darauf  sollen  die  verschriebene  scheffen  wiesen,  der  vogt  komme  darbey  oder  niet :  darumb 
soll  mein  herr  des  gerichts  nicht  lassen. 


1)  Braun  a.  o.  O.  S.  881 :  Qeminepfahl. 

*)  In  dem  catalogna  abbatum  s.  Comelii  prope  AquUgranum,  saeo.  XVII,  Handschrift  der 
Königl.  Bibliothek  su  BrttBsel,  ist  H.  v.  £.  als  der  40.  Abt  nn<l  als  am  2a  Jnnii  1645  vorstorben 
ange^ben.  (Zeitaohrift  des  Aachener  Geschieht s Vereins  Bd.  IX,  S.  217  und  218.)  Ferner  erwähnt  zum  Jahre 
182B  Janaar  2  und  1686  Sept.  19  bei  Qu  ix:  „Die  Herrschaft  Eilendorf  und  die  Sohönforster  Vikarie  in 
Aachen**.  (Qnix,  Geschichte  des  Karmeliterklosters  S.  61  und  S.  Sl.)  Nach  So  hörn,  Eiflia  saora  Bil.  I, 
S.  408,  regierte  H.  v.  E.  von  1020—1645. 


—  112  — 

Zum  fünften  ihr  schefifen  seit  gemahnt,  auf  waa  stftdten  oder  platzen  mein  herr 
soll  richten  lassen.  Sollen  sey  wiesen:  auf  allen  enden  hinnen  St.  Comelis-pftUen,  wo 
meinen  herren  das  gelieht  sonder  allein  auf  geweihte  platzen  oder  iemants  erf. 

Zum  Sexten  seit  gemahnt,  oh  mein  herr  auch  macht  hah  einen  mißthädigen  loß 
nnd  quit  zu  gehen,  ohn  und  banßen  den  vogt.  Wiesen  die  scheffen:  mein  herr  möge 
mißthlldige  menschen  loß  and  qnit  geben  hanßen  den  vogt,  er  seye  verwiesen  oder 
unyerwiesen,  ansgescheidcn  da  einige  cieger  quämen,  so  hette  mein  herr  die  macht  nit, 
ihmen  ^  loß  zu  geben  banßen  willen  des  clegors ;  and  qaäm  der  mit  gelt  and  gat  darvon, 
das  soll  mein  herr  and  der  vogt  zugleich  theilen.    Verarkandt  der  stathelder. 

Zum  siebenden  ihr  schefifen  seit  gemahnt,  wer  dem  gericht  gnag  than  soll  vor  die 
gerichtskOsten.  So  wiesen  die  schefifen:  habe  der  mißchädiger  mensch  einig  gelt  oder 
gnt,  darvon  sali  man  das  nehmen,  and  so  was  darvon  aberscheast,  soll  mein  herr  and  der 
vogt  zugleich  theilen.  Ist  es  aber  Sachen,  dass  der  mensch  oder  mißthftdiger  nichts  hette, 
so  soll  mein  herr  die  kost  allein  thun. 

Zum  achten  seit  gemahnt:  aldar  sitzt  ein  mensch  in  dem  stock,  der  alsolehe 
wercken  gethan  hat,  die  leib  und  leben  antrefifeu,  wie  ich  mich  darmit  zu  erhalten  in 
nahmen  meines  herren.  So  wiesen  die  schefifen :  man  soll  den  menschen  vor  gericht  lassen 
kommen,  ungehalten  und  ungebunden,  und  fragen,  ob  er  bey  den  werten  pleib,  die  er  vor 
bekant  hat;  wan  sie  das  hören,  so  willen  scy  wiesen,  was  recht  ist. 

Zum  neunten  soll  ihn  der  schulthis  thun  loß  vor  die  banck  kommen  und  fragen, 
ob  er  bey  den  werten  pleibt,  die  er  vor'  im  thum  bekant  hat;  spricht  er  ia,  so  soll  der 
schulthis  wegen  meines  herren  solches  verurkunden. 

Zum  zehnten  seit  fort  gemahnt,  ihr  schefifen,  umb  daß  recht,  wan  er  bey  den 
werten  pleibt,  die  er  zuvor  bekant  hat  So  wiesen  die  schefifen  nach  den  wercken,  so  der 
mensch  bekent  gethan  zu  haben,  so  verwiesen  wir  den  menschen  zum  todt.  Solches 
verurkund  der  schulthis. 

Zum  eilften  seit  gemahnt,  nachdem  er  die  wercken  bekant,  wie  man  ihnen  richten 
zwischen  himmel  nnd  erd,  sonder  blutsturtzen. '  Ist  er  ein  mörder,  so  wiesen  sie  ihnen 
aufif  ein  radt  und  das  haupt  ab.  Ist  er  aber  ein  mörder  und  ein  dich,  so  verweist  man 
ihnen  auf  ein  rad  und  ein  galgen  drüber. 


Kleinere  Mitteilungen. 

1.  Verleihung  eines  goldenen  Brostkrenzes  an  die  Kanoniker  des 
Aachener  Liebfrauen-Mttnsters  durch  Kaiser  Josef  U. 

Den  vielen  päpstlichen  und  kaiserlichen  Vergünstigungen,  welche  den  Kapitularen 
des  Aachener  Liebfrauen-Mttnsters,  als  der  Krönungsstätte  so  vieler  deutscher  Könige  im 
Laufe  der  Jahrhunderte  zu  teil  geworden  waren,  fttgte  Josef  II.  im  Jahre  1778  eine  neue 
hinzu,  indem  er  denselben  ein  von  der  Kaiserkrone  überragtes  goldenes  ßrustkreuz  verlieh, 
welches  an  einem  mit  schwarzer  und  gelber  Einfassung  versehenen  blauen  Bande  getragen 
wurde.  Eine  Abschrift^  der  betreffenden  Vcrleihungsurkunde,  welche  unseres  Wissens 
bisher  noch  nicht  veröffentlicht  worden  ist,  lassen  wir  hier  in  unveränderter  Form  folgen : 


>)  st  ihn. 

*)  vorher. 

*)  blat  vergiessen. 

*)  Die  Abschrift  befindet  sich  im  BesiUe  des  Herrn  M.  Schollen,  welcher  dieselbe  sweoks  Ver- 
öffentlichung bereitwilligst  zur  VerfUgting  gestellt,  woflkr  ihm  an  dieser  SteUe  gebtthrender  Dan^ 
ausgesprochen  sei. 


—  113  — 

Wir  Joseph  der  Andere  etc. 

Bekennen  fttr  Uns  und  Unsere  Nachkommen  am  heiligen 

Römischen  Reich  öffentlich  mit  diesem  Brief,  und  thnn  kund  allermenniglich-wasgestalten 
Uns  allergehorsamst  vorgetragen  wurden,  wie  daß  unser  Königliches  Krönungs-Stift  zu 
unser  Lieben  Frauen  in  Aachen  vom  Kayscr  Carl  dem  großen  erbauet  und  vom  Pabst 
Leone  dem  Dritten  im  Jahre  achthundert  vier  persönlich  eingcweyhet,  zur  Kayserl.- 
Krönung  bestimmet,  auch  daselbst  acht  nud  zwanzig  Kaysere  gekrönet  worden  seyen\ 
dann  ein  grosser  Theil  deren  Kayseriichen  Reichs  Insignien  darinn  aufbehalten  werde,  auch 
jederzeit  ein  crwehlter  Römischer  König  bey  seiner  Krön-  und  Einsalbung  als  ein  würk- 
liebes  Canonical  Mitglied',  Sich  zu  bekennen,  forthin  die  Kirche  seiner  höchsten  Person 
ganz  besonders  anzueignen  würdige,  sodann  ferner  dieses  Krönungs  Stift  ans  theils 
ritterbürtigen  theils  graduirten  Membris'  nemlich  aus  dreyeu  Prälaten,  als  einem  zeit- 
liehen Probsten,  Dechanten  und  Chor-Bischofen  *  aus  drcy  und  zwanzig  Capitularen,  unter 
welchen  Dechant-  und  Chorbischof  einbegriffen,  aus  acht  Domicellar-Canonicis,  und  zweycn 
vicarüs  repriis^  benebst  aus  einer  Clerisey  von  fünfzig  Personen  bestehe,  mithin  in  mildestem 
Anbetracht  bemelter  Ursachen  diesem  Capitul  jederzeit  viele  Gnaden  und  Vorzüge  von 
Weyland  Unseren  Vorfahren  am  Reich  und  durch  derenselbeu  Protektion  von  dem  Päbst- 
lichen  Stuhl  zugeflossen  seyeu,  wie  dann  unter  anderen  im  Jahr  Neunhundert  Sieben  und 
Neunzig  Papst  Gregorius  der  fünfte  in  einer  Verleyhung  bey  dieser  Kirche  Sieben  Pres- 
byteros  Cardinales  und  ebensoviele  Diaconos  Cardinales  ans  der  Zahl  der  Capitular 
Canonicomm  bestellet ^  anbey  jenen  eine  pnpurfärbige  mit  rothen  verbrämte,  diesen  aber 
und  anderen  Canonicis  allzeit  eine  distinguirte  Chor-Kleidung  zageeignen  habe,  und  da 
Wir  nun  in  allermildester  Erwegung  dieses  um  Uns  und  Unseren  Vorfahren  am  Römischen 
Reich  sich  verdienstlich  gemachten  jederzeit  im  flor  und  besonderen  Glanz  gestandenen 
auch  Uns  als  Römischen  Kayser,  aus  oberwehnten  Ursachen  besonderes  zugehörigen  und 
geeigneten  uralten  Stifts  Uns  allcrgnftdigst  bewogen  befunden,  selbes  mit  Ehren  Würden, 
und  Wohlthaten  vor  all-anderen,  zu  begaben,  und  Unser  Kayserliche  Hoheit  bey  demselben 
noch  herrlicher  und  scheinbahrer  zu  machen. 

So  haben  wir  demnach  aus  obangeftthHen  und  mehr  anderen  Unser  Kayserliches 
Gemftth  bewegenden  Ursachen  mit  wohlbedachtem  Muth,  gutt-m  Rath  und  rechten  Wißen, 
denen  Ehrsamen  Unseren  lieben  Andächtigen  Probsten,  Dechant  und  Capitularen  Unser 
lieben  frauen  Stifts  Kirchen  zu  Aachen  die  Kayserliche  Gnade  getlian,  sie  in  noch  höhere 
Ehre  und  Ansehen  zu  erheben,  und  Sie  mit  der  Zierde  eines  um  den  Hals  auf  der  Brust 
zu  tragenden  Gnaden  und  Protections-Zeichen  zu  begnadigen. 

Verleihen  solchemnach  dencnselben  Probsten,  Dechant,  und  Capitularen,  zusammen 
vier  und  zwanzig  an  der  Zahl,  das  hiernach  beschriebene  Gnaden  und  Protections-Zeichen 
als  ein  au  einem  blauen  mit  schwarz  und  gelb  eingefassten  Band,  welches  mit  einer 
Kayseriichen  goldenen  Krön  ober  den  Ring  geschlossen  ist,  hangendes  goldenes  Capitnlar 
Kreutz,  auf  welchem  sich  auf  einer  Seite  im  blauen  runden  Schild  mit  Gold  die  von 
dem  Kayser  Carl  dem  großen  die  Kirche  zum  Opfer  annehmende  Mutter  Gottes  darstellet 
und  auf  der  anderen  Seite  das  Capituis  Wappen,  nemlich  ein  in  die  länge  getheilter  runder 


>)  Im  s^anaon  sind  in  Anohen  37  Könige  und  12  Königinnen  gekrönt  worden. 

^  Nach  der  Krönung  wurde  der  König  in  dos  Kollegium  der  Kanoniker  aufgenommen.  Zwei 
(Geistliche  vertraten  des  Königs  Stelle  im  Chonlienst«,  weshalb  sie  vloarif  regU  genannt  wurden. 

*)  Noch  dem  »Raths-  und  HtMatskalender  auf  das  Jahr  Christi  HMS"  war  damals  noch  ein  sehr 
grosser  Teil  sowohl  der  Prälaten  —  Propst,  Dechant,  Hänger  ~  als  sncb  der  Kardlnolpriester  nnd 
Kardinaldiakonen,  sowie  der  Snhdiakonen  und  Domic<>llaren  am  Königlichen  Krönungsstifl  gräflicher, 
freiborrlieber  oder  sonstiger  adliger  Her)canft. 

*)  Der  SU  den  Dignitären  de«  Kapitels  gehörondo  Ohorblschof  oder  Hänger  hatte  den  Chor- 
dienst sa  leiten. 

*)  Siehe  Anm.  2. 

•)  Gregor  V.  ernannte  im» Jahre  997  (Quix,  Co<l.  dipl.  p,  I,  S.  86j  von  den  Kanonikern  sieben 
zu  Kordinalpriestem  und  Biehon  scn  Kardlnahliakunon.  Rrstero  tollten  das  Vorrecht,  am  Marienaltar 
celebricrcn  zu  dUrfen,  nur  mit  dem  Ifetropolii4*u  von  K6ln  und  dem  Diözesnnbischof  von  LUtticli. 


—  114  — 

mit  einer  güldenen  Kayscriicheu  Krön  bedeckter  Schild  sich  zeiget,  in  weichem  rechten 
goldenen  Feld  ein  an  die  Schildstheiiung  angelegter  schwarzer  Adler  zu  ersehen,  nnd  das 
linke  blaue  Feld  mit  goldenen  Lilien  bestreuet*  ist;  wie  solch-  alles  nun  beschriebenes  in 
ünserm  Kayserlichen  Gnadenbrief  zu  ersehen  und  mit  färben  eigentlich  entworfen  und 
gemahlt  ist. 

Wir  verordnen  anboy  aus  Römisch  Kayserlicher  Machtvollkommenheit  wissentlich 
in  Kraft  dieses  Briefes,  und  wollen,  daß  jeweilige  Probst,  Dechant  und  Capitularen  obge- 
dachter  Kirchen  zu  Aachen,  zusammen  vier  und  zwanzig  an  der  Zahl,  obbeschriebeues 
Unser  Kayserliches  Onaden-  und  Protektions-Zeichen  nun  und  zu  allen  Zeiten  am  Hals 
auf  der  Brust  tragen  sollen  und  mögen  und,  daß  ein  solches  a  Capitnlo  Ihnen  auszureichen, 
nach  Absterben  eines  jeden  deren  aber,  der  mit  gedachtem  Gnaden  und  Protektions  Zeichen 
begnadiget  worden,  dahin  zurück  zu  liefern  seye;  wie  sie  denn  auch  noch  Unseres  beson- 
deren Kayserlichen  Schutzes  und  Schirms,  in  welchem  Wir  Sie  anmit  gnädigst  aufnehmen 
sich  freuen  gebrauchen,  und  genießen  sollen,  von  allermcnniglich  ohnverhindert. 

Gebieten  darauf  allen  und  ^eden  Churfttrsten  Fürsten  Geist-  und  weltlichen  Prälaten, 
Grafen,  freyen,  Herren,  Bitteren,  Knechten,  Land-Marschallcn,  Lands-Haup'.ledten,  Land 
Vögten,  Hauptleuten,  Vitzdomen*,  Vögten,  Pflegcren,  Verweseren,  Amtleuten,  Land-Rieb- 
teren,  Schultheißen,  Bürgermeisteren,  Richteren,  Räthon,  Kundigeren  der  Wappen,  Ehren- 
holden Porsevanten  Bürgeren  Gemeinden,  und  sonst  allen  anderen  Unseren  und  des  Reichs 
Unterthanen,  nnd  getreuen  wes  Würden  Standes,  oder  Weesens  die  seynd,  ernst  und  vestig- 
lich  mit  diesem  Brief,  und  wollen,  daß  sie  mehr  bemelte  Probst  Dechant,  und  Capitularen 
Unserer  lieben  frauen  Stifts  Kirchen  zu  Aachen  zusammen  vier  und  zwanzig  an  der  Zahl, 
bey  dieser  unser  kays.  Gnadeus  Verleyhung  mehr  berührten  Gnaden  und  Protektions- 
Zeichen,  wie  vorstehet,  auch  Tragung  dessen  je  und  allezeit  geruhiglich  bleiben  lassen, 
sie  daran  nicht  hinderen,  irren,  noch  das  jemands  anderen  zu  thun  gestatten,  in  keine 
Weis  noch  Wecge,  als  lieb  einem  jeden  seye,  unsere  und  des  Reichs  schwere  Ungnad  und 
Straf  und  darzu  eine  Pocn,  nemlich  hundert  Mark  löthigen  Goldes  zu  vermeiden  die  ein 
jeder  so  oft  er  freventlich  hierwiederthäte,  und  sie  iu  allen  oben  gedachten  Unseren  ihnen 
allermildest  erthcilten  Kayserl.  Gnaden,  Ehren  und  Unserer  Kays:  Gnadens  Verleyhnog 
oft  bemelten  Gnaden  und  Protections  Zeichen  beeinträchtigen  würde,  Uns  halb  in  unsere 
und  des  Reichs  Catnnier  und  den  tindereu  halben  Theil  oft  besagten  Probst,  Dechant  und 
Capitularen  Unserer  üeben  frauen  Stifts  Kirchen  zu  Aachen,  so  hierwieder  beleydigt  wurden, 
unnachläßlich  zu  bezahlen  verfallen  seyn  solle;  doch  uns  nnd  dem  heiligen  Römischen 
Reich  an  Unseren  und  sonst  männigbch  an  seinen  habenden  Rechten  nnd  Gerechti|i^keiten 
un vergriffen  und  unschädlich. 

Mit  Urkund  dieses  Briefs  besiegelt  mit  Unserm  Kayserlichen  anhangendem  Insie^l 
der  geben  ist  zu  Wien  den  zweyten  Tag  Monaths  Novembris  nach  Christi  unseres  lieben 
Herrns  und  Seeligmachers  gnadenreicher  Geburt  im  siebcnzehenhundert  drey  und  slebcu- 
zigsten  Unseres  Reiches  im  Zehenden  Jahre* 

Joseph  m.  p. 

vidit  R.  Archicancellarius.  fürst  Colloredo'  m.  p.      Ad  Mandatum  Sac.  Caes. 

Majestatis  proprium 
Franz  Georg  von  Leykamp  m.  p. 

Collatat.  und  registr.    M.  de  Molitor  m.  p. 


1)  Dasselbe  Kreuz  trafren  auch  heute  noch  die  Stif^sherren  am  hiesigen  KollegialtstifV,  jedoch 
ohne  Krone  an  einfachem  schwarzen  Bande. 

»j  Ein  Vicedominus  (Viceprobst,  Vitsthnm)  war  Vertreter  des  Propstes  bei  der  I«ehii*  od^r 
Mannkaramer. 

»)  Rudolf  Josef,  Graf  von  Colloredo,  geboren  den  6.  Juli  1706,  wurde  1737  Beichsvisekaiuilea-, 
176B  in  den  Fürst^jnstand  erhoben  und  starb  den  1.  November  17**8. 

Aachen.  H,  Sehnock, 


—  115  — 

2.  Stadtsyndicns  Anton  Wolf. 

Beim  Ordnen  der  Reich stagsaktcn  des  hiesigen  Stadtarchivs  fanden  wir  nachstehenden 
Brief.  Er  ist  Ton  historiographischem  Interesse  und  bietet  zugleich  einen  Beitrag  zur 
Geschichte  eines  Mannes,  der  in  der  bewegtesten  Epoche  Aachens,  der  Zeit  der  Oegonrefor- 
mation,  eine  bedeutende  Rolle  gespielt  hat.  Anton  Wolf,  sein  Gönner  Johann  Unland  und 
der  bekannte  Büi^ermeister  Johann  Kalckbcrnor  waren  die  Häupter  der  protestantischen 
Partei,  die  das  Stadtregiment  allmählich  ganz  in  ihre  Gewalt  gebracht  hatten.  Der  Eingriff 
der  Spanier  von  den  Niederlanden  aus  entriss  es  ihr  und  zwang  ihre  Anhänger,  darunter 
in  erster  Reihe  den  Syndicns  Anton  Wolf,  die  Stadt  zu  verlassen.  Der  Brief  hat  mit  der 
Adresse  des  Umschlages  folgenden  Wortlaut: 

Denen  hocbwohl-,  wohl-  und  hocbedelgebomen ,  hochgelabrten  auch  hochweisen 
herren  burgermeister,  scheffen  und  rat  des  heil,  römischen  rcichs  freien  sUdt  Aachen, 
meinen  insonders  hochzuehrenden  herren. 

Postfrei  bis  Cöln.  Aachen. 

Hochwohlgeborne,  wohl-  und  hochedelgeborne,  hochgelahrte  herren,  insonders 

hochzuehrende  herren! 

Ew.  hoch  wohl-,  wohl-  und  hochedelgeboren  werden  aus  den  dortigen  rats-archiven 
sich  Icichtlich  überzeugen  können,  dass  vom  jähr  1611  bis  1614  ein  gewisser  zu  damaligen 
zelten  seiner  geschicklichkeit  halber  sehr  bekannter  und  berühmter  doctor  juris  Anton 
Wolf,  der  nachher  vom  kaiser  Ferdinand  in  den  freiherren-stand  unter  dem  namen  von 
Todcwarth  erhoben  wurde,  das  syndicat  der  kaiserl.  freien  reichsstadt  begleitet  habe. 
Er  war  zu  dieser  stelle  durch  vermitteluug  eines  gewissen  doctor  Johann  Rulands  ge- 
kommen, hatte  sich  1612  mit  einer  gewissen  Katharina  von  Beeck  daselbst  verheiratet 
und  vorliess  diese  syndicatsdienste  bei  der  harten  belagemng  des  uuf  eine  traurige  art 
sich  unsterblich  gemachten  Spiuola*,  wendete  sich  nach  Utrecht,  von  da  nach  Strassburg, 
endlich  nach  Darmstadt,  und  dessen  posteritö  hat  sich  in  hiesiger  gegend  verbreitet,  wo 
sie  noch  blühet. 

Da  nun  vor  kurzen  ein  abkömmling  eines  Anton  Wolfs  in  dem  bezirk  des  mir 
gnädigst  anvertrauten  amts  verstorben  ist  und  ich  einige  von  dessen  erben  unter  meine 
Vormundschaft  bekommen,  dabei  aber  unter  denen  büchern  und  litteralien  des  defuncti, 
welche  veräussert  und  versilbert  werden  sollen,  vier  ziemlich  starke  in  säubern  pergamen 
gebundene  folianten  von  Sammlungen  an  sehr  leserlichen  manuscriptis  vorgefunden  habe, 
welche  den  königl.  stuhl  und  des  heil,  römischen  reichs  Stadt  Aachen  tangiren  und 
einem  vierjährigen  syndicat  ihr  entstehen  zu  verdanken  haben,  als 

Religions-  •, 

Cöllnische  sessions-*, 

Jurisdictions-  und  appellations-, 

Münz-  und  reichsmatrikel-sachen ; 

Besetzung  des  rats  zu  Aachen  von  1450  bis  1584^; 


1)  Am*  26.  Augast  1614  beseUste  der  spanische  Felilmarsoliall  Ambruglo  Spinola  Aachen,  tun  die 
vom  Kaiser  Mathias  über  die  protestantisclien  Machthaber  der  Sta<lt  ausgesprochene  Acht  zu  vollziehen. 

*)  Vgl.  Akten -Sammlung,  verachiedcntliche  Streitsachen  der  Stadt  Aachen  InöO  bis  1H96, 
Munuscript,  im  hiesigen  Stadtarchiv. 

•)  Bd.  XVJI  der  Handschriften-Sammlung  des  Stadtarchivs:  Kayserliche  Reichsstadt  Aach 
contra  Stadt  Colin  anno  1570  den  Vorsitz  betreffend  [Vomembste  Scliriften  und  Handlungen  zu  streitiger 
Sessionsach  der  Stätte  Aach  und  Colin :  darin  beeder  Statt  vornembste  Privilegin  sambt  andern  gedonk- 
würdigen  Händeln,  brieflichen  Urkunden,  Historien  und  Erzehlungen  befindlich.  In  dieser  Sach  seind 
Commissarii  gewesen  der  ChnrfUrst  zue  Trier  und  Bischof  zue  Speyer.]  Der  Hauptfoliant  Über  den 
Sessionsstreit  beruht  im  Stadtarchiv  Köln. 

*)  In  der  Quixsohen  Sammlung  in  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin.  Vgl.  C.  Wacker,  Leben 
and  Werke  des  Aachener  Geschichtsschreibers  Christian  Quix  S.  57  [Ms.  boruss.  in  foL  Nr.  758:  Wie 
es  mi^  Besatzung  des  Raths  zur  Aach  von  1450  bis  1584  gehalten]. 


—  116  — 

Instructiones  zu  reiehstttgen*; 

Friedens-trac  taten ; 

Eccesse  der  stadt  and  bürgerachaft; 

Kaiserliche  kommissionsprotokollc,  besonders  von  1612  und  1618, 
and  dergleichen  mehr 
betreffend,  von  welchen  ich  es  vor  unverantwortlich  halten  würde,  wenn  solche  nicht  in 
dero  gewahrsam  kommen  selten:  so  habe  ich  mich  allenthalben  vor  verbanden  gehalten, 
Ew.  hochwohl-,  wohl-  und  hochedelgeboren  solches  hierdurch  gehorsamst  ergebenst  bekannt 
za  machen  and  denenselben  den  verkauf  derselben  anzutragen.  Würden  nun  dieselben 
sothane  manuscripta  an  sich  zu  bringen  gesonnen  sein,  so  dürften  nur  dieselben  drei 
stück  alte  vollwichtige  Louis  d'ors  nebst  einer  adresse  nach  Frankfurth  am  Mayn  mir  niit 
ehester  post  zuzuschicken  geruhen,  worauf  ich  diese  4  folianten  wohlgepackt  und  zwar 
postfrei  bis  Frankfurth  zu  übersenden  nicht  verfehlen,  zugleich  aber  auch  mir  zur  ehre 
hochachtungsvoll  allstets  sein  werde 

Ew.  hochwohl-,  wohl-  und  hochedelgeboren' 
Hildburghausen,  gehorsamst  ergebenster  diener 

den  28.  märz  Johann  Gottlob  Bottenbach, 

1784.  herzogl.  sächs.  rat  und  amtmann  allhier. 

Aachen,  W,  Brüning. 


3.  Handelspolitisches  aus  der  „ Reichsherrlichkeit''  Bartscheid. 

Im  18.  Jahrhundert  bot  Deutschland  ein  Bild  staatlicher  Zerrissenheit,  wie  es  so 
traurig  noch  keine  Epoche  deutscher  Geschichte  gesehen  hatte.  Nach  allgemeiner  Annahme 
sollen  im  Jahre  1789  etwa  dreihundert  Staatengebilde  in  Deutschland  neben  und  durch 
einander  gelegen  haben.  Aber  nach  einem  bisher  unbekannten  Verzeichnis  aus  dem  Jahre 
1790',  das  auf  dem  hiesigen  Stadtarchiv  beruht,  waren  es  389  ausser  „Chur-Böheim*  und 
den  „Burgnndischen  Nieder-Erblanden*^.  „Die  kaiserliche  unmittelbar  freie  Beichsherrlich- 
keit  Burtscheid"  gehörte  auch  zu  diesen  Staatengebilden  und  sie  liefert  gleichfalls  lehr- 
reiche Beiträge  zu  deren  wenig  erfreulicher  Geschichte.  In  Nachstehendem  veröffentlichen 
wir  einen  solchen,  dem  wir  andere  folgen  lassen  werden,  um  zu  beweisen,  wie  berechtigt 
unsere  Beurteilung  der  Produkte  der  deutschen  „Landzcrtrennungspest^  ^  ist.  Der  territorialen 
Beschränktheit  solcher  Stäätlein  wie  Burtscheid  entsprach  die  Beschränktheit  des  Blicks 
seines  Regiments,  die  Kleinlichkeit,  die  Energielosigkeit,  die  Streit-  und  Händelsucht 
Wer  bei  der  Betrachtung  der  „Geschichte^  Burtscheids  nicht  an  der  Oberfläche  hängen  . 
bleibt,  kann  sie  in  drei  Kategorieen  einteilen:  Differenzen  der  Bnrtscheider  mit  Aachen, 
Differenzen  mit  der  Äbtissin  und  Differenzen  unter  sich. 

In  dem  Verfasser  des  nachfolgenden  handelspolitischen  Gutachtens,  das  Ansichten 
vertritt,  die  erst  im  neuen  deutschen  Reich  zum  Teil  praktische  Geltung  erlangt  haben, 
dürfen  wir  wohl  einen  Bnrtscheider  Fabrikanten  vermuten.  Er  wendet  sich  gegen  die 
Verordnung  des  Gerichts  zu  Burtscheid,  die  in  den  siebziger  Jahren  des  vorigen  Jahr- 
hunderts erlassen  worden  war  und  der  Bnrtscheider  Industrie  Schwierigkeiten  bereitete. 

„Dass  durch  den  handel  alle  königreiche,  fürstcntümer,  republicken,  länder,  Städte 
und  Ortschaften  ihre  blute  und  fruchte  vemutzen  und  übersetzen,  dem  einem  aber  von 


1)  VgL  Ck>n8iliiim  in  causa  Aqaensioxn  zur  iDstxuction  fUr  den  Reichstag  1504,  bei  Wacker  a.  a.  O. 

*)  Zwischen  dieser  und  der  folgenden  Zeile  steht  mit  rotem  Bleistift  geschrieben:  «Die  Louis 
erhielt  er." 

*)  Korrespondenz  des  Gesandten  der  Reichsstadt  Aachen  am  Reichstage  zu  Regensburg  Ludwig 
Edler  von  Winokellmann  vom  81.  December  1790. 

^)  Diesen  drastisclien  Ausdruck  für  die  territoriale  und  politische  Zersetcung  Deuucblands 
gebrauchte  ein  anderer  Gesandter  Aachens  am  Regensburger  Reichstag  bereits  im  Jahre  1721.  £r 
beweist,  wie  sehr  einsichtsvolle  Männer  die  Kleinstaaterei  verurteilten. 


—  117  — 

dem  Schöpfer  etwas  mehr,  dem  andern  weniger,  auch  nicht  jedem  der  art  nach  gleich, 
sondern  seiner  läge  gcmässige  hervorhringongen  verstattet  und  der  politische  weltkörper 
immerhin  betrachtet  worden  seic  wie  ein  menschlicher,  dessen  inn-  und  ftusserliche  teile 
ihre  Verrichtungen  in  einem  Zusammenhang  denuasscn  bezeigen,  dass,  wann  ein  einziger 
in  der  seluigen  durch  einen  znfall  gchcmmct  und  das  blut  sammt  übrigen  säfteu  in  ihrem 
freien  anf-  und  abtrieb  verhindert,  fort  deren  ordentliche  werkung  an  und  in  gehöriger 
stelle  sehr  wenig  oder  gamicht  verspüret  werde,  der  ganze  leib  solches  so  lang  empfinde, 
^bis  die  hindernüs  gehoben  und  alles  wiederum  seinen  freien  lauf  gewinne:  dass  ferner 
der  handel  als  die  seele  des  politischen  körpers  in  ihren  ordentlichen  Verrichtungen  so 
frei  und  ungehindert  sein  müsse  als  die  des  menschlichen,  ist  eine  durch  die  urfahrnüs 
so  bekannte  sach,  dass,  wo,  so  lang  die  weit  stehet,  und  nach  dem  ersten  in  blossem 
tausch  bestandenen  handel  das  geld  aufgekommen  und  der  kauf  mehren theils  cingetrctten 
ist,  auch  kein  einziger  monarch,  regeut  oder  Vorsteher  sich  mit  Vernunft  habe  beigehen 
lassen,  durch  einige  Verordnungen  der  freiheit  dieser  seelen  ihrer  würkung  widrige 
schranken  zu  setzen:  es  wohl  für  ein  bloss  und  vemunftloses  anmassen  des  burdscheider 
gerichts  anzusehen  seie,  da  dasselbe  nur  in  contentiosis  der  jnstitz  zu  verwalten,  keines- 
wegs aber  und  noch  um  so  weniger  in  dieser  kenntlichen  materia  politica  unter  dem 
dahero  leeren,  sonsten  aber  nur  in  der  tragnug  gemeiner  lasten  geltenden  vor  wand,  als 
müsten  diejenige,  so  gemeinsame  bürden  tragen,  sich  auch  sammeutlich 
unter  die  arme  greifen,  einzumischen  hat,  als  nicht  dasselbe,  auch  nicht  die  frau 
abtissin,  sondern,  zumalen  bei  jetzigen  umständen,  wo  ein  ehrbarer  rat  der  stadt 
Achen  die  superioritatem  territorialem  über  Burtscheid  reklamirt,  sich  mit  dergleichen 
Vortrag  und  allenfalsigen  bedrohung  äusseren  mag,  so  dass,  wann  selbiges  gericht  dabei 
beharren  und  wider  die  herren  tuchfabrikanten  zu  Burdscheid  in  concreto  oiler  abstracto 
ferner  vorschreiben  und  deren  bereits  gethane  triftige  antworten  daselbst  keinen  eiutruck 
finden  selten,  gedachte  herren  vorab  unter  der  band  diesen  verfall  etwa  dem  herrn 
stadt-syndico  Denys  oder  auch  directe  denen  herren  bürgermeistern  mündlich  bekant  zn 
machen  keinen  anstand  zu  nehmen  und  nach  deren  äusserung  bei  einem  ehrbaren  rat 
darüber  ein  ordentliche  Vorstellung  einzureichen  und  darauf  zu  ihrer  verhaltung  das 
gemessene  sich  auszubltten,  allenfalls  aber  bei  fernem  des  gerichts  zudringlichem  verfahr 
darwider  feirlichst  zu  protestiren  und  sich  baldigst  zum  kaiserlichen  reichshofrat,  wo 
die  causa  superioritatis  territorialis  würklich  befangen  ist,  als  nacber  Wezlar  *  pro  niandato 
de  non  turbando  in  libertate  commercii  et  lanarnm  fabricae  ac  pannorum  aptatione  cum 
inhibitiono  de  desisteudo  ab  omni  coactione  fatae  libertati  contraria  S.  C.  etc.  anzu- 
stehen hätten. 

Welches  also  bei  der  mir  durch  stäte  interruptiones  zu  einer  weitern  ausarbeitung 
abgehenden  zeit  zur  antwort  auf  der  unter  der  position  des  casus  gestellte  zwei  fragen 
andurch  erteile  mit  dem,  was  sonsten  auf  den  immer  steigenden  abtissinnlichen  pruritum 
quadriret. 

Übrigens  aber  jeder  bessern  meinung  der  andern  herren  collegen  gern  beitrette.^ 

Aachen.  W,  Brüning. 


4.  Ein  Greiizschub  im  17.  Jahrhundert. 

Nachdem  die  Köuigspfalz  Aachen  sich  zur  freien  Reichsstadt  ausgewachsen  hatte, 
trotz  allen  bald  geheim,  bald  ofi^en  betriebenen  Behinderungen,  welche  ihr  dabei  die  von 
Kaiser  und  Reich  bestellten  Pfleger  und  Schützer  in  den  Weg  lehrten,  blieben  ihr  als 
Erbschaft  aus  dieser  schweren  Evolution  die  stete  Sorge  um  die  Erhaltung  des  gewonnenen 
Bestandes  und  die   wachsame  Abwehr   der  sich  periodisch   immer   wieder   einstellenden 


*)  Der  Reichshofrat  in  Wien  und  das  Reichskammergericht  in  Wetzlar  waren  die  beiden  höchsten 
Reichsgerichte  und  standen  sich  mit  gleichen  Rechten  gegenüber. 


—  118  — 

Angriffe,  die  vod  augrenzenden  Tcrritorialhcrren  anf  die  ihrem  Bereich  zunächst  liegenden 
Teile  des  Aachener  Reiches  vertiht  wurden.  Und  wie  die  Aachener  sich  ihrer  Feinde  und 
Dränger  zu  erwehren  suchten,  bekunden  heute  noch  die  Beste  der  Fortifikationen  und 
Landwehren,  die  konzentrisch  Stadt  und  Reich  umschliossen,  bezeugen  noch  die  zahlreichen 
aus  jener  Absicht  erworbenen  Schutz-  und  Freibriefe  sowie  noch  vorhandene  Aktenbändc 
im  Aachener  Stadtarchiv.  Die  zwischen  Aachen  und  seineu  Grenznachbaru  herrschende 
Stimmung  kam  in  reichsstädtischer  Zeit  am  ersten  da  zum  Durchbruch,  wo  auch  heut- 
zutage internationale  Spannungen  am  leichtesten  sich  entladen,  nämlich  im  unmittelbaren 
Verkehr  au  der  Zoll-  und  Staatsgrenze. 

Ein  Bildchen  jenes  Treibens  im  17.  Jahrhundert  ist  in  kurzen  aber  kräftigen  Zügen 
in  nachstehendem  Bericht  erhalten  geblieben,  der  uns  die  umständlichen  Formalien  und 
erstaunlichen  Ausschreitungen  erzählt,  die  unter  bewandten  Umständen  die  Auslieferung 
eines  Diebes  und  des  beklagenswerten  Zeugen  von  Aachen  nach  Brabant- Liraburg 
hervorrief.  Die  Handlung  spielt  sich  ab  im  Zeltalter  des  Steifleinens  und  der  Steppröcke, 
weshalb  uns  die  übergrosse  Wichtigkeit  in  dem  vorsichtigen  Gebahren  unsrer  Altvordern 
weniger  übel  anmutet  als  das  allzu  derbe  und  herausfodernde  Benehmen  der  „Brabänder^, 
das  um  so  abstossender  wirkt,  je  mehr  es  durch  das  sichere  und  feste  Auftreten  der 
Aachener  den  angeschlagenen  Ton  herabzustimmen  sich  gezwungen  fühlt. 

Die  hier  in  Betracht  kommenden  örtlichkeiten  sind  das  jetzige  Ackorgut  Hirzpley 
bei  Linzenshäuschon  und  der  hinter  Hirzpley  belegene  zweite  Grenzwall  der  Grabenwebr 
des  ehemaligen  Aachener  Reiches: 

(Aachener  Stadtarchiv^ 

Den  23.  Junii  1682. 

Erschiene  Jacob  Mercks,  gefreiter  dieser  statt  Aach,  und  erclärte,  daß,  als  er 
gestern  auß  befelch  der  herren  burgermeisteren  und  seines  othciercn  mit  noch  sieben 
commandirten  stattsoldaten  einen  sichern  inhaftirteu  oder  arrestirten,  so  wegen  rauburey 
suspect,  sambt  einem  kauf-  oder  handelßmau,  welcher  desselben  ankleger,  als  von  h. 
lieuteuant-gouverneurn  von  Limburg  reclamirte,  an  einander  geklanstert,  baußen  unserm 
der  statt  Aach  territoir  denen  schützen  dess  lands  von  Limburg  überliebern  wollen  uud 
ahn  dem  Hirtzpley,  empfangen  wollen.  Worauf  der  maiorey-secretarius  dr.  Aubels  auf 
declarantis  anzeig  sambt  den  Soldaten  gesagt,  daß  sie  selbige  liebem  musten  bis  am 
eußersten  iandgraben  am  alten  schlagbaum  oder  da  derselbe  gestanden  hat.  Als  nun 
der  scholtiß,  so  die  schützen  commandirt,  hierwider  protestirt  und  der  maiorey  socretarlus 
Abels  hingegen  gleichfals  protestirt,  habe  gemelter  scholtiß  gesagt:  „Protestim  und 
rcverenter  broechscheißen  *  ist  kein  kunst**.  Worauf  gemelter  Aubels  replicirt:  ^Hola, 
das  soind  grobe  wort,  die  werd  ich  den  herren  vordragen**,  der  scholtiß  aber  hinwider 
gesagt:  er  bedorfte  die  worter  von  „roverenter  brochhofirn*"  nit  zu  sagen.  Auf  welchem  ' 
die  maiorsdienern  die  gefangene  auf  den  eußersten  grentzcn  unsers  tenitorii  loßgemacht 
und  selbige  auf  dem  Limbi^gischen  boden  denen  schützen  ubcrliebert  haben. 

Aachen,  H,  KeUeter. 


6.  „Der  Historienmaler  Adam  Eberle  aus  Aachen  (1806—1832).* 

Unter  dieser  Oberschrift  enthält  der  20.  Band  der  Zeitschrift  des  Aachener 
Geschichtsvereins  einen  vierseitigen  Artikel  des  Herrn  Kanonikus  Dr.  Beilesheim  über  den 
hier  am  27.  März  1804  geborenen  Maler  J.  A.  Eberle. 

Wenn  Herr  Dr.  Bellesheim  behauptet,  dass  Eberles  Andenken  hierorts  verschollen 
sei,  so  trifft  das  nicht  zu. 

Schon  vor  zwei  Jahren  habe  ich  über  diesen  Künstler  einen  auch  von  Herrn  Dr. 
Bellesheim  am  Schlusöe  seines  Artikels  allerdings  ohne  jeden  Hinweis  auf  den  Inhalt 

*)  Das  niederdeatsche  broech  stammt  vom  lat.  bracca  =  Hose, 
*)  Eaphemismus  f^  den  ad  1  gebranohten  Ausdruck. 


—  119  — 

vermerkten  grösseren  Aufsatz  in  der  Zeitschrift  ,Aas  Aachens  Vorzeit*  veröffentlicht  ^ 
Ich  habe  hier  zum  ersten  Male  das  bis  dahin  in  der  gesamten  Litteratnr  nnrichtig 
angegebene  Geburtsdatum  Eberles  aus  der  Geburtsurkunde  festgestellt'  und  auch  den 
vielfach  unrichtig  angegebenen  Todestag  richtig  vermerkt 

Wesentlich  Neues  hat  dann  auch  Herr  Dr.  Bellesbeim  nicht  beizubringen  vermocht 
Die  von  ihm  bei  seiner  Arbeit  hauptsächlich  benutzten,  1897  erschienenen  „Erinnerungen  au 
Eroilie  Linder"  von  Franz  Binder  sind  weiter  nichts  als  ein,  soweit  das  Verhältnis  zwischen 
Linder  und  Eberlo  in  Betracht  kommt,  nur  wenig  veränderter  Abdnick  zweier  kurz  nach 
Liuders  Tode  in  Band  59  der  histor.-politischen  Blätter  (1867)  erschienener  Artikel,  aus  denen 
ich,  unter  genauer  Angabe  hiervon,  alles  auf  Eberle  bezügliche  •—  es  handelt  sich  vor- 
nehmlich um  Briefe  Eberles  an  E.  Linder  —  wörtlich  in  meinen  Aufsatz  überuommen  hatte. 

Sonst  enthält  der  Aufsatz  des  Herrn  Dr.  Bellesbeim  manches  nicht  zur  Sache 
Geliörigc.  Die  erste  halbe  Seite  bcfasst  sich  ausschliesslich  mit  E.  Linder,  die  gar  keine 
Beziehungen  zu  unserer  Vaterstadt  hatte.  Wozu  in  einer  Arbeit  tibcr  Eberle  eine  vier 
Zeilen  starke  Anerkennung  dem  Howitt-Biudcrschen  Werke  über  Overbock  gewidmet  ist, 
wird  jedem,  der  dieses  Buch  kennt,  unverständlich  sein. 

Die  in  einer  19  zeiligen  Anmerkung  wiedergesehene  Geburtsurkunde  Eberles  ist 
durch  zwei  Druckfehler  verunstaltet'.  Was  in  dieser  Urkunde  von  Interesse  ist,  habe 
ich  bereits  in  meinem  Artikel  in  korrekter  Weise  veröffentlicht.  Das  Original  der  Urkunde 
ist  in  ein  gedrucktes  Formular  geschrieben  und  jeder  Interessent  kann  beim  Staudesamt 
oder  auf  der  Gerichtsschreiberei  des  Landgerichts  für  50  Pfennig  eine  beglaubigte  Abschrift 
der  Urkunde  erhalten. 

Herr  Dr.  Bellesbeim  erwähnt  eines  Gedichtes  von  Clemens  Brentano,  welches  eine 
Erklärung  der  Eberlcschcn  Zeichnung:  Petrus  und  Panlus  auf  der  Fahrt  nach  Rom 
enthält,  er  bringt  es  jedoch  nur  soweit,  als  es  bei  Binder  (a.  a.  0.,  S.  19)  enthalten  ist. 
Das  Gedicht  weicht  in  der  Erläuterung  der  Zeichnung  von  meiner  Erkläruiig  (Aus  .^achens 
Vorzeit,  Bd.  IX,  S.  127)  ab,  weshalb  ich  es  hier  ganz  folgen  lasse. 

Transitus  Apostolorum. 

Zu  einem  Bilde  von  Eberle. 

Sieh!  Petrus,  Panlus  schiffen  Hand  in  Hand 
Vom  Morgenlande  hin  zum  Abendland. 
Die  Gnade  trägt  des  Glaubens  Schild  voran. 
Und  leuchtet  vor  auf  ihrer  Sendung  Bahn. 

Der  Glaube  stehend  bei  des  Kreuzes  Mast, 
Mit  starker  Hand  des  Schiffes  Steuer  fasst, 
Der  Odem  Gottes  hoch  die  Segel  schwellt. 
Es  dringt  des  Kreuzes  Siegruf  durch  die  Welt. 

Der  Lehre  Saiten  Gottes  Engel  stimmt. 
In  Eintracht  sicher  Petri  Schifflein  schwimmt, 
Der  Engel  folgt  mit  Palme,  Kreuz  und  Schwert, 
Des  Meisters  Lohn  sind  treue  Knechte  werth. 

Im  Licht  das  aufging  in  dem  Morgenland, 
Glänzt  römischer  Bau  auf  abendlichem  Strand. 
So  führt  dem  Auge  den  Hiutibergang 
Und  Heimgang  der  Apostel  Kunst  entlang. 


»)  Bd.  IX,  S.  119- 12S.    NnchtrUße  zu  diesem  AufsatKo  brachte  ich  Bd.  X,  J<.  58. 

■)  Abweichend  von  der  Überschrift  hiit  Herr  Dr.  Betleshcim  im  Texte  das  richtige  Geburtsdatum. 

»)  Es  muss  heissen :  Z.  4  v.  u.  PhiUip  statt  Philipp  —  Z.  3  v.  u.  adjoint  stntt  adjoin. 

Aachen,  Fey, 


—  120  — 
6.  Zum  Niedergang  der  Reichsstadt  Aachen. 

Im  fünfzehnten  Jahrhundert,  der  Zeit  der  Hltite  deatscher  Reichsstädte,  orreiclite 
auch  Aachen  den  Gipfelpunkt  seines  Aufschwungs  ini  Mittelalter.  Ein  Beweis  daftir  ist 
der  siegreich  durchgeführte  Kampf  der  Zünfte  um  den  Anteil  am  Stadtregiment.  Die 
Bürgerschaft  war  reich  und  stark  genug  geworden,  um  sich  nicht  länger  mehr  von  einer 
Handvoll  erbrätlichcr  Patrizier  am  Gätfgclbande  führen  zu  lassen,  die  in  einseitiger  In- 
teressenwirtschaft den  demokratischen  Charakter  der  Verfassung  negierten  und  deren 
Finanzpolitik  beispielsweise  ihrer  Weisheit  Schluss  allein  in  der  methodischen  Ausbeutung 
der  Bürger  zweiter  Sorte,  d.  h.  der  produzierenden  Stände  fand. 

Das  erste  Hindernis  bereitete  der  gedeihlichen  Entwickelung  der  politischen  und 
materiellen  Verhältnisse  die  Reformation,  die  in  ihrem  Verlaufe  nach  so  mancher  Richtung 
zerstörend  wirkte,  weil  sie  über  die  Grenzen  einer  an  sich  notwendigen  Erneuerung  und 
Verbesserung  hinausging  und  in  das  deutsche  Reich  wie  in  seine  einzelnen  Teile  den 
Zündstoff  der  Revolution  trug.  Geradezu  revolutionärer  Natur  waren  denn  auch  für 
die  Reichsstadt  Aachen  die  Zeiten  von  1533,  in  welchem  Jahre  die  ersten  Religionswirren 
blutige  Massregeln  hervorriefen,  bis  zum  Jahre  1614,  wo  der  Spanier  Spinola  mit  seiner 
Soldateska  die  Ruhe  und  die  frühere  Ordnung  der  Dinge  wieder  herstellte.  Es  war  die 
Ruhe  der  Erschöpfung.  Die  Bevölkerungsziffer  und  der  Vermögeusstand  der  Stadt  war 
in  den  Wirren  durch  Hinrichtungen,  Verbannung  und  freiwillige  Auswanderung,  oft  gerade 
der  Werte  schaffenden  Bestandteile  der  Bürgerschaft,  erheblich  gesunken;  die  Industrie, 
welche  beispielsweise  die  Erzeugnisse  der  Tuchfabrikation  bereits  gegen  Ende  des  vier- 
zehnten Jahrhunderts  zu  den  gesuchtesten  auf  allen  Märkten  Europas  gemacht  hatte, 
zurückgegangen  oder  auch  teilweise  ganz  erloschen,  wie  die  Waffen-  und  Messingfabrikation. 
Dann  kamen  die  Schrecknisse  des  dreissigjährigen  Krieges  mit  der  Zersetzung  des  Reiches, 
die  die  alte  Krönungsstadt  fast  vollständig  vom  Reichszentrum  loslöste,  mit  ihren  unaufhör- 
lichen Einquartierungslasten  und  Drangsalen,  welche  die  gegen  die  neuere  Kriegsbewaflnung 
wehrlose  Stadt  zum  Spielball  der  beutegierigen  Laune  jedes  Coudottiere  machten,  und 
acht  Jahre  nach  Beendigung  des  allgemeinen  Unheils  das  besondere,  geradezu  vernichtende 
Unglück  des  grossen  Brandes  vom  Jahre  1656. 

Über  ein  Jahrhundert  hallen  die  Akten  der  Reichsstadt  Aachen  wieder  von  er- 
schütternden Klagen  über  die  Not,  die  durch  diesen  Brand  über  sie  gekommen,  und  fast 
bei  jeder  Forderung,  die  Kaiser  oder  Kreis  oder  Mitstände  an  sie  stellen,  ist  sie  ge- 
zwungen, ihre  Leistungsunfähigkeit  durch  den  Hinweis  auf  ihre  Kalamität  von  1656  zu 
begründen  und  zu  entschuldigen. 

Einen  kleinen  Beitrag  zum  Niedergang  Aachens,  dem  andere  inhaltsreichere  folgen 
sollen,  liefert  zu  den  bereits  vorhandenen  das  nachstehende  Schriftstück  aus  den  Kreis- 
akten des  hiesigen  Stadtarchivs.  Es  ist  der  Originalentwurf  eines  Briefes,  der  an  jeden 
der  drei  kreisausschreibenden  Fürsten  des  niederrheinisch-westfälischen  Kreises  gerichtet 
ist  und  eine  Moderation  der  Matrikel*  nachsucht. 

Durchleuchtigster  churfürst, 
gnädigster  herr,  herr. 

Ew.  churfurstlichen  durchleuchtigkeit  sollen  wir  untcrthänigst  nit  verhalten  und 
ist  weltkündtig,  welcher  gestalten  die  stadt  Aachen  im  jähr  1656  durch  eine  crschröck- 
liche  feuersbrunst  bis  auf  ein  dritteil  in  rauch  aufgangen:  bestehendtc  der  schaden  in 
4600  und  etlich  fünfzig  häuser,  wie  nit  weniger,  daß  dieselbigo  in  dem  jähr  vier-  und 
fünfundsiebenzig  mit  einer  hochbeschwerlichen  einquartierung  von  kaiserlichen  Völkern, 
sodann  vier  jähr  danach  von  dem  königlichen  französischen  herrn  general  duc  de  Luxem- 
bourg  endlich  eingenohmen  und  eine  überaus  höchstverderbliche  einquartierung  ausgestandten : 


')  Vgl.  24eit6chrift  des  Aachener  Goitchichts Vereins  Bd.  XVI,  S.  178. 


—  121  — 

welche  becde  einlogieruog  *  eine  unersohwingliehe  summa  geldts  gekost,  und  um  selbige 
aufzubringen  uns  eine  so  große  Schuldenlast  aufgebürdtct,  davon  wir  das  jährliche  Inter- 
esse kanmb  beibringen  können,  zu  geschweigen  den  großen  verlnest  unserer  burgerschaft, 
welche  annne  sich  über  ein  dritteil  der  damaligen  anzahl  nit  befändet.  Wormit  zugleich 
auch  der  fürnehmste  handel  und  wandel  von  uns  abgewichen,  der  gestalt,  daß  noch  die 
übrige  handelsleuto  und  handwcrker  ihro  selbsten  leibesnottdurft  kaumb  erschwingen 
können.  Dannenhero  unsere  arme  Stadt  je  länger  je  mehr  in  das  völlige  verderb  nach 
und  nach  geraten  muss.  Dieses  nun  zn  herzen  nehmend,  indeme  uns  aus  obrigkeitlicher 
pflicht  obliget,  auf  mittel  und  weg  zu  gedenken,  wie  etwan  diesem  ganz  verderblichen 
unhell  vorzubüogen,  und  befundten,  daß  unser  anschlag  der  matricul  unerträglich  uns 
künftig  fallen  will:  als  werden  wür  nottdrünglich  angehalten  umb  eine  gemässene  modo- 
ration  gebührend  zu  bitten.  Inmassen  wür  uns  derselben  umb  so  viel  getrösten,  als  in 
denen  gemeinen  reichsabschiedten  de  annis  1548,  1555,  1559  und  1566  austrücklich  ver- 
ordnet, daß  ein  stand,  so  durch  unglücklichen  fahl  in  abnehmen  geraten,  derselbe  im 
anschlag  geringert  werden  solle.  Inmassen  solches  auch  undterschiedtlichen  andern  mit- 
beträngten  reichsständten  beschehen,  und  wür,  aus  oberzehlten  höchsterheblichen  ursach, 
auch  billich  dieselbige  zu  suchen  haben,  darzn  aber  eure  churfürstliche  durchlcncht  als 
krcisausschreibendten  fürsten  ihre  gnädigste  recommendation  nötig  ist,  als  gelangt  an 
eure  churfürstliche  durchleucht  unsere  undterthänigste  bitt:  Sie  geruhen  aus  einer  sonder- 
baren gnadt  dero  gnädigste  recommendation  an  kurfürsten,  fürsten,  fürsten  und  ständte 
des  reichs  uns  mitzuteilen,  welche  wür  verhoffen,  umb  so  vielmehr  diese  von  eurer  chur- 
fürstlichen  durchleucht  zu  erlangen,  aldioweilcn  unser  zu  Regensburg  anwesendte  syndicus 
uns  vertröstet,  dergleichen  von  ihro  hochfürstlichen  durchleucht  Pfalz-Ncuburg  auch  zu 
erlangen.  Es  erweisen  hieran  eure  churfürstliche  durchleucht  ein  werk  der  barmherzig- 
keit,  welches  der  allmächtige  reichlich  wieder  belohnen  und  wür  darumbcn  dcnselbigcn 
demütigst  bitten  wollen.  Zu  eurer  churfürstlichen  durchleucht  beharrlichen  gnaden  mit 
Vertröstung  einer  gewüriger  gnädigster  resolution  uns  gehorsambst  bejnebenst  empfehlen. 
Datum  Aachen,  den  9.  juni  anno  1683. 

£wr.  churfürstlichen  durchleuchtigkeit 

bürgermeistere,  scheffen  und  rat  des  königlichen  stuels 
und  freier  reichsstadt  Aachen. 


*)  Einen  Beitrag  zur  bisher  kaum  angeregten  Beurteilung  der  rechtlichen  Seite  der  Einquar- 
tieruugsfnigo  liefert  nachstehende,  der  Reichskorrespondenz  des  Aachener  Staitarclüvs  ontnommcnu 

Copia  attesti 
vor  die  löbl.  kaiserl.  und  des  heil.  röm.  reichs  freie  stadt  Dortmund,  die  einquartierungen,  auch  nacht- 
und  stilllager  in  reich sstlldten  betreffend. 

Der  kaiserl.  und  des  hL  röm.  reichs  freie  Stadt  Dortmund  wird  hiemit  auf  verlangen  attestirot, 
daß  von  rechts  und  gewohnheit  wegen  reichsstadte,  welche  außer  ihren  ringmauem  territoria  und 
dorfschaften  haben,  nicht  allein  bei  durchzUgen  der  kriegsvölker  in  ansehung  der  nacht-  und  stille- 
liiger,  sondern  auch  bei  vorfallenden  Winterquartieren  selbige  in  ihren  ringmaucin  einzunehmen  keines- 
wegs schuldig  und  gehalten,  vielmehr  in  ihren  territoriis  außerhalb  anzuweisen  allerdings  befugt, 
weniger  nicht  die  hiezu  erforderliche  vorspannen,  als  ein  annexum  der  quartieren  und  simulaorum 
der  frobnen,  nicht  sowohl  von  denen  bürgern  als  denen  bauern  und  unterthancn  auf  dem  lande  zu 
praestiren  und  zu  vorrichten  seien:  dannmehro,  obschon  dort  oder  da  ein  so  anders  mal  das  widerspiel 
dem  alten  herkommen  entgegen  sich  de  facto  zugetragen,  solches  jedoch  entweder  biosauf  die  genoralitHt 
mler  regimentsstabe  und  zwar  aus  besonderen  egard  vor  selbige  stob  höchstens  erstrecket  oder  den 
aussersten  notfall  und  summam  belli  rationem  zum  grund  gehabt  habe  oder  gar  mit  gewalt,  deren 
nicht  zu  widerstehen  gewesen,  durchsezet,  wo  wider  aber  jederzeit  die  triftigsten  Vorstellungen  und 
beschwerden  eingeleget,  mithin  sich  nach  roöglichkeit  verwahret  worden,  daß  demnach  derglcioh 
außerordentliche  actus  und  vorfalle,  wie  sie  an  und  vor  sich  contra  regulam  sind,  also  auch  nicht  pro 
exemplo  mit  bestand  angezogen  werdten,  noch  einig  recht  oder  observantiam  imperii  ausmachen  mögen. 

Zu  welcher  bekrafligung  man  von  reichsstadtischen  direotorii  wegen  gegenwärtige  Urkunde 
namens  des  löblichen  coUegii  fertigen  zu  lassen  und  hinaus  zn  geben  nicht  entstehen  wollen  und 
können.    Actum  den  14.  Nov.  1749. 

(L.  S.)  Georg  Septimus  Deitrichs,  reichsstädtischer  directorial-secretarius. 

Aachen,  W.  Brüning. 


—  122  — 
7.  Die  Ankunft  des  Generate  Dunioariez  in  Aachen. 

Nach  dem  Verlust  von  Longwy  und  in  dem  Augenblick,  als  Vcrdun  im  Begriff 
war,  den  Preussen  seine  Thore  zu  öffnen,  erhielt  Charles-Fran^ois  Dumouriez  das  Kom- 
mando La  Fayettes  bei  der  Central- Armee.  Hauptsächlich  sein  taktischer  Erfolg  im 
Argonner  Walde  und  seine  Kunst,  zwischen  den  österreichischen  und  prenssischen  Führern, 
die  unter  sich  um  die  Palme  der  Pedanterle  und  Unfähigkeit  rangen,  Misstraüen  und  Zwie- 
tracht zu  erregen,  nötigten  das  Heer  der  Verbündeten,  das  mit  einem  Parademarsch  nach 
Frankreich  den  gestürzten  Königsthron  wieder  aufzurichten  vermeinte,  zum  traurigsten 
Rückzug  aus  dem  okkupierten  Gebiet  Dumouriez  ist  es,  der  diese  für  die  Geschicke 
Furopas  entscheidende  Wendung  herbeiführte.  Am  28.  Oktober  1792  überschritt  er  die 
belgische  Grenze.  Am  5.  November  gewann  er  mit  Hülfe  der  Intelligenz  seiner  Unter- 
führer und  des  Enthusiasmus  seiner  jungen  Freiwilligen  die  Schlacht  bei  Jemappes,  wo- 
durch die  Österreicher  Belgien  aufzugeben  gezwungen  wurden.  Dumouriez  eroberte  nicht 
allein  die  österreichischen  Niederlande,  sondern  er  bemächtigte  sich  auch  der  Grenzfestungcn 
gegen  Holland  und  bedrohte  es  mit  ähnlichem  Schicksal.  Von  Lüttich  aus,  wo  das  Volk 
schon  lange  mit  dem  Fürstbischof  in  Streit  lag  und  durch  den  unvernünftigen  gewalt- 
samen Eingriff  Österreichs  der  Revolution  geradezu  in  die  Arme  gedrängt  worden  war*, 
zeigte  der  erfolgreiche  General  in  nachstehendem  Briefe  seine  Ankunft  in  Aachen  an,  wo 
ein  Teil  seiner  Truppen  die  Winterquartiere  beziehen  sollte*. 

Liögc,  15.  Dccembcr  1792. 
L'an  Premier  de  la  r^publique. 

Dumouriez  g6u<^ral  en  chcf  de  Tarm^e  belgique  aux  magistrats 

de  la  ville  libre  d*Aix-la-Chapelle. 

Citoyens. 

Je  me  rendrai  apres  domain  17.  ou  Ic  18.  au  plus  tard  dans  votre  ville  avcc  une 
partie  de  l'armöc  de  la  rtjpublique  fran^oisc.  J*appronds  que  Ics  cheniins  sont  trcs  mau- 
vais  dans  le  bois  d'Aix.  Je  vous  pric  de  vouloir  bien  faire  Commander  des  paysans  dos 
environs  ou  des  habitants  de  la  ville  pour  faire  racommodcr  le  chemin  cn  comblent  les 
orni^res  et  mettant  dos  fascinages  et  de  la  terre  ou  des  pierres  dans  les  endroits  les 
plus  difficilcä. 

J'cspore  que  je  trouvcrais  dans  votre  ville  Pcsprit  de  la  libort«^  et  de  Ti^galitö  qui 
est  le  droit  imprescriptiblc  de  la  nature.  Alors  vous  trouverez  dans  mon  armee  autant 
d^amis  et  de  frdrcs  que  de  soldats. 

C'cst  dans  cet  esprit  que  je  vous  salue  fraternellement 

le  g<Sn<3ral  en  chef 

Dumouriez. 

Unter  dem  Briefe  von  anderer  Hand:  Lettre  du  g(5ncral  Dumouriez  du  15.  Dcc. 
1792  Tan  1*'  de  la  republique,  rcndue  par  monsicur  Aloys  van  Houtcm  ä  4*/«  heures 
d*  Papresmidi  du  16.  Dcc.  1792  cn  prcscncc  des  bourgucmaitrcs  et  magistrat,  dont  il  a 
6X6  donuö  au  portcur  un  re^u. 


•)  Akten  des  Aachener  Stutltarcliivs  betr.   ^Lütticher  Insurrektion".  —  Vgl.  diesen  Jahrgang 
der  Mitteilungen  S.  42  ff 

«)  Mitteilungen  8.  48  ff. 

Aachen.  W.  Brüning. 


—  123  — 

Bericht  über  das  Vereinsjahr  1898. 

in  der  Haupt- Versammlung  des  „Vercius  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit",  welche 
am  25.  November  bei  zahlreicher  Beteiligung  im  Gasthof  „zum  König  von  Spanien*^  ab- 
gehalten wurde,  erstattete  der  Vorsitzende,  Herr  Direktor  Dr.  Fritz  Kelle ter,  den 
üblichen  Jahresbericht.  Er  bezcicbnett  das  abgelaufene  Vereinsjahr  als  ein  besonders 
günstiges,  indem  während  desselben  88  neue  Mitglieder  dem  Vereine  beigetreten  sind, 
dessen  Mitgliederzahl  nunmehr  223  beträgt.  Nachdem  er  in  warmen  Worten  zu  weiterer 
reger  Teilnahme  an  den  wissenschaftlichen  Bestrebungen  des  Vereins,  wie  sie  in  den 
Monatssitzungen,  den  Ausflügen  und  in  den  Veröffentlichungen  der  Zeitschrift  „Aus 
Aachens  Vorzeit"  hervortreten,  aufgemuntert,  gab  er  einen  kurzen  Überblick  über  das 
wisseriSchaftUche  Leben  im  Verein  während  des  Berichtjahrcs.  1898.  Im  Laufe  desselben 
sind  die  Haupt- Versammlung  und  3  Monatssitzungen  abgehalten  worden.  Ausserdem  hat 
ein  Ausflug  stattgefunden.  In  den  Monatsv ersammlungen  wurden  folgende  Vorträge 
gehalten : 

Mittwoch,  den  20.  Dezember  1807:  Herr  Hülfsarchivar  Dr.  Brüning  sprach  über 
die  Anfange  der  preussischen  Politik  in  den  Bheinlanden  und  über  die  Beziehungen  der 
Hohenzollern  zu  Aachen  im  17.  und  18.  Jahrhundert.  Herr  Direktor  Dr.  Kelleter 
behandelte  die  Finanzverhältnisse  während  der  Befreiungskriege. 

Donnerstag,  den  16.  Februar  1898:  Herr  Dr.  Brüning  sprach  über  Aachen  in 
ältester  Zeit.  Herr  Vogelgesang  legte  der  Versammlung  eine  Anzahl  wertvoller  Münzen 
aus  der  römischen  Kaiserzeit  und  aus  dem  Mittelalter  vor  und  erläuterte  ihren  Wert 
und  ihre  geschichtliche  Bedeutung. 

Dienstag,  den  25.  April:  Herr  Dr.  Brüning  hielt  einen  Vortrag  über  den  geschicht- 
lichen Wert  der  Altertumsfunde  in  Aachen. 

Am  20.  Juli  unternahm  der  Verein  einen  Ausflug  nach  dem  an  historischen  Erinner- 
ungen wie  landschaftlicher  Schönheit  reichen  Nachbarorte  Cornelimtinster.  Herr  Pfarrer 
Heinrich  Schnock  verbreitete  sich  in  einem  eingehenden  Vortrage  über  dio  Anfange 
des  Ort«s  in  der  Römerzeit,  über  die  Gründung  des  monasterium  unter  Ludwig  dem 
Frommen  und  über  die  Geschichte  der  Abtei  im  Mittelalter.  Unter  der  Führung  desselben 
Herrn  wurden  sodann  die  Abteikirche  im  Thale  und  die  alte  Pfarrkirche  auf  der  Höhe 
besichtigt  und  ihre  Geschichte  und  Kunstschätze  erläutert. 

Der  Erstattung  des  Jahresberichtes  reihte  sich  der  Bericht  des  Schatzmeisters  über 
die  Kassen  Verhältnisse  des  Vereins  an. 

Die  finanzielle  Lage  ergibt  sich  aus  folgender  Zusammenstellung:* 


Einnahmen: 

Kaasenbestand  aus  dem  Vorjahre M.     666.41 

Sechs  rückständige  Jahresbeiträge „       18.— 

181  Jahresbeiträge  für  das  Jahr  1897      .     .    .     .  „      543.— 

Zinsen  der  Sparkasse „       18.30 

Summa  .     .     .  M.  1245.71 

Ausgaben: 

Druckkosten  der  Vereinszeitschrift M.    291.77 

Inserate „        48,49 

Porto-Auslagen „  6.50 

Kassenbestand „      898,95 

Summa  .     .    .  M.  1245.71 

Die  Herren  Revisoren  Fey  und  Schneider,  welche  die  Kasse  auf  ihre  Richtigkeit 
geprüft,  fanden  dieselbe  in  bester  Ordnung.     Dem  Schatzmeister  wurde  darauf  unter